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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 08.03.2007
Aktenzeichen: T-340/04
Rechtsgebiete: VO (EG) Nr. 1/2003


Vorschriften:

VO (EG) Nr. 1/2003 Art. 20 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gericht Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)

8. März 2007(*)

"Wettbewerb - Entscheidung, mit der eine Nachprüfung angeordnet wird - Loyale Zusammenarbeit mit den nationalen Gerichten - Loyale Zusammenarbeit mit den nationalen Wettbewerbsbehörden - Art. 20 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 - Begründung - Verhältnismäßigkeit - Neues Angriffsmittel - Unzulässigkeit"

Parteien:

er Rechtssache T-340/04

France Télécom SA mit Sitz in Paris (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte C. Clarenc und J. Ruiz Calzado,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch É. Gippini Fournier und O. Beynet als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung C(2004) 1929 der Kommission vom 18. Mai 2004 (COMP/C-1/38.916), mit der die France Télécom SA und alle Unternehmen, die sie unmittelbar oder mittelbar kontrolliert, einschließlich der Wanadoo SA und aller von dieser unmittelbar oder mittelbar kontrollierten Unternehmen, verpflichtet wurden, eine Nachprüfung gemäß Art. 20 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) zu dulden,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Legal sowie der Richterin I. Wiszniewska-Bialecka und des Richters E. Moavero Milanesi,

Kanzler: K. Pochec, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juni 2006

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

1 Die Abs. 1 und 6 des mit "Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten" überschriebenen Art. 11 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L1, S.1) lauten:

"Die Kommission und die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten arbeiten bei der Anwendung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft eng zusammen.

...

Leitet die Kommission ein Verfahren zum Erlass einer Entscheidung nach Kapitel III ein, so entfällt damit die Zuständigkeit der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten für die Anwendung der Artikel 81 [EG] und 82 [EG]. Ist eine Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats in einem Fall bereits tätig, so leitet die Kommission ein Verfahren erst ein, nachdem sie diese Wettbewerbsbehörde konsultiert hat."

2 Der mit "Aussetzung und Einstellung des Verfahrens" überschriebene Art. 13 der Verordnung Nr. 1/2003 sieht vor:

"(1) Sind die Wettbewerbsbehörden mehrerer Mitgliedstaaten aufgrund einer Beschwerde oder von Amts wegen mit einem Verfahren gemäß Artikel 81 [EG] oder Artikel 82 [EG] gegen dieselbe Vereinbarung, denselben Beschluss oder dieselbe Verhaltensweise befasst, so stellt der Umstand, dass eine Behörde den Fall bereits bearbeitet, für die übrigen Behörden einen hinreichenden Grund dar, ihr Verfahren auszusetzen oder die Beschwerde zurückzuweisen. Auch die Kommission kann eine Beschwerde mit der Begründung zurückweisen, dass sich bereits eine Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats mit dieser Beschwerde befasst.

(2) Ist eine einzelstaatliche Wettbewerbsbehörde oder die Kommission mit einer Beschwerde gegen eine Vereinbarung, einen Beschluss oder eine Verhaltensweise befasst, die bereits von einer anderen Wettbewerbsbehörde behandelt worden ist, so kann die Beschwerde abgewiesen werden."

3 Der mit "Nachprüfungsbefugnisse der Kommission" überschriebene Art. 20 der Verordnung Nr. 1/2003 bestimmt:

"(1) Die Kommission kann zur Erfüllung der ihr durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben bei Unternehmen und Unternehmensvereinigungen alle erforderlichen Nachprüfungen vornehmen.

(2) Die mit den Nachprüfungen beauftragten Bediensteten der Kommission und die anderen von ihr ermächtigten Begleitpersonen sind befugt,

a) alle Räumlichkeiten, Grundstücke und Transportmittel von Unternehmen und Unternehmensvereinigungen zu betreten;

b) die Bücher und sonstigen Geschäftsunterlagen, unabhängig davon, in welcher Form sie vorliegen, zu prüfen;

c) Kopien oder Auszüge gleich welcher Art aus diesen Büchern und Unterlagen anzufertigen oder zu erlangen;

d) betriebliche Räumlichkeiten und Bücher oder Unterlagen jeder Art für die Dauer und in dem Ausmaß zu versiegeln, wie es für die Nachprüfung erforderlich ist;

e) von allen Vertretern oder Mitgliedern der Belegschaft des Unternehmens oder der Unternehmensvereinigung Erläuterungen zu Tatsachen oder Unterlagen zu verlangen, die mit Gegenstand und Zweck der Nachprüfung in Zusammenhang stehen, und ihre Antworten zu Protokoll zu nehmen.

(3) Die mit Nachprüfungen beauftragten Bediensteten der Kommission und die anderen von ihr ermächtigten Begleitpersonen üben ihre Befugnisse unter Vorlage eines schriftlichen Auftrags aus, in dem der Gegenstand und der Zweck der Nachprüfung bezeichnet sind und auf die in Artikel 23 vorgesehenen Sanktionen für den Fall hingewiesen wird, dass die angeforderten Bücher oder sonstigen Geschäftsunterlagen nicht vollständig vorgelegt werden oder die Antworten auf die nach Maßgabe von Absatz 2 des vorliegenden Artikels gestellten Fragen unrichtig oder irreführend sind. Die Kommission unterrichtet die Wettbewerbsbehörde des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Nachprüfung vorgenommen werden soll, über die Nachprüfung rechtzeitig vor deren Beginn.

(4) Die Unternehmen und Unternehmensvereinigungen sind verpflichtet, die Nachprüfungen zu dulden, die die Kommission durch Entscheidung angeordnet hat. Die Entscheidung bezeichnet den Gegenstand und den Zweck der Nachprüfung, bestimmt den Zeitpunkt des Beginns der Nachprüfung und weist auf die in Artikel 23 und Artikel 24 vorgesehenen Sanktionen sowie auf das Recht hin, vor dem Gerichtshof Klage gegen die Entscheidung zu erheben. Die Kommission erlässt diese Entscheidungen nach Anhörung der Wettbewerbsbehörde des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Nachprüfung vorgenommen werden soll.

(5) Die Bediensteten der Wettbewerbsbehörde des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Nachprüfung vorgenommen werden soll, oder von dieser Behörde entsprechend ermächtigte oder benannte Personen unterstützen auf Ersuchen dieser Behörde oder der Kommission die Bediensteten der Kommission und die anderen von ihr ermächtigten Begleitpersonen aktiv. Sie verfügen hierzu über die in Absatz 2 genannten Befugnisse.

(6) Stellen die beauftragten Bediensteten der Kommission und die anderen von ihr ermächtigten Begleitpersonen fest, dass sich ein Unternehmen einer nach Maßgabe dieses Artikels angeordneten Nachprüfung widersetzt, so gewährt der betreffende Mitgliedstaat die erforderliche Unterstützung, gegebenenfalls unter Einsatz von Polizeikräften oder einer entsprechenden vollziehenden Behörde, damit die Bediensteten der Kommission ihren Nachprüfungsauftrag erfüllen können.

(7) Setzt die Unterstützung nach Absatz 6 nach einzelstaatlichem Recht eine Genehmigung eines Gerichts voraus, so ist diese zu beantragen. Die Genehmigung kann auch vorsorglich beantragt werden.

(8) Wird die in Absatz 7 genannte Genehmigung beantragt, so prüft das einzelstaatliche Gericht die Echtheit der Entscheidung der Kommission sowie, ob die beantragten Zwangsmaßnahmen nicht willkürlich und, gemessen am Gegenstand der Nachprüfung, nicht unverhältnismäßig sind. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Zwangsmaßnahmen kann das einzelstaatliche Gericht von der Kommission unmittelbar oder über die Wettbewerbsbehörde des betreffenden Mitgliedstaats ausführliche Erläuterungen anfordern, und zwar insbesondere zu den Gründen, die die Kommission veranlasst haben, das Unternehmen einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 [EG] oder 82 [EG] ... zu verdächtigen, sowie zur Schwere der behaupteten Zuwiderhandlung und zur Art der Beteiligung des betreffenden Unternehmens. Das einzelstaatliche Gericht darf jedoch weder die Notwendigkeit der Nachprüfung in Frage stellen noch die Übermittlung der in den Akten der Kommission enthaltenen Informationen verlangen. Die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Kommissionsentscheidung ist dem Gerichtshof vorbehalten."

Sachverhalt

4 Die Kommission stellte in ihrer Entscheidung vom 16. Juli 2003 in einem Verfahren nach Art. 82 [EG] (COMP/38.233 - Wanadoo Interactive) (im Folgenden: Entscheidung vom 16. Juli 2003) fest, dass das Unternehmen Wanadoo Interactive, seinerzeit eine 99,9 %ige Tochtergesellschaft der Wanadoo SA, die ihrerseits eine Tochtergesellschaft der Klägerin war, die in dem von der Entscheidung betroffenen Zeitraum zwischen 70 % und 72,2 % ihres Kapitals hielt, zwischen März 2001 und Oktober 2002 seine beherrschende Stellung auf dem Markt für Breitband-Internetzugänge für Privatkunden durch die Festlegung von Verdrängungspreisen für seine Dienste eXtense und Wanadoo ADSL missbraucht habe, und erlegte Wanadoo Interactive eine Geldbuße von 10,35 Mio. Euro auf.

5 In den Art. 2 und 3 dieser Entscheidung verpflichtete die Kommission Wanadoo Interactive ferner,

- im Rahmen ihrer Dienste eXtense und Wanadoo ADSL von jeglichem Verhalten Abstand zu nehmen, das den gleichen oder einen ähnlichen Zweck oder die gleiche oder eine ähnliche Wirkung haben könnte wie der Verstoß;

- der Kommission am Ende jedes Geschäftsjahres bis einschließlich des Geschäftsjahres 2006 die Ergebnisrechnung für ihre diversen Aktivitäten im Bereich ADSL (Asymmetric Digital Subscriber Line, asymmetrische digitale Teilnehmeranschlussleitung) vorzulegen, in der die buchhalterischen Erlöse, die Betriebskosten und die Aufwendungen für die Kundenakquisition angeführt werden.

6 Der französische Minister für Wirtschaft, Finanzen und Industrie genehmigte am 11. Dezember 2003 nach Befürwortung durch die französische Telekommunikations-Regulierungsbehörde eine Senkung der Großhandelstarife von France Télécom für den Zugang zu und die Sammlung von IP/ADSL, auch als "Option 5" bezeichnet. Mehrere Anbieter von Internetzugängen, darunter Wanadoo, beschlossen, diese Senkung der Großhandelstarife an die Endverbraucher weiterzugeben.

7 Am 12. Dezember 2003 kündigte Wanadoo eine erste Senkung seiner Endverbraucherpreise für seine Pauschalangebote für den Breitband-Internetzugang (Angebote eXtense 512k illimité, eXtense 512k Fidélité illimité, eXtense 1024k illimité und eXtense 1024k Fidélité illimité) an, die sowohl für die alten als auch für die neuen Abonnenten gelten und am 6. Januar 2004 in Kraft treten sollte. Der Tarif für das Angebot eXtense 128k illimité blieb unverändert.

8 Die Kommission erinnerte Wanadoo mit Schreiben vom 9. Januar 2004 an Art. 2 der Entscheidung vom 16. Juli 2003 und ersuchte sie, ihr mitzuteilen, ob sie seit deren Erlass ihre Endverbraucherpreise für die von dieser Entscheidung erfassten Dienste gesenkt habe oder beabsichtige, dies zu tun. Sie wies Wanadoo darauf hin, dass sie ihr bejahendenfalls ein förmliches Auskunftsverlangen über die Einzelheiten dieser Preissenkungen übermitteln werde. Sie fragte ferner, wann das Geschäftsjahr von Wanadoo enden werde und wann ihr die in Art. 3 der Entscheidung vom 16. Juli 2003 vorgeschriebenen Auskünfte erteilt würden.

9 Am 12. Januar 2004 erhoben die AOL France SNC und die AOL Europe Services SARL (im Folgenden zusammen: AOL) beim französischen Conseil de la concurrence (im Folgenden: Wettbewerbsrat) Beschwerde wegen Anwendung von Verdrängungspreisen durch Wanadoo in Bezug auf die von dieser am 12. Dezember 2003 angekündigten vier neuen Angebote. Diese Beschwerde wurde auf die Art. 82 EG und L 420-2 des Code de Commerce (französisches Handelsgesetz) gestützt. Zugleich wurden gemäß Art. L 464-1 des Code de Commerce vorläufige Maßnahmen beantragt, die u. a. auf die Aussetzung der Vermarktung dieser Angebote gerichtet waren.

10 Der französische Conseil d'État, bei dem die Firma T-Online France im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beantragt hatte, die Entscheidung auszusetzen, mit der der französische Minister für Wirtschaft, Finanzen und Industrie die Senkung der Tarife der Option 5 genehmigt hatte, lehnte diesen Antrag mit Entscheidung Nr. 263012 vom 19. Januar 2004 ab, indem er u. a. ausführte, die Telekommunikations-Regulierungsbehörde habe "zur Begründung ihrer Befürwortung des Tarifangebots von France Télécom nach eingehender Untersuchung das Fehlen wettbewerbswidriger Wirkungen" festgestellt, "die diesem Angebot entgegenstehen könnten."

11 Am 29. Januar 2004 kündigte Wanadoo an, am 3. Februar 2004 ein Angebot eXtense 128k Fidélité illimité und vier Pauschalangebote (oder Angebote "à la carte"), nämlich eXtense 128k/20h, eXtense 128k/20h Fidélité, eXtense 512k/5Go und eXtense 512k/5Go Fidélité, einführen zu wollen.

12 Wanadoo teilte der Kommission auf deren Schreiben vom 9. Januar 2004 mit Schreiben vom 30. Januar 2004 mit, sie habe im Januar neue Angebote für ADSL-Abonnements zu günstigeren Preisen auf den Markt gebracht und werde im Februar neue Angebote auf den Markt bringen.

13 Am 24. Februar 2004 ergänzte AOL ihre beim Wettbewerbsrat eingereichte Beschwerde, indem sie zusätzlich die von Wanadoo am 3. Februar 2004 auf den Markt gebrachten Angebote vorlegte und beantragte, deren Vermarktung durch vorläufige Maßnahmen auszusetzen.

14 Außerdem traf die Kommission mit Konkurrenten von Wanadoo zusammen, die sie darauf aufmerksam machten, dass der neue Anrufpreis, den Wanadoo für einen Zugang von 128kbit/s festgesetzt habe, zu einer Tarifschere auf dem Endverbrauchermarkt führten. 15 Anfang März 2004 unterrichtete der Wettbewerbsrat die Kommission über die von AOL erhobene Beschwerde.

16 Am 15. März 2004 übersandte Wanadoo der Kommission gemäß Art. 3 der Entscheidung vom 16. Juli 2003 ihre Abschlüsse für das Geschäftsjahr 2003.

17 Eine knappe Analyse, die am 22. März 2004 bei einer Zusammenkunft der Dienststellen der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission mit dem für diesen Fall im Wettbewerbsrat zuständigen Referenten (im Folgenden: Referent) aufgrund der von der Kommission in ihrer Entscheidung vom 16. Juli 2003 angewandten Berechnungsmethode und des von Wanadoo aufgestellten Wirtschaftsplans, berichtigt durch die Schätzungen des Referenten, vorgenommen wurde, ergab, dass es sich bei einigen der neuen Tarife von Wanadoo um Verdrängungspreise handele, wobei ein Plan bestehe, der die Absicht erkennen lasse, Konkurrenten vom Markt zu verdrängen. Aufgrund dieser Gegebenheiten schlug der Referent dem Wettbewerbsrat vor, Wanadoo im Wege vorläufiger Maßnahmen aufzufordern, die fraglichen Angebote zurückzuziehen.

18 Am 2. April 2004 trafen Beamte der Generaldirektion Wettbewerb mit AOL zusammen.

19 In dieser Zeit führte die Kommission mehrere Telefongespräche mit dem Referenten und traf am 21. April 2004 ein zweites Mal mit diesem zusammen.

20 Am 11. Mai 2004 erließ der Wettbewerbsrat seine Entscheidung Nr. 04-D-17 über die Beschwerde von AOL und ihren Antrag auf Erlass vorläufiger Maßnahmen. Er lehnte diesen Antrag ab und verwies die Beschwerde zur Untersuchung zurück (im Folgenden: Entscheidung des Wettbewerbsrats).

21 Am 18. Mai 2004 erließ die Kommission die Entscheidung C(2004) 1929 (COMP/C-1/38.916), mit der sie France Télécom und alle Unternehmen, die diese unmittelbar oder mittelbar kontrolliert, einschließlich von Wanadoo und aller von dieser unmittelbar oder mittelbar kontrollierten Unternehmen, verpflichtete, eine Nachprüfung gemäß Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 zu dulden (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

22 In den Erwägungsgründen 1 und 3 bis 13 dieser Entscheidung heißt es:

"Die Kommission ... hat Informationen dahin gehend erhalten, dass Wanadoo in Frankreich Tarife für den ADSL-Internetzugang für die breite Öffentlichkeit praktiziert, von denen einige nicht die variablen Kosten decken und andere unterhalb der Vollkosten liegen. Nach den vorliegenden Informationen sind diese Tarife Teil eines Plans, der die Absicht erkennen lässt, die Konkurrenten zu verdrängen. Zudem ergibt sich aus den erhaltenen Informationen, dass der geringe wirtschaftliche Spielraum zwischen den fraglichen Endverbraucherpreisen und den Großhandelsangeboten (Option 5) von France Télécom eine Tarifschere zuungunsten der konkurrierenden Betreiber schafft, die auf der Grundlage der Option 5 von France Télécom den Breitband-Internetzugang für Privatkunden anbieten wollen.

...

Wanadoo kündigte eine erste Senkung ihrer Tarife für den ADSL-Internetzugang für die breite Öffentlichkeit ab 5. Januar 2004 an. Diese Senkung erfolgte durch die Einführung der Angebote eXtense illimitées, d. h. von zwei Angeboten zu 128kbit/s, das erste verbunden mit einem Abonnement von 24 Monaten für 24,90 EUR/Monat und das zweite verbunden mit einem Abonnement von 12 Monaten für 29,90 EUR/Monat; ferner von zwei Angeboten zu 512 kbit/s, das erste verbunden mit einem Abonnement von 24 Monaten für 29,90 EUR/Monat und das zweite verbunden mit einem Abonnement von 12 Monaten für 34,90 EUR/Monat, sowie von zwei Angeboten zu 1024 kbit/s, das erste verbunden mit einem Abonnement von 24 Monaten für 39,90 EUR/Monat und das zweite verbunden mit einem Abonnement von 12 Monaten für 44,90 EUR/Monat.

Am 28. Januar 2004 führte Wanadoo außerdem vier Angebote "à la carte" ein (nämlich zwei Angebote zu 128 kbit/s, begrenzt auf 20 Stunden/Monat, das erste mit einem Abonnement von 24 Monaten für 14,90 EUR/Monat und das zweite mit einem Abonnement von 12 Monaten für 19,90 EUR, sowie zwei Angebote zu 512 kbit/s, begrenzt auf 5 Gigaoctets/Monat, das erste verbunden mit einem Abonnement von 24 Monaten für 24,90 EUR/Monat und das zweite verbunden mit einem Abonnement von 12 Monaten für 29,90 EUR). Gegenstand der hiermit angeordneten Nachprüfung sind genau diese zehn neuen Angebote.

Nach den der Kommission vorliegenden Informationen ergibt sich aus einer Analyse auf der Grundlage von Vorausschätzungen, dass mindestens drei dieser Angebote (die beiden Angebote 'à la carte' von 128 kbit/s und das Angebot 'à la carte' von 512 kbit/s/24 Monate) nicht ihre variablen Kosten decken. Mindestens zwei weitere Angebote von 512 kbit/s (das Angebot 'à la carte' 12 Monate und das unbegrenzte Angebot 24 Monate) decken nicht ihre Vollkosten.

Die Kommission hat ferner Informationen erhalten, aus denen hervorgeht, dass die betreffenden Angebote Teil einer Strategie der Einschränkung und Verdrängung der Wettbewerber sind.

Darüber hinaus ist nach den der Kommission vorliegenden Informationen der wirtschaftliche Spielraum zwischen den neuen von Wanadoo praktizierten Endverbraucherpreisen und der Option 5 trotz der Senkung der Tarife für diese letztere im Januar 2004 ungenügend und hindert die konkurrierenden Betreiber, die ihre Angebote auf die Option 5 stützen, zu angemessenen Bedingungen mit Wanadoo in Wettbewerb zu treten.

Die Kommission kam in ihrer Entscheidung ... vom 16. Juli 2003 zu dem Ergebnis, dass Wanadoo auf dem französischen Markt für den Breitband-Internetzugang für Privatkunden eine beherrschende Stellung einnahm. Nach den der Kommission vorliegenden Informationen ist dies auch jetzt noch der Fall.

Die nicht kostendeckenden Angebote von Wanadoo und der geringe Spielraum zwischen diesen Angeboten und den Tarifen der Option 5 haben sehr wahrscheinlich das Eindringen der - französischen oder in anderen Mitgliedstaaten ansässigen - Konkurrenten in den Markt behindert und die bereits auf diesem Markt tätigen Anbieter gefährdet. Nach den vorliegenden Informationen mussten sich die meisten Konkurrenten von Wanadoo den neuen Angeboten anpassen, und der gesamte ADSL-Markt in Frankreich ist zurzeit defizitär.

Praktiken der oben beschriebenen Art kommen einer Erzwingung von unangemessenen Verkaufspreisen gleich. Wenn ihr Vorliegen erwiesen wäre, würden derartige Praktiken einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung und damit einen Verstoß gegen Art. 82 [EG] darstellen.

Um alle relevanten Umstände betreffend die vermuteten Praktiken und den Kontext des angeblichen Missbrauchs beurteilen zu können, muss die Kommission Nachprüfungen gemäß Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 vornehmen.

Nach den der Kommission vorliegenden Informationen ist es sehr wahrscheinlich, dass alle die genannten Praktiken betreffenden Informationen, insbesondere diejenigen, die es ermöglichen, zu bestimmen, bis zu welchem Grad die Kosten gedeckt sind, und diejenigen, die sich auf die Strategie der Einschränkung und Verdrängung der Wettbewerber beziehen, nur einigen Mitgliedern des Personals von France Télécom und/oder von Wanadoo bekannt gegeben wurden. Die die vermuteten Praktiken betreffenden Unterlagen sind sehr wahrscheinlich auf das strikte Mindestmaß beschränkt und werden an Orten und in einer Form aufbewahrt, die es im Fall einer Nachprüfung ermöglichen, sie zu verbergen, zurückzuhalten oder zu vernichten.

Um die Wirksamkeit dieser Nachprüfung zu gewährleisten, muss sie deshalb ohne vorherige Unterrichtung der Unternehmen, an die die vorliegende Entscheidung gerichtet ist, durchgeführt werden. Somit ist eine Entscheidung gemäß Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 zu erlassen, durch die die Unternehmen verpflichtet werden, eine Nachprüfung zu dulden."

23 Art. 1 der angefochtenen Entscheidung bestimmt:

"France Télécom ... und Wanadoo ...

sind verpflichtet, eine Nachprüfung betreffend eine vermutete gegen Art. 82 [EG] verstoßende Erzwingung von unangemessenen Verkaufspreisen im Bereich des Breitband-Internetzugangs für Privatkunden mit der Absicht der Abschottung und der Verdrängung der Konkurrenten zu dulden. Die Nachprüfung kann in allen Räumlichkeiten der Unternehmen vorgenommen werden ...

France Télécom ... und Wanadoo ... gestatten es den mit den Nachprüfungen beauftragten Bediensteten der Kommission und den anderen von ihr ermächtigten Begleitpersonen sowie den Bediensteten der zuständigen Behörde des betroffenen Mitgliedstaats und den von dieser bevollmächtigten oder bezeichneten Bediensteten, die sie unterstützen, alle ihre Räumlichkeiten, Grundstücke und Transportmittel während der üblichen Geschäftszeiten zu betreten. Diese Unternehmen legen die Bücher und sonstigen Geschäftsunterlagen, die diese Bediensteten und anderen Personen einsehen wollen, unabhängig davon, in welcher Form sie vorliegen, vor und gestatten es ihnen, diese Bücher und sonstigen Geschäftsunterlagen vor Ort zu prüfen und Kopien oder Auszüge gleich welcher Art aus ihnen anzufertigen oder zu erlangen. Sie geben unverzüglich vor Ort alle von diesen Bediensteten und anderen Personen verlangten mündlichen Erläuterungen zu Tatsachen oder Unterlagen, die mit Gegenstand und Zweck der Nachprüfung in Zusammenhang stehen, und gestatten es allen Vertretern oder Mitgliedern der Belegschaft, derartige Erläuterungen zu geben. Sie erlauben es [diesen] Bediensteten und anderen Personen, diese Erläuterungen in jeder Form aufzuzeichnen."

24 Die angefochtene Entscheidung legt ferner in Art. 2 das Anfangsdatum der Nachprüfung fest und bestimmt in Art. 3, dass sie an die Klägerin und Wanadoo gerichtet ist. Schließlich regelt sie, unter welchen Umständen die Kommission gegen alle Unternehmen, an die die Entscheidung gerichtet ist, Geldbußen und Zwangsgelder gemäß den Art. 23 und 24 der Verordnung Nr. 1/2003 festsetzen kann, und bestimmt, dass, wenn ein Unternehmen, an das die Entscheidung gerichtet ist, sich der angeordneten Nachprüfung widersetzt, der betreffende Mitgliedstaat den beauftragten Bediensteten der Kommission und den anderen von ihr ermächtigten Begleitpersonen gemäß Art. 20 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 die erforderliche Unterstützung gewährt, damit sie ihren Nachprüfungsauftrag erfüllen können. Die Entscheidung enthält außerdem eine Rechtsbehelfsbelehrung über die Möglichkeit einer Klage vor dem Gericht und in der Anlage Auszüge aus der Verordnung Nr. 1/2003.

25 Aufgrund dieser Entscheidung ersuchte die Kommission die französischen Behörden gemäß Art. 20 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1/2003 um Unterstützung. Der französische Minister für Wirtschaft, Finanzen und Industrie wies den Leiter der Nationalen Direktion für Ermittlungen in den Bereichen Wettbewerb, Verbrauch und Betrugsbekämpfung mit Untersuchungsaufforderung vom 25. Mai 2004 an, alle für die Durchführung der von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung beschriebenen Nachprüfung erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Zu diesem Zweck ersuchte der Leiter dieser Direktion den zuständigen Richter (Juge des libertés et de la détention beim Tribunal de Grande Instance Nanterre, im Folgenden: zuständiger Richter) um die Genehmigung, bei France Télécom und Wanadoo eine Nachprüfung vorzunehmen oder vornehmen zu lassen und die Kommission zu unterstützen. Er fügte diesem Ersuchen die angefochtene Entscheidung bei.

26 Der zuständige Richter erteilte die beantragte Genehmigung durch Beschluss vom 28. Mai 2004 und gestattete es den noch zu benennenden französischen Kontrolleuren insbesondere, die ihnen nach den Art. L 450-4 und L 470-6 des Code de commerce zustehenden Befugnisse auszuüben.

27 Die Nachprüfung begann am 2. Juni 2004 in den Geschäftsräumen der Klägerin und dauerte bis zum 3. Juni 2004. Die Klägerin arbeitete dabei mit, erhob jedoch grundsätzliche Vorbehalte gegen die Vornahme der Nachprüfung. Bei Wanadoo wurden vom 2. bis 4. Juni 2004 Nachprüfungen vorgenommen.

Verfahren und Anträge der Parteien

28 Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 11. August 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

29 Das Gericht (Vierte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und hat der Klägerin im Rahmen prozessleitender Maßnahmen gemäß Art. 64 der Verfahrensordnung des Gerichts eine schriftliche Frage gestellt, die diese fristgemäß beantwortet hat.

30 Die Parteien haben in der öffentlichen Sitzung vom 8. Juni 2006 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

31 Die Klägerin beantragt,

- die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären,

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

32 Die Kommission beantragt,

- die Klage abzuweisen,

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Entscheidungsgründe

33 Die Klägerin stützt ihre Klage auf vier Klagegründe: Verletzung der Begründungspflicht, Verletzung der Pflicht zu loyaler Zusammenarbeit mit den nationalen Behörden, Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und - vor Erlass der angefochtenen Entscheidung - Verletzung der Bekanntmachung der Kommission über die Zusammenarbeit innerhalb des Netzes der Wettbewerbsbehörden (ABl. 2004, C 101, S. 43, im Folgenden: Bekanntmachung) sowie Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Rechtspflege. Dieser letzte Klagegrund ist erstmals in der Erwiderung geltend gemacht worden.

Zum ersten Klagegrund: Verletzung der Begründungspflicht

34 Die Klägerin führt aus, die Kommission habe die ihr nach Art. 253 EG, der Verordnung Nr. 1/2003 und der Rechtsprechung obliegende Begründungspflicht in vierfacher Hinsicht verletzt. Erstens habe die Klägerin der angefochtenen Entscheidung nicht entnehmen können, warum die Nachprüfung gerade bei ihr vorgenommen worden sei, zweitens habe die angefochtene Entscheidung keine Begründung für bestimmte Elemente enthalten, drittens werde sie nicht auf die dort zum Ausdruck gebrachten Zweifel betreffend die Tarife der Option 5 gestützt, und viertens habe sie es dem zuständigen Richter nicht ermöglicht, die ihm obliegende Kontrolle auszuüben.

Zur ersten Rüge: Für die Klägerin sei nicht erkennbar gewesen, warum die angefochtene Entscheidung an sie gerichtet war und warum die Nachprüfung gerade bei ihr vorgenommen wurde

- Vorbringen der Parteien

35 Die Klägerin macht allgemein geltend, dass der Umfang der Begründungspflicht nach Art. 253 EG, der Verordnung Nr. 1/2003 und der Rechtsprechung von der Art des in Rede stehenden Rechtsakts und dem Kontext abhängt, in dem er erlassen worden sei. So müsse die Kommission Gegenstand und Zweck der angeordneten Nachprüfung klar und genau angeben und darlegen, welche Verdachtsmomente sie erhärten wolle. Die angefochtene Entscheidung sei unzureichend begründet, und die Klägerin habe ihr den genauen Gegenstand, den Umfang und die Rechtfertigung für die angeordnete Nachprüfung nicht entnehmen können. Deshalb habe sie den Umfang ihrer Mitwirkungspflicht nicht erkennen können, und ihre Verteidigungsrechte seien nicht gewahrt worden. Tatsächlich sei sie nicht in der Lage gewesen, die genauen Verdachtsmomente der Kommission zu erkennen oder zu verstehen, inwieweit sie in den angeblichen Missbrauch einer beherrschenden Stellung verwickelt gewesen sein solle.

36 In der angefochtenen Entscheidung werde Wanadoo für die angeblichen Praktiken, auf die sich die Nachprüfung beziehe, verantwortlich gemacht, und zwar entsprechend der Auffassung, die die Kommission in der Entscheidung vom 16. Juli 2003 vertreten habe, dass Wanadoo ihre Preise für die Dienste des Breitband-Internetzugangs auf dem französischen Markt für Privatkunden von der Klägerin unabhängig festgesetzt habe. Gegenstand der angefochtenen Entscheidung sei somit die Nachprüfung von Praktiken, die einer selbständigen Tochtergesellschaft der Klägerin vorgeworfen würden, die auf einem Markt tätig sei, auf dem die Klägerin nicht präsent sei. Unter diesen Umständen hätte die Kommission, um ihrer Begründungspflicht zu genügen, die Gründe darlegen müssen, aus denen gerade die Klägerin einer Nachprüfung unterzogen werden solle, deren Gegenstand die Erhärtung der in Art. 1 der angefochtenen Entscheidung angegebenen Verdachtsmomente für einen Vertragsverstoß gewesen seien.

37 Die Klägerin könne der angefochtenen Entscheidung nicht entnehmen, ob die Kommission davon ausgehe, dass gerade sie in die in der angefochtenen Entscheidung bezeichneten Praktiken verwickelt sei und somit verdächtigt werde, Art. 82 EG verletzt zu haben. Dies widerspreche dem vom Gerichtshof im Urteil vom 22. Oktober 2002 (Roquette Frères, C-94/00, Slg. 2002, I-9011) aufgestellten Erfordernis, dass die Kommission Erläuterungen zu der Art und Weise geben müsse, wie das von den Zwangsmaßnahmen betroffene Unternehmen in die Zuwiderhandlung verwickelt sein solle.

38 Der Umstand, dass die Klägerin 2004 das gesamte Kapital von Wanadoo erworben habe, rechtfertige nicht die von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung vertretene Auffassung. Die in dieser Entscheidung beanstandeten Preise seien die Preise für Angebote, die im Januar 2004, als sie nur etwa 70 % des Kapitals von Wanadoo gehalten habe, auf den Markt gebracht worden seien; der Erwerb des gesamten Kapitals dieser Gesellschaft sei erst nach Erlass der angefochtenen Entscheidung erfolgt. Außerdem werde die Vermutung, dass eine Tochtergesellschaft dem bestimmenden Einfluss ihrer Muttergesellschaft unterliege, in den Fällen widerlegt, in denen die Tochtergesellschaft ihre Politik unabhängig bestimme. Die Unabhängigkeit von Wanadoo sei in der Entscheidung vom 16. Juli 2003 festgestellt worden. Die Kommission habe diese Feststellung nicht aus dem alleinigen Grund stillschweigend in Frage stellen dürfen, dass der Anteil der Klägerin am Kapital von Wanadoo erst nach der Festsetzung der in der angefochtenen Entscheidung beanstandeten Preise erhöht worden sei.

39 Zudem sei die Haltung der Kommission widersprüchlich, denn aus ihrem Verhalten bis zum Erlass der angefochtenen Entscheidung und aus Art. 1 dieser Entscheidung ergebe sich, dass sie die von Wanadoo auf den Markt gebrachten Angebote und die von ihr praktizierten Preise als Ausdruck der Politik dieses Unternehmens und nicht als Ausdruck der Politik des Konzerns angesehen habe.

40 Die Kommission verweist zunächst auf die Anforderungen, denen die Begründung der Nachprüfungsentscheidungen nach der Rechtsprechung unterliege. Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 nenne die wesentlichen Angaben, die eine Nachprüfungsentscheidung enthalten müsse, indem er die Kommission verpflichte, Gegenstand und Zweck der angeordneten Nachprüfung zu bezeichnen. Im Übrigen brauche die Kommission nach der Rechtsprechung zu Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, 13, S. 204), dessen Wortlaut im Wesentlichen dem des Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 entspreche, dem Adressaten einer Nachprüfungsentscheidung nicht alle Informationen zu geben, über die sie im Zusammenhang mit der vermuteten Zuwiderhandlung verfüge, und auch keine exakte rechtliche Qualifizierung der Zuwiderhandlungen vorzunehmen. Sie müsse jedoch möglichst genau angeben, welche Verdachtsmomente sie erhärten wolle. Die angefochtene Entscheidung erfülle diese Anforderungen.

41 Zur ersten Rüge der Klägerin bemerkt die Kommission erstens, dass die Klägerin die Muttergesellschaft des Wanadoo-Konzerns sei, an deren Kapital sie vor Erlass der angefochtenen Entscheidung 95,94 % gehalten habe. Der Umstand, dass die Klägerin eine von Wanadoo verschiedene juristische Person sei, bedeute nicht, dass sie ein gesondertes Unternehmen im Sinne des gemeinschaftlichen Wettbewerbsrechts sei. Wenn ein Unternehmen das gesamte Kapital eines anderen Unternehmens halte, bestehe eine Vermutung dafür, dass das erste Unternehmen eine Kontrolle über das zweite ausübe, und damit ein Verdacht seiner Verwicklung in eine gegebenenfalls von diesem begangene Zuwiderhandlung. Die Kommission sei nicht verpflichtet gewesen, dies in ihrer Entscheidung zu erklären, denn die Begründungspflicht verlange nicht, dass alle tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte erläutert würden. Im Übrigen gingen die Verweisungen der Klägerin auf die Entscheidung vom 16. Juli 2003 fehl, da die Klägerin seit diesem Datum ihren Anteil am Kapital von Wanadoo erhöht habe.

42 Zudem hätten die Märkte eine Reintegration von Wanadoo in den France-Télécom-Konzern erwartet, auch wenn die Erhöhung der Beteiligung der Klägerin am Kapital von Wanadoo noch nicht wirksam gewesen sei, als die neuen Angebote im Januar 2004 auf den Markt gebracht worden seien. Die Kommission habe zu Recht annehmen können, dass sich der Prozess der Integration von Wanadoo schon zumindest im Vorbereitungsstadium befunden habe, als die neuen Angebote auf den Markt gebracht worden seien, und dass die Klägerin in diesem Stadium ein Interesse daran gehabt habe, die Tarifentscheidungen ihrer Tochtergesellschaft genauer zu kontrollieren. Im Übrigen bestehe die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Muttergesellschaft nach Erlass einer Entscheidung, durch die die Preispolitik ihrer Tochtergesellschaft für rechtswidrig erklärt werde, verstärkt in deren Preisfestsetzung einschalte.

43 Zweitens sei es für die Durchführung einer Nachprüfung nicht erforderlich, dass sich die Kommission der direkten Verwicklung des kontrollierten Unternehmens in die vermutete Zuwiderhandlung sicher sei oder in der Lage sei, die Rolle, die jedes kontrollierte Unternehmen dabei spiele, genau anzugeben. Da die Klägerin die Muttergesellschaft von Wanadoo sei und deren angebliche Zuwiderhandlungen eindeutig angegeben seien, sei klar, weshalb gerade die Klägerin kontrolliert werde. So habe logischerweise angenommen werden können, dass bestimmte gesuchte Unterlagen sich möglicherweise auch in den Geschäftsräumen der Klägerin befänden.

44 Der Umstand, dass im Hinblick auf die in der Entscheidung vom 16. Juli 2003 festgestellten Zuwiderhandlungen kein Hinweis darauf vorgelegen habe, dass Wanadoo auf Anweisung ihrer Muttergesellschaft gehandelt habe, sei unerheblich, da diese Feststellung nicht für zukünftige Situationen gelten könne.

45 Drittens werde in der angefochtenen Entscheidung die Art der vermuteten Beteiligung der Klägerin an der angeblichen Zuwiderhandlung klar angegeben. Die beschriebenen Tarifpraktiken kämen, wenn sie nachgewiesen wären, einer Erzwingung von unangemessenen Verkaufspreisen im Sinne des Art. 82 EG gleich, was für den Fall, dass es sich wie hier um einen Konzern handele, als Anwendung von Verdrängungspreisen oder als Tarifschere angesehen werden könnte. Eine genaue rechtliche Qualifizierung oder die Angabe des vermuteten Zeitraums der Begehung der angeblichen Zuwiderhandlungen sei nicht erforderlich. Im Übrigen stelle sich die Frage, inwieweit eine von einer Tochtergesellschaft begangene Zuwiderhandlung ihrer Muttergesellschaft zuzurechnen sei, im vorliegenden Fall nicht.

46 Jedenfalls sei die Kommission berechtigt, eine Nachprüfung anzuordnen, wenn sie Grund zu der Annahme habe, dass sich die für ihre Ermittlung entscheidenden Beweisstücke in den Geschäftsräumen eines Unternehmens befänden, selbst wenn sich nachträglich herausstellen sollte, dass das fragliche Unternehmen nicht direkt in die vermutete Zuwiderhandlung verwickelt sei.

- Würdigung durch das Gericht

47 Vorab ist auf die Grundsätze hinzuweisen, die für die Pflicht der Kommission zur Begründung einer Entscheidung gelten, mit der sie eine Nachprüfung gemäß Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 anordnet.

48 Die Pflicht zur Begründung von Einzelentscheidungen, die sich allgemein aus Art. 253 EG ergibt, dient dem Zweck, dem Gemeinschaftsrichter die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung zu ermöglichen und den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, dass er erkennen kann, ob die Entscheidung begründet oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der sie anfechtbar macht, wobei der Umfang der Begründungspflicht von der Art des in Rede stehenden Rechtsakts und dem Kontext abhängt, in dem er erlassen wurde (Urteile des Gerichtshofs vom 25. Oktober 1984, Instituut Electronenmicroscopie, 185/83, Slg. 1984, 3623, Randnr. 38, und des Gerichts vom 15. Juni 2005, Corsica Ferries France/Kommission, T-349/03, Slg. 2005, II-2197, Randnrn. 62 und 63).

49 Hinsichtlich der Nachprüfungsentscheidungen der Kommission nennt Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 die wesentlichen Informationen, die eine solche Entscheidung enthalten muss, indem er die Kommission verpflichtet, diese unter Angabe von Gegenstand und Zweck der Nachprüfung zu begründen, den Zeitpunkt des Beginns der Nachprüfung zu bestimmen und auf die in den Art. 23 und 24 vorgesehenen Sanktionen sowie auf das Recht hinzuweisen, vor dem Gemeinschaftsrichter Klage gegen die Entscheidung zu erheben.

50 Durch die Begründung der Nachprüfungsentscheidungen soll somit nicht nur die Berechtigung des beabsichtigten Eingriffs in den betroffenen Unternehmen aufgezeigt werden, sondern diese Unternehmen sollen auch in die Lage versetzt werden, den Umfang ihrer Mitwirkungspflicht zu erkennen und zugleich ihre Verteidigungsrechte zu wahren (vgl. zur Verordnung Nr. 17 die Urteile des Gerichtshofs vom 21. September 1989, Hoechst/Kommission, 46/87 und 227/88, Slg. 1989, I-2859, Randnr. 29, und Roquette Frères, oben in Randnr. 37 angeführt, Randnr. 47).

51 Die Verpflichtung der Kommission, Gegenstand und Zweck der Nachprüfung anzugeben, bildet nämlich eine wesentliche Garantie für die Verteidigungsrechte der betroffenen Unternehmen. Folglich kann der Umfang der Pflicht zur Begründung der Nachprüfungsentscheidungen nicht aus Gründen der Wirksamkeit der Nachprüfung beschränkt werden. So braucht die Kommission zwar dem Adressaten der Entscheidung nicht alle Informationen zu geben, über die sie im Zusammenhang mit der vermuteten Zuwiderhandlung verfügt; sie braucht den relevanten Markt nicht genau abzugrenzen, keine exakte rechtliche Qualifizierung der Zuwiderhandlungen vorzunehmen und auch nicht den Zeitraum anzugeben, in dem diese begangen worden sein sollen. Sie muss jedoch möglichst genau angeben, welche Verdachtsmomente sie erhärten will, d. h., wonach gesucht wird und auf welche Punkte sich die Nachprüfung beziehen soll (vgl. zur Verordnung Nr. 17 die Urteile des Gerichtshofs vom 17. Oktober 1989, Dow Benelux/Kommission, 85/87, Slg. 1989, 3137, Randnr. 10; Hoechst/Kommission, oben in Randnr. 50 angeführt, Randnr. 41, und Roquette Frères, oben in Randnr. 37 angeführt, Randnr. 48).

52 Zu diesem Zweck muss die Kommission in einer Nachprüfungsentscheidung außerdem eine Beschreibung der wesentlichen Merkmale der behaupteten Zuwiderhandlung geben, indem sie den ihrer Ansicht nach relevanten Markt und die Natur der behaupteten Wettbewerbsbeschränkungen bezeichnet, sie muss erläutern, wie das von der Nachprüfung betroffene Unternehmen in die Zuwiderhandlung verwickelt sein soll, wonach gesucht wird und auf welche Punkte sich die Nachprüfung beziehen soll, und sie muss angeben, welche Befugnisse die Kontrolleure der Gemeinschaft haben (vgl. zur Verordnung Nr. 17 die Urteile des Gerichtshofs vom 26. Juni 1980, National Panasonic/Kommission, 136/79, Slg. 1980, 2033, Randnr. 26, und Roquette Frères, oben in Randnr. 37 angeführt, Randnrn. 81, 83 und 99).

53 Um darzutun, dass die Nachprüfung gerechtfertigt ist, muss die Kommission in der Entscheidung, durch die eine Nachprüfung angeordnet wird, substantiiert darlegen, dass sie über ernsthafte Informationen und Hinweise verfügt, die den Verdacht von Verstößen gegen die Wettbewerbsregeln durch das von der Nachprüfung betroffene Unternehmen begründen (vgl. zur Verordnung Nr. 17 das Urteil Roquette Frères, oben in Randnr. 37 angeführt, Randnrn. 55, 61 und 99).

54 Im vorliegenden Fall ist die Entscheidung zwar allgemein formuliert, sie enthält jedoch die nach Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 und der Rechtsprechung erforderlichen wesentlichen Informationen.

55 So ergibt sich aus den wesentlichen Passagen der angefochtenen Entscheidung, die oben in den Randnrn. 22 bis 24 wiedergegeben worden sind, dass sie Gegenstand und Zweck der Nachprüfung bezeichnet. Angegeben werden dabei die wesentlichen Merkmale des vermuteten Verstoßes, der nach Ansicht der Kommission betroffene Markt - Breitband-Internetzugang für Privatkunden in Frankreich -, die Natur der vermuteten Wettbewerbsbeschränkungen - eine gegen Art. 82 EG verstoßende Preispolitik, wobei auf die Bedeutung der Tarife der Option 5 der Klägerin für die Ermittlung des Vorliegens dieser Verstöße hingewiesen wird -, Erklärungen zu der Art der vermuteten Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung und der Rolle, die sie möglicherweise dabei gespielt hat - sie hätte auf dem Laufenden sein oder mögliche Beweismittel für den angeblichen Verstoß besitzen können -, wonach gesucht wurde und auf welche Punkte sich die Nachprüfung beziehen sollte - Informationen über diese Preispolitik, insbesondere Informationen, die es ermöglichten, zu ermitteln, bis zu welchem Grad die Kosten der Klägerin gedeckt waren, und Informationen, die sich auf eine Strategie der Einschränkung und Verdrängung der Wettbewerber bezogen und die möglicherweise nur einigen Mitgliedern des Personals sowohl der Klägerin als auch der Firma Wanadoo bekannt waren und in allen Geschäftsräumen, in den Büchern und anderen Geschäftsunterlagen der Firma Wanadoo oder der Klägerin und eventuell durch mündliche Befragungen in Erfahrung gebracht werden mussten -, die Befugnisse der Kontrolleure der Gemeinschaft, der Zeitpunkt des Beginns der Nachprüfung - der 2. Juni 2004 -, die in den Art. 23 und 24 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Sanktionen und die Möglichkeit der Anfechtung der Entscheidung durch Klageerhebung vor dem Gericht. Im Übrigen war zu jener Zeit in Frankreich bekannt, dass die Klägerin die Muttergesellschaft von Wanadoo war.

56 Was die Rechtfertigung der Nachprüfung betrifft, enthält die Entscheidung substantiierte Angaben darüber, dass die Kommission in ihren Akten über ernsthafte Informationen und Hinweise verfügte, die den Verdacht von Wettbewerbsverstößen durch Wanadoo, die Tochterfirma der Klägerin, begründeten, und dass sie den Verdacht haben konnte, dass bestimmte Informationen, besonders solche, die sich auf eine Strategie der Einschränkung und Verdrängung der Wettbewerber bezogen, möglicherweise Mitgliedern des Personals der Klägerin bekannt gegeben worden waren.

57 Die angefochtene Entscheidung ist somit unter Berücksichtigung der Anforderungen des Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 und der Rechtsprechung ausreichend begründet. Angesichts des Kontexts, in dem sie erlassen wurde, vermögen auch die von der Klägerin im Rahmen der vorliegenden Rüge vorgebrachten Argumente dieses Ergebnis nicht zu erschüttern.

58 Erstens trifft es zu, dass sich die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zufolge speziell auf die zehn dort genannten Angebote von Wanadoo erstreckt. Zugleich werden, wie sich aus Randnr. 55 ergibt, auch die Gründe dafür, dass die angefochtene Entscheidung an die Klägerin gerichtet ist und dass gerade sie von der angeordneten Nachprüfung betroffen ist, dargelegt, indem im Wesentlichen auf den Verdacht der Kommission, dass sich bestimmte Beweismittel in den Geschäftsräumen der Klägerin befänden oder dass diese möglicherweise über die Strategie ihrer Tochtergesellschaft auf dem Laufenden sei, hingewiesen wird. Unter Berücksichtigung des Kontexts, in dem die angefochtene Entscheidung erlassen wurde und den die Klägerin selbst als relevanten Gesichtspunkt für die Bestimmung des Umfangs der Begründungspflicht der Kommission ansieht, reichte diese Erläuterung zur Erfüllung der Begründungspflicht aus, soweit diese die Angabe des Gegenstands und des Zwecks der in Rede stehenden Nachprüfung betrifft.

59 Zum einen steht fest, dass die Klägerin zu der entscheidungserheblichen Zeit die Muttergesellschaft von Wanadoo war und dass ihr nicht unbekannt sein konnte, dass ihre Tochtergesellschaft durch die Entscheidung vom 16. Juli 2003 wegen Verstoßes gegen Art. 82 EG verurteilt worden war. Die Kommission konnte somit zu Recht den Verdacht haben, dass bestimmte Beweisstücke möglicherweise in den Geschäftsräumen der Klägerin verborgen waren.

60 Zum anderen zeigt die Entscheidung vom 16. Juli 2003, dass schon in jenem Fall Auskunftsverlangen an die Klägerin gerichtet wurden. Zudem stützt sich diese Entscheidung, besonders bei der Untersuchung der Strategie zur Vereinnahmung des Marktes der Dienste für den Breitband-Internetzugang durch Wanadoo, auf Elemente, die auf eine Strategie der Einschränkung und Verdrängung der Wettbewerber sowie auf die beherrschende Stellung von Wanadoo hinweisen und von denen einige von der Klägerin stammen und andere der Kommission von Wanadoo vorgelegt wurden. Die Kommission weist dabei zusätzlich auf Unterlagen hin, die die Gesamtpolitik von France Télécom gegenüber der Konkurrenz auf dem betroffenen Markt aufzeigen, und bemerkt zu Recht, dass die von einer Tochtergesellschaft verfolgte Politik nicht vollständig von den von der Muttergesellschaft verfolgten Zielen unterschieden werden könne.

61 Berücksichtigt man insbesondere die Rolle, die bestimmte Unterlagen der Klägerin sowie die von dieser verfolgte Konzernstrategie bereits gespielt haben, bei der Feststellung eines Verstoßes durch ihre Tochtergesellschaft, obwohl deren Unabhängigkeit bei der Festsetzung ihrer Tarife für Einzelkunden nicht erörtert wurde, so ist nicht dargetan, dass die angefochtene Entscheidung insoweit unzureichend begründet ist, als es darum geht, dass Adressat der angefochtenen Entscheidung die Klägerin war und die Nachprüfung gerade bei ihr vorgenommen wurde.

62 Dabei ist die genaue Höhe der Beteiligung der Klägerin am Kapital von Wanadoo unerheblich, denn sie reicht in jedem Fall aus, um die Feststellung zu stützen, dass die Klägerin im entscheidungserheblichen Zeitraum sehr wohl die Muttergesellschaft von Wanadoo war. Außerdem ergibt sich aus der Antwort der Klägerin auf die schriftliche Frage des Gerichts, dass sie am 28. April 2004, also vor Erlass der angefochtenen Entscheidung, unmittelbar oder mittelbar 95,25 % des Kapitals ihrer Tochtergesellschaft Wanadoo hielt.

63 Unerheblich ist auch, ob der Klägerin das wettbewerbswidrige Verhalten von Wanadoo - wenn es denn bewiesen wäre - zuzurechnen ist. Die Nichtzurechenbarkeit kann sich in der Tat aus der Sachprüfung eines Falles ergeben, sie erlaubt es jedoch nicht, eine Nachprüfung in den Räumlichkeiten der Muttergesellschaft zu verbieten, die gerade bezweckt, die genaue Rolle zu ermitteln, die die betroffenen Unternehmen bei der Zuwiderhandlung spielen. Die Rechtsprechung verlangt nämlich nicht, dass die Nachprüfungsentscheidung eine exakte rechtliche Qualifizierung der Zuwiderhandlungen enthält (vgl. zur Verordnung Nr. 17 das Urteil Dow Benelux/Kommission, oben in Randnr. 51 angeführt, Randnr. 10). Zudem ist bereits festgestellt worden, dass die angefochtene Entscheidung rechtlich ausreichend begründet war, da die Kommission aus guten Gründen den Verdacht haben konnte, dass sich bestimmte relevante Beweismittel in den Geschäftsräumen der Klägerin befanden. Auch geht aus der angefochtenen Entscheidung nicht hervor, dass das selbständige Verhalten von Wanadoo auf dem von der Nachprüfung betroffenen Markt, das nach dem Vorbringen der Klägerin in der Entscheidung vom 16. Juli 2003 anerkannt wurde, von der Kommission in Frage gestellt wurde.

64 Was zweitens das Vorbringen betrifft, dass die Klägerin wegen unzureichender Begründung nicht habe beurteilen können, ob sie sich selbst als an der Zuwiderhandlung beteiligt ansehen müsse, genügt es, festzustellen, dass sich - wie bereits ausgeführt - sowohl aus dem Inhalt der angefochtenen Entscheidung als auch aus dem Kontext, in dem sie erlassen wurde, klar ergibt, auf welche Weise die Klägerin den Vermutungen der Kommission zufolge an der Zuwiderhandlung beteiligt war.

65 Aus diesen Erwägungen folgt ferner, dass die angefochtene Entscheidung nicht im Widerspruch zu der früheren Auffassung der Kommission steht, was eine besondere Begründung erforderlich gemacht hätte. Sonach greift die vorliegende Rüge nicht durch.

Zur zweiten Rüge: Fehlende Begründung der angefochtenen Entscheidung im Hinblick auf bestimmte Kontextelemente

- Vorbringen der Parteien

66 Die Klägerin führt aus, die Kommission habe ihre Entscheidung, die fragliche Nachprüfung vorzunehmen, nicht im Hinblick auf die Entscheidung vom 16. Juli 2003, das Verfahren vor dem Wettbewerbsrat und die Entscheidung des Wettbewerbsrats begründet.

67 Zum einen hätten die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit der Nachprüfung sowie der Hinweis auf die Gefahr des Verbergens oder der Vernichtung von Beweisen unter Berücksichtigung der in der Entscheidung vom 16. Juli 2003 enthaltenen Anordnungen begründet werden müssen.

68 Zum anderen hätte die Kommission, wenn sie die Nachprüfung für notwendig gehalten habe, obwohl ein Verfahren beim Wettbewerbsrat anhängig gewesen sei und dieser den Antrag von AOL auf Erlass vorläufiger Maßnahmen abgelehnt habe, dies erläutern und rechtfertigen müssen, zumal es sich um die Nachprüfung bei der Klägerin gehandelt habe.

69 Dass die Kommission ihre Begründungspflicht verletzt habe, ergebe sich auch daraus, dass sie in ihrer Klagebeantwortung u. a. auf die Entscheidung vom 16. Juli 2003, den Umstand, dass die angefochtene Entscheidung auf dieser Entscheidung beruhe, das Verfahren vor dem Wettbewerbsrat und ihre Entscheidung, in die Sachprüfung des Falles einzutreten, hingewiesen habe.

70 Jedenfalls könnten die nachträglich in der Klagebeantwortung gegebenen Erklärungen die fehlende Begründung, die zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung führe, nicht ersetzen. Die Begründungspflicht hätte es erfordert, dass die Kommission in der Entscheidung ausführe, dass sich der dort geäußerte Verdacht auf eine Zuwiderhandlung aus ihrem Meinungsaustausch mit der französischen Wettbewerbsbehörde im Rahmen der Prüfung der Beschwerde von AOL ergebe und dass die angefochtene Entscheidung auf ihrer vorhergehenden Entscheidung beruhe, in die Sachprüfung der Angelegenheit einzutreten. Dieser Begründungsmangel wiege umso schwerer, als die Kommission nach Punkt 34 der Bekanntmachung die Klägerin von ihrer Entscheidung, in die Sachprüfung des Falles einzutreten, hätte unterrichten müssen.

71 Die Kommission entgegnet zunächst bezüglich der Entscheidung vom 16. Juli 2003 und der in dieser angeordneten Kontrollmaßnahmen, sie habe in der angefochtenen Entscheidung darauf hingewiesen, dass sie Informationen erhalten habe, wonach die in Rede stehenden Angebote Teil einer Strategie der Einschränkung und Verdrängung der Wettbewerber gewesen seien. Derartige Informationen könne sie sich nicht durch ein bloßes Ersuchen um Auskünfte über die Kosten und die Preise beschaffen. Außerdem ergebe sich aus der angefochtenen Entscheidung, dass sie aufgrund von Informationen den Verdacht gehabt habe, dass es trotz der in der Entscheidung vom 16. Juli 2003 eingeführten Kontrolle zu einem erneuten Verstoß gegen Art. 82 EG gekommen sei; demnach hätten erhebliche Risiken bestanden, dass die Auskünfte, die Wanadoo im Rahmen dieser Kontrolle erteilt habe, lückenhaft oder unrichtig gewesen seien.

72 Auch stelle der fehlende Hinweis auf die Entscheidung des Wettbewerbsrats und das bei diesem anhängige Verfahren keinen schweren Begründungsmangel dar, denn deren Nichterwähnung habe die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen können. Auch sei die Kommission nicht verpflichtet, in einer Entscheidung, mit der sie eine Nachprüfung anordne, ihre Quellen zu nennen. Hilfsweise weist die Kommission darauf hin, dass der Wettbewerbsrat den Antrag auf Erlass vorläufiger Maßnahmen nicht aus inhaltlichen Gründen betreffend das Vorliegen des vermuteten Verstoßes abgelehnt habe, sondern aus Gründen, die mit den Voraussetzungen für den Erlass vorläufiger Maßnahmen zusammenhingen. Jedenfalls tue die Klägerin nicht dar, wieso der Umstand, dass die Kommission das beim Wettbewerbsrat anhängige Verfahren nicht erwähnt habe, es ihr nicht ermöglicht haben solle, Zweck und Gegenstand der angeordneten Nachprüfung zu verstehen.

73 Unbeachtlich sei schließlich das Vorbringen, in der Klagebeantwortung seien Informationen enthalten, die in der angefochtenen Entscheidung nicht genau dargelegt worden seien. Um Gegenstand und Zweck der Nachprüfung oder den Umfang dessen, wonach gesucht wurde, zu verstehen, habe die Klägerin nicht zu wissen brauchen, dass die Kommission beschlossen habe, in den Sachverhalt des Falles einzutreten. Punkt 34 der Bekanntmachung verpflichte die Kommission im Übrigen nicht, das betroffene Unternehmen im Wege einer Entscheidung zu unterrichten.

- Würdigung durch das Gericht

74 Aus der oben in den Randnrn. 47 bis 57 vorgenommenen Untersuchung ergibt sich, dass die angefochtene Entscheidung der allgemeinen Begründungspflicht genügt, die der Kommission nach Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 und der Rechtsprechung obliegt. Somit ist zu prüfen, ob die Kommission diese Entscheidung zur Erfüllung der Begründungspflicht außerdem noch im Hinblick auf die von der Klägerin in der vorliegenden Rüge angeführten Tatsachen hätte begründen müssen.

75 Dazu ist erstens zu bemerken, dass die verschiedenen Kontextelemente, auf die sich die Klägerin beruft, dieser unstreitig bekannt waren, als die angefochtene Entscheidung ihr bekannt gegeben wurde und die Nachprüfung stattfand. Der Umstand, dass sie in der angefochtenen Entscheidung nicht erwähnt wurden, kann somit die Verteidigungsrechte der Klägerin nicht beeinträchtigt haben.

76 Was zweitens die in der Entscheidung vom 16. Juli 2003 enthaltenen Anordnungen betrifft, geht aus der angefochtenen Entscheidung hervor, dass die Kommission im Besitz von Informationen war, die den Verdacht rechtfertigten, dass Wanadoo gleichwohl gegen Art. 82 EG verstieß. Anders ausgedrückt enthielten die Akten der Kommission Hinweise darauf, dass Wanadoo diesen Anordnungen nicht nachkam. Außerdem bezweckte die Kommission mit ihrer Nachprüfung, Indizien für eine Absicht der Verdrängung der Konkurrenten zu finden. Es ist kaum vorstellbar, dass derartige Indizien, selbst wenn sie von den genannten Anordnungen gedeckt gewesen wären, der Kommission spontan zur Kenntnis gebracht worden wären, sei es von der Klägerin, sei es aufgrund dieser Anordnungen von Wanadoo. Somit hatte die Existenz der in der Entscheidung vom 16. Juli 2003 enthaltenen Anordnungen keine Auswirkung auf die Zweckmäßigkeit der Durchführung der mit der angefochtenen Entscheidung angeordneten Nachprüfung. Die Kommission brauchte diese Entscheidung also nicht speziell im Hinblick auf diese Anordnungen zu rechtfertigen.

77 Was drittens den Hinweis auf die Gefahr des Verbergens oder der Vernichtung von Beweisen angeht, so lässt sich daraus keine Verletzung der Begründungspflicht der Kommission herleiten. Denn unstreitig befinden sich unter den gesuchten Unterlagen, insbesondere denen, die den Nachweis für eine Strategie der Einschränkung und Verdrängung der Wettbewerber erbringen können, Beweise, die im Fall einer Nachprüfung verheimlicht zu werden pflegen oder vernichtet zu werden drohen. Auch konnte die Kommission, wie vorstehend dargelegt, zu Recht davon ausgehen, dass derartige Indizien ihr keinesfalls spontan aufgrund der in der Entscheidung vom 16. Juli 2003 enthaltenen Anordnungen zur Kenntnis gebracht worden wären.

78 Was viertens das beim Wettbewerbsrat anhängige Verfahren sowie die Ablehnung des Antrags von AOL auf Erlass vorläufiger Maßnahmen durch diesen betrifft, verlangt das Gemeinschaftsrecht grundsätzlich nicht, dass die Kommission eine Nachprüfungsentscheidung im Hinblick auf möglicherweise anhängige nationale Parallelverfahren rechtfertigt. Zudem bildet die Entscheidung des Wettbewerbsrats in Wirklichkeit eine Stütze für die von der Kommission angeordnete Nachprüfungsmaßnahme. Zwar führt der Wettbewerbsrat in seiner Entscheidung aus, dass "offensichtlich weder der Sektor selbst noch die Unternehmen dieses Sektors durch die Preispolitik von Wanadoo einen schweren und unmittelbaren Schaden erlitten haben", er vertritt aber gleichwohl die Auffassung, dass "nicht auszuschließen ist, dass eine bestimmte von Wanadoo befolgte Preispolitik unter ... Art. 82 [EG] fällt, sofern sie einen wesentlichen Teil des nationalen Hoheitsgebiets betrifft". Er begründet damit die Ablehnung der beantragten vorläufigen Maßnahmen mit dem Fehlen eines schweren und unmittelbaren Schadens für den Sektor oder die Unternehmen des Sektors und mit dem Fehlen eines unmittelbaren Schadens für die Verbraucher, mit anderen Worten mit dem Fehlen der Dringlichkeit, nicht dagegen mit der offensichtlichen Unbegründetheit der bei ihm erhobenen Beschwerde. Im Übrigen wird in dieser Entscheidung nicht auf die Haltung der Klägerin zu der vermuteten Zuwiderhandlung ihrer Tochtergesellschaft eingegangen. Die Entscheidung lässt somit nicht den Schluss zu, dass die mit der angefochtenen Entscheidung angeordnete Nachprüfung nicht sachdienlich und die Kommission folglich nicht verpflichtet war, diese Entscheidung speziell im Hinblick auf das beim Wettbewerbsrat anhängige Verfahren oder dessen Entscheidung zu begründen.

79 Fünftens ist auch der Umstand, dass diese Tatsachen in der von der Kommission beim Gericht eingereichten Klagebeantwortung erwähnt werden, unerheblich. Der Inhalt einer Klagebeantwortung soll das Gericht u. a. über den sachlichen und rechtlichen Hintergrund des ihm zur Entscheidung vorgelegten Falles unterrichten, d. h. über den Hintergrund der streitigen Entscheidung, den das Gericht im Gegensatz zu den Parteien nicht kennt. Es stellt somit keine Verletzung der Pflicht zur Begründung einer mit einer Nichtigkeitsklage angefochtenenen Entscheidung dar, wenn in dieser Entscheidung bestimmte Tatsachen nicht erwähnt werden, die dem Gericht später von einer Partei im Rahmen der Schilderung der Umstände, unter denen sich der dem Gericht vorgelegte Rechtsstreit entwickelt hat, zur Kenntnis gebracht werden.

80 Sechstens ergibt sich aus der angefochtenen Entscheidung, dass die Kommission die zuständige Wettbewerbsbehörde konsultiert hat, bevor sie die Nachprüfung vorgenommen hat. Außerdem ist die Kommission, wie bereits dargelegt, nicht verpflichtet, in einer Nachprüfungsentscheidung alle Informationen anzugeben, über die sie im Zusammenhang mit der vermuteten Zuwiderhandlung verfügt. Schließlich heißt es zwar in Ziff. 34 der Bekanntmachung: "Wird ein Fall innerhalb des Netzes [der Wettbewerbsbehörden] umverteilt, so werden die betroffenen Unternehmen ... hiervon so rasch wie möglich ... unterrichtet." Ziff. 5 dieser Bekanntmachung bestimmt jedoch ausdrücklich, dass es "im vollen Ermessen jedes Netzmitglieds [liegt] zu entscheiden, ob in einem bestimmten Fall Ermittlungen eingeleitet werden sollen oder nicht", und die Ziff. 4 und 31 lauten: "Konsultationen und Informationsaustausch innerhalb des Netzes sind eine Angelegenheit zwischen den Wettbewerbsbehörden [die im öffentlichen Interesse handeln]", und: "Durch die Verteilung von Fällen werden daher für Unternehmen, die an einer Zuwiderhandlung beteiligt ... sind, keinerlei Rechte dahin gehend begründet, dass sich eine bestimmte Behörde mit einem Fall zu befassen habe." Die Kommission war somit weiterhin befugt, die angeordnete Nachprüfung vorzunehmen, und die von der Klägerin geltend gemachte Verletzung der Begründungspflicht im Hinblick auf Ziff. 34 der Bekanntmachung ist, ungeachtet des Inhalts der Klagebeantwortung der Kommission, nicht gegeben.

81 Folglich greift die zweite Rüge nicht durch.

Zur dritten Rüge: Der Klägerin sei es nicht möglich gewesen, die von der Kommission hinsichtlich der Tarife der Option 5 zum Ausdruck gebrachten Zweifel zu verstehen

- Vorbringen der Parteien

82 Die Klägerin trägt vor, die angefochtene Entscheidung verletze die Begründungspflicht und die Verteidigungsrechte dadurch, dass in ihrer Begründung auf die Option 5 verwiesen und behauptet werde, diese führe zu einer Tarifschere, ohne dass die Option 5 und die mit ihr verbundene Preissenkung im verfügenden Teil der Entscheidung genannt würden. Deshalb könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Nachprüfung angeordnet worden sei, um den gegen die Klägerin bestehenden Verdacht einer Zuwiderhandlung zu erhärten, und die Kommission habe die gegen die neuen Tarife der Option 5 gerichteten Verdachtsmomente nicht klar und den Regeln entsprechend dargelegt.

83 Der Verdacht des Bestehens einer Tarifschere stehe im Widerspruch sowohl zu Art. 1 als auch zum vierten Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung. Die Kommission habe das Bestehen einer Preispolitik vermutet und untersucht, nämlich die Tarife der Option 5 der Klägerin, die in Art. 1 der angefochtenen Entscheidung nicht als verdächtig bezeichnet werde und die nach dem vierten Erwägungsgrund dieser Entscheidung nicht Gegenstand der Nachprüfung sei.

84 Darüber hinaus bestehe ein grundlegender Unterschied zwischen der Berücksichtigung der Tarife der Option 5 als Kriterium für die anhand der mit diesen verbundenen Kosten vorgenommenen Prüfung, ob es sich bei den angebotenen Endverbraucherpreisen von Wanadoo nicht um Verdrängungspreise handele, und der in der angefochtenen Entscheidung ausgesprochenen Vermutung, dass diese Tarife selbst verdächtig seien.

85 Zudem ergebe sich aus der Entscheidung vom 16. Juli 2003, dass gegen die Klägerin kein Verdacht einer Tarifschere wegen des Großhandelspreises ihrer Option 5 gegenüber den Endverbraucherpreisen von Wanadoo erhoben werde könne, denn es handele sich um Preise verschiedener und voneinander unabhängiger Unternehmen, die auf unterschiedlichen Märkten tätig seien. Auch könne man nicht die Rechtmäßigkeit der Tarife der Option 5 in Zweifel ziehen und zugleich den Verdacht, dass Wanadoo Verdrängungspreise praktiziere, auf diese Tarife stützen. Zudem könne die Zulässigkeit der Option 5 nicht von der Höhe der Endverbraucherpreise abhängen, die von den Internet-Providern einschließlich Wanadoo praktiziert würden. Sonach enthalte die Entscheidung keine Erklärung zu diesem wesentlichen Punkt und verletze dadurch die Begründungspflicht.

86 Schließlich lasse die Kommission durchblicken, dass die Tarife der Option 5 zu hoch seien, äußere aber zugleich Zweifel an der im Januar 2004 erfolgten Senkung dieser Tarife.

87 Im Übrigen seien die Zweifel, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf die Senkung der Tarife der Option 5 äußere, unzureichend begründet. Die Kommission habe vor Erlass dieser Entscheidung gewusst, dass es der Klägerin nicht freigestanden habe, diese Tarife zu ändern und dass die Tarifsenkung von den zuständigen französischen Behörden genehmigt worden sei.

88 Die in der angefochtenen Entscheidung zum Ausdruck gebrachten Zweifel bezüglich der Tarife der Option 5 hätten also besonders erläutert und begründet werden müssen. Die Klägerin weist namentlich darauf hin, dass die drei während des Verfahrens der Genehmigung der neuen Tarife konsultierten französischen Behörden ausgeschlossen hätten, dass diese Tarife zu einer Tarifschere führen würden. Auch AOL habe gerügt, dass die Tarife der Option 5 zu einer Tarifschere führen würden, der Wettbewerbsrat habe diese Rüge jedoch als prima facie nicht stichhaltig angesehen.

89 Die Kommission entgegnet zunächst, dass die angefochtene Entscheidung nicht allein die Tarife der Option 5 betreffe, sondern die neuen Tarife für den ADSL-Internetzugang für die breite Öffentlichkeit in Frankreich, darunter die von Wanadoo und/oder France Télécom festgesetzten Endverbraucherpreise. Wenn das Verhältnis dieser Preise zu den Tarifen der Option 5 ein unerlässliches Kriterium für die Untersuchung darstelle, könne der Verdrängungscharakter oder die Tarifscherenwirkung nicht schon deshalb ausgeschlossen werden, weil die Tarife der Option 5 von einer Behörde genehmigt worden seien. Das Vorbringen der Klägerin sei somit zurückzuweisen. Insbesondere schließe die Befürwortung der Tarifsenkungen der Option 5 durch die französische Telekommunikations-Regulierungsbehörde die Möglichkeit einer Verletzung des Art. 82 EG durch France Télécom als Konzern aufgrund der Tarifscherenwirkung nicht aus, da der Preis für den Verkauf an die Endverbraucher nicht geregelt sei.

90 Die Klägerin verwechsle die wettbewerbswidrigen Praktiken, gegen die sich der Verdacht der Kommission richte und die klar in Art. 1 der streitigen Entscheidung bezeichnet würden und damit deren Anwendungsbereich definierten, mit den Tarifen und anderen tatsächlichen Umständen, die die Kommission im Rahmen der Nachprüfung habe untersuchen wollen. Zu der rechtlichen Kategorie der unangemessenen Preise werde in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass die Kommission in erster Linie das Vorliegen einer Verdrängung und in zweiter Linie das Bestehen einer Tarifschere habe prüfen wollen. Für diese Prüfung seien die Großhandelstarife ein unerlässliches Prüfungskriterium. Der Verdacht der Kommission richte sich somit nicht gegen die Tarife der Option 5 als solche, sondern die Verringerung des wirtschaftlichen Spielraums zwischen der Option 5 und den Endverbraucherpreisen aufgrund einer Senkung dieser Letzteren. Somit bestehe kein Widerspruch zwischen den Erwägungsgründen und Art. 1 der angefochtenen Entscheidung.

91 Zudem brauche im Rahmen einer Nachprüfungsentscheidung nicht nachgewiesen zu werden, dass tatsächlich ein Verstoß vorliege, sondern nur, dass insoweit Verdachtsmomente bestünden. Die Klägerin tue jedoch nicht dar, dass die Kommission das Vorliegen eines Verstoßes nicht vernünftigerweise habe vermuten können, und zeige nicht auf, weshalb es für eine rechtlich ausreichende Begründung der angefochtenen Entscheidung notwendig gewesen sein solle, die aufeinanderfolgenden Genehmigungen der Tarife der Option 5 auf nationaler Ebene zu erwähnen.

92 Ferner gehe der Hinweis auf die Entscheidung vom 16. Juli 2003 ins Leere. Die Kommission habe zu Recht annehmen können, dass Wanadoo im Verlauf ihrer Absorption durch die Klägerin und somit während der Geltungsdauer der in Rede stehenden Angebote die Fähigkeit, ihre Endverbraucherpreise unabhängig von der Klägerin festzusetzen, möglicherweise verloren habe.

93 Schließlich sei die Kommission, wenn die Anforderungen an die Begründung der streitigen Entscheidung erfüllt seien, nicht verpflichtet, alle Umstände, von denen sie Kenntnis habe, vollständig aufzuführen, insbesondere die nationalen Genehmigungen der Tarife der Option 5. Zudem seien diese Tatsachen der Klägerin bekannt gewesen, und der Umstand, dass sie nicht erwähnt worden seien, habe ihre Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigen können.

- Würdigung durch das Gericht

94 Die Klägerin beanstandet im Wesentlichen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung die Tarife der Option 5 als verdächtig angesehen habe, ohne jedoch den Verdacht, den sie insoweit hegte, klar zum Ausdruck zu bringen und ohne ihre Haltung gegenüber ihrer Entscheidung vom 16. Juli 2003 und verschiedenen nationalen Entscheidungen zu begründen.

95 Wie sich aus den wesentlichen Passagen der angefochtenen Entscheidung ergibt, die oben in den Randnrn. 22 und 23 wiedergegeben worden sind, wird dort zu der Option 5 ausgeführt, dass der verringerte wirtschaftliche Spielraum zwischen den Endverbraucherpreisen von Wanadoo und den Tarifen der Option 5 der Klägerin zu einer Tarifschere zuungunsten der Konkurrenten von Wanadoo führe, die ihr Angebot auf die Option 5 stützten, und dies trotz der im Januar 2004 erfolgten Senkung der Tarife der Option 5. Dieser verringerte Spielraum habe das Eindringen der Konkurrenten von Wanadoo in den Markt behindert und die bereits auf diesem Markt tätigen Anbieter gefährdet. Im Übrigen ergebe sich aus der angefochtenen Entscheidung, dass Wanadoo Angebote mache, die unter ihren Kosten lägen. Diese Tarifpraktiken liefen auf die Erzwingung unangemessener Verkaufspreise hinaus.

96 Somit ist die angefochtene Entscheidung klar begründet; sie enthält keinen Verdacht gegen die Klägerin auf einen Verstoß gegen Art. 82 EG durch die Tarife ihrer Option 5. Außerdem werden diese Tarife zu Recht in der Begründung der angefochtenen Entscheidung erwähnt, ohne unter den Elementen aufzutauchen, auf die sich die Nachprüfung nach Art. 1 der Entscheidung erstreckten sollte. Denn sie verweist auf diese lediglich als Bezugpunkt, anhand deren ermittelt werden soll, ob es sich bei den Endverbraucherpreisen von Wanadoo um Verdrängungspreise handelte, wobei die Tarife der Option 5 für die Berechnung der von Wanadoo getragenen Kosten berücksichtigt werden mussten, und ob sich aus den zu niedrigen Endverbraucherpreisen von Wanadoo eine Tarifschere ergab. Wie bereits festgestellt, ist die Kommission nach der Rechtsprechung im Stadium der Nachprüfung, um das es hier allein geht, nicht verpflichtet, eine exakte rechtliche Qualifizierung der vermuteten Zuwiderhandlungen vorzunehmen (vgl. zur Verordnung Nr. 17 das Urteil des Gerichtshofs vom 17. Oktober 1989, Dow Chemicals Ibérica u. a./Kommission, 97/87 bis 99/87, Slg. 1989, 3165, Randnr. 45).

97 Unerheblich ist, dass die Kommission möglicherweise in einem späteren Stadium des Verfahrens nicht mehr in der Lage ist, das Vorliegen einer Tarifschere nachzuweisen. Zum einen ist dies eine Frage der Sachprüfung, die anhand der bei der Nachprüfung festgestellten Tatsachen vorgenommen wird, und ist somit nicht im Rahmen der Prüfung der Erfüllung der der Kommission obliegenden Begründungspflicht zu ermitteln. Zum anderen ist die Kommission bei ihrer Sachprüfung der festgestellten Tatsachen keineswegs an die eventuelle rechtliche Qualifizierung der Zuwiderhandlungen in einer vorhergehenden Nachprüfungsentscheidung gebunden, da es nur darauf ankommt, dass die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der vermuteten Zuwiderhandlungen nach den in der Nachprüfungsentscheidung angegebenen Umständen ausreichte, um die Vornahme der Nachprüfung zu rechtfertigen. Dies ist hier nach der insbesondere oben in den Randnrn. 55 bis 63 vorgenommenen Prüfung der Fall.

98 Deshalb greift das Vorbringen der Klägerin nicht durch, die Kommission habe ihre Begründungspflicht dadurch verletzt, dass sie es ihr unmöglich gemacht habe, zu verstehen, weshalb die Kommission Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Tarife der Option 5 zum Ausdruck brachte, denn in der angefochtenen Entscheidung deutet nichts darauf hin, dass die Kommission dort derartige Zweifel zum Ausdruck gebracht hat. Folglich hat auch die Genehmigung der Tarife der Option 5 durch die französischen Behörden keinen Einfluss auf die Begründungspflicht der Kommission.

99 Aus diesen Gründen ist die dritte Rüge zurückzuweisen.

Zur vierten Rüge: Dem zuständigen Richter sei es nicht möglich gewesen, die ihm obliegende Kontrolle vor der Genehmigung der Nachprüfung auszuüben

- Vorbringen der Parteien

100 Die Klägerin trägt vor, dass das zuständige einzelstaatliche Gericht die Verhältnismäßigkeit der angefochtenen Entscheidung anhand des Grundsatzes des Schutzes gegen willkürliche oder unverhältnismäßige Eingriffe der öffentlichen Gewalt in die Privatsphäre einer juristischen Person, bei dem es sich um einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts handele, nachprüfen müsse. Danach sei es Sache der zuständigen nationalen Instanz, zu prüfen, ob die beantragten Zwangsmaßnahmen nicht willkürlich und, gemessen am Gegenstand der Nachprüfung, nicht unverhältnismäßig seien und ob ernsthafte Hinweise auf Wettbewerbsverstöße durch das betroffene Unternehmen vorlägen. Der zuständige Richter müsse über alle Informationen verfügen, die er für diese Prüfung benötige. Dies sei hier nicht der Fall gewesen.

101 Zum einen seien die erteilten Auskünfte ungenügend, und aus ihnen ergäben sich keine Hinweise auf ganz genaue Vermutungen oder das tatsächliche Vorliegen von Indizien gegen die Klägerin. Zum anderen würden in der angefochtenen Entscheidung die Art. 2 und 3 der Entscheidung vom 16. Juli 2003, das Verfahren vor dem Wettbewerbsrat, die Befürwortung der Senkung der Tarife der Option 5 durch die Telekommunikations-Regulierungsbehörde sowie ihre Genehmigung und ihre Bestätigung durch den Conseil d'État nicht erwähnt. Dies seien jedoch relevante Gesichtspunkte, die für die Ausübung der Kontrolle durch den zuständigen Richter wesentlich seien und ihn, wenn sie ihm zur Kenntnis gebracht worden wären, hätten veranlassen können, die angeordnete Nachprüfung als willkürlich und unverhältnismäßig anzusehen oder doch von der Kommission gemäß Art. 20 Abs. 8 der Verordnung Nr. 1/2003 Erläuterungen zu verlangen.

102 Dass der Beschluss des zuständigen Richters nicht durchgeführt worden sei, sei unerheblich, da die Pflicht der Kommission zur Begründung ihrer Entscheidungen und zu loyaler Zusammenarbeit mit den einzelstaatlichen Gerichten eine objektive Verpflichtung sei, die ihr zum Zeitpunkt des Erlasses der Nachprüfungsentscheidung obliege. Sie könne über die fehlende Begründung und die mangelnde Zusammenarbeit mit dem nationalen Richter nicht nachträglich mit der Begründung hinweggehen, dass dessen Genehmigung nicht in die Praxis umgesetzt worden sei. Zudem sei die der Klägerin entgegengehaltene Genehmigung ein entscheidender Faktor für ihr Verhalten im Rahmen der Nachprüfung gewesen.

103 Im Übrigen stehe der Umstand, dass die Klägerin die Rechtmäßigkeit des Beschlusses des zuständigen Richters nicht vor den französischen Gerichten angefochten habe, ihrem Vorbringen in der vorliegenden Rechtssache nicht entgegen, denn die der Kommission vorgeworfene mangelnde Begründung habe es ihr unmöglich gemacht, die Rechtmäßigkeit der Genehmigung des zuständigen Richters in angemessener Weise anzufechten. Diesem könne nämlich nicht vorgeworfen werden, aufgrund von Informationen, über die er nicht verfügt habe, einen Sachverhalt falsch beurteilt zu haben. Die Klägerin behauptet außerdem, sie habe gegen den Beschluss des zuständigen Richters ein Rechtsmittel eingelegt, dieses jedoch in der Folgezeit zurückgenommen.

104 Die Kommission entgegnet zunächst, dass diese Rüge ins Leere gehe. Wenn der Beschluss des zuständigen Richters die Rechte der Klägerin beeinträchtigt hätte, hätte sie ihn vor dem zuständigen nationalen Gericht anfechten müssen. Dass sie ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss eingelegt habe, sei unerheblich. Selbst wenn der zuständige Richter der Auffassung gewesen sein sollte, dass er nicht ausreichend unterrichtet sei, um seine Kontrolle ausüben zu können, könne dies keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung haben, für deren Nachprüfung ausschließlich der Gemeinschaftsrichter zuständig sei.

105 Auch sei bedeutungslos, dass der Beschluss des zuständigen Richters möglicherweise ein entscheidender Faktor für die Mitwirkung der Kommission gewesen sei, denn die von der Kommission beschlossenen Nachprüfungen seien unabhängig von irgendwelchen nationalen Beschlüssen zwingend, und im Fall der Weigerung, sie zu dulden, könnten gemäß Art. 23 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1/2003 hohe Geldbußen verhängt werden.

106 Zudem sei dieser Beschluss nicht durchgeführt worden. Die Ausführungen der Klägerin zu diesem Teil des Klagegrundes seien somit unerheblich, denn sie habe sich letztlich der Nachprüfungsentscheidung unterworfen, und die Nachprüfung sei ausschließlich im Rahmen des Gemeinschaftsrechts vorgenommen worden.

107 Jedenfalls bestehe die Aufgabe des nationalen Gerichts in einem Fall wie dem hier vorliegenden nicht darin, eine gemäß Art. 20 der Verordnung Nr. 1/2003 angeordnete Nachprüfung zu genehmigen, sondern lediglich darin, die Anwendung von Zwangsmaßnahmen durch die nationale Behörde für den Fall zu genehmigen, dass das betroffene Unternehmen es ablehnen sollte, die Nachprüfung zu dulden.

108 Die Kommission trägt hilfsweise vor, dass die Begründung der angefochtenen Entscheidung auf jeden Fall ausreiche, um dem zuständigen Gericht die Kontrolle ihrer Verhältnismäßigkeit zu ermöglichen.

- Würdigung durch das Gericht

109 Vorab ist festzustellen, dass aus der Klageschrift, auch wenn sie stellenweise ungeschickt formuliert ist, doch hervorgeht, dass die Klägerin nicht die Rechtmäßigkeit des Beschlusses des zuständigen Richters in Frage stellt und auch nicht behauptet, dass er nicht über die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung notwendigen Informationen verfügt habe. Sie wirft der Kommission vielmehr vor, die angefochtene Entscheidung ungenügend begründet zu haben, so dass der zuständige Richter nicht in der Lage gewesen sei, die ihm nach Art. 20 Abs. 8 der Verordnung Nr. 1/2003 obliegende Kontrolle auszuüben.

110 Nach Art. 20 Abs. 8 der Verordnung Nr. 1/2003 hat das gemäß Art. 20 Abs. 7 dieser Verordnung angerufene einzelstaatliche Gericht die Echtheit der Nachprüfungsentscheidung der Kommission zu untersuchen und zu prüfen, ob die beantragten Zwangsmaßnahmen nicht willkürlich und, gemessen am Gegenstand der Nachprüfung, nicht unverhältnismäßig sind, und die Kommission ist verpflichtet, ihr dazu bestimmte Informationen zu geben. Gemäß Art. 20 Abs. 8 der Verordnung Nr. 1/2003 und nach der Rechtsprechung (vgl. zur Verordnung Nr. 17 das Urteil Roquette Frères, oben in Randnr. 37 angeführt) können diese Informationen allerdings auch in anderen Dokumenten als der Nachprüfungsentscheidung enthalten sein oder diesem Gericht von der Kommission auf andere Weise als durch diese Entscheidung übermittelt werden.

111 Die vierte Rüge der Klägerin greift somit nicht durch, da die Begründungspflicht der Kommission nicht bezweckt, die Information des einzelstaatlichen Gerichts, dessen Genehmigung nach Art. 20 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1/2003 beantragt wird, sicherzustellen, sondern das von der Nachprüfung betroffene Unternehmen in die Lage versetzen soll, den Umfang seiner Mitwirkungspflicht zu erkennen und zugleich seine Verteidigungsrechte zu wahren.

112 Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass die behauptete Verletzung der Begründungspflicht der Kommission nicht dargetan ist. Der erste Klagegrund ist deshalb insgesamt zurückzuweisen.

Zum zweiten Klagegrund: Verletzung der Pflicht zu loyaler Zusammenarbeit mit den einzelstaatlichen Behörden

Vorbringen der Parteien

113 Die Klägerin führt aus, dass die Kommission ihre Pflicht zu loyaler Zusammenarbeit mit den französischen Behörden doppelt verletzt habe und dass dies zur Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung führen müsse.

114 Erstens habe sie ihre Pflicht zu loyaler Zusammenarbeit mit dem zuständigen Richter, bei dem die Genehmigung der bei France Télécom angeordneten Nachprüfung beantragt worden sei, verletzt; diese Pflicht ergebe sich aus Art. 10 EG in der Auslegung des Gerichtshofs und sei für die Durchführung der Verordnung Nr. 1/2003 bestimmend und notwendig. Die vom Gerichtshof aufgestellte Verpflichtung der Kommission, dem einzelstaatlichen Gericht Auskünfte zu geben, die es ihm ermöglichten, die ihm obliegende Kontrolle auszuüben, habe wesentliche Bedeutung nicht nur im Hinblick auf das Begründungserfordernis, sondern auch im Hinblick auf die loyale Zusammenarbeit mit dem zuständigen Richter. Der Umstand, dass die Kommission nicht auf die Art. 2 und 3 ihrer Entscheidung vom 16. Juli 2003, auf das beim Wettbewerbsrat anhängige Verfahren und die Entscheidung des Conseil d'État vom 19. Januar 2004 Bezug genommen habe, stelle eine schwerwiegende Verletzung ihrer Pflicht zu loyaler Zusammenarbeit mit dem zuständigen Richter dar.

115 Zweitens habe die Kommission ihre in Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 verankerte und in Art. 11 Abs. 6, Art. 13 Abs. 1 und dem 18. Erwägungsgrund dieser Verordnung näher ausgestaltete Pflicht zu loyaler Zusammenarbeit mit dem Wettbewerbsrat dadurch verletzt, dass sie die angefochtene Entscheidung erlassen habe, obwohl der Wettbewerbsrat angerufen worden sei und eine Entscheidung erlassen habe, mit der er die beantragten vorläufigen Maßnahmen abgelehnt habe. Die Kommission habe den Wettbewerbsrat nicht konsultiert. Zudem ergebe sich aus den vorgenannten Bestimmungen der Verordnung Nr. 1/2003, dass die Kommission, wenn eine nationale Wettbewerbsbehörde bereits in einem Fall tätig sei, das Verfahren nur nach vorheriger Konsultierung dieser Behörde einleiten könne. Schließlich müsse die Wettbewerbsbehörde, die am ehesten kompetent sei einzuschreiten, die Beschwerde behandeln. Wenn man von den drei kumulativ in Art. 8 der Verordnung Nr. 1/2003 aufgeführten Voraussetzungen ausgehe, sei der Wettbewerbsrat eher kompetent, dem Verdacht auf eine Zuwiderhandlung nachzugehen, als die Kommission.

116 Die Kommission entgegnet in erster Linie, dieses Rechtsmittel wiederhole, soweit damit eine mangelnde Zusammenarbeit mit dem zuständigen Richter gerügt werde, in anderer Form die Rüge der fehlenden Begründung, auf die sie bereits geantwortet habe. Soweit es sich auf die angeblich mangelnde Zusammenarbeit mit dem Wettbewerbsrat beziehe, beruhe es auf einem falschen Verständnis der Verordnung Nr. 1/2003. Der EG-Vertrag und die Verordnung Nr. 1/2003 legten parallele Anwendungszuständigkeiten fest, und die Verordnung Nr. 1/2003 enthalte kein Kriterium für die Aufteilung der Fälle oder der Zuständigkeiten. Die nationalen Behörden blieben für die Anwendung der Art. 81 EG und 82 EG zuständig, solange die Kommission kein Verfahren nach Art. 11 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 eingeleitet habe, und die Befugnis der Kommission, jederzeit gegen jedwede Zuwiderhandlung gegen die Art. 81 EG und 82 EG vorzugehen, bleibe unberührt.

117 Zudem hätten bestimmte Umstände für eine Behandlung dieses Falles durch die Kommission gesprochen.

118 Schließlich sei ihre Entscheidung, Nachprüfungen vorzunehmen und in die Sachprüfung des vorliegenden Falles einzutreten, im Geiste des Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 eng mit den französischen Behörden abgestimmt worden.

Würdigung durch das Gericht

119 Die Einzelheiten der Erfüllung der sich aus Art. 10 EG ergebenden Pflicht zu loyaler Zusammenarbeit mit den einzelstaatlichen Gerichten, die die Kommission im Rahmen ihrer Beziehungen zu den Mitgliedstaaten zu beachten hat (Urteil des Gerichtshofs vom 10. Februar 1983, Luxemburg/Parlament, C-230/81, Slg 1983, 255, Randnr. 37, und Beschluss des Gerichtshofs vom 13. Juli 1990, Zwartveld u. a., C-2/88 IMM, Slg. 1990, I-3365, Randnr. 17), sind, soweit es sich um die Beziehungen handelt, die sich im Rahmen von Nachprüfungen herausbilden, die die Kommission zur Aufdeckung von Zuwiderhandlungen gegen die Art. 81 EG und 82 EG vornimmt, in Art. 20 der Verordnung Nr. 1/2003 geregelt. Dort sind die Modalitäten festlegt, nach denen die Kommission, die nationalen Wettbewerbsbehörden und die nationalen Gerichte zusammenarbeiten müssen, wenn die Kommission beschlossen hat, eine Nachprüfung nach dieser Verordnung vorzunehmen.

120 So ermächtigt Art. 20 der Verordnung Nr. 1/2003 die Kommission, Nachprüfungen vorzunehmen, und zwar entweder gemäß Abs. 3 unter Vorlage eines schriftlichen Auftrags oder gemäß Abs. 4 aufgrund einer Entscheidung, die die Unternehmen verpflichtet, die Nachprüfung zu dulden. Nimmt die Kommission eine Nachprüfung gemäß Art. 20 Abs. 3 vor, muss sie die Wettbewerbsbehörde des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Nachprüfung vorgenommen werden soll, rechtzeitig vor deren Beginn darüber unterrichten. Nimmt die Kommission eine Nachprüfung gemäß Abs. 4 vor, muss sie die Wettbewerbsbehörde des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet diese vorgenommen werden soll, vor Erlass der Nachprüfungsentscheidung anhören.

121 Nach Art. 20 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 ist die Unterstützung der nationalen Behörden für die Vornahme der Nachprüfung notwendig, wenn das Unternehmen, bei dem die Nachprüfung vorgenommen werden soll, sich dieser widersetzt. Setzt diese Unterstützung eine Genehmigung eines Gerichts voraus, so ist diese gemäß Abs. 7 zu beantragen. In diesem Fall prüft das einzelstaatliche Gericht gemäß Abs. 8, ob die Entscheidung, mit der die Nachprüfung angeordnet wird, echt ist und ob die zur Durchführung der Nachprüfung beantragten Zwangsmaßnahmen nicht willkürlich und, gemessen an deren Gegenstand, nicht unverhältnismäßig sind. Die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Kommissionsentscheidung ist jedoch dem Gemeinschaftsrichter vorbehalten.

122 Art. 20 der Verordnung Nr. 1/2003 unterscheidet somit klar zwischen den Entscheidungen der Kommission nach Abs. 4 und dem beim einzelstaatlichen Gericht nach Abs. 7 gestellten Antrag auf Unterstützung.

123 Während die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Entscheidung der Kommission nach Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 dem Gemeinschaftsrichter vorbehalten ist, wie sich namentlich aus Art. 20 Abs. 8 am Ende ergibt, ist es Aufgabe allein des nationalen Gerichts, bei dem gemäß Art. 20 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1/2003 der Antrag auf Genehmigung des Erlasses von Zwangsmaßnahmen gestellt wird, gegebenenfalls mit Unterstützung des Gerichtshofs im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens und unbeschadet eventueller nationaler Rechtsbehelfe festzustellen, ob die von der Kommission im Rahmen dieses Antrags übermittelten Informationen es ihm ermöglichen, die ihm nach Art. 20 Abs. 8 der Verordnung Nr. 1/2003 obliegende Kontrolle auszuüben, und es somit in die Lage versetzen, sachdienlich über den ihm vorgelegten Antrag zu entscheiden (vgl. in diesem Sinne zur Verordnung Nr. 17 das Urteil Roquette Frères, oben in Randnr. 37 angeführt, Randnrn. 39, 67 und 68).

124 Das gemäß Art. 20 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1/2003 angerufene einzelstaatliche Gericht kann nach Art. 20 Abs. 8 und nach der Rechtsprechung (vgl. zur Verordnung Nr. 17 das Urteil Roquette Frères, oben in Randnr. 37 angeführt) von der Kommission Erläuterungen anfordern, und zwar insbesondere zu den Gründen, die sie veranlasst haben, das Unternehmen einer Zuwiderhandlung gegen die Art. 81 EG und 82 EG zu verdächtigen, sowie zur Schwere der behaupteten Zuwiderhandlung und zur Art der Beteiligung des betreffenden Unternehmens. Eine Prüfung des Gemeinschaftsgerichts, die zu der Feststellung führen könnte, dass die Informationen, die die Kommission dem nationalen Gericht gegeben hat, nicht ausreichend waren, würde dazu führen, dass das Gemeinschaftsgericht die vom nationalen Gericht insoweit bereits vorgenommene Prüfung erneut durchführen würde. Dies ist jedoch unzulässig, denn die vom nationalen Gericht vorgenommene Prüfung unterliegt allein den Kontrollen, die sich aus den gegen Entscheidungen dieses Gerichts gegebenen innerstaatlichen Rechtsbehelfen ergeben.

125 Folglich ist das Vorbringen, auf das die Klägerin ihren ersten Klagegrund stützt, insgesamt zurückzuweisen, denn dadurch, dass sie die angefochtene Entscheidung inhaltlich angreift, ersucht sie das Gericht, die Beurteilung in Frage zu stellen, die der zuständige Richter bereits gemäß Art. 20 Abs. 8 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgenommen hat, um festzustellen, ob die Informationen, die die Kommission ihm gegeben hat, um die nach Art. 20 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1/2003 beantragte Genehmigung zu erhalten, ausreichend sind. Das Gemeinschaftsgericht ist nämlich nicht befugt, nachzuprüfen, wie das gemäß dieser Vorschrift angerufene einzelstaatliche Gericht die ihm durch Art. 20 Abs. 8 übertragene Aufgabe erfüllt.

126 Außerdem ist die Rechtmäßigkeit eines Akts an dem Sachverhalt und der Rechtslage zu messen, die zur Zeit des Erlasses des Akts bestanden (Urteile des Gerichtshofs vom 7. Februar 1979, Frankreich/Kommission, 15/76 und 16/76, Slg. 1979, 321, Randnr. 7, und des Gerichts vom 15. Juli 2004, Valenzuela Marzo/Kommission, T-384/02, Slg. ÖD 2004, I-A-235 und II-1035, Randnr. 98). Folglich haben der Gebrauch, der möglicherweise von einer Nachprüfungsentscheidung gemacht wird, oder die Würdigung der in dieser enthaltenen Angaben durch das einzelstaatliche Gericht im Rahmen eines von der Kommission gemäß Art. 20 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1/2003 gestellten Antrags keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Nachprüfungsentscheidung.

127 Die Stichhaltigkeit des Vorbringens der Klägerin, die Kommission habe ihre Pflicht zu loyaler Zusammenarbeit verletzt, ist somit im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes allein aufgrund der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 in seiner Auslegung durch die Rechtsprechung zu beurteilen. Die Prüfung des ersten Klagegrundes hat ergeben, dass die Kommission Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 nicht verletzt hat. Der erste Teil der Begründung des zweiten Klagegrundes ist somit zurückzuweisen.

128 Was zweitens die Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit mit den nationalen Wettbewerbsbehörden betrifft, wie sie sich aus den verschiedenen Bestimmungen ergibt, auf die sich die Klägerin berufen hat, ist zunächst festzustellen, dass Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 zwar eine allgemeine Regel enthält, nach der die Kommission und die nationalen Behörden verpflichtet sind, eng zusammenzuarbeiten, dass er aber die Kommission nicht verpflichtet, in einem Fall, in dem eine nationale Wettbewerbsbehörde parallel tätig ist, auf die Durchführung einer Nachprüfung zu verzichten.

129 Auch lässt sich aus dieser Bestimmung nicht herleiten, dass der bloße Umstand, dass eine nationale Wettbewerbsbehörde Ermittlungen über besondere Tatsachen eingeleitet hat, die Kommission daran hindert, in dem betreffenden Fall tätig zu werden oder sich im Anfangsstadium dafür zu interessieren. Ganz im Gegenteil folgt aus dem in dieser Bestimmung verankerten Erfordernis der Zusammenarbeit, dass diese beiden Behörden zumindest im Anfangsstadium wie bei den Ermittlungen nebeneinander tätig werden können. So ergibt sich aus Art. 11 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003, auf den sich die Klägerin beruft, dass der Grundsatz der Zusammenarbeit bedeutet, dass die Kommission und die nationalen Wettbewerbsbehörden zumindest im Anfangsstadium der Fälle, mit denen sie befasst sind, nebeneinander tätig werden können. Denn danach behält die Kommission vorbehaltlich einer bloßen Konsultation der betroffenen Wettbewerbsbehörde die Möglichkeit, ein Verfahren zum Erlass einer Entscheidung einzuleiten, selbst wenn eine nationale Behörde bereits in dem Fall tätig ist. Somit muss die Kommission erst recht in der Lage sein, eine Nachprüfung, wie sie in der vorliegenden Rechtssache angeordnet wurde, vorzunehmen. Eine Entscheidung, durch die eine Nachprüfung angeordnet wird, ist nämlich nur ein Rechtsakt zur Vorbereitung der Sachbehandlung des Falles. Sie stellt keine förmliche Einleitung des Verfahrens nach Art. 11 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 dar, da sie als solche nicht den Willen der Kommission zum Ausdruck bringt, eine Entscheidung in der Sache zu erlassen (vgl. in diesem Sinne zur Verordnung Nr. 17 das Urteil des Gerichtshofs vom 6. Februar 1973, Brasserie de Haecht, 48/72, Slg. 1973, 77, Randnr. 16). Aus dem 24. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1/2003 ergibt sich im Übrigen, dass die Kommission die Befugnis haben sollte, die Nachprüfungen vorzunehmen, die notwendig sind, um Zuwiderhandlungen gegen Art. 82 EG aufzudecken, und in Art. 20 Abs. 1 dieser Verordnung heißt es ausdrücklich, dass die Kommission zur Erfüllung der ihr durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben alle erforderlichen Nachprüfungen vornehmen kann.

130 Zweitens folgt aus Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 und dem diesen ankündigenden 18. Erwägungsgrund, dass die Befassung einer Wettbewerbsbehörde mit einem Fall es einer anderen betroffenen Behörde lediglich ermöglicht, das Verfahren auszusetzen oder die Beschwerde zurückzuweisen. Es handelt sich also nur um einen Grund, der es einer anderen Behörde erlaubt, das bei ihr anhängige Verfahren auszusetzen oder die bei ihm erhobene Beschwerde zurückzuweisen. Eine Verpflichtung der Kommission, auf eine Nachprüfung zu verzichten, weil eine andere Behörde bereits in demselben Fall tätig ist, ergibt sich daraus nicht. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Texte ein Kriterium für die Zuweisung oder die Aufteilung der Fälle oder der Zuständigkeiten zwischen der Kommission und der bzw. den eventuell von demselben Fall betroffenen Behörde oder Behörden aufstellen. Macht die Kommission von der in diesem Artikel vorgesehenen bloßen Möglichkeit keinen Gebrauch, so kann dies also keinesfalls als Verletzung ihrer Pflicht zu loyaler Zusammenarbeit im Rahmen ihrer Beziehungen zu den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten angesehen werden.

131 Drittens ist entgegen dem Vorbringen der Klägerin, die Kommission habe den Wettbewerbsrat offensichtlich nicht konsultiert, darauf hinzuweisen, dass es in den Erwägungsgründen der angefochtenen Entscheidung heißt, dass die zuständige Behörde des betroffenen Mitgliedstaats gemäß Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 angehört worden sei. Unter Berücksichtigung der für Handlungen der Gemeinschaftsorgane geltenden Gültigkeitsvermutung (Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juni 1994, Kommission/BASF u. a., C-137/92 P, Slg. 1994, I-2555, Randnr. 48), die besagt, dass derjenige, der sich auf die Ungültigkeit einer solchen Handlung beruft, den Nachweis dafür erbringen muss, und da die Klägerin keinen Nachweis dafür erbringt, dass die französische Wettbewerbsbehörde tatsächlich nicht konsultiert worden ist, kann diesem Vorbringen nicht gefolgt werden.

132 Viertens ergibt sich aus dem achten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1/2003 nicht, dass der Wettbewerbsrat im vorliegenden Fall eine größere Kompetenz für die Prüfung der aufgestellten Vermutungen besitzt. Dort werden nämlich nur die Grundsätze aufgestellt, die für die konkurrierenden Anwendungen des nationalen Wettbewerbsrechts und der gemeinschaftlichen Wettbewerbsbestimmungen zu gelten haben. Die Frage, welche Wettbewerbsbehörde eine größere Kompetenz für die Untersuchung eines Falles besitzt als eine andere, ist dort nicht geregelt. Sie spielt somit in der vorliegenden Rechtssache keine Rolle.

133 Nach alledem hat die Kommission durch den Erlass der angefochtenen Entscheidung keine der Bestimmungen verletzt, aus denen die Klägerin die Pflicht der Kommission zu loyaler Zusammenarbeit mit den nationalen Wettbewerbsbehörden herleitet. Somit greift keines der Argumente, auf die sie ihren zweiten Klagegrund stützt, durch, so dass dieser Klagegrund als unbegründet zurückgewiesen werden muss.

Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

Vorbringen der Parteien

134 Die Klägerin macht geltend, nach der Rechtsprechung dürften gemäß dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Handlungen der Gemeinschaftsorgane nicht über die Grenzen dessen hinausgehen, was zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet und erforderlich sei, wobei sie, wenn sie die Wahl zwischen mehreren geeigneten Maßnahmen hätten, die weniger belastende wählen müssten.

135 Allgemeiner gesagt mache der im Rahmen des ersten Klagegrundes geltend gemachte Begründungsmangel die Prüfung der Verhältnismäßigkeit unmöglich. Die vorgenommene Nachprüfung sei jedenfalls kein geeignetes und angemessenes Mittel, das es der Kommission ermögliche, ihren Verdacht zu erhärten. Dies müsse zur Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung führen.

136 Erstens sei die Nachprüfung im vorliegenden Zusammenhang offensichtlich unverhältnismäßig. Aus der angefochtenen Entscheidung ergebe sich zunächst, dass die von der Kommission zum Ausdruck gebrachten Zweifel betreffend die im Januar 2004 erfolgte Senkung der Tarife der Option 5 keine Nachprüfung bei der Klägerin zwecks Beschaffung von Informationen über diese Preissenkung gerechtfertigt hätten. Zudem habe die Kommission von der Klägerin im Rahmen des Verfahrens, das zur Entscheidung vom 16. Juli 2003 geführt habe, zahlreiche Auskünfte erhalten, ohne deren Geschäftsräume durchsuchen zu müssen. Art. 3 dieser Entscheidung habe es ihr auch ermöglicht, die Preise von Wanadoo zu überprüfen. Bei der Nachprüfung handele es sich deshalb nicht um eine Maßnahme, die zur Beschaffung von Informationen über die angebliche Anwendung unangemessener Verkaufspreise unbedingt notwendig gewesen sei. Schließlich hätte die Kommission angesichts des Verfahrens vor dem Wettbewerbsrat und der von diesem erlassenen Entscheidung keine Nachprüfung vornehmen, sondern gegebenenfalls weniger einschneidende Maßnahmen ergreifen müssen.

137 Zweitens sei die Nachprüfung offensichtlich unverhältnismäßig, da es keinen Hinweis auf das Vorliegen eines tatsächlichen Risikos der Vernichtung oder des Verbergens von Beweisen gegeben habe. Die Klägerin habe im Übrigen in der Vergangenheit loyal mit der Kommission zusammengearbeitet. Das von der Kommission beschlagnahmte Dokument, das angeblich ihren Verdacht auf das Verbergen von Beweisstücken bestätige, sei nicht beweiskräftig. Zudem fänden sich die Informationen über die Preise in Dokumenten, die eine börsennotierte und kontrollierte Gesellschaft nicht verschwinden lassen könne, ohne schwerwiegende Verstöße gegen buchhalterische und gesellschaftsrechtliche Vorschriften zu begehen.

138 Drittens verletze der Rückgriff auf ein Nachprüfungsverfahren unter Ersuchen um Unterstützung durch Polizeikräfte den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit umso mehr, als Art. 20 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 die Unterstützung der beauftragten Bediensteten der Kommission durch die Mitgliedstaaten nur für den Fall vorsehe, dass sich ein Unternehmen der Nachprüfung widersetze. Obwohl Art. 20 Abs. 7 es gestatte, vorsorglich um Unterstützung zu ersuchen, sei dies nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nur dann zulässig, wenn Gründe für die Befürchtung eines Widerstands gegen die Nachprüfung bestünden, und die Kommission müsse in diesem Fall dem angerufenen einzelstaatlichen Gericht Erläuterungen zu diesem Punkt geben. Dies habe sie hier nicht getan.

139 Nach Auffassung der Kommission ist der vorliegende Klagegrund unbegründet. Erstens könne man ihr nicht vorwerfen, dass sie geglaubt habe, genaue Informationen mit Sicherheit nur unter Rückgriff auf eine Nachprüfung erhalten zu können, nachdem sich der Wettbewerbsrat Vorausschätzungen beschafft und diese selbst als wenig realistisch angesehen habe. Auch zerstreue die Entscheidung des Wettbewerbsrats nicht den Verdacht auf eine Zuwiderhandlung und besage nichts darüber, weshalb eine Nachprüfung unverhältnismäßig sein solle. Auch hätten dem Wettbewerbsrat im Gegensatz zur Kommission keine Hinweise auf eine eventuelle Verdrängungsabsicht vorgelegen, und es sei illusorisch anzunehmen, dass ein Unternehmen freiwillig Auskunft darüber erteilen würde.

140 Im Übrigen könne die Befugnis der Kommission, im Jahr 2004 Nachprüfungen gemäß Art. 11 der Verordnung Nr. 1/2003 vorzunehmen, nicht dadurch eingeschränkt werden, dass sie in einem 2001 eingeleiteten Verfahren im Rahmen eines Auskunftsverlangens gemäß Art. 11 der Verordnung Nr. 17 Auskünfte eingeholt oder erhalten habe.

141 Schließlich brauche die Verhältnismäßigkeit der Nachprüfung nicht im Hinblick auf die Tarife der Option 5 gerechtfertigt zu werden, da sich der Verdacht der Kommission nicht auf diese richte.

142 Zweitens weist die Kommission darauf hin, dass die Gründe, aus denen sie eine Gefahr der Vernichtung nützlicher Unterlagen gesehen habe, im zwölften Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung im Einzelnen dargelegt worden seien.

143 Außerdem könne ein Unternehmen mitarbeiten, wenn es um die Beantwortung von Auskunftsverlangen gehe, ohne dass dies seine Absicht ausschließe, Dinge, die für die Untersuchung der Kommission nützlich seien, zu verbergen. Die objektiv bestehenden Risiken seien nach der Erfahrung der Kommission in einem Fall wie dem vorliegenden bedeutend, wie die bei der Nachprüfung aufgefundenen Unterlagen zeigten. Der Umstand, dass bestimmte buchhalterische Unterlagen nur schwerlich vernichtet werden könnten, sei unerheblich, denn hier sei nicht nur nach dieser Art von Dokumenten gesucht worden.

144 So ergebe sich aus den Umständen und der Natur der gesuchten Unterlagen, dass die Nachprüfung diejenige Ermittlungsmethode gewesen sei, durch die sich die Kommission mit der größten Wahrscheinlichkeit mögliche Beweise für eine Verdrängungsabsicht habe beschaffen können.

145 Drittens sei das angebliche Fehlen einer Begründung, die ausreiche, um den zuständigen Richter um die Gestattung der Anwendung von Zwangsmaßnahen zu ersuchen, für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung unerheblich.

Würdigung durch das Gericht

146 Vorab ist das allgemeine Argument der Klägerin zurückzuweisen, dass die mangelnde Begründung der angefochtenen Entscheidung die Prüfung der Verhältnismäßigkeit dieser Entscheidung unmöglich mache, denn es ist bereits festgestellt worden, dass die Kommission ihre Begründungspflicht nicht verletzt hat. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehört, dürfen die Handlungen der Gemeinschaftsorgane nicht über die Grenzen dessen hinausgehen, was zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet und erforderlich ist, wobei, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und die verursachten Nachteile nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen dürfen (Urteile des Gerichtshofs vom 13. November 1990, Fedesa u. a., C-331/88, Slg. 1990, I-4023, Randnr. 13, und vom 14. Juli 2005, Niederlande/Kommission, C-180/00, Slg. 2005, I-6603, Randnr. 103).

147 In dem Bereich, in den sich der vorliegende Fall einfügt, verlangt die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, dass die beabsichtigten Maßnahmen nicht zu Nachteilen führen, die unter Berücksichtigung der mit der Nachprüfung verfolgten Ziele unverhältnismäßig und untragbar sind (vgl. zur Verordnung Nr. 17 das Urteil Roquettes Frères, oben in Randnr. 37 angeführt, Randnr. 76). Die von der Kommission zu treffende Wahl zwischen Nachprüfungen durch schlichten Auftrag und mit einer Entscheidung angeordneten Nachprüfungen hängt allerdings nicht von Umständen wie dem besonderen Ernst der Lage, der außerordentlichen Dringlichkeit oder der Notwendigkeit absoluter Geheimhaltung ab, sondern von den Erfordernissen einer den Besonderheiten des Einzelfalls angemessenen Untersuchung. Folglich verletzt eine Nachprüfungsentscheidung nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn sie der Kommission nur erlauben soll, die nötigen Anhaltspunkte für die Beurteilung der Frage einer Vertragsverletzung zusammenzutragen (vgl. zur Verordnung Nr. 17 die Urteile National Panasonic/Kommission, oben in Randnr. 52 angeführt, Randnrn. 28 bis 30, und Roquette Frères, oben in Randnr. 37 angeführt, Randnr. 77).

148 Es ist grundsätzlich Sache der Kommission, zu beurteilen, ob eine Auskunft erforderlich ist, um ermitteln zu können, ob eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln vorliegt. Selbst wenn ihr hierfür bereits Indizien oder gar Beweise vorliegen, kann sie es daher zu Recht für erforderlich halten, zusätzliche Nachprüfungen anzuordnen, die es ihr ermöglichen, die Zuwiderhandlung oder ihre Dauer genauer zu bestimmen (vgl. zur Verordnung Nr. 17 Urteile des Gerichtshofs vom 18. Oktober 1989, Orkem/Kommission, 374/87, Slg. 1989, 3283, Randnr. 15, und Roquette Frères, oben in Randnr. 37 angeführt, Randnr. 78).

149 Im Übrigen regeln die Art. 18 und 20 der Verordnung Nr. 1/2003, die sich auf die Auskunftsverlangen und auf die Nachprüfungsbefugnisse der Kommission beziehen, zwei voneinander unabhängige Verfahren. Der Umstand, dass schon eine Nachprüfung gemäß einer dieser Vorschriften stattgefunden hat, vermag in keiner Weise die Untersuchungsbefugnisse zu schmälern, die die Kommission nach der anderen Vorschrift hat (vgl. zu den Art. 11 und 14 der Verordnung Nr. 17 das Urteil Orkem/Kommission, oben in Randnr. 148 angeführt, Randnr. 14).

150 Im vorliegenden Fall wollte die Kommission mit der angefochtenen Entscheidung erstens Informationen über die von Wanadoo angewandte Preispolitik zusammentragen, um die Frage einer Vertragsverletzung beurteilen zu können. Zwar heißt es in der angefochtenen Entscheidung, dass die Kommission insoweit bereits über bestimmte Informationen verfüge. Sie durfte gleichwohl nach der Rechtsprechung versuchen, zusätzliche Informationen einzuholen, insbesondere Informationen über eine Strategie der Einschränkung und Verdrängung der Wettbewerber, die sie sich schwerlich anders als durch eine Nachprüfung verschaffen konnte. Da zweitens zu den gesuchten Informationen mögliche Hinweise auf eine Absicht der Verdrängung der Konkurrenten gehörten, konnte sie zum Zweck einer sachdienlichen Untersuchung des Falles eine Nachprüfung durch Entscheidung anordnen, um ihre Wirksamkeit sicherzustellen. Drittens wurde die durch die angefochtene Entscheidung angeordnete Nachprüfung auf die Geschäftsräume beschränkt, während die Verordnung Nr. 1/2003 es nunmehr unter bestimmten Bedingungen ermöglicht, andere Räumlichkeiten einschließlich der Wohnung bestimmter Mitarbeiter des betroffenen Unternehmens zu durchsuchen. Unter Berücksichtigung dieser Gegebenheiten hat die Kommission im Hinblick auf das verfolgte Ziel nicht unverhältnismäßig gehandelt. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist nicht verletzt, da die Durchführung der durch Entscheidung angeordneten Nachprüfung aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles angemessen war.

151 Das Vorbringen der Klägerin vermag dieses Ergebnis nicht zu erschüttern.

152 Erstens ist die angeordnete Nachprüfung unter Berücksichtigung ihres Kontexts nicht unverhältnismäßig. Da die Kommission in der angefochtenen Entscheidung keinen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Tarife der Option 5 zum Ausdruck gebracht und sie auch nicht erlassen hat, um diese Tarife zu kontrollieren, kann diese Entscheidung insoweit nicht unverhältnismäßig sein.

153 Unerheblich ist auch, dass die Kommission während des Verfahrens, das zu der Entscheidung vom 16. Juli 2003 geführt hat, von der Klägerin Informationen auf anderen Wegen als durch eine Nachprüfung erhalten hat, da, wie sich aus der oben vorgenommenen Untersuchung ergibt, die Entscheidung, eine Nachprüfung vorzunehmen, nicht unverhältnismäßig war. Zudem kann die Kommission nicht durch eine Methode der Beschaffung von Beweisen gebunden sein, die sie gegenüber einem bestimmten Unternehmen in einem früheren Verfahren angewandt hat. Auch wären zumindest bestimmte Unterlagen, die gesucht wurden und die sich möglicherweise in den Geschäftsräumen der Klägerin befanden, wie z. B. die, die eine Strategie der Einschränkung und Verdrängung der Wettbewerber betrafen und eventuell Aufschluss über die Absicht der Begehung einer Zuwiderhandlung hätten geben können, der Kommission mit Sicherheit nicht freiwillig herausgegeben worden.

154 Ferner ermöglichten es auch die in der Entscheidung vom 16. Juli 2003 enthaltenen Aufforderungen nicht, alle von der Kommission bei der Nachprüfung gesuchten Informationen zu beschaffen.

155 Außerdem geht aus der Entscheidung des Wettbewerbsrats hervor, dass die von Wanadoo in dem vor ihm durchgeführten Beschwerdeverfahren gemachten Angaben über ihre Kosten teilweise unzuverlässig erschienen. Der Wettbewerbsrat nahm auch nicht dazu Stellung, welche Rolle die Klägerin möglicherweise bei der Zuwiderhandlung, deren ihre Tochtergesellschaft verdächtigt wird, gespielt hat.

156 Daraus kann somit nicht abgeleitet werden, dass die Entscheidung, eine Nachprüfung vorzunehmen, unverhältnismäßig war. Insoweit ist auch daran zu erinnern, dass schon in dem Fall, der zu der Entscheidung vom 16. Juli 2003 geführt hat, die Gruppenstrategie der Klägerin geprüft und als ein wesentliches Element für die Feststellung der von ihrer Tochtergesellschaft Wanadoo begangenen Zuwiderhandlung angesehen wurde und dass in dieser Entscheidung im Rahmen dieser Prüfung auf mehrere Dokumente Bezug genommen wurde, die von der Klägerin stammen oder dieser vorgelegt wurden. Deshalb ist auch das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, dass die Kommission wegen des beim Wettbewerbsrat anhängigen Verfahrens keine Nachprüfung hätte vornehmen dürfen.

157 Zweitens vermag das Vorbringen nicht zu überzeugen, dass kein Hinweis auf eine wirkliche Gefahr der Vernichtung oder des Verbergens von Beweisstücken vorgelegen habe, insbesondere deshalb, weil die Klägerin in der Vergangenheit loyal mit der Kommission zusammengearbeitet habe. Zum einen ist dies nicht der einzige Grund für die Entscheidung der Kommission, eine Nachprüfung vorzunehmen, denn der hauptsächliche Grund ist die Suche nach Beweisen u. a. für eine Strategie der Einschränkung und Verdrängung der Wettbewerber, die sich im Besitz sowohl der Klägerin als auch ihrer Tochtergesellschaft befinden konnten und die, wie bereits ausgeführt, im Fall einer Nachprüfung verheimlicht zu werden pflegen oder vernichtet zu werden drohen. Zum anderen ist der Umstand, dass die Klägerin eine börsennotierte Gesellschaft ist, die strengen Buchhaltungs- und Finanzvorschriften unterliegt, unerheblich. Selbst wenn Gegenstand der Suche Unterlagen waren, die sich auf die Preise der verschiedenen in der angefochtenen Entscheidung genannten Dienstleistungen - darunter diejenigen der Klägerin - bezogen, wurden doch gemäß Art. 1 der angefochtenen Entscheidung auch Unterlagen gesucht, aus denen sich eine Absicht der Abschottung und Verdrängung der Konkurrenten ergab. Diese gehören jedoch nicht zu den Dokumenten, die zu Buchhaltungs- und Finanzzwecken aufbewahrt werden müssen.

158 Drittens hat auch der Umstand, dass vorsorglich die Unterstützung durch Polizeikräfte beantragt wurde, keinen Einfluss auf die Verhältnismäßigkeit der angefochtenen Entscheidung, denn wie bereits oben in Randnr. 126 ausgeführt worden ist, ist die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung an dem Sachverhalt und der Rechtslage zu messen, die zur Zeit ihres Erlasses bestanden. Die Genehmigung zur Hinzuziehung von Polizeikräften wurde jedoch unstreitig erst nach Erlass der angefochtenen Entscheidung beantragt.

159 Nach alledem ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht verletzt. Der dritte Klagegrund ist deshalb zurückzuweisen.

Zum vierten Klagegrund: Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung, da sie auf eine frühere Entscheidung gestützt sei, die die Verordnung Nr. 1/2003, die Bekanntmachung und den Grundsatz der ordnungsgemäßen Rechtspflege verletze

160 Da dieser Klagegrund erstmals in der Erwiderung geltend gemacht worden ist, ist vorab seine Zulässigkeit zu prüfen.

Vorbringen der Parteien

161 Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe in ihrer Klagebeantwortung auf einen neuen tatsächlichen Umstand hingewiesen. So habe sich die Notwendigkeit einer Nachprüfung bei den Kontakten der Kommission mit den Beamten des Wettbewerbsrats ergeben. Diese Kontakte hätten eine Sachbehandlung des Falles durch die Kommission zweckmäßig erscheinen lassen. Die angefochtene Entscheidung ergebe sich somit direkt aus diesem Meinungsaustausch mit den französischen Wettbewerbsbehörden, denn ohne diese Treffen wäre die Nachprüfung nicht angeordnet worden.

162 Obwohl die Klägerin von dem Verfahren vor dem Wettbewerbsrat Kenntnis gehabt habe, sei ihr nicht bekannt gewesen, dass die Nachprüfung sich aus der Entscheidung der Kommission ergeben habe, in die Sachprüfung des Falles einzutreten. Dies sei im Sinne des Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ein rechtlicher oder tatsächlicher Grund, der erst während des Verfahrens zutage getreten und somit geeignet sei, das Vorbringen eines neuen Angriffs- oder Verteidigungsmittels im Laufe des Verfahrens zu rechtfertigen.

163 Die Kommission entgegnet, dieses Angriffsmittel sei unzulässig, denn durch die Klagebeantwortung sei der Klägerin kein neuer rechtlicher oder tatsächlicher Umstand zur Kenntnis gebracht worden. Zunächst sei es aufgrund der Anwesenheit von Vertretern der französischen Wettbewerbsbehörde bei der Nachprüfung und aufgrund des Wortlauts des Art. 20 Abs. 4 und des Art. 11 der Verordnung Nr. 1/2003 kaum glaubhaft, dass die Klägerin erst während des Verfahrens erfahren haben solle, dass es vor der Nachprüfung zu Kontakten zwischen den französischen Wettbewerbsbehörden und der Kommission gekommen sei. Weiter bedeute die Vornahme einer Nachprüfung nicht, dass die Kommission tatsächlich beabsichtige, in die Sachbehandlung des Falles einzutreten. Der Umstand, dass die Kommission einen Fall in der Sache behandle, könne ohnehin nicht als neue Tatsache angesehen werden. In Wirklichkeit habe die Kommission im vorliegenden Fall nur beschlossen, eine Nachprüfung einzuleiten. Schließlich sei die Auslegung der Klägerin, wonach die angefochtene Entscheidung auf dem Meinungsaustausch zwischen der Kommission und den französischen Wettbewerbsbehörden beruhe, ohne den die Nachprüfung nicht stattgefunden hätte, fragwürdig, da in der Klagebeantwortung keine derartige Behauptung aufgestellt werde.

Würdigung durch das Gericht

164 Gemäß Art. 44 § 1 Buchst. c in Verbindung mit Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung muss die Klageschrift den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten; im Übrigen können neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind. Dass der Kläger von einem tatsächlichen Umstand während des Verfahrens vor dem Gericht Kenntnis erlangt hat, bedeutet jedoch nicht, dass dieser einen neuen tatsächlichen Grund darstellt, der erst während des Verfahrens zutage getreten ist. Hinzu kommen muss, dass der Kläger vorher keine Kenntnis von diesem Umstand haben konnte (Urteil des Gerichts vom 6. Juli 2000, AICS/Parlament, T-139/99, Slg. 2000, II-2849, Randnrn. 59 und 62).

165 Hier macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, der Umstand, der zum Erlass der angefochtenen Entscheidung geführt habe, sei eine vorhergehende Entscheidung der Kommission gewesen, den Fall in der Sache zu behandeln, und diese sei ihr in der Klagebeantwortung der Kommission bekannt gegeben worden. Diese angebliche vorhergehende Entscheidung sei deshalb ein neuer tatsächlicher und rechtlicher Umstand, der erst während des Verfahrens zutage getreten sei und es rechtfertige, den vorliegenden Klagegrund erstmals in der Erwiderung vorzubringen. Dieser Klagegrund gehe dahin, dass die angefochtene Entscheidung rechtswidrig sei, da sie auf einer vorhergehenden Entscheidung der Kommission beruhe, die selbst rechtswidrig sei, weil sie unter Verletzung der Verordnung Nr. 1/2003, der Bekanntmachung und des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Rechtspflege getroffen worden sei.

166 Zwar hat die Kommission in ihrer Klagebeantwortung ausdrücklich ausgeführt, dass "die Entscheidung der Kommission, Nachprüfungen vorzunehmen und den vorliegenden Fall in der Sache selbst zu behandeln, ... entgegen dem Vorbringen der Klägerin im Geiste des Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 eng mit den französischen Behörden abgestimmt worden" sei. Die Kommission führt jedoch andernorts, so auch in ihrer Klagebeantwortung, aus, dass sich anlässlich von Telefongesprächen und eines Treffens mit dem Berichterstatter des Wettbewerbsrats herausgestellt habe, dass eine Nachprüfung notwendig sei, um gegebenenfalls Beweise für die Verdrängung zusammenzutragen, und dass Kontakte zwischen den Beamten des Wettbewerbsrats und der Kommission es zweckmäßig hätten erscheinen lassen, dass der Wettbewerbsrat über vorläufige Maßnahmen entscheide und die Kommission den Fall in der Sache behandele, insbesondere unter Berücksichtigung der Entscheidung vom 16. Juli 2003. Wenn man das Vorbringen der Kommission, das nach Auffassung der Klägerin als Bekanntgabe eines neuen tatsächlichen Umstands anzusehen ist, in seinem Zusammenhang betrachtet, so gehört es jedoch vielmehr in den Bereich allgemeiner Erwägungen über die Zweckmäßigkeit, eine Nachprüfung vorzunehmen und sodann konsequent auf der Grundlage der dabei zusammengetragenen Beweise weiter zu ermitteln. So ergibt sich aus der angefochtenen Entscheidung selbst die von der Kommission getroffene Entscheidung, den Fall in der Sache zu behandeln, wobei eine Maßnahme wie die in Rede stehende Nachprüfung gerade den Ausgangspunkt einer solchen "Sachbehandlung eines Falles" darstellt.

167 Zwar ist die Verwendung des Begriffs "Entscheidung" in der Klagebeantwortung ungeschickt; nur deshalb kann jedoch nicht angenommen werden, dass hier wirklich ein neuer rechtlicher und tatsächlicher Umstand bekannt gegeben wurde, von dem die Klägerin vorher keine Kenntnis haben konnte. Zudem war, selbst wenn es eine solche Entscheidung der Kommission geben sollte, die angefochtene Entscheidung jedenfalls eine Durchführung dieser Entscheidung, denn eine Nachprüfungsmaßnahme ist definitionsgemäß eine Maßnahme, die eine inhaltliche Prüfung vorbereitet und für diese notwendig ist. Deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin vor der Klagebeantwortung der Kommission keine Kenntnis davon haben konnte, zumal ihr unter Berücksichtigung der in Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 enthaltenen Regelung die Kontakte zwischen der Kommission und den französischen Wettbewerbsbehörden vor Erlass der angefochtenen Entscheidung nicht unbekannt sein konnten. Dies gilt erst recht zum Zeitpunkt der Klageerhebung, da es in der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich heißt, dass die Kommission gemäß Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 die zuständige Wettbewerbsbehörde des betroffenen Mitgliedstaats angehört habe, und da in einem Anhang zur Klageschrift dargelegt wird, dass die Klägerin bereits zur Zeit der Vornahme der Nachprüfung von dem beim Wettbewerbsrat anhängigen Verfahren Kenntnis gehabt habe.

168 Somit fällt die vermeintliche Entscheidung, auf die sich die Klägerin beruft und die ihrem Vorbringen nach in der Klagebeantwortung der Kommission bekannt gegeben worden ist, in Wirklichkeit mit der angefochtenen Entscheidung zusammen. Folglich ist ihr durch die Klagebeantwortung kein neuer rechtlicher oder tatsächlicher Umstand zur Kenntnis gebracht worden. Im Übrigen stand es der Klägerin völlig frei, die im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes geltend gemachten Rechtsverletzungen in ihrer Klageschrift zu rügen.

169 Aufgrund dieser Erwägungen ist der vorliegende Klagegrund als unzulässig zurückzuweisen, ohne dass er in der Sache zu prüfen ist. Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

170 Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten.

Ende der Entscheidung

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