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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 12.12.1996
Aktenzeichen: T-358/94
Rechtsgebiete: EG


Vorschriften:

EG Art. 173 Abs. 4
EG Art. 92
EG Art. 169
EG Art. 190
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

6 Alle vom öffentlichen Sektor ausgehenden Subventionen, die den freien Wettbewerb zu verfälschen drohen, fallen unter Artikel 92 des Vertrages, ohne daß sie von der Regierung oder einer Zentralverwaltung eines Mitgliedstaats gewährt werden müssten.

Zum öffentlichen Sektor gehört eine durch Gesetz als "Établissement spécial" gegründete Einrichtung, die unter der Aufsicht und Garantie der gesetzgebenden Gewalt steht, deren Aufgaben in Rechtsvorschriften geregelt sind und deren Generaldirektor und übrige Direktoren vom Staatschef bzw. von der Regierung dieses Mitgliedstaats ernannt werden; dieser öffentliche Charakter kann nicht durch Gesichtspunkte der internen Organisation des öffentlichen Sektors wie die Existenz von Vorschriften, die die Unabhängigkeit dieser Einrichtung von anderen staatlichen Stellen gewährleisten, in Frage gestellt werden.

Zum einen ist nämlich die gesetzgebende Gewalt, der diese Einrichtung zugeordnet ist, eine der verfassungsmässigen Gewalten eines Staates, und zum anderen kann es nach dem Gemeinschaftsrecht nicht zulässig sein, daß die Vorschriften über staatliche Beihilfen durch die blosse Tatsache, daß unabhängige Einrichtungen geschaffen werden, denen die Verteilung der Beihilfen übertragen wird, umgangen werden.

7 Eine Investition kann nur dann als staatliche Beihilfe betrachtet werden, wenn sie als ein direkt oder indirekt aus staatlichen Mitteln gewährter Vorteil anzusehen ist, was voraussetzt, daß die Mittel für die Beihilfe von dem betreffenden Mitgliedstaat stammen. Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages erfasst alle Geldmittel, auf die der öffentliche Sektor tatsächlich zur Unterstützung von Unternehmen zurückgreifen kann, ohne daß es dafür eine Rolle spielt, ob diese Mittel auf Dauer zum Vermögen dieses Sektors gehören.

Als staatliche Maßnahme kann also eine Investition qualifiziert werden, die eine zum öffentlichen Sektor gehörige Einrichtung mit Mitteln getätigt hat, die privater Herkunft und rückzahlbar sind, sofern durch den Zu- und Abfluß von Geldern ein konstanter Saldo entsteht, den die betreffende Einrichtung in eigener Verantwortung so verwenden kann, als stuenden ihr die diesem Saldo entsprechenden Mittel endgültig zur Verfügung.

8 Die gerichtliche Kontrolle einer Handlung, die eine komplexe wirtschaftliche Würdigung einschließt und mit der die Kommission die Unvereinbarkeit einer nationalen Maßnahme mit Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages feststellt, muß sich auf die Prüfung der Fragen beschränken, ob die Vorschriften über das Verfahren und die Begründung eingehalten worden sind, ob der Sachverhalt, der der getroffenen Entscheidung zugrunde gelegt wurde, zutreffend festgestellt worden ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Würdigung dieses Sachverhalts oder ein Ermessensmißbrauch vorliegt.

9 Mittel, die der Staat einem Unternehmen direkt oder indirekt unter normalen Marktbedingungen zur Verfügung stellt, sind nicht als staatliche Beihilfen anzusehen.

Eine Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages stellt dagegen das Verhalten eines Staates dar, der über eine Aktiengesellschaft, die eine 100%ige Tochtergesellschaft einer öffentlichen Einrichtung dieses Staates ist, eine umfangreiche Investition vornimmt, nämlich die Zeichnung fast aller Wertpapiere, die ein Unternehmen, das sich in einer schwierigen finanziellen Lage befindet, im Hinblick auf seine Umstrukturierung ausgegeben hat, obwohl die geplante Umstrukturierung offensichtlich auch langfristig nicht geeignet ist, die durch eine erdrückende Verschuldung und überaus hohe Verluste gekennzeichnete schwierige Lage des betreffenden Unternehmens zu verbessern. Unter solchen Umständen könnten einige Anzeichen und Perspektiven der Verbesserung, die sich angesichts dieser Lage als unwesentlich erweisen, einen gedachten privaten Investor nicht zu der fraglichen Kapitalzufuhr veranlassen, da er kaum Aussichten auf eine Rückzahlung der zugeführten Mittel durch das Unternehmen hätte.

10 Die den Gemeinschaftsorganen nach Artikel 190 des Vertrages obliegende Pflicht, ihre Entscheidungen zu begründen, soll dem Gemeinschaftsrichter die Ausübung seiner Rechtmässigkeitskontrolle ermöglichen und es dem Betroffenen gestatten, Kenntnis von den Gründen für die getroffene Maßnahme zu erlangen, damit er seine Rechte verteidigen und prüfen kann, ob die Entscheidung zutreffend ist.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Zweite erweiterte Kammer) vom 12. Dezember 1996. - Compagnie nationale Air France gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Staatliche Beihilfen - Luftverkehr - Luftverkehrsgesellschaft, die sich in einer finanziellen Krise befindet. - Rechtssache T-358/94.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Seit 1990 befindet sich der Luftverkehrssektor der Gemeinschaft in einer Wirtschaftskrise. Daher kam auch die Aktiengesellschaft Compagnie nationale Air France (im folgenden: Air France oder Klägerin), deren Kapital zu 99,329 % vom französischen Staat gehalten wird, in schwere wirtschaftliche und finanzielle Schwierigkeiten.

2 In den Jahren 1991 und 1992 befasste sich die Kommission erstmals mit der wirtschaftlichen und finanziellen Lage der Air France. Damals genehmigte die Kommission, nachdem sie von den französischen Behörden unterrichtet worden war, durch Entscheidungen vom 20. November 1991 und 15. Juli 1992 Kapitalspritzen in Höhe von insgesamt 5,84 Milliarden FF. Sie war der Ansicht, daß die langfristigen Ertragsaussichten der Investition schwerer wögen als die sich aus der Finanzstruktur des Air-France-Konzerns ergebenden kurzfristigen Schwierigkeiten. Dabei berücksichtigte sie auch, daß der Air-France-Konzern im Rahmen eines am 1. August 1991 von den französischen Behörden genehmigten "Contrat de plan" (Umstrukturierungsplan; im folgenden: CAP'93) umstrukturiert werden sollte; darin waren mehrere wirtschaftliche Ziele vorgegeben, die in den Jahren 1991 bis 1993 erreicht werden sollten. Angesichts dieser Umstände war sie der Ansicht, daß die betreffenden Finanzierungsmaßnahmen keine staatlichen Beihilfen im Sinne von Artikel 92 EWG-Vertrag seien.

3 Um ihre finanziellen Probleme zu lösen, arbeitete die Air France im Oktober 1992 einen als "Programme de retour à l'équilibre" (Plan zur Wiederherstellung des Gleichgewichts, PRE 1) bezeichneten zweiten Umstrukturierungsplan aus, der vor allem auf eine Senkung der Betriebskosten abzielte und ab 1994 zu einer strukturellen Verbesserung ihrer Eigenfinanzierungskapazität führen sollte.

4 Im November 1992 wandte sie sich an die Caisse des dépôts et consignations-participations (im folgenden: CDC-P), um deren Unterstützung bei einigen Finanzierungsmaßnahmen zu erhalten. Die CDC-P, eine Aktiengesellschaft französischen Rechts, die 0,538 % des Kapitals der Air France hält, ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der Caisse des dépôts et consignations (im folgenden: Caisse), einem durch Gesetz eingerichteten Etablissement public spécial (öffentliche Einrichtung für Sonderaufgaben).

5 Mitte Dezember 1992 teilte die CDC-P mit, daß sie bereit sei, die erfolgreiche Durchführung der geplanten Maßnahmen zu gewährleisten. Da die Einzelheiten dieser Maßnahmen Anfang 1993 von der CDC-P und der Air France festgelegt worden waren, legte der Vorstand der Air France in seiner Sitzung vom 17. Februar 1993 die Modalitäten ihrer Durchführung fest.

6 Daher beschlossen die Aktionäre der Air France in der ausserordentlichen Hauptversammlung am 24. März 1993, folgende Wertpapiere im Wert von 1,5 Milliarden FF auszugeben:

- in Aktien tilgbare Obligationen (obligations remboursables en actions, ORA) im Wert von ca. 750 Millionen FF;

- nachrangige Schuldverschreibungen mit steigendem Zins und einem Zeichnungsrecht für Aktien (titres subordonnés à intérêt progressif assortis de bons des souscription d'actions, TSIP-BSA) im Wert von ca. 750 Millionen FF.

7 Diese von der Air France im April 1993 ausgegebenen Wertpapiere wurden fast alle von der CDC-P gezeichnet (99,7 % der ORA und 99,9 % der TSIP-BSA), da der französische Staat als Hauptaktionär der Air France beschlossen hatte, von einer Zeichnung abzusehen. Einige ausländische Privatanleger wurden im Verhältnis zu ihrem Anteil am Air-France-Kapital, der sich damals auf 0,132 % belief, zur Zeichnung zugelassen, was einem Wertpapierwert von ca. 2 Millionen FF entspricht.

8 Die ausgegebenen Wertpapiere sind Namenspapiere und nicht an der Börse notiert.

9 Sie weisen folgende Merkmale auf:

10 Bis zum 1. Januar 2000 werden die ORA mit einem Festzins (4 %) und einem von der Ertragslage der Air France abhängigen variablen Zins verzinst, wobei sich über die gesamte Laufzeit rechnerisch eine Verzinsung von durchschnittlich 6,5 % ergibt. Jede ORA ist spätestens bis zum 1. Januar 2000 durch Umwandlung in eine Aktie zu tilgen; die Inhaber von ORA sind auch vor diesem Zeitpunkt berechtigt, jederzeit diese Umwandlung zu verlangen. Die interne Rendite der Investition beträgt nach den Berechnungen der CDC-P unter Berücksichtigung der Zinsen und des erwarteten Wertzuwachses der Aktien 14 %.

11 Bei den TSIP ist die Laufzeit nicht befristet. Ihre Tilgung ist im Fall einer Liquidation oder Auflösung der Air France vorgesehen, und sie werden erst nach Befriedigung aller bevorrechtigten und nicht bevorrechtigten Forderungen, jedoch vor den ORA, getilgt. Die Air France hat aber das Recht, die TSIP ab 1. Januar 2000 vorzeitig zu tilgen. Bis zum 1. Januar 2000 werden die TSIP mit festen, steigenden Zinssätzen (5,5 % bis 8,5 %) verzinst, so daß sich rechnerisch ein Durchschnitt von 7 % ergibt. Ab diesem Zeitpunkt wird der Zinssatz variabel und erhöht sich um einen steigenden Aufschlag. Die Air France kann die Zahlung der Zinsen aussetzen, falls der Konzern konsolidierte Verluste von über 30 % seiner Eigenmittel aufweisen sollte. Zu jedem TSIP gehört ein BSA (bon de souscription d'actions; Berechtigungsschein zur Zeichnung von Aktien), der von diesem unabhängig ist und wie die ORA und die TSIP abgetreten oder übertragen werden kann. Der Inhaber kann die BSA bis zum 1. Januar 2000 jederzeit in Aktien umtauschen. Die bis dahin nicht umgetauschten BSA verfallen. Die interne Rendite der Investition beträgt nach den Berechnungen der CDC-P im Zeitraum 1993 bis 1999 11,5 %.

12 Nachdem die Kommission aus der Presse von der Absicht der französischen Regierung erfahren hatte, der Air France Mittel zuzuführen, richtete sie am 1. März 1993 ein Schreiben an die französischen Behörden, in dem sie diese aufforderte, ihr Auskünfte über die beabsichtigten Maßnahmen zum Ausgleich des Defizits des Air-France-Konzerns zu geben. Mit Schreiben vom 22. April 1993 antwortete die französische Regierung und gab an, daß die beiden genannten Wertpapieremissionen von der CDC-P garantiert worden seien. Nach einem Informationsaustausch, an dem im Mai 1993 Beamte der Kommission, Vertreter der französischen Regierung und Vertreter der Air France teilnahmen, wurde die Zeichnung der Wertpapiere durch die CDC-P am 19. Juli 1993 in das Register der nicht gemeldeten Beihilfen eingetragen. Mit Schreiben vom 7. Dezember 1993 teilte die Kommission der französischen Regierung mit, daß sie am 10. November 1993 beschlossen habe, das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages einzuleiten.

13 Mit Schreiben vom 7. Januar 1994 nahmen die französischen Behörden wie folgt Stellung:

- Die Finanzierungsmaßnahme sei der Kommission nicht gemeldet worden, da sie nicht als staatliche Beihilfe betrachtet worden sei.

- Die Caisse und die CDC-P seien von der französischen Regierung unabhängige Einrichtungen.

- Die CDC-P habe zu einer Zeit beschlossen, in die Air France zu investieren, als die Lage der Air France mit der ihrer Konkurrenten vergleichbar gewesen sei und die Aussichten im allgemeinen günstig gewesen seien. Die CDC-P habe sich daher wie ein umsichtiger Anleger verhalten.

- Daß die Zeichnungsbedingungen attraktiv gewesen seien, werde dadurch bestätigt, daß sich ausländische Privatinvestoren an der Zeichnung beteiligt hätten und daß deren Nachfrage nicht ganz habe befriedigt werden können, da es sonst zu einer teilweisen Privatisierung der Air France gekommen wäre.

- Die Investition habe nur den Zweck gehabt, zur Umstrukturierung der Air France beizutragen, und sei an den Umstrukturierungsplan vom Oktober 1992 (PRE 1) geknüpft gewesen.

14 1993 nahm die Air France drei weitere Wertpapieremissionen vor, und zwar legte sie im Februar eine Obligationsanleihe im Wert von 1,5 Milliarden FF zu einem Zinssatz von 8,25 % auf, im Juni eine Obligationsanleihe im Wert von 1,5 Milliarden FF und im Oktober eine Anleihe im Wert von 300 Millionen FF, die offenbar alle im privaten Sektor plaziert wurden.

15 Bezueglich der ORA und TSIP-BSA erließ die Kommission am 27. Juli 1994 die Entscheidung 94/662/EG über die Zeichnung von Air-France-Anleihen durch CDC-Participations (ABl. L 258, S. 26; im folgenden: angefochtene Entscheidung oder Entscheidung).

16 In dieser Entscheidung stellte sie zunächst fest, daß sich die Lage der Air France trotz des Umstrukturierungsplans CAP'93 und der Zufuhr von ca. 6 Milliarden FF in den Jahren 1991 und 1992 weiter verschlechtert habe, da die Air France 1992 schon im dritten Jahr ein negatives Nettörgebnis, und zwar das mit Abstand grösste (minus 3,2 Milliarden FF), verzeichnet habe und es ihr schlechter gegangen sei als den anderen grossen Fluggesellschaften.

17 Ferner verwies sie darauf, daß die Caisse eine französische öffentliche Einrichtung sei, deren Direktoren von der französischen Regierung ernannt würden. Die CDC-P, eine ihrer Tochtergesellschaften zu 100 %, sei von der Caisse nicht unabhängig, die selbst wiederum vom französischen Staat kontrolliert werde. Die Kapitalzufuhr sei daher eine der französischen Regierung zurechenbare Handlung. Daher sei die streitige Investition von der Caisse und der CDC-P auf staatlichen Druck hin getätigt worden.

18 Die Kommission prüfte insbesondere, ob die betreffende Finanzierungsmaßnahme unter Bedingungen getroffen wurde, die für einen unter normalen Marktbedingungen tätigen privaten Anleger akzeptabel gewesen wären. Sie war der Auffassung, daß dies der Fall sei, wenn es eine grössere Anzahl privater Minderheitsaktionäre gebe, die sich entsprechend ihrem Anteil an dem Unternehmen daran beteiligten. Der Anteil der Privataktionäre müsse indessen von wirtschaftlicher Bedeutung sein. Im vorliegenden Fall betrage der Anteil der Privataktionäre am Air-France-Kapital jedoch nur 0,132 %, und der Anteil der von ihnen gezeichneten Wertpapiere sei unbedeutend. Ferner maß die Kommission der Tatsache keine entscheidende Bedeutung bei, daß die Nachfrage von ausländischen Privatanlegern nicht in vollem Umfang berücksichtigt werden konnte. Die Zahl der Wertpapiere, die diese Privatanleger hätten zeichnen wollen, habe nämlich nur einen geringen Prozentsatz (3,3 %) der Gesamtzahl ausgemacht.

19 Den Zeitpunkt der Gewährung der Beihilfe setzte die Kommission auf den Zeitpunkt der Zeichnung der Anleihen, also April 1993, mit der Begründung fest, daß die CDC-P vorher rechtlich nicht zur Zeichnung der Anleihen verpflichtet gewesen sei. Jedenfalls sei als frühestmöglicher Zeitpunkt der 17. Februar 1993 anzusehen, d. h. der Tag, an dem der Vorstand der Air France die Modalitäten der Investition festgelegt und die Emission der Wertpapiere vorgeschlagen habe. Zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung (d. h. frühestens am 17. Februar 1993) habe die CDC-P über die drastische Verschlechterung der Finanzlage von Air France informiert sein müssen. Die steigenden Verluste des Unternehmens im Jahr 1992 (3,2 Milliarden FF 1992 nach 685 Millionen FF 1991 und 717 Millionen FF 1990) hätten ihr bekannt sein müssen, und sie hätte über die kritische Verschuldung des Unternehmens ernsthaft besorgt sein müssen.

20 In diesem Zusammenhang untersuchte die Kommission die Merkmale der Wertpapieremissionen, um deren Übereinstimmung mit den marktüblichen Bedingungen zu prüfen. Sie qualifizierte die ORA als "aufgeschobene Kapitalerhöhung" und fügte hinzu, daß es sich mit den TSIP-BSA ähnlich verhalte. Die Kommission stellte zunächst fest, daß der Nachteil der TSIP-BSA in den schlechten Tilgungsbedingungen im Fall einer Auflösung des Unternehmens liege, weshalb "solche Papiere auf den Kapitalmärkten nicht sehr oft anzutreffen sind", und wies dann darauf hin, daß die Rendite sowohl der ORA als auch der TSIP-BSA weitgehend von der Unternehmensleistung abhänge. Sie führte ferner aus, daß die CDC-P bei der Berechnung der internen Renditen der Wertpapiere zu optimistisch gewesen sei. Hätte die CDC-P die mittel- und langfristig schlechten finanziellen Aussichten der Air France berücksichtigt, so hätte sie den Wert der Aktien, die sie bei der Tilgung erhalten hätte, mit Null beziffern müssen. Die Kommission folgerte daraus, daß ein umsichtiger Privatanleger nicht bereit gewesen wäre, sich bei der Air France finanziell so stark zu engagieren, wie die CDC-P dies getan habe.

21 Ihrer Ansicht nach würde ein langfristig denkender Kapitalanleger bei einem Unternehmen, das Verlust mache, seine Entscheidung auf einen vielversprechenden Umstrukturierungsplan stützen. Im vorliegenden Fall sei die Beihilfe jedoch nicht direkt an den PRE 1 geknüpft gewesen. Jedenfalls sei der PRE 1 aber auch langfristig nicht ausreichend gewesen, um die finanzielle und wirtschaftliche Lebensfähigkeit der Air France zu sichern, da er lediglich auf die Senkung der Betriebskosten und die Verminderung der Finanzierungskosten ausgerichtet gewesen sei, ohne andere finanzielle Faktoren, die als konstant betrachtet worden seien, in ausreichendem Umfang zu behandeln und ohne für den Fall einer weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Air France tiefergreifende Umstrukturierungsmaßnahmen vorzusehen. Nach Ansicht der Kommission hätten der CDC-P zum Zeitpunkt ihrer Investition die strukturellen Schwächen des PRE 1 bekannt sein müssen.

22 Nach alledem kam die Kommission zu dem Ergebnis, daß ein vernünftiger Privatanleger keine 1,5 Milliarden FF in die Air France investiert hätte, und zwar in Anbetracht der schlechten Finanz- und Betriebsleistung und der Tatsache, daß das Unternehmen bis zu jenem Zeitpunkt nicht in der Lage gewesen sei, das Umstrukturierungsprogramm CAP'93 durchzuführen, und daß der PRE 1 zur Verbesserung der Unternehmenssituation offenbar ungeeignet gewesen sei. Letztlich sah sie daher die Kapitalzufuhr als eine Betriebsbeihilfe an, mit der der Air France habe geholfen werden sollen, ihre Finanzkrise vorübergehend zu überwinden.

23 Sie stellte sodann fest,

- daß die betreffende Beihilfe den Wettbewerb verzerre und von Natur aus den Handel zwischen den Mitgliedstaaten und im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) beeinträchtige;

- daß sie nicht unter Artikel 92 Absatz 2 des Vertrages oder unter Artikel 61 Absatz 2 des EWR-Abkommens falle;

- daß sie auch nicht gemäß Artikel 92 Absatz 3 des Vertrages oder gemäß Artikel 61 Absatz 3 des EWR-Abkommens als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden könne.

24 Folglich

- entschied sie, daß die Zeichnung der von der Air France im April 1993 emittierten ORA und TSIP-BSA durch CDC-Participations in Höhe von 1 497 415 290 FF eine rechtswidrige und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe sei (Artikel 1 der Entscheidung);

- forderte sie die Französische Republik auf, die Rückerstattung dieser Beihilfe von 1 497 415 290 FF, abzueglich eventuell bereits von der Air France an die CDC-P gezahlter Zinsen, anzuordnen (Artikel 2).

25 Gemäß ihrem Artikel 4 wurde die Entscheidung der französischen Regierung am 9. August 1994 zugestellt.

26 Am 27. Juli 1994 erließ die Kommission ausserdem die Entscheidung 94/653/EG über die angemeldete Kapitalerhöhung von Air France (ABl. L 254, S. 73), in der sie eine staatliche Beihilfe, die der Air France in Form einer Kapitalerhöhung von 20 Milliarden FF gewährt werden sollte, als mit dem Gemeinsamen Markt und mit dem EWR-Abkommen vereinbar ansah. Darin erwähnt sie die Zeichnung der von der Air France emittierten ORA und TSIP-BSA durch die CDC-P im April 1993. Sie betrachtet die ORA als Quasi-Eigenkapital. Bezueglich der TSIP-BSA weist sie darauf hin, daß für den Zeichner keinerlei Verpflichtung zur Umwandlung bestehe, so daß sie, wenn sie als Finanzinstrument eingeordnet werden müssten, wohl eher als Fremdkapital anzusehen wären.

27 Diese weitere Entscheidung vom 27. Juli 1994 ist von mehreren Fluggesellschaften angefochten worden (Rechtssachen T-371/94, British Airways u. a./Kommission, und T-394/94, British Midland/Kommission).

Verfahren

28 Die Air France hat mit Klageschrift, die am 26. Oktober 1994 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben. Das Gericht (Zweite erweiterte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Es hat jedoch prozeßleitende Maßnahmen beschlossen und die Parteien aufgefordert, bestimmte Unterlagen vorzulegen und eine Reihe von Fragen zu beantworten. In der Sitzung vom 26. Juni 1996 haben die Parteien mündlich verhandelt und die Fragen des Gerichts beantwortet.

29 Die Französische Republik hat beim Gerichtshof eine Parallelklage erhoben, die sich gegen dieselbe Entscheidung richtet (Rechtssache C-282/94). Der Gerichtshof hat das Verfahren mit Beschluß vom 4. April 1995 ausgesetzt.

30 Die Klägerin beantragt,

- festzustellen, daß die Kommission in der angefochtenen Entscheidung gegen die Artikel 92 und 190 des Vertrages verstossen hat, und diese Entscheidung folglich für nichtig zu erklären;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Kommission beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zur Zulässigkeit

31 Die Zulässigkeit der Klage wird von der Kommission nicht bestritten. In der Tat ist die angefochtene Entscheidung zwar nur an die Französische Republik gerichtet, doch betrifft sie die klagende Air France als Begünstigte der fraglichen Beihilfe unmittelbar und individuell im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag (Urteil des Gerichtshofes vom 13. März 1985 in den verbundenen Rechtssachen 296/82 und 318/82, Niederlande und Leeuwarder Papierwarenfabriek/Kommission, Slg. 1985, 809, Randnr. 13).

32 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. z. B. Urteil vom 13. Juli 1989 in der Rechtssache 108/88, Jänicke Cendoya/Kommission, Slg. 1989, 2711, Randnrn. 8 und 9) sind Anträge unzulässig, die darauf gerichtet sind, daß der Gemeinschaftsrichter Rügen für begründet erklärt, auf die eine Nichtigkeitsklage gestützt wird. Daher ist der Antrag, mit dem die Klägerin vom Gericht die Feststellung begehrt, daß die Kommission in der angefochtenen Entscheidung gegen die Artikel 92 und 190 des Vertrages verstossen hat, als solcher als unzulässig zurückzuweisen.

Zur Begründetheit

33 Die Klägerin stützt ihre Klage auf zwei Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund macht sie einen Verstoß gegen Artikel 92 des Vertrages geltend, und zwar im Zusammenhang mit dem Umstand, daß die Kommission durch die Qualifizierung der Air-France-Investition der CDC-P als staatliche Beihilfe offensichtliche Fehler bei der Anwendung dieser Vorschrift begangen habe. Der zweite Klagegrund bezieht sich auf einen Verstoß der Kommission gegen ihre Begründungspflicht gemäß Artikel 190 des Vertrages.

1. Zum Klagegrund eines Verstosses gegen Artikel 92 des Vertrages

34 Im Rahmen ihres ersten Klagegrundes führt die Klägerin mehrere Rügen an. Sie wirft der Kommission nämlich vor, bei der Anwendung des Artikels 92 des Vertrages offensichtliche Fehler begangen zu haben.

35 Die in der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Qualifizierung als staatliche Beihilfe beruhe auf Beurteilungsfehlern in bezug auf

- die Rechtsstellung der Caisse und der CDC-P;

- den Zeitpunkt, zu dem die Investitionsentscheidung von der CDC-P getroffen worden sei;

- den Kontext der Investitionsentscheidung der CDC-P;

- den Umfang der Zeichnungen mehrerer Privataktionäre der Air France und den Umfang anderer Privatinvestitionen bei der Air France;

- die Anwendung des Grundsatzes des umsichtigen Privatanlegers unter Berücksichtigung der Merkmale der emittierten Wertpapiere.

36 Unter den vorliegenden Umständen ist dieser Klagegrund nach Ansicht des Gerichts in zwei Teile zu gliedern: Der erste Teil bezieht sich darauf, daß die streitige Investition keine staatliche sei, und der zweite darauf, daß die Kommission das Kriterium des normalen Verhaltens eines umsichtigen Privatanlegers bezueglich derselben Investition fehlerhaft angewandt habe; in diesem Zusammenhang beruft sich die Klägerin auf eine Reihe verschiedener Argumente.

Zum ersten Teil des ersten Klagegrundes

37 Die Klägerin vertritt die Ansicht, daß die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht davon ausgegangen sei, daß die CDC-P von der Caisse, die selbst wiederum vom französischen Staat kontrolliert werde, nicht unabhängig sei und daß die betreffende Investition auf staatlichen Druck hin getätigt worden sei. In Wirklichkeit seien sowohl die Caisse als auch die CDC-P von der französischen Regierung unabhängig.

38 Dabei beruft sie sich zunächst auf den besonderen Status der aufgrund der Artikel 110 und 115 der Loi sur les finances (Haushaltsgesetz) vom 28. April 1816 eingerichteten Caisse, die als "Établissement spécial" (Einrichtung für Sonderaufgaben) bezeichnet werde und "unter der Aufsicht und dem Schutz der gesetzgebenden Gewalt" stehe. Da die gesetzgebende Gewalt aber von der vollziehenden Gewalt unabhängig sei, könne die Caisse nicht als vom französischen Staat kontrollierte Einrichtung betrachtet werden. Das Vorbringen der Kommission zum Verfahren der Ernennung der Führungskräfte der Caisse, mit dem sie die Caisse als vom französischen Staat abhängig darstellen wolle, sei nicht schlüssig. Die Unwiderruflichkeit des Amtes des Generaldirektors der Caisse - der nach dem genannten Gesetz von 1816 nur der Aufsicht eines unabhängigen Überwachungsausschusses unterliege, der die "gesetzgebende Gewalt" vertrete - solle die Unabhängigkeit des Generaldirektors von jeglichem Druck der vollziehenden Gewalt gewährleisten.

39 Die Klägerin führt weiter aus, daß die "allgemeine Abteilung" der Caisse, die die Tätigkeiten umfasse, bei denen die Caisse als Bank und Anleger im Wettbewerb mit anderen auftrete, nicht der allgemeinen Rechtskontrolle des französischen Rechnungshofs unterliege, der mit der Finanzkontrolle der Verwaltung und ihrer Untergliederungen betraut sei. Ihre Rechnungsführung unterliege im Gegenteil der Kontrolle unabhängiger Rechnungsprüfer, die ihre Aufgaben nach dem auf Handelsgesellschaften anwendbaren allgemeinen Recht wahrnähmen. Die Kommission berücksichtige nicht, daß der Caisse zwei verschiedene Aufgaben übertragen seien, was zur Folge habe, daß die Tätigkeiten ihrer "allgemeinen Abteilung" von der Verwaltung der Sparguthaben völlig getrennt seien; diese letztere sei streng geregelt, da sie im Auftrag des Staates erfolge. Die Mittel, auf die die CDC-P für die streitige Zeichnung zurückgegriffen habe, seien aber in der Bilanz der allgemeinen Abteilung ausgewiesene Eigenmittel der Caisse gewesen, bei denen keinerlei gesetzliche oder sonstige rechtliche Verpflichtung bestehe, vorher die staatlichen Behörden zu konsultieren bzw. eine vorherige oder nachträgliche Genehmigung einzuholen.

40 Ferner trägt die Klägerin vor, daß die Modalitäten der Kontrolle, die die Verwaltung und die Gerichte über die Caisse ausübten, sowie die für sie geltenden Buchführungs- und Steuervorschriften bewiesen, daß die politischen und staatlichen Organe keinen bestimmenden Einfluß auf ihre Tätigkeit hätten.

41 Auch die CDC-P, die eine 100%ige Tochter der Caisse sei, werde unabhängig von der französischen Regierung tätig. Die streitige Zeichnung der von der Air France emittierten Wertpapiere sei von ihrem satzungsmässigen Zweck gedeckt gewesen. Sie übe eine Tätigkeit aus, bei der sie Risikokapital spekulativ einsetze und vor allem dessen Rentabilität im Auge habe, was nicht mit dem Verhalten einer Einrichtung verglichen werden könne, die im Allgemeininteresse liegende Aufgaben wahrzunehmen habe. Ausserdem würden die Vorstandsmitglieder der CDC-P nach deren Satzung von der Hauptversammlung der Aktionäre ernannt und könnten von dieser nach den auf Handelsgesellschaften anwendbaren allgemeinen Vorschriften abberufen werden. Dem Vorstand der CDC-P gehörten Persönlichkeiten der Wirtschaft an, die weder der Gruppe der Caisse noch der staatlichen Verwaltung zuzuordnen seien.

42 Die Klägerin bestreitet jedoch nicht, daß, obwohl die CDC-P die formelle Entscheidung, in die Air France zu investieren, schließlich selbst getroffen hat, ihre Hauptaktionärin, die Caisse, den entscheidenden Anstoß für die Investition gegeben hatte und daß diese mit den von der Caisse bereitgestellten Mitteln getätigt wurde.

43 In rechtlicher Hinsicht wirft sie der Kommission vor, sie lege die Wendung "von einem Staat oder aus staatlichen Mitteln gewährt" in Artikel 92 des Vertrages zu weit aus, indem sie davon ausgehe, daß schon eine blosse Beeinflussung eines Wirtschaftsteilnehmers durch den Staat zu einer Qualifizierung als staatliche Beihilfe führen könne, selbst wenn die Gelder für die betreffende Investition nicht aus staatlichen Mitteln stammten. Die Voraussetzungen des Artikels 92 des Vertrages seien nicht erfuellt, wenn die streitige Beihilfe wie im vorliegenden Fall weder vom Staat noch aus staatlichen Mitteln gewährt worden sei. Die CDC-P habe die streitigen Emissionen unter Verwendung von Mitteln gezeichnet, die aus privater Quelle stammten und von der Caisse bereitgestellt worden seien.

44 Die Klägerin verweist darauf, daß die von der Caisse verwalteten Mittel aus privater Quelle stammten. Aufgrund der anwendbaren nationalen Vorschriften stammten die von der Caisse verwalteten Mittel nämlich aus freiwilligen Einlagen von Privatpersonen oder aus Einlagen der Sparkassen. Bei der Verwaltung von Privatmitteln verhalte sich die Caisse daher hinsichtlich der Mittel der "allgemeinen Abteilung", die im Gegensatz zu den Spareinlagen frei eingesetzt werden könnten, wie ein Anleger, der sich an der Marktentwicklung orientiere. Die Klägerin trägt weiter vor, daß private Sparer die von der Caisse verwalteten Einlagen jederzeit abheben könnten, was im Vergleich zu öffentlichen Mitteln, die aus Steuern stammten und dem Staat voll zur Verfügung stuenden, ein wesentlicher Unterschied sei.

45 Sie folgert daraus, daß die der CDC-P von der Caisse zur Verfügung gestellten Mittel nicht als staatliche Beihilfe qualifiziert werden könnten, da es sich bei den von der Caisse verwalteten Mitteln um private Gelder handele. Die im vorliegenden Fall beanstandete Investition habe weder eine direkte oder indirekte Übertragung staatlicher Mittel noch eine finanzielle Belastung für den Staat mit sich gebracht. In diesem Punkt verweist die Klägerin auf die Urteile des Gerichtshofes vom 24. Januar 1978 in der Rechtssache 82/77 (Van Tiggele, Slg. 1978, 25, Randnr. 25), vom 17. März 1993 in den verbundenen Rechtssachen C-72/91 und C-73/91 (Sloman Neptun, Slg. 1993, I-887, Randnr. 21) und vom 30. November 1993 in der Rechtssache C-189/91 (Kirsammer-Hack, Slg. 1993, I-6185, Randnrn. 17 und 18).

46 Unter Berufung auf die Urteile vom 21. März 1991 in der Rechtssache C-303/88 (Italien/Kommission, Slg. 1991, I-1433) und vom 2. Februar 1988 in den verbundenen Rechtssachen 67/85, 68/85 und 70/85 (Van der Kooy u. a./Kommission, Slg. 1988, 219) sowie auf die Schlussanträge des Generalanwalts in der letztgenannten Rechtssache (a. a. O., 240) führt sie aus, daß weder die Caisse noch die CDC-P im vorliegenden Fall auf Anordnung des Staates oder unter seinem vorherrschenden oder tatsächlichen Einfluß gehandelt hätten. Da die Caisse und die CDC-P weder staatliche noch vom Staat kontrollierte private Einrichtungen seien und sie ihre Entscheidungen unabhängig von jeder vorherigen Anweisung oder nachträglichen Genehmigung des Staates getroffen hätten, habe die Kommission die Zeichnung der Air-France-Emissionen im April 1993 nicht als staatliche Beihilfe qualifizieren dürfen.

47 Die Kommission verweist zunächst auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes, wonach das Verbot des Artikels 92 Absatz 1 des Vertrages sich auf alle von den Mitgliedstaaten gewährten Beihilfen erstrecke, ohne daß danach zu unterscheiden wäre, ob die Beihilfe unmittelbar durch den Staat oder durch von ihm zur Durchführung der Beihilferegelung errichtete oder damit beauftragte öffentliche oder private Einrichtungen gewährt werde (Urteil Van der Kooy/Kommission, a. a. O., Randnr. 35). Im vorliegenden Fall habe die Caisse nach den geltenden nationalen Vorschriften die Aufgabe, öffentliche und private Mittel zu verwalten, die oft aufgrund einer gesetzlichen oder sonstigen rechtlichen Verpflichtung bei ihr deponiert werden müssten. Im übrigen sei die Verwendung der von der Caisse verwalteten Mittel ebenso wie die Abhebung der Einlagen durch Rechtsvorschriften geregelt.

48 In diesem Zusammenhang verweist die Kommission auf das Urteil des Gerichtshofes vom 2. Juli 1974 in der Rechtssache 173/73 (Italien/Kommission, Slg. 1974, 709, Randnr. 35), wonach es sich um staatliche Mittel handele, wenn die fraglichen Fonds zum einen nach innerstaatlichen Rechtsvorschriften durch Zwangsbeiträge gespeist würden und zum anderen gemäß diesen Rechtsvorschriften verwaltet und verteilt würden, selbst wenn ihre Verwaltung nichtstaatlichen Organen anvertraut sei. Ihrer Ansicht nach sind die aufgrund gesetzlicher oder sonstiger rechtlicher Verpflichtungen geleisteten Einlagen bei der Caisse als Zwangsbeiträge im Sinne dieses Urteils zu betrachten. Jedenfalls sei der Nachweis nicht erforderlich, daß gerade die Mittel, deren Verwendung nach den Rechtsvorschriften vorgesehen sei, besonders und ausdrücklich für die Beihilfemaßnahmen eingesetzt würden (Urteil vom 21. März 1991, Italien/Kommission, a. a. O., Randnr. 14). Daher könnten die Einlagen bei der Caisse nicht als private Mittel betrachtet werden.

49 Die Kommission weist darauf hin, daß der Staat an der Ernennung der Führungskräfte der Caisse beteiligt sei. So werde der Generaldirektor der Caisse nach den geltenden nationalen Vorschriften auf Bericht des Wirtschafts- und Finanzministers vom Präsidenten der Republik ernannt. Der Umstand, daß der Generaldirektor im maßgeblichen Zeitpunkt nur auf Antrag des Überwachungsausschusses vom Präsidenten der Republik habe abberufen werden können, könne die Rolle des Staates nicht mindern, da fast alle Mitglieder dieses Ausschusses dem Staatsapparat angehörten. Die Regierung ernenne die übrigen Führungskräfte der Caisse sowie die "administrateurs civils" (Beamte des höheren Dienstes), und das planmässige Personal unterliege dem allgemeinen Beamtenrecht. Es könne daher gar keinen Zweifel daran geben, daß der Staat bei der Caisse eine entscheidende Rolle spiele.

50 Zum Überwachungsausschuß führt die Kommission aus, der Umstand, daß dieser die gesetzgebende Gewalt vertrete, spreche nicht gegen die Annahme, daß die Caisse dem Staat untergeordnet sei. Der Staat trage nämlich die gemeinschaftsrechtliche Verantwortung unabhängig davon, auf welches Organ die Vertragsverletzung zurückgehe. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes auf anderen Gebieten sei es bei einem Tätigwerden des Staates gleichgültig, in welcher Eigenschaft er tätig werde (Urteile vom 26. Februar 1986 in der Rechtssache 152/84, Marshall, Slg. 1986, 723, Randnr. 49, und vom 15. Mai 1986 in der Rechtssache 222/84, Johnston, Slg. 1986, 1651, Randnr. 56). Man könne daher nicht leugnen, daß die Maßnahmen der Caisse als staatliche Maßnahmen anzusehen seien, und zwar unabhängig davon, aus welcher Abteilung die für eine bestimmte Maßnahme eingesetzten Mittel stammten.

51 Die Kommission schließt daraus, daß die Vorschriften des Vertrages über staatliche Beihilfen auf die Caisse als öffentlich-rechtliche Einrichtung unabhängig von ihrer besonderen Ausgestaltung anwendbar seien. Selbst wenn die Caisse theoretisch der gesetzgebenden Gewalt unterstehe, könne man ihre Tätigkeiten nicht von der gemeinschaftsrechtlichen Kontrolle der staatlichen Beihilfen ausnehmen. Da sie eine öffentlich-rechtliche Einrichtung sei, könne nicht bestritten werden, daß ihre Tätigkeiten dem Staat zuzurechnen seien.

52 In ihrer Erwiderung bestreitet die Klägerin die Maßgeblichkeit der Urteile vom 2. Juli 1974 und 21. März 1991 (Italien/Kommission, a. a. O.), auf die sich die Kommission berufe, weil sie damit nachzuweisen versuche, daß die von der CDC-P eingesetzten Mittel staatlichen Charakter hätten. Da die von der Caisse bereitgestellten Mittel zum einen private Mittel seien, könne man sie nämlich keineswegs als vom Staat gewährte "Kapitalzuschüsse" betrachten; zum anderen seien diese privaten Mittel, da sie bestimmte fällige Forderungen der Einleger gegen die Caisse darstellten, keinesfalls nach den Rechtsvorschriften des Staates vorgeschriebene "Zwangsbeiträge" und könnten daher auch nicht als staatliche Mittel qualifiziert werden.

53 Die Klägerin fügt hinzu, daß der Überwachungsausschuß eine echte Kontrollinstanz sei, die die Entscheidungen des Generaldirektors der Caisse tatsächlich beeinflusse. Jedenfalls habe die Kommission keinerlei Beweis dafür erbracht, daß die Entscheidung der Caisse, der CDC-P einen Teil ihrer Eigenmittel für die streitige Investition zur Verfügung zu stellen, vom Überwachungsausschuß nicht kontrolliert worden sei.

54 Ausserdem beruhe der von der Kommission verwendete Begriff "Staatsapparat" auf einer mißbräuchlichen Verallgemeinerung des Begriffes der staatlichen Behörde im Sinne des Artikels 92 des Vertrages. Die einzigen staatlichen Behörden, die über die Gewährung einer wirtschaftlichen Vergünstigung entscheiden könnten, die möglicherweise eine staatliche Beihilfe darstelle, seien nämlich diejenigen, die über politische Macht verfügten, so daß sie im Allgemeininteresse liegende Maßnahmen treffen könnten, also die Regierung und die Zentralverwaltung des Staates, die die von der Regierung festgelegten Richtlinien der Wirtschaftspolitik umzusetzen habe.

Würdigung durch das Gericht

55 Es ist zu prüfen, ob die von der CDC-P getätigte streitige Investition von der Kommission zu Recht als Ergebnis einer dem französischen Staat zuzurechnenden Verhaltensweise betrachtet werden konnte (Urteil vom 21. März 1991, Italien/Kommission, a. a. O., Randnr. 11).

56 Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages und Artikel 61 Absatz 1 des EWR-Abkommens beziehen sich auf staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen "gleich welcher Art". Daher muß sich die Auslegung dieser Vorschriften, statt sich auf formale Kriterien zu stützen, am Zweck der Vorschriften orientieren, die gemäß Artikel 3 Buchstabe g des Vertrages den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts vor Verfälschungen schützen sollen. Daraus folgt, daß alle vom öffentlichen Sektor ausgehenden Subventionen, die den freien Wettbewerb zu verfälschen drohen, unter die genannten Vorschriften fallen, ohne daß sie von der Regierung oder einer Zentralverwaltung eines Mitgliedstaats gewährt werden müssten (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 21. März 1991 in der Rechtssache C-305/89, Italien/Kommission, Slg. 1991, I-1603, Randnr. 13, und Urteil Sloman Neptun, a. a. O., Randnr. 19).

57 Im vorliegenden Fall braucht das Gericht nur die Rechtsstellung der Caisse zu prüfen. Obwohl die betreffenden Wertpapiere formal von der CDC-P, einer privatrechtlichen Aktiengesellschaft, gezeichnet wurden, hat die Klägerin ausdrücklich eingeräumt (Erwiderung, Punkt 12), daß "diese Investition von ihrer Mehrheitsaktionärin, [der Caisse] entscheidend angeregt und mit den von ihr bereitgestellten Mitteln getätigt wurde". Daraus folgt, daß die fragliche Zeichnung jedenfalls der Caisse zuzurechnen ist. Die Argumentation der Klägerin zur angeblichen Unabhängigkeit der CDC-P ist daher irrelevant.

58 In bezug auf die Caisse ist festzustellen, daß sie durch das Haushaltsgesetz von 1816 als "Etablissement spécial" gegründet wurde, das "unter der Aufsicht und Garantie der gesetzgebenden Gewalt" steht, daß ihre Aufgaben - zu denen insbesondere die Verwaltung öffentlicher und privater, aus Zwangseinlagen stammender Gelder gehört - in Rechtsvorschriften geregelt sind und daß ihr Generaldirektor vom Präsidenten der Republik ernannt wird, während die übrigen Direktoren von der Regierung ernannt werden.

59 Diese Anhaltspunkte reichen aus, um die Caisse als dem öffentlichen Sektor zugehörig zu betrachten. Zwar ist sie lediglich der "gesetzgebenden Gewalt" zugeordnet. Diese ist aber eine der verfassungsmässigen Gewalten eines Staates, so daß ihr Verhalten zwangsläufig dem Staat zuzurechnen ist.

60 Für diese Auffassung spricht die Rechtsprechung des Gerichtshofes auf dem Gebiet der Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats nach Artikel 169 des Vertrages, der zufolge die Verantwortlichkeit eines Mitgliedstaats unabhängig davon besteht, welches Staatsorgan durch sein Handeln oder Unterlassen den Verstoß verursacht hat, "selbst wenn es sich um ein verfassungsmässig unabhängiges Organ handelt" (Urteil vom 5. Mai 1970 in der Rechtssache 77/69, Kommission/Belgien, Slg. 1970, 237, Randnr. 15). Dies gilt auch für den Bereich der Kontrolle staatlicher Beihilfen, denn der Gerichtshof hat festgestellt, daß die Klagemöglichkeit nach Artikel 93 Absatz 2 Unterabsatz 2 des Vertrages nur eine Sonderform der Vertragsverletzungsklage darstellt, die auf die besonderen Probleme abgestimmt ist, die staatliche Beihilfen für den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes mit sich bringen (Urteil vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache C-301/87, Frankreich/Kommission, Slg. 1990, I-307, Randnr. 23).

61 Daraus folgt, daß die Kommission die Caisse zu Recht als zum öffentlichen Sektor gehörende Einrichtung qualifiziert hat, deren Verhalten dem französischen Staat zuzurechnen ist.

62 Dieses Ergebnis wird nicht widerlegt durch das Vorbringen zur rechtlichen Unabhängigkeit der Caisse gegenüber den politischen Staatsorganen, zur Unwiderruflichkeit des Amtes ihres nur der Aufsicht eines unabhängigen Überwachungsausschusses unterstellten Generaldirektors, zum besonderen Status der Caisse im Verhältnis zum Rechnungshof sowie zu den für sie geltenden besonderen Buchführungs- und Steuervorschriften. Dabei handelt es sich um Gesichtspunkte der internen Organisation des öffentlichen Sektors, und der öffentliche Charakter einer Stelle wird durch die Existenz von Vorschriften, die ihre Unabhängigkeit von anderen Stellen gewährleisten, nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Es kann nach dem Gemeinschaftsrecht nicht zulässig sein, daß die Vorschriften über staatliche Beihilfen durch die blosse Tatsache, daß unabhängige Einrichtungen geschaffen werden, denen die Verteilung der Beihilfen übertragen wird, umgangen werden.

63 Soweit die Klägerin ferner den Charakter der streitigen Investition als staatliche Beihilfe unter Hinweis auf die private Herkunft der von der Caisse verwalteten Gelder sowie unter Hinweis darauf bestreitet, daß die Einleger jederzeit die Rückzahlung dieser Gelder verlangen könnten, ist daran zu erinnern, daß die streitige Investition nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil Van Tiggele, a. a. O., Randnr. 25, und Urteil vom 13. Oktober 1982 in den verbundenen Rechtssachen 213/81, 214/81 und 215/81, Norddeutsches Vieh- und Fleischkontor, Slg. 1982, 3583, Randnr. 22) nur dann als staatliche Beihilfe betrachtet werden kann, wenn sie als ein direkt oder indirekt aus staatlichen Mitteln gewährter Vorteil anzusehen ist, was voraussetzt, "daß die Mittel für die Beihilfe vom Mitgliedstaat stammen".

64 Die Klägerin ist der Ansicht, daß die bei der Caisse deponierten Gelder, da sie rückzahlbar seien, nicht das gleiche seien wie die im Urteil vom 2. Juli 1974 (Italien/Kommission, a. a. O.) geprüften "Zwangsbeiträge", denn nur letztere stuenden dem Staat endgültig zur Verfügung. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß der Gerichtshof in diesem Urteil (Randnrn. 33 bis 35) entschieden hat, daß die teilweise Befreiung von den Soziallasten, die die Unternehmen eines besonderen Wirtschaftssektors zu tragen hatten, eine Beihilfe im Sinne des Artikels 92 des Vertrages darstellte, da der daraus folgende Einnahmeverlust durch Mittel aus nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgeschriebenen Zwangsbeiträgen ausgeglichen wurde.

65 Zwar unterscheidet sich der vorliegende Fall von der Fallkonstellation, um die es in dem genannten Urteil ging, da die bei der Caisse deponierten Einlagen nicht als verlorener Zuschuß gezahlt werden, sondern von den Einlegern wieder abgehoben werden können. Daher stehen diese Gelder dem öffentlichen Sektor im Gegensatz zu Einnahmen aus Steuern oder Zwangsbeiträgen nicht dauernd zur Verfügung. Es ist jedoch zu prüfen, inwieweit sich dieser Rechtsstatus der von der Caisse verwalteten Mittel in der wirtschaftlichen Realität widerspiegelt, wobei insbesondere zu berücksichtigen ist, daß sich das Gemeinschaftsrecht auf aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen "gleich welcher Art" bezieht.

66 Dazu ist festzustellen, daß durch den Zu- und Abfluß von Geldern bei der Caisse ein konstanter Saldo entsteht, den diese so verwenden kann, als stuenden ihr die diesem Saldo entsprechenden Mittel endgültig zur Verfügung. Deshalb kann sich die Caisse - wie die Klägerin selbst ausgeführt hat - "wie ein an der Marktentwicklung orientierter Anleger verhalten" (Klageschrift, Punkt 11), indem sie in eigener Verantwortung auf diesen verfügbaren Saldo zurückgreift.

67 Das Gericht ist der Auffassung, daß die mit dem verfügbaren Saldo der Caisse finanzierte streitige Investition den Wettbewerb im Sinne des Artikels 92 Absatz 1 des Vertrages ebenso verfälschen kann, als wäre die Investion aus Einnahmen aus Steuern oder Zwangsbeiträgen finanziert worden. Diese Vorschrift erfasst also alle Geldmittel, auf die der öffentliche Sektor tatsächlich zur Unterstützung von Unternehmen zurückgreifen kann, ohne daß es dafür eine Rolle spielt, ob diese Mittel auf Dauer zum Vermögen dieses Sektors gehören. Daß die von der Caisse eingesetzten Mittel zurückgezahlt werden mussten, ist daher unerheblich. Im übrigen ergeben sich aus den Akten keine Anhaltspunkte für die Annahme, daß die Vornahme der streitigen Investition durch die Rückzahlbarkeit der eingesetzten Mittel behindert worden wäre.

68 Diese Schlußfolgerung wird auch nicht widerlegt durch das Urteil des Gerichtshofes vom 30. Januar 1985 in der Rechtssache 290/83 (Kommission/Frankreich, Slg. 1985, 439, Randnr. 15), in dem entschieden worden ist, daß "eine Beihilfe, die... von einer öffentlichen Einrichtung beschlossen und finanziert worden ist, deren Durchführung von einer staatlichen Genehmigung abhängig ist,... unter Artikel 92 EWG-Vertrag [fällt]". Dieses Urteil ist nicht dahin auszulegen, daß die Qualifizierung als staatliche Beihilfe stets eine Genehmigung durch den Staat voraussetzen würde, auch dann, wenn die betreffende Finanzierungsmaßnahme von einer Einrichtung beschlossen und finanziert worden ist, die bereits selbst zum öffentlichen Sektor gehört; der Gerichtshof hat in diesem Urteil lediglich alle Faktoren aufgezählt, die in dieser Rechtssache tatsächlich eine Rolle gespielt haben, um daraus den Schluß zu ziehen, daß alle diese Faktoren zusammen den Tatbestand des Artikels 92 Absatz 1 des Vertrages erfuellten. Obwohl die von der Caisse getätigte streitige Investition nicht von der französischen Regierung genehmigt wurde, genügt die Tatsache, daß die zum öffentlichen Sektor gehörende Caisse für diese Investition ihr zur Verfügung stehende Mittel eingesetzt hat, um die Investition als staatliche Maßnahme zu qualifizieren, die eine Beihilfe im Sinne des Artikels 92 Absatz 1 des Vertrages darstellen konnte.

69 Daraus folgt, daß der erste Teil des ersten Klagegrundes nicht durchgreift.

Zum zweiten Teil des ersten Klagegrundes

70 Soweit die Klägerin, die sich dabei auf mehrere Argumente stützt, der Kommission vorwirft, sie habe das Kriterium des Verhaltens eines unter normalen Marktbedingungen handelnden umsichtigen Privatanlegers im vorliegenden Fall fehlerhaft angewandt, ist zunächst daran zu erinnern, daß dieses Kriterium eine Ausprägung des Grundsatzes der Gleichbehandlung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor ist, wonach Mittel, die der Staat einem Unternehmen direkt oder indirekt unter normalen Marktbedingungen zur Verfügung stellt, nicht als staatliche Beihilfen anzusehen sind (Urteil vom 21. März 1991 in der Rechtssache C-303/88, Italien/Kommission, a. a. O., Randnr. 20).

71 Zweitens ist darauf hinzuweisen, daß der Gerichtshof in seinem Urteil vom 29. Februar 1996 in der Rechtssache C-56/93 (Belgien/Kommission, Slg. 1996, I-723, Randnrn. 10 und 11) bei der Prüfung des Klagegrundes einer offensichtlich fehlerhaften Würdigung des Sachverhalts und des Klagegrundes einer irrigen Auslegung von Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages die Auffassung vertreten hat, daß die Prüfung, die die Kommission daraufhin vornimmt, ob eine bestimmte Maßnahme als Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages angesehen werden kann, weil der Staat nicht "wie ein normaler Wirtschaftsteilnehmer" gehandelt habe, eine komplexe wirtschaftliche Würdigung umfasst. Im vorliegenden Fall war mit der Anwendung des Kriteriums des normalen Verhaltens eines umsichtigen Privatanlegers durch die Kommission ebenfalls eine komplexe wirtschaftliche Würdigung verbunden.

72 Nach ständiger Rechtsprechung steht der Kommission jedoch ein Ermessen zu, wenn sie eine Handlung vornimmt, die eine solche Würdigung einschließt. Die gerichtliche Kontrolle muß sich auf die Prüfung der Fragen beschränken, ob die Vorschriften über das Verfahren und die Begründung eingehalten worden sind, ob der Sachverhalt, der der getroffenen Entscheidung zugrunde gelegt wurde, zutreffend festgestellt worden ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Würdigung dieses Sachverhalts oder ein Ermessensmißbrauch vorliegt (Urteil Belgien/Kommission, a. a. O., Randnr. 11).

73 Das Vorbringen der Klägerin ist im Lichte der vorstehenden Erwägungen zu prüfen.

Zum Argument der ungenauen Ermittlung des Zeitpunkts, zu dem die CDC-P ihre Investitionsentscheidung getroffen hat

- Vorbringen der Parteien

74 Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe dadurch, daß sie in der angefochtenen Entscheidung lediglich den Zeitpunkt der tatsächlichen Zeichnung der von der Air France emittierten Wertpapiere durch die CDC-P, nämlich April 1993, zugrunde gelegt habe, verkannt, wieviel Zeit die Vorbereitung und Durchführung einer so komplexen Maßnahme wie der Emission der ORA und der TSIP-BSA beanspruchten. Die CDC-P habe sich nämlich an der Vorbereitung dieser Emissionen beteiligt und von Anfang an bei der Ausarbeitung der Finanzierung mitgewirkt, die schließlich der Öffentlichkeit angeboten worden sei. So hätten die ersten Kontakte zwischen der Air France und der CDC-P im November 1992 stattgefunden. Im Dezember 1992 hätten die Air France und die CDC-P aufgrund einer von der Air France erstellten günstigen Prognose der mittelfristigen finanziellen Perspektiven vereinbart, langfristige Prognosen zu erstellen, die im Januar 1993 hätten fertiggestellt werden sollen. Der Vorstand der CDC-P sei schon im Januar 1993 offiziell über die streitige Maßnahme informiert worden. Die CDC-P habe damals der Air France ein Zeichnungsangebot in Höhe des Betrages der geplanten öffentlichen Zeichnungsaufforderung unterbreitet, was für sie einer Garantie für die erfolgreiche Durchführung der geplanten Maßnahme gleichgekommen sei.

75 Die Klägerin führt aus, daß die "erhebliche Verschlechterung der Finanzstruktur der Air France", mit der die Kommission die Qualifizierung der streitigen Investition als staatliche Beihilfe begründet habe, erst gegen Ende des ersten Quartals 1993 bekannt geworden sei. Die der Investitionsentscheidung zugrunde liegenden Rentabilitätsstudien seien aber aufgrund der Rechnungsabschlüsse vom 30. September 1992 erstellt worden - andere Zahlen hätten Ende 1992 nicht vorgelegen -, während im ersten Quartal 1993 lediglich die geplanten Emissionen durchgeführt worden seien. Die Zeichnung im April 1993 sei daher nur der formale Abschluß eines Prozesses gewesen, der sich aus einer ganz am Anfang des Jahres 1993, also noch vor der Verschlechterung der finanziellen Lage, getroffenen wirtschaftlichen Entscheidung ergeben habe.

76 Die Klägerin ist der Ansicht, die Kommission habe, indem sie dem formalen Aspekt der Investition, also der Zeichnung im April 1993, mehr Bedeutung beigemessen habe als dem tatsächlichen Zeitpunkt der Entscheidungsfindung, den Zeitpunkt der wirtschaftlichen Bewertung der Maßnahme vier Monate nach dem Zeitpunkt angesetzt, zu dem die Entscheidung tatsächlich getroffen worden sei. Damit habe die Kommission gegen ihre eigenen Grundsätze auf dem Gebiet des Wettbewerbs und der staatlichen Beihilfen verstossen, wonach sie sich nach dem wirtschaftlichen Wesen der Maßnahme und nicht nach deren Rechtsform zu richten habe. So habe sie grundlos die ihren Interessen am meisten entsprechende Lösung gewählt, ohne zu berücksichtigen, wie eine öffentliche Zeichnungsaufforderung in Wirklichkeit praktisch ablaufe.

77 Die Kommission trägt vor, in der angefochtenen Entscheidung habe der Zeitpunkt der Investitionsentscheidung der CDC-P entsprechend den üblichen Handelspraktiken auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Zeichnung im April 1993 festgelegt werden müssen und dieser Zeitpunkt habe jedenfalls nicht vor dem 17. Februar 1993 liegen können. Indem sie berücksichtigt habe, daß vor diesem Zeitpunkt keinerlei rechtlich unwiderrufliche Entscheidung habe getroffen werden können, habe sie nicht nur der rechtlichen Form, sondern darüber hinaus den tatsächlichen Kräfteverhältnissen und Einfluessen Rechnung getragen. In dem Schreiben, das die französischen Behörden am 7. Januar 1994 an die Kommission gerichtet hätten, sei eindeutig davon die Rede, daß "die CDC-P im Februar 1993 zu der Entscheidung gelangt ist", die streitige Emission zu zeichnen.

- Würdigung durch das Gericht

78 In der angefochtenen Entscheidung (ABl., S. 32) hat die Kommission aufgrund der Angaben der französischen Behörden folgende Feststellungen getroffen:

"Der Air-France-Vorstand [legte] nach Verhandlungen mit CDC-P die Anleihemodalitäten fest und schlug den Aktionären am 17. Februar 1993 vor, die Emission zu genehmigen. Am 24. März 1993 wurde schließlich auf einer ausserordentlichen Hauptversammlung mit der Genehmigung der endgültigen Modalitäten die Emission der Anleihen beschlossen. Auf der Grundlage normaler Geschäftspraktiken sollte die Zeichnung der Papiere (d. h. April 1993) als Zeitpunkt der von CDC-P getroffenen Investitionsentscheidung betrachtet werden. Die französischen Behörden konnten keinen Nachweis dafür erbringen, daß CDC-P rechtsverbindlich verpflichtet war, die Anleihen vor diesem Zeitpunkt zu zeichnen. Ohne eine bindende Rechtshandlung müsste jede vor der Zeichnung abgegebene Erklärung von CDC-P als blosse Absichtserklärung gewertet werden. Doch selbst wenn CDC-P die Investitionsentscheidung vor April 1993 getroffen hatte und nicht mehr rückgängig machen konnte, ist als frühestmöglicher Zeitpunkt der 17. Februar anzusehen (d. h. der Tag, an dem der Vorstand die Emission der Anleihen vorschlug). Vor diesem Zeitpunkt lagen die endgültigen Modalitäten der Emission noch nicht fest, so daß CDC-P nicht ausreichend informiert war, um eine endgültige Entscheidung treffen oder irgendeine Verpflichtung eingehen zu können."

79 Diese Begründung der Kommission weist keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler auf. Ein umsichtiger Privatanleger hätte nämlich unter normalen Umständen keine Entscheidung getroffen, die ihn unwiderruflich zur Vornahme einer Investition in der Grössenordnung der streitigen Investition oder zur Übernahme einer Garantie für ihre Vornahme verpflichtet hätte, solange die Modalitäten dieser Investition noch nicht endgültig festlagen. Im vorliegenden Fall hätte er eine solche Entscheidung also nicht vor dem 17. Februar 1993 getroffen. In einer Situation wie der im vorliegenden Rechtsstreit in Rede stehenden, in der der Zeichnung der streitigen Wertpapiere im April 1993 monatelange Verhandlungen zwischen dem Emittenten und dem Zeichner vorausgegangen waren, hätte ein umsichtiger Privatanleger über diesen Verhandlungszeitraum hinweg die wirtschaftliche und finanzielle Entwicklung des betreffenden Unternehmens, in das er investieren wollte, aufmerksam beobachtet. Falls ein wichtiges negatives Ereignis eingetreten wäre, hätte er nicht gezögert, seinen Plan aufzugeben, solange er nicht rechtlich verpflichtet war, ihn durchzuführen. Die Kommission konnte daher davon ausgehen, daß die Investitionsentscheidung im vorliegenden Fall im April 1993 oder frühestens am 17. Februar 1993 getroffen wurde.

80 Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, welche maßgeblichen wirtschaftlichen und finanziellen Faktoren ein umsichtiger Privatanleger zu diesem Zeitpunkt vernünftigerweise hätte berücksichtigen können und müssen, wird im Rahmen des nächsten Arguments geprüft.

81 Somit ist das Argument der ungenauen Ermittlung des Zeitpunkts, zu dem die Investitionsentscheidung getroffen wurde, zurückzuweisen.

Zum Argument der fehlerhaften Untersuchung des Kontextes der Investitionsentscheidung der CDC-P

- Vorbringen der Parteien

82 Die Klägerin wirft der Kommission vor, sie habe in der angefochtenen Entscheidung keinerlei Untersuchung des allgemeinen Kontextes des Luftverkehrsmarkts zur Zeit der streitigen Geschäfte vorgenommen. Eine Untersuchung des unmittelbaren Kontextes der streitigen Investition hätte ergeben, daß ein umsichtiger Privatanleger durchaus eine ähnliche Entscheidung hätte treffen können. Obwohl die im maßgeblichen Zeitpunkt verfügbaren Informationen gezeigt hätten, daß sich die Lage der Air France im Geschäftsjahr 1992 verschlechtert habe, habe die CDC-P zu Recht verschiedene Anhaltspunkte berücksichtigt, die eine rasche Besserung der Lage hätten erwarten lassen. Dazu gehörte nach Ansicht der Klägerin auch die erneute Zunahme des Verkehrs bei der Air France im Jahr 1992 (+ 11,2 % Ende November 1992).

83 Die Klägerin fügt hinzu, daß die Entscheidung, die streitigen Wertpapiere zu zeichnen, weitgehend durch den im Oktober 1992 aufgestellten Umstrukturierungsplan (PRE 1) der Air France bedingt gewesen sei, mit dem der Plan CAP'93 habe ergänzt werden sollen und der darauf abgezielt habe, das finanzielle Gleichgewicht schon 1994 wiederherzustellen; die Umstrukturierung der Air France sei im übrigen bereits seit mehreren Jahren im Gange gewesen. Daher habe die CDC-P eine Verbesserung der finanziellen Lage in den nächsten Jahren erwarten können, obwohl die Air France 1992 nicht die erwarteten Ergebnisse erzielt habe. Der PRE 1 habe deutlich die Entschlossenheit der Unternehmensleitung der Air France gezeigt, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die jährliche Eigenfinanzierungskapazität um 3 Milliarden FF zu steigern, den Personalbestand zur Erhöhung der Produktivität weiter abzubauen und eine aggressivere Geschäftspolitik zu betreiben. Die CDC-P habe daher davon ausgehen können, daß der massive Stellenabbau (5 000 Stellen in zwei Jahren), die Durchführung geschäftlicher Maßnahmen, mit denen dem Rückgang des Einheitsertrags habe begegnet werden sollen, sowie die Ziele der Pläne CAP'93 und PRE 1 zusammengenommen (+ 4,5 Milliarden FF Bruttogewinn 1994) den Schwierigkeiten der Air France angemessen seien, obwohl die Durchführung der in diesen Plänen vorgesehenen Maßnahmen erhebliche Zeit beanspruchen würde.

84 Die Klägerin führt weiter aus, daß sich die angesichts der im PRE 1 vorgesehenen Maßnahmen bestehende Aussicht auf eine Erholung der Air France durch die Prognosen für die Entwicklung des Luftverkehrsmarkts im Jahr 1993 noch verbessert habe: Zum einen habe die Air France Anfang 1993 mit einer Steigerung ihres Passagier- und Frachtverkehrs gerechnet; zum anderen habe die Compagnie financière Edmond de Rothschild Banque in einer Studie vom 13. Januar 1993 über eine Kapitalerhöhung der Air France ausgeführt, daß es auf dem Luftverkehrsmarkt, obwohl er sich in einem Konjunkturtief befinde, kurzfristig einige positive Anzeichen für Anleger gebe.

85 Insbesondere unter Berufung auf die Unzulänglichkeiten der Umstrukturierungspläne der Air France habe die Kommission die angefochtene Entscheidung auf Umstände gestützt, die den Anlegern zu dem Zeitpunkt, zu dem sie sich für die Zeichnung der streitigen Wertpapiere entschieden hätten, nicht hätten bekannt sein können. So sei das Scheitern des Plans PRE 1 die Folge von Ereignissen gewesen, die im ersten Halbjahr 1993 eingetreten seien. Ausserdem sei der Umstrukturierungsplan CAP'93 im April 1993 noch gültig gewesen, so daß die Kommission nicht habe davon ausgehen können, daß die finanziellen Ziele des CAP'93 im Zeitpunkt der betreffenden Zeichnung nicht hätten erreicht werden können. Ebensowenig habe der CDC-P im Zeitpunkt der streitigen Investition der Rückgang des Passagierverkehrs in den ersten vier Monaten des Jahres 1993 oder die finanzielle Situation der Air France nach dem September 1992 bekannt sein können.

86 Zum mittelfristigen und langfristigen Kontext der streitigen Investition führt die Klägerin aus, daß man aufgrund der Zukunftsaussichten des Sektors der Fluggesellschaften im allgemeinen wie auch der Air France im besonderen habe annehmen können, daß eine Teilnahme an den betreffenden Emissionen gute Chancen für finanzielle Gewinne biete. Sie verweist wiederum auf die Rothschild-Studie und trägt insbesondere vor, daß nach dieser Studie "die Rentabilität der Gesellschaften, die ihre Produktivität werden steigern können, im Zeitpunkt des Wirtschaftsaufschwungs erheblich zunehmen wird", weshalb "einige Experten diesen gesamten Sektor langfristig empfehlen".

87 Dabei verweist die Klägerin auf die Vorteile, die der Air France zugute kämen, nämlich der privilegierte Zugang zum Flughafen Charles-de-Gaulle in Roissy-en-France, ein in Frankreich wie auch international hervorragend ausgebautes Liniennetz, sowie eine Finanzstruktur, die Ende 1992 mit derjenigen ihrer Hauptkonkurrenten vergleichbar oder noch besser gewesen sei. Die Verschuldung der Air France habe sich auf 33 % ihres Umsatzes belaufen, gegenüber 38 % bei British Airways, 41 % bei Swissair oder 67 % bei Japan Airlines. Das Verhältnis zwischen dem Nettörgebnis und dem Umsatz des Air-France-Konzerns sei Ende 1992 mit dem seiner Konkurrenten absolut vergleichbar gewesen. Aus all diesen Gründen habe die Geschäftsbank Lehman Brothers in einer im September 1993 veröffentlichten Studie auf das Potential der Air France hingewiesen und ausgeführt: "There is a great potential for Air France to become one of Europe's most succeßful airlines... Air France has the potential to become a profitable, leading European carrier."

88 Ausserdem habe die Kommission die optimistische Bewertung der langfristigen Marktentwicklung in ihrer Entscheidung 94/118/EG vom 21. Dezember 1993 über eine Beihilfe Irlands zugunsten des Är-Lingus-Konzerns (ABl. 1994, L 54, S. 30) selbst bestätigt, in der sie ausgeführt habe, daß die langfristigen Prognosen für das Luftfahrtgewerbe durchaus positiv seien und daß in den beiden kommenden Jahren mit besseren Ergebnissen zu rechnen sei, wenn sich die Wirtschaft insgesamt erholen sollte (ABl., S. 38). Darüber hinaus habe die Kommission in ihrer genannten Entscheidung 94/653 vom 27. Juli 1994, die sie am gleichen Tag erlassen habe wie die angefochtene Entscheidung und mit der sie die angemeldete Kapitalerhöhung der Air France genehmigt habe, ausgeführt, daß im Passagierverkehr 1992 und 1993 Zuwächse von 14 % bzw. 9 % verzeichnet worden seien und daß die Aussichten für das europäische Luftverkehrsgewerbe mittelfristig (1994/1997) recht positiv seien, da wahrscheinlich mit einem Verkehrszuwachs von 6 % zu rechnen sei (ABl., S. 82).

89 Die Klägerin führt weiter aus, daß die Kommission in der angefochtenen Entscheidung einen ganz anderen Standpunkt eingenommen habe als in der Entscheidung über die Emission von ORA durch die Air France im Juli 1992; damals habe sie nämlich den Besitz von Air-France-Aktien im Jahr 2000 "angesichts der Entwicklungsperspektiven des Air-France-Konzerns und der Aussichten auf eine Steigerung seines Werts als wesentlichen Vorteil" angesehen. Die Klägerin ist der Ansicht, daß sich die Air France in der Zeit von Juli 1992 bis Anfang 1993 zwar durchaus in einer schlechten Lage befunden habe, daß sich die langfristigen Perspektiven des Unternehmens dadurch aber nicht verschlechtert hätten. Wegen der in dieser Zeit aufgetretenen vorübergehenden Schwierigkeiten sei lediglich das von den Anlegern eingegangene Risiko gestiegen, was im Rahmen der Emissionen vom April 1993 eine im Vergleich zu den Emissionen von 1992 höhere Verzinsung zur Folge gehabt habe.

90 Daraus zieht die Klägerin den Schluß, daß die Kommission in der angefochtenen Entscheidung nicht habe behaupten dürfen, daß ein normaler Anleger in diesem Sektor nicht investiert hätte, und der CDC-P nicht habe vorwerfen können, diese allgemeine Entwicklung des Luftverkehrsmarkts bereits Anfang 1993 vorhergesehen zu haben. Die CDC-P, die sich der finanziellen Schwierigkeiten der Air France, wie sie sich in den Rechnungsabschlüssen vom 30. September 1992 widergespiegelt hätten, bewusst gewesen sei, habe daher angenommen, daß diese Schwierigkeiten nur vorübergehender Natur seien und in einem positiven Gesamtkontext zu sehen seien, so daß die Air France im Laufe der Zeit zur Rentabilität zurückfinden werde. Diese Auffassung hätten im übrigen auch die Privatanleger geteilt, die die streitigen Emissionen gezeichnet hätten.

91 Jedenfalls habe die CDC-P zu dem Zeitpunkt, zu dem sie ihre Entscheidung getroffen habe - zu dem nur die Rechnungsabschlüsse der Air France vom 30. September 1992 vorgelegen hätten, da die endgültigen Rechnungsabschlüsse für das Geschäftsjahr 1992 noch nicht veröffentlicht worden seien -, zu Recht das gute Nettobetriebsergebnis, das der Air-France-Konzern im Geschäftsjahr 1991 erzielt habe (213 Millionen FF), und die positiven Nettörgebnisse der Geschäftsjahre 1983 bis 1989 (685 Millionen FF im Jahr 1989) berücksichtigt. In diesem Zusammenhang verweist die Klägerin auf das Urteil des Gerichtshofes vom 10. Juli 1986 in der Rechtssache 234/84 (Belgien/Kommission, Slg. 1986, 2263, Randnr. 15), wonach ein privater Anteilseigner vernünftigerweise einem Unternehmen das Kapital zuführen könne, das zur Sicherstellung seines Fortbestands erforderlich sei, wenn es sich in vorübergehenden Schwierigkeiten befinde, aber seine Rentabilität - gegebenenfalls nach einer Umstrukturierung - wieder zurückgewinnen könne.

92 Die Kommission führt zunächst aus, sie habe nicht behauptet, daß ein Privatanleger nicht im Luftverkehrssektor investiert hätte. Sie habe vielmehr die Frage geprüft, ob ein Privatanleger angesichts der finanziellen Lage der Air France zu dem Zeitpunkt, zu dem die CDC-P ihre Entscheidung getroffen habe, 1,5 Milliarden FF investiert hätte. Da aber insbesondere kein brauchbarer Umstrukturierungsplan vorgelegen habe, habe man diese Frage verneinen können.

93 Die Behauptung, daß die Investitionsentscheidung der CDC-P mit Rücksicht auf den Umstrukturierungsplan CAP'93 getroffen worden sei, sei unrichtig. Dieser Plan sei nämlich im Oktober 1992 durch den Plan PRE 1 ersetzt worden. Wie sich aus dem Schreiben der französischen Behörden vom 7. Januar 1994 ergebe, sei die Investition der CDC-P "gerade aufgrund eines im Herbst 1992 vorgelegten wichtigen Umstrukturierungsplans (Plan zur Wiederherstellung des Gleichgewichts)" getätigt worden. Dazu trägt die Kommission vor, daß sie in der angefochtenen Entscheidung (ABl., S. 33 und 34) den PRE 1 im einzelnen analysiert habe und ihn auch langfristig nicht für ausreichend gehalten habe, um die wirtschaftliche Lebensfähigkeit der Air France zu sichern. Damit habe sie den PRE 1 so geprüft, wie er im Oktober 1992 vorgelegt worden sei, und ihn nicht aufgrund von Ereignissen bewertet, die nach der streitigen Investitionsentscheidung eingetreten seien.

94 Ferner treffe die Behauptung der Klägerin nicht zu, daß nur die Rechnungsabschlüsse der Air France vom 30. September 1992 zu dem Zeitpunkt vorgelegen hätten, zu dem die CDC-P ihre Investitionsentscheidung getroffen habe. Der Umfang der Verluste der Air France im Jahr 1992 sei bereits im November 1992 vorhersehbar und auch zum Teil nachweisbar gewesen. Schon am 13. Oktober, 7. November und 15. Dezember 1992 sei aus Presseartikeln hervorgegangen, daß der Präsident und der Generaldirektor der Air France angekündigt hätten, daß sich die konsolidierten Verluste im Jahr 1992 voraussichtlich auf etwa 3 Milliarden FF belaufen würden. Die voraussichtlichen Verluste in Höhe von 3,2 Milliarden FF seien in einem Zeichnungsprospekt der Air France über eine Anleihe vom Februar 1993 erwähnt worden, der am 25. Januar 1993 mit dem Sichtvermerk der Commission des opérations de Bourse (im folgenden: COB) vom 25. Januar 1993 versehen worden sei. Es sei unvorstellbar, daß der CDC-P, die seit November 1992 Verhandlungen mit der Air France geführt habe, diese Zahl nicht bekannt gewesen sei und sie nicht gewusst habe, wie erheblich sich die Lage dadurch im Vergleich zu den früheren Verlusten verschlechtert habe.

95 Entgegen dem Vorbringen der Klägerin lasse der unmittelbare Kontext der streitigen Investition daher durchaus nicht den Schluß zu, daß ein Privatanleger diese Investition getätigt hätte. Der Air France sei der Ernst ihrer eigenen Lage bekannt gewesen. Die von ihr angegebene Steigerung des Verkehrs um 11,2 % in den ersten elf Monaten des Jahres 1992 sei kein Anzeichen für eine Besserung gewesen, da im gleichen Zeitraum ihr Einheitsertrag um 8,1 % gesunken sei. Darüber hinaus habe die Air France 1992 im Vergleich zu ihren Konkurrenten recht schlechte Ergebnisse erzielt: Sie habe das Verhältnis der beförderten Passagiere pro Kilometer um 8,9 % erhöht, während sich British Airways um 15,4 %, die Lufthansa um 14 % und KLM um 16,1 % verbessert hätten; der Durchschnittssatz bei allen Fluggesellschaften der ÄA habe sich um 13,3 % verbessert.

96 Die mittelfristigen Aussichten waren nach Ansicht der Kommission auch nicht geeignet, einen umsichtigen Privatanleger im Zeitpunkt der Entscheidung der CDC-P zu einer Investition in die Air France zu veranlassen. Die Rothschild-Studie, auf die sich die Klägerin berufe, analysiere weder die Folgen der für 1997 vorgesehenen Liberalisierung des Luftverkehrs noch die finanzielle Lage der Air France und setze sich nicht mit ihren Produktivitätsproblemen auseinander. Zum Bericht von Lehman Brothers führt die Kommission aus, daß er vom September 1993 datiere, so daß sein Inhalt und seine Schlußfolgerungen der CDC-P im Zeitpunkt ihrer Investitionsentscheidung nicht hätten bekannt sein können. Jedenfalls werde in diesem Bericht zur Air France folgendes ausgeführt: "Until recently, lack of strategic vision and restrictive word practices have been at the heart of continual and heavy group losses." So hänge das Potential der Air France, eine der rentabelsten europäischen Fluggesellschaften zu werden, dem Bericht zufolge von ihrer Fähigkeit ab, die Kosten erheblich zu senken. In dem im maßgeblichen Zeitraum geltenden PRE 1 sei jedoch keinerlei echte Maßnahme zur Senkung der Kosten der Air France vorgesehen gewesen.

- Würdigung durch das Gericht

97 In der streitigen Entscheidung wird die wirtschaftliche Lage der Air France detailliert geschildert und insbesondere auf die drastische Verschlechterung ihrer Finanzstruktur in den letzten drei Jahren vor der streitigen Investition hingewiesen. Die Kommission stellt darin fest, daß die Verluste der Air France ständig gestiegen seien und 1990 717 Millionen FF, 1991 685 Millionen FF und 1992 3,2 Milliarden FF erreicht hätten, so daß sich die Verluste trotz der Erstellung des Umstrukturierungsplans CAP'93 im Jahr 1991 und der Zufuhr von 5,84 Milliarden FF in den Jahren 1991 und 1992 (vgl. oben, Randnr. 2) vervierfacht hätten. Ausserdem war nach Ansicht der Kommission der neue Umstrukturierungsplan PRE 1 vom Oktober 1992 offensichtlich auch langfristig nicht geeignet, die schwierige Lage der Air France zu verbessern.

98 Die Kommission war bei der Ausübung des ihr auf diesem Gebiet zustehenden Ermessens nicht gehalten, das negative Ergebnis, zu dem sie gelangt war, durch Berücksichtigung einiger Anzeichen und Perspektiven der Verbesserung, auf die sich die Klägerin berufen hat, abzuschwächen, da diese angesichts der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Lage der Air France als unwesentlich betrachtet werden konnten. In diesem Zusammenhang ist lediglich auf das Urteil des Gerichtshofes vom 3. Oktober 1991 in der Rechtssache C-261/89 (Italien/Kommission, Slg. 1991, I-4437, Randnr. 14) zu verweisen, in dem der Gerichtshof, statt die Kommission zu einer ins einzelne gehenden Abwägung aller negativen und positiven Gesichtspunkte zu verpflichten, im Fall des Unternehmens Aluminia die globale Wertung dahin gehend für zulässig gehalten hat, daß ein positives Ergebnis, wenn es überhaupt vorhersehbar war, nicht ausgereicht hätte, um einen gedachten privaten Investor zu der fraglichen Kapitalzufuhr zu veranlassen, da ein solches Ergebnis noch zu geringfügig war, um der erdrückenden Verschuldung und den überaus hohen Verlusten entgegenzuwirken.

FORTSETZUNG DER GRÜNDE UNTER DOK.NUM: 694A0358.1

99 Obwohl die Klägerin die oben genannten Tatsachen, die die Kommission der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegt hat, nicht bestreitet, erhebt sie gegen die Beurteilung durch die Kommission doch eine Reihe von Rügen.

100 Sie trägt zunächst vor, daß die endgültigen Abrechnungen für das Geschäftsjahr 1992, denen der in diesem Jahr verzeichnete Verlust von 3,2 Milliarden FF zu entnehmen gewesen sei, im Zeitpunkt der Vornahme der streitigen Investition noch nicht veröffentlicht worden seien, so daß der CDC-P diese negative Zahl zu diesem Zeitpunkt noch nicht habe bekannt sein können.

101 Hierzu ist festzustellen, daß aus im Oktober, November und Dezember 1992 in "Le Figaro", in der "Financial Times" und in "Le Monde" erschienenen Presseartikeln hervorging, daß der Air-France-Konzern mit einem Defizit von 3 Milliarden FF im Geschäftsjahr 1992 rechnete. Ausserdem werden in dem von der Air France selbst herausgegebenen Zeichnungsprospekt über eine Anleihe, der am 25. Januar 1993 den Sichtvermerk der COB erhielt, folgende "Zukunftsperspektiven" genannt: "Das konsolidierte Nettörgebnis (Teil des Konzerns) für das Geschäftsjahr 1992 wird heute auf einen Verlust von 3,2 Milliarden FF geschätzt." Die Kommission konnte daher davon ausgehen, daß ein umsichtiger Privatanleger diese Zahlen gekannt hätte, zumal dieser Anleger, die CDC-P, bereits seit November 1992 mit der Air France verhandelt hatte. Die Rüge, die sich gegen die Berücksichtigung des 1992 verzeichneten Verlustes von 3,2 Milliarden FF durch die Kommission richtet, ist daher zurückzuweisen.

102 Die Klägerin rügt zweitens, daß die Kommission die positive Bedeutung der gesamten Ziele des Umstrukturierungsplans PRE 1 und des - im April 1993 weiterhin geltenden - Programms CAP'93 ausser acht gelassen und die angefochtene Entscheidung auf Umstände gestützt habe, die erst nach der Investitionsentscheidung eingetreten sein, denn der PRE 1 sei erst wegen späterer Ereignisse gescheitert.

103 Hierzu ist bemerken, daß die Kommission in der angefochtenen Entscheidung nach einer Beschreibung der im PRE 1 vorgesehenen Maßnahmen zu dem Schluß kommt, daß dieser in mehrfacher Hinsicht lückenhaft sei und einige Mängel aufweise. So stellt sie insbesondere fest, daß ausser der Einrichtung eines Umschlagszentrums im Flughafen Charles-de-Gaulle in Roissy-en-France keine weiteren Maßnahmen zur Steigerung der Einnahmen vorgesehen gewesen seien, daß die voraussichtliche Entwicklung eines zunehmend liberalisierten Marktes im Plan nicht analysiert worden sei und daß darin keine Anpassung der Geschäftspolitik der Air France an die vorübergehende Überkapazität des Luftverkehrs vorgesehen gewesen sei, sondern daß man im Gegenteil weiterhin eine Investitionsstrategie verfolgt und keine weiteren Umstrukturierungsmaßnahmen für den Fall einer weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Fluggesellschaft vorgesehen habe. In diesem Zusammenhang wird in der angefochtenen Entscheidung kein Umstand erwähnt oder berücksichtigt, der nach dem Februar 1993 eingetreten wäre. Zu dieser Berurteilung führt die Klägerin lediglich aus, daß die Investitionsentscheidung der CDC-P weitgehend auf der Vorlage des PRE 1 beruht habe; sie beschreibt ferner die mit diesem Plan verfolgten Ziele und zählt die erwarteten Ergebnisse auf. Das Gericht ist der Auffassung, daß eine solche Argumentation nicht geeignet ist, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler der Kommission nachzuweisen, der dadurch begangen worden wäre, daß diese den PRE 1 auch längerfristig für nicht ausreichend hielt, um die wirtschaftliche Lebensfähigkeit und Rentabilität der Air France wiederherzustellen.

104 Zur Bedeutung des Plans CAP'93 ist festzustellen, daß die französischen Behörden im Lauf des Verwaltungsverfahrens keinerlei Zusammenhang zwischen der streitigen Investition und dem Plan CAP'93 hergestellt haben. Sie haben im Gegenteil in ihrem Schreiben vom 7. Januar 1994 angegeben, daß diese Investition lediglich im Zusammenhang mit dem PRE 1 gestanden habe. Ausserdem hatte der CAP'93, der mit einer Zufuhr von 5,84 Milliarden FF in den Jahren 1991 und 1992 einherging, damit geendet, daß sich die Verluste der Air France vervierfacht und 1992 3,2 Milliarden FF erreicht hatten. Die Kommission hat daher zu Recht den Plan CAP'93 in der angefochtenen Entscheidung nicht berücksichtigt.

105 Die Klägerin vertritt drittens die Ansicht, daß sich die Kommission mit ihrer Annahme, daß kein umsichtiger Privatanleger die streitige Investition getätigt hätte, in Widerspruch zu ihren eigenen optimistischen Einschätzungen bezueglich der Entwicklung der zivilen Luftfahrt der Gemeinschaft im allgemeinen und der Air France im besonderen gesetzt habe. Sie fügt hinzu, daß Experten des Banksektors diese optimistischen Einschätzungen im übrigen geteilt hätten.

106 Soweit die Klägerin auf die Entscheidungen verweist, die die Kommission am 20. November 1991 und 15. Juli 1992 erlassen hatte (vgl. oben, Randnr. 2), ist zunächst festzustellen, daß die Klägerin den Wortlaut der Pressemitteilung zu diesen Entscheidungen zitiert, dem eine viel positivere Bewertung der Perspektiven des Air-France-Konzerns zu entnehmen ist als dem Wortlaut der Entscheidungen selbst. Darin werden die fraglichen Finanzierungsmaßnahmen nämlich lediglich deshalb als mit dem Grundsatz des umsichtigen Privatanlegers vereinbar angesehen, weil die langfristigen Renditeaussichten der Investition "auf der Grundlage der verfügbaren Daten" die sich aus der "derzeitigen Finanzstruktur" des Air-France-Konzerns ergebenden kurzfristigen Schwierigkeiten überwögen. Ausserdem erklärt die Kommission in der Entscheidung vom 20. November 1991, daß sie sich "die Stellungnahme zu weiteren Kapitalerhöhungen bei Air France 1992 und 1993 ausdrücklich vorbehält" und daß ihre Entscheidung über diese Maßnahmen von einer "aktualisierten Beurteilung der wirtschaftlichen und finanziellen Lage des Unternehmens, von der Durchführung des Plans" usw. abhänge.

107 Es zeigt sich daher, daß die Kommission die zeitliche Geltung ihrer Bewertung der Perspektiven des Air-France-Konzerns selbst eingeschränkt hat, wodurch ein Widerspruch mit der späteren Bewertung in der angefochtenen Entscheidung bereits ausgeschlossen ist. Ausserdem wurde mit den Entscheidungen von 1991 und 1992 zwar eine Zufuhr von 5,84 Milliarden FF genehmigt, doch wurde auch der Umstrukturierungsplan CAP'93 berücksichtigt, der damals gerade aufgestellt worden war und an dem die Kommission offenbar zu diesem Zeitpunkt noch nichts auszusetzen hatte. Wie bereits festgestellt, hätte ein umsichtiger Privatanleger erst Anfang 1993 bemerkt, daß sich die Verluste der Air France trotz des CAP'93 und der zugeführten 5,84 Milliarden FF vervierfachen würden und daß der darauffolgende Umstrukturierungsplan (PRE 1) nicht ausreichen würde. Da dies feststand, konnte die Kommission in der angefochtenen Entscheidung davon ausgehen, daß die Perspektiven des Air-France-Konzerns mittel- und langfristig schlecht waren, ohne sich in Widerspruch zu ihren beiden früheren Entscheidungen zu setzen.

108 In den genannten Entscheidungen 94/118 vom 21. Dezember 1993 (Är Lingus) und 94/653 vom 27. Juli 1994 (Air France) hat die Kommission ebenso wie in der angefochtenen Entscheidung die Auffassung vertreten, daß ein Privatanleger die beanstandeten Finanzierungsmaßnahmen bei einer solchen wirtschaftlichen und finanziellen Lage der betreffenden Unternehmen nicht getroffen hätte. Diese Maßnahmen wurden daher ganz wie in der vorliegenden Rechtssache als staatliche Beihilfen qualifiziert. Nur aufgrund der Ausnahmevorschriften des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages räumte die Kommission zum einen ein, daß zwei brauchbare Umstrukturierungspläne vorlägen, und vertrat zum anderen die Ansicht, daß die geplanten staatlichen Beihilfen angesichts der Lage der zivilen Luftfahrt der Gemeinschaft, deren Perspektiven mittel- und längerfristig gut seien, gerechtfertigt seien. Somit ist das Kriterium des umsichtigen Privatanlegers nicht widersprüchlich angewandt worden.

109 Was die positiven Einschätzungen der Compagnie financière Edmond de Rothschild Banque und der Geschäftsbank Lehman Brothers betrifft, so bezogen sie sich auf den Luftfahrtsektor als solchen und auf die Entwicklungsmöglichkeiten der Air France. Solange die Air France aber keinen überzeugenden Umstrukturierungsplan vorgelegt hatte - was Anfang 1993 nicht der Fall war (vgl. oben, Randnr. 103) -, konnte die Kommission davon ausgehen, daß die Air France weder ihr eventuell vorhandenes Entwicklungspotential noch eine positive Entwicklung des zivilen Luftfahrtsektors der Gemeinschaft werde nutzen können.

110 Nach alledem ist das Argument der fehlerhaften Untersuchung des Kontextes der Investitionsentscheidung zurückzuweisen.

Zu dem Argument, daß der Grundsatz des umsichtigen Privatanlegers unter Berücksichtigung der Merkmale der emittierten Wertpapiere offensichtlich fehlerhaft angewandt worden sei

- Vorbringen der Parteien

111 Die Klägerin ist der Ansicht, daß die streitigen Emissionen zu Marktbedingungen getätigte Marktgeschäfte darstellten, und wirft der Kommission erstens vor, in der angefochtenen Entscheidung verkannt zu haben, daß die streitige Investition auf eine öffentliche Zeichnungsaufforderung hin getätigt worden sei und durchaus nicht nur der CDC-P vorbehalten gewesen sei, sondern jedem interessierten Investor offengestanden habe. Dieses öffentliche Zeichnungsangebot sei nach den anwendbaren nationalen Vorschriften mit der Vorlage eines Prospekts der geplanten Emissionen zur vorherigen Kontrolle durch die COB verbunden. Da diese aber den für die Emissionen vom April 1993 erstellten Prospekt mit ihrem Sichtvermerk versehen habe, sei sie eindeutig davon ausgegangen, daß mit dem Projekt keine untragbaren Risiken für die Anleger verbunden seien. Die COB habe nicht einmal die ihr nach den anwendbaren nationalen Vorschriften eingeräumte Möglichkeit genutzt, einen Warnhinweis zu verfassen und dessen Aufnahme in den Prospekt zu verlangen.

112 Die Klägerin macht unter Hinweis auf die der COB übertragenen Aufgaben geltend, daß diese - obwohl eine Kontrolle der Vereinbarkeit der Risiken mit dem Interesse des Anlegers keine systematische Kontrolle der Zweckmässigkeit der geplanten Maßnahme bedeute - praktisch nicht zögere, allzu riskanten Maßnahmen ihren Sichtvermerk zu verweigern. Die COB hätte sich weigern können, den streitigen Emissionen ihren Sichtvermerk zu erteilen, oder sie hätte einen Warnhinweis anbringen lassen können, der die Anleger auf die bestehenden Risiken aufmerksam gemacht hätte, wenn die Zeichnung ihrer Ansicht nach für die Zeichner ein mit ihren Interessen unvereinbares Risiko dargestellt hätte. Daher habe die Kommission nicht den Schluß ziehen dürfen, daß die Rentabilitätsaussichten der Investition der CDC-P so schlecht gewesen seien, daß ein Privatanleger sie nicht getätigt hätte, es sei denn, sie hätte den Sichtvermerk der COB beanstandet, den sie aber in der angefochtenen Entscheidung nicht einmal erwähnt habe.

113 Die Klägerin beanstandet zweitens den Standpunkt der Kommission, daß die von der Air France emittierten und von der CDC-P gezeichneten Wertpapiere auf den Finanzmärkten ungewöhnlich seien. Die grössten französischen Unternehmen hätten z. B. allein in den Jahren 1990 und 1991 ähnliche Emissionen vorgenommen. Die streitigen ORA und TSIP-BSA seien durchaus angemessen, da sie ihren Zeichnern zunächst einmal einen kurz- und langfristig sicheren Ertrag gewährleisteten und ihnen ferner Zugang zum Kapital der Air France verschafften, so daß sie langfristig auf eine beträchtliche "Hebelwirkung" hoffen könnten. Jedenfalls habe die Kommission nicht den Beweis dafür erbracht, daß die Merkmale der emittierten Wertpapiere für diese Art von Produkten nicht normal seien. Im Gegensatz zu einem Darlehen, das zu einem niedrigeren als dem marktüblichen Zinssatz gewährt werde und bei dem der Unterschied zwischen dem normalen und dem davon abweichenden Zinssatz das Beihilfeelement bilde, enthalte die streitige Investition gar kein Beihilfeelement.

114 In ihrer Erwiderung (Punkte 103 bis 107) führt die Klägerin zum Kontext der Bewertung der streitigen TSIP aus, daß die Air France im Februar und Juni 1993 zwei Obligationsanleihen zu je 1,5 Milliarden FF aufgelegt habe, deren Placierung der Crédit Lyonnais übernommen habe. Sie fügt hinzu, daß sich die Verzinsung der TSIP nach dem Jahr 2000, verglichen mit der Verzinsung der zur gleichen Zeit vom Crédit Lyonnais, dem CIC und der Banque La Henin emittierten TSIP, innerhalb der "Marktbandbreite" halte. Sie vergleicht die Emissionsbedingungen der streitigen TSIP-BSA sodann mit denen der Obligationen mit einem Zeichnungsrecht für Aktien (obligations assorties de bons de souscription d'actions, OBSA), bei denen es sich ihrer Meinung nach um ein Finanzprodukt handelt, das den TSIP-BSA ganz ähnlich und mit den seit 1990 emittierten Wandelobligationen vergleichbar sei.

115 Ausserdem führt sie aus, daß die ORA und TSIP-BSA dazu gedacht seien, ihre Inhaber nach einer Beobachtungszeit, in der ihnen Zinsen gezahlt würden, als Aktionäre zu gewinnen, so daß sich die Entscheidung, diese Art von Wertpapieren zu zeichnen, sowohl durch den in der Anleihezeit gezahlten Zinsertrag als auch durch die Hoffnung erkläre, einen beträchtlichen Mehrwert im Zeitpunkt der Umwandlung der Obligationen in Aktien zu erzielen. Die nur auf der finanziellen Lage der Air France in den Jahren 1992 und 1993 beruhende Wertung der Kommission sei daher unter finanziellen Gesichtspunkten nicht richtig; jede Beurteilung der Rentabilität einer Investition hätte eine Analyse der Entwicklung der finanziellen Lage der Air France bis zum Jahr 2000 erforderlich gemacht. Die mit den TSIP verbundenen BSA ermöglichten es ihren Inhabern, neue Aktien der Air France zu zeichnen, und zwar zu einem Preis von 517 FF pro Aktie, während der Wert einer solchen Aktie damals auf 849 FF, "hochgerechnet auf das Jahr 2000", geschätzt worden sei, was sich aus einem Dokument der Air France vom 19. Februar 1993 ergebe. Die in der angefochtenen Entscheidung aufgestellte Behauptung, daß die BSA wertlos seien, da die entsprechenden Aktien im voraussichtlichen Zeitpunkt ihrer Zeichnung keinen Wert hätten, sei daher aus der Luft gegriffen.

116 Inbesondere zu den TSIP trägt die Klägerin vor, daß im Emissionsvertrag eine Klausel enthalten sei, die der Air France ab 1. Januar 2000 ein Recht zur vorzeitigen Tilgung einräume. Die CDC-P habe daher damit rechnen können, daß der Mechanismus der steigenden Margen bei den variablen Zinsen vom Geschäftsjahr 2000 an die Air France veranlassen werde, die TSIP am 1. Januar 2000 vorzeitig zu tilgen. Dieser Mechanismus, der einen Anreiz zur vorzeitigen Tilgung schaffe, hätte einen umsichtigen Anleger wie die CDC-P dazu veranlassen müssen, die emittierten TSIP wie klassische, am 1. Januar 2000 fällig werdende Obligationen zu bewerten, die mit einem festen bzw. zwischen 5,5 % und 8,5 % schwankenden Zinssatz verzinst würden und eine rechnerische Rendite von 7 % hätten.

117 In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin diese Rüge näher begründet. Ihrer Ansicht nach hat die Kommission zwei wesentliche Beurteilungsfehler begangen. Zum einen habe sie, nachdem sie die ORA als Kapitalbeteiligung und aufgeschobene Kapitalerhöhung qualifiziert habe, ausgeführt, daß "es sich mit den TSIP-BSA [ähnlich verhält]" (angefochtene Entscheidung, ABl., S. 32). Dadurch habe sie die TSIP ganz falsch, nämlich als Beteiligungswertpapiere eingeordnet, obwohl es sich bei den TSIP im wesentlichen um verzinsliche Obligationen handele, die nur dann, wenn sich der Anleger dafür entscheide, unter Umständen den Zugang zu einer Kapitalbeteiligung bei der Air France eröffnen könnten. Zum anderen habe die Kommission mit ihrer ebenfalls diese TSIP-BSA betreffenden Feststellung (ABl., S. 32), daß "[der Zeichner]... jedoch auch auf sein Zeichnungsrecht verzichten und über den 1. Januar 2000 hinaus Zinsen beziehen [kann], bis das Unternehmen sich zu einer Tilgung entschließt", zu verstehen gegeben, daß der Verzicht auf eine Umwandlung der BSA in Aktien dem Zeichner das Recht verleihe, über den 1. Januar 2000 hinaus weiterhin Zinsen zu beziehen. Es handele sich dabei jedoch um ganz verschiedene Fragen, denn die BSA seien von den TSIP unabhängig und als solche übertragbar.

118 Die Klägerin verweist schießlich auf den potentiellen Mehrwert, der bei einer künftigen Privatisierung der Air France zu erwarten gewesen sei. Die erfolgreiche Privatisierung der British Airways habe ebenso wie die gegen Ende 1992 bestehende Aussicht auf eine Änderung der politischen Mehrheitsverhältnisse in Frankreich im April 1993 Hoffnungen auf eine solche Entwicklung geweckt. Diese Perspektive einer künftigen Privatisierung sei in der Zeit, in der die streitige Investition getätigt worden sei, in der Diskussion gewesen, was die Erklärungen von Vertretern der künftigen Regierungsmehrheit bezeugten. Die CDC-P habe daher Ende 1992 und Anfang 1993 - also einige Monate vor den französischen Parlamentswahlen, über deren Ausgang damals kein Zweifel bestanden habe - eine künftige Privatisierung der Air France erwarten können, was zur Folge gehabt hätte, daß die Liquidität der Air-France-Aktien, die sie dank der streitigen Wertpapiere erwerben würde, mit der Zeit gestiegen wäre.

119 Zu den Merkmalen der von der Air France emittierten und von der CDC-P gezeichneten Wertpapiere führt die Kommission aus, daß sie diese eingehend untersucht habe (angefochtene Entscheidung, ABl., S. 28 bis 29 und 32).

120 Sie fügt hinzu, daß der Ausnahmecharakter der ORA dadurch bewiesen werde, daß die Air France 1993 das einzige Unternehmen gewesen sei, das einfache ORA ausgegeben habe, und daß sie 70 % des Gesamtvolumens der in Frankreich herausgegebenen ORA (alle Arten zusammengenommen) ausmachten. Die anderen beiden ORA-Emissionen seien mit BSA verbunden gewesen; die Gesellschaften, die sie herausgegeben hätten, seien an der Börse notiert. Die ORA der Air France seien die einzigen gewesen, die ausserhalb des regulären Marktes herausgegeben worden seien; da sie nicht notiert seien und es keinen Sekundärmarkt für sie gebe, seien diese ORA kaum liquide, zumal sie Namenspapiere seien. Ausserdem würden ihre Inhaber im Fall einer Auflösung des Unternehmens genauso wie Aktionäre nach allen anderen Gläubigern befriedigt.

121 Zu den TSIP-BSA führt die Kommission aus, daß die Air France 1993 die einzige Gesellschaft gewesen sei, die solche Wertpapiere herausgegeben habe; daß es sich dabei um ungewöhnliche Wertpapiere handele, zeige sich daran, daß es 1992 nur eine einzige Emission von TSIP gegeben habe und 1991 gar keine. Sie fügt hinzu, daß die TSIP-BSA eine genauso geringe Liquidität aufwiesen wie die ORA. Da es 1993 keine andere Emission von TSIP als die der Air France gegeben habe, passten die Vergleiche der Klägerin mit den TSIP-Emissionen anderer Gesellschaften nicht. Jedenfalls unterschieden sich diese anderen TSIP erheblich von denen der Air France. In ihrer Gegenerwiderung nimmt die Kommission zu den Ausführungen der Klägerin in deren Erwiderung in bezug auf die Bewertung der streitigen TSIP-BSA sowie in bezug auf den Vergleich mit von anderen Gesellschaften emittierten TSIP oder mit anderen Arten von Wertpapieren nicht im einzelnen Stellung.

122 Die Kommission ist der Ansicht, daß der - bei den ORA-Inhabern künftige und bei den Inhabern von TSIP-BSA mögliche - Zugang zum Kapital der Air France die Hoffnung auf eine erhebliche langfristige "Hebelwirkung" im Sinne eines potentiellen Mehrwerts nicht habe begründen können. Die Klägerin habe in ihrer Klageschrift selbst eingeräumt, daß es im März 1993 schwierig gewesen sei, den Wert der Air-France-Aktien im Jahr 2000 und den Umfang des eventuellen Mehrwerts vorherzusehen; dennoch sei der geschätzte Wert der Aktie zu diesem Fälligkeitstermin einen Monat vorher genau mit 849 FF beziffert worden. Die Kommission trägt vor, daß der Preis der Air-France-Aktie im Dezember 1994 durch Erlaß des Ministers für Wirtschaft und Finanzen entsprechend der Stellungnahme des Ausschusses für die Privatisierung auf 78 FF festgesetzt worden sei.

123 Daß die streitige Zeichnung ungewöhnlich gewesen sei, zeige auch der Umstand, daß trotz der angeblich so interessanten Bedingungen der betreffenden Emissionen nur die CDC-P ein wirkliches Interesse an ihnen gezeigt habe, da sie allein 99,9 % der TSIP-BSA und 99,7 % der ORA gezeichnet habe, obwohl sie nur 0,53 % des Kapitals der Air France gehalten habe. Die Kommission schließt daraus, daß die finanzielle Lage der Air France, insbesondere der Umfang der verzeichneten Verluste und die Höhe der Verschuldung sowie die Schwächen des PRE 1 und der Umstand, daß dieser unzureichend gewesen sei, um eine Verbesserung der Situation zu bewirken, es der Air France unmöglich gemacht hätten, die betreffenden Summen auf den Kapitalmärkten aufzubringen, und daß ein Privatanleger daher keine Beträge in dieser Grössenordnung in die Air France investiert hätte.

124 Nach Ansicht der Kommission stellt die Erteilung des Sichtvermerks der COB keine generelle Genehmigung der streitigen Emission dar. Dieser Sichtvermerk beweise lediglich, daß die den potentiellen Investoren gegebenen Informationen ausgereicht hätten, um sie in die Lage zu versetzen, ihre Entscheidung in voller Sachkenntnis zu treffen. Mit diesem Sichtvermerk sei keinerlei Beurteilung der Zweckmässigkeit der geplanten Maßnahmen oder der Angemessenheit ihrer Modalitäten verbunden; er werde erteilt, wenn die COB die Maßnahme formal als ordnungsgemäß genehmige.

125 Zum Vorwurf der Klägerin, die Kommission habe das Wesen der TSIP-BSA verkannt, hat diese in der mündlichen Verhandlung erklärt, daß sie nicht den technischen oder spezifischen Eigenarten der ORA und der TSIP-BSA wesentliche Bedeutung beimesse, sondern vor allem der Investition in die Air France an sich. Im übrigen habe sie keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, wenn sie die Haupteigenschaft der TSIP-BSA darin gesehen habe, daß sie fakultativ umgewandelt werden könnten, während die ORA zum Fälligkeitstermin obligatorisch umgewandelt werden müssten. Schließlich habe die Air France in ihrem Prospekt zu den streitigen Emissionen selbst angegeben, daß die Emission sowohl der ORA als auch der TSIP-BSA langfristig der Stärkung ihrer Eigenkapitalbasis dienen solle.

- Würdigung durch das Gericht

126 Was die mögliche Bedeutung des Sichtvermerks betrifft, den die COB dem Prospekt der streitigen Emissionen erteilt hat, so ergibt sich aus den Akten (Erwiderung, Punkt 115), daß die Klägerin nicht vorgetragen hat, daß die COB im vorliegenden Fall tatsächlich überprüft hätte, ob die streitige Finanzierungsmaßnahme für einen umsichtigen Privatanleger zweckmässig gewesen wäre; die Klägerin hat im Gegenteil zugegeben, daß eine solche systematische Kontrolle durch die COB nicht stattfindet.

127 Hierzu ist festzustellen, daß die COB der verwendeten Formulierung zufolge lediglich erklärt, "aufgrund der Artikel 6 und 7 der Verordnung Nr. 67-833 vom 28. September 1967... ihren Sichtvermerk Nr. 93-138 vom 25. März 1993 auf dem vorliegenden Prospekt" angebracht zu haben. Es zeigt sich also in der Tat, daß sie keine begründete Stellungnahme abgegeben hat, die von der angefochtenen Entscheidung abweichende wirtschaftliche oder finanzielle Beurteilungen enthalten hätte und denen die Kommission gegebenenfalls hätte Rechnung tragen können oder müssen.

128 Was zweitens die Rügen betrifft, daß die Kommission den Wert und die Merkmale der emittierten Wertpapiere verkannt habe, so ist zunächst zu prüfen, ob die Kommission die TSIP-BSA zu Unrecht mit den ORA gleichgesetzt hat.

129 Der entsprechende Abschnitt der angefochtenen Entscheidung (ABl., S. 32) lautet wie folgt:

"Die Zeichnung der ORA durch CDC-P lässt sich mit einer Kapitalbeteiligung zur Stärkung der Eigenkapitalbasis des Unternehmens vergleichen. Die ORA sind Anleihen, die in jedem Fall in Aktien getilgt werden, so daß ihre Emission vom finanziellen Standpunkt aus eine aufgeschobene Kapitalerhöhung darstellt; die Rendite hängt - wie oben ausgeführt - davon ab, wie gut das Unternehmen verdient und welchen Wert die Aktien von Air France haben, wenn die Papiere umgetauscht werden. Ähnlich verhält es sich mit den TSIP-BSA. Hier erfolgt nicht in jedem Fall eine Tilgung in Aktien."

130 Will man diesen Abschnitt im Hinblick auf eine mögliche Gleichsetzung der beiden Arten von Wertpapieren ("ähnlich verhält es sich mit...") objektiv deuten, so muß man ihn im Zusammenhang mit der allgemeinen Begründung sehen, die sich auf die emittierten Wertpapiere bezieht. Die wesentlichen Merkmale dieser Wertpapiere sind in der angefochtenen Entscheidung zutreffend beschrieben (ABl., S. 28 und 29); die Klägerin hat diese Beschreibung als solche im übrigen nie bestritten. Es kann also keine Rede davon sein, daß die Kommission die Funktionsmechanismen der ORA und der TSIP-BSA verwechselt hätte.

131 Was die wirtschaftliche Beurteilung der emittierten Wertpapiere betrifft, so trifft die Bezeichnung als "Kapitalbeteiligung" und als "aufgeschobene Kapitalerhöhung", die für die ORA zweifellos richtig ist, da sie obligatorisch in Aktien getilgt werden, auch auf die BSA zu, allerdings unter dem - auch von der Kommission gemachten - Vorbehalt, daß sie nur fakultativ in Aktien umgewandelt werden können.

132 Es stimmt zwar, daß die TSIP nur verzinst werden und keinen Anspruch auf eine Umwandlung in Aktien verleihen, doch können auch sie tatsächlich nur im Fall einer Liquidation oder Auflösung der Air France getilgt werden; zur maßgeblichen Zeit Anfang 1993 musste jede vorzeitige Tilgung durch die Air France wegen der entstandenen Verluste und wegen des Fehlens eines brauchbaren Umstrukturierungsplans in den Augen eines umsichtigen Privatanlegers undurchführbar erscheinen. Folglich durfte die Kommission davon ausgehen, daß die TSIP eine "unbefristete Laufzeit" (ABl., S. 28) hätten, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen.

133 Im übrigen geht aus Kapitel II Abschnitt B 2.1.7 des Prospekts der Air France zu den streitigen Emissionen (Anlage 2 zur Klageschrift) ausdrücklich hervor, daß die Emission der TSIP-BSA "langfristig die Eigenkapitalbasis des Unternehmens stärken soll". Im übrigen hat die Klägerin diese Auffassung im schriftlichen Verfahren nochmals wie folgt zum Ausdruck gebracht (Klageschrift, Punkt 24 Buchstabe a): "Der Unterschied zu anderen Produkten wie klassischen Obligationsanleihen... liegt darin, daß ihre Inhaber nach einer verzinsten Beobachtungszeit Aktionäre werden sollen." Daher hat die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie die TSIP-BSA in gewissem Masse mit den ORA gleichgesetzt hat.

134 Jedenfalls konnte sie davon ausgehen, daß ein umsichtiger Privatanleger in Anbetracht der wirtschaftlichen Lage der Air France, die sich ständig verschlechterte, sowie des Fehlens eines brauchbaren Umstrukturierungsplans Anfang 1993 nicht fast alle von der Air France emittierten ORA und TSIP-BSA gezeichnet hätte, wie es die CDC-P und die hinter ihr stehende Caisse getan haben. Es bestanden nämlich kaum Aussichten auf eine Tilgung des investierten Kapitals durch die Air France, sei es durch Aktien oder durch Rückzahlung der zugeführten Mittel. Es ist daher nicht erwiesen, daß die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hätte, indem sie den Schluß gezogen hat, daß der Wert der künftigen Aktien, die mit den ORA und BSA bezogen werden könnten, gering sei, und indem sie festgestellt hat, daß die TSIP zusätzliche Nachteile hätten, da sie nämlich im Fall einer Auflösung oder Liquidation der Air France erst nach allen anderen Forderungen getilgt werden könnten, und daß die Zinszahlung in dem Jahr ausgesetzt werden könne, in dem die Air France einen konsolidierten Verlust von über 30 % ihres Kapitals verbuchen sollte. Es ist übrigens bezeichnend, daß keine der drei Privatbanken, die sich tatsächlich an der streitigen Investition beteiligt haben, TSIP zeichnen wollte.

135 Da die Kommission daher aufgrund ihres Ermessens die streitige Investition insgesamt beanstanden konnte, war sie nicht verpflichtet, das in den einzelnen ORA oder TSIP-BSA enthaltene Beihilfeelement im Vergleich zu den eventuellen normalen Marktbedingungen, insbesondere unter Berücksichtigung der Zinsen und der internen Rendite dieser Wertpapiere, isoliert zu betrachten. Diese Feststellung gilt auch für den Vergleich der TSIP-BSA mit anderen angeblich ähnlichen Wertpapieren. Auf diese Vergleichselemente kommt es nämlich - obwohl die Kommission sie in der Sache nicht bestritten hat - nicht an, da die Klägerin nicht behauptet und erst recht nicht bewiesen hat, daß diese anderen Wertpapiere ähnliche Risiken - insbesondere hinsichtlich der ungünstigen Tilgungsbedingungen im Fall einer Auflösung oder Liquidation des emittierenden Unternehmens - aufgewiesen hätten wie die TSIP und daß sich die anderen emittierenden Unternehmen im Zeitpunkt der Emission in einer wirtschaftlichen und finanziellen Lage befunden hätten, die mit derjenigen der Air France Anfang 1993 vergleichbar gewesen wäre.

136 Nach alledem erübrigt sich auch die Prüfung der Frage, ob die Kommission die Unabhängigkeit der BSA von den TSIP verkannt hat, indem sie ausführte, daß "[der Inhaber] auf sein Zeichnungsrecht verzichten und [weiter] Zinsen beziehen [kann]". Es war nämlich sowohl bei den BSA als auch bei den TSIP anzunehmen, daß sie - gleich, ob zusammen oder einzeln - keinen tatsächlichen Wert darstellten, der es aus der Sicht einen umsichtigen Privatanlegers gerechtfertigt hätte, eine Investition in dem Umfang zu tätigen, wie es die CDC-P, also die Caisse, getan hat.

137 Das gleiche gilt für den Umstand, daß die Kommission die ORA in ihrer erwähnten Entscheidung 94/653 vom 27. Juli 1994 (vgl. oben, Randnr. 26) als Quasieigenkapital der Air France und die TSIP-BSA als Fremdkapital qualifiziert hat. Berücksichtigt man nämlich die bereits erörterten Merkmale der TSIP und ihren tatsächlichen Wert, kann die Frage, ob diese in der Entscheidung 94/653 zur Bestimmung des Verschuldungsgrades der Air France vorgenommene Qualifizierung den Vorschriften über die Erstellung der Bilanz entspricht, zwar durchaus in einem eventuellen Rechtsstreit über diese Entscheidung aufgeworfen werden, doch ist sie im vorliegenden Zusammenhang unerheblich.

138 Soweit sich die Klägerin auf einen potentiellen Mehrwert der Air-France-Aktien infolge ihrer nach den französischen Parlamentswahlen erhofften Privatisierung beruft, ist lediglich festzustellen, daß diese Aussichten im vorliegenden Fall zu vage sind, als daß sie als triftiger Grund betracht werden könnten, der einen umsichtigen Privatanleger veranlasst hätte, Beträge in einer solchen Grössenordnung zu investieren, wie es die CDC-P, d. h. die Caisse, getan hat.

139 Nach alledem ist auch das Argument einer unter Berücksichtigung der Merkmale der emittierten Wertpapiere fehlerhaften Anwendung des Grundsatzes des umsichtigen Privatanlegers zurückzuweisen.

Zur Rüge einer fehlerhaften Ermittlung des Umfangs der Zeichnungen anderer Privataktionäre der Air France und des Umfangs anderer Investitionen in die Air France

- Vorbringen der Parteien

140 Die Klägerin wirft der Kommission vor, sie habe sich in der angefochtenen Entscheidung mit der Feststellung begenügt, daß die von den Privataktionären der Air France gehaltenen Anteile lediglich 0,132 % ihres Kapitals ausmachten, daß der Anteil der von ihnen gezeichneten Wertpapiere daher unbedeutend sei und daß eine Investitionsbank zur Diversifizierung ihres Portfolios einige riskante Investitionen tätigen könne. Nach Ansicht der Klägerin ist aber hervorzuheben, daß die Privatanleger, die als Aktionäre die Lage der Air France gekannt hätten, nicht gezwungen gewesen seien, die streitigen Emissionen zu zeichnen.

141 Die Klägerin fügt hinzu, daß die Kommission gemäß dem Urteil vom 21. März 1991 in der Rechtssache C-305/89 (Italien/Kommission, a. a. O., Randnrn. 19 und 20) die von den Privatanlegern im Verhältnis zu ihrem Eigenkapital eingegangenen Risiken hätte untersuchen müssen, um beurteilen zu können, ob sie 1,5 Milliarden FF investiert hätten, wenn sie dieselbe Finanzkraft wie die CDC-P gehabt hätten. Die Kommission habe sich bei ihrer Untersuchung jedoch darauf beschränkt, den absoluten Wert der Privatinvestitionen festzustellen.

142 Ausserdem habe die Kommission nicht berücksichtigt, daß die Privatanleger mehr Wertpapiere hätten erwerben wollen, als ihren jeweiligen Anteilen am Kapital der Air France entsprochen habe, daß ihre Zeichnungen aber beschränkt worden seien, da die streitige Zeichnung sonst nach den nationalen Rechtsvorschriften als Teilprivatisierung angesehen worden wäre.

143 Die Klägerin widerspricht jedoch dem Vorbringen der Kommission, daß die Regelung über Teilprivatisierungen der Grund für die geringe Beteiligung anderer Privataktionäre der Air France an den streitigen Emissionen gewesen sei. In Wirklichkeit habe die Nachfrage dieser Aktionäre nicht ganz befriedigt werden können, weil der französische Staat auf sein Vorzugszeichnungsrecht verzichtet habe und der CDC-P der grösste Teil der noch verfügbaren Wertpapiere zugeteilt worden sei. Die CDC-P habe aber nicht auf das ihr aufgrund des Emissionsvertrags zustehende Zeichnungsrecht verzichten wollen.

144 In ihrer Erwiderung erwähnt die Klägerin im Abschnitt über die Bewertung der TSIP (vgl. oben, Randnr. 114) zwei Obligationsanleihen in Höhe von je 1,5 Millarden FF, die im Februar und Juni 1993 unter der Leitung des Crédit Lyonnais von der Air France aufgelegt worden seien. In der mündlichen Verhandlung hat sie diese letztere Angabe dahin präzisiert, daß somit andere Privatanleger zur maßgeblichen Zeit ihr Vertrauen in die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit der Air France bewiesen hätten. Die Air France sei so in der Lage gewesen, bei einem aus fünf Banken bestehenden Pool im Februar und Juni 1993 Obligationen in Höhe von 3 Milliarden FF und im Oktober 1993 Anleihen in Höhe von 300 Millionen FF herauszugeben, die alle von einer amerikanischen Privatbank gezeichnet worden seien (vgl. oben, Randnr. 14). Die fünf - staatlichen und privaten - Banken hätten diese Obligationen an andere Privatanleger wie z. B. Pensionskassen weitergegeben. Alle diese Privatanleger hätten notwendigerweise die wirtschaftlichen und finanziellen Aussichten der Air France genauso positiv beurteilt wie die CDC-P. Darüber hinaus hätten auch grosse Flugzeugbauunternehmen Vertrauen in die Air France gesetzt, da sie ihr 1993 mit Finanzierungsverträgen acht Flugzeuge im Wert von 3 Milliarden FF verkauft hätten.

145 Die Kommission verweist auf ihre Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung (ABl., S. 31 und 32) und hebt auf die Geringfügigkeit der Wertpapierzeichnungen der Privataktionäre der Air France hervor. Selbst wenn man die Bereitschaft dieser Aktionäre, über einen höheren Betrag die streitigen Wertpapiere zu zeichnen, berücksichtige, mache dieser Gesamtbetrag (etwa 26 Millionen FF) nur 3,3 % des gesamten Emissionswerts aus; es handele sich also um eine unbedeutende Investition ohne grosses Risiko für die Privataktionäre. Ausserdem habe nur die CDC-P dank ihrer Rechtsstellung als öffentliche Einrichtung die ORA zeichnen können, auf deren Zeichnung der französische Staat verzichtet habe. Die CDC-P habe nur deshalb 99,7 % der ORA zeichnen können, weil das Recht der Privataktionäre durch die französischen Rechtsvorschriften über Teilprivatisierungen eingeschränkt gewesen sei und weil nur die CDC-P das vom Staat nicht ausgeuebte Recht habe ausüben können.

146 Zum Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung (vgl. oben, Randnr. 144) hat die Kommission in derselben Sitzung ausgeführt, daß es sich dabei um neue Argumente handele und daß weder die beteiligten Banken noch die Merkmale der emittierten Wertpapiere angegeben worden seien.

147 Sie verweist ausserdem darauf, daß die finanzielle Lage der Air France mit derjenigen des Unternehmens Boussac Saint Frères vergleichbar sei, um das es im Urteil Frankreich/Kommission (a. a. O., Randnr. 40) gegangen sei, in dem der Gerichtshof festgestellt habe, daß Privatinvestitionen, die erheblich niedriger seien als die öffentlichen Hilfen, einer Qualifizierung der betreffenden Maßnahmen als staatliche Beihilfen nicht entgegenstuenden, wenn es dem Empfängerunternehmen nicht möglich gewesen wäre, die erforderlichen Mittel auf dem Kapitalmarkt aufzubringen, und wenn wegen seiner finanziellen Lage keine annehmbare Rendite des investierten Kapitals innerhalb eines angemessenen Zeitraums zu erwarten gewesen wäre.

- Würdigung durch das Gericht

148 Bezueglich der Beteiligung dreier Privataktionäre an der streitigen Investition ist darauf hinzuweisen, daß in der angefochtenen Entscheidung im einzelnen dargelegt wird, daß bestimmte Privataktionäre, nämlich einige Beschäftigte der Air France sowie die Bank of New York/London, Bankers Trust INT.PLC und Granite Capital LP ORA und wenige TSIP gezeichnet hätten, daß allerdings keine Bank TSIP gezeichnet habe. In der Entscheidung wird jedoch ausgeführt, daß der Anteil der Privataktionäre am Air-France-Kapital nur 0,132 % betrage und daß der Anteil der von ihnen gezeichneten ORA und TSIP unbedeutend sei (4 516 von 1 877 526 ORA und 14 von 483 456 TSIP). Trotz der Beteiligung privater Anleger an der Zeichnung von ORA und TSIP-BSA könnten die Kapitalzufuhren daher eine staatliche Beihilfe darstellen. Schließlich komme der Tatsache keine entscheidende Bedeutung zu, daß die drei Banken ORA über 25,9 Millionen FF hätten zeichnen wollen - davon 9,9 Millionen die Bank of New York/London, 7,9 Millionen die Bankers Trust INT.PLC und 7,9 Millionen und 7,9 Millionen die Granite Capital LP -, da die 65 025 ORA, die die drei Banken hätten zeichnen wollen, nur einen geringen Prozentsatz (3,3 %) der ORA, die alle Anleger zusammen hätten zeichnen wollen (1 942 760), dargestellt hätten.

149 In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß die Kommission aufgrund der Anhaltspunkte, über die sie für ihre Beurteilung verfügte, im Rahmen des ihr auf diesem Gebiet zustehenden Ermessens vernünftigerweise davon ausgehen konnte, daß sowohl der Wert der von den Privatanlegern tatsächlich gezeichneten Wertpapiere als auch der Wert der Wertpapiere, die sie zeichnen wollten, erheblich unter dem Wert der Wertpapiere lag, die die dem öffentlichen Sektor zuzurechnende CDC-P gezeichnet hat. Sie durfte daher, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, den Schluß ziehen, daß die Absichten der Privatanleger, die sich im vorliegenden Fall interessiert gezeigt hatten, keinen Beweis dafür darstellten, daß ein umsichtiger Privatanleger von der Finanzkraft der CDC-P, also auch der Caisse, das Risiko einer Investition in Höhe von 1,5 Milliarden FF in die Air France eingegangen wäre.

150 Soweit die Klägerin auf die drei Obligationsanleihen vom Februar, Juni und Oktober 1993 verweist, ist daran zu erinnern, daß die ersten beiden Anleihen in der angefochtenen Entscheidung erwähnt werden, in der es heisst, daß die Konzern-Bilanz der Air France Ende 1992 ein vorübergehendes Ungleichgewicht zugunsten der kurzfristigen Verbindlichkeiten aufgewiesen habe und daß "dies... inzwischen durch die Emission von zwei langfristigen Anleihen im März und im Juni 1993 bereinigt werden [konnte], die insgesamt 3 Milliarden FF brachten" (ABl., S. 30). Ausserdem verweist die Kommission in ihrer Klagebeantwortung (Punkt 100) auf den mit dem Sichtvermerk der COB vom 25. Januar 1993 versehenen Anleiheprospekt vom Februar 1993 (drei Seiten davon sind der Klagebeantwortung als Anlage beigefügt), um nachzuweisen, daß bereits damals bekannt gewesen sei, daß sich ein Verlust von 3,2 Milliarden FF abzeichnete.

151 Hierzu ist zunächst festzustellen, daß ein Vergleich der streitigen Wertpapiere mit anderen Arten von Wertpapieren wie den drei Obligationsanleihen, auf die sich die Klägerin beruft, insoweit unerheblich ist, als die Klägerin weder behauptet noch bewiesen hat, daß diese - nach einer bestimmten Zeit rückzahlbaren - Anleihen aufgrund ihrer Merkmale mit den spezifischen Risiken der ORA und TSIP-BSA vergleichbar seien. Die Klägerin hat nämlich keinerlei Angaben zu diesen Anleihen gemacht (Gesamtdauer, Zinsen, Tilgung, Rang der Forderungen, Möglichkeit der Zulassung zur Börse usw.). Sie hat sich auch weder zu den Banken geäussert, die diese Anleihen gezeichnet haben, noch zu den Privatanlegern, an die sie weitergegeben worden sein sollen (Grösse, evntülle Diversifizierungen, Umfang der mit der Zeichnung der Anleihen verbundenen Risiken). Das Vorbringen zu diesen Anleihen lässt daher keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler der Kommission erkennen, so daß dieser Auffassung nicht gefolgt werden kann.

152 Dasselbe gilt für die Rüge, die sich auf den Verkauf von Flugzeugen an die Air France aufgrund von Finanzierungsverträgen bezieht, da die Klägerin keinerlei konkrete Angaben zu diesen Verkäufen - insbesondere zu den Modalitäten der Übertragung des Eigentums an diesen Flugzeugen - gemacht hat.

153 Nach alledem ist das Argument einer fehlerhaften Ermittlung des Umfangs der geltend gemachten Privatinvestitionen ebenfalls zurückzuweisen.

154 Da keines der Argumente, auf die der zweite Teil des ersten Klagegrundes gestützt ist, begründet ist, kann dieser Teil nicht durchgreifen. Daher ist der erste Klagegrund in vollem Umfang zurückzuweisen.

2. Zum Klagegrund einer Verletzung des Artikels 190 des Vertrages

Vorbringen der Parteien

155 Nach Ansicht der Klägerin ist die angefochtene Entscheidung wegen fehlender Begründung für nichtig zu erklären. Die Befugnis der Kommission, die Mitgliedstaaten aufzufordern, die Rückzahlung rechtswidriger staatlicher Beihilfen anzuordnen, erstrecke sich nämlich nur auf die Beihilfeelemente, d. h. im vorliegenden Fall auf die Differenz zwischen dem Zinssatz, der auf dem Finanzmarkt üblicherweise für Produkte geboten werde, die mit den von der Air France emittierten Wertpapieren vergleichbar seien, und dem bei den streitigen Emissionen gebotenen Zinssatz. Daher enthalte die angefochtene Entscheidung keinerlei Beweis dafür, daß der Betrag, dessen Rückzahlung angeordnet werde, nach Abzug der Zinsen noch eine Beihilfe darstelle. Die Kommission habe daher gegen ihre Pflicht verstossen, die Entscheidung, mit der sie die Rückzahlung des Betrages der Zeichnungen angeordnet habe, zu begründen.

156 Die Klägerin wirft der Kommission vor, sie habe die streitigen Emissionen als blosse Beteiligung an der Air France gedeutet und die Rückforderung des gesamten Betrages der Investition der CDC-P nach Abzug der Zinsen verlangt. Um die angefochtene Entscheidung wirklich zu begründen, hätte die Kommission aber - unter Berücksichtigung des besonderen Charakters der emittierten Wertpapiere und insbesondere der Tatsache, daß bei ihnen die Zahlung von Zinsen mindestens bis zum Jahr 2000 vorgesehen sei - erläutern müssen, warum die gebotene Verzinsung nicht dem Investitionsrisiko entspreche. Selbst wenn man davon ausgegangen sei, daß die Air-France-Aktien im Jahr 2000 wertlos sein würden, hätte doch die tatsächliche wirtschaftliche Vergünstigung, die der Air France dann zugute gekommen wäre, ermittelt werden müssen, was einen Vergleich zwischen dem im Emissionsvertrag der ORA vorgesehenen Zinssatz und den üblichen Zinssätzen auf dem Markt für langfristige Anleihen vorausgesetzt hätte. Ebenso hätte die Kommission die Verzinsungsbedingungen der emittierten Wertpapiere prüfen müssen.

157 Die Klägerin verweist beispielsweise auf die Entscheidung 88/454/EWG der Kommission vom 29. März 1988 über die von der französischen Regierung gewährten Beihilfen für die Unternehmensgruppe Renault, ein hauptsächlich Kraftfahrzeuge herstellendes Unternehmen (ABl. L 220, S. 30), in der im einzelnen aufgeschlüsselt worden sei, inwiefern in den Beträgen, die der Renault-Konzern erhalten habe, Beihilfeelemente enthalten gewesen seien. Da die Kommission festgestellt habe, daß Darlehen zu einem niedrigeren Zinssatz als dem Marktrichtsatz gewährt worden seien, habe sie die Differenz zwischen diesen Zinssätzen errechnet, um die Höhe der eingeräumten Zinsvergütung und damit der gewährten Beihilfe im einzelnen zu bestimmen. Im vorliegenden Fall habe die Kommission keinerlei wirtschaftliche Analyse vorgenommen, die es ihr ermöglicht hätte, die tatsächliche wirtschaftliche Vergünstigung zu bestimmen, die der Air France dank der streitigen Emissionen zugute gekommen sei.

158 Die Klägerin fügt hinzu, daß die Kommission in der angefochtenen Entscheidung keine weiteren rechtlichen, wirtschaftlichen oder finanziellen Gesichtspunkte angegeben habe, die ihre Ausführungen über die Qualifizierung der streitigen Investitionen hätten stützen können. Sie verweist darauf, daß die CDC-P nicht als staatliche Einrichtung qualifiziert worden sei, sowie auf die ungenaue Ermittlung des Zeitpunkts der Investitionsentscheidung, auf die fehlerhafte Anwendung des Grundsatzes des umsichtigen Privatanlegers und die ungenaue Ermittlung des allgemeinen Kontextes der Investitionsentscheidung. Ferner fehle in der angefochtenen Entscheidung jede Angabe, die man als die Spur eines Beweises für das Vorliegen einer vorherigen Anweisung durch eine staatliche Behörde ansehen könne; es fehle an einer Analyse der Situation der Finanzmärkte zum maßgeblichen Zeitpunkt sowie an einem Vergleich mit Finanzprodukten, die mit den von der Air France emittierten ORA und TSIP-BSA vergleichbar seien.

159 Die Kommission verweist zunächst auf ihre Befugnis, die Mitgliedstaaten aufzufordern, die Rückerstattung von mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren Beihilfen anzuordnen, und sodann auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes zu Zweck und Umfang der Begründungspflicht nach Artikel 190 des Vertrages sowohl allgemein als auch auf dem besonderen Gebiet der staatlichen Beihilfen. Im vorliegenden Fall habe sie die französische Regierung sogar schon vor der Einleitung des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 darauf hingewiesen, daß jeder Empfänger einer rechtswidrig gewährten Beihilfe diese unter Umständen zurückzahlen müsse. Da die Begründung der Rückforderung des Gesamtbetrags der Beihilfe nicht isoliert, sondern im Rahmen der Entscheidung selbst zu betrachten sei (vgl. Urteil vom 21. März 1991 in der Rechtssache C-303/88, Italien/Kommission, a. a. O., Randnr. 54), sei sie der Ansicht, daß die angefochtene Entscheidung hinreichend begründet sei.

160 Die Kommission trägt schließlich vor, sie habe in der angefochtenen Entscheidung ausführlich erläutert, daß die finanzielle Lage der Air France im Zeitpunkt der betreffenden Zeichnung so katastrophal gewesen sei, daß kein umsichtiger Privatanleger in dieses Unternehmen investiert hätte. Indem sie diese Lage beschrieben und den ungewöhnlichen Charakter der emittierten Wertpapiere aufgezeigt habe, habe sie den Anforderungen der Rechtsprechung an die Begründungspflicht genügt. Anhand der in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Begründung ließen sich also die Gründe verstehen, aus denen die Rückzahlung des Gesamtbetrags der streitigen Investition angeordnet worden sei.

Würdigung durch das Gericht

161 Die den Gemeinschaftsorganen nach Artikel 190 des Vertrages obliegende Pflicht, ihre Entscheidungen zu begründen, soll dem Gemeinschaftsrichter die Ausübung seiner Rechtmässigkeitskontrolle ermöglichen und es dem Betroffenen gestatten, Kenntnis von den Gründen für die getroffene Maßnahme zu erlangen, damit er seine Rechte verteidigen und prüfen kann, ob die Entscheidung zutreffend ist (vgl. z. B. Urteil des Gerichtshofes vom 17. Januar 1984 in den verbundenen Rechtssachen 43/82 und 63/82, VBVB und VBBB/Kommission, Slg. 1984, 19, Randnr. 22).

162 Die angefochtene Entscheidung enthält insgesamt gesehen eine Darstellung der Gründe, die genügt, um Artikel 1 der Entscheidung, wonach die streitige Investition eine rechtswidrige und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe darstellt, zu stützen. Wie sich aus der Prüfung des ersten Klagegrundes ergibt, war die Klägerin voll und ganz in der Lage, ihre Rechte zu verteidigen; ebenso war auch das Gericht in der Lage, seine Kontrolle auszuüben.

163 Das gleiche gilt für die Begründung des Artikels 2, mit dem die Französische Republik aufgefordert wird, die Rückerstattung der staatlichen Beihilfe, abzueglich bereits gezahlter Zinsen, anzuordnen. In Teil X der angefochtenen Entscheidung wird nämlich erläutert, daß die Rückforderung der rechtswidrigen Beihilfe erforderlich sei, um die vorher bestehende Situation wiederherzustellen, indem alle finanziellen Vergünstigungen, von denen der Empfänger der unrechtmässig gewährten Beihilfe seit dem Zeitpunkt der Beihilfegewährung protitiert habe, beseitigt würden. Da sich die Kommission grundsätzlich gegen die streitige Investition ausgesprochen hat, d. h. gegen die Kapitalzufuhr als solche und nicht gegen die Modalitäten der Verzinsung dieser Kapitalbeträge, ist diese Begründung als ausreichend anzusehen.

164 Die Klägerin rügt, daß die Kommision nicht die am wenigsten einschneidende Maßnahme getroffen habe, die darin bestanden hätte, gemäß Artikel 93 Absatz 2 Unterabsatz 1 des Vertrages lediglich die Umgestaltung der streitigen Beihilfe anzuordnen. Soweit die Klägerin in diesem Punkt auf die erwähnte Entscheidung 88/454 vom 29. März 1988 (Renault) verweist, ist lediglich festzustellen, daß sich die Kommission in dieser Entscheidung nicht darauf beschränkt hat, eine solche Umgestaltung anzuordnen; in Artikel 2 der Entscheidung wird der betreffende Mitgliedstaat vielmehr aufgefordert, das in den beanstandeten Darlehen enthaltene Beihilfeelement aufzuheben, "indem [er] ihre Rückzahlung verlangt oder sie zu einem dem marktüblichen Satz entsprechenden Zinssatz gewährt".

165 Hinzu kommt, daß die Kommission im vorliegenden Fall nicht verpflichtet war, die tatsächliche wirtschaftliche Vergünstigung zu beziffern, die der Air France im Vergleich zu den Marktbedingungen gewährt worden war. Da eine solche Berechnung eine Auseinandersetzung mit besonders komplizierten wirtschaftlichen Sachverhalten, insbesondere mit den Märkten für Anleihen und Obligationen in Frankreich, erforderlich gemacht hätte, durfte sich die Kommission auf die globale Feststellung des Mißverhältnisses zwischen eingegangenen Risiken und gewährten Vergünstigungen beschränken. Sie war nicht gehalten, sich eine andere Wertpapieremission auszudenken, die ein umsichtiger Privatanleger hätte akzeptieren können.

166 Da es sich um eine Emission sehr komplexer Wertpapiere handelte, die bereits gezeichnet worden waren und deren wesentliche Merkmale als solche nicht mehr geändert werden konnten, durfte die Kommission die Rückerstattung der zugeführten Kapitalbeträge anordnen. Es war dagegen nicht ihre Sache, mit der Französischen Republik in Erörterungen über die Möglichkeit der Gewährung von Beihilfen an die Air France in anderer Form oder mit anderen Modalitäten einzutreten.

167 Daraus folgt, daß der zweite Klagegrund ebenfalls zurückzuweisen ist.

168 Da keiner der Klagegründe durchgreift, ist die Klage als unbegründet abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

169 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Zweite erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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