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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 27.10.1994
Aktenzeichen: T-34/92
Rechtsgebiete: EWG


Vorschriften:

EWG Art. 85 Abs. 1
EWG Art. 85 Abs. 3
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Für eine Entscheidung der Kommission gilt, wenn kein Anhaltspunkt für ihre eventuelle Ungültigkeit vorliegt, die Gültigkeitsvermutung für Rechtsakte der Gemeinschaften. Hat der Kläger nicht den geringsten Anhaltspunkt für die Unrichtigkeit dieser Vermutung vorgebracht, so steht es dem Gemeinschaftsrichter nicht zu, Beweiserhebungen anzuordnen, um zu klären, ob die in der Geschäftsordnung der Kommission vorgeschriebenen Förmlichkeiten im betreffenden Fall eingehalten worden sind.

2. Wird in einem Verfahren zur Anwendung der Wettbewerbsregeln eine Änderung der Niederschrift über die Anhörung des beschuldigten Unternehmens unmittelbar diesem und nicht seinem Rechtsbeistand zur Kenntnis gebracht, so kann dies die Wirksamkeit der so übermittelten Mitteilung nicht in Frage stellen.

3. Wird mit einer Entscheidung eine ständige Entscheidungspraxis fortgesetzt, so kann sie summarisch, insbesondere durch Hinweis auf diese Praxis, begründet werden. Geht eine Entscheidung dagegen erheblich weiter als die bisherigen Entscheidungen, so hat die Kommission ihre Gründe ausführlich darzulegen.

4. Zwar ist Artikel 85 Absatz 2 des Vertrages dahin auszulegen, daß die Nichtigkeit auf die wettbewerbswidrigen Teile einer Vereinbarung zu beschränken ist, falls diese von den anderen Teilen der Vereinbarung getrennt werden können, und daß die Kommission daher im gegenteiligen Fall in der Begründung ihrer Entscheidung angeben muß, weshalb sich diese Teile nach ihrer Auffassung nicht von den anderen Teilen der Vereinbarung trennen lassen. Diese Auslegung lässt sich aber nicht ohne weiteres auf die Prüfung eines Freistellungsantrags nach Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages übertragen. Denn in diesem Fall ist es Sache der Kommission, bei der Entscheidung über den ihr vorgelegten Antrag der Unternehmen, die die Anmeldung vorgenommen haben, ihren Standpunkt in bezug auf die Vereinbarung, wie sie bei ihr angemeldet worden ist, festzulegen, es sei denn, daß sich die Parteien während der Prüfung der Angelegenheit zu einzelnen Änderungen der angemeldeten Vereinbarung bereit finden.

5. Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages legt ein grundsätzliches Verbot aller wettbewerbswidrigen Vereinbarungen fest. Diese zwingende Vorschrift gilt daher für die betroffenen Unternehmen unabhängig von jeder Anordnung, die die Kommission möglicherweise an sie richtet.

Daher ist ein Verbot als rein deklaratorisch anzusehen, das im verfügenden Teil einer Entscheidung, durch die eine Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages abgelehnt wird, enthalten ist und durch das den Unternehmen, die die Anmeldung vorgenommen haben, untersagt wird, sich an irgendeiner Zusammenarbeit mit einem gleichartigen oder ähnlichen Ziel wie die angemeldete Vereinbarung zu beteiligen.

6. Wird mit einer Vereinbarung keine Beschränkung des Wettbewerbs bezweckt, so kann sie nur wegen ihrer Auswirkungen auf den Markt beanstandet werden. In einem solchen Fall ist bei der Beurteilung etwaiger wettbewerbswidriger Auswirkungen der Vereinbarung auf den Wettbewerb abzustellen, wie er ohne die streitige Vereinbarung bestehen würde.

7. Eine Vereinbarung über die Einrichtung eines Informationsaustauschsystems, das weder die Preise betrifft noch zur Unterstützung eines anderen wettbewerbswidrigen Mechanismus dient, ist auf einem wirklich vom Wettbewerb geprägten Markt geeignet, den Wettbewerb auf der Angebotsseite zu verstärken, da der Umstand, daß ein Wirtschaftsteilnehmer Informationen, über die er verfügt, berücksichtigt, um sein Verhalten auf dem Markt anzupassen, angesichts der Zersplitterung des Angebots nicht geeignet ist, bei den anderen Wirtschaftsteilnehmern die Unsicherheit über die Vorhersehbarkeit des Verhaltens der Wettbewerber zu verringern oder ganz zu beseitigen. Werden dagegen auf einem hochgradig konzentrierten oligopolistischen Markt, auf dem der Wettbewerb bereits stark eingeschränkt und der Austausch von Informationen erleichtert ist, unter den Wirtschaftsteilnehmern, auf die der grösste Teil des Angebotsvolumens entfällt, allgemein in kurzen zeitlichen Abständen genaue Informationen ausgetauscht, so ist dies geeignet, den noch bestehenden Wettbewerb unter den Wirtschaftsteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Bei einer solchen Fallgestaltung werden nämlich durch die regelmässige und häufige Zusammenfassung der Informationen über das Marktgeschehen allen Wettbewerbern in festen Zeitabständen die Marktpositionen und die Strategien der einzelnen Wettbewerber offengelegt.

8. Die vier Voraussetzungen des Artikels 85 Absatz 3 des Vertrages für eine Einzelfreistellung einer bei der Kommission ordnungsgemäß angemeldeten Vereinbarung müssen gleichzeitig vorliegen, so daß die Kommission, wenn eine von ihnen nicht erfuellt ist, den bei ihr eingereichten Antrag von Rechts wegen ablehnen kann.

9. Wird eine Einzelfreistellung vom Kartellverbot beantragt, so ist es in erster Linie Sache der betreffenden Unternehmen, der Kommission die Beweise dafür vorzulegen, daß die Vereinbarung die Voraussetzungen des Artikels 85 Absatz 3 des Vertrages erfuellt.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (ZWEITE KAMMER) VOM 27. OKTOBER 1994. - FIATAGRI UK LTD UND NEW HOLLAND FORD LTD GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - WETTBEWERB - INFORMATIONSAUSTAUSCHSYSTEM - WETTBEWERBSWIDRIGE WIRKUNG - VERSAGUNG DER FREISTELLUNG. - RECHTSSACHE T-34/92.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Die Agricultural Engineers Association Limited (nachstehend: ÄA) ist ein Berufsverband, der allen Herstellern und Einführern von landwirtschaftlichen Zugmaschinen im Vereinigten Königreich offensteht. Ihr gehörten zum Zeitpunkt des streitigen Geschehens ungefähr 200 Mitglieder an, hierunter Case Europe Limited, John Deere Limited, Fiatagri UK Limited, Ford New Holland Limited, Massey-Ferguson (United Kingdom) Limited, Renault Agricultural Limited, Same-Lamborghini (UK) Limited und Watweare Limited.

a) Verwaltungsverfahren

2 Am 4. Januar 1988 meldete die ÄA bei der Kommission eine Vereinbarung über ein Informationssystem mit der Bezeichnung "UK Agricultural Tractor Registration Exchange" an, das auf vom Verkehrsministerium des Vereinigten Königreichs verwaltete Zulassungsdaten von landwirtschaftlichen Zugmaschinen gestützt ist, und beantragte ein Negativattest, hilfsweise eine individuelle Freistellungserklärung (nachstehend: erste Anmeldung). Diese Vereinbarung über den Austausch von Informationen trat an die Stelle einer früheren Vereinbarung von 1975, die nicht bei der Kommission angemeldet worden war und dieser 1984 zur Kenntnis gelangt war, als sie aufgrund einer bei ihr eingereichten Beschwerde wegen der Behinderung von Paralleleinfuhren Untersuchungen anstelle.

3 Die Beteiligung an der Vereinbarung steht allen Herstellern oder Einführern von landwirtschaftlichen Zugmaschinen im Vereinigten Königreich ohne Rücksicht auf ihre Mitgliedschaft in der ÄA frei. Diese ist als Sekretariat für die Vereinbarung tätig. Die Zahl der an der Vereinbarung Beteiligten schwankte nach Angaben der Klägerinnen im Untersuchungszeitraum infolge der Umstrukturierungsbewegungen innerhalb des Wirtschaftszweigs; zum Zeitpunkt der Anmeldung waren acht Hersteller, darunter die Klägerinnen, an der Vereinbarung beteiligt. Bei diesen handelt es sich um die acht in Randnummer 1 dieses Urteils genannten Unternehmen, die nach Angaben der Kommission 87 bis 88 % des Marktes des Vereinigten Königreichs für landwirtschaftliche Zugmaschinen halten, während sich mehrere kleine Hersteller den Rest dieses Marktes teilen.

4 Am 11. November 1988 richtete die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an die ÄA, jede der von der ersten Anmeldung betroffenen acht Beteiligten und die Systematics International Group of Companies Limited (nachstehend: SIL), ein EDV-Unternehmen, das mit der Verarbeitung und Auswertung der in dem Vordruck V55 enthaltenen Daten (siehe unten Randnr. 6) betraut war. Am 24. November 1988 beschlossen die an der Vereinbarung beteiligten Firmen deren Aussetzung. Nach Angaben der Klägerinnen ist die Vereinbarung später wieder in Kraft gesetzt worden, allerdings ohne die Verbreitung ° aufgeschlüsselter oder zusammengefasster ° Informationen, die die Ermittlung der Umsätze der Wettbewerber ermöglichten. Bei einer Anhörung vor der Kommission machten die Klägerinnen unter Bezugnahme insbesondere auf eine Untersuchung von Professor Albach, Berlin Science Center, geltend, daß die übermittelten Informationen sich günstig auf den Wettbewerb ausgewirkt hätten. Am 12. März 1990 meldeten fünf Mitglieder der ÄA ° darunter die Klägerinnen ° bei der Kommission eine neue Vereinbarung über den Austausch von Informationen mit der Bezeichnung "UK Tractors Registration Data System" (nachstehend: Data System) an (nachstehend: zweite Anmeldung) und verpflichteten sich, das neue System nicht vor Erhalt der Antwort der Kommission auf ihre Anmeldung anzuwenden. Nach Darstellung der Klägerinnen führt diese neue Vereinbarung zum einen zu einer erheblichen Verringerung der Anzahl und der Häufigkeit der im Rahmen der Vereinbarung übermittelten Informationen und beseitigt zum anderen sämtliche "institutionellen" Punkte, die von der Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte gerügt worden waren.

5 Mit der Entscheidung 92/157/EWG der Kommission vom 17. Februar 1992 in einem Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag in der Sache IV/31.370 und 31.446 (UK Agricultural Tractor Registration Exchange) (ABl. L 68, S. 19; nachstehend: Entscheidung) wird

° festgestellt, daß das System über den Austausch von Informationen über die Zulassungen von landwirtschaftlichen Zugmaschinen gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstosse, "indem es Anlaß zum Austausch von Angaben gibt, aus denen die Umsätze einzelner Wettbewerber, die Umsatzzahlen der Händler und die Einfuhren firmeneigener Erzeugnisse hervorgehen"(1) (Artikel 1);

° der Antrag auf Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 abgelehnt (Artikel 2);

° der ÄA und den Teilnehmern an dem Austauschsystem aufgegeben, die Vertragsverletzung, soweit diese noch fortbesteht, unverzueglich zu beenden und es in Zukunft zu unterlassen, eine Vereinbarung einzugehen, die gleichartige oder ähnliche Ziele oder Wirkungen haben kann (Artikel 3).

b) Inhalt und rechtlicher Kontext der Vereinbarung

6 Nach dem Recht des Vereinigten Königreichs dürfen Fahrzeuge dort nur nach Zulassung durch das Verkehrministerium im öffentlichen Strassenverkehr verwendet werden. Für den Antrag auf Zulassung eines Fahrzeugs ein besonderer Vordruck, das Formular V55, zu verwenden. Aufgrund einer Absprache mit dem Verkehrsministerium des Vereinigten Königreichs übermittelt dieses der SIL bestimmte Informationen, die es bei der Zulassung der Fahrzeuge erhält.

7 Die Parteien sind in einer Reihe tatsächlicher Fragen im Zusammenhang mit den Angaben in diesem Vordruck und ihrer Verwendung unterschiedlicher Auffassung. Diese Fragen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

8 Die Klägerinnen machen geltend, da die Informationen, die an die an der Vereinbarung Beteiligten weitergeleitet würden, aus der Verwaltung stammten und die Wiederverkäufer nur begrenzte Lagerbestände hätten, könne zwischen Bestellung und Auslieferung eines Traktors eine erhebliche Zeit verstreichen, die ihrerseits der Zulassung des Fahrzeugs zum öffentlichen Strassenverkehr und sodann der Übermittlung der Informationen an die an der Vereinbarung Beteiligten vorausgehe. Zwischen Verkauf und Zulassung könne daher ein längerer Zeitraum liegen, so daß es ihrer Auffassung nach keine "Momentaufnahme" des Marktes gebe und die gesammelten Informationen nur ein ungefähres Bild vermittelten. Die SIL werte die Angaben auf dem Vordruck aus, der anschließend zerstört werde, ohne daß er den an der Vereinbarung Beteiligten zu irgendeinem Zeitpunkt unmittelbar zugesandt worden sei.

9 Die Klägerinnen räumen ein, daß es von dem Vordruck V55 mehrere Versionen mit den Nummern V55/1 bis V55/5 gibt. Lediglich der Vordruck V55/1 sei im voraus ausgefuellt. Die Vordrucke V55/2 und V55/4, die lediglich von British Leyland benutzt worden seien, würden nicht mehr verwendet, während der Vordruck V55/3, der verwendet werde, wenn der Vordruck V55/1 abhanden komme, von Hand ausgefuellt werde. Der Vordruck V55/5 schließlich werde von unabhängigen Einführern sowie beim Verkauf eines Gebrauchtfahrzeugs verwendet. Es komme nämlich verhältnismässig oft vor, daß ein Traktor zugelassen werde, der zuvor ausschließlich auf Privatgelände gebraucht worden sei, ohne am öffentlichen Strassenverkehr teilzunehmen. In allen diesen Fällen hätten die an der Vereinbarung Beteiligten keinen unmittelbaren Zugang zu den Vordrucken.

10 Nach Darstellung der Kommission gibt es von dem Vordruck im wesentlichen zwei Versionen: die Vordrucke V55/1 bis V55/4, die von den Herstellern und den Alleinimporteuren im voraus ausgefuellt und von den Händlern bei der Zulassung der ihnen gelieferten Fahrzeuge verwendet würden, und den Vordruck V55/5, der bei Paralleleinfuhren verwendet werde.

11 Nach Angaben der Kommission enthält der Vordruck folgende Angaben, was die Klägerinnen in einer Reihe von Punkten bestreiten:

° Marke (Hersteller);

° Modell-, Serien- und Fahrgestellnummer, Zulassungsdatum; in der Sitzung vom 7. Dezember 1993 zwischen den Parteien und dem Berichterstatter habe sich ergeben, daß die Angaben zu den Seriennummern (oder zu den Fahrgestellnummern) von der SIL aufgezeichnet, nach dem auf der ersten Anmeldung beruhenden System hingegen nicht mehr an die an der Vereinbarung Beteiligten weitergegeben würden, da zum 1. September 1988 vereinbart worden sei, daß SIL den an der Vereinbarung Beteiligten den Zulassungsvordruck nicht mehr übermittele. Nach Angaben der Klägerinnen benötigen die Hersteller diese Angaben zur Durchführung ihrer Rückrufaktionen und zur Prüfung der Begründetheit der ihnen vorgelegten Garantieanträge. Aus diesem Grunde seien diese Angaben, deren Übermittlung an die Beteiligten auch im Data System vorgesehen sei, den Beteiligten bis zum September 1988 übermittelt worden;

° Ersthändler und Verkäufer (Codenummer, Name, Anschrift und Postleitzahl); nach Darstellung der Klägerinnen werden diese Angaben nicht von der SIL aufgenommen;

° vollständige Postleitzahl des eingetragenen Fahrzeughalters; nach Darstellung der Klägerinnen werden lediglich die ersten fünf Ziffern der Postleitzahl des eingetragenen Halters von der SIL aufgezeichnet, um die Ermittlung der Postleitzone zu ermöglichen, wobei diese Zahl bisweilen auf drei oder vier Ziffern verkürzt werde. In der Sitzung mit den Parteien vom 7. Dezember 1993 hat die SIL dargelegt, daß sie, falls diese Postleitzahl im Vordruck nicht enthalten sei, die der Postleitzahl des Endverbrauchers zunächst liegende Postleitzahl verwende, d. h. die des verkaufenden Händlers. Falls die letztgenannte Postleitzahl fehle, verwende sie die Postleitzahl des Ersthändlers oder, falls diese fehle, die Postleitzahl des örtlich zuständigen Local Vehicles Licensing Office (nachstehend: LVLO). Jede Angabe müsse mit einer Postleitzone verknüpft werden, um die Verkaufsgebiete der Händler festlegen zu können;

° Name und Anschrift des eingetragenen Fahrzeughalters; in der Sitzung mit den Parteien vom 7. Dezember 1993 haben die Klägerinnen, deren Ausführungen von der SIL bestätigt wurden, ausgeführt, daß diese Angabe zwar möglicherweise auf Blatt 3 des Vordrucks V55 auftauche, das allein der SIL übermittelt werde, auf jeden Fall aber von dieser nicht aufgezeichnet werde, so daß sie den an der Vereinbarung Beteiligten nicht übermittelt werde.

12 Die Parteien stimmen darin überein, daß die den an der Vereinbarung Beteiligten von der SIL übermittelten Daten in drei Kategorien aufzugliedern sind, bestimmen diese drei Kategorien aber in unterschiedlicher Weise.

13 Nach Auffassung der Klägerinnen gliedern sich die ihnen von der SIL übermittelten Informationen in folgende drei Kategorien:

° Daten des Wirtschaftssektors: Sie beträfen die Gesamtzahlen der Zulassung der von der gesamten Branche verkauften Traktoren, aufgegliedert nach Zeitraum, Leistung, Antriebssystem und Postleitzone des eingetragenen Fahrzeughalters;

° Zulassungsdaten: Sie beträfen die Zulassungen der von jedem an der Vereinbarung Beteiligten verkauften Traktoren, die nach Verkaufszeitpunkt, Traktormodell und Postleitzone des eingetragenen Fahrzeughalters aufgegliedert seien;

° firmeneigene Daten, die nur dem an der Vereinbarung Beteiligten mitgeteilt würden: Sie bezögen sich auf den Verkauf zugelassener Traktoren durch jeden Händler des Vertriebsnetzes dieses Beteiligten, auf die Daten der beiden vorausgegangenen Kategorien, mit einer räumlichen Aufgliederung nach den Verkaufsgebieten der Händler des Vertriebsnetzes des betreffenden Mitglieds, auf besondere Analysen, die von einem bestimmten Beteiligten verlangt würden, sowie auf Zulassungszahlen für die von ihm verkauften Traktoren.

14 Laut Kommission handelt es sich um folgende drei Kategorien von Informationen:

° Gesamtdaten für den Sektor: Gesamtumsatzzahlen, gegebenenfalls aufgeschlüsselt nach PS-Gruppen oder Fahrzeugtypen; diese Angaben seien für Jahres-, Vierteljahres-, Monats- und Wochenzeiträume erhältlich;

° Daten über die Umsätze jedes einzelnen Mitglieds: verkaufte Stückzahlen und Marktanteil der einzelnen Hersteller, aufgeschlüsselt nach räumlichen Gebieten (Vereinigtes Königreich insgesamt, Region, Grafschaft, Händlergebiet, das mit Hilfe der Postleitzonen, aus den sich jedes Gebiet zusammensetzt, festgestellt wird); diese Angaben seien auf Monats-, Vierteljahres- und Jahresbasis erhältlich (im letzten Fall für die letzten zwölf Monate, für das Kalenderjahr oder auf gleitender Jahresbasis);

° Umsatzdaten für die Händler des Vertriebsnetzes jedes Mitglieds, insbesondere für die Einfuhren und Ausfuhren der Händler in ihrem jeweiligen Gebiet. Diese Angaben ermöglichten die Ermittlung der Einfuhren und Ausfuhren zwischen den verschiedenen Händlergebieten und den Vergleich dieser Verkaufstätigkeiten mit den Umsätzen, die die Händler in ihrem eigenen Gebiet erzielt hätten. Wie sich insbesondere aus den Randnummern 29, 30, 55 und 56 der Entscheidung ergebe, könne ein Hersteller, wenn er wolle, durch Ermittlung des Bestimmungsorts der Verkäufe die Einzelhandelstätigkeit der Händler ausserhalb ihres Verkaufsgebiets innerhalb oder ausserhalb des Vereinigten Königreichs reduzieren. In der Sitzung mit den Parteien vom 7. Dezember 1993 haben die Klägerinnen darauf hingewiesen, daß ein bestimmter Hersteller lediglich die Absätze seiner eigenen Händler unter Ausschluß seiner Wettbewerber vergleichen könne, und daß entgegen der Entscheidung das Informationsaustauschsystem den verschiedenen Herstellern nicht die Möglichkeit verschaffe, die Umsätze der Händler eines bestimmten Vertriebsnetzes zu vergleichen.

15 Die Klägerinnen bestehen darauf, daß diese Angaben über den "dealer import" und den "dealer export" nicht Teil der Vereinbarung selbst seien und den an der Vereinbarung Beteiligten von der SIL lediglich aufgrund der mit ihr getroffenen Einzelvereinbarungen mitgeteilt würden. Diese Daten, die im Rahmen der Vereinbarung, die Gegenstand der zweiten Anmeldung sei, nicht mehr erhältlich seien, bezögen sich auf die Absätze eines Händlers ausserhalb seines Gebietes ("dealer export") und auf die Umsätze anderer Händler des Vereinigten Königreichs im Verkaufsgebiet eines anderen Händlers ("dealer import"). Sie beträfen somit nicht die Ausfuhren in andere Mitgliedstaaten oder die Einfuhren aus solchen Staaten.

16 Nach Darstellung der Kommission soll die SIL bis zum 1. September 1988 den an der Vereinbarung Beteiligten Kopien des von den unabhängigen Einführern verwendeten Vordrucks V55/5 verwendet haben. Seitdem teile sie ihnen lediglich die diesem Vordruck entnommenen Angaben mit; dieser werde jetzt nach seiner Auswertung durch die SIL vernichtet. Diese Zulassungsunterlagen ermöglichten es vor allem anhand der Seriennummer des Fahrzeugs, Parallelimporte festzustellen. Bezueglich dieser letzten Angabe wies die Kommission in der Sitzung mit den Parteien vom 7. Dezember 1993 darauf hin, daß zwischen den Vordrucken V55/1, V55/3 und V55/4 einerseits und dem Vordruck V55/5 andererseits unterschieden werden müsse. Die Vordrucke V55/1, V55/3 und V55/4 seien nämlich vom Hersteller im voraus ausgefuellt, so daß sich die Angaben zur Seriennummer aus dem jedes Fahrzeug begleitenden Vordruck ergäben und damit eine vollständige Kontrolle des Bestimmungsorts dieser Traktoren seitens der Hersteller möglich sei. Demgegenüber habe bei dem Vordruck V55/5 die SIL bis zum September 1988 den Vordruck an die an der Vereinbarung Beteiligten übersandt und es ihnen möglich gemacht, die Herkunft eines bestimmten Fahrzeugs zurückzuverfolgen. In der gleichen Sitzung hat die Kommission allerdings eingeräumt, daß das System nach dem 1. September 1988 den Herstellern eine Überwachung der Paralleleinfuhren nicht mehr ermöglicht. In dieser Sitzung haben die Klägerinnen ihrerseits darauf hingewiesen, daß sie auch vor dem 1. September 1988 nicht in der Lage gewesen seien, Parallelimporte zu überwachen, da die Fahrgestellnummer des Fahrzeugs in dem Vordruck V55/5 nicht systematisch angegeben worden sei.

Anträge der Parteien

17 Unter diesen Umständen haben die Klägerinnen mit Klageschrift, die am 6. Mai 1992 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

18 Die Klägerinnen beantragen,

° die Vorlage des Protokolls der Sitzung des Kollegiums der Kommissionsmitglieder, in der die Entscheidung C(92) 271 der Kommission vom 17. Februar 1992 in der Sache IV/B-2/31.370 und 31.446 (UK Agricultural Tractor Registration Exchange) erlassen wurde, sowie des Wortlauts der Entscheidung im Anhang zu diesem Protokoll anzuordnen; ferner die Vorlage der Änderungen der Niederschrift über die Anhörung seitens der Kommission vor ihrer Übermittlung an den Beratenden Ausschuß anzuordnen;

° festzustellen, daß die Entscheidung nicht existent ist, hilfsweise die Klage für zulässig und die Entscheidung für nichtig zu erklären;

° der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

19 In der Erwiderung haben die Klägerinnen ferner beantragt, die Rechtssache mit der von John Deere Limited erhobenen Klage in der Rechtssache T-35/92 zu verbinden.

20 Die Kommission beantragt,

° die Klage als unbegründet abzuweisen;

° den Antrag der Klägerinnen auf Vorlage des Protokolls der Sitzung des Kollegiums der Kommissionsmitglieder, in der die Entscheidung Nr. 92/157/EWG der Kommission vom 17. Februar 1992 in der Sache IV/B-2/31.370 und 31.446 (UK Agricultural Tractor Registration Exchange) erlassen wurde, sowie des Wortlauts der Entscheidung im Anhang dieses Protokolls zurückzuweisen;

° den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

21 In ihrer Gegenerwiderung hat die Kommission dem Gericht mitgeteilt, daß sie einer Verbindung dieser Rechtssachen mit der von John Deere Limited anhängig gemachten Rechtssache T-35/92 zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung nicht widerspreche, falls in beiden Rechtssachen getrennte Urteile ergingen. Beim Abschluß des schriftlichen Verfahrens hat der Vorsitzende der Zweiten Kammer des Gerichts mit Beschluß vom 28. Oktober 1993 die vorliegende Rechtssache mit der Rechtssache T-35/92, John Deere Limited/Kommission, zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung verbunden mit dem Vorbehalt, daß bestimmte Teile der Klageschrift in der Rechtssache T-35/92 und bestimmte Anlagen zu dieser Klageschrift gegenüber den Klägerinnen in der vorliegenden Rechtssache vertraulich behandelt werden.

22 Das Gericht (Zweite Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Es hat jedoch die Parteien ersucht, bestimmte schriftliche Fragen zu beantworten und bestimmte Schriftstücke vorzulegen. Die Kommission hat am 2. Dezember 1993 diese Fragen beantwortet und die angeforderten Schriftstücke vorgelegt. Ferner sind die Parteien und die SIL um Teilnahme an einer Sitzung mit dem Berichterstatter gemäß Artikel 64 der Verfahrensordnung ersucht worden. Diese Sitzung hat am 7. Dezember 1993 stattgefunden. In der öffentlichen Sitzung vom 16. März 1994 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet. In der öffentlichen Sitzung ist Herr Hodges, Vertreter der SIL, nach Maßgabe der Artikel 68 ff. der Verfahrensordnung als Zeuge vernommen worden.

Vorbringen der Parteien

23 Die Klägerinnen machen geltend, die Entscheidung

° sei in einem nicht ordnungsgemässen Verfahren ergangen;

° verkenne den Umfang der Begründungspflicht;

° beruhe auf einer fehlerhaften Umschreibung des Produktes und des relevanten Marktes;

° weise Tatsachenirrtümer bei der Prüfung der übermittelten Angaben auf;

° beruhe auf einem Rechtsirrtum bei der Auslegung des Artikels 85 Absatz 1 EWG-Vertrag;

° schließe zu Unrecht die Anwendung des Artikels 85 Absatz 3 EWG-Vertrag im vorliegenden Falle aus.

Zum Klagegrund des nicht ordnungsgemässen Verfahrens beim Erlaß der angefochtenen Entscheidung

24 Die Klägerinnen machen zur Stützung ihrer Anträge auf Feststellung der Nichtexistenz der Entscheidung erstens geltend, es müsse sichergestellt werden, daß die Geschäftsordnung der Kommission beachtet worden sei; zweitens tragen sie vor, daß die Kommission einseitig Änderungen an der Niederschrift über die Anhörung vorgenommen habe.

Erster Teil des Klagegrundes: Verstoß gegen die Geschäftsordnung der Kommission

25 Die Klägerinnen bringen vor, angesichts des ihnen übermittelten Wortlauts der Entscheidung hätten sie Grund, daran zu zweifeln, ob die Formalitäten des Artikels 12 der seinerzeit geltenden Geschäftsordnung der Kommission vom 9. Januar 1963 (63/41/EWG; ABl. 1963, Nr. 17, S. 181), aufrechterhalten durch Artikel 1 der vorläufigen Geschäftsordnung der Kommission vom 6. Juli 1967 (67/426/EWG; ABl. 1967, Nr. 147, S. 1), zuletzt geändert durch den Beschluß 86/61/EWG, Euratom, EGKS der Kommission vom 8. Januar 1986 (ABl. 1986, L 72, S. 34), im vorliegenden Fall beachtet worden seien. Sie ersuchen daher das Gericht, Beweiserhebungen anzuordnen, damit geprüft werden kann, ob das Verfahren ordnungsgemäß abgelaufen ist, und, falls Zweifel bestehen, die Entscheidung für nicht existent zu erklären (Urteil des Gerichts vom 27. Februar 1992 in den Rechtssachen T-79/89, T-84/89 bis T-86/89, T-89/89, T-91/89, T-92/89, T-94/89, T-98/89, T-102/89 und T-104/89, BASF u. a./Kommission, Slg. 1992, II-315).

26 Die Kommission vertritt die Auffassung, daß die Umstände der vorliegenden Rechtssache sich sehr von denen unterschieden, die dem Urteil BASF u. a./Kommission zugrunde gelegen hätten. Im vorliegenden Fall bestehe für das Gericht kein Anlaß, die Vorlage der Niederschrift über die Sitzung des Kollegiums der Kommissionsmitglieder anzuordnen, und die Klägerinnen seien nicht befugt, einen solchen Antrag zu stellen.

27 Für die Entscheidung der Kommission in der der Klägerin bekanntgegebenen Form, die Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist, gilt mangels jedes Anhaltspunktes für ihre eventuelle Ungültigkeit die Gültigkeitsvermutung für Rechtsakte der Gemeinschaften. Da die Klägerin nicht den geringsten Anhaltspunkt für die Unrichtigkeit dieser Vermutung vorgebracht hat, steht es dem Gericht nicht zu, die beantragten Beweiserhebungen anzuordnen. Soweit es um die Ordnungsgemäßheit des Verfahrens der Erstellung der Kopie der Entscheidung und ihrer Bekanntgabe geht, ist das Gericht ferner der Auffassung, daß, die Mängel, die diese Kopie oder die Ordnungsgemäßheit ihrer Bekanntgabe an die Unternehmen betreffen sollen, selbst dann, wenn sie nachgewiesen wären, auf jeden Fall ohne Einfluß auf die Rechtmässigkeit der angefochtenen Entscheidung wären und lediglich den Zeitpunkt des Beginns der Frist für die Erhebung einer Klage berühren würden. Darüber hinaus war die Klägerin im vorliegenden Fall, wie sich schon aus der Klageschrift ergibt, in der Lage, von der Entscheidung umfassend Kenntnis zu nehmen und ihre Verfahrensrechte in vollem Umfang geltend zu machen. Der Klägerin ist nämlich eine vom Generalsekretär der Kommission beglaubigte Kopie der Entscheidung zugestellt worden. Eine solche Kopie ist verbindlich, wenn jeder ernstzunehmende Anhaltspunkt dafür fehlt, daß es sich bei ihr um eine nicht ordnungsgemässe Kopie handeln könnte (Urteil des Gerichtshofes vom 17. Oktober 1989 in den Rechtssachen 97/87 bis 99/87, Dow Chemical Iberica u. a./Kommission, Slg. 1989, 3165, Randnr. 59, und Urteil des Gerichts vom 7. Juli 1994 in der Rechtssache T-43/92, Dunlop Slazenger/Kommission, Slg. 1994, II-441, Randnrn. 24 und 25). Angesichts dieser gesamten Umstände ist der Klagegrund zurückzuweisen, ohne daß das Gericht den Anträgen der Klägerin auf Vorlage von Schriftstücken zu entsprechen hätte.

Zweiter Teil des Klagegrundes: Fehlerhaftigkeit der Niederschrift über die Anhörung

28 Die Klägerinnen bringen vor, das Schreiben der Kommission vom 14. Oktober 1991, mit dem ihnen die Änderungen der Niederschrift über die Anhörung mitgeteilt worden seien, sei an die Unternehmen selbst und nicht an deren Rechtsanwälte gerichtet worden. Nach der Bekanntgabe der Entscheidung sei ihnen aufgefallen, daß die Kommission einseitig Änderungen an der Niederschrift über die Anhörung vorgenommen habe, bevor diese dem Beratenden Ausschuß für Kartell- und Monopolfragen übermittelt worden sei. Die Klägerinnen ersuchen das Gericht, die notwendigen Beweiserhebungen anzuordnen, um festzustellen, ob ihr Vorbringen durch die Änderungen der Niederschrift verfälscht worden ist.

29 Nach Auffassung der Kommission ist das Vorbringen der Klägerinnen, daß sie nicht auf die Änderungen der Niederschrift aufmerksam gemacht worden seien, tatsächlich unzutreffend. Sie verweist insoweit auf ein Schreiben an die Klägerinnen vom 14. Oktober 1991. Auf jeden Fall verfälschten diese Änderungen den Sinn der Erklärungen der Partei bei der Anhörung nicht.

30 Das Gericht stellt zum einen fest, daß die Klägerinnen sich bei der Stellungnahme zum Vorbringen der Kommission, daß die behaupteten Änderungen der Niederschrift über die Anhörung der Klägerinnen durch die Kommission diesen entgegen ihrer Behauptung mit Schreiben der Kommission vom 14. Oktober 1991 zur Kenntnis der Klägerinnen gebracht worden seien, sich auf den Einwand beschränkt haben, daß dieses Schreiben unmittelbar an die Unternehmen und nicht an deren Rechtsbeistand gerichtet worden sei. Dieser Umstand kann die Wirksamkeit der Mitteilung nicht in Frage stellen, die den Unternehmen in dieser Weise übermittelt worden ist. Zum anderen stellt das Gericht fest, daß die Unternehmen, die so ordnungsgemäß über die Änderungen der Niederschrift informiert worden waren, nicht behaupten, daß durch diese Änderungen der Sinn ihrer Erklärungen verfälscht werde, und daß sie nicht einmal vorbringen, daß diese Änderungen die Ordnungsgemäßheit der Stellungnahme des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen berührten. Folglich ist nach ganz gefestigter Rechtsprechung auch der zweite Teil des Klagegrundes zurückzuweisen, ohne daß insoweit Beweiserhebungen anzuordnen wären (Urteile des Gerichtshofes vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 44/69, Buchler/Kommission, Slg. 1970, 733, Randnr. 17, vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 48/69, ICI/Kommission, Slg. 1972, 619, Randnr. 31, vom 10. Juli 1980 in der Rechtssache 30/78, Distillers Company/Kommission, Slg. 1980, 2229; Urteile des Gerichts vom 24. Oktober 1991 in der Rechtssache T-2/89, Petrofina/Kommission, Slg. 1991, II-1087, Randnr. 45, vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache T-4/89, BASF/Kommission, Slg. 1992, II-1523, Randnr. 47, und in der Rechtssache T-6/89, Enichem Anic/Kommission, Slg. 1992, II-1623, Randnr. 47, vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-9/89, Hüls/Kommission, Slg. 1992, II-499, Randnr. 79, in der Rechtssache T-12/89, Solvay/Kommission, Slg. 1992, II-907, Randnr. 67, und in der Rechtssache T-15/89, Chemie Linz/Kommission, Slg. 1992, II-1275, Randnr. 76).

31 Demnach ist der erste Klagegrund in beiden Teilen und folglich auch der Antrag auf Feststellung der Nichtexistenz der Entscheidung zurückzuweisen, ohne daß das Gericht die Vorlage der Schriftstücke anzuordnen hätte, auf die sich der entsprechende Antrag der Klägerinnen bezieht.

Zum Klagegrund der unzureichenden Begründung der Entscheidung

32 Die Klägerinnen machen zum einen geltend, die Entscheidung sei nicht ausreichend begründet, und zum anderen, die Gründe der Entscheidung trügen den verfügenden Teil nicht, dessen Sinn überdies unklar sei.

Erster Teil des Klagegrundes: Ungenügende Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerinnen durch die Kommission

33 Die Klägerinnen machen erstens geltend, daß die ungenügende Berücksichtigung ihres Vorbringens durch die Kommission einen Begründungsmangel darstelle. Diese unzureichende Begründung werde dadurch gut illustriert, daß die Kommission die Schwelle für den Umsatz eines an der Vereinbarung beteiligten Unternehmens, auf dem Gebiet eines bestimmten Händlers, unterhalb deren die zusammengefassten Daten nicht verbreitet werden dürften, auf zehn Einheiten festgelegt habe; diese Zahl sei zu hoch und berücksichtige die Wirklichkeit des extrem zersplitterten Marktes nicht. Auch die Wahl des Jahres als Bezugszeitraum sei nicht zulässig. Insoweit sei Randnummer 61 der Entscheidung überdies so unklar, daß die an der Vereinbarung Beteiligten nicht zu einer gemeinsamen Auslegung dieser Randnummer hätten kommen können. Die Klägerinnen machen zweitens geltend, daß sich die Entscheidung ausser in einer Fußnote nicht zu dem Data System äussere, was dem Fehlen einer Begründung der Entscheidung im Hinblick auf dieses System gleichkomme. Die Klägerinnen sind drittens der Auffassung, die Entscheidung berücksichtige nicht, daß die meisten nationalen Rechte die Übermittlung von Informationen über die Zulassungen an die Hersteller zuließen. Viertens und letztens bringen sie vor, daß der Gerichtshof in dem Urteil Papiers peints de Belgique entschieden habe, daß die Kommission verpflichtet sei, ihren Gedankengang ausdrücklich darzulegen, wenn die Entscheidung, wie dies im vorliegenden Fall zutreffe, "erheblich weiter als die früheren Entscheidungen [geht]" (Urteil des Gerichtshofes vom 26. November 1975 in der Rechtssache 73/74, Groupement des fabricants de papiers peints de Belgique u. a./Kommission, Slg. 1975, 1491, Randnr. 33). Im vorliegenden Fall habe die Kommission diese Verpflichtung eindeutig nicht erfuellt.

34 Die Kommission weist darauf hin, daß sie in ihrer Entscheidungspraxis schon oft über Informationsaustauschsysteme entschieden habe. Diese Entscheidungen könnten als Präzedenzfälle für die vorliegende Rechtssache nicht einfach mit der Begründung beiseite geschoben werden, daß sie keine dauerhaften Güter beträfen. Auch die Behauptung der Klägerinnen, daß die Entscheidung sich zum ersten Mal mit einem Informationsaustausch über Umsätze in der Vergangenheit befasse, sei unzutreffend. Auf jeden Fall sei die Entscheidung ausreichend begründet, so daß das Vorbringen, die Grundsätze des Urteils Papiers peints de Belgique seien verkannt worden, zurückgewiesen werden müsse. Die Entscheidung gehe nicht über die zuvor festgelegten Grundsätze hinaus, sondern beschränke sich darauf, diese Grundsätze auf den besonderen Fall des hier relevanten Marktes anzuwenden. Sie sei daher im Sinne des Urteils Papiers peints de Belgique ausreichend begründet. Die Entscheidung lege insbesondere eindeutig dar, daß die durch den Informationsaustausch bewirkten Wettbewerbsbeschränkungen nicht unerläßlich seien; da eine der Voraussetzungen des Artikels 85 Absatz 3 EWG-Vertrag nicht erfuellt sei, habe sie den Freistellungsantrag zurückweisen können, ohne die übrigen Voraussetzungen zu prüfen (Urteil des Gerichtshofes vom 13. Juli 1966 in den verbundenen Rechtssachen 56/64 und 58/64, Consten und Grundig/Kommission, Slg. 1966, 322).

35 Die Kommission, die in den Randnummern 33 und 65 der Entscheidung festgestellt hat, daß das Data System mit Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag unvereinbar sei, weil es sinngemäß das frühere Informationsaustauschsystem wiederaufnehme, und daß der Informationsaustausch nicht unter Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag falle, weil die Wettbewerbsbeschränkungen nicht unerläßlich seien, hat ihre Entscheidung ° in diesem Stadium der Prüfung der Rechtssache unabhängig von jeder Würdigung der Richtigkeit dieser Gründe ° in rechtlich hinreichender Weise begründet. Zu dem Vorbringen, daß die vom Gerichtshof in dem Urteil Papiers peints de Belgique festgestellten Grundsätze missachtet worden seien, weist das Gericht darauf hin, daß die Kommission nach diesem Urteil eine Entscheidung relativ summarisch begründen kann, wenn sie eine ständige Entscheidungspraxis fortsetzt, daß sie hingegen zu ausführlicherer Begründung verpflichtet ist, wenn die erlassene Entscheidung "erheblich weiter geht" als die bei Erlaß der Entscheidung bereits vorliegende Rechtsprechung (Randnrn. 31 ff). Im vorliegenden Fall werden mit der Entscheidung, wie die Kommission zu Recht dargelegt hat und wie in der weiteren Begründung des vorliegenden Urteils noch auszuführen sein wird (siehe Randnr. 90 dieses Urteils), nach Auffassung des Gerichts lediglich Grundsätze der früheren Entscheidungspraxis der Kommission auf einen besonderen Markt, den Markt des Vereinigten Königreichs für landwirtschaftliche Zugmaschinen, angewandt. Mithin können die Klägerinnen, ohne daß es einer Untersuchung der einzelnen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten bedürfte, nicht geltend machen, daß die Kommission die oben genannten, vom Gerichtshof in seinem Urteil Papiers peints de Belgique aufgestellten Grundsätze verletzt habe.

Zweiter Teil des Klagegrundes: Ungenauigkeit des verfügenden Teils der Entscheidung

36 Die Klägerinnen machen geltend, die Tragweite des verfügenden Teils der Entscheidung ergebe sich unter Verstoß gegen die Rechtsprechung (Urteil Consten und Grundig/Kommission, a. a. O.) nicht eindeutig aus ihrer Begründung. Artikel 1 und 2 der Entscheidung beruhten nicht nur auf Tatsachen- und Rechtsirrtümern, sondern fänden auch keine Stütze in den Gründen der Entscheidung, so daß ihre Adressaten ihr nicht nachkommen könnten. Ferner sei Artikel 2 der Entscheidung, der die Würdigung der Vereinbarung im Hinblick auf Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag betreffe, mit früheren Entscheidungen der Kommission nicht in Einklang zu bringen. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit verpflichte die Kommission nämlich, wenn sie wie im vorliegenden Fall bei einer Vereinbarung Klauseln feststelle, für die sie keine Freistellung gewähren könne, die Freistellung mit dem Vorbehalt auszusprechen, daß diese Klauseln aufgehoben würden. Schließlich habe der Umfang der den Klägerinnen durch Artikel 3 der Entscheidung auferlegten Verpflichtung, sich nicht an Vereinbarungen mit gleichartigen oder ähnlichen Zielen wie das in Rede stehende Informationsaustauschsystem zu beteiligen, nicht genau festgestellt werden können. Der verfügende Teil der Entscheidung sei so unklar gewesen, daß die ÄA zu einer erneuten Anmeldung gezwungen gewesen sei.

37 Die Kommission hält den Hinweis auf das Urteil Consten und Grundig/Kommission für nicht einschlägig. Im vorliegenden Fall sei die Vereinbarung über den Informationsaustausch als solche und nicht nur diese oder jene ihrer Klauseln wettbewerbswidrig. Mit der Angabe, unter welchen Voraussetzungen sie keine Einwände gegen das Informationsaustauschsystem hätte, habe die Kommission die Anforderungen des Urteils Consten und Grundig/Kommission erfuellt, wonach sie, wenn sie im verfügenden Teil ihrer Entscheidung nicht angebe, welche Teile einer Vereinbarung unter Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag fielen, in der Begründung darlegen müsse, weshalb sie der Auffassung sei, daß diese Teile nicht von der Gesamtvereinbarung zu trennen seien. Unter Bezugnahme auf den Grundsatz der Auslegung eines verfügenden Teils einer Entscheidung, wie ihn der Gerichtshof in dem Urteil vom 16. Dezember 1975 in den Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73 (Suiker Unie u. a./Kommission, Slg. 1975, 1663) aufgestellt habe, vertritt die Kommission die Auffassung, daß der verfügende Teil der Entscheidung insbesondere im Hinblick auf Randnummer 61 der Entscheidung eindeutig sei.

38 In der Rechtssache Consten und Grundig/Kommission hat der Gerichtshof zur Auslegung des Artikels 85 Absatz 2 EWG-Vertrag entschieden, daß die dort vorgesehene Nichtigkeit auf diejenigen Teile einer Vereinbarung zu beschränken ist, die wettbewerbswidrig im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 EWG-Vertrag sind, falls diese Teile von den anderen Teilen der Vereinbarung getrennt werden können. Nach dieser Rechtsprechung ist nämlich nur dann die Vereinbarung insgesamt als Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag zu werten, wenn die Vereinbarung eine Einheit in der Weise bildet, daß die wettbewerbswidrigen Teile sich nicht von ihr trennen lassen. Der Gerichtshof hat bei dieser Gelegenheit betont, daß die Kommission im letztgenannten Fall "in der Begründung angeben [muß], weshalb sich diese Teile nach ihrer Auffassung nicht von den anderen Teilen der Vereinbarung trennen lassen" (Urteil Consten und Grundig/Kommission, a. a. O., S. 392 f.). Nach Auffassung des Gerichts ist das Vorbringen der Klägerinnen daher in diesem Punkt nicht begründet. Zum einen ergibt sich nämlich eindeutig aus dem Wortlaut der Entscheidung, daß im vorliegenden Fall, wie die Kommission vorgebracht hat, das Informationsaustauschsystem insgesamt und nicht der Austausch einzelner Informationen zwischen den Unternehmen im Rahmen einer Vereinbarung über einen Informationsaustausch zwischen Unternehmen als wettbewerbswidrig angesehen wird. Zum anderen ist das Gericht der Auffassung, daß sich die Rechtsprechung des Gerichtshofes zur Auslegung des Artikels 85 Absatz 2 EWG-Vertrag, wie sie im Urteil Consten und Grundig/Kommission zum Ausdruck kommt, nicht ohne weiteres auf die Prüfung eines Freistellungsantrags nach Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag übertragen lässt, weil es in diesem Fall Sache der Kommission ist, bei der Entscheidung über den ihr vorgelegten Antrag der Unternehmen, die die Anmeldung vorgenommen haben, ihren Standpunkt in bezug auf die Vereinbarung, wie sie bei ihr angemeldet worden ist, festzulegen, es sei denn, daß sich die Parteien während der Prüfung der Angelegenheit zu einzelnen Änderungen der angemeldeten Vereinbarung bereit finden.

39 Bezueglich der behaupteten Schwierigkeit der Auslegung des Artikels 3 der Entscheidung, demzufolge die Unternehmen sich nicht an Informationsaustauschsystemen mit einem gleichartigen oder ähnlichen Ziel wie die Vereinbarung, die dem Freistellungsantrag zugrunde lag, beteiligen dürfen, ist das Gericht der Auffassung, daß dieser Artikel lediglich deklaratorische Bedeutung hat. Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag legt nämlich ein grundsätzliches Verbot aller wettbewerbswidrigen Vereinbarungen fest. Diese zwingende Vorschrift gilt daher für die klagenden Unternehmen unabhängig von jeder Anordnung der Kommission in diesem Punkt, falls die Kommission nur, wie sie dies im vorliegenden Fall in den Randnummern 16 und 61 und in Artikel 1 der Entscheidung getan hat, die Unternehmen, die Anspruch auf Rechtssicherheit bei ihren Geschäften haben, in die Lage versetzt zu erfahren, inwieweit das Informationsaustauschsystem, an dem sie beteiligt sind, rechtmässig ist. Insoweit ergibt sich insbesondere aus Randnummer 50 der Entscheidung, der in keiner Weise zu dem Wortlaut des verfügenden Teils in Widerspruch steht, daß die Kenntnis der Umsätze der Wettbewerber zu lediglich "historischen" Zwecken nicht rechtswidrig wäre. Insgesamt könnte sich die Kommission für den Fall, daß sie ein anderes Informationsaustauschsystem, an dem sich die Klägerinnen beteiligen, verbieten wollte, unabhängig von Artikel 3 der Entscheidung unmittelbar auf Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag stützen. Wie die Kommission ausgeführt hat, ist daher der verfügende Teil der Entscheidung, wenn man ihn im Lichte der Begründung, insbesondere der Randnummern 16 und 61, liest, eindeutig. Der zweite Teil des Klagegrundes ist somit zurückzuweisen.

40 Demnach ist der zweite Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

Zum Klagegrund der fehlerhaften Umschreibung des relevanten Erzeugnisses und des relevanten Marktes in der Entscheidung

Vorbringen der Parteien

41 Die Klägerinnen bringen vor, der der Darstellung des Sachverhalts gewidmete Teil der Entscheidung enthalte Fehler bei der Umschreibung des Produktes und der Untersuchung des Marktes. Diese Tatsachenirrtümer berührten die Rechtmässigkeit der Entscheidung, da sie die Grundlagen beträfen, auf die die Kommission ihre rechtliche Würdigung gestützt habe.

42 Nach Auffassung der Klägerinnen enthält die Entscheidung keine Umschreibung des Produktes und bemüht sich, den Markt als einen konzentrierten Markt erscheinen zu lassen, obwohl es sich um einen offenen und vom Wettbewerb geprägten Markt handele. Bei der Nachfrage gehe die Entscheidung nicht auf die Charakteristika des Marktes ein und komme von daher zu falschen Schlußfolgerungen. Da es sich um einen Ersatzbeschaffungsmarkt handele, könne die Nachfrage nur durch Diversifikation und Innovation angeregt werden, so daß die Hersteller ohne eingehende Kenntnis dieser Nachfrage Investitionsrisiken ausgesetzt seien. Beim Angebot vermittle die Entscheidung einen falschen Eindruck vom Markt. Die vier grössten Hersteller, deren Marktanteile sich veränderten, hielten weniger als 50 % des Gemeinschaftsmarktes, hätten erhebliche Restrukturierungsentwicklungen zu bewältigen und sähen sich einem lebhaften Wettbewerb ausgesetzt. Die Marktanteile der wichtigsten Anbieter seien in dramatischer Weise zurückgegangen, während sich die der anderen Wettbewerber vergrössert hätten. Diese Unternehmen hätten gewechselt, so daß die Firmen, die heute die Spitzenpositionen innehätten, nicht mehr die gleichen seien wie zur Zeit der Schaffung des Informationsaustauschsystems. Die Behauptung der Kommission, es bestuenden hohe Marktzutrittsschranken, sei unzutreffend. Insgesamt gesehen führe die Vereinbarung nicht zur Erstarrung des Marktes, sondern mache ihn transparent.

43 Was die Untersuchung des Produktes betrifft, widersprechen die Klägerinnen der in der Entscheidung enthaltenen Feststellung, daß die einzelnen Arten von Produkten weitgehend substituierbar seien. Nach der Vereinbarung würden die Traktoren nicht nur nach ihrer Leistung und ihrer Übertragungsart, sondern auch, was viel wichtiger sei, nach Modellen eingeteilt. Die Kommission habe die von ihr beanstandete Verhaltensweise verboten, ohne eine wirkliche Analyse der Bedingungen des Marktgeschehens vorzunehmen. Sie habe somit einen Per-se-Verstoß festgestellt und damit sowohl die Rechtsprechung des Gerichtshofes als auch ihre eigene frühere Entscheidungspraxis und ihre Politik, wie sie in mehreren "Mitteilungen" und in ihren jährlichen Berichten über die Wettbewerbspolitik dargelegt worden sei, missachtet.

44 Zur Festlegung des relevanten räumlichen Marktes vertreten die Klägerinnen schließlich die Auffassung, daß die Bezugnahme auf den Anwendungsbereich der betreffenden nationalen Regelungen eine allzu vereinfachende Methode der Abgrenzung des relevanten räumlichen Marktes sei. Bei der Übernahme von Ford durch Fiat habe die Kommission in ihrer Vereinbarkeitsentscheidung vom 8. Februar 1991 gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (berichtigte Fassung ABl. 1990, L 257, S. 13) eine ihrem Standpunkt im vorliegenden Fall entgegengesetzte Auffassung vertreten, indem sie zu verstehen gegeben habe, daß nationale Märkte innerhalb der Gemeinschaft nicht mehr bestehen könnten. Der Umschreibung des relevanten Marktes komme im vorliegenden Fall um so grössere Bedeutung zu, als in der Entscheidung vom Vorliegen starker Positionen der wichtigsten Hersteller und von der Existenz von Zutrittsschranken ausgegangen worden sei und diese beiden Begriffe nicht erheblich seien, wenn der nationale Charakter des relevanten Marktes nicht nachgewiesen sei. Es gebe Anhaltspunkte dafür, daß es sich um einen Weltmarkt oder zumindest um einen europäischen Markt handele.

45 Nach Auffassung der Kommission betrifft der Streit zwischen den Parteien im wesentlichen die Natur des Marktes für Traktoren im Vereinigten Königreich und die Folgerungen, die aus dieser für das gemeinschaftliche Wettbewerbsrecht zu ziehen sind. Es handele sich um einen engen und stark konzentrierten Markt mit hohen Zutrittsschranken. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, auf sämtliche von den Unternehmen vorgebrachten tatsächlichen Umstände einzugehen, und sie habe ihren seit der Mitteilung der Beschwerdepunkte eingenommenen Standpunkt aufrechterhalten können, da sie sämtliche von den Klägerinnen vorgebrachten Beweise geprüft habe (Schlussanträge des Generalanwalts Sir Gordon Slynn zu dem Urteil des Gerichtshofes vom 21. Februar 1984 in der Rechtssache 86/82, Hasselblad/Kommission, Slg. 1984, 883, 913). Unzutreffend sei ferner die Behauptung der Klägerinnen, daß sie keine Analyse des Produktes vorgenommen habe.

46 Die Kommission macht weiterhin geltend, daß sie entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen den Markt sehr wohl untersucht habe. Allerdings habe sie aus dieser Untersuchung andere Schlußfolgerungen als die Klägerinnen abgeleitet. Bei der Untersuchung des Produktes seien die von den Klägerinnen vorgeschlagenen Differenzierungskriterien zurückzuweisen. Auch deren Analyse des Marktes, wonach es sich um einen offenen Markt handele, könne nicht gebilligt werden. Der Markt sei im wesentlichen ein Ersatzbeschaffungsmarkt oligopolistischer Art, der durch unvollständigen Wettbewerb gekennzeichnet sei und von fünf Unternehmen beherrscht werde; auf ihm sei die Markentreue stark ausgeprägt. Das Angebot betreffe substituierbare Produkte. Die Kommission bestreitet nicht, daß Traktoren "heterogene" Produkte seien, vertritt indessen zum Ausmaß dieser Heterogenität eine andere Auffassung als die Klägerin. Wenn auch das Angebot verhältnismässig diversifiziert sei, müsse diese Diversifikation doch unter Berücksichtigung der Natur der Nachfrage gewürdigt werden. Daß sich die Marktanteile der einzelnen wichtigsten Wettbewerber verändert hätten, sei nicht notwendigerweise auf die Intensität des Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zurückzuführen.

47 Das Vorbringen der Klägerinnen, daß die Anbieter ihre Investitionen vornähmen, um sich einer stagnierenden Nachfrage anzupassen, entspreche nicht der Wirklichkeit eines Marktes mit zunehmendem Konzentrationsgrad. Auch die Darstellung der Klägerinnen, wonach sie zu Unrecht den relevanten Markt als einen geschlossenen Markt mit hohen Zutrittsschranken beschrieben habe, müsse zurückgewiesen werden. Ein Markt nämlich, auf dem ein überwiegender Anteil von den vier wichtigsten Herstellern gehalten werde und auf dem ein erheblicher Unterschied zwischen diesem Anteil und den Anteilen der übrigen Wirtschaftsteilnehmer bestehe, sei ein Markt mit hohen Zutrittsschranken.

48 Zur Umschreibung des relevanten räumlichen Marktes vertritt die Kommission die Ansicht, daß sie diesen mit Recht auf den Markt des Vereinigten Königreichs begrenzt habe, da das fragliche Informationsaustauschsystem seinen Ursprung in der Sammlung von Informationen habe, die mit Hilfe eines Verwaltungsvordrucks zusammengetragen worden seien, der ausschließlich im Vereinigten Königreich verwendet werde. Schließlich sei angesichts der Markentreue die Elastizität der Nachfrage im Verhältnis zu den Preisen schwach. Das Informationsaustauschsystem gestatte es mithin den an der Vereinbarung Beteiligten, ein hohes allgemeines Preisniveau im Vereinigten Königreich aufrechtzuerhalten.

Würdigung durch das Gericht

° Zum Produktmarkt

49 Nach Artikel 85 EWG-Vertrag sind alle Kartelle verboten, die eine Beschränkung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken. Im vorliegenden Fall wird nicht geltennd gemacht, daß das fragliche Informationsaustauschsystem etwa einen wettbewerbswidrigen Zweck habe. Es kann infolgedessen gegebenenfalls nur wegen seiner Auswirkungen auf den Markt beanstandet werden (siehe e contrario Urteil Consten und Grundig/Kommission, a. a. O.). In einem solchen Fall ist nach ständiger Rechtsprechung bei der Beurteilung etwaiger wettbewerbswidriger Auswirkungen der Vereinbarung auf den Wettbewerb abzustellen, wie er ohne die streitige Vereinbarung bestehen würde (Urteil des Gerichtshofes vom 30. Juni 1966 in der Rechtssache 56/65, Société technique minière u. a., Slg. 1966, 282).

50 Im Hinblick auf die Frage, ob die Kommission in der Entscheidung die charakteristischen Merkmale des relevanten Marktes berücksichtigt hat, ist nach Auffassung des Gerichts zum einen zu prüfen, ob der Produktmarkt richtig umschrieben worden ist, und zum anderen, ob die in der Entscheidung enthaltene Beschreibung der Merkmale des Marktes zutrifft.

51 Was zum einen die Umschreibung des Produktmarktes angeht, ist der Grad der Substituierbarkeit des Produktes zu untersuchen. Nach Auffassung des Gerichts ist hierbei das Vorbringen der Klägerinnen, daß die Entscheidung keinerlei Untersuchung des Produktmarktes enthalte, zurückzuweisen, da die Entscheidung hinlänglich erkennen lässt, daß sie auf der Annahme beruht, daß der relevante Markt der Markt des Vereinigten Königreichs für landwirtschaftliche Zugmaschinen ist. Da ferner die Beteiligung an dem streitigen Informationsaustauschsystem lediglich davon abhängt, ob der betreffende Wirtschaftsteilnehmer im Vereinigten Königreich Hersteller oder Einführer von landwirtschaftlichen Zugmaschinen ist, nicht aber von einer bestimmten Kategorie landwirtschaftlicher Zugmaschinen, können die Klägerinnen nicht mit Recht geltend machen, die Umschreibung des Produktmarktes sei fehlerhaft und die verschiedenen Arten landwirtschaftlicher Zugmaschinen seien nicht weitgehend substituierbar. Das Gericht schließt aus dieser Feststellung, daß die Unternehmen im Rahmen der Vereinbarung selbst ihre Wettbewerbsstellung im Hinblick auf den allgemeinen Begriff der landwirtschaftlichen Zugmaschine festlegen, wie ihn die Kommission zugrunde gelegt hat.

52 Was zum anderen die Einstufung des relevanten Marktes als oligopolistisch betrifft, sind die Rügen der Klägerinnen gegen die Analyse der Kommission, wonach der Markt von vier Unternehmen beherrscht wird, auf die zwischen 75 und 80 % des Marktes entfallen, zurückzuweisen, da in der von den Klägerinnen selbst als Anlage 10 zur Klageschrift vorgelegten Tabelle, in der die Änderungen der Marktanteile der einzelnen Wirtschaftsteilnehmer aufgezeigt werden, die Konstanz des Hauptmerkmals dieses Marktes, seiner stark oligopolistischen Natur, festgestellt wird. Aus diesem Schriftstück ergibt sich nämlich, daß sich der Gesamtmarktanteil der vier wichtigsten Anbieter 1991 auf 82,4 % gegenüber 82,3 % im Jahr 1979 belief. Eine aufmerksame Durchsicht dieses Schriftstücks zeigt darüber hinaus entgegen der Behauptung der Klägerin eine verhältnismässige Stabilität der Einzelpositionen der wichtigsten Wirtschaftsteilnehmer, wenn man von dem Unternehmen John Deere selbst absieht, dessen Marktanteil sich in diesem Zeitraum verdreifacht hat. Wie die Kommission zu Recht dargelegt hat, genügt dieser vereinzelte Fall einer Marktdurchdringung, durch einen mächtigen US-amerikanischen Hersteller indessen nicht, die Schlußfolgerung der Kommission zu entkräften, daß der Markt durch eine verhältnismässige Stabilität der Positionen der Wettbewerber und durch hohe Zutrittsschranken gekennzeichnet ist.

53 Diese Schranken hängen insbesondere damit zusammen, daß ein neuer Wettbewerber über ein hinreichend dichtes Vertriebsnetz verfügen muß. Aus der Untersuchung des vorliegenden Falles ergibt sich insoweit, wie in der Entscheidung insbesondere in den Randnummern 35, 38 und 51 ausgeführt wird, daß die Einfuhren landwirtschaftlicher Zugmaschinen mit mehr als 30 PS in das Vereinigte Königreich beschränkt sind; dies wird sowohl durch den von der Kommission in Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts vorgelegten Bericht über den Sektor der Agrarausrüstung in der Europäischen Gemeinschaft als auch durch die eigenen Angaben der Klägerinnen bestätigt, wonach die Einfuhren Produkte betreffen, die weitgehend nicht substituierbar sind, da von den 3 862 neuen Fahrzeugen, die 1991 eingeführt wurden, nach den Zollstatistiken 2 212 Fahrzeuge eine Leistung von weniger als 25 kW haben. Diese Analyse wird auch nicht durch die Prüfung der Struktur des Restangebots in Frage gestellt, dessen extreme Zersplitterung entgegen der Ansicht der Klägerin die Positionen der wichtigsten Unternehmen verstärkt. FORTSETZUNG DER GRÜNDE UNTER DOK.NUM : 692A0034.1

54 Insgesamt hat die Kommission daher nach Auffassung des Gerichts zu Recht angenommen, daß der relevante Markt den Charakter eines geschlossenen Oligopols aufweist.

55 Die Klägerinnen haben demnach keine ernstzunehmenden Beweise dafür beigebracht, daß der Beschreibung und der Analyse der Funktionsweise des relevanten Marktes durch die Kommission ein offensichtlicher Beurteilungsfehler zugrunde liegt.

° Zum räumlichen Markt

56 Nach Auffassung des Gerichts kann der relevante Markt in räumlicher Hinsicht als das Gebiet definiert werden, in dem die Wettbewerbsbedingungen, insbesondere die Nachfrage der Verbraucher, hinreichend homogene Merkmale aufweisen (Urteil des Gerichtshofes vom 14. Februar 1978 in der Rechtssache 27/76, United Brands/Kommission, Slg. 1978, 207, Randnr. 11 analog). Davon ausgehend ist nicht auszuschließen, daß der Markt für landwirtschaftliche Zugmaschinen, wie dies die Kommission in ihrer oben genannten Entscheidung vom 8. Februar 1991 angenommen hat, als gemeinschaftsweiter Markt zu qualifizieren ist. Selbst wenn man dies unterstellt, ergibt sich daraus indessen auf keinen Fall, daß der relevante Markt, auf dem die Auswirkungen der Verhaltensweise zu untersuchen sind, nicht als nationaler Markt umschrieben werden dürfte, wenn die beanstandete Verhaltensweise wie im vorliegenden Fall räumlich auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats beschränkt ist. In diesem Fall haben nämlich die Anbieter selbst allein durch ihr Verhalten diesem Markt die Merkmale eines nationalen Marktes gegeben.

57 Die Klägerinnen haben demnach nicht nachgewiesen, daß der Kommission etwa bei der Umschreibung und der Analyse der Funktionsweise des relevanten Marktes ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen wäre. Der vorliegende Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

Zum Klagegrund von Tatsachenirrtümern bei der Prüfung der übermittelten Angaben

Vorbringen der Parteien

58 Bezueglich der Beschreibung der Vereinbarung und des Data Systems halten es die Klägerinnen für unzutreffend, wie in der Entscheidung geschehen zu behaupten, daß die Vereinbarung, wie sie 1988 angemeldet worden sei, seit 1975 bestehe. Das angemeldete System unterscheide sich nämlich von dem früheren System. Die Behauptung in den Randnummern 14 und 15 der Entscheidung, daß der Vordruck V55 den Namen des eingetragenen Fahrzeughalters enthalte und diese Information den an der Vereinbarung Beteiligten übermittelt werde, treffe nicht zu. Die Verwaltung verlange von den Händlern lediglich die Angabe der Postleitzahl des Wohnortes des Käufers, diese Information ermögliche es dem Hersteller aber nicht, mit dem Käufer in Verbindung zu treten. Tatsächlich entnehme die SIL den Vordrucken V55 zwecks Auswertung und Übermittlung an die an der Vereinbarung Beteiligten nicht die gesamte Postleitzahl des eingetragenen Fahrzeughalters, sondern beschränke sich darauf, die vier oder fünf Ziffern dieser Postleitzahl zu ermitteln, anhand deren sich unter den etwa 8 250 Postleitzonen des Vereinigten Königreichs der Zulassungsort feststellen lasse.

59 Entgegen den Angaben in den Randnummern 6 und 49 der Entscheidung weise diese Aufteilung indessen keine Unregelmässigkeit auf. Die Gebietsabgrenzungen der Händler würden völlig unabhängig von jedem Hersteller festgelegt und seien nur ihm und der SIL bekannt, der sie zwecks Erstellung von Statistiken übermittelt würden. Der Begriff eines "Händlergebietes gemäß [einer] fünfstelligen Postleitzahl"(2) sei fragwürdig; er deute zu Unrecht darauf hin, daß das Gebiet eines Händlers mit dem einer Postleitzahl zugeordneten Gebiet übereinstimme. Auch die Behauptung in der Entscheidung, daß die verbreiteten Informationen ein System vollständiger Transparenz schüfen, sei unzutreffend, da in einem Markt mit heterogenen Produkten, auf dem der Preiswettbewerb mit einem Wettbewerb bei preisunabhängigen Gesichtspunkten einhergehe, Informationen über getätigte Umsätze nur eine sehr unvollständige Transparenz schaffen könnten.

60 Die ausgetauschten Informationen beträfen die Zulassungen und nicht die Umsätze. Da keine Informationen über die Preise ausgetauscht würden, werde der Preiswettbewerb nicht beeinträchtigt und sei jede Vergeltungsmaßnahme bei Rückvergütungen oder Nachlässen unmöglich. Die in Randnummer 26 der Entscheidung enthaltene Beschreibung der den Teilnehmern mitgeteilten Daten über die von ihren eigenen Händlern getätigten Umsätze müsse berichtigt werden, da die so zusammengetragenen Informationen ausschließlich im Rahmen der Beziehungen zwischen dem Hersteller und seinem Händler und nicht zum Informationsaustausch zwischen den einzelnen Herstellern verwendet würden.

61 Bezueglich der Verbindung, die die Entscheidung zwischen dem Informationsaustauschsystem und den Beschränkungen von Parallelimporten herstellen wolle, hätten die betroffenen Mitglieder der ÄA nachgewiesen, daß ihre Informationen über diese Einfuhren nicht dem streitigen Informationsaustauschsystem entstammten. Zu Unrecht erkläre die Kommission, daß die Änderungen, die sich aus der neuen Anmeldung ergäben, keine Bedeutung hätten, weil die Kommission nicht berücksichtigt habe, daß die Informationen über die Umsätze eines Herstellers über seine eigenen Händler nach dem neuen System nur die Umsätze eines Händlers in seinem eigenen Gebiet beträfen. Die Aufstellung der Änderungen des Systems aus Anlaß der zweiten Anmeldung, wie sie in der Klagebeantwortung der Kommission enthalten sei, berücksichtige nicht den Umstand, daß die Informationen über die Zulassungsdaten für die der einzelnen Mitglieder nicht auf monatlicher, sondern auf vierteljährlicher Grundlage verbreitet würden.

62 Nach Ansicht der Kommission bestreiten die Klägerinnen die Auslegung der übermittelten Angaben über die Dauer der Vereinbarung, die Bedeutung der Postleitzahlen für das Funktionieren der Vereinbarung und schließlich die Tragweite der zweiten Anmeldung.

63 Was erstens die Dauer der Vereinbarung betreffe, sei die Behauptung der Klägerinnen, daß die Vereinbarung nicht seit 1975 bestehe, neu. Bis zur Erhebung der Klage hätten die Klägerinnen nämlich nicht zwischen der angemeldeten Vereinbarung und dem zuvor bestehenden Informationsaustauschsystem unterschieden.

64 Was zweitens die Bedeutung der Postleitzahlen für das Funktionieren der Vereinbarung angehe, sei die Kommission nach der Entscheidung, insbesondere nach deren Randnummern 6 und 49, davon ausgegangen, daß die an der Vereinbarung Beteiligten ein Organisationssystem für die Händlergebiete vereinbart hätten, das es zwar jedem Hersteller überlasse, die Organisation seines Vertriebsnetzes festzulegen, zugleich aber zur Genauigkeit und zur Transparenz der übermittelten Informationen beitrage. Auch die Darlegungen in der Klageschrift über Namen und Adresse des eingetragenen Fahrzeughalters seien im Zusammenhang mit der Verwendung der Postleitzahl zu verstehen; das Vorbringen in der Klageschrift zu diesem Punkt sei nicht erheblich. Vereinbarung und Data System schüfen ein Mittel zum Austausch von Daten auf standardisierter Grundlage. Sie verschafften allen an der Vereinbarung Beteiligten die Gewißheit, daß Informationen, die den ihnen zugänglichen Statistiken gleichwertig seien, auch den anderen an der Vereinbarung Beteiligten zur Verfügung ständen. Dieses System bewirke eine Verringerung der Unsicherheit unter den Wettbewerbern und behindere eine Entfaltung der "Wettbewerbsreserven", wie sie in Randnummer 37 Absatz 1 der Entscheidung umschrieben seien.

65 Zur Tragweite der zweiten Anmeldung vertritt die Kommission schließlich die Auffassung, daß in Randnummer 65 der Entscheidung die Gründe für ihre Annahme dargelegt seien, daß diese zweite Anmeldung gegenüber der Vereinbarung keinen wesentlichen Unterschied aufweise. Das Data System erlaube es wie das System, das Gegenstand der ersten Anmeldung gewesen sei, die Umsätze der Wettbewerber sowie die Umsätze eines Händlers ausserhalb seines Händlergebiets zu ermitteln. Sie bestreite nicht, daß die zweite Anmeldung im Vergleich zur ersten bestimmte positive Änderungen aufweise, sei aber der Auffassung, daß sie diese zweite Anmeldung nicht gemäß Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag habe freistellen können, weil in dem angemeldeten System der Grundsatz eines monatlichen Austauschs von Informationen einschließlich der nach Modellen aufgeschlüsselten Informationen beibehalten worden sei, der die Ermittlung der Umsätze und der Marktanteile jedes Wettbewerbers in räumlicher Aufschlüsselung von der nationalen oder regionalen Ebene bis zur Ebene des einzelnen Händlergebiets und der einzelnen Postleitzone ermögliche. Unter Bezugnahme auf Randnummer 61 Absatz 2 der Entscheidung legt die Kommission dar, daß die Klägerinnen voll darüber informiert seien, daß sie die Auffassung vertrete, daß sie auf der Ebene der lokalen Gebiete keine Daten austauschen dürften und daß auch der Informationsaustausch auf der Ebene grosser Gebiete sich nur auf Jahreszeiträume und nur auf das der Weitergabe der Informationen vorausgehende Jahr beziehen dürfe. In Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts weist die Kommission bezueglich des Umsatzvolumens und der Marktanteile der Mitglieder und der Händler für monatliche Zeiträume auf die Abschnitte B und C des Anhangs 2 der zweiten Anmeldung hin.

Würdigung durch das Gericht

° Zur Auslegung der Randnummer 14 der Entscheidung

66 Das Gericht weist vorab darauf hin, daß die Kommission in der informellen Sitzung mit den Parteien vom 7. Dezember 1993 ausdrücklich eingeräumt hat, daß Randnummer 15 der Entscheidung, wonach die in Randnummer 14 genannten Angaben den an der Vereinbarung Beteiligten "in Form der nachstehend beschriebenen Berichte und Auswertungen" bereitgestellt werden, dahin auszulegen ist, daß die von der SIL aufgezeichneten Informationen den an der Vereinbarung Beteiligten in Form der Berichte und Auswertungen übermittelt werden, die in den nachstehenden Abschnitten der Entscheidung beschrieben werden, und daß sie keinesfalls bedeutet, daß alle in Randnummer 14 angeführten Daten den an der Vereinbarung Beteiligten nach ihrer Auswertung durch die SIL übermittelt werden. Nach Auffassung des Gerichts ist diese Auslegung, selbst wenn man einräumt, daß sie als Tatsachenirrtum betrachtet werden könnte, nicht geeignet, die Rechtmässigkeit der Entscheidung zu beeinträchtigen, da die Randnummern 18, 37, 38, 40, 41, 45, 55 und 63 der Entscheidung auf jeden Fall durch diesen Tatsachenirrtum in keiner Weise berührt werden. Randnummer 18 der Entscheidung gehört nämlich zu dem Abschnitt, in dem der Sachverhalt gewürdigt wird, während die Klägerinnen entgegen ihren Darlegungen in der mündlichen Verhandlung nicht nachgewiesen haben, daß der letzte Satz der Randnummer 37, der letzte Satz des dritten Gedankenstrichs der Randnummer 38, der erste Satz der Randnummer 40, das Ende des Satzteils im zweiten Gedankenstrich der Randnummer 41, der zweite Satz der Randnummer 45, die Randnummer 55, der letzte Satz der Randnummer 63 und der dritte Satz der Randnummer 65 etwa durch einen Tatsachenirrtum der Kommission in Randnummer 14 der Entscheidung beeinträchtigt wären.

67 Insbesondere ist die Feststellung im letzten Satz der Randnummer 37 der Entscheidung ("Von dieser neutralisierenden und stabilisierenden Auswirkung auf die Marktstellung der Oligopolisten ist insofern auszugehen, als von ausserhalb kein Wettbewerbsdruck auf die Teilnehmer an dem Austausch mit Ausnahme der Paralleleinfuhren ausgeuebt wird, die jedoch, wie bereits erläutert, ebenfalls überwacht werden.") nicht unzutreffend, weil, wie bereits ausgeführt (siehe Randnr. 52 dieses Urteils), hinreichend bewiesen ist, daß der Markt des Vereinigten Königreichs für landwirtschaftliche Zugmaschinen den Charakter eines geschlossenen Oligopols aufweist.

68 Auch wird mit dem letzten Satz des dritten Gedankenstrichs der Randnummer 38 der Entscheidung ("Diese Angaben sind auch bei den Abnehmern verfügbar, die den Händlern die Preise der Wettbewerber in ihrem Absatzgebiet mitteilen.") nur beschrieben, wie der Markt angesichts seiner Charakteristika, wie sie vorstehend untersucht wurden, wahrscheinlich funktioniert, ohne daß jedoch eine Verbindung zwischen dieser Funktionsweise des Marktes und dem streitigen Informationsaustauschsystem hergestellt würde.

69 Bezueglich des ersten Satzes der Randnummer 40 der Entscheidung ("Auf dem britischen Traktorenmarkt beziehen sich deshalb die einzigen schwierig erhältlichen, jedoch sehr wichtigen Marktangaben auf die genauen Absatzzahlen jedes Herstellers/Händlers, mit denen Änderungen in den Absatzzahlen und Marktanteilen jedes Teilnehmers am Oligopol und jedes Händlers in bezug auf seine Absatzgebiete sofort erkannt werden können.") haben die Klägerinnen entgegen ihren Darlegungen in der mündlichen Verhandlung nicht nachgewiesen, daß sich dieser Satz sowohl auf die Händler als Mitglieder eines Vertriebsnetzes als auch auf die Händler der Vertriebsnetze der Wettbewerber beziehen soll.

70 Was das Ende des Satzteils im zweiten Gedankenstrich der Randnummer 41 anbelangt, wonach die gesammelten Informationen es jedem an der Vereinbarung Beteiligten erlauben, "festzustellen,... welche Preis- oder Absatzstrategien der Wettbewerber erfolgreich sind", so ist nicht zu bestreiten, daß das Informationsaustauschsystem, da es jedem Beteiligten gestattet, seine Marktposition mit der seiner Wettbewerber zu vergleichen, ihn zugleich in die Lage versetzt, die Wirksamkeit der Marketingstrategie seiner Wettbewerber zu beurteilen.

71 Im zweiten Satz der Randnummer 45 wird folgendes festgestellt: "Eingehende Kenntnisse der Verkaufsstrukturen für Traktoren auf dem britischen Markt verbessern jedoch die Fähigkeit der Teilnehmer, ihre Stellung gegenüber den Nichtteilnehmern zu verteidigen." Wie noch dargelegt werden wird (siehe Randnr. 91 dieses Urteils), lässt sich kaum bezweifeln, daß die an der Vereinbarung Beteiligten durch das Informationsaustauschsystem einen Wettbewerbsvorsprung erlangen, und zwar entgegen der Behauptung der Klägerinnen ohne daß sie zu diesem Zweck über Informationen über die Hersteller und Händler verfügen müssten, die nicht an der Vereinbarung beteiligt sind.

72 Randnummer 55 der Entscheidung betrifft wie der letzte Satz der Randnummer 63 die Umsätze innerhalb des Verkaufsgebiets der Händler eines Beteiligten. Die Klägerinnen widersprechen insoweit nicht der Beurteilung des Systems in den Randnummern 55 und 63 der Entscheidung, sondern machen lediglich geltend, daß das beschriebene Informationsaustauschsystem das der ersten Anmeldung zugrunde liegende System sei und das Data System nicht betreffe. Da in der Entscheidung in keiner Weise festgestellt wird, daß das in den Randnummern 55 und 63 der Entscheidung beschriebene System auch für das Data System gelte, haben die Klägerinnen den behaupteten Irrtum keineswegs nachgewiesen.

73 Demnach haben die Klägerinnen, wie oben ausgeführt (siehe Randnr. 66 dieses Urteils), entgegen ihrer Behauptung nicht nachgewiesen, daß die Rechtmässigkeit der Entscheidung etwa durch Tatsachenirrtümer der Kommission in Randnummer 14 der Entscheidung beeinträchtigt wäre.

° Zu den übrigen behaupteten Tatsachenirrtümern

74 Was erstens die Verarbeitung der Daten über die Postleitzahl des eingetragenen Fahrzeughalters betrifft, ergibt sich aus dem Wortlaut der Randnummer 14 der Entscheidung, die eindeutig auf eine Postleitzahl mit fünf Ziffern abstellt(3), daß das Vorbringen der Klägerinnen, der Kommission mit ihrer Annahme, die SIL entnehme dem Vordruck V55 die sieben Ziffern der Postleitzahl des eingetragenen Fahrzeughalters, ein Tatsachenirrtum unterlaufen sei, aus tatsächlichen Gründen unzutreffend ist.

75 Was zweitens die Organisation der Händlergebiete anbelangt, so haben die Klägerinnen nicht den Nachweis für das Vorliegen eines oder mehrerer Tatsachenirrtümer bei der Beurteilung der Kommission erbracht, der zufolge diese Gebiete durch Bezugnahme auf einzelne oder auf zu Gruppen zusammengefasste Postleitzonen festgelegt werden.

76 Was drittens das Vorbringen der Klägerinnen betrifft, daß der letzte Absatz der Randnummer 26 der Entscheidung dahin ausgelegt werden müsse, daß die Hersteller eher einen Informationsaustausch untereinander als einen Informationsaustausch über die Beziehungen zwischen einem bestimmten Hersteller und seinen Händlern veranstaltet hätten, so ist dieses Vorbringen aus tatsächlichen Gründen unzutreffend, weil in der Entscheidung lediglich festgestellt wird, daß die Untersuchung der Umsätze der Händler die Ermittlung der in einer bestimmten Postleitzone verkaufenden Händler und den Vergleich der Umsätze dieser Händler mit den Gesamtumsatzzahlen des Sektors in dieser Postleitzone ermögliche.

77 Was viertens und letztens das Vorbringen anbelangt, daß die Kommission bei der Untersuchung des Data Systems nicht berücksichtigt habe, daß im Rahmen dieses Systems auf vierteljährlicher Grundlage über die Umsätze der Händler eines bestimmten Herstellers innerhalb des jeweiligen Händlergebiets berichtet werde, stellt das Gericht aufgrund der Abschnitte B und C des Anhangs 2 des Anmeldungsvordrucks für das Data System fest, daß bestimmte Angaben über die Zulassung von Fahrzeugen den an der Vereinbarung Beteiligten auf monatlicher Grundlage, andere dagegen, insbesondere die über die Umsätze der einzelnen Händler in ihrem Gebiet, auf vierteljährlicher Grundlage übermittelt werden. Folglich ist die Beurteilung der Kommission in Randnummer 65 der Entscheidung, wonach aufgrund des Data Systems "weiterhin Angaben über die Umsätze und Marktanteile der Teilnehmer und Händler nach Monatszeiträumen bereitgestellt werden", nicht wegen irgendeines Tatsachenirrtums fehlerhaft.

78 Demnach ist der Klagegrund zurückzuweisen, mit dem die Klägerinnen geltend machen, die Beurteilung der Kommission sei wegen bestimmter Tatsachenirrtümer fehlerhaft, die die Rechtmässigkeit der Entscheidung beeinträchtigten.

Zum Klagegrund der fehlerhaften Anwendung des Artikels 85 Absatz 1 EWG-Vertrag

Vorbringen der Parteien

79 Die Klägerinnen treten der Schlußfolgerung der Kommission entgegen, daß die Angaben über die neuesten Umsätze der Wettbewerber unweigerlich den Wettbewerb beeinträchtigten, indem sie die "Wettbewerbsreserven" nicht zur Entfaltung kommen ließen und die Marktzutrittsschranken verstärkten. Unzutreffend sei auch die Behauptung der Kommission, daß es den an der Vereinbarung Beteiligten durch die zusammengetragenen Informationen über die Umsätze ihrer eigenen Händler ermöglicht werde, die Tätigkeit der Händler und die Parallelimporteure zu behindern.

80 In der Entscheidung werde nicht ausdrücklich festgestellt, daß die Vereinbarung einen wettbewerbswidrigen Zweck habe. Wenn eine Vereinbarung wie im vorliegenden Fall den Wettbewerb begünstigen wolle, um das Angebot zu verbessern, dürfe es seiner Auswirkungen wegen erst nach einer genauen Untersuchung dieser Auswirkungen beanstandet werden. Gegen die Beurteilung der Auswirkungen der Vereinbarung erheben die Klägerinnen zwei Hauptrügen. Erstens ergäben sich aus den Tatsachenirrtümern der Kommission logischerweise Rechtsirrtümer, und zweitens sei die Untersuchung der Auswirkungen einer Vereinbarung auf einen oligopolistischen Markt unzutreffend.

81 Zu dem ersten Punkt machen die Klägerinnen im wesentlichen geltend, daß die Annahmen, auf denen die Randnummern 35 ff. der Entscheidung, insbesondere die Randnummern 37, 40, 44 bis 48, 49, 51 und 52 beruhten, sowie die Schlußfolgerungen in den Randnummern 56 und 57 ganz oder teilweise fehlerhaft seien. In den Randnummern 37 bis 52 würden fragwürdige, ja unzutreffende Feststellungen als unwiderlegbare Wahrheiten dargestellt. So zeigten die Randnummern 44 bis 48 einen Widerspruch in der Betrachtungsweise der Kommission, da diese nicht zugleich behaupten könne, die Vereinbarung stehe allen offen und sie bilde eine Marktzutrittsschranke.

82 Zu dem zweiten Punkt machen die Klägerinnen, insbesondere gestützt auf die in Randnummer 4 dieses Urteils angeführten Sachverständigengutachten von Professor Albach, geltend, wenn die Kommission behaupte, daß eine Vereinbarung wie die vorliegende auf einem oligopolistischen Markt notwendigerweise den Wettbewerb ersticke, so treffe dies auf den Markt des Vereinigten Königreichs für landwirtschaftliche Zugmaschinen keinesfalls zu. Auf jeden Fall zeigten die Wirtschaftsuntersuchungen, auch wenn man den oligopolistischen Charakter des Marktes einräume, daß die Kommission nur eine summarische Untersuchung vorgenommen habe. Die Kommission \versuche mithin, der These einer Per-se-Zuwiderhandlung zur Anerkennung zu verhelfen, habe aber tatsächlich nicht das Vorliegen einer hinreichend spürbaren Beeinträchtigung des Wettbewerbs durch potentielle Auswirkungen der Vereinbarung nachgewiesen. Hierzu hätte die Kommission die Vereinbarung im Hinblick auf den Wettbewerb untersuchen müssen, wie er ohne sie bestanden hätte. Mangels dieser Untersuchung begnüge sie sich mit der Feststellung einer Per-se-Zuwiderhandlung. Die Anwendung einer Per-se-Verbotsnorm finde indessen in der Rechtsprechung keine Stütze. Der streitige Informationsaustausch beeinträchtige nicht etwa den Wettbewerb, sondern belebe ihn. Da wie im vorliegenden Fall der Zugang zum Informationsaustausch allen Wettbewerbern offen stehe, werde das Informationsaustauschsystem zu einem Mittel der Wettbewerbsförderung.

83 Die Entscheidung könne sich sowohl bezueglich der Untersuchungsmethode als auch hinsichtlich der angewandten Rechtsgrundsätze auf keinen Präzedenzfall stützen. Aus der Prüfung der Präzedenzfälle ergebe sich sogar ein Widerspruch zur Untersuchung des Informationsaustauschsystems durch die Kommission in der vorliegenden Sache. Die Klägerinnen berufen sich insoweit auf den 1978 veröffentlichten Siebten Bericht über die Wettbewerbspolitik. Die Kommission habe im vorliegenden Fall nicht die Regeln beachtet, die sie sich selbst auferlegt habe.

84 Die Klägerinnen machen weiterhin geltend, daß sich die bisher von der Kommission beanstandeten Vereinbarungen über einen Informationsaustausch auf den Austausch von Informationen bezogen hätten, die entweder die Preise oder homogene Produkte betroffen hätten. Nur eine einzige Entscheidung der Kommission habe einen Informationsaustausch für dauerhafte Güter, nämlich ebenfalls Traktoren, betroffen. Es handele sich um die Entscheidung 83/361/EWG vom 13. Juli 1983 in einem Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag (Sache IV/30.174 ° Vimpoltu) (ABl. L 200, S. 44). In dieser Sache hätten sich indessen die Wirtschaftsteilnehmer, die Informationen über die Preise ausgetauscht hätten, wie Mitglieder eines Kartells verhalten. Die Kommission könne sich auch nicht auf ihre Entscheidung 87/69/EWG vom 15. Dezember 1986 in einem Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag (IV/31.458 ° X/Open Group) (ABl. L 35, S. 36) berufen, in der sie zum einen eine extensive Auslegung der möglichen Auswirkungen eines Informationsaustauschs auf den Wettbewerb vorgenommen habe, die über die vom Gerichtshof zugrunde gelegte Auslegung hinausgegangen sei, und sie habe zum anderen eine Freistellung für den Informationsaustausch bewilligt. Der Gerichtshof selbst habe niemals eine Sache zu prüfen gehabt, in der es ausschließlich um Informationsaustausch gegangen sei. Die Behauptung der Kommission, daß die Frage, ob das betreffende Produkt ein homogenes oder aber ein differenziertes Produkt sei, nicht erheblich sei, widerspreche unmittelbar der Wirtschaftstheorie. Daraus müsse wohl abgeleitet werden, daß die anderen Aspekte dieser Entscheidung ihrerseits im vorliegenden Fall nicht erheblich seien. Insgesamt sind die Klägerinnen der Auffassung, daß sich nicht nur die Entscheidung auf keinen Präzedenzfall stütze, sondern daß sich auch aus der Prüfung der Fälle, die Gegenstand einer Entscheidung gewesen seien, ein offenbarer Widerspruch zu der im vorliegenden Fall getroffenen Entscheidung ergebe.

85 Die Kommission trägt vor, ihre Betrachtungsweise bezueglich des streitigen Informationsaustauschsystems sei genau die gewesen, die sie im Siebten Bericht über die Wettbewerbspolitik als die richtige dargestellt habe. Sie habe bei der Prüfung der vorliegenden Sache kein Per-se-Verbot von Informationsaustauschsystemen ausgesprochen. Unter Hinweis insbesondere auf Randnummer 51 der Entscheidung macht die Kommission geltend, die Klägerinnen könnten nicht bestreiten, daß die Entscheidung eine genaue Untersuchung der Funktionsbedingungen des Marktes enthalte, obwohl sie deren Richtigkeit bestritten. Dem Vorbringen, daß die Entscheidung nicht eindeutig erwähne, daß die Vereinbarung einen wettbewerbswidrigen Zweck gehabt habe, liege die Ansicht zugrunde, daß die Vereinbarung den Wettbewerb begünstige. Diese Ansicht entbehre indessen jeder Grundlage. Die Kommission meint daher, es gebe keine Anhaltspunkte, die das Gericht zu der Feststellung eines offensichtlichen Irrtums oder eines Ermessensmißbrauchs führen könnten. Die Auffassung der Klägerinnen, daß die Kommission die wettbewerbswidrigen Auswirkungen einer Vereinbarung nur untersuchen könne, wenn sie dargetan habe, daß die Vereinbarung einen wettbewerbswidrigen Zweck habe, stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des Gerichtshofes und zur Entscheidungspraxis der Kommission. Nach dem Urteil des Gerichtshofes vom 1. Februar 1978 in der Rechtssache 19/77 (Miller/Kommission, Slg. 1978, 131) müsse die Kommission, um das Vorliegen möglicher Auswirkungen einer Vereinbarung auf den Wettbewerb zu belegen, nachweisen, daß die Vereinbarung geeignet sei, solche Auswirkungen zu zeitigen; dieser Nachweis werde in der Entscheidung in Randnummer 43 und in Randnummer 51 Absatz 4 erbracht. Die Klägerinnen verkennten, daß die Kommission, wenn sie beabsichtige, ein Negativattest oder eine Einzelfreistellung zu beschließen, auch die potentiell negativen Auswirkungen der Vereinbarung auf den künftigen Wettbewerb berücksichtigen müsse. Im vorliegenden Fall habe sie sich ausserstande gesehen, auf einem oligopolistischen und daher durch unvollständigen Wettbewerb gekennzeichneten Markt Wettbewerbsbeschränkungen zu billigen, die sich aus einem System des Informationsaustauschs zwischen den wichtigsten Wirtschaftsteilnehmern ergäben.

Würdigung durch das Gericht

86 Nach der Entscheidung werden die Auswirkungen des Informationsaustauschs auf den Wettbewerb innerhalb des Marktes des Vereinigten Königreichs für landwirtschaftliche Zugmaschinen in den Randnummern 35 bis 56 der Entscheidung ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Auswirkungen der Vereinbarung untersucht. Diese Untersuchung wird anhand zweier Unterscheidungskriterien vorgenommen. Erstens wird in der Entscheidung zwischen den wettbewerbswidrigen Auswirkungen der Verbreitung von Daten für jeden einzelnen Wettbewerber (Randnrn. 35 bis 52) und den wettbewerbswidrigen Auswirkungen der Verbreitung von Daten über die Umsätze der Händler jedes an der Vereinbarung Beteiligten (Randnrn. 53 bis 56) unterschieden. Zweitens wird in der Entscheidung im Rahmen der Untersuchung der Auswirkungen der Verbreitung der Umsatzzahlen der einzelnen Wettbewerber zwischen den negativen Auswirkungen auf die "Wettbewerbsreserven" (Randnrn. 37 bis 43) und den negativen Auswirkungen auf den Marktzugang für die nicht an der Vereinbarung beteiligten Hersteller (Randnrn. 44 bis 48) unterschieden.

87 Was zunächst die wettbewerbswidrigen Auswirkungen der Verbreitung der Umsatzzahlen jedes einzelnen Wettbewerbers angeht, wird in der Entscheidung (Randnrn. 35 bis 43) erstens dargelegt, daß das Informationsaustauschsystem eine vollständige Markttransparenz zwischen Anbietern bezueglich der Marktbedingungen schaffe. Diese Transparenz zerstöre angesichts der charakteristischen Merkmale des Marktes, wie sie vorstehend dargestellt wurden (siehe Randnrn. 52 und 53 dieses Urteils), die verbliebenen "Wettbewerbsreserven" der Wirtschaftsteilnehmer und beseitige jegliche Ungewißheit über die Vorhersehbarkeit des Verhaltens der Wettbewerber. Zweitens wird in der Entscheidung dargelegt, daß das streitige Informationsaustauschsystem zu einer radikalen Diskriminierung der nicht an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen bei den Bedingungen des Zugangs zum Markt gegenüber den an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen führe. Während letztere über Informationen verfügten, die ihnen eine Vorhersage des Verhaltens ihrer Wettbewerber ermöglichten, seien erstere nicht nur im Ungewissen über das Verhalten ihrer Wettbewerber, sondern müssten es auch hinnehmen, daß ihr Verhalten sofort ihren wichtigsten Wettbewerbern offengelegt werde, wenn sie dem System beiträten, um diesen Nachteil auszugleichen. zerstöre diese Transparenz die verbliebenen "Wettbewerbsreserven" der Wirtschaftsteilnehmer und beseitige jegliche Ungewißheit bezueglich der Vorhersehbarkeit des Verhaltens der Wettbewerber. Zweitens wird in der Entscheidung dargelegt, daß das streitige Informationsaustauschsystem eine radikale Diskriminierung bei den Zugangsbedingungen zum Markt zwischen den Teilnehmern, die über Informationen verfügen, die ihnen eine Vorhersage des Verhaltens ihrer Wettbewerber ermöglichen, und den nicht an der Vereinbarung beteiligten Herstellern schafft, die nicht nur unsicher bezueglich des Verhaltens ihrer Wettbewerber sind, sondern auch an dem Tag, an dem sie sich entschließen, zur Bekämpfung des vorstehend dargestellten Nachteils dem System beizutreten, ihr Verhalten sofort ihren wichtigsten Wettbewerbern offenlegen.

88 Was ferner die wettbewerbswidrigen Auswirkungen der Verbreitung der Umsatzzahlen der Händler angeht, wird in der Entscheidung (Randnrn. 53 bis 56) dargelegt, daß das Informationsaustauschsystem die Ermittlung der Umsätze der einzelnen Wettbewerber innerhalb jedes Händlergebiets ermögliche. Weiter wird dort ausgeführt, daß unterhalb einer bestimmten Schwelle die Umsätze im Gebiet eines bestimmten Händlers die genaue Ermittlung jedes der betreffenden Geschäfte möglich machten. Die Schwelle, unterhalb deren die Individualisierung der Daten und die Ermittlung jedes Einzelumsatzes möglich sein soll, wird in der Entscheidung bei zehn Einheiten für einen gegebenen Zeitraum und ein bestimmtes Erzeugnis angesetzt (Randnr. 54). In der Entscheidung wird ausserdem festgestellt, daß das System es durch die Verschaffung der Kenntnis von den Umsätzen der Wettbewerber im Gebiet eines Händlers sowie von den Umsätzen eines Händlers ausserhalb seines Händlergebiets ermögliche, die Tätigkeit der Händler zu überwachen sowie Ein- und Ausfuhren zu ermitteln und damit "Paralleleinfuhren" zu überwachen (Randnr. 55). Diese Situation sei geeignet, den markenspezifischen Wettbewerb mit etwaigen negativen Auswirkungen auf die Preise zu beschränken.

89 Was zunächst die Tatsachenrügen der Klägerinnen und ihre etwaigen Auswirkungen auf die rechtliche Qualifizierung in der Entscheidung betrifft, weist das Gericht darauf hin, daß die Klägerinnen, wie vorstehend entschieden worden ist (siehe Randnrn. 66 bis 78 dieses Urteils), nicht nachgewiesen haben, daß die Rechtmässigkeit der Entscheidung etwa durch Tatsachenirrtümer der Kommission beeinträchtigt wird.

90 Ferner vertritt das Gericht zu dem von der Klägerin behaupteten Widerspruch zwischen der Entscheidung und der früheren Entscheidungspraxis der Kommission die Auffassung, daß die Entscheidung keinesfalls einen Widerspruch zur bisherigen Entscheidungspraxis der Kommission erkennen lässt. Die angeführten Entscheidungen der Kommission betreffen entweder einen Informationsaustausch, bei dem es um andere Informationen als im vorliegenden Fall geht, oder aber Märkte, deren Charakteristika und Funktionsweise ihrer Natur nach von denen des relevanten Marktes abweichen. Ebenso hat die Klägerin nicht nachgewiesen, daß die Kommission in ihrer Entscheidung bestimmte Grundsätze missachtet hätte, zu deren Einhaltung sie sich insbesondere in dem Siebten Bericht über die Wettbewerbspolitik verpflichtet hatte. Mithin ist die Entscheidung, wie bereits ausgeführt (siehe Randnr. 35 dieses Urteils), im Hinblick auf die bisherige Entscheidungspraxis der Kommission ausreichend begründet, und die Klägerinnen können nicht geltend machen, die Entscheidung verkenne die Grundsätze, die der Gerichtshof in dem Urteil Papiers peints de Belgique aufgestellt habe.

91 Das Gericht stellt jedoch fest, daß die Kommission mit der Entscheidung, wie die Klägerinnen dargelegt haben, erstmals ein Informationsaustauschsystem verboten hat, das weder unmittelbar die Preise betrifft, noch zur Unterstützung eines anderen wettbewerbswidrigen Mechanismus dient. Auf einem wirklich vom Wettbewerb geprägten Markt ist nach Auffassung des Gerichts die Transparenz unter den Wirtschaftsteilnehmern, wie die Klägerinnen zu Recht ausgeführt haben, grundsätzlich geeignet, den Wettbewerb unter den Anbietern zu verstärken, da bei einer solchen Fallgestaltung der Umstand, daß ein Wirtschaftsteilnehmer ihm zur Verfügung stehende Informationen über das Funktionieren des Marktes berücksichtigt, um sein Verhalten auf diesem Markt anzupassen, angesichts der Zersplitterung des Angebots nicht geeignet ist, bei den anderen Wirtschaftsteilnehmern die Unsicherheit über die Vorhersehbarkeit des Verhaltens der Wettbewerber zu verringern oder ganz zu beseitigen. Werden dagegen auf einem Markt, der wie der relevante Markt ein hochgradig konzentrierter oligopolistischer Markt ist (siehe Randnr. 52 dieses Urteils) und auf dem infolgedessen der Wettbewerb bereits stark eingeschränkt und der Austausch von Informationen erleichtert ist, unter den wichtigsten Anbietern und ° entgegen der Darlegung der Klägerin ° ausschließlich zu deren Nutzen und folglich unter Ausschluß der übrigen Anbieter und der Verbraucher allgemein in kurzen zeitlichen Abständen Informationen ausgetauscht, die die Ermittlung der zugelassenen Fahrzeuge und den Ort ihrer Zulassung betreffen, so ist dies nach Auffassung des Gerichts, wie die Kommission dargelegt hat, geeignet, den noch bestehenden Wettbewerb unter den Wirtschaftsteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Bei einer solchen Fallgestaltung werden nämlich durch die regelmässige und häufige Zusammenfassung der Informationen über das Marktgeschehen allen Wettbewerbern in festen Zeitabständen die Marktpositionen und die Strategien der einzelnen Wettbewerber offengelegt.

92 Diese Beurteilung kann nicht mit der Begründung in Frage gestellt werden, daß sich aus der Vorklärung des Sachverhalts, insbesondere aus den von der Kommission als zutreffend anerkannten Darlegungen der SIL, ergebe, daß die an der Vereinbarung Beteiligten seit dem 1. September 1988 nur noch einmal jährlich eine nach Marken und Modellen gegliederte Gesamtübersicht über den Markt erhielten, da die Informationen, die jedem an dem System Beteiligten zwischen zwei Jahresreihen übermittelt würden, lediglich die Position eines bestimmten Herstellers auf dem Gesamtmarkt beträfen. Die Übermittlung der betreffenden Informationen an sämtliche Anbieter setzt nämlich zum einen eine zumindest stillschweigende Vereinbarung zwischen den Wirtschaftsteilnehmern, die Grenzen der Verkaufsgebiete der Händler unter Bezugnahme auf das im Vereinigten Königreich geltende Postleitzahlensystem festzulegen, sowie einen institutionellen Rahmen voraus, der den Informationsaustausch zwischen den Wirtschaftsteilnehmern durch Einschaltung des Berufsverbandes, dem diese angehören, ermöglicht; zum anderen macht sie es infolge ihrer Regelmässigkeit und ihres systematischen Charakters dem einzelnen Wirtschaftsteilnehmer leichter, das Verhalten seiner Wettbewerber vorherzusehen. Damit wird der Grad der Ungewißheit über das Marktgeschehen, wie sie ohne einen solchen Informationsaustausch bestanden hätte, verringert oder ganz beseitigt. Darüber hinaus macht die Kommission in den Randnummern 44 bis 48 der Entscheidung zu Recht geltend, daß ein Wirtschaftsteilnehmer, der sich auf dem Markt des Vereinigten Königreichs für landwirtschaftliche Zugmaschinen betätigen möchte, gleichviel wie er sich entscheidet und ob er der Vereinbarung beitritt oder nicht, notwendigerweise durch diese benachteiligt wird; dies gilt unabhängig davon, ob das Informationsaustauschsystem angesichts seiner geringen Kosten und der Beitrittsregeln grundsätzlich allen offensteht. Entweder tritt der betreffende Wirtschaftsteilnehmer nämlich der Vereinbarung über den Informationsaustausch nicht bei und verzichtet damit im Gegensatz zu seinen Wettbewerbern auf die ausgetauschten Informationen und die Marktkenntnis, oder aber er entscheidet sich für den Beitritt zu der Vereinbarung mit der Folge, daß seine Unternehmensstrategie sofort allen seinen Wettbewerbern durch die ihnen erteilten Informationen offengelegt wird.

93 Demnach können die Klägerinnen nicht mit Erfolg geltend machen, daß die streitige Vereinbarung über den Informationsaustausch den Wettbewerb auf dem Markt verstärke oder daß die Kommission nicht in rechtlich hinreichender Weise die Wettbewerbswidrigkeit der streitigen Vereinbarung dargetan habe. Insoweit ist der Umstand, daß die Beklagte möglicherweise nicht in der Lage ist, das Vorliegen einer tatsächlichen Auswirkung auf den Markt nachzuweisen, die sich u. a. darauf zurückführen ließe, daß die Durchführung der Vereinbarung vom 24. November 1988 an ausgesetzt worden ist, ohne Einfluß auf die Entscheidung dieses Rechtsstreits, da nach Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag sowohl tatsächliche als auch rein potentielle wettbewerbswidrige Auswirkungen verboten sind, wenn sie nur hinreichend spürbar sind, was im vorliegenden Fall angesichts der vorstehend aufgezeigten charakteristischen Merkmale des Marktes (siehe Randnr. 52 dieses Urteils) zutrifft. Unter diesen Umständen braucht das Gericht nicht über die Frage zu entscheiden, ob die Kommission mit Recht darauf hinweist, daß mehrere Unternehmen bei der Anhörung zu verstehen gegeben hätten, daß die Aussetzung der Durchführung der Vereinbarung ihre Fähigkeit, die Marktentwicklung vorherzusehen, erheblich beeinträchtigt habe. Darüber hinaus macht die Kommission in den Randnummern 55 und 56 der Entscheidung zu Recht geltend, daß das streitige Informationsaustauschsystem es zumindest bis zum 1. September 1988, als die SIL die Übersendung eines Exemplars des Vordrucks V55/5 an die Unternehmen einstellte, ermöglicht habe, die Paralleleinfuhren von landwirtschaftlichen Zugmaschinen in das Vereinigte Königreich durch Ermittlung der zuvor vom Hersteller in den Vordruck eingetragenen Fahrgestellnummer zu überwachen. Schließlich wird die Untersuchung der wettbewerbswidrigen Auswirkungen der Vereinbarung nicht durch den Inhalt der zweiten Anmeldung vom 12. März 1990 in Frage gestellt, da, wie in Randnummer 65 der Entscheidung ausgeführt wird und sich auch aus den Angaben in der Anlage 2 zum Anmeldungsformular ergibt, aufgrund des neuen Systems "weiterhin Angaben über die Umsätze und Marktanteile der Teilnehmer und Händler nach Monatszeiträumen sowie die Fahrgestellnummer und das Zulassungsdatum jedes verkauften Traktors bereitgestellt werden. Anhand dieser Angaben sowie der Vordrucke V55/5 lassen sich Ursprung und Bestimmungsort sämtlicher Traktoren ermitteln."

94 Demgemäß ist der Klagegrund einer fehlerhaften Anwendung des Artikels 85 Absatz 1 EWG-Vertrag zurückzuweisen.

Zum Klagegrund der fehlerhaften Ablehnung der Anwendung des Artikels 85 Absatz 3 EWG-Vertrag

Vorbringen der Parteien

95 Die Klägerinnen tragen vor, sie hätten der Kommission ausführliche Beweise für die Vorzuege der Vereinbarung vorgelegt. In Randnummer 60 der Entscheidung werde anerkannt, daß die Beteiligten die Angaben für eine Intensivierung des Wettbewerbs, insbesondere zur Verbesserung des Vertriebs der Produkte, verwendeten, ohne allerdings die Wettbewerbsbeschränkungen infolge der Vereinbarung ausgleichen zu können. Der Hauptgrund, der die Kommission zu ihrer negativen Haltung gegenüber der Vereinbarung über den Informationsaustausch bewogen habe, sei der, daß diese es ermögliche, die Maßnahmen der Wettbewerber sofort zu erkennen sowie Parallelimporte und die Verkäufe von Händlern ausserhalb ihres Gebietes zu überwachen. Das Data System eröffne seinen Mitgliedern indessen keine solche Überwachungsmöglichkeit, da es ein Einfrieren der zur Ermittlung dienlichen Daten für drei Monate vorsehe.

96 Die Klägerinnen machen weiterhin geltend, daß das neue System auf jeden Fall eine Ausnahme nach Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag rechtfertige, da die verbreiteten Informationen über die Umsätze ihrer eigenen Händler die an der Vereinbarung Beteiligten nicht mehr in die Lage versetzten, die Umsätze der Händler ausserhalb ihres Gebietes festzustellen und zu lokalisieren. Ausserdem übermittle die SIL im Rahmen des Data Systems den an der Vereinbarung Beteiligten nicht mehr die Vordrucke V55. Die übermittelten Informationen beträfen künftig nur noch die Nummer des Fahrgestells und den Tag der Zulassung.

97 Die Kommission legt dar, daß das Vorbringen der Klägerinnen auf einer unzutreffenden Auslegung der Entscheidung beruhe. Sie bestreitet, eingeräumt zu haben, daß der Austausch von Informationen einen positiven Einfluß auf den Wettbewerb ausübe. Nichts spreche für die Annahme, daß ihre Beurteilung, wonach eine der vier Voraussetzungen des Artikels 85 Absatz 3 nicht erfuellt sei, offensichtlich fehlerhaft sei. Deshalb habe sie den Antrag auf Freistellung zu Recht abgelehnt. Diese Beurteilung werde durch die zweite Anmeldung nicht in Frage gestellt, die lediglich geringfügige Änderungen des Informationsaustauschsystems gebracht habe, so daß die Beurteilung aus Anlaß der ersten Anmeldung im Rahmen der Prüfung der zweiten Anmeldung ihre Gültigkeit behalte.

98 Bei der Ausfuellung der "voluntary statistical section" (statistischer Teil mit freiwilligen Angaben) des Vordrucks V55 würden Namen und Anschrift des eingetragenen Fahrzeughalters festgehalten. Im Rahmen des Data Systems werte die SIL die Vordrucke V55 aus und übermittle den an der Vereinbarung Beteiligten eingehende Informationen über die Fahrgestellnummern und die Zulassungsdaten der verkauften Traktoren. Diese Informationen gestatteten es den an der Vereinbarung Beteiligten, den Ursprung und den Bestimmungsort jedes verkauften Traktors festzustellen. Darüber hinaus seien diese Informationen entgegen der Ansicht der Klägerinnen nicht unerläßlich für die Prüfung von Garantie- oder Bonusanträgen, wie dies aus den Randnummern 59 bis 65 der Entscheidung zu ersehen sei. Für die Prüfung von Anträgen auf Prämien oder Bonusse sei es keineswegs erforderlich, daß die Hersteller an einem System des Informationsaustauschs mit ihren Wettbewerbern teilnähmen; jeder Hersteller könne für sich eine angemessene Methode zur Prüfung dieser Anträge festlegen und anwenden.

Würdigung durch das Gericht

99 Das Gericht weist vorab darauf hin, daß die vier Voraussetzungen des Artikels 85 Absatz 3 für eine Einzelfreistellung einer bei der Kommission ordnungsgemäß angemeldeten Vereinbarung nach ständiger Rechtsprechung gleichzeitig vorliegen müssen, so daß die Kommission, wenn eine von ihnen nicht erfuellt ist, den bei ihr eingereichten Antrag von Rechts wegen ablehnen kann. Das Gericht weist ferner darauf hin, daß es in erster Linie Sache der Unternehmen ist, die eine Vereinbarung anmelden, um von der Kommission eine Einzelfreistellung zu erhalten, die Beweise dafür vorzulegen, daß die Vereinbarung die Voraussetzungen des Artikels 85 Absatz 3 EWG-Vertrag erfuellt (Urteil des Gerichtshofes vom 17. Januar 1984 in den Rechtssachen 43/82 und 63/82, VBVB und VBBB/Kommission, Slg. 1984, 19; Urteil des Gerichts vom 9. Juli 1992 in der Rechtssache T-66/89, Publishers Association/Kommission, Slg. 1992, II-1995). In der Entscheidung wird festgestellt, daß die durch den Informationsaustausch bewirkten Wettbewerbsbeschränkungen nicht unerläßlich waren, da "firmeneigene Daten über den Sektor insgesamt für das Vorgehen auf dem Markt für landwirtschaftliche Zugmaschinen ausreichen". Diese Feststellung, die in Randnummer 62 der Entscheidung bezueglich der ersten Anmeldung getroffen wird, wird in Randnummer 65 mit Bezug auf die zweite Anmeldung wiederholt. Die Kommission ist nach Auffassung des Gerichts zu Recht davon ausgegangen, daß die Ausführungen zur ersten Anmeldung sinngemäß auch für die zweite Anmeldung gelten, da im Rahmen des Data Systems, wie bereits ausgeführt, "weiterhin Angaben über die Umsätze und Marktanteile der Teilnehmer und Händler nach Monatszeiträumen bereitgestellt werden". Wie sich aus der Sitzung mit den Parteien vom 7. Dezember 1993 ergibt, hat die Kommission damit geltend machen wollen, daß es für eine Erreichung der behaupteten Ziele nicht notwendig sei, über Informationen zu verfügen, die die Umsätze der Wettbewerber innerhalb kurzer Zeiträume festhielten. Die Klägerinnen, die sich auf die Behauptung beschränken, diese Informationen seien notwendig, um den Kunden- oder Garantiedienst sicherzustellen, beweisen damit nicht, daß die Wettbewerbsbeschränkungen infolge des Informationsaustauschsystems, wie sie vorstehend untersucht worden sind (siehe Randnr. 91 dieses Urteils), unerläßlich sind. Denn es steht fest, daß ein Kunden- oder Garantiedienst durchaus ohne jedes Informationsaustauschsystem der hier streitigen Art durchgeführt werden kann. Das Informationsaustauschsystem, wie es sowohl der ersten als auch der zweiten Anmeldung vom 12. März 1990 zugrunde lag, erfuellt daher nicht die Voraussetzungen des Artikels 85 Absatz 3 EWG-Vertrag.

100 Demgemäß ist der Klagegrund, mit dem gerügt wird, daß die Kommission den bei ihr eingereichten Antrag auf Einzelfreistellung zu Unrecht abgelehnt habe, zurückzuweisen und damit die Klage insgesamt abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

101 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen die Kosten als Gesamtschuldner aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Die Klägerinnen tragen die Kosten als Gesamtschuldner.

Ende der Entscheidung

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