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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 09.01.1996
Aktenzeichen: T-368/94
Rechtsgebiete: EWG/EAG BeamtStat, Wahlordnung


Vorschriften:

EWG/EAG BeamtStat Art. 9 Abs. 3
EWG/EAG BeamtStat Art. 90
EWG/EAG BeamtStat Art. 91
Wahlordnung Art. 7
Wahlordnung Art. 18
Wahlordnung Art. 22
Wahlordnung Art. 6
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Jeder Wahlberechtigte hat ein Interesse daran, daß seine Vertreter in der Personalvertretung unter Bedingungen und aufgrund eines Wahlsystems gewählt werden, die mit den Bestimmungen des Statuts über das Wahlverfahren auf diesem Gebiet in Einklang stehen; dieses Interesse, das seine Klage gegen eine Entscheidung zulässig macht, die der Wahlvorstand im Rahmen seiner Aufgabe, die Abstimmung zu organisieren, getroffen hat, entfällt nicht bei demjenigen, der als Mitglied einer Gewerkschaft oder eines Berufsverbands eine Liste angeführt hat und nach der Abstimmung für gewählt erklärt worden ist.

2. Das nach der Wahlordnung für die Wahl der Personalvertretung der Kommission in Brüssel 1994 geltende, eine Gewerkschaft oder einen Berufsverband treffende Verbot, mehr als eine Bewerberliste einzureichen, kann nicht als rechtswidrig betrachtet werden, solange es wie folgt ausgelegt wird: Jeder wählbare Beamte oder Bedienstete darf sich bei der Wahl auf einer freien Liste bewerben, selbst wenn er Mitglied, Mitglied der Führungsgremien oder Vorsitzender einer Gewerkschaft oder eines Berufsverbands ist; der Bewerber auf einer solchen Liste darf öffentlich auf seine Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft oder einem Berufsverband und auf die Funktion, die er dort bekleidet, hinweisen; eine freie Liste und die zu ihr gehörenden Bewerber dürfen mündlich oder in schriftlicher Form zum Ausdruck bringen, daß sie Sympathie für die Ideen und Programme einer Gewerkschaft oder eines Berufsverbands haben oder sie unterstützen; freie Listen dürfen sogar in ihrer Bezeichnung auf den Namen einer Gewerkschaft oder eines Berufsverbands Bezug nehmen, wenn sich diese Gewerkschaft oder der Berufsverband dem nicht widersetzt und unter der Bedingung, daß in der gewählten Bezeichnung nicht einfach der Name, unter dem die betreffende Organisation selbst an der Wahl teilnimmt, wiedergegeben und ihm gegebenenfalls zur Unterscheidung von der "offiziellen Liste" dieser Organisation eine Zahl hinzugefügt wird.

So ausgelegt, verstösst dieses Verbot nämlich weder gegen den Grundsatz der Freiheit und der Demokratie noch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da es das aktive oder das passive Wahlrecht des Beamten sowie sein Recht, für eine Bewerberliste zu stimmen, oder das Recht einer Gewerkschaft oder eines Berufsverbands, eine Bewerberliste einzureichen, nicht beeinträchtigt und keine Ungleichbehandlung zwischen Bewerberlisten oder Bewerbern schafft; es verstösst auch weder gegen den Grundsatz der Repräsentativität, wie er in Artikel 9 Absatz 3 des Statuts, in Artikel 1 Absatz 4 des Anhangs II des Statuts und in der von der Kommission erlassenen Durchführungsregelung seinen Ausdruck gefunden hat, noch gegen die in Artikel 24a des Statuts anerkannte Gewerkschaftsfreiheit oder gegen den Grundsatz der Wählbarkeit aller Beamten.

In Anbetracht der Rechtmässigkeit dieses Verbots und der dem Wahlvorstand durch die Wahlordnung übertragenen Befugnisse war der Wahlvorstand berechtigt, nachdem er anfänglich zwei von derselben Gewerkschaft bzw. demselben Berufsverband eingereichte Listen zugelassen hatte, seine Entscheidung zu widerrufen und diese Organisation aufzufordern, eine ihrer Listen zurückzuziehen. Dagegen durfte er den Bewerbern der Liste, die von der Gewerkschaft oder dem Berufsverband zurückgezogen wurde, nicht das Recht verweigern, sich auf einer Liste zu bewerben, die im Hinblick auf die Anforderungen der zutreffend ausgelegten Wahlordnung als freie Liste betrachtet werden konnte.

3. Die Aufhebung des von einem Beamten angefochtenen Verwaltungsakts stellt selbst eine angemessene und grundsätzlich ausreichende Wiedergutmachung für jeden immateriellen Schaden dar, der ihm entstanden sein kann.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Vierte Kammer) vom 9. Januar 1996. - Pierre Blanchard gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Beamtenstatut - Personalvertretung - Wahlen - Recht der Gewerkschaften oder Berufsverbände, mehrere Listen einzureichen. - Rechtssache T-368/94.

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

1 Den rechtlichen Rahmen der vorliegenden Klage bildet die Regelung für die Wahl der örtlichen Sektion Brüssel der Personalvertretung der Kommission.

2 Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (nachstehend: Statut) sieht vor, daß bei jedem Organ eine Personalvertretung gebildet wird, die gegebenenfalls in Sektionen für jeden Dienstort eingeteilt wird. Artikel 9 Absatz 3 des Statuts sieht vor, daß die Personalvertretung die Interessen des Personals gegenüber dem Organ wahrnimmt, für eine ständige Verbindung zwischen dem Organ und dem Personal sorgt und zum reibungslosen Arbeiten der Dienststellen dadurch beiträgt, daß sie dem Personal die Möglichkeit gibt, seine Meinung zu äussern und zur Geltung zu bringen.

3 Die Zusammensetzung sowie die Einzelheiten der Tätigkeit der Personalvertretung werden von jedem Organ nach Maßgabe des Anhangs II des Statuts geregelt. Artikel 1 Absatz 2 dieses Anhangs sieht vor, daß das Verfahren für die Wahl der Personalvertretung durch die Versammlung der Beamten des Organs festgelegt wird.

4 Aufgrund von Artikel 9 Absatz 2 des Statuts erließ die Kommission am 27. April 1988 eine Regelung über die Zusammensetzung und die Tätigkeit der Personalvertretung. Artikel 6 dieser Regelung bestimmt, daß das von der Versammlung der Beamten der Kommission festgelegte Verfahren für die Wahl der örtlichen Sektionen soweit wie möglich gewährleisten muß, daß in jeder örtlichen Sektion alle Laufbahngruppen und Sonderlaufbahnen sowie die in Artikel 7 Absatz 1 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften genannten Bediensteten vertreten sind.

5 Aufgrund der ihr auf diese Weise übertragenen Rechtsetzungsbefugnis beschloß die Versammlung der bei der örtlichen Sektion Brüssel vertretenen Beamten und sonstigen Bediensteten der Kommission am 15. September 1992 eine Wahlordnung, die von der Versammlung vom 20. September 1994 ohne jede Änderung erneut beschlossen wurde. Nach Artikel 2 dieser Wahlordnung wird ein Wahlvorstand gebildet, der insbesondere die Aufgabe hat, den Wahlaufruf zu veröffentlichen (Artikel 5), die Wahlvorschläge zu prüfen und Vorschläge zurückzuweisen, die die in Artikel 5 Absatz 2 und Artikel 6 dieser Wahlordnung genannten Bedingungen nicht erfuellen (Artikel 7), mit Stimmenmehrheit über Einsprüche in bezug auf die Wahl, die während des Zeitraums der Stimmabgabe eingelegt werden, zu entscheiden (Artikel 18), das Wahlergebnis bekanntzugeben (Artikel 19), alle Einsprüche, mit denen die Wahl angefochten wird, entgegenzunehmen und der Kommission zuzuleiten (Artikel 20), eine Niederschrift über den Wahlverlauf und das Wahlergebnis anzufertigen (Artikel 21) und die Wahlordnung durchzuführen (Artikel 22).

6 Artikel 6 der Wahlordnung legt im einzelnen die Voraussetzungen für die Gültigkeit der Bewerberlisten fest, die im Rahmen der Wahl der Personalvertretung eingereicht werden können. Er lautet wie folgt:

"Es sind 27 Mandate zu vergeben.

Die Wahlvorschläge sind in Form von Listen einzureichen, auf denen höchstens 27 Bewerber für das Amt eines Mitglieds der Personalvertretung und 27 Bewerber für das Amt eines stellvertretenden Mitglieds der Personalvertretung paarweise aufgeführt sind.

Jeder Bewerber darf nur in einem einzigen Wahlvorschlag aufgeführt werden.

Jeder Vorschlag muß die Unterschrift des Bewerbers für das Amt eines Mitglieds der Personalvertretung und des Bewerbers für das Amt eines stellvertretenden Mitglieds der Personalvertretung enthalten. Bei nur einer Unterschrift muß dem Vorschlag eine Erklärung des jeweils anderen Bewerbers beigefügt werden, daß er mit der Bewerbung des mit ihm paarweise verbundenen Bewerbers einverstanden ist.

Bei Einreichung einer Bewerberliste genügt die Unterschrift des Spitzenkandidaten.

Die Gewerkschaften oder Berufsverbände können Bewerberlisten vorlegen. In diesem Fall müssen die betreffenden Verbände beim Wahlvorstand spätestens bei Prüfung der Wahlvorschläge den Nachweis erbringen können, daß die Betreffenden ihr Einverständnis mit der Bewerbung erklärt haben. Die Unzulässigkeit eines Wahlvorschlags berührt die Gültigkeit der übrigen auf derselben Liste unterbreiteten Wahlvorschläge nicht.

Die Reihenfolge der Bewerber auf der Liste wird von dem betreffenden Gewerkschafts- oder Berufsverband bestimmt.

Wahlvorschläge von sonstigen Bediensteten sind nur dann zulässig, wenn diese Bediensteten vertraglich für länger als ein Jahr oder auf unbestimmte Dauer eingestellt sind oder bei einer Vertragsdauer von längstens einem Jahr bereits seit mindestens sechs Monaten beschäftigt sind."

7 Artikel 9 der Wahlordnung betrifft ebenfalls die Einreichung der Bewerberlisten und lautet wie folgt:

"Das Verzeichnis der zugelassenen Bewerberlisten ist spätestens drei Werktage vor der Wahl bekanntzugeben.

Die Reihenfolge der Namen auf jeder Liste muß der Reihenfolge auf der jeweiligen Listen der Gewerkschafts- oder Berufsverbände entsprechen.

In den Bewerberlisten wird die Laufbahngruppe oder die Sonderlaufbahn der Bewerber und bei den sonstigen Bediensteten die Art des Beschäftigungsverhältnisses angegeben."

8 Artikel 10 dieser Wahlordnung legt die Vorschriften für die bei den Wahlen zur Personalvertretung möglichen Abstimmungsverfahren fest. Er lautet wie folgt:

"Für die Abstimmung gelten folgende Vorschriften, deren Nichtbeachtung die Ungültigkeit der Stimme zur Folge hat:

a) Der Wähler gibt seine Stimme entweder für eine Liste ab, indem er in das Feld unter der Nummer und dem Kurznamen der Liste, die er wählen will, ein Kreuz setzt (Listenstimme),

b) oder er gibt seine Stimme höchstens 27 Bewerbern und ihren Stellvertretern, die er aus einer oder mehreren Listen auswählt. In diesem Fall muß er in das Feld neben dem Namen des betreffenden Bewerbers ein Kreuz setzen; die Hoechstzahl der so abgegebenen Stimmen beträgt 27 (Vorzugsstimme).

c) Gibt ein Wähler eine Listenstimme ab und kreuzt ausserdem Bewerber dieser Liste an, so werden ausschließlich die Vorzugsstimmen gezählt.

Jede andere Eintragung, Unterschrift, Radierung oder Kennzeichnung auf dem Stimmzettel ist unzulässig und hat die Ungültigkeit der Stimme zur Folge."

Sachverhalt

9 Am 11. Oktober 1994 veröffentlichte der Wahlvorstand einen Aufruf für die auf den 22. bis 24. November 1994 angesetzte Neuwahl der örtlichen Sektion Brüssel der Personalvertretung der Kommission.

10 Am 18. Oktober 1994 wurden zwei Listen mit 27 Bewerberpaaren unter der Verantwortung der Union syndicale, einer Gewerkschaft europäischer Beamter im Sinne von Artikel 24a des Statuts, eingereicht. Eine dieser Listen mit der Bezeichnung "Union syndicale" wurde von L. Schubert, dem Vizepräsidenten der Union syndicale, angeführt und von Herrn Halskov (für Herrn Schubert) eingereicht, die andere mit der Bezeichnung "Research/Union syndicale" wurde vom Kläger, dem Vorsitzenden der Union syndicale, angeführt und von ihm selbst eingereicht. Diese Liste bestand zum Teil aus wissenschaftlichen oder technischen Beamten und sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften im Sinne der Artikel 92 bis 101 des Statuts.

11 Wie aus einem Protokoll vom 20. Oktober 1994 hervorgeht, ließ der Wahlvorstand bei seiner Sitzung vom 19. Oktober die sieben bei ihm eingereichten Listen einschließlich der beiden unter der Verantwortung der Union syndicale eingereichten Listen zu.

12 Am 20. und am 24. Oktober legten L. Rijnoudt, der die Bewerberliste der Fédération de la fonction publique européenne (FFPE) anführte, und L. Di Marzio, ein Bewerber aus der Liste der Association of Independent Officials for the Defense of the European Civil Service/Association des fonctionnaires indépendants pour la défense de la fonction publique euopéenne (TAO-AFI), jeweils beim Wahlvorstand Einspruch gegen die Zulassung der beiden Listen der Union syndicale ein.

13 Am 3. November 1994 teilte der Wahlleiter dem politischen Sekretär der Union syndicale mit, daß der Wahlvorstand diese Einsprüche für zulässig halte, da er aufgrund eines Gutachtens des Juristischen Dienstes der Kommission der Meinung sei, daß die Einreichung von zwei Listen durch ein und dieselbe Gewerkschaft oder ein und denselben Berufsverband gegen die Wahlordnung verstosse, und daß er die Union syndicale folglich dazu auffordere, eine der beiden Listen zurückzuziehen und nur eine einzige Liste einzureichen.

14 Am 7. November 1994 erklärte sich die Union syndicale bereit, die Liste "Research/Union syndicale" zurückzuziehen und sie unter einer neuen Bezeichnung einzureichen, vorausgesetzt, daß der Wahlvorstand die endgültige Zulassung beider Listen garantiere.

15 Am 8. November 1994 teilte der Wahlleiter dem politischen Sekretär der Union syndicale schriftlich mit, daß die Bedingungen, die die Union syndicale für die Änderung der Bezeichnung einer ihrer Listen gestellt habe, vom Wahlvorstand nicht angenommen worden seien und daß die Liste "Research/Union syndicale" folglich als unzulässig zurückgewiesen werde.

16 Am 8. November 1994 sprach auch der Kläger beim Wahlvorstand vor und beantragte die Zulassung der Liste "Research/Union syndicale" unter einer anderen Bezeichnung, die keine Bezugnahme auf diese Gewerkschaft enthielt; der Wahlleiter lehnte diesen Antrag ab.

17 Am 10. November 1994 legte der Kläger daraufhin eine Beschwerde gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Statuts gegen all diese Entscheidungen sowie dagegen ein, daß die Kommission diese Entscheidungen nicht verhindert oder gerügt hatte; hilfsweise richtete sich diese Beschwerde gegen die Wahlordnung.

Verfahren und Anträge der Parteien

18 Am 11. November 1994 hat der Kläger gemäß Artikel 91 Absatz 4 des Statuts beim Gericht Klage auf Aufhebung derselben Handlungen und auf Ersatz des ihm angeblich aus diesen entstandenen Schadens erhoben und einen Antrag auf einstweilige Anordnungen in Form eines Antrags auf Verschiebung und Aussetzung der Wahl gestellt.

19 Am 21. November 1994 hat der Präsident des Gerichts einen Beschluß erlassen, mit dem die Wahl der örtlichen Sektion Brüssel der Personalvertretung der Kommission ausgesetzt und die Eröffnung einer neuen Frist für die Einreichung von neuen Bewerberlisten vorgesehen wurde, deren Bezeichnung weder mit derjenigen der vom Wahlvorstand bereits angenommenen Listen noch mit derjenigen der Gewerkschaften oder Berufsverbände, die sie eingereicht haben, verwechselbar sein darf, und mit dem es dem Kläger erlaubt wurde, sich unter den gleichen Voraussetzungen wie jeder andere Bewerber zur Wahl zu stellen (Rechtssache T-368/94 R, Blanchard/Kommission, Slg. 1994, II-1099).

20 Am 7. Dezember 1994 veröffentlichte der Wahlvorstand daher einen neuen Wahlaufruf und setzte den Wahltermin auf den 31. Januar sowie den 1. und den 2. Februar 1995 fest. Die neuen Wahlvorschläge waren in der Zeit vom 8. bis 15. Dezember einzureichen.

21 Der Kläger reichte eine von ihm angeführte Liste unter der Bezeichnung "Together for Research" ein. Diese Liste erhielt durch "Vorzugsstimmen" zwei Mandate, von denen ein Mandat dem Kläger zugeteilt wurde.

A22 Am 24. Februar 1995 wies die Kommission die Beschwerde des Klägers zurück, was sie diesem am 1. März 1995 mitteilte.

23 Am 24. März 1995 hat die Union syndicale ° Service public européen ° Bruxelles (nachstehend: Union syndicale) beantragt, im vorliegenden Verfahren gemäß Artikel 115 der Verfahrensordnung des Gerichts als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Klägers zugelassen zu werden.

24 Am 10. Mai 1995 hat der Präsident der Vierten Kammer des Gerichts diesem Streithilfeantrag stattgegeben.

25 Die Streithelferin hat innerhalb der ihr dazu gesetzten Frist keinen Streithilfeschriftsatz eingereicht.

26 Das Gericht (Vierte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Die mündliche Verhandlung hat am 25. Oktober 1995 stattgefunden. Die Prozeßbevollmächtigten der Parteien haben darin mündliche Ausführungen gemacht und Fragen des Gerichts beantwortet.

27 Der Kläger beantragt

° die Aufhebung

° der in einem Schreiben des Wahlleiters an den politischen Sekretär der Union syndicale fédérale vom 3. November 1994 enthaltene(n) Entscheidung(en) des (aufgrund von Artikel 2 der am 15. September 1992 von der Versammlung der bei der örtlichen Sektion Brüssel vertretenen Beamten und sonstigen Bediensteten der Kommission der Europäischen Gemeinschaften beschlossenen und am 20. September 1994 unverändert erneut beschlossenen Wahlordnung für die Wahl der Personalvertretung der Kommission gebildeten) Wahlvorstands;

° der in einem Schreiben des Wahlleiters an den politischen Sekretär der Union syndicale fédérale vom 8. November 1994 enthaltene(n) Entscheidung(en) des Wahlvorstands;

° soweit erforderlich, der am 8. November 1994 um 13 Uhr mündlich mitgeteilten Entscheidung des Wahlleiters oder des Wahlvorstands, die Zulassung einer nicht zugelassenen Liste mit 27 Bewerberpaaren der Liste "Research/Union syndicale" unter einer anderen Bezeichnung, in der der Name "Union syndicale" nicht mehr vorkommt, abzulehnen;

° der entsprechenden Nichtverhinderung oder Nichtbeanstandung der ersten oben genannten Entscheidung(en) des Wahlvorstands durch die Kommission als Anstellungsbehörde;

° der Nichtverhinderung oder Nichtbeanstandung der zweiten Entscheidung(en) des Wahlvorstands durch die Anstellungsbehörde;

° der Nichtverhinderung oder Nichtbeanstandung der dritten angefochtenen Entscheidung durch die Anstellungsbehörde;

° hilfsweise,

° die am 20. September 1994 unverändert erneut beschlossene Wahlordnung vom 15. September 1992 für nichtig zu erklären, falls sie dahin auszulegen sein sollte, daß es einer Gewerkschaft oder einem Berufsverband untersagt ist, für die Wahl der Personalvertretung mehrere Listen mit 27 Paaren von (Haupt- und Ersatz-)Bewerbern einzureichen, und in diesem Fall die Nichtverhinderung oder Nichtbeanstandung der Verabschiedung dieser Wahlordnung durch die Anstellungsbehörde aufzuheben;

° die Kommission zum Ersatz des ihm durch die Pflichtwidrigkeit der angefochtenen Entscheidungen entstandenen immateriellen Schadens zu verurteilen;

° der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

28 Die Kommission beantragt,

° die Klage abzuweisen;

° den Antrag auf Ersatz des dem Kläger angeblich entstandenen materiellen und immateriellen Schadens zurückzuweisen;

° über die Kosten nach Rechtslage zu entscheiden.

Zur Zulässigkeit

Vorbringen der Parteien

29 Ohne ausdrücklich eine Einrede der Unzulässigkeit zu erheben, stellt die Kommission das Fortbestehen eines Rechtsschutzinteresses des Klägers im Rahmen einer Anfechtungs- und Schadensersatzklage in Frage, da es dem Kläger durch den Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 21. November 1994 ermöglicht worden sei, sich zur Wahl zu stellen, und da er im übrigen in die neue örtliche Sektion der Personalvertretung der Kommission gewählt worden sei. Die angefochtenen Handlungen beschwerten ihn daher nicht mehr, so daß er kein einmal entstandenes und noch gegenwärtiges Rechtsschutzinteresse mehr habe.

30 Die Kommission stellt die Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage in das Ermessen des Gerichts und führt aus, daß die Zulässigkeit eines Schadensersatzantrags, der zusammen mit Aufhebungsanträgen gestellt werde, eng mit der Zulässigkeit der Aufhebungsanträge zusammenhänge.

31 Der Kläger entgegnet darauf zunächst, daß die streitigen Entscheidungen nicht nur sein passives Wahlrecht verletzt hätten, sondern auch seine Vereinigungsfreiheit und sein Recht als Wähler auf Ausübung seines Wahlrechts unter vollkommen rechtmässigen Bedingungen.

32 Er macht ausserdem geltend, daß seine Teilnahme an der Wahl der Personalvertretung auf einstweiligen Anordnungen beruhe, die der Präsident des Gerichts in seinem Beschluß vom 21. November 1994 erlassen habe. Wenn sein Rechtsschutzinteresse in der Hauptsache aber durch einstweilige Anordnungen beeinträchtigt werden könnte, würde dies bedeuten, daß Beschlüsse über einstweilige Anordnungen endgültige Wirkungen hätten, was der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts widerspräche, wonach einstweilige Anordnungen die Entscheidung zur Hauptsache nicht vorwegnähmen (Beschluß des Präsidenten der Dritten Kammer des Gerichtshofes vom 11. Juni 1985 in der Rechtssache 146/85 R, Diezler u. a./WSA, Slg. 1985, 1805, Randnr. 9). Er führt weiter aus, daß der Beschluß es ihm zwar ermöglicht habe, mit den anderen Bewerbern seiner Liste an der Wahl teilzunehmen, daß er dies aber nicht unter den Bedingungen habe tun können, die er sich anfangs gewünscht habe und die er für rechtmässig halte.

33 Ferner trägt er vor, daß jeder Wähler ein berechtigtes Interesse daran habe, daß sein Wahlrecht unter Bedingungen seine Wirkungen entfalte, die mit den Bestimmungen des Statuts in Einklang stuenden, und daß die Vertreter seiner Organisation unter Bedingungen und aufgrund eines Wahlsystems gewählt würden, die ebenfalls mit den Bestimmungen des Statuts in Einklang stuenden. Er fügt hinzu, daß jeder Wahlbewerber auch ein berechtigtes Interesse daran habe, daß das durch seine Bewerbung ausgelöste Verfahren unter Bedingungen ablaufe, die mit dem Statut und den verschiedenen Wahlordnungen in Einklang stuenden. Durch die Ergebnisse der Wahl beschwerten ihn die angefochtenen Entscheidungen daher weiter, und zwar sowohl in seiner Eigenschaft als Wähler als auch in seiner Eigenschaft als gewählter Bewerber und als Mitglied und früherer Vorsitzender der Union syndicale.

34 Der Kläger meint, aus der Rechtsprechung ergebe sich auch, daß dieses Interesse sowohl dann gegeben sei, wenn die Wahl schon stattgefunden habe, als auch bei noch bevorstehenden Wahlen (Urteil des Gerichtshofes vom 27. Oktober 1987 in den verbundenen Rechtssachen 146/85 und 431/85, Diezler u. a./WSA, Slg. 1987, 4283, Randnr. 9; Urteile des Gerichts vom 8. März 1990 in der Rechtssache T-28/89, Maindiaux u. a./WSA, Slg. 1990, II-59, Randnr. 28, und vom 14. Juli 1994 in der Rechtssache T-534/93, Grynberg und Hall/Kommission, Slg. ÖD 1994, II-595, Randnrn. 29 und 30). Jedenfalls habe er im Hinblick auf künftige Wahlen weiterhin ein Rechtsschutzinteresse.

Würdigung durch das Gericht

35 Das Gericht weist erstens darauf hin, daß der Gerichtshof entschieden hat, daß "jeder Wahlberechtigte ein Interesse daran hat, daß die Vertreter seiner Organisation unter Bedingungen und aufgrund eines Wahlsystems gewählt werden, die mit den Bestimmungen des Statuts über das Wahlverfahren auf diesem Gebiet in Einklang stehen", und daß bei einem Beamten "allein aufgrund seiner Eigenschaft als Wahlberechtigter ein Interesse gegeben [ist], das ausreicht, um seine Klage zulässig zu machen" (Urteil Diezler u. a./WSA, a. a. O., Randnr. 9). Der Kläger klagt im vorliegenden Fall aber vor allem in seiner Eigenschaft als Wahlberechtigter und als Mitglied einer Gewerkschaft oder eines Berufsverbands.

36 Aufgrund dieses Gesichtspunktes ist zweitens zu prüfen, ob der Kläger, da er in der gemäß dem Tenor des Beschlusses des Präsidenten des Gerichts vom 21. November 1994 durchgeführten Wahl zum Mitglied der Personalvertretung gewählt worden ist, nicht dadurch, daß er die Durchführung der Wahl unter Bedingungen verlangt, die mit den auf das Wahlverfahren anwendbaren Bestimmungen in Einklang stehen, letztlich im Interesse des Gesetzes oder der Organe tätig wird oder sich auf künftige, hypothetische Interessen beruft, ohne irgendeine persönliche Beschwer nachweisen zu können.

37 Dazu ist zunächst festzustellen, daß schon die Wählereigenschaft des Klägers unabhängig davon, ob er zum Mitglied der Personalvertretung gewählt worden ist oder nicht, für den Nachweis ausreicht, daß er nicht nur im Interesse des Gesetzes oder des Organs tätig wird. Der Kläger beruft sich zur Begründung seiner Klage auch nicht auf künftige, hypothetische Interessen, wenn er geltend macht, daß die Umstände seiner Wahl und die Wahlergebnisse der von ihm angeführten Liste anders hätten sein können, wenn die angefochtenen Entscheidungen mit den Bedingungen in Einklang gestanden hätten, die die auf das Wahlverfahren anwendbaren Rechtsvorschriften vorsehen. Schließlich kann der Kläger nach Auffassung des Gerichts durchaus geltend machen, er sei persönlich beschwert, und zwar sowohl in seiner Eigenschaft als Wahlberechtigter, der sein Stimmrecht unter Einhaltung der auf das Wahlverfahren anwendbaren Rechtsvorschriften ausüben möchte, als auch in seiner Eigenschaft als Mitglied einer Gewerkschaft oder eines Berufsverbands, für die oder den das Wahlergebnis anders hätten ausfallen können, wenn die angefochtenen Entscheidungen gemäß der von ihm zur Stützung seiner Klage vertretenen Auslegung der anwendbaren Rechtsvorschriften aufgehoben worden wären.

38 Aus alledem ergibt sich, daß die Aufhebungsanträge für zulässig zu erklären sind. Da der Erfolg des Schadensersatzantrags im vorliegenden Fall eng mit dem Erfolg der Aufhebungsanträge zusammenhängt, ist dieser ebenfalls für zulässig zu erklären.

Zur Begründetheit

Zu den Aufhebungsanträgen

39 Der Kläger stützt seine Klage auf fünf Klagegründe. Mit dem ersten macht er eine Verletzung der Artikel 7 und 18 der Wahlordnung geltend, weil der Wahlvorstand in seiner Sitzung vom 19. Oktober die beiden von der Union syndicale eingereichten Listen zugelassen habe und daher diese Entscheidung nicht mehr habe rückgängig machen können. Der zweite Klagegrund betrifft einen Verstoß gegen die Wahlordnung, nach der es einer Gewerkschaft oder einem Berufsverband nicht untersagt sei, für dieselbe Wahl mehrere Listen einzureichen. Mit dem dritten Klagegrund rügt der Kläger einen Verstoß gegen den Grundsatz der Freiheit und der Demokratie oder den Grundsatz der Gleichbehandlung. Mit dem vierten Klagegrund wird ein Verstoß gegen den Grundsatz der Repräsentativität und/oder gegen den Grundsatz gerügt, daß das Personal die Möglichkeit haben müsse, seine Meinung zu äussern und zur Geltung zu bringen. Der fünfte Klagegrund betrifft eine Verletzung der Koalitionsfreiheit und des Grundsatzes, daß alle Beamten das passive Wahlrecht besässen.

Erster Klagegrund: Verletzung der Artikel 7 und 18 der Wahlordnung

° Vorbringen der Parteien

40 Der Kläger trägt zum einen vor, daß die Entscheidung des Wahlvorstands vom 3. November 1994, mit der die Union syndicale aufgefordert worden sei, eine der beiden von ihr eingereichten Listen zurückzuziehen, rechtswidrig sei, weil damit von ihm verlangt worden sei, gegen Artikel 7 Absatz 2 der Wahlordnung zu verstossen, wonach "die vom Wahlvorstand angenommenen Wahlvorschläge... von den Bewerbern nicht mehr zurückgezogen werden [können]".

41 Der Kläger trägt zum anderen vor, daß der Wahlvorstand nicht dazu befugt gewesen sei, auf einen Einspruch hin eine aufgrund von Artikel 7 der Wahlordnung erlassene Entscheidung aufzuheben. Der Wahlvorstand habe nämlich aufgrund von Artikel 18 der Wahlordnung gehandelt, der ihm lediglich die Befugnis einräume, über Einsprüche zu entscheiden, die während des Zeitraums der Stimmabgabe eingelegt würden. Artikel 18 stelle daher weder einen Rechtsbehelf gegen Entscheidungen des Wahlvorstands selbst noch ein Verfahren dar, das es ermögliche, beim Wahlvorstand den Widerruf einer solchen Entscheidung zu beantragen. Der Kläger stützt sein Vorbringen darauf, daß die Artikel 4 und 20 der Wahlordnung ausdrücklich vorsähen, daß Einsprüche gegen Entscheidungen des Wahlvorstands unmittelbar oder über den Wahlvorstand an die Verwaltung zu richten seien.

42 Der Kläger führt ferner aus, falls die angefochtenen Entscheidungen einen teilweisen Widerruf der Entscheidung des Wahlvorstands vom 19. Oktober 1994 darstellen sollten, sei die Rechtmässigkeit einer solchen Entscheidung zu prüfen. Der Grundsatz, daß subjektive Rechte verleihende Handlungen widerrufen werden dürften, wenn sie rechtswidrig seien (Urteil des Gerichtshofes vom 12. Juli 1957 in den verbundenen Rechtssachen 7/56 und 3/57 bis 7/57, Algera u. a./Gemeinsame Versammlung, Slg. 1957, S. 85), sei zum einen wegen der besonderen Rechtsbehelfsmechanismen auf dem Gebiet des Wahlrechts und zum anderen weil die betreffende Handlung kein Verwaltungsakt sei, im vorliegenden Fall nicht anwendbar.

43 Ausserdem ist der Kläger der Auffassung, daß die Gemeinschaftsorgane nicht nur berechtigt seien, von Amts wegen einzuschreiten, sobald sie Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Wahl der Personalvertretung hegten, sondern daß sie auch die Pflicht hätten, über Beschwerden zu entscheiden, die in diesem Zusammenhang im Rahmen des in den Artikeln 90 und 91 des Statuts festgelegten Verfahrens möglicherweise an sie gerichtet würden (Urteile Maindiaux u.a./WSA, Diezler u. a./WSA und Grynberg und Hall/Kommission, a. a. O., und Urteil vom 29. September 1976 in der Rechtssache 54/75, De Dapper u. a./Parlament, Slg. 1976, 1381, Randnrn. 19 bis 25). Aus dem Urteil De Dapper/Parlament (a. a. O.) ergebe sich auch, daß Streitigkeiten auf dem Gebiet des Wahlrechts ausschließlich mit Hilfe des damit geschaffenen Rechtsbehelfsmechanismus zu lösen seien.

44 Nach Ansicht des Klägers hätte der Wahlvorstand die beiden am 20. und 24. Oktober 1994 eingelegten Einsprüche daher für unzulässig erklären müssen. Der Kläger führt weiter aus, daß der Wahlvorstand seine Entscheidung, die Listen der Union syndicale zuzulassen, gemäß Artikel 22 der Wahlordnung, der ihm die Befugnis zu ihrer Durchführung einräume, von sich aus, nicht aber aufgrund der Einsprüche hätte widerrufen können.

45 Die Kommission entgegnet darauf zunächst, daß Artikel 7 der Wahlordnung, der es dem Bewerber untersage, einen vom Wahlvorstand angenommenen Wahlvorschlag zurückzuziehen, dem Wahlvorstand nicht das Recht nehme, eine Entscheidung über die Zulässigkeit eingereichter Bewerbungen zu widerrufen, die anfangs nur unter dem Gesichtspunkt der Wählbarkeit der Bewerber geprüft worden seien.

46 Die Kommission ist ausserdem der Auffassung, daß immer dann, wenn ein Verwaltungsakt rechtswidrig sei, die Möglichkeit des Widerrufs dieses Verwaltungsakts nicht ausgeschlossen werden dürfe, und zwar vor allem dann, wenn dies innerhalb einer angemessenen Frist im Einklang mit den im Urteil Algera u. a./Gemeinsame Versammlung (a. a. O.) festgelegten Grundsätzen geschehe.

47 Die Kommission führt weiter aus, daß sie der Union syndicale die Wahl gelassen habe, eine der beiden Listen zurückzuziehen, und daß sie damit im Interesse einer gütlichen Einigung gehandelt habe und ihrer Fürsorgepflicht nachweislich nachgekommen sei.

48 Die Kommission führt schließlich aus, daß Artikel 18 der Wahlordnung dem Wahlvorstand das Recht verleihe, vor allem aber die Pflicht auferlege, die Rechtmässigkeit des Wahlverfahrens zu gewährleisten. Nach Ansicht der Kommission bezieht sich Artikel 18 entgegen der Auffassung des Klägers nicht nur auf die Stimmabgabe. Eine solche Auslegung entspräche nicht der Systematik der Wahlordnung und der Rolle des Wahlvorstands, der insbesondere die Aufgabe habe, als erster über die Einsprüche zu entscheiden, die möglicherweise während des Wahlvorgangs eingelegt würden. Ausserdem sehe die Wahlordnung ausdrücklich, so z. B. in den Artikeln 4 und 20, Fälle vor, in denen der Wahlvorstand keine solche Entscheidungsbefugnis besitze.

49 Die Kommission meint daher, es sei nicht ersichtlich, weshalb die Rechtsbehelfsmechanismen, die in der vom Kläger angeführten Rechtsprechung genannt würden, der Befugnis des Wahlvorstands entgegenstehen sollten, eine Entscheidung zu widerrufen, wenn er feststelle, daß er einen Fehler begangen habe. Diese Widerrufsentscheidung bleibe im übrigen anfechtbar, wie das vorliegende Verfahren als solches beweise, und beeinträchtige daher in keiner Weise die Möglichkeit, auf andere Rechtsbehelfe zurückzugreifen, wie sie z. B. in den Artikeln 90 und 91 des Statuts vorgesehen seien. Diese Auffassung werde ausserdem durch das Urteil De Dapper u. a./Parlament (a. a. O., insbesondere Randnrn. 23, 28 und 29) und die Schlussanträge des Generalanwalts Mayras zu diesem Urteil bestätigt (Slg. 1976, 1391).

° Würdigung durch das Gericht

50 Erstens ist die Entscheidung des Wahlvorstands vom 3. November 1994, mit der die Union syndicale von diesem aufgefordert wurde, unter ihrem Namen "nur eine der beiden von Herrn Blanchard bzw. von Herrn Halskov (für Herrn Schubert) eingereichten Listen" einzureichen, nicht als Aufforderung zu verstehen, gegen Artikel 7 Absatz 2 der Wahlordnung zu verstossen. Diese Vorschrift verbietet es einem Bewerber, seinen Wahlvorschlag von sich aus oder auf Betreiben der Gewerkschaft oder des Berufsverbands, auf deren oder dessen Liste er kandidiert, zurückzuziehen, nachdem die Bewerberliste, auf der er steht, beim Wahlvorstand eingereicht worden ist. Im vorliegenden Fall erfolgte die Rücknahme einer der beiden fraglichen Listen aber in Durchführung einer Entscheidung des Wahlvorstands. Es handelte sich daher keinesfalls um eine Rücknahme im Sinne des in Artikel 7 Absatz 2 der Wahlordnung enthaltenen Verbots, obwohl die Entscheidung des Wahlvorstands es der Union syndicale freistellte, welche der beiden Listen sie zurückziehen wollte.

51 Zweitens räumt der Kläger ein, daß der Wahlvorstand eine Entscheidung über die Einreichung einer Bewerberliste aufgrund der ihm durch Artikel 22 der Wahlordnung übertragenen Befugnis von sich aus widerrufen kann, denn danach hat der Wahlvorstand die Aufgabe, für die Durchführung der Wahlordnung zu sorgen. Aufgrund dessen ist daher zu prüfen, ob der Wahlvorstand gegen Artikel 18 der Wahlordnung verstösst, wenn er eine Entscheidung über die Einreichung einer Bewerberliste wie im vorliegenden Fall auf Betreiben Dritter ändert oder widerruft.

52 Dazu ist zunächst zu bemerken, daß das in den Artikeln 90 und 91 des Statuts vorgesehene Verfahren keinen Betroffenen irgendwie daran hindert, gegenüber der Stelle, die eine Entscheidung erlassen hat, in jeder gewünschten Weise insbesondere zur Ordnungsgemäßheit dieser Entscheidung Stellung zu nehmen. Jeder Betroffene muß nämlich den Versuch unternehmen können, auf gütlichem Weg und vor Einlegung der in diesen Artikeln vorgesehenen Rechtsbehelfe mit der Stelle, die die Entscheidung erlassen hat, zu verhandeln oder ihren Standpunkt zu beeinflussen, ohne daß die Rechtssicherheit durch die eventuelle Änderung oder gar den Widerruf dieser Entscheidung beeinträchtigt wird. Daraus folgt, daß jede Änderung oder jeder Widerruf einer Entscheidung, die oder der auf solche Initiativen hin erfolgt, vor allem innerhalb einer angemessenen Frist vorgenommen werden muß. Die Widerrufsentscheidung vom 3. November 1994 ist nur 15 Tage nach Erlaß der ersten Entscheidung vom 19. Oktober 1994 ergangen, was im vorliegenden Fall nicht als unangemessene Frist betrachtet werden kann.

53 Jede auf eine solche Initiative hin erlassene neue Entscheidung kann selbst wiederum unter den gleichen Voraussetzungen geändert oder widerrufen werden und bleibt nach dem Verfahren der Artikel 90 und 91 des Statuts anfechtbar. Folglich bleiben jedem Betroffenen seine gesamten Verfahrensrechte, insbesondere im Hinblick auf die Klagefristen, erhalten; diese werden durch die Änderung oder den Widerruf einer Entscheidung nicht berührt.

54 Der Kläger räumt insoweit ein, daß ein Verwaltungsakt, durch den subjektive Rechte begründet worden sind, widerrufen werden kann, wenn er rechtswidrig ist. Ausserdem hat er weder dargetan, inwiefern das Verfahren des allgemeinen Rechts nicht auf das Wahlverfahren anwendbar sein soll, noch hat er aufgezeigt, aus welchem Grund die Entscheidung des Wahlvorstands vom 19. Oktober 1994 im vorliegenden Fall, wie er in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, kein Verwaltungsakt sein soll.

55 Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die Initiative der beiden Gewerkschaften oder Berufsverbände, auf die die angefochtenen Entscheidungen zurückgehen, nicht als Beschwerde im Sinne der Artikel 90 und 91 des Statuts angesehen werden kann. Es handelt sich nämlich um Schritte, die diese Gewerkschaften oder Berufsverbände bei der Stelle, die eine Entscheidung erlassen hat, unternommen haben, ohne dadurch das Recht zu verlieren, unter Einhaltung der in den Artikeln 90 und 91 des Statuts festgelegten Voraussetzungen und Fristen auch von den dort ausgestalteten Rechtsbehelfen Gebrauch zu machen.

56 Aufgrund von alledem ist das Gericht der Auffassung, daß die Entscheidung des Wahlvorstands, seine Entscheidung vom 19. Oktober 1994 zu widerrufen, im vorliegenden Fall nicht gegen Artikel 18 der Wahlordnung verstösst, denn dieser verleiht ihm im Rahmen des betreffenden Wahlverfahrens die jeder Stelle, die eine Verwaltungsentscheidung erlässt, zustehende Befugnis, diese Entscheidung zu widerrufen, sofern dem nicht eine ausdrückliche Bestimmung entgegensteht.

57 Im übrigen geht es nicht an, den Geltungsbereich von Artikel 18 der Wahlordnung, wie der Kläger vorträgt, auf die reine Stimmabgabe mit Ausnahme der Stimmenauszählung einzuengen, denn Artikel 18 sieht ein allgemein geltendes Verfahren vor und gehört ebenso wie Artikel 22 zu den allgemeinen Vorschriften der Wahlordnung.

58 Aus alledem ergibt sich, daß der Wahlvorstand durch den Widerruf seiner Entscheidung vom 19. Oktober 1994 weder gegen Artikel 7 Absatz 2 noch gegen Artikel 18 der Wahlordnung verstossen hat. Der erste Klagegrund greift daher nicht durch.

Zweiter Klagegrund: Die Wahlordnung untersage es einer Gewerkschaft oder einem Berufsverband weder ausdrücklich noch stillschweigend, mehrere Listen einzureichen

° Vorbringen der Parteien

59 Der Kläger vertritt zunächst die Auffassung, daß der Wortlaut der Wahlordnung kein entscheidendes Argument liefere. Die Artikel 6 und 9 könnten nicht dahin ausgelegt werden, daß es der Union syndicale untersagt sei, mehrere Bewerberlisten für die Wahlen der Personalvertretung einzureichen.

60 Er führt weiter aus, daß Beamte und sonstige Bedienstete, die keiner Gewerkschaft und keinem Berufsverband angehörten, das Recht hätten, beliebig viele Listen einzureichen, ohne daß irgend jemand geltend machen könne, daß dadurch das Wahlsystem oder die diesem zugrunde liegenden übergeordneten Grundsätze beeinträchtigt würden.

61 Der Kläger macht daher geltend, daß die Wahlordnung systematisch und im Einklang mit den auf diesem Gebiet anwendbaren höherrangigen Vorschriften auszulegen sei, wie dies nach der Rechtsprechung des Gerichts (Urteil Grynberg und Hall/Kommission, a. a. O., Randnrn. 39 und 48) geboten sei.

62 So beruhe das Wahlsystem erstens auf den Freiheitsrechten und der Vereinigungsfreiheit der Beamten bei Wahlen. Nach Ansicht des Klägers stellt die Einreichung mehrerer Bewerberlisten durch dieselbe Gewerkschaft oder denselben Berufsverband keinen Eingriff in die individuellen Wählerrechte dar.

63 Zweitens seien nach dem Wahlsystem Einzelbewerbungen, Vorzugsstimmen und das Panaschieren zulässig, wie es auch in einem begrenzten Umfang Bewerberlisten und die Listenwahl bevorzuge. Die Einreichung mehrerer Listen durch dieselbe Gewerkschaft oder denselben Berufsverband widerspreche nicht dem System der Listenwahl, da die Gleichbehandlung beider Abstimmungsverfahren (Listenwahl und Vorzugswahl) gewahrt werde. Ausserdem stehe die Beschränkung auf 27 Bewerber pro Liste nicht der Einreichung mehrerer Listen durch dieselbe Gewerkschaft oder denselben Berufsverband entgegen, da diese Beschränkung nur eine technische Vorschrift sei, die darauf abziele, daß die Anzahl der Stimmen, über die der Wahlberechtigte verfüge, der Anzahl der Mandate entspreche. Diese Beschränkung beziehe sich daher nur auf die einzelne Liste.

64 Drittens wahre das Wahlsystem die Vereinigungsfreiheit und die Koalitionsfreiheit, ohne jedoch auf einem System der Gewerkschaftskandidatur zu beruhen, denn die einzige speziell die Gewerkschaften und Berufsverbände betreffende Bestimmung finde sich in Artikel 6 Absatz 6 der Wahlordnung, wonach eine Liste, wenn sie von einer Gewerkschaft oder einem Berufsverband eingereicht werde, nicht von allen Bewerbern unterzeichnet werden müsse. Da die Wahlordnung nicht auf die Gewerkschaftszugehörigkeit abstelle, gebe sie der Kommission auch nicht das Recht, über das Verhalten der Gewerkschaften oder Berufsverbände im Rahmen des Wahlverfahrens zu bestimmen, sondern sie räume ihr lediglich das Recht ein, über die Ordnungsgemäßheit der von den Gewerkschaften oder Berufsverbänden eingereichten Listen zu wachen. Den Beamten bleibe es freigestellt, nach welchen Kriterien sie sich im Rahmen der Versammlung der Beamten zusammenschließen wollten, ohne daß diese Kriterien unbedingt denen entsprechen müssten, nach denen sich der Beitritt zu einer Gewerkschaft oder einem Berufsverband richte. Daher müsse es möglich sein, daß mehrere unterschiedliche Programme innerhalb derselben Gewerkschaft oder desselben Berufsverbands ihren Ausdruck fänden und daraus mehrere Wahllisten hervorgingen.

65 Schließlich trägt der Kläger vor, daß das Wahlsystem in gewissem Umfang auf die Vertretung aller Sonderlaufbahnen, Laufbahngruppen und dienstrechtlichen Stellungen gemäß dem in Artikel 1 Absatz 4 von Anhang II des Statuts niedergelegten Erfordernis abziele und sie gewährleiste. Die Einreichung der Liste "Research/Union syndicale" entspreche gerade dem Ziel, allen Sonderlaufbahnen, Laufbahngruppen und dienstrechtlichen Stellungen eine Vertretung zu sichern. Der Kläger verweist in diesem Zusammenhang auf das Wahlsystem, das in Belgien für die Wahl der Belegschaftsvertreter gelte.

66 Der Kläger führt abschließend aus, daß die Einreichung mehrerer Listen durch dieselbe Gewerkschaft oder denselben Berufsverband dem Wahlsystem, wie es in der Wahlordnung ausgestaltet worden sei, entspreche und daher nicht gegen eine ihrer Vorschriften verstossen könne.

67 Die Kommission entgegnet erstens, daß mehrere Vorschriften der Wahlordnung, wie z. B. die Artikel 6 Absatz 6 und 9 Absatz 2, auf der Prämisse aufbauten, daß jede politische Gruppierung eine Liste mit höchstens 27 Bewerbern einreichen dürfe. Anderenfalls würden die Bedingungen des Wettbewerbs zwischen den Gewerkschaften und Berufsverbänden verfälscht, da man es tatsächlich mit einer die Anzahl der Mandate übersteigenden Anzahl von Bewerbern zu tun hätte, die von derselben Gewerkschaft oder demselben Berufsverband aufgestellt worden seien; dies würde eine Umgehung der Vorschrift darstellen, die eine Hoechstzahl von 27 Bewerbern festlege. Nach Ansicht der Kommission entspricht ihre Auslegung eher dem Geist des Wahlsystems, denn im Rahmen dieses Systems müsse jede Gewerkschaft und jeder Berufsverband den Konkurrenzgewerkschaften und -verbänden im Hinblick auf die zu vergebenden Mandate gleichgestellt sein. Die Kommission macht ausserdem geltend, die Argumente des Klägers seien tatsächlich der Beweis dafür, daß er sich mit seiner Behauptung, das von der Union syndicale befürwortete System entspreche eher dem Grundsatz der Gleichbehandlung beider Abstimmungsverfahren (Listenwahl und Vorzugswahl), in Wirklichkeit über die Grundsätze des zur Zeit geltenden Systems hinwegsetzen wolle.

68 Die Kommission führt zweitens aus, die Berufung darauf, daß die Versammlung der Beamten auf dem Gebiet des Wahlrechts zur Rechtsetzung befugt sei, daß die Vereinigungsfreiheit der Beamten in Artikel 24a des Statuts anerkannt werde und daß die Gewerkschaften oder Berufsverbände und die freien Listen ihr Wahlprogramm frei bestimmen könnten, gehe im vorliegenden Fall an der Sache vorbei, da sie diese Grundsätze nie bestritten habe. Ausserdem sei das System der Wahl der Belegschaftsvertreter in Belgien ebenfalls kein passendes Beispiel, da die Mandate dort nach Arbeitnehmergruppen aufgeteilt würden, und die repräsentativen Verbände deshalb mehrere Listen einreichten, von denen jede sich auf eine Arbeitnehmergruppe beziehe.

° Würdigung durch das Gericht

69 Zunächst ist der Wortlaut der Artikel 6 und 9 der Wahlordnung zu untersuchen. Artikel 9 Absatz 2 bestimmt, daß "die Reihenfolge der Namen auf jeder Liste... der Reihenfolge auf der jeweiligen Liste der Gewerkschafts- oder Berufsverbände entsprechen [muß]". Schon aus dem Wortlaut dieser Vorschrift ergibt sich, daß jede Gewerkschaft oder jeder Berufsverband nur zur Einreichung einer Bewerberliste berechtigt ist, wie die Kommission zutreffend vorträgt. Ausserdem ist auch der Wortlaut von Artikel 6 der Wahlordnung nicht geeignet, die ausdrückliche Vorschrift in Artikel 9 Absatz 2 der Wahlordnung in Frage zu stellen, und er ist daher so zu verstehen, daß er ebenfalls auf der Prämisse beruht, daß jede Gewerkschaft oder jeder Berufsverband nur eine Bewerberliste für die Wahl der Personalvertretung einreichen darf.

70 Jedoch ergibt sich aus dem Vorbringen der Parteien im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung, insbesondere aus den Anworten der Kommission auf die mündlichen Fragen des Gerichts, daß die Wahlordnung in ihrer jetzigen Fassung unstreitig vorsieht, daß jeder wählbare Beamte oder Bedienstete sich bei der Wahl auf einer freien Liste bewerben kann, selbst wenn er Mitglied einer Gewerkschaft oder eines Berufsverbands ist, ja sogar wenn er Mitglied der Führungsgremien einer Gewerkschaft oder eines Berufsverbands oder gar der Vorsitzende einer solchen Organisation ist. Die Kommission räumt auch ein, daß Bewerber auf einer freien Liste öffentlich auf ihre Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft oder einem Berufsverband und auf die Funktion, die sie dort bekleiden, hinweisen dürfen und daß diese freie Liste und die zu ihr gehörenden Bewerber mündlich oder in schriftlicher Form zum Ausdruck bringen dürfen, daß sie Sympathie für die Ideen und Programme einer Gewerkschaft oder eines Berufsverbands hegen oder sie unterstützen, ohne daß die Liste dadurch ihren Charakter als freie Liste im Sinne der Wahlordnung verliert.

71 Auf eine mündliche Frage des Gerichts hat die Kommission allerdings ausgeführt, daß sie nicht anerkenne, daß in der Bezeichnung einer freien Liste, selbst wenn diese die oben beschriebenen Merkmale aufweise, auf den Namen einer Gewerkschaft oder eines Berufsverbands, die oder der seine eigene Liste aufgestellt habe, Bezug genommen werden dürfe, und daß diese freie Liste und die Gewerkschaft oder der Berufsverband im Wahlkampf gemeinsames schriftliches Werbematerial herausgeben dürften. Nach Ansicht der Kommission könnten solche Vorgehensweisen beim Wähler falsche Vorstellungen über den jeweiligen Charakter der von der Gewerkschaft oder dem Berufsverband eingereichten Liste und der freien Liste wecken und seien aus diesem Grund zu untersagen.

72 Ferner ist unstreitig, daß alle Listen unabhängig davon, wie sie entstanden sind und ob ihre Bewerber ihre Sympathie für andere Listen zum Ausdruck bringen, im Rahmen der Wahl der Personalvertretung miteinander konkurrieren. Mehrere Vorschriften der Wahlordnung beziehen sich im übrigen auf die Bewerberliste. So entspricht die Anzahl der Haupt- und der Ersatzlistenplätze pro Liste genau der Anzahl der zu vergebenden Mandate, und es wurde auch ein Listenwahlsystem geschaffen.

73 Die von der Kommission geäusserte Ablehnung der Verwendung des Namens einer Gewerkschaft oder eines Berufsverbands beruht daher ° wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat ° auf dem Bestreben, jeden Irrtum und jede Verwirrung des Wählers zu verhindern.

74 Dazu ist festzustellen, daß der Wähler auf zwei verschiedene Weisen über den Charakter einer freien Liste, die die in Randnummer 70 beschriebenen Merkmale aufweist, getäuscht werden kann. Im ersten Fall enthält die Bezeichnung der freien Liste, wie die Kommission es fordert, keinerlei Bezugnahme auf den Namen einer Gewerkschaft oder eines Berufsverbands, die zu ihr gehörenden Bewerber sind aber Mitglieder einer solchen Organisation, weisen auf diese Mitgliedschaft öffentlich hin, erklären ihre Sympathie und unterstützen mündlich und schriftlich die Ideen und Programme dieser Gewerkschaft oder dieses Berufsverbands, ohne daß die freie Liste jedoch von der Gewerkschaft oder dem Berufsverband eingereicht oder präsentiert wird. Der Wähler läuft in einem solchen Fall Gefahr, irrtümlich zu glauben, daß der (oder die) Bewerber, den (die) er unterstützen will, mit den Gewerkschaften oder den Berufsverbänden, die im Rahmen der Wahl der Personalvertretung ebenfalls Listen eingereicht haben, überhaupt nichts zu tun habe (hätten). Um einem derartigen Irrtum wirksam vorzubeugen, ist es angebracht, in der Bezeichnung der freien Liste ausdrücklich auf den Namen der betreffenden Gewerkschaft oder des betreffenden Berufsverbands Bezug zu nehmen, was die unmittelbare Folge hat, daß das Zusammenspiel der verschiedenen Bewerberlisten im Rahmen der Wahl transparenter gemacht wird.

75 Im zweiten Fall nimmt die Bezeichnung der freien Liste ausdrücklich Bezug auf den Namen einer Gewerkschaft oder eines Berufsverbands und einige Mitglieder dieser Organisation stehen auf der freien Liste, weisen öffentlich auf diese Mitgliedschaft hin, bekunden ihre Sympathie und unterstützen mündlich oder schriftlich die Ideen oder Programme dieser Gewerkschaft oder dieses Berufsverbands, ohne daß die freie Liste jedoch von dieser Organisation eingereicht oder präsentiert wird. Der Irrtum, der dem Wähler in diesem Fall unterlaufen kann, oder die Verwirrung, die eine solche Situation bei ihm hervorrufen kann, besteht darin, daß er glaubt, durch Unterstützung eines Bewerbers (oder mehrerer Bewerber) dieser Liste für die Gewerkschaft oder den Berufsverband zu stimmen, deren oder dessen Name in der Bezeichnung der Liste enthalten ist. Dazu ist zunächst festzustellen, daß der Wähler im Zeitpunkt der Abstimmung einen Stimmzettel hat, auf dem alle Wahllisten und -bewerber aufgeführt sind, so daß er gleichzeitig die Bezeichnungen aller konkurrierenden Listen lesen und feststellen kann, welche Liste von der Gewerkschaft oder dem Berufsverband als eigene Liste eingereicht worden ist. Die Gefahr, daß dem Wähler ein derartiger Irrtum unterläuft, ist somit schon deshalb weitgehend gebannt. Ferner ist zu bemerken, daß ein Irrtum wie der in bezug auf die zweite Fallgestaltung untersuchte lediglich der Gewerkschaft oder dem Berufsverband schaden kann, deren oder dessen Name in der Bezeichnung einer freien Liste verwendet wird. Wenn diese Gewerkschaft oder dieser Berufsverband keinen Einspruch dagegen einlegt, daß die zu einer freien Liste gehörenden Bewerber den Namen der Organisation verwenden, kann vernünftigerweise angenommen werden, daß praktisch keine Gefahr besteht, daß es zu einem derartigen Irrtum kommen könnte.

76 Aus alledem ergibt sich, daß bei der ersten Fallgestaltung das Fehlen einer Bezugnahme auf den Namen der Gewerkschaft oder des Berufsverbands in der Bezeichnung der freien Liste die Transparenz des Zusammenspiels der verschiedenen Listen und Bewerber bei der Wahl erheblich verringert und die Gefahr einer Irreführung des Wählers erhöht, während bei der zweiten Fallausgestaltung, wenn sich die betreffende Gewerkschaft oder der betreffende Berufsverband der Verwendung ihres oder seines Namens nicht widersetzt, das Wahlverfahren durch die Angabe dieses Namens in der Bezeichnung einer freien Liste an Transparenz gewinnt und sich somit auch die Gefahr verringert, daß beim Wähler einen Irrtum oder Verwirrung hervorgerufen wird.

77 Aufgrund von alledem ist das Gericht der Auffassung, daß, da keine Vorschrift der Wahlordnung dies verbietet, eine oder mehrere freie Listen in ihrer Bezeichnung auf den Namen einer Gewerkschaft oder eines Berufsverbands Bezug nehmen können, die oder der selbst auch an den Wahlen teilnimmt, sofern diese Organisation sich dem nicht widersetzt, indem sie gegebenenfalls gemäß Artikel 18 der Wahlordnung den Wahlvorstand anruft. Jedoch darf die Bezugnahme auf den Namen einer Gewerkschaft oder eines Berufsverbands in der Bezeichnung einer freien Liste, die die in Randnummer 70 beschriebenen Merkmale aufweist, nicht lediglich in der Weise erfolgen, daß einfach der Name, unter dem die betreffende Gewerkschaft oder der betreffende Berufsverband selbst an der Wahl teilnimmt, wiedergegeben und ihm gegebenenfalls eine Zahl hinzugefügt wird, um diese Liste von der "offiziellen Liste" dieser Organisation zu unterscheiden, denn dies würde gegen die Wahlordnung verstossen, nach der eine Gewerkschaft oder ein Berufsverband nicht mehr als eine Bewerberliste für die Wahl der Personalvertretung einreichen darf.

78 Auch kann die Existenz mehrerer freier Listen, deren Bezeichnung auf eine Gewerkschaft oder einen Berufsverband in der in Randnummer 77 beschriebenen Weise Bezug nimmt, die Gleichbehandlung der Bewerberlisten und der Bewerber selbst nicht beeinträchtigen. Nur diese Gleichbehandlung soll durch die Wahlordnung, und zwar insbesondere durch ihre Artikel 6 und 9, gewährleistet werden. Eine Zunahme der Listen, gleich welchen Ursprungs, verändert zwar zwangsläufig das Verhältnis zwischen Bewerbern und verfügbaren Mandaten, dadurch wird aber weder die Gleichbehandlung der Bewerberlisten beeinträchtigt, noch wird der Wettbewerb zwischen den Gewerkschaften und Berufsverbänden beeinflusst, da diese als solche nur eine einzige Bewerberliste einreichen können. Der Wahlordnung ist auch nicht zu entnehmen, daß diese etwa auf der Prämisse einer Gleichbehandlung zwischen Gewerkschaften und Berufsverbänden in dem Sinn beruht, daß diese Organisationen dem Zweck zu eine Bewerberliste für die Wahl der Personalvertretung zu dem Zweck einreichen, daß ein gesunder Wettbewerb zwischen ihnen gewährleistet ist.

79 Schließlich kann die Bezugnahme auf den Namen einer Gewerkschaft oder eines Berufsverbands in der Bezeichnung einer freien Liste dann nicht als Versuch dieser Organisation betrachtet werden, die Vorschrift über die Hoechstzahl von 27 Bewerberpaaren für das Amt des Mitglieds und das Amt des stellvertretenden Mitglieds pro Liste zu umgehen, wenn eine solche Liste nicht von der Gewerkschaft oder dem Berufsverband eingereicht wird und die Bezugnahme auf den Namen dieses Verbands den in Randnummer 77 erläuterten Anforderungen genügt.

80 Im vorliegenden Fall wurde für die vom Kläger am 18. Oktober 1994 beim Wahlvorstand eingereichte Liste mit der Bezeichnung "Research/Union syndicale" das gleiche Papier mit dem Briefkopf der Union syndicale verwendet, auf dem am gleichen Tag auch die Liste mit der Bezeichnung "Union syndicale" von Herrn Halskov im Namen von Herrn Schubert eingereicht wurde. Ferner hat der politische Sekretär der Union syndicale in dem Antwortschreiben vom 7. November 1994 auf die Entscheidung des Wahlvorstands vom 3. November 1994 nicht bestritten, daß die beiden fraglichen Listen von der Union syndicale eingereicht worden waren. Schließlich sind sich die Parteien sowohl im schriftlichen Verfahren als auch in der mündlichen Verhandlung darüber einig gewesen, daß die beiden Listen "Research/Union syndicale" und "Union syndicale" von derselben Gewerkschaft eingereicht worden waren. Unter diesen Umständen ist das Gericht der Auffassung, daß die Entscheidung des Wahlvorstands vom 3. November 1994, mit der die Union syndicale aufgefordert wurde, "unter ihrem Namen nur eine der beiden von Herrn Blanchard bzw. von Herrn Halskov (für Herrn Schubert) eingereichten Listen einzureichen", nicht unter Verstoß gegen die Wahlordnung ergangen ist, sondern daß diese damit im Gegenteil richtig angewendet worden ist. Daraus folgt, daß der zweite Klagegrund zurückzuweisen ist, soweit er auf die Aufhebung der Entscheidung des Wahlvorstands vom 3. November 1994 sowie der entsprechenden Nichtverhinderung oder Nichtbeanstandung dieser Entscheidung durch die Anstellungsbehörde gerichtet ist.

81 Dagegen ist festzustellen, daß der politische Sekretär der Union syndicale in seinem am 7. November 1994 an den Wahlvorstand gerichteten Antwortschreiben auf die Entscheidung vom 3. November 1994 vorgeschlagen hat, in der Liste mit der Bezeichnung "Research/Union syndicale" den Kurznamen seiner Organisation zu streichen und den Kläger aufzufordern, dem Wahlvorstand nach Rücksprache mit den anderen Bewerbern der von ihm angeführten Liste die neue Bezeichnung dieser Liste mitzuteilen, allerdings unter der Bedingung, daß der Wahlvorstand die Zulassung aller Bewerbungen auf den beiden von der Entscheidung vom 3. November 1994 betroffenen Listen in vollem Umfang garantiere. In seiner Entscheidung vom 8. November 1994 nahm der Wahlvorstand von den mit diesem Vorschlag verbundenen Bedingungen Kenntnis, kam jedoch zu der Auffassung, daß sich diese Bedingungen "nicht mit dem Anliegen, keine 108 Bewerber für eine einzige Organisation zuzulassen, vereinbaren" ließen, und beschloß, "die Liste Nr. 1 'Research/Union syndicale' für nicht zugelassen zu erklären".

82 Dem im Schreiben des politischen Sekretärs der Union syndicale vom 7. November 1994 enthaltenen Vorschlag ist aber zu entnehmen, daß die Union syndicale sich verpflichtete, sich, obwohl sie von der Richtigkeit der vorgenommenen Auslegung nicht überzeugt war, dadurch an die Wahlordnung zu halten, daß sie nur eine Bewerberliste einreichen und die Bewerber der Liste mit der ursprünglichen Bezeichnung "Research/Union syndicale" auffordern wollte, sich auf einer Liste mit einer neuen Bezeichnung zu bewerben. Dieser Vorschlag des politischen Sekretärs der Union syndicale entsprach den Vorschriften der Wahlordnung, wie sie oben in den Randnummern 69 bis 79 erläutert worden sind. Der Wahlvorstand hat mit dem Erlaß seiner Entscheidung vom 8. November 1994 die Zulässigkeit der Bewerberlisten für die Wahl der Personalvertretung von einer zusätzlichen Voraussetzung abhängig gemacht, die ausserdem den in der Wahlordnung aufgestellten Voraussetzungen widersprach. Wollte man nämlich der vom Wahlvorstand in seiner Entscheidung vom 8. November 1994 vertretenen Auffassung folgen, dann könnten die Bewerber einer freien Liste, die die in Randnummer 70 beschriebenen Merkmale aufweist, nicht zur Wahl der Personalvertretung zugelassen werden.

83 Aus denselben Gründen hat der Wahlvorstand ausserdem dadurch eine zusätzliche, mit den in der Wahlordnung enthaltenen Voraussetzungen unvereinbare Voraussetzung aufgestellt, daß er am 8. November 1994 durch den Wahlleiter die Zulassung der Liste des Klägers verweigert hat, obwohl in deren Bezeichnung nicht mehr auf die Union syndicale Bezug genommen wurde.

84 Daraus folgt, daß die beiden am 8. November vom Wahlvorstand erlassenen Entscheidungen unter Verstoß gegen die Wahlordnung ergangen und daher aufzuheben sind. Jedoch beeinträchtigen diese Aufhebungen, wie der Kläger und die Streithelferin in der mündlichen Verhandlung anerkannt haben, weder die Gültigkeit des nach der einstweiligen Anordnung des Präsidenten des Gerichts vom 21. November 1994 eingeleiteten Wahlverfahrens noch das Ergebnis der am 31. Januar sowie am 1. und am 2. Februar 1995 durchgeführten Wahlen.

85 Aufgrund von alledem greift der zweite Klagegrund durch, und die Klage ist insoweit, als sie auf die Aufhebung der Entscheidungen des Wahlvorstands vom 8. November 1994 gerichtet ist, für begründet zu erklären, ohne daß über die angebliche entsprechende Nichtverhinderung oder Nichtbeanstandung der beiden aufgehobenen Entscheidungen durch die Anstellungsbehörde entschieden werden müsste.

86 Die anderen Klagegründe sind also noch insoweit zu prüfen, als sie sich auf die übrigen Aufhebungsanträge beziehen. Da das Gericht der Auffassung ist, daß es einer Gewerkschaft oder einem Berufsverband nach der Wahlordnung untersagt ist, bei den Wahlen zur Personalvertretung mehr als eine Bewerberliste einzureichen, sind nunmehr die anderen Klagegründe zu prüfen, auf die sich der Kläger im Rahmen der hilfsweise gegen die Wahlordnung erhobenen Einrede der Rechtswidrigkeit beruft.

87 Der Kläger begründet seine Einrede der Rechtswidrigkeit gegen die Wahlordnung mit einem Verstoß gegen die Grundsätze, die er im zweiten, im dritten, im vierten und im fünften Klagegrund zur Stützung seiner Aufhebungsanträge dargelegt hat. Mit dem zweiten Klagegrund hat er jedoch zur Stützung dieser Anträge gerade einen Verstoß gegen die Wahlordnung gerügt. Das Gericht ist daher der Auffassung, daß im Rahmen der Würdigung der Einrede der Rechtswidrigkeit lediglich der dritte, der vierte und der fünfte Klagegrund zu prüfen sind.

Dritter Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Freiheit und der Demokratie oder den Gleichbehandlungsgrundsatz

° Vorbringen der Parteien

88 Der Kläger trägt vor, daß der Gleichbehandlungsgrundsatz im Wahlrecht ein wesentlicher Bestandteil des Grundsatzes der Demokratie sei, nach dem ° gemäß dem Urteil De Dapper u. a./Parlament (a. a. O.) und der am 12. April 1989 vom Europäischen Parlament angenommenen "Erklärung der Grundrechte und Grundfreiheiten" (genauer: ihrem Artikel 17 Absatz 5) ° die Gleichheit zwischen den Wählern, zwischen den Wahlbewerbern und zwischen den Gewerkschaften oder Berufsverbänden, die Bewerberlisten einreichten, zu wahren sei.

89 Er führt ferner aus, daß durch die Entscheidung vom 3. November 1994 mehrere Wählerrechte eingeschränkt worden seien, und zwar durch Beeinträchtigung des passiven Wahlrechts der Bewerber der Liste "Research/Union syndicale", des Rechts der Union syndicale auf Einreichung einer Liste und der Freiheit des Wählers, für die Liste "Research/Union syndicale" zu stimmen.

90 Nach Ansicht des Klägers sind solche Einschränkungen nur zulässig, wenn sie mit dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften vereinbar sind (nach Artikel 17 Absatz 5 der am 12. April 1989 vom Parlament angenommenen Erklärung der Grundrechte und Grundfreiheiten) oder wenn sie in bezug auf einen rechtmässigen Zweck verhältnismässig sind, worauf in der Rechtsprechung, und zwar insbesondere in den Schlussanträgen des Generalanwalts Sir Gordon Slynn zum Urteil Diezler u. a./WSA (a. a. O., S. 4298), hingewiesen worden sei. Die angebliche Notwendigkeit, alle Gewerkschaften oder Berufsverbände gleich zu behandeln, die es nach Ansicht der Kommission rechtfertige, einer Gewerkschaft oder einem Berufsverband die Einreichung von mehr als einer Liste zu verbieten, ergebe sich aber nicht aus dem Grundsatz der Demokratie oder dem Gleichbehandlungsgrundsatz, denn dieser fordere die Gleichheit der europäischen Beamten im Hinblick auf ihr aktives und passives Wahlrecht, nicht jedoch die Gleichheit der Gewerkschaften oder Berufsverbände im Hinblick auf ihre Befugnis, Bewerberlisten einzureichen. Ausserdem entspreche die von der Kommission befürwortete rechnerische Gleichheit (eine Liste pro Gewerkschaft oder Berufsverband) nicht dem in der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts entwickelten Begriff der Gleichheit, denn dieser stelle auf eine substantielle Gleichheit vor dem Gesetz ab, nach der Gleiches gleich und Ungleiches unterschiedlich zu behandeln sei.

91 Der Kläger trägt ausserdem vor, daß die anderen Gewerkschaften oder Berufsverbände durch das Verhalten der Union syndicale in keiner Weise daran gehindert würden, mehrere Listen einzureichen. Ob eine Gewerkschaft oder ein Berufsverband mehrere Listen einreichen könne, hänge davon ab, wie repräsentativ diese seien und ob die Mitglieder einer Gewerkschaft oder eines Berufsverbands bereit seien, sich als Bewerber bei den Wahlen aufstellen zu lassen. Der Kläger ist im Gegenteil der Ansicht, daß die Wahlordnung diskriminierend sei, da sie es zum einen nicht gewerkschaftlich organisierten Beamten erlaube, beliebig viele Listen einzureichen, was eine Diskriminierung nach der Gewerkschaftszugehörigkeit darstelle, und da zum anderen bestehende objektive Unterschiede zwischen den Gewerkschaften oder Berufsverbänden im Hinblick auf ihre Repräsentativität nicht berücksichtigt würden.

92 Die Kommission entgegnet darauf, daß das eine Gewerkschaft oder einen Berufsverband treffende Verbot, mehr als eine Liste für die Wahl der Personalvertretung der Kommission einzureichen, für die Bewerber der Liste "Research/Union syndicale" keine Diskriminierung bedeute. Durch den Grundsatz, daß die Einreichung mehrerer Listen durch dieselbe Organisation unzulässig sei, werde nämlich weder das Recht der Beamten, ihre Vertreter frei zu bestimmen, noch das gleiche aktive und passive Wahlrecht der europäischen Beamten eingeschränkt. Durch diesen Grundsatz sollten den Gewerkschaften oder Berufsverbänden in der gleichen Wahl gleiche Bedingungen gewährleistet werden, ohne jedoch die Beamten daran zu hindern, sich selbständig und unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft oder einem Berufsverband zu bewerben. Es liege daher keine Diskriminierung vor, sondern ein solcher Grundsatz diene letztlich im Gegenteil der Durchsetzung eines durchaus rechtmässigen Grundsatzes der Wahlgleichheit. Die Kommission fügt hinzu, daß keine Diskriminierung wegen der Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft oder einem Berufsverband vorliege, denn die Koalitionsfreiheit werde im vorliegenden Fall nicht in Frage gestellt, da jede Gewerkschaft und jeder Berufsverband weiterhin im Hinblick auf die Aufstellung der eigenen Bewerberliste frei sei.

° Würdigung durch das Gericht

93 Im Rahmen des dritten Klagegrundes ist zu prüfen, ob die Wahlordnung das aktive oder das passive Wahlrecht des Beamten sowie sein Recht, für eine Bewerberliste zu stimmen, oder das Recht einer Gewerkschaft oder eines Berufsverbands, eine Bewerberliste einzureichen, in irgendeiner Weise beeinträchtigt. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob das eine Gewerkschaft oder einen Berufsverband treffende Verbot, mehr als eine Bewerberliste einzureichen, gegen die Grundsätze der Freiheit und der Gleichbehandlung aller Bewerberlisten unabhängig davon, wie sie entstanden sind, und der Gleichbehandlung aller Bewerber verstösst.

94 Erstens zielte die im Einklang mit den Vorschriften der Wahlordnung erlassene Entscheidung vom 3. November 1994 nur darauf ab, die Union syndicale daran zu hindern, zwei Listen unter ihrem eigenen Kurznamen einzureichen. Aus der Entscheidung des Wahlvorstands vom 3. November 1994 und den später von der Kommission im Rahmen des vorliegenden Verfahrens vorgebrachten Argumenten ergibt sich nämlich, daß der Wahlvorstand die Bewerber der Liste "Research/Union syndicale" nicht daran hat hindern wollen, sich bei der Wahl der Personalvertretung zu bewerben, sondern daß er lediglich gefordert hat, daß dabei das in der Wahlordnung festgelegte Verfahren eingehalten wird.

95 Zweitens beeinträchtigt das in der Wahlordnung festgelegte Verfahren für die Ausübung des passiven Wahlrechts jedes Beamten oder sonstigen Bediensteten, wie es oben in den Randnummern 69 bis 79 näher erläutert worden ist, dieses Recht nicht in seinem Bestand, da es seinen Umfang nicht einschränkt. Jeder Beamte oder sonstige Bedienstete hat nämlich unabhängig davon, ob er Mitglied einer Gewerkschaft oder eines Berufsverbands ist, das Recht, bei der Wahl der Personalvertretung zu kandidieren, indem er sich entweder im Einvernehmen mit einer Gewerkschaft oder einem Berufsverband auf einer von dieser Organisation eingereichten Liste oder aber auf einer freien Liste bewirbt, wobei er in diesem Fall weiterhin das Recht hat, auf seine eventuelle Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft oder einem Berufsverband öffentlich hinzuweisen, seine Sympathie zum Ausdruck zu bringen oder das Programm einer Gewerkschaft oder eines Berufsverbands mündlich oder schriftlich zu unterstützen und unter Beachtung der in Randnummer 77 dargestellten Anforderungen in der Bezeichnung der freien Liste, auf der er sich bewirbt, auf den Namen einer Gewerkschaft oder eines Berufsverbands Bezug zu nehmen. Der Kläger kann daher nicht geltend machen, daß die Entscheidung des Wahlvorstands vom 3. November 1994, die gemäß den Vorschriften der Wahlordnung erlassen wurde, eines der von ihm angeführten Rechte beeinträchtige.

96 Drittens beeinträchtigt die Entscheidung des Wahlvorstands vom 3. November 1994 nicht das Recht der Union syndicale, eine Bewerberliste einzureichen, da die Wahlordnung lediglich die Einreichung von mehr als einer Bewerberliste durch dieselbe Gewerkschaft oder denselben Berufsverband untersagt.

97 Wie schon im Rahmen der Würdigung des zweiten Klagegrundes dargelegt worden ist, gewährleistet die Wahlordnung viertens die Gleichbehandlung der Bewerberlisten. Ausserdem beeinträchtigt das eine Gewerkschaft oder einen Berufsverband treffende Verbot, mehr als eine Bewerberliste einzureichen, wie oben ausgeführt, nicht die Gleichbehandlung der Listen. Daraus folgt, daß die Wahlordnung durchaus nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Listen verstösst, sondern im Gegenteil die Wahrung dieses Grundsatzes sichert.

98 Fünftens ist im Hinblick auf die Frage, ob die Wahlordnung dadurch, daß sie eine Diskriminierung aufgrund der Gewerkschaftszugehörigkeit bewirkt, gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bewerber verstossen kann, lediglich daran zu erinnern, daß die Wahlordnung es zum einen jedem Beamten oder sonstigen Bediensteten unabhängig davon, ob er Mitglied einer Gewerkschaft oder eines Berufsverbands ist, gestattet, auf einer freien Liste zu kandidieren, und daß er zum anderen auf seine Gewerkschaftszugehörigkeit unabhängig davon hinweisen darf, ob er sich auf der Liste einer Gewerkschaft oder eines Berufsverbands oder aber auf einer freien Liste bewirbt. Das eine Gewerkschaft oder einen Berufsverband treffende Verbot, mehr als eine Bewerberliste einzureichen, bewirkt daher keine Diskriminierung der Bewerber aufgrund ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit.

99 Daraus folgt, daß die Wahlordnung nicht gegen die Grundsätze der Freiheit und der Demokratie oder der Gleichbehandlung verstösst, daß sie nicht für rechtswidrig zu erklären ist und daß die Entscheidung des Wahlvorstands vom 3. November 1994 und die entsprechende Nichtverhinderung oder Nichtbeanstandung dieser Entscheidung durch die Anstellungsbehörde daher ebenfalls nicht aufgrund des Vorbringens des Klägers zu diesem Klagegrund aufgehoben werden können.

Vierter Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Repräsentativität und/oder den Grundsatz, daß das Personal die Möglichkeit haben muß, seine Meinung zu äussern und zur Geltung zu bringen

° Vorbringen der Parteien

100 Der Kläger trägt zunächst vor, indem die Wahlordnung den Ausschluß der von der Union syndicale am 18. Oktober 1994 eingereichten Liste "Research/Union syndicale" durch die Entscheidung des Wahlvorstands vom 3. November 1994 ermöglicht habe, habe sie das Recht des Personals eingeschränkt, seine Meinung durch die Bewerber dieser Liste zu äussern und zur Geltung zu bringen. Wenn sich die Zahl der Bewerber nämlich innerhalb der von der Wahlordnung für jede Liste festgelegten Grenzen vervielfache, so entspreche das diesem in Artikel 9 Absatz 3 des Statuts ausdrücklich genannten Erfordernis.

101 Der Kläger macht ausserdem geltend, daß in Artikel 1 Absatz 4 des Anhangs II des Statuts und Artikel 6 der von der Kommission am 27. April 1988 erlassenen Regelung vorgesehen sei, daß die Personalvertretung so zusammengesetzt sein müsse, daß die Vertretung aller in Artikel 5 des Statuts genannten Laufbahngruppen und Sonderlaufbahnen sowie der in Artikel 7 Absatz 1 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften genannten Bediensteten gewährleistet sei. Aus der Rechtsprechung ergebe sich, daß diesen Vorschriften der Zweck zugrunde liege, die Vertretung aller Interessengruppen des Personals sicherzustellen. Das Wahlsystem müsse daher diesem Zweck soweit wie möglich entsprechen (Urteil De Dapper u. a./Parlament, a. a. O., Randnrn. 16 und 17).

102 Artikel 1 Absatz 4 des Anhangs II des Statuts sei aber in diesem Zusammenhang insofern unzureichend, als er nur auf Artikel 5 Absatz 1 letzter Unterabsatz des Statuts und auf Artikel 7 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften verweise. Diese beiden Vorschriften beträfen nämlich nur das Personal der Verwaltung und der Sonderlaufbahn Sprachendienst, berücksichtigten dagegen nicht die wissenschaftlichen und technischen Beamten, um die es in den Artikeln 92 und 101 des Statuts gehe, und im übrigen auch nicht die Bediensteten, die im Haushaltsplan "Forschung und technologische Entwicklung" geführt würden. Folglich sei es nach der Wahlordnung, insbesondere nach ihren Artikeln 8 und 12, nicht möglich, den Zweck der vollkommenen Vertretung aller unterschiedlichen Interessen des Personals zu verwirklichen, weil sie auf der Grundlage von Anhang II des Statuts beschlossen worden sei. Der Kläger ist daher der Ansicht, daß die Einreichung sektorieller Listen, wie sie die Union syndicale befürworte, ein Mittel darstelle, um eine solche Vertretung zu sichern.

103 Nach Ansicht der Kommission stellt es dagegen keine qualifizierte Beeinträchtigung der demokratischen Grundsätze dar, wenn Vorschriften für die Einreichung von Bewerbungen festgelegt werden. Artikel 9 Absatz 3 des Statuts bezwecke in erster Linie, sicherzustellen, daß die Interessen des Personals, nicht aber die der Gewerkschaften oder Berufsverbände als unabhängige Einrichtungen, gegenüber dem Organ wahrgenommen würden (Urteil des Gerichts vom 12. Januar 1994 in der Rechtssache T-65/91, White/Kommission, Slg. ÖD 1994, II-23, Randnr. 102).

104 Die Kommission führt weiter aus, daß es nach dem Wortlaut von Artikel 5 Absatz 1 des Statuts wissenschaftliche und technische Beamte gebe, die sich vom Verwaltungspersonal und vom Personal der Sonderlaufbahn Sprachendienst unterschieden, was die Rechtsprechung bestätigt habe (Urteil des Gerichtshofes vom 21. Oktober 1986 in den Rechtssachen 269/84 und 292/84, Fabbro u. a./Kommission, Slg. 1986, 2983; Urteil des Gerichts vom 9. Oktober 1992 in der Rechtssache T-50/91, De Persio/Kommission, Slg. 1992, II-2365, Randnr. 17). Artikel 1 Absatz 4 des Anhangs II des Statuts stelle daher eine ausreichende Grundlage dar und die Mindestvertretung der wissenschaftlichen und technischen Beamten sei daher gewährleistet, was in den Artikeln 8 und 12 der Wahlordnung zu Recht bestätigt werde. Die Kommission fügt ausserdem hinzu, daß es niemandem verwehrt sei, eine freie sektorielle Liste einzureichen, um so besonders die Interessen der wissenschaftlichen und technischen Beamten zu vertreten.

105 Abschließend verweist die Kommission darauf, daß die vom Kläger angeführte sektorielle Liste dank der gemäß dem Tenor des Beschlusses des Präsidenten des Gerichts vom 21. November 1994 vorgenommenen Wiedereröffnung der Fristen an der Wahl der Personalvertretung der Kommission habe teilnehmen können.

° Würdigung durch das Gericht

106 Im Rahmen der Würdigung der Einrede der Rechtswidrigkeit ist zum einen zu prüfen, ob die Wahlordnung gegen den Grundsatz der Repräsentativität, wie er in Artikel 9 Absatz 3 des Statuts, in Artikel 1 Absatz 4 des Anhangs II des Statuts und in Artikel 6 der von der Kommission am 27. April 1988 erlassenen Regelung seinen Ausdruck gefunden hat, dadurch verstösst, daß sie es einer Gewerkschaft oder einem Berufsverband verbietet, mehr als eine Bewerberliste einzureichen; zum anderen ist zu prüfen, ob sich die Artikel 8 und 12 der Wahlordnung auch auf die wissenschaftlichen und technischen Beamten beziehen.

107 Was den angeblichen Verstoß gegen den Grundsatz der Repräsentativität angeht, so ist auf den Wortlaut der genannten Vorschriften hinzuweisen. So lautet Artikel 9 Absatz 3 des Statuts wie folgt:

"Die Personalvertretung nimmt die Interessen des Personals gegenüber dem Organ wahr und sorgt für eine ständige Verbindung zwischen dem Organ und dem Personal. Sie trägt zum reibungslosen Arbeiten der Dienststellen dadurch bei, daß sie dem Personal die Möglichkeit gibt, seine Meinung zu äussern und zur Geltung zu bringen..."

Artikel 1 Absatz 4 des Anhangs II des Statuts lautet wie folgt:

"Die nicht in örtliche Sektionen unterteilte Personalvertretung oder, falls die Personalvertretung in örtliche Sektionen unterteilt ist, die örtlichen Sektionen müssen so zusammengesetzt sein, daß die Vertretung aller in Artikel 5 des Statuts genannten Laufbahngruppen und Sonderlaufbahnen sowie der in Artikel 7 Absatz 1 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften genannten Bediensteten gewährleistet ist. Die zentrale Personalvertretung einer in örtliche Sektionen unterteilten Personalvertretung ist rechtswirksam gebildet, sobald die Mehrheit ihrer Mitglieder bestellt ist."

Schließlich lautet Artikel 6 der von der Kommission am 27. April 1988 erlassenen Regelung wie folgt:

"Das Verfahren für die Wahl der örtlichen Sektionen und der zentralen Personalvertretung wird von der Versammlung der Beamten der Kommission so festgelegt, daß die Vertretung aller Laufbahngruppen und Sonderlaufbahnen sowie der in Artikel 7 Absatz 1 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften genannten Bediensteten in der zentralen Personalvertretung und soweit wie möglich in jeder örtlichen Sektion gewährleistet ist..."

108 Diesen drei Vorschriften ist zu entnehmen, daß die Zugehörigkeit der Bewerber zu unterschiedlichen Sonderlaufbahnen oder Laufbahngruppen dazu beitragen soll, es dem Personal zu ermöglichen, seine Meinung zu äussern und zur Geltung zu bringen. Dieser Zweck wird jedoch nicht dadurch beeinträchtigt, daß eine Gewerkschaft oder ein Berufsverband nicht mehr als eine Bewerberliste einreichen darf. Wie schon in Randnummer 95 ausgeführt, zielte die Entscheidung vom 3. November 1994 nicht darauf ab, den Bewerbern der vom Kläger angeführten Liste die Teilnahme an der Wahl unmöglich zu machen; folglich sollte durch sie auch nicht eine besondere Laufbahngruppe oder Sonderlaufbahn von Beamten oder sonstigen Bediensteten daran gehindert werden, ihre Meinung zur Geltung zu bringen und eine Vertretung in der Personalvertretung zu erhalten.

109 Ausserdem begründen diese drei Vorschriften, wie die Kommission zu Recht geltend macht, kein Recht jeder Gewerkschaft oder jedes Berufsverbands, in der Personalvertretung vertreten zu sein. Nach diesen Vorschriften muß das Wahlsystem nämlich so gestaltet sein, daß die Meinung des Personals zum Ausdruck kommen kann, insbesondere dadurch, daß jedem Beamten oder sonstigen Bediensteten das aktive und das passive Wahlrecht eingeräumt wird; dagegen müssen die verschiedenen Gewerkschaften oder Berufsverbände nicht um dieses Zieles willen die Gewähr dafür haben, daß sie in der Personalvertretung vertreten sind.

110 Zwar entspricht es grundsätzlich dem Zweck der genannten Vorschriften, wenn dieselbe Gewerkschaft oder derselbe Berufsverband mehrere sektorielle Listen einreichen darf, aber es handelt sich dabei durchaus nicht um das einzige Mittel, um diesen Zweck zu erreichen. Die interne Auswahl der Bewerber auf der Liste, die die jeweilige Gewerkschaft oder der jeweilige Berufsverband einreicht, die Vorschriften der Wahlordnung und die jedem Beamten oder sonstigen Bediensteten eingeräumte Möglichkeit, zumindest auf einer freien Bewerberliste zu kandidieren, stellen andere Mittel dar, mit denen dieser Zweck ebenfalls erreicht werden kann.

111 Selbst wenn man annimmt, daß durch das eine Gewerkschaft oder einen Berufsverband treffende Verbot, mehr als eine Bewerberliste einzureichen, den Bewerbern einer bestimmten Sonderlaufbahn eine Möglichkeit zur Verbesserung ihrer Wahlchancen vorenthalten und dadurch die Verwirklichung des Zwecks, der den genannten Vorschriften zugrunde liegt, beeinträchtigt wird, stellt dieses Verbot mit dem in Randnummer 77 dargelegten Inhalt doch eine Ausgestaltung des Grundsatzes der Repräsentativität dar, die nicht die Rechtswidrigkeit der Wahlordnung nach sich ziehen kann, da diese Ausgestaltung durch einen Beschluß der Versammlung der Beamten erfolgte, in der alle Laufbahngruppen und Sonderlaufbahnen des Personals vertreten sind. Jedenfalls hat der Kläger im vorliegenden Fall nicht nachgewiesen, daß die Bewerber auf seiner Liste unter dem Gesichtspunkt ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Laufbahngruppe im Fall einer Kandidatur auf einer von einer Gewerkschaft oder einem Berufsverband eingereichten Liste bessere Wahlchancen gehabt hätten als bei einer Kandidatur auf einer freien Liste, in deren Bezeichnung auf den Namen einer Gewerkschaft oder eines Berufsverbands Bezug genommen wird.

112 Im übrigen beziehen sich die Artikel 8 und 12 der Wahlordnung auf alle Gruppen des Personals. Dazu gehören auch die wissenschaftlichen und technischen Beamten, zu denen sich die Bewerber der Liste "Research/Union syndicale" zählen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts hat das Statut Sonderlaufbahnen (Sprachendienst sowie wissenschaftliche und technische Beamte) eingeführt und die Möglichkeit vorgesehen, weitere Sonderlaufbahnen zu bilden, um in ihnen die Dienstposten von Beamten, die spezifische Fähigkeiten erfordernde, besondere Tätigkeiten ausüben, zusammenzufassen und ihnen so eine getrennte dienstliche Laufbahn zu ermöglichen, die diesen Besonderheiten Rechnung trägt (Urteile Fabbro u. a./Kommission, a. a. O., Randnr. 21, und De Persio/Kommission, a. a. O., Randnr. 17).

113 Aus alledem folgt, daß die Wahlordnung nicht gegen den Grundsatz der Repräsentativität verstösst, wie er in den genannten Vorschriften zum Ausdruck kommt, daß die Wahlordnung daher nicht als rechtwidrig betrachtet werden kann und daß deshalb auch die Entscheidung des Wahlvorstands vom 3. November 1994 und die entsprechende Nichtverhinderung oder Nichtbeanstandung dieser Entscheidung durch die Anstellungsbehörde nicht aufgrund des Vorbringens des Klägers zu diesem Klagegrund aufgehoben werden können.

Fünfter Klagegrund: Verletzung der Koalitionsfreiheit und des Grundsatzes, daß alle Beamten das passive Wahlrecht besitzen.

° Vorbringen der Parteien

114 Der Kläger trägt vor, daß das Verbot, mehr als 27 Bewerberpaare aufzustellen, die Mitglieder einer Gewerkschaft oder eines Berufsverbands, die als potentielle Bewerber über das 27. Bewerberpaar hinaus in Frage kämen, vor die Wahl stelle, entweder aus der Organisation auszutreten und sich auf einer unabhängigen Liste zu bewerben oder auf eine Kandidatur zu verzichten. Ausserdem verletze die Wahlordnung die Koalitionsfreiheit, denn dadurch, daß sie die Union syndicale zwinge, eine der beiden eingereichten Listen zurückzuziehen, sei diese Liste nicht mehr vollkommen frei in der Entscheidung, ob sie die Kandidatur des Klägers aufrechterhalten wolle oder nicht.

115 Die Kommission bestreitet, daß das eine Gewerkschaft oder einen Berufsverband treffende Verbot, mehrere Listen einzureichen, einen Verstoß gegen Artikel 24a des Statuts und gegen Artikel 1 Absatz 1 letzter Satz seines Anhangs II darstelle. Die Koalitionsfreiheit des Klägers könne nicht dadurch beeinträchtigt werden, daß seine eigene Gewerkschaft sich dafür entscheide, ihn nicht in ihre erste Liste aufzunehmen. Ausserdem werde das Wahlverfahren nach der Rechtsprechung des Gerichts (Urteil Maindiaux u. a./WSA, a. a. O.) durch die Versammlung der Beamten des Organs festgelegt, die an dem betreffenden Dienstort tätig seien. Da die Entscheidung der Union syndicale, den Kläger nicht auf ihrer ersten Liste aufzustellen, eine interne Entscheidung der Gewerkschaft sei, liege kein Verstoß gegen Artikel 24a des Statuts vor. Dem Kläger bleibe es nämlich freigestellt, sein passives Wahlrecht dadurch auszuüben, daß er sich auf einer freien Liste bewerbe.

° Würdigung durch das Gericht

116 Vorab ist darauf hinzuweisen, daß das Vorbringen des Klägers zu seinem fünften Klagegrund im Rahmen der hier vorzunehmenden Würdigung der hilfsweise erhobenen Einrede der Rechtswidrigkeit nur insoweit zu prüfen ist, als es sich auf die Entscheidung des Wahlvorstands vom 3. November 1994 bezieht, denn die Anfechtungsklage gegen die Entscheidungen des Wahlvorstands vom 8. November 1994 hat das Gericht schon für begründet erklärt. Das Gericht braucht daher nicht über das Vorbringen der Parteien zu diesen Entscheidungen zu befinden.

117 Zunächst ist festzustellen, daß der Kläger im Rahmen der Rüge einer Verletzung der Koalitionsfreiheit zu diesem fünften Klagegrund Argumente vorbringt, mit denen er im Rahmen des vierten Klagegrundes schon das Vorliegen einer Diskriminierung aufgrund der Gewerkschaftszugehörigkeit darzutun versucht hat.

118 Ferner ist festzustellen, daß der Kläger geltend macht, eine Gewerkschaft oder ein Berufsverband habe ein Recht darauf, die Bewerbung eines seiner Mitglieder ° wie im vorliegenden Fall des Klägers ° anzumelden und die Wahlordnung verletze dadurch die im übrigen durch Artikel 24a anerkannte Koalitionsfreiheit, daß sie die Einreichung von mehr als einer Bewerberliste durch eine Gewerkschaft oder einen Berufsverband untersage.

119 Artikel 24a des Statuts lautet wie folgt: "Die Beamten haben Vereinigungsfreiheit; sie können insbesondere Gewerkschaften oder Berufsverbänden der europäischen Beamten angehören." Daraus folgt, daß die in Artikel 24a niedergelegte Vereinigungsfreiheit nicht bedeutet, daß einer Gewerkschaft im Rahmen des Wahlsystems dieselben Rechte zustuenden wie einem Beamten. Artikel 24a gewährt dem Beamten nämlich das Recht, sich einer Vereinigung, insbesondere einer Gewerkschaft oder einem Berufsverband, anzuschließen. Eine solche Organisation ist daher eine Form der Ausübung der jedem Beamten zugebilligten Vereinigungsfreiheit; ihre Beteiligung am Wahlverfahren wird im übrigen durch die Wahlordnung geregelt. Eine Gewerkschaft oder ein Berufsverband kann daher nicht unter Berufung auf Artikel 24a des Statuts die gleichen Rechte beanspruchen, wie sie den Beamten selbst zustehen, wenn sie bei Wahlen zur Personalvertretung kandidieren.

120 Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die Aufstellung des Klägers auf einer der beiden Listen, die von der Union syndicale am 18. Oktober 1994 eingereicht wurden, auf eine interne Entscheidung der Union syndicale zurückgeht. Der Kläger kann daher nur die Union syndicale für die sich aus der Zurückziehung seiner Liste ergebenden Folgen verantwortlich machen, da die Einreichung von mehr als einer Liste durch eine Gewerkschaft oder einen Berufsverband nach der Wahlordnung verboten ist und da dieses Verbot ° wie in Randnummer 96 ausgeführt ° keines der vom Kläger geltend gemachten Rechte beeinträchtigt.

121 Ausserdem ist nochmals daran zu erinnern, daß es dem Beamten, der einer Gewerkschaft oder einem Berufsverband angehört, jederzeit freisteht, sich auf einer freien Liste zu bewerben, wenn die Gewerkschaft oder der Berufsverband, der oder dem er angehört, ihn nicht auf ihrer oder seiner Liste aufgestellt hat, und daß er gegebenenfalls öffentlich auf seine Mitgliedschaft sowie darauf hinweisen kann, daß er das Programm dieser Organisation unterstützt. Ein Beamter, der Mitglied einer Gewerkschaft oder eines Berufsverbands ist, kann daher Mitglied dieses Verbandes bleiben und sich gleichzeitig auf einer anderen als der von dieser Organisation eingereichten Liste bewerben.

122 Aus alledem ergibt sich, daß die Wahlordnung weder die in Artikel 24a des Statuts niedergelegte Koalitionsfreiheit noch den Grundsatz, daß alle Beamten das passive Wahlrecht besitzen, verletzt, daß sie folglich insoweit nicht für rechtswidrig erklärt werden kann und daß daher die Entscheidung vom 3. November 1994 und die entsprechende Nichtverhinderung und Nichtbeanstandung dieser Entscheidung durch die Anstellungsbehörde nicht aufgrund der vom Kläger zur Stützung dieses Klagegrundes vorgebrachten Argumente aufgehoben werden können.

123 Die hilfsweise erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit der Wahlordnung ist daher zurückzuweisen.

Zum Schadensersatzantrag

Vorbringen der Parteien

124 Der Kläger trägt vor, daß die angefochtenen Entscheidungen nicht nur rechtswidrige, sondern auch pflichtwidrige Handlungen seien, durch die ihm ein immaterieller Schafen entstanden sei, da er bei den Wahlen nicht unter den gewünschten Bedingungen habe kandidieren können und da er sein aktives Wahlrecht nicht unter statutsgemässen Bedingungen habe ausüben können.

125 Die Kommission bestreitet nicht nur die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidungen, sondern auch, in diesem Zusammenhang irgendeine Pflichtverletzung begangen zu haben. Sie ist der Ansicht, es habe für sie kein Anlaß bestanden, in Ausübung ihrer Aufsichtspflicht in den Ablauf der Wahl einzugreifen, den sie als vollkommen ordnungsgemäß angesehen habe. Sie wirft dem Kläger ausserdem vor, den ihm angeblich entstandenen immateriellen und materiellen Schaden überhaupt nicht dargetan zu haben.

Würdigung durch das Gericht

126 Im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung ist das Gericht der Auffassung, daß der Kläger selbst für den Fall, daß ihm durch die am 8. November 1994 unter Verstoß gegen die Vorschriften der Wahlordnung erlassenen Entscheidungen des Wahlvorstands irgendein immaterieller Schaden verursacht worden sein könnte, keinen Schaden dargelegt hat, der sich aus dem Erlaß der angefochtenen Entscheidungen ergäbe und nicht durch die Aufhebung der beiden Entscheidungen vom 8. November 1994 angemessen wiedergutgemacht werden könnte (vgl. insbesondere die Urteile des Gerichts vom 28. November 1991 in der Rechtssache T-158/89, Van Hecken/WSA, Slg. 1991, II-1341, Randnr. 37, und vom 12. Februar 1992 in der Rechtssache T-52/90, Volger/Parlament, Slg. 1992, II-121, Randnr. 46). Der Schadensersatzantrag ist daher zurückzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

127 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Aufhebungsanträge teilweise für begründet erklärt worden sind und der Kläger beantragt hat, die Kommission zur Tragung der Kosten der vorliegenden Instanz zu verurteilen, ist diesem Antrag angesichts der Umstände des vorliegenden Falles stattzugeben, und zwar auch hinsichtlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung.

128 Gemäß Artikel 87 § 4 der Verfahrensordnung kann das Gericht entscheiden, daß ein Streithelfer, der kein Mitgliedstaat oder Organ ist, seine eigenen Kosten trägt. Im vorliegenden Fall ist diese Vorschrift anzuwenden, da die Streithelferin keinen Schriftsatz zur Begründung ihrer Streithilfe zur Unterstützung des Klägers eingereicht und sich in der mündlichen Verhandlung darauf beschränkt hat, auf die Ausführungen des Prozeßbevollmächtigten des Klägers Bezug zu nehmen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die beiden Entscheidungen des Wahlvorstands vom 8. November 1994 werden aufgehoben, ohne daß dadurch das Ergebnis der am 31. Januar sowie am 1. und am 2. Februar durchgeführten Wahl der Personalvertretung beeinträchtigt wird. Die Anfechtungsklage wird im übrigen abgewiesen.

2. Der Schadensersatzantrag wird zurückgewiesen.

3. Die Kommission trägt die Kosten des Klägers einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung sowie ihre eigenen Kosten. Die Streithelferin trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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