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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 15.09.1998
Aktenzeichen: T-374/94
Rechtsgebiete: Entscheidung 94/663/EG, EGV, EWR-Abkommen, Richtlinie 91/440/EWG, Verordnung (EWG) Nr. 1017/68


Vorschriften:

Entscheidung 94/663/EG
EGV Art. 85
EWR-Abkommen Art. 53
Richtlinie 91/440/EWG
Verordnung (EWG) Nr. 1017/68 Art. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Im Rahmen einer Nichtigkeitsklage erhobene Anträge, die Kommission zu verurteilen, besondere Maßnahmen zu erlassen, sind unzulässig. Denn der Gemeinschaftsrichter ist nicht befugt, den Organen Weisungen zu erteilen oder sich an ihre Stelle zu setzen, sondern es ist Sache der betreffenden Verwaltung, die Maßnahmen zur Durchführung eines auf eine solche Klage ergangenen Urteils zu ergreifen. 2 Eine Entscheidung ist ordnungsgemäß zugestellt, wenn sie ihrem Adressaten zugegangen und dieser in die Lage versetzt worden ist, von ihr Kenntnis zu nehmen. Erfolgt die Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein der Post, so hängt die Ordnungsmässigkeit der Zustellung davon ab, daß die anwendbaren nationalen Vorschriften über die Postverteilung in dem betreffenden Mitgliedstaat eingehalten wurden. Eine wirksame Zustellung setzt jedoch nicht die tatsächliche Kenntnisnahme durch die Person voraus, die nach den internen Vorschriften des betreffenden Unternehmens für das jeweilige Gebiet zuständig ist. Eine Entscheidung, die von der Post des betroffenen Mitgliedstaats an eine nach dem nationalen Postrecht nicht zum Empfang eingeschriebener Postsendungen bevollmächtigte Person des Unternehmens ausgehändigt wird, ist nicht ordnungsgemäß zugestellt. Daher beginnt die Frist für die Einreichung einer Klage gegen diese Entscheidung erst mit der Unterzeichnung des gewöhnlichen Empfangsbekenntnisformblatts, das die Kommission der zugestellten Entscheidung beigefügt hat. 3 Im Rahmen der Begründung von Entscheidungen in Anwendung des Wettbewerbsrechts braucht zwar die Kommission nicht auf alle tatsächlichen und rechtlichen Fragen sowie die Erwägungen einzugehen, die sie veranlasst haben, eine solche Entscheidung zu treffen, doch hat sie nach Artikel 190 des Vertrages zumindest die Tatsachen und die Erwägungen aufzuführen, die in der Systematik ihrer Entscheidung wesentlich sind, um es auf diese Weise dem Gemeinschaftsrichter und den Betroffenen zu ermöglichen, die Voraussetzungen zu erfahren, unter denen sie den Vertrag angewandt hat. Ferner muß, falls nicht aussergewöhnliche Umstände vorliegen, die Begründung einer Entscheidung in der Entscheidung selbst enthalten sein, die Entscheidung kann nicht zum ersten Mal und nachträglich vor dem Richter erörtert werden. Wenn horizontale Vereinbarungen zwischen Unternehmen die von der Kommission selbst als kritisch angesehene Schwelle von 5 %, die die Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages rechtfertigen kann, erreichen oder knapp übersteigen, ist die Kommission verpflichtet, eine ausreichende Begründung anhand von Ermittlungsergebnissen insbesondere in bezug auf die Marktanteile der betroffenen Unternehmen zu geben, die die Feststellung erlauben, daß die wesentlichen Gesichtspunkte für die Anwendung von Artikel 85 tatsächlich vorliegen, sofern es sich nicht um Ermittlungsergebnisse handelt, die von keiner der Parteien im voraufgegangenen Verwaltungsverfahren bestritten worden sind. 4 Die Beurteilung einer Vereinbarung gemäß Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages hat den konkreten Rahmen zu berücksichtigen, in dem diese ihre Wirkungen entfaltet, insbesondere den wirtschaftlichen und rechtlichen Kontext, in dem die betroffenen Unternehmen tätig sind, die Art der Dienstleistungen, auf die sich diese Vereinbarung bezieht, sowie die tatsächlichen Bedingungen der Funktion und der Struktur des relevanten Marktes, sofern es sich nicht um eine Vereinbarung handelt, die offenkundige Beschränkungen des Wettbewerbs umfasst, wie die Festsetzung von Preisen, die Aufteilung des Marktes oder die Kontrolle des Absatzes. Die Untersuchung der Wettbewerbsbedingungen auf einem bestimmten Markt stützt sich nicht nur auf den gegenwärtigen Wettbewerb, den sich die bereits auf dem relevanten Markt tätigen Unternehmen liefern, sondern auch auf den potentiellen Wettbewerb, damit ermittelt werden kann, ob unter Berücksichtigung der Struktur des Marktes sowie des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontextes, aufgrund dessen dieser funktioniert, tatsächlich konkrete Möglichkeiten bestehen, daß die betroffenen Unternehmen untereinander im Wettbewerb stehen oder daß ein neuer Wettbewerber auf dem relevanten Markt auftreten und den alteingesessenen Unternehmen Konkurrenz machen kann. Im Rahmen des Eisenbahnverkehrsmarktes, der durch die Richtlinie 91/440 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft eingeführt wurde, sind zwar die auf den nationalen Märkten tätigen Eisenbahnunternehmen in gewissem Umfang potentielle Konkurrenten beim internationalen Reiseverkehr, sofern sie eine internationale Gruppierung im Sinne von Artikel 10 der Richtlinie bilden, doch kann eine internationale Gruppierung von nationalen Eisenbahnunternehmen zum Zweck des Betriebes grenzueberschreitender Strecken keine erhebliche Beschränkung des gegenwärtigen Wettbewerbs zwischen den an der Gruppierung beteiligten Unternehmen bewirken, da die Richtlinie 91/440 das Eisenbahnunternehmen jedes von der Strecke berührten Staates als notwendigen Partner vorschreibt und auf diese Weise die anderen Eisenbahnunternehmen daran hindert, der internationalen Gruppierung auf den betroffenen Eisenbahnverbindungen Konkurrenz zu machen. Bei der Untersuchung potentieller Wettbewerbsbeschränkungen durch eine Vereinbarung über eine internationale Gruppierung von Eisenbahnunternehmen, die die Tochtergesellschaften der nationalen Eisenbahngesellschaften betrifft, sind der wirtschaftliche Kontext, insbesondere die Struktur des relevanten Marktes, und im einzelnen die Kosten des Zugangs zum Markt zu beachten, damit bestimmt werden kann, ob es möglicherweise gegenwärtige oder potentielle Wettbewerber gibt. 5 Der Begriff der internationalen Gruppierung im Sinne von Artikel 3 der Richtlinie 91/440 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft umfasst die Verbindung von mindestens zwei Eisenbahnunternehmen mit Sitz in verschiedenen Mitgliedstaaten zum Zweck der Erbringung grenzueberschreitender Verkehrsleistungen zwischen Mitgliedstaaten, unabhängig von der Form, die die auf diese Weise gegründete Verbindung annehmen kann. Eine Entscheidung, die den Begriff der internationalen Gruppierung allein Verbindungsformen der kooperativen Art zwischen Eisenbahnunternehmen, wie herkömmlichen gemeinschaftlichen Betriebsvereinbarungen, unter Ausschluß aller anderen Gesellschaftsformen wie eines Gemeinschaftsunternehmens kooperativer Art oder gar mit Zusammenschlusscharakter vorbehält, wendet also die von der Richtlinie 91/440 festgelegten Kategorien falsch an. Die im selben Artikel aufgeführte Voraussetzung des Besitzes von Traktionsmaterial umfasst nicht notwendigerweise das Eigentum an diesem Traktionsmaterial. Somit kann einer internationalen Gruppierung von Eisenbahnunternehmen nicht die Einstufung als Gruppierung im Sinne der Richtlinie 91/440 unter Berufung darauf versagt werden, daß sie nicht Eigentümerin ihres Traktionsmaterials sei. 6 Erteilt die Kommission gemäß Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages für eine Vereinbarung über die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens Auflagen, die verhindern sollen, daß die Wettbewerbsbeschränkungen über das unerläßliche Mindestmaß hinausgehen, und dabei verlangen, daß der Zugang zu den Infrastrukturen, Erzeugnissen oder Leistungen Dritten unter den gleichen Voraussetzungen wie dem Gemeinschaftsunternehmen zu gewähren sei, da sie unerläßlich seien oder insbesondere unter dem Blickwinkel des Zugangs zum Markt wesentliche Infrastrukturen darstellen, so kann nur dann davon ausgegangen werden, daß sich die Mutterunternehmen und/oder das auf diese Weise geschaffene Gemeinschaftsunternehmen im Besitz von für den Zugang zum relevanten Markt unerläßlichen oder wesentlichen Infrastrukturen, Erzeugnissen oder Dienstleistungen befinden, wenn diese Infrastrukturen, Erzeugnisse oder Dienstleistungen nicht austauschbar sind und wenn es wegen ihrer besonderen Eigenschaften und insbesondere der prohibitiven Kosten ihrer erneuten Bereitstellung und/oder der vernünftigerweise hierzu erforderlichen Zeit keine gangbaren Alternativen für die möglichen Konkurrenten des Gemeinschaftsunternehmens gibt, die auf diese Weise vom Markt ausgeschlossen würden. 7 Die Dauer einer gemäß Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages oder, wie im vorliegenden Fall, gemäß Artikel 5 der Verordnung Nr. 1017/68 über die Anwendung von Wettbewerbsregeln auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Strassen- und Binnenschiffsverkehrs und Artikel 53 Absatz 3 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erteilten Freistellung muß ausreichen, um die Begünstigten in die Lage zu versetzen, die Vorteile wahrzunehmen, die die Freistellung rechtfertigen. Da im übrigen dieser Fortschritt und diese Vorteile nicht ohne erhebliche Investitionen zu erzielen sind, ist der für die Rentabilität der Investitionen erforderliche Zeitraum notwendigerweise ein wesentlicher Faktor für die Beurteilung der Dauer einer Freistellung. Dies ist um so wichtiger, wenn die Freistellung eine Vereinbarung über die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens betrifft, das völlig neue Leistungen anbietet, die beträchtliche Investitionen erfordern, erhebliche finanzielle Risiken mit sich bringen und voraussetzen, daß die beteiligten Unternehmen ihre Erfahrungen einbringen.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Zweite Kammer) vom 15. September 1998. - European Night Services Ltd (ENS), Eurostar (UK) Ltd, vormals European Passenger Services Ltd (EPS), Union internationale des chemins de fer (UIC), NV Nederlandse Spoorwegen (NS) und Société nationale des chemins de fer français (SNCF) gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Wettbewerb - Eisenbahnverkehr - Vereinbarungen über Bachtzugverbindungen durch den Kanaltunnel - Wettbewerbsbeschränkungen - Richtlinie 91/440/EWG - Spürbare Beeinträchtigung des Handels - Erbringung notwendiger Leistungen - "Wesentliche Infrastrukturen" - Begründung - Zulässigkeit. - Verbundene Rechtssachen T-374/94, T-375/94, T-384/94 und T-388/94.

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

1 Die Richtlinie 91/440/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft (91/440/EWG) (ABl. L 237, S. 25; im folgenden: Richtlinie 91/440) soll die Anpassung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft an die Erfordernisse des Binnenmarktes erleichtern und ihre Leistungsfähigkeit erhöhen. Zum einen gewährleistet sie die Unabhängigkeit der Geschäftsführung der Eisenbahnunternehmen, um es diesen zu ermöglichen, sich geschäftsmässig zu verhalten; Artikel 5 Absatz 3 bestimmt daher, daß die Unternehmen zu diesem Zweck

"-... gemeinsam mit einem oder mehreren Eisenbahnunternehmen eine internationale Gruppierung gründen;

...

-... die Bereitstellung und den Vertrieb der Leistungen kontrollieren und deren Preise festlegen;

...

- ihren Marktanteil vergrössern, neue Technologien und Leistungen entwickeln und innovative Managementtechniken einführen;

- in dem Eisenbahnverkehr verwandten Bereichen neue Geschäftigkeit entwickeln

können."

2 Zum anderen sieht die Richtlinie eine Trennung zwischen dem Betrieb der Infrastruktur und der Erbringung von Verkehrsleistungen vor, wobei die Trennung der Rechnungsführung obligatorisch, die organische oder institutionelle Trennung fakultativ ist (Artikel 1 und Abschnitt III der Richtlinie).

3 Schließlich stellt die Richtlinie einen ersten Schritt in Richtung auf eine fortschreitende Liberalisierung des Marktes für den Eisenbahntransport dar, da sie erstmals vorsieht, daß Eisenbahnunternehmen, die Verkehrsleistungen im grenzueberschreitenden kombinierten Güterverkehr erbringen, und internationalen Gruppierungen von Eisenbahnunternehmen unter bestimmten Voraussetzungen vom 1. Januar 1993 an Zugangsrechte zu den Eisenbahnnetzen der Mitgliedstaaten zu gewähren sind.

4 Artikel 10 der Richtlinie sieht nämlich vor:

"(1) Die internationalen Gruppierungen erhalten Zugangs- und Transitrechte in den Mitgliedstaaten, in denen die ihnen angeschlossenen Eisenbahnunternehmen ihren Sitz haben, sowie Transitrechte in den anderen Mitgliedstaaten für grenzueberschreitende Verkehrsleistungen zwischen den Mitgliedstaaten, in denen die ihnen angeschlossenen Eisenbahnunternehmen ihren Sitz haben.

(2) Die Eisenbahnunternehmen, die unter Artikel 2 fallen, erhalten für das Erbringen von Verkehrsleistungen im grenzueberschreitenden kombinierten Güterverkehr ein Zugangsrecht zur Infrastruktur der übrigen Mitgliedstaaten zu angemessenen Bedingungen.

..."

5 Artikel 3 der Richtlinie definiert ein Eisenbahnunternehmen als "jedes private oder öffentlich-rechtliche Unternehmen, dessen Haupttätigkeit im Erbringen von Eisenbahnverkehrsleistungen zur Beförderung von Gütern oder Personen besteht, wobei dieses Unternehmen auf jeden Fall die Traktion sicherstellen muß". Nach derselben Bestimmung wird als internationale Gruppierung von Eisenbahnunternehmen "die Verbindung von mindestens zwei Eisenbahnunternehmen mit Sitz in verschiedenen Mitgliedstaaten zum Zwecke der Erbringung grenzueberschreitender Verkehrsleistungen zwischen Mitgliedstaaten" bezeichnet.

6 Am 19. Juni 1995 erließ der Rat für die Durchführung der Richtlinie 91/440 die Richtlinie 95/18/EG über die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen (ABl. L 143, S. 70) und die Richtlinie 95/19/EG über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und die Berechnung von Wegeentgelten (ABl. L 143, S. 75).

Sachverhalt des Rechtsstreits

7 Am 29. Januar 1993 erhielt die Kommission einen Antrag, sie möge Artikel 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1017/68 des Rates vom 19. Juli 1968 über die Anwendung von Wettbewerbsregeln auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Strassen- und Binnenschiffsverkehrs (ABl. L 175, S. 1; im folgenden: Verordnung Nr. 1017/68) für nicht anwendbar erklären oder ersatzweise für Vereinbarungen über die Personenbeförderung mit der Bahn durch den Kanaltunnel eine Freistellung nach Artikel 5 der Verordnung gewähren.

8 Dieser Antrag (im folgenden: Anmeldung) wurde von der European Night Services Ltd (im folgenden: ENS) im Namen von British Rail (im folgenden: BR), der Deutschen Bundesbahn (im folgenden: DB), der NV Nederlandse Spoorwegen (im folgenden: NS) und der Société nationale des chemins de fer français (im folgenden: SNCF) eingereicht. Die Anmeldung war auch zuvor von der Société nationale des chemins de fer belges (im folgenden: SNCB) gebilligt worden, die damals über eine Option auf Beteiligung an der ENS verfügte, die jedoch im Juli 1993 auslief. Die SNCB ist weiterhin an einer der mit der ENS geschlossenen Betriebsvereinbarungen beteiligt.

9 Die erste der angemeldeten Vereinbarungen bezog sich auf die Gründung der im Vereinigten Königreich niedergelassenen Gesellschaft ENS durch die vier vorgenannten Eisenbahnunternehmen BR, SNCF, DB und NS unmittelbar oder über eine von deren Tochtergesellschaften. Der Zweck der Gesellschaft ENS besteht darin, Nachtzugverbindungen für Reisende zwischen Großbritannien und dem europäischen Festland durch den Kanaltunnel anzubieten und zu betreiben, und zwar auf den folgenden vier Strecken: London-Amsterdam, London-Frankfurt/Dortmund, Glasgow/Swansea-Paris und Glasgow/Plymouth-Brüssel.

10 Mit Schreiben vom 15. Oktober 1997 teilte die ENS dem Gericht jedoch mit, daß die Zugverbindungen von und nach Brüssel im Dezember 1994 aufgegeben worden seien, die Verbindung London-Frankfurt/Dortmund im August 1996 durch die Verbindung London-Köln ersetzt worden sei und daß die einzige Strecke, deren Bedienung gegenwärtig geplant sei, London-Amsterdam/Köln sei.

11 Am 9. Mai 1994 wurde die European Passenger Services Ltd (im folgenden: EPS), die im Zeitpunkt der Anmeldung der ENS-Vereinbarungen eine Tochtergesellschaft von BR war, von dieser an den britischen Staat abgetreten und stellt seither ebenso wie SNCF, DB und NS ein Eisenbahnunternehmen im Sinne der Richtlinie 91/440 dar (im folgenden werden diese einschließlich der EPS als "betroffene Eisenbahnunternehmen" oder "Gründungsunternehmen" bezeichnet). Gleichzeitig wurde die Beteiligung von BR an der ENS ebenfalls auf die EPS übertragen. Mit Schriftsatz vom 25. September 1997 haben ENS und EPS das Gericht von der Änderung der Bezeichnung EPS in Eurostar (UK) Ltd (im folgenden: EUKL) unterrichtet und beantragt, jede Erwähnung der EPS auf EUKL zu beziehen und umgekehrt. Sie haben auch klargestellt, daß die Beteiligung des britischen Staates am Kapital der EPS am 31. Mai 1996 auf die London & Continental Railways übertragen worden sei. Im Vereinigten Königreich gehört jetzt praktisch das gesamte Eisenbahnnetz mit den dazugehörigen Infrastrukturen, das zuvor Eigentum von BR war, dem Betreiber der Eisenbahninfrastruktur Railtrack.

12 Die zweite Kategorie der angemeldeten Vereinbarungen bildeten die von der ENS mit den betroffenen Eisenbahnunternehmen und der SNCB geschlossenen Betriebsvereinbarungen, in denen sich diese verpflichteten, der ENS bestimmte Leistungen zu erbringen, u. a. die Zugförderung auf ihrem Streckennetz (Lokomotiven, Zugpersonal und Fahrplantrasse), die Innenreinigung, die Unterhaltung der Ausstattung und den Reiseverkehrsdienst. EPS und SNCF vereinbarten im übrigen die Zugförderung auf der Strecke durch den Kanaltunnel.

13 Für den Betrieb der Nachtzugverbindungen im Personenreiseverkehr erwarben die betroffenen Eisenbahnunternehmen über die ENS im Wege langfristiger Leasingvereinbarungen mit einer Dauer von 20 Jahren, die im Januar 1996 auf 25 Jahre ausgedehnt wurde, Spezialfahrzeuge, die auf den verschiedenen Streckennetzen und auf der Strecke durch den Kanaltunnel verkehren können; deren Gesamtkosten beliefen sich auf 136,7 Millionen UKL, sie erhöhten sich im Januar 1996 auf 158 Millionen UKL und umfassten den Vertragspreis, die geschätzten Kosten für Ersatzteile, Änderungen, Überführungskosten, Erprobung und Inbetriebnahme sowie Entwicklungskosten.

14 Die ENS und die betroffenen Eisenbahnunternehmen erklärten in der Anmeldung, daß die ENS auf dem fraglichen Dienstleistungsmarkt im Wettbewerb mit Flugzeug, Omnibus, Fährschiff und Privatfahrzeugen Gesamtmarktanteile von ungefähr 2,4 % bei Geschäftsreisen und 5 % bei Vergnügungsreisen erlangen könne. Selbst wenn der Dienstleistungsmarkt unter Berücksichtigung allein der betroffenen Strecken enger definiert werde, blieben die Gesamtmarktanteile der ENS unbedeutend. Im übrigen könne keines der beteiligten Eisenbahnunternehmen allein eine ähnliche Verbindung auf den von der ENS bedienten Strecken betreiben, und nichts spreche dafür, daß eine andere Gruppierung Interesse an der gleichen Tätigkeit zum Ausdruck gebracht habe oder diese gewinnbringend betreiben könnte. Die Anmeldenden versicherten auch, daß die ENS-Vereinbarungen keine weiteren Hindernisse schaffen würden, als sie bereits für andere Unternehmen bestuenden, die ähnliche Leistungen anzubieten beabsichtigten, da diese "internationale Gruppierungen" im Sinne von Artikel 3 der Richtlinie 91/440 bilden könnten, die sich einen Zugang zu den Eisenbahninfrastrukturen, nämlich den Fahrplantrassen auf den betreffenden Strecken, verschaffen könnten und denen es keine Schwierigkeiten bereiten würde, qualifiziertes Personal und geeignete Fahrzeuge zu finden.

15 Gemäß Artikel 12 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1017/68 wurde am 29. Mai 1993 eine Mitteilung betreffend die Anmeldung der ENS-Vereinbarungen im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (Mitteilung 93/C 149/07, ABl. C 149, S. 10) veröffentlicht. Durch diese Mitteilung unterrichtete die Kommission die anmeldenden Unternehmen, sie sei nach erster Prüfung der Ansicht, daß die Vereinbarungen gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag verstossen könnten, sie habe jedoch zur Anwendbarkeit von Artikel 5 der Verordnung bisher noch nicht Stellung bezogen. Sie forderte sämtliche interessierte Dritte auf, innerhalb von 30 Tagen nach dem Datum der Veröffentlichung der Mitteilung ihre Bemerkungen zu übermitteln.

16 Mit Schreiben vom 23. Juli 1993 teilte die Kommission den anmeldenden Unternehmen mit, es bestuenden ernste Zweifel im Sinne von Artikel 12 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1017/68 hinsichtlich der Anwendbarkeit des Artikels 5 dieser Verordnung auf die angemeldeten Vereinbarungen.

17 Am 4. Juni 1994 veröffentlichte die Kommission im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften eine Mitteilung gemäß Artikel 26 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1017/68 (ABl. C 153, S. 15), in der sie ankündigte, daß für die angemeldeten Vereinbarungen eine Freistellung gemäß Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages und Artikel 53 Absatz 3 des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum (im folgenden: EWR-Abkommen) erteilt werden könne, sofern eine Auflage erfuellt werde, die im Kern darin bestehe, daß neue Marktbeteiligte von den anmeldenden Unternehmen die gleichen Bahnleistungen erwerben könnten wie die, die sie der ENS zugesagt hätten. Gleichzeitig ersuchte die Kommission alle Interessenten, sich innerhalb von 30 Tagen nach der Veröffentlichung der Mitteilung zu äussern. Keine dritte Partei ist jedoch diesem Ersuchen der Kommission gefolgt.

Die angefochtene Entscheidung

18 Am 21. September 1994 erließ die Kommission die Entscheidung 94/663/EG in einem Verfahren nach Artikel 85 des EG-Vertrags und Artikel 53 des EWR-Abkommens (IV/34.600 - Night Services) (ABl. L 259, S. 20; im folgenden: Entscheidung oder angefochtene Entscheidung). Diese Entscheidung ist auf die Verordnung Nr. 1017/68, insbesondere deren Artikel 5 gestützt, wonach das in Artikel 2 der Verordnung aufgestellte und praktisch wörtlich mit Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages übereinstimmende Verbot von Absprachen auf bestimmte Vereinbarungen zwischen Unternehmen mit rückwirkender Kraft für nicht anwendbar erklärt werden kann.

19 Die Entscheidung unterscheidet zwei relevante Dienstleistungsmärkte: zum einen einen Markt für die Beförderung von Geschäftsreisenden, auf dem Linienfluege oder Hochgeschwindigkeitszuege gegen die von der ENS angebotenen Bahnleistungen austauschbar sind (Randnr. 26), und zum anderen einen Markt für die Beförderung von Freizeitreisenden, auf dem Flüge in der Economy-Klasse, Bahn, Bus oder unter Umständen die Fahrt mit dem eigenen Wagen die austauschbaren Leistungen darstellen (Randnr. 27).

20 Entgegen der Ansicht der anmeldenden Unternehmen führt die Kommission aus, der räumliche Markt umfasse nicht das Vereinigte Königreich, Frankreich, Deutschland und die Benelux-Länder, sondern nur die von der ENS bedienten Strecken, d. h. London-Amsterdam, London-Frankfurt/Dortmund, Paris-Glasgow/Swansea und Brüssel-Glasgow/Plymouth (Randnr. 29).

21 Unter Bezugnahme auf die Bekanntmachung der Kommission über die Beurteilung kooperativer Gemeinschaftsunternehmen nach Artikel 85 des EWG-Vertrags (ABl. C 43, S. 2; im folgenden: Bekanntmachung von 1993) heisst es in der Entscheidung, daß die ENS ein kooperatives Gemeinschaftsunternehmen sei (Randnrn. 30 bis 37). Es wird festgestellt, daß sich die ENS-Gründerunternehmen nicht für immer aus dem Markt zurückzögen und daß sie technisch und finanziell ohne weiteres in der Lage seien, eine internationale Gruppierung im Sinne von Artikel 3 der Richtlinie 91/440 aufzubauen und Nachtzugverbindungen einzurichten. Im übrigen blieben diese Unternehmen weiterhin schwerpunktmässig auf dem dem Markt der ENS vorgelagerten Markt der Bahnleistungen tätig, die die Eisenbahnunternehmen an Transportunternehmen wie die ENS verkauften. Das Gemeinschaftsunternehmen ENS beruhe somit auf einer Vereinbarung, die ebenso wie die Betriebsvereinbarungen, die dieses Unternehmen mit jedem seiner Gründerunternehmen und der SNCB geschlossen habe, unter Artikel 85 des Vertrages falle.

22 Die Entscheidung führt sodann Wettbewerbsbeschränkungen an, die sich aus den ENS-Vereinbarungen ergeben sollen (Randnrn. 38 bis 53).

23 Erstens schalteten die fraglichen Vereinbarungen die durch Artikel 10 der Richtlinie 91/440 geschaffenen Wettbewerbsmöglichkeiten zwischen den Gründungsunternehmen aus oder engten sie stark ein (Randnrn. 38 bis 45). Zum einen könnten die bestehenden Bahnunternehmen sowie neu hinzukommende Bahnunternehmen und Töchter bestehender Unternehmen Zugangsansprüche nach dieser Bestimmung geltend machen, und zum anderen hätten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, den Zugang zur Infrastruktur liberaler zu regeln. So könnten beispielsweise die DB und die NS eine internationale Gruppierung mit einem Bahnunternehmen im Vereinigten Königreich bilden und internationale Zugverbindungen durch den Kanaltunnel einrichten. Ebenso könne ein Gründerunternehmen von ENS selbst die Tätigkeiten eines Verkehrsunternehmens ausführen oder ein spezialisiertes Tochterunternehmen als Verkehrsunternehmen gründen und damit internationale Zugverbindungen betreiben sowie die Bahnleistungen hierzu von anderen Bahnunternehmen einkaufen.

24 Zweitens bestehe angesichts der wirtschaftlichen Stärke der Gründerunternehmen die Gefahr, daß die ENS anderen Verkehrsunternehmen, die der ENS Konkurrenz machen könnten, den Zugang zum Markt erschwere (Randnrn. 46 bis 48). Die Muttergesellschaften der ENS nähmen eine beherrschende Stellung bei Bahnleistungen in ihren Herkunftsstaaten vor allem wegen der Speziallokomotiven für den Kanaltunnel ein. Unter Berücksichtigung des direkten Zugangs der ENS zu diesen Leistungen und der privilegierten Beziehungen zu ihren Muttergesellschaften, könnten andere Unternehmen beim Erwerb der Bahnleistungen in eine ungünstige Wettbewerbsposition geraten. Ferner sei zu berücksichtigen, daß BR und die SNCF aufgrund der Vereinbarungen mit Eurotunnel über einen erheblichen Teil der für internationale Zuege im Kanaltunnel vorgesehenen Fahrplantrassen verfügten.

25 Schließlich würden diese Wettbewerbsbeschränkungen dadurch verschärft, daß die ENS einem Netz von Gemeinschaftsunternehmen der Gründungsunternehmen angehöre. Denn BR/EPS, SNCF, DB und NS seien auf verschiedenste Weise an Gemeinschaftsunternehmen für Güter- und Reisezugverbindungen insbesondere durch den Kanaltunnel beteiligt. So hätten BR und SNCF zusammen Allied Continental Intermodal Services Ltd (im folgenden: ACI) für den kombinierten Güterverkehr sowie BR und SNCB Autocare Europe für Autotransporte auf der Bahn gegründet (Randnrn. 49 bis 52).

26 Obwohl die betreffenden Vereinbarungen nicht unter die Ausnahmeregelung des Artikels 3 der Verordnung Nr. 1017/68 für technische Vereinbarungen fielen, da sie nicht ausschließlich technische Verbesserungen oder eine technische Zusammenarbeit im Sinne dieser Bestimmung bezweckten oder bewirkten (Randnrn. 55 bis 58), genügten sie den Voraussetzungen des Artikels 5 der Verordnung und des Artikels 53 Absatz 1 des EWR-Abkommens (Randnrn. 59 bis 70). Denn die Gründung der ENS fördere den wirtschaftlichen Fortschritt, indem sie insbesondere den Wettbewerb der verschiedenen Verkehrsträger verschärfe, und die Verbraucher profitierten direkt von dem Angebot der neuen Leistungen. Im übrigen seien die festgestellten Wettbewerbsbeschränkungen unerläßlich, da die Leistungen völlig neuartig seien und ein erhebliches finanzielles Risiko mit sich brächten, das ein Unternehmen allein kaum auf sich nehmen könne. Unter der Bedingung, daß das Vorhandensein von mit der ENS konkurrierenden Eisenbahnunternehmen auf dem Markt gewährleistet sei, werde somit durch die Gründung der ENS der Wettbewerb auf dem betreffenden Markt nicht ausgeschaltet.

27 Daher werden mit der Entscheidung Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages und Artikel 53 Absatz 1 des EWR-Abkommens für acht Jahre, d. h. bis zum 31. Dezember 2002, auf die ENS-Vereinbarungen für nicht anwendbar erklärt (Artikel 1 der Entscheidung); die Freistellung wird mit folgender Auflage versehen: "Die Bahnunternehmen der ENS-Vereinbarung erbringen die gleichen Bahnleistungen, die sie ENS zugesagt haben, allen internationalen Gruppierungen von Bahnunternehmen und Verkehrsunternehmen, die Nachtzuege im Reiseverkehr durch den Kanaltunnel laufen lassen wollen. Die Leistungen umfassen die Stellung der Lokomotive, des Zugpersonals und der Fahrplantrasse für das Landesnetz und den Kanaltunnel. Die Bahnunternehmen erbringen diese Leistungen in ihrem Bereich zu den gleichen technischen und finanziellen Bedingungen wie für ENS" (Artikel 2 der Entscheidung).

Verfahrensablauf

28 ENS und EPS haben mit Klageschriften, die am 22. November 1994 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, Klagen erhoben, die unter den Aktenzeichen T-374/94 und T-375/94 in das Register eingetragen worden sind.

29 Die Union internationale des chemins de fer (Internationaler Eisenbahnverband; im folgenden: UIC) und NS haben mit Klageschrift, die am 5. Dezember 1994 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, eine Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen T-384/94 in das Register eingetragen worden ist.

30 Die SNCF hat mit Klageschrift, die am 13. Dezember 1994 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, eine Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen T-388/94 in das Register eingetragen worden ist.

31 Die Kommission hat mit besonderem Schriftsatz, der am 6. Februar 1995 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, in der Rechtssache T-388/94 eine Einrede der Unzulässigkeit gemäß Artikel 114 der Verfahrensordnung des Gerichts erhoben. Die Klägerin hat ihre Stellungnahme zu dieser Einrede am 20. März 1995 eingereicht.

32 Das Gericht (Erste erweiterte Kammer) hat mit Beschluß vom 28. Juni 1995 die Entscheidung über die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit dem Endurteil vorbehalten und die SNCF gebeten, mehrere schriftliche Fragen zu beantworten und eine Reihe von Unterlagen vorzulegen.

33 Mit Beschlüssen des Präsidenten der Ersten erweiterten Kammer des Gerichts vom 9. August 1995 sind die Anträge der Union internationale des sociétés de transports combiné rail-route auf Zulassung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission in den Rechtssachen T-374/94, T-375/95 und T-384/94, die am 3. April 1995 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen sind, zurückgewiesen worden.

34 Die SNCF ist durch Beschluß des Präsidenten der Ersten erweiterten Kammer des Gerichts vom 9. August 1995 in den Rechtssachen T-374/94 und T-384/94 auf ihre Anträge, die am 9. Mai 1995 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerinnen zugelassen worden.

35 Das Vereinigte Königreich ist durch Beschlüsse des Präsidenten der Ersten erweiterten Kammer des Gerichts vom 14. Juli und vom 10. August 1995 als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Klägerinnen in den Rechtssachen T-374/94, T-375/94, T-384/94 und T-388/94 zugelassen worden.

36 Durch Beschluß des Gerichts vom 2. Oktober 1995 ist der Berichterstatter der Zweiten erweiterten Kammer zugewiesen worden, an die die Rechtssachen daraufhin verwiesen worden sind.

37 Die Rechtssache ist durch Beschluß des Gerichts vom 8. November 1996 an eine aus drei Richtern gebildete Kammer verwiesen worden.

38 Durch Beschluß des Präsidenten der Zweiten Kammer vom 6. August 1997 sind die Rechtssachen T-374/94, T-375/94, T-384/94 und T-388/94 zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.

39 Das Gericht (Zweite Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Es hat jedoch die Parteien gebeten, einige schriftliche Fragen zu beantworten, die diese innerhalb der gesetzten Fristen beantwortet haben.

40 Die Parteien haben in der Sitzung vom 22. Oktober 1997 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Parteien

41 In den Rechtssachen T-374/94 und T-375/94 beantragen ENS und EPS,

- die Entscheidung für nichtig zu erklären;

- die Kommission zu verurteilen,

a) Artikel 2 der Verordnung Nr. 1017/68 und Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages für nicht anwendbar zu erklären, oder

b) eine Freistellung ohne die erteilte Auflage für einen Zeitraum zu gewähren, der der Dauer der von den Eisenbahnunternehmen für die Finanzierung der Fahrzeuge eingegangenen Verpflichtungen entspricht;

c) hilfsweise die Freistellung mit jeder Auflage zu gewähren, die notwendig und den angeblichen Wettbewerbsbeschränkungen angemessen ist, und zwar für einen Zeitraum, der der Dauer der von den Eisenbahnunternehmen für die Finanzierung der Fahrzeuge eingegangenen Verpflichtungen entspricht;

- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

42 Die SNCF, Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerin in der Rechtssache T-374/94, beantragt,

- die Entscheidung für nichtig zu erklären;

- die Kommission zu verurteilen,

a) Artikel 2 der Verordnung Nr. 1017/68 und Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages für nicht anwendbar zu erklären, oder

b) eine Freistellung ohne die erteilte Auflage für einen Zeitraum zu gewähren, der der Dauer der von den Eisenbahnunternehmen für die Finanzierung der Fahrzeuge eingegangenen Verpflichtungen entspricht.

43 In den Rechtssachen T-374/94 und T-375/94 beantragt die Kommission,

- die Klagen abzuweisen;

- das Vorbringen der SNCF zurückzuweisen;

- den Klägerinnen und der Streithelferin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

44 In der Rechtssache T-384/94 beantragen UIC und NS,

- die Entscheidung insgesamt für nichtig zu erklären;

- hilfsweise Artikel 2 der Entscheidung für nichtig zu erklären und Artikel 1 insoweit, als die Dauer der Freistellung auf einen Zeitraum von weniger als 20 Jahren beschränkt ist;

- jede sonstige Maßnahme zu ergreifen, die das Gericht für angemessen erachtet;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

45 Die SNCF, Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerinnen, beantragt,

- die Entscheidung insgesamt für nichtig zu erklären;

- hilfsweise Artikel 2 der Entscheidung für nichtig zu erklären und Artikel 1 insoweit, als die Dauer der Freistellung auf einen Zeitraum von weniger als 20 Jahren beschränkt ist;

- jede ergänzende oder sonstige Maßnahme zu ergreifen, die das Gericht für angemessen erachtet;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. 46 Die Kommission beantragt,

- die Klage der UIC für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet zu erklären;

- die Klage der NS abzuweisen;

- das Vorbringen der Streithelferin zurückzuweisen;

- den Klägerinnen und der Streithelferin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

47 In der Rechtssache T-388/94 beantragt die SNCF,

- in erster Linie die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

- hilfsweise Artikel 2 der Entscheidung für nichtig zu erklären, da die erteilte Auflage ungerechtfertigt ist, und Artikel 1 insoweit, als die Kommission eine Freistellung für eine Dauer von weniger als 20 Jahren gewährt hat;

- jede Maßnahme zu ergreifen, die das Gericht für angemessen erachtet;

- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

48 Die SNCF beantragt in ihrer Stellungnahme zu der von der Kommission erhobenen Einrede der Unzulässigkeit,

- die Klage für zulässig zu erklären;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

49 Die Kommission beantragt,

- die Klage als unzulässig und in jedem Fall als unbegründet abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

50 Das Vereinigte Königreich, Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Klägerinnen in den Rechtssachen T-374/94, T-375/94, T-384/94 und T-388/94, beantragt,

- die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zur Zulässigkeit

Zur Zulässigkeit der Klagen in den Rechtssachen T-374/94 und T-375/94

Vorbringen der Parteien

51 Die Kommission vertritt die Ansicht, daß die Klagen unzulässig seien, soweit die Klägerinnen ENS und EPS beantragten, die Kommission zu verurteilen, a) Artikel 2 der Verordnung Nr. 1017/68 und Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages für nicht anwendbar zu erklären, b) eine Freistellung ohne die von der Kommission festgesetzte Auflage zu gewähren, deren Dauer derjenigen der Verpflichtungen der Eisenbahnunternehmen für die Finanzierung der Fahrzeuge entspreche, und c) hilfsweise die Freistellung mit jeder Auflage zu gewähren, die notwendig und den angeblichen Wettbewerbsbeschränkungen angemessen sei, und zwar für eine den Verpflichtungen der Eisenbahnunternehmen für die Finanzierung der Fahrzeuge entsprechenden Zeitraum. Nach ständiger Rechtsprechung sei der Gemeinschaftsrichter nicht befugt, den Organen der Gemeinschaft im Rahmen einer Nichtigkeitsklage, die auf Artikel 173 des Vertrages gestützt werde, Weisungen zu erteilen (vgl. zuletzt das Urteil des Gerichts vom 24. Januar 1995 in der Rechtssache T-74/92, Slg. 1995, II-115, Randnr. 75).

52 Die Klägerinnen ENS und EPS erwidern, die Kommission bestreite weder die Zulässigkeit ihrer Klagen, soweit sie die Nichtigerklärung der Entscheidung beantragten, noch bestreite sie, daß das Gericht die Entscheidung teilweise, und zwar in bezug auf die in Artikel 2 des Verfügungsteils dieser Entscheidung erteilte Auflage, für nichtig erklären könne.

Würdigung durch das Gericht

53 Das Gericht wiederholt, daß nach ständiger Rechtsprechung der Gemeinschaftsrichter im Rahmen der von ihm ausgeuebten Rechtmässigkeitskontrolle nicht befugt ist, den Organen Weisungen zu erteilen oder sich an ihre Stelle zu setzen; es ist Sache der betreffenden Verwaltung, die Maßnahmen zur Durchführung eines auf eine Nichtigkeitsklage ergangenen Urteils zu ergreifen. Die in Randnummer 41 Buchstaben a, b und c wiedergegebenen Anträge der Klägerinnen sind daher als unzulässig zurückzuweisen (Urteil des Gerichts vom 27. Januar 1998 in der Rechtssache T-67/94, Ladbroke Racing/Kommission, Slg. 1998, II-1, Randnr. 200). Die Klagen in den Rechtssachen T-374/94 und T-375/94 sind somit nur insoweit zulässig, als sie auf die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung insgesamt gerichtet sind (siehe oben, Randnr. 41).

Zur Zulässigkeit der Klage in der Rechtssache T-384/94

Vorbringen der Parteien

54 Die Klägerinnen UIC und NS führen aus, die UIC sei ein internationaler Verband von Eisenbahnunternehmen, dem alle in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft niedergelassenen grossen Eisenbahnunternehmen als Mitglieder angehörten und dessen Zweck darin bestehe, die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern zu fördern und die Tätigkeiten im Rahmen der Entwicklung des Eisenbahnverkehrs in Europa zum Zweck der Verstärkung seiner Wettbewerbsfähigkeit durch Konsolidierung seiner Interoperabilität erfolgreich zu gestalten. Nach Artikel 2 ihrer Satzung arbeite die UIC Normen und Leitlinien aus, ferner vertrete und verteidige sie nach dieser Bestimmung die gemeinsamen Interessen ihrer Mitglieder gegenüber anderen Körperschaften. Die in der Gemeinschaft niedergelassenen Eisenbahnunternehmen seien im übrigen in einer besonderen Gruppe mit der Bezeichnung "Gemeinschaft der Europäischen Eisenbahnen" (Communauté des chemins de fer européens; im folgenden: CCE) vertreten.

55 Die UIC sei zwar nicht Adressatin der angefochtenen Entscheidung, doch sei sie im Sinne von Artikel 173 des Vertrages unmittelbar und individuell betroffen, da die Entscheidung unmittelbar die Interessen ihrer in der Gemeinschaft niedergelassenen, von der CCE vertretenen Mitglieder und ihre eigenen Interessen beeinträchtige.

56 In bezug auf die Interessen der in der Gemeinschaft niedergelassenen Mitglieder der UIC machen die Klägerinnen geltend, die angefochtene Entscheidung sei geeignet, von anderen innovativen Schritten zur Zusammenarbeit zwischen Eisenbahnunternehmen im Bereich des internationalen Reiseverkehrs abzuschrecken; die Klage der UIC sei in gleicher Weise wie die Klage ihrer in der Gemeinschaft niedergelassenen Mitglieder für zulässig zu erklären, unabhängig davon, ob sie Adressaten der Entscheidung seien.

57 Zum eigenen Rechtsschutzinteresse der UIC führen die Klägerinnen aus, die UIC sei von der Entscheidung selbst unmittelbar und individuell betroffen, da diese die vollständige Verwirklichung eines ihrer wichtigsten satzungsgemässen Ziele, nämlich die Verstärkung der Wettbewerbsfähigkeit des internationalen Eisenbahnnetzes, beeinträchtige. Zwar sei die UIC nicht an dem Verwaltungsverfahren beteiligt gewesen, das zum Erlaß der angefochtenen Entscheidung geführt habe (Urteil des Gerichts vom 27. April 1995 in der Rechtssache T-442/93, AAC u. a./Kommission, Slg. 1995, II-1329), doch habe eine der ihr angehörenden Gruppen, die CCE, tatsächlich an Sitzungen teilgenommen, die der Vorbereitung des Erlasses der Richtlinie 91/440 gedient hätten.

58 Die Kommission trägt vor, die UIC sei von der angefochtenen Entscheidung nicht unmittelbar und individuell betroffen, das Gericht könne deshalb nicht umhin, über die Klagebefugnis der UIC zu entscheiden. Die Rechtsprechung, wonach es bei der Einreichung ein und derselben Klage durch mehrere Kläger ausreiche, wenn einer von ihnen klagebefugt sei, damit die Klage insgesamt für zulässig erklärt werden könne, sei geeignet, Schwierigkeiten in bezug auf die Kosten sowie das Recht der betroffenen Partei auf die spätere Einlegung eines Rechtsmittels aufzuwerfen.

59 Ferner sei nach der Rechtsprechung ein Verband in seiner Eigenschaft als Repräsentant einer Unternehmergruppe von einer die allgemeinen Interessen dieser Gruppe berührenden Maßnahme nicht individuell betroffen (Urteile des Gerichtshofes vom 14. Dezember 1962 in den Rechtssachen 16/62 und 17/62, Confédération nationale des producteurs de fruits et légumes u. a./Rat, Slg. 1962, 963, und vom 18. März 1975 in der Rechtssache 72/74, Union Syndicale u. a./Rat, Slg. 1975, 401, sowie Beschluß des Gerichtshofes vom 11. Juli 1979 in der Rechtssache 60/79, Fédération nationale des producteurs de vins de table et vins de pays/Kommission, Slg. 1979, 2429).

60 Da die UIC nicht an dem dem Erlaß der Entscheidung vorhergegangenen Verwaltungsverfahren beteiligt gewesen sei und nach der Veröffentlichung der Stellungnahmen der Kommission vom 29. Mai 1993 und vom 4. Juni 1994 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften keine Erklärungen abgegeben habe, habe sie im Rahmen der vorliegenden Klage weder ein Rechtsschutzinteresse noch eine Klagebefugnis (Urteile des Gerichtshofes vom 25. Oktober 1977 in der Rechtssache 26/76, Metro/Kommission, Slg. 1977, 1875, und vom 11. Oktober 1983 in der Rechtssache 210/81, Demo-Studio Schmidt/Kommission, Slg. 1983, 3045, sowie Urteil des Gerichts vom 24. Januar 1995 in der Rechtssache T-114/92, BEMIM/Kommission, Slg. 1995, II-147). Schließlich könne die Rolle, die die CEE im Rahmen des Erlasses der Richtlinie 91/440 gespielt habe, die UIC in bezug auf die angefochtene Entscheidung nicht herausheben.

Würdigung durch das Gericht

61 Das Gericht stellt fest, daß die Klagebefugnis der NS als Adressatin der angefochtenen Entscheidung nicht bestritten ist und daß die Klagebefugnis der UIC nicht geprüft zu werden braucht, da es sich um ein und dieselbe Klage handelt (Urteil des Gerichtshofes vom 24. März 1993 in der Rechtssache C-313/90, CIRFS u. a./Kommission, Slg. 1993, I-1125, Randnr. 31, und Urteil des Gerichts vom 22. Oktober 1996 in der Rechtssache T-266/94, Skibsvärftsforeningen u. a./Kommission, Slg. 1996, II-1399, Randnr. 51).

Zur Zulässigkeit der Klage in der Rechtssache T-388/94

Vorbringen der Parteien

62 Die Kommission macht geltend, die angefochtene Entscheidung sei der Klägerin an ihrem Sitz mit Schreiben vom 22. September 1994, eingegangen am 29. September 1994, zugestellt worden, wie der Rückschein der Post beweise, der den Stempel der SNCF mit dem letztgenannten Datum trage. Gemäß dem Urteil des Gerichtshofes vom 26. November 1985 in der Rechtssache 42/85 (Cockerill-Sambre/Kommission, Slg. 1985, 3749, Randnr. 11) entspreche die Zustellung eines Schriftstücks am Sitz einer Gesellschaft dem Kriterium der Rechtssicherheit und versetze die betreffende Gesellschaft in die Lage, von dem zugestellten Schriftstück Kenntnis zu nehmen, unabhängig davon, ob die hierfür zuständige Person nach der internen Regelung der Gesellschaft, die Empfänger sei, tatsächlich davon habe Kenntnis nehmen können.

63 Da nach Artikel 102 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts die Frist für die Erhebung einer Nichtigkeitsklage im Fall der Bekanntgabe an dem auf diese folgenden Tag beginne und im vorliegenden Fall insgesamt zwei Monate zuzueglich der sechs Tage mit Rücksicht auf die räumliche Entfernung betrage (Artikel 102 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts und Artikel 1 des Anhangs II der Verfahrensordnung des Gerichtshofes), sei der letzte Tag für die Einreichung der Klage der SNCF gegen die angefochtene Entscheidung der 6. Dezember 1994 gewesen. Da die Klage am 13. Dezember 1994 eingereicht worden sei, sei sie offensichtlich unzulässig, weil verspätet (Urteile des Gerichtshofes vom 5. Juni 1980 in der Rechtssache 108/79, Belfiore/Kommission, Slg. 1980, 1769, vom 12. Juli 1984 in der Rechtssache 209/83, Ferriera Valsabbia/Kommission, Slg. 1984, 3089, Randnr. 14, und Cockerill-Sambre/Kommission, Randnr. 10).

64 Die Kommission weist das Vorbringen der Klägerin zurück, daß der Rückschein für die Berechnung der Frist für die Klageerhebung nicht berücksichtigt werden dürfe, weil die Entscheidung einem ihrer Angestellten ausgehändigt worden sei, der nicht zum Postempfang berechtigt sei, sondern daß ein zweites, im Umschlag der Entscheidung enthaltenes Empfangsbekenntnis maßgeblich sei, das am 7. Oktober 1994 von einer hierfür zuständigen Person unterzeichnet worden sei. Zunächst stelle das zweite Empfangsbekenntnis, das in dem Umschlag, in dem die Entscheidung zugestellt worden sei, enthalten gewesen sei, nach dem Urteil des Gerichts vom 29. Mai 1991 in der Rechtssache T-12/90 (Bayer/Kommission, Slg. 1991, II-219, Randnr. 20) keine von der Zustellung durch die Post getrennte zweite Zustellung dar, da die angemessene Zustellungsart stets in einem Versand per Einschreiben mit Rückschein bestehe, der es ermögliche, den Beginn der Frist mit Sicherheit festzustellen. Der Versand eines zweiten Empfangsbekenntnisses solle es der Kommission nur ermöglichen, sich von dem Zeitpunkt zu vergewissern, zu dem das betroffene Unternehmen Kenntnis von der angefochtenen Entscheidung genommen habe, falls die Postverwaltung einen Fehler begehe und ihr den Rückschein nicht zurücksende. Die Vorsichtsmaßnahme des Versandes eines zweiten Empfangsbekenntnisses solle daher nicht einen etwaigen Fehler der Postverwaltung beheben, der darin bestehe, den Umschlag fälschlicherweise einer beim Empfänger beschäftigten Person auszuhändigen, die für die Annahme einer eingeschriebenen Sendung nicht befugt sei, sondern den Fehler, der darin bestehe, daß es die Postverwaltung unterlasse, ihr den Rückschein zurückzusenden. Auch mache nach französischem Recht die Unterzeichnung des Rückscheins durch einen nicht zum Empfang einer eingeschriebenen Sendung berechtigten Angestellten einer juristischen Person, die Empfänger sei, die Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein nicht fehlerhaft.

65 Zu dem auf höhere Gewalt und Zufall gestützten Vorbringen der SNCF macht die Kommission geltend, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes stellten Übermittlungsschwierigkeiten innerhalb der Empfängergesellschaft keinen Zufall oder Fall höherer Gewalt dar (Urteil Cockerill-Sambre/Kommission, Randnr. 12), dies gelte insbesondere dann, wenn das schlechte Funktionieren auf Fehler von Beschäftigten des Unternehmens zurückgehe (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Dezember 1994 in der Rechtssache C-195/91 P, Bayer/Kommission, Slg. 1994, I-5619, Randnr. 33).

66 Schließlich bemerkt die Kommission zum Argument der SNCF, es liege ein entschuldbarer Irrtum vor, daß sich dieser Begriff nur auf Ausnahmefälle beziehen könne, insbesondere auf solche, in denen das Verhalten des betroffenen Gemeinschaftsorgans geeignet gewesen sei, bei einem gutgläubigen Bürger, der alle Sorgfalt aufwende, die von einem Wirtschaftsteilnehmer mit normalem Kenntnisstand zu verlangen sei, eine verständliche Verwirrung hervorzurufen (Urteil des Gerichts vom 15. März 1995 in der Rechtssache T-514/93, Cobrecaf u. a./Kommission, Slg. 1995, II-621, Randnr. 40). Im vorliegenden Fall sei der unterlaufene Irrtum auf das Verhalten einer anderen Person als der Kommission zurückzuführen.

67 Die SNCF bestreitet die Ordnungsmässigkeit der Zustellung und macht hilfsweise geltend, selbst wenn die Zustellung ordnungsgemäß gewesen sei, liefen die Umstände im Zusammenhang mit dem Empfang der zugestellten Entscheidung auf höhere Gewalt oder Zufall oder aber auf einen entschuldbaren Irrtum hinaus.

68 Zur Fehlerhaftigkeit der Zustellung trägt sie vor, gemäß Artikel L 9 des französischen Post- und Fernmeldegesetzes sei ein Einschreibebrief seinem Empfänger oder seinem "Bevollmächtigten" auszuhändigen. Daher sei der Rückschein, der den Eingang der zugestellten Entscheidung bei ihr bescheinige, nichtig. Er sei nämlich nicht von einer der Personen unterzeichnet worden, denen die Befugnis zur Unterzeichnung solcher Rückscheine eigens übertragen worden sei. Ausserdem habe der Postbedienstete die Unterzeichnung des Rückscheins durch eine hierzu nicht ermächtigte Person hingenommen. Schließlich sei der Rückschein der Kommission von der französischen Post unter Verletzung ihrer Verpflichtung zurückgesandt worden, die Übereinstimmung der Unterschrift der Person, die den Rückschein tatsächlich unterzeichnet habe, mit der Unterschrift der Person, die hierzu befugt gewesen sei, zu prüfen.

69 Nach der Rechtsprechung sei der Umstand, daß der Rückschein von einer hierzu ermächtigten, in der Poststelle des Empfängerunternehmens beschäftigten Person unterzeichnet worden sei, ein für die Ordnungsmässigkeit der Zustellung maßgebender Umstand (Urteil des Gerichts vom 29. Mai 1991 in der Rechtssache T-12/90, Bayer/Kommission, Randnrn. 4 und 20, Schlussanträge des Generalanwalts Darmon zum Urteil Cockerill-Sambre/Kommission, 3750), wie die Kommission im übrigen selbst in der bereits erwähnten, mit dem Urteil Ferriera Valsabbia/Kommission abgeschlossenen Rechtssache eingeräumt habe.

70 Daher sei im vorliegenden Fall das gewöhnliche Empfangsbekenntnisformblatt maßgebend, das die Kommission der zugestellten Entscheidung beigefügt habe, um den Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch das von dieser Entscheidung betroffene Unternehmen mit Sicherheit erfahren zu können, da es die Fehler der Postverwaltungen beheben solle (Urteil des Gerichts vom 29. Mai 1991, Bayer/Kommission). Die Fehler, auf die die Rechtsprechung abstelle, beträfen nicht nur den Fall, in dem es die Postverwaltungen unterließen, der Kommission die Rückscheine zurückzusenden, sondern auch den Fall, in dem den Postverwaltungen Fehler dergestalt unterliefen, daß sie selbst das Datum auf diesen Scheinen vermerkten, ohne die Unterschrift eines ordnungsgemäß ermächtigten Vertreters des Empfängerunternehmens einzuholen, so daß ein Fehler der Postverwaltungen bei der Erfuellung ihrer Aufgabe der Aushändigung eingeschriebener Sendungen dazu führen müsse, daß die vermerkten Angaben unbeachtet zu bleiben hätten (Urteil des Gerichts vom 6. April 1995 in den Rechtssachen T-80/89, T-81/89, T-83/89, T-87/89, T-88/89, T-90/89, T-93/89, T-95/89, T-97/89, T-99/89, T-100/89, T-101/89, T-103/89, T-105/89, T-107/89 und T-112/89, BASF u. a./Kommission, Slg. 1995, II-729, Randnrn. 54 bis 60). Deshalb sei der Zeitpunkt des Zugangs und somit der Zeitpunkt der Zustellung der 7. Oktober 1994, der auf dem zweiten Empfangsbekenntnis angegeben sei.

71 Hilfsweise macht die SNCF geltend, selbst wenn ihre Klage verspätet sei, sei diese Verspätung auf Zufall oder höhere Gewalt zurückzuführen, da die Unterzeichnung des Rückscheins durch eine nicht ermächtigte Person völlig unabhängig von ihrem Willen sei und sie ihrerseits jede erforderliche Sorgfalt bei dem ordnungsgemässen Empfang eingeschriebener Sendungen an den Tag gelegt habe. Der Postbedienstete, der die zugestellte Entscheidung am 29. September 1994 ausgeliefert habe, habe genau gewusst, daß die Person, die sie entgegengenommen habe, hierzu nicht ermächtigt gewesen sei; die französischen Gerichte betrachteten eine Aushändigung von Postsendungen an eine hierzu nicht ermächtigte Person als schwerwiegenden Fehler der Post, der die Haftung der Verwaltung auslösen könne.

72 Selbst wenn die Umstände der Zustellung der angefochtenen Entscheidung keinen Fall der höheren Gewalt darstellten, beruhten sie jedoch zumindest auf einem entschuldbaren Irrtum. Die SNCF verweist hierfür erstens auf ihr Vorbringen, daß die Post ihre genauen Anweisungen in bezug auf den Empfang eingeschriebener Sendungen nicht beachtet habe, und macht geltend, angesichts der Art und Weise, in der die Post ihre Verpflichtungen im allgemeinen erfuelle, stelle ihre Verfehlung im vorliegenden Fall einen aussergewöhnlichen Einzelfall dar. Ein entschuldbarer Irrtum liege dann vor, wenn das aussergewöhnliche Fehlverhalten der Post bei dem Empfängerunternehmen einen Irrtum hervorgerufen habe, da der Begriff des entschuldbaren Irrtums nicht nur dann in Betracht komme, wenn die Kommission einen solchen Irrtum hervorgerufen habe (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Dezember 1994, Bayer/Kommission, Randnr. 26).

73 Ferner rügt die SNCF, daß die Kommission bei der Zustellung von Entscheidungen eine nachlässige Praxis betreibe und daß im vorliegenden Fall der Irrtum der SNCF teilweise durch diese Praxis entstanden sei. Bei erheblich weniger wichtigen Postsendungen (Unterrichtung über die Einreichung einer Beschwerde oder Aufforderung zur Stellungnahme) benenne die Kommission den Empfänger sorgfältig mit Namen, während eine endgültige Entscheidung gemäß Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages, die, wie im vorliegenden Fall, mit einer Nichtigkeitsklage angefochten werden könne, ohne namentliche Angabe des Empfängers versandt worden sei.

74 Schließlich sei die Praxis der Kommission, den Entscheidungen, die sie den Unternehmen zustelle, ihr eigenes Empfangsbekenntnis beizufügen, ohne die Empfänger darauf aufmerksam zu machen, daß eine Entscheidung als zugestellt gelte, sobald der Einschreibebrief dem Empfänger zugegangen und der Rückschein unterzeichnet sei, täuschend und irreführend.

Würdigung durch das Gericht

75 Vorab ist darauf hinzuweisen, daß nach Artikel 173 Absatz 3 des Vertrages in Verbindung mit Artikel 102 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts und Artikel 1 des Anhangs II der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, auf den Artikel 102 § 2 verweist, die Klagefrist im vorliegenden Fall unstreitig zwei Monate und sechs Tage betrug.

76 Nach ständiger Rechtsprechung entspricht die strikte Anwendung der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über die Verfahrensfristen dem Erfordernis der Rechtssicherheit und der Notwendigkeit, jede Diskriminierung oder willkürliche Behandlung bei der Gewährung von Rechtsschutz zu vermeiden. Es ist ferner ständige Rechtsprechung, daß eine wirksame Zustellung nicht die tatsächliche Kenntnisnahme durch die Person voraussetzt, die nach den internen Vorschriften des betreffenden Unternehmens für das jeweilige Gebiet zuständig ist, und daß eine Entscheidung ordnungsgemäß zugestellt ist, wenn sie ihrem Adressaten zugegangen und dieser in die Lage versetzt worden ist, von ihr Kenntnis zu nehmen (Urteil Cockerill-Sambre/Kommission, Randnr. 10, und Urteil BASF u. a./Kommission, Randnrn. 58 und 59).

77 Daher ist zu prüfen, ob die Zustellung der angefochtenen Entscheidung an die SNCF unter ordnungsgemässen Voraussetzungen erfolgt ist, wie sie in der für die Postzustellung in Frankreich geltenden Regelung in dem Sinne vorgesehen ist, daß die Entscheidung einem zum Empfang dieser Post ordnungsgemäß ermächtigten Beschäftigten der SNCF auszuhändigen war (Urteil BASF u. a./Kommission, Randnr. 60).

78 Hierzu ist festzustellen, daß, wie aus den Akten und aus den Antworten der SNCF auf die schriftlichen Fragen des Gerichts hervorgeht, die französische Post, obwohl ihr gültige Vollmachten der SNCF vorlagen, die den Empfang von an ihre verschiedenen Dienststellen und Beschäftigten gerichteter Post dazu ermächtigten Personen übertrugen, die angefochtene Entscheidung nicht einer dieser Personen, sondern einer nicht ermächtigten dritten Person ausgehändigt hat. Wie die Klägerin von der Kommission unwidersprochen vorgetragen hat, dürfen nach der in Frankreich für die Postzustellung geltenden Regelung die Bediensteten der französischen Post eingeschriebene Postsendungen nur den namentlich bezeichneten Personen, oder, wenn diese abwesend sind, den Bevollmächtigten, d. h. den Personen, die über eine gültige Vollmacht verfügen, aushändigen.

79 Somit wurde die angefochtene Entscheidung der SNCF nicht ordnungsgemäß zugestellt, da sie unter Verstoß gegen die erwähnte Regelung einem Bediensteten der Klägerin ausgehändigt wurde, der nicht zum Postempfang bevollmächtigt war, so daß die Frist für die Einreichung der Klage erst mit dem Zugang und der Unterzeichnung des zweiten Empfangsbekenntnisses am 7. Oktober 1994 und nicht mit dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des Rückscheins am 29. September 1994 begonnen hat. Das Urteil Cockerill-Sambre/Kommission, auf das sich die Kommission für ihre Rüge der verspäteten Klageerhebung beruft, ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig, denn in dieser Rechtssache ging es nicht um die Frage der ordnungsgemässen Zustellung einer Entscheidung der Kommission durch die Post an einen zum Empfang einer solchen Postsendung ordnungsgemäß ermächtigten Angestellten des Empfangsunternehmens, sondern darum, ob das Empfängerunternehmen nach einer ordnungsgemässen Zustellung an seinem Gesellschaftssitz die verspätete Erhebung einer Nichtigkeitsklage unter Berufung auf seine interne Regelung in bezug auf die Personen rechtfertigen konnte, die tatsächlich für die Kenntnisnahme von der an sie gerichteten Post zuständig waren (Randnr. 10 des Urteils Cockerill-Sambre/Kommission). Das gleiche gilt für das Urteil des Gerichtshofes vom 15. Dezember 1994 (Bayer/Kommission), in dem nicht bestritten war, daß die Zustellung der angefochtenen Entscheidung durch die Post unter ordnungsgemässen Bedingungen an einen "Bevollmächtigten" der Poststelle der Klägerin erfolgt war. Auch in diesem Urteil ging es nur um die Frage, ob sich die Klägerin, obwohl die Entscheidung der Kommission ihr ordnungsgemäß an ihrem Gesellschaftssitz zugestellt worden war, dennoch auf das mangelhafte Funktionieren ihrer internen Dienste berufen konnte, um die verspätete Einreichung ihrer Nichtigkeitsklage zu rechtfertigen (Randnrn. 2 und 20 des Urteils). Wie bereits bemerkt, geht es im vorliegenden Fall um die Ordnungsmässigkeit der Zustellung als solcher, d. h. das Funktionieren der Post (äusserer Aspekt der Zustellung), und nicht um das interne Funktionieren der Dienststellen der SNCF (interner Aspekt der Zustellung).

80 Daher ist die Klage, da sie fristgerecht eingereicht worden ist, für zulässig zu erklären.

Zur Begründetheit

81 Nach dem Vorbringen der Klägerinnen ist die angefochtene Entscheidung im wesentlichen aus vier Gründen für nichtig zu erklären: erstens sei keines der in Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages für Zuwiderhandlungen aufgestellten Tatbestandsmerkmale erfuellt, denn die ENS-Vereinbarungen seien nicht geeignet, den Wettbewerb zu beschränken, so daß die Entscheidung auf einer falschen und unvollständigen Tatsachenwürdigung sowie einem offensichtlichen Rechtsirrtum und einer mangelnden Begründung beruhe; zweitens habe die Kommission bei der Anwendung des Wettbewerbsrechts die durch die Richtlinie 91/440 gezogenen Grenzen überschritten; drittens habe die Kommission die Freistellung von unverhältnismässigen Auflagen abhängig gemacht, und viertens sei die für die angemeldeten Vereinbarungen gewährte Freistellung von zu kurzer Dauer (acht Jahre). Schließlich macht die SNCF in der Rechtssache T-384/94 noch geltend, die angefochtene Entscheidung sei für nichtig zu erklären, da die Kommission die Ansicht vertreten habe, daß die ENS-Vereinbarungen für die technische Freistellung im Sinne des Artikels 3 der Verordnung Nr. 1017/68 nicht in Betracht kämen.

Zur ersten Rüge: Falsche und unvollständige Tatsachenwürdigung sowie offensichtlicher Rechtsirrtum und/oder Verstoß gegen die Pflicht, die angefochtene Entscheidung ordnungsgemäß zu begründen, soweit die Kommission entschieden habe, daß die Gründung der ENS eine Beschränkung des Wettbewerbs bezwecke und bewirke

82 Diese Rüge gliedert sich in zwei Teilrügen, die erste betrifft die falsche Abgrenzung des relevanten Marktes und das Fehlen erheblicher Auswirkungen der ENS-Vereinbarungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten, die zweite die fehlenden wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen der Vereinbarungen.

Erste Teilrüge: Zur Abgrenzung des relevanten Marktes und zum Fehlen erheblicher Auswirkungen der ENS-Vereinbarungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten

Vorbringen der Parteien

83 Die Klägerinnen weisen darauf hin, daß die Kommission in der Entscheidung die relevanten Märkte als diejenigen der Beförderung von Geschäftsreisenden und der Beförderung von Touristen auf allen von der ENS bedienten Strecken definiert habe. Anhand der Prognosen über die Nachfrage für das Jahr 1995 (Tabelle 17, S. 26 der Anmeldung) deckten die Dienste der ENS wahrscheinlich keinen grösseren Anteil an diesen Märkten als 4 % ab (2,4 % des Marktes bei Geschäftsreisen und 5 % des Marktes bei Freizeitreisen). Im Licht der Bekanntmachung der Kommission vom 3. September 1986 über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die nicht unter Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft fallen (ABl. 1986, C 231, S. 2) seien diese Marktanteile aber unbeachtlich. Selbst wenn man jede Strecke gesondert betrachten würde, ergäbe sich aus Tabelle 17 der Anmeldung, daß die einzigen über 4 % liegenden Marktanteile, die ENS möglicherweise erzielen könnte, 6 % und 7 % für Freizeitreisen auf den Strecken London-Amsterdam und London-Frankfurt/Dortmund seien. Zum Vorbringen der Kommission, daß ein Marktanteil von 5 % es rechtfertige, das betreffende Unternehmen als hinreichend bedeutend anzusehen, um davon auszugehen, daß sein Verhalten grundsätzlich den Handelsverkehr zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen könne, verweisen die Klägerinnen auf die Urteile des Gerichts vom 8. Juni 1995 in der Rechtssache T-7/93 (Langnese-Iglo/Kommission, Slg. 1995, II-1533) und in der Rechtssache T-9/93 (Schöller/Kommission, Slg. 1995, II-1611), aus denen hervorgehe, daß ein Marktanteil von 5 % nicht ohne weiteres ausreiche, um auf das Vorliegen einer erheblichen Wettbewerbsbeschränkung zu schließen. In der Anmeldung sei im übrigen darauf hingewiesen worden, daß der Marktanteil der ENS stabil bleibe oder sogar zurückgehe, denn der Markt werde schneller wachsen als die Fähigkeit der ENS, die Frequenz ihrer Verbindungen zu erhöhen (Anmeldung, S. 27, Abschnitt II.4.c. 6). Der betroffene Markt für die beiden erwähnten Leistungen (Geschäftsreiseverkehr und Freizeitreiseverkehr) sei daher sehr weit, und es sei offensichtlich, daß die ENS nicht über die Fähigkeit verfüge, Preis, Qualität und Verfügbarkeit der Leistungen zu beeinflussen oder aber den Wettbewerb zu beseitigen oder zu schwächen.

84 Die von der Kommission in ihrer Klagebeantwortung geäusserte Ansicht, der Marktanteil der ENS im Bereich der Geschäftsreisen sei mit Bezug auf Flüge am frühen Morgen und am späten Abend anstatt mit Bezug auf sämtliche innerhalb von 24 Stunden verfügbaren Flügen auf einer bestimmten Linie zu berechnen, stelle eine Neufestlegung des relevanten Marktes dar und werde durch keinerlei Beweis untermauert.

85 Die Kommission vertritt die Ansicht, der Marktanteil der ENS dürfe nicht, wie die Anmeldenden dies in ihrer Anmeldung vorgeschlagen hätten, im Vergleich zum gesamten Markt der Beförderung von Reisenden zwischen dem Vereinigten Königreich einerseits und Frankreich, Deutschland sowie den Benelux-Ländern andererseits als einem geographischen Markt, auf dem die ENS nur 2,4 % des Bereiches Geschäftsreisen und 5 % des Bereiches Freizeitreisen, also einen Gesamtmarktanteil von ungefähr 4 % halte, berechnet werden. Der relevante Markt beschränke sich auf die tatsächlich von der ENS bedienten Strecken, nämlich London-Amsterdam, London-Frankfurt, Paris-Glasgow/Swansea, Brüssel-Glasgow/Plymouth (Entscheidung, Randnr. 29). Gemäß dieser Definition halte die ENS dann nach den Zahlen, die die an der ENS-Vereinbarung Beteiligten in ihrer Anmeldung genannt hätten, einen Marktanteil von mindestens 7 % bei Geschäftsreisen und von 8 % bei Freizeitreisen.

86 Nach ständiger Rechtsprechung rechtfertige es ein Marktanteil von 5 %, das betroffene Unternehmen als hinreichend bedeutend anzusehen, um davon auszugehen, daß sein Verhalten den Handel zwischen Mitgliedstaaten grundsätzlich zu beeinträchtigen vermöge (Urteile des Gerichtshofes vom 1. Februar 1978 in der Rechtssache 19/77, Miller/Kommission, Slg. 1978, 131, vom 7. Juni 1983 in den Rechtssachen 100/80, 101/80, 102/80 und 103/80, Musique Diffusion Française u. a./Kommission, Slg. 1983, 1825, und vom 25. Oktober 1983 in der Rechtssache 107/82, AEG/Kommission, Slg. 1983, 3151). Das gleiche gelte für Wettbewerbsbeschränkungen, die sich aus einer Vereinbarung zwischen Unternehmen ergeben könnten. In diesem Zusammenhang meint die Kommission, entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen gehe aus den vorerwähnten Urteilen Langnese-Iglo/Kommission und Schöller/Kommission nicht hervor, daß ein höherer Marktanteil als 5 % für sich allein nicht ausreiche, um den Schluß zu erlauben, daß eine spürbare Wettbewerbsbeeinträchtigung vorliege.

87 Ferner sei der Marktanteil der ENS im Marktsegment Geschäftsreisen viel bedeutender. Aus der Marktanalyse in der Anmeldung ergebe sich nämlich, daß der Anteil der ENS an diesem Marktsegment ausschließlich mit Bezug auf die Flüge am frühen Morgen und am späten Abend anstatt mit Bezug auf sämtliche 24 Stunden lang auf einer bestimmten Strecke verfügbaren Flüge zu berechnen sei. Zudem betreffe ihre Marktprognose nur das Jahr 1995, d. h. das erste für die Dienstleistungen der ENS vorgesehene Betriebsjahr; wegen der tatsächlichen Stärke der betroffenen Eisenbahnunternehmen auf den relevanten Märkten und ihrer gegenwärtigen und potentiellen Kundschaft sei es jedoch wahrscheinlich, daß dieser Marktanteil steigen werde. Daher habe sie Grund zu der Annahme, daß die ENS-Vereinbarungen die Möglichkeiten des Wettbewerbs beseitigten oder spürbar beschränkten.

88 Das Vereinigte Königreich als Streithelfer macht geltend, die Definition der relevanten Märkte durch die Kommission sei künstlich eng gehalten. Der geographische Markt müsse zum einen allgemein das Vereinigte Königreich, Frankreich, Belgien, die Niederlande, Luxemburg und Deutschland abdecken. Zum anderen werde der Umstand, daß die betreffenden Märkte verschiedene Beförderungsarten umfassten, nur in dem Teil der Entscheidung berücksichtigt, der die Gewährung einer Freistellung gemäß Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages betreffe. Schließlich übten die an einer Vereinbarung Beteiligten, die über einen geringeren Marktanteil als 10 % verfügten, im allgemeinen unabhängig von der Höhe ihres Umsatzes keine Marktmacht aus, so daß unterhalb dieser Schwelle der Gegenstand oder die wettbewerbswidrige Wirkung der betreffenden Vereinbarung nur dann hinreichend schädlich oder spürbar sei, wenn besondere Umstände vorlägen.

89 Die Kommission erwidert, das Vorbringen des Vereinigten Königreichs, nur ein Marktanteil von 10 % könne die Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages rechtfertigen, finde keine Stütze in der Rechtsprechung.

Würdigung durch das Gericht

90 Vorab ist festzustellen, daß die Kommission für die Beurteilung der Auswirkungen der ENS-Vereinbarungen auf den Wettbewerb und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten in der angefochtenen Entscheidung zwei relevante Dienstleistungsmärkte abgegrenzt hat, nämlich einen Markt für Geschäftsreisende, für die Linienfluege oder Hochgeschwindigkeitszuege austauschbare Verkehrsarten darstellen ("intermodaler" Markt der Geschäftsreisen), und einen Markt für die Beförderung von Personen, die im Rahmen ihrer Freizeit reisen und für die die austauschbaren Dienstleistungen Flüge in der Economy-Klasse, Bahn, Bus und unter Umständen die Fahrt mit dem eigenen Wagen sind ("intermodaler" Markt für Freizeitreisen) (vgl. Randnrn. 26 und 27 der Entscheidung).

91 Die Kommission hat im übrigen unter Berufung auf das Urteil des Gerichtshofes vom 11. April 1989 in der Rechtssache 66/86 (Ahmed Säed Flugreisen und Silver Line Reisebüro, Slg. 1989, 803) die Ansicht vertreten, daß der relevante geographische Markt auf die tatsächlich von der ENS bedienten Strecken zu beschränken sei (Randnrn. 28 und 29 der Entscheidung), nämlich:

- London-Amsterdam, - London-Frankfurt/Dortmund, - Paris-Glasgow/Swansea und - Brüssel-Glasgow/Plymouth.

92 Da die Klägerinnen diese Festlegung des geographischen Marktes nicht beanstandet haben, hätten die ENS-Vereinbarungen nur anhand der erwähnten vier verschiedenen geographischen Märkte und allein im Rahmen eines intermodalen Marktes, der verschiedene Beförderungsmittel wie Bahn, Flugzeug, Bus und Personenwagen umfasst, beurteilt werden dürfen. Daher ist auf dieser Grundlage zu untersuchen, ob die Kommission die Marktanteile der ENS richtig bewertet hat, als sie zu dem Ergebnis gelangte, daß die ENS-Vereinbarungen eine erhebliche Auswirkung auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten hätten, denn nach der Anmeldung der Klägerinnen übersteigen diese Marktanteile nicht die kritische Schwelle von 5 % und sind angeblich auf alle Fälle unbedeutend.

93 Hierzu ist zu bemerken, daß die angefochtene Entscheidung weder auf die Marktanteile der ENS noch auf die Marktanteile anderer Wirtschaftsteilnehmer Bezug nimmt, die im Wettbewerb mit der ENS stehen und auf den verschiedenen intermodalen Märkten, die die Kommission als relevante Märkte für die Zwecke der Anwendung des Artikels 85 Absatz 1 des Vertrages herangezogen hat, präsent sind. Somit kann das Gericht, selbst wenn entgegen der Ansicht der Klägerinnen unterstellt würde, daß die ENS-Vereinbarungen den Wettbewerb beschränken, mangels entsprechender Angaben zur Untersuchung des relevanten Marktes in der angefochtenen Entscheidung nicht darüber befinden, ob die angeblichen Wettbewerbsbeschränkungen spürbare Auswirkungen auf den Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten haben und daher unter Berücksichtigung insbesondere des intermodalen Wettbewerbs, der nach der Entscheidung die beiden betroffenen Dienstleistungsmärkte auszeichnet, in den Geltungsbereich von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages fallen.

94 Erst im streitigen Verfahren vor dem Gericht hat sich die Kommission erstmals auf die Anmeldung der Parteien bezogen, um geltend zu machen, aus dieser gehe hervor, daß "selbst auf der Grundlage der zurückhaltenden - und der Natur nach restriktiven - Prognosen der ENS, die auf einer engeren Definition des Marktes beruhen, der Marktanteil von Night Services im Segment der Geschäftsreisen 7 % betrage, während er im Segment der Freizeitreisen 8 % [betrage]". Ferner hat sie ebenfalls im schriftlichen Verfahren erstmals geltend gemacht, daß im Segment der Geschäftsreisen der Marktanteil der ENS mit Bezug auf die Flüge am frühen Morgen und am späten Abend anstatt mit Bezug auf alle 24 Stunden lang auf einer bestimmten Strecke verfügbaren Flügen zu berechnen sei, was zeige, daß der Marktanteil der ENS in Wirklichkeit viel bedeutender sei.

95 Nach ständiger Rechtsprechung braucht zwar die Kommission bei der Begründung der Entscheidungen, die sie zu erlassen hat, um die Anwendung des Wettbewerbsrechts zu gewährleisten, nicht auf alle tatsächlichen und rechtlichen Fragen sowie die Erwägungen einzugehen, die sie veranlasst haben, eine solche Entscheidung zu treffen, doch hat sie nach Artikel 190 des Vertrages zumindest die Tatsachen und die Erwägungen aufzuführen, die in der Systematik ihrer Entscheidung wesentlich sind, um es auf diese Weise dem Gemeinschaftsrichter und den Betroffenen zu ermöglichen, die Voraussetzungen zu erfahren, unter denen sie den Vertrag angewandt hat (Urteil des Gerichtshofes vom 17. Januar 1995 in der Rechtssache C-360/92 P, Publishers Association/Kommission, Slg. 1995, I-23, Randnr. 39, Urteile des Gerichts vom 27. November 1997 in der Rechtssache T-290/94, Slg. 1997, II-2137, Randnr. 150, und vom 19. Februar 1998 in den Rechtssachen T-369/94 und T-85/95, DIR International Film u. a./Kommission, Slg. 1998, II-357, Randnr. 117). Ferner muß nach der Rechtsprechung, falls nicht aussergewöhnliche Umstände vorliegen, die Begründung einer Entscheidung in der Entscheidung selbst enthalten sein, die Entscheidung kann nicht zum ersten Mal und nachträglich vor dem Richter erörtert werden (Urteil des Gerichts vom 2. Juli 1992 in der Rechtssache T-61/89, Dansk Pelsdyravlerforening/Kommission, Slg. 1992, II-1931, Randnr. 131, vom 21. März 1996 in der Rechtssache T-230/94, Farrugia/Kommission, Slg. 1996, II-195, Randnr. 36, und vom 12. Dezember 1996 in der Rechtssache 16/91 RV, Rendo u. a./Kommission, Slg. 1996, II-1827, Randnr. 45).

96 Aus der erwähnten Rechtsprechung geht hervor, daß die Kommission, wenn eine ihrer Entscheidungen zu Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages erhebliche Unterlassungen wie die fehlende Bezugnahme auf die Marktanteile der betroffenen Unternehmen aufweist, dem nicht dadurch abhelfen kann, daß sie sich erstmals vor dem Gericht auf Zahlen und sonstige Ermittlungsergebnisse beruft, die die Feststellung erlauben, daß die wesentlichen Gesichtspunkte für die Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 im gegebenen Fall tatsächlich vorliegen, sofern es sich nicht um Ermittlungsergebnisse handelt, die von keiner der Parteien im voraufgegangenen Verwaltungsverfahren bestritten worden sind.

97 Aus den von den Klägerinnen in der Anmeldung vorgenommenen Schätzungen geht nun aber hervor, daß die Marktanteile der ENS 4 % nicht übersteigen dürften und daß diese Marktanteile nur aufgrund einer engen Definition des Marktes möglicherweise 7 % beim Markt für Geschäftsreisen und 8 % beim Markt für Freizeitreisen (siehe Nr. 2.1.2 der Zusammenfassung der Anmeldung) erreichen könnten, ohne indessen eine spürbare Auswirkung auf den Wettbewerb zu zeitigen. Somit gingen die Klägerinnen und die Kommission in bezug auf die Auswirkung der ENS-Vereinbarungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten nicht von derselben Annahme aus, da die Klägerinnen meinten, daß die betreffenden Vereinbarungen keine spürbare Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Handel hätten. Daher war die Kommission verpflichtet, eine ausreichende Begründung in bezug auf die Spürbarkeit der Auswirkungen der ENS-Vereinbarungen auf den zwischenstaatlichen Handel zu geben.

98 Selbst wenn man jedoch im übrigen davon ausgehen wollte, daß sich die Kommission für die Begründetheit ihrer Entscheidung erstmals vor dem Gericht auf Zahlen und sonstige Ermittlungsergebnisse berufen könnte, sind die Schlüsse, die sie aus der Anmeldung der Parteien gezogen hat (siehe oben, Randnr. 94) nicht richtig. Aus Tabelle 17 der Anmeldung (S. 26) geht nämlich hervor, daß die Marktanteile der ENS für das Segment der Geschäftsreisen bei allen betroffenen Strecken unter 5 % liegen würde:

- London-Amsterdam : 3 %, - London-Frankfurt/Dortmund : 3 %, - Paris-Glasgow/Swansea : 4 %, - Brüssel-Glasgow/Plymouth : 1 %.

99 Für das Segment der Freizeitreisen geht aus Tabelle 17 der Anmeldung der Parteien ebenfalls hervor, daß der Marktanteil der ENS nur auf zwei der vier von ihr allein bedienten Strecken 5 % übersteigen würde, ohne jedoch den von der Kommission genannten Schwellenwert von 8 % zu übersteigen:

- London-Amsterdam : 7 %, - London-Frankfurt/Dortmund : 6 %, - Paris-Glasgow/Swansea : 4 %, - Brüssel-Glasgow/Plymouth : 4 %.

100 Ferner ergibt sich aus der Anmeldung, daß die Marktanteile der ENS auf dem Markt der Freizeitreisen im Hinblick auf ein Anwachsen des gesamten Marktes und unter Berücksichtigung der begrenzten Möglichkeiten zur Ausweitung der Kapazität der ENS stabil bleiben oder sogar abnehmen dürften. Zwar brauchte die Kommission, wie bereits ausgeführt worden ist, nicht alle tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte zu erörtern, die in dem Verwaltungsverfahren vor Erlaß der angefochtenen Entscheidung aufgeworfen worden sind, doch stellte der vorerwähnte Gesichtspunkt der anmeldenden Parteien ein wesentliches Argument für die Behauptung dar, daß die Auswirkungen der ENS-Vereinbarungen auf den zwischenstaatlichen Handel unbedeutend sein würden. Daher durfte nicht, wie die Kommission meint, der Schluß gezogen werden, daß gemäß der Anmeldung der Marktanteil der ENS auf dem Markt für Freizeitreisen 8 % betragen würde, ja nicht einmal, daß er 5 % übersteigen würde.

101 Hierzu ist darauf hinzuweisen, daß die Parteien zwar in den Nummern 2.1.2 der Zusammenfassung der Anmeldung und II.4.c.5.2.(d) der Anmeldung u. a. ausgeführt haben, der Marktanteil der ENS könne möglicherweise 7 % im Segment der Geschäftsreisen und 8 % im Segment der touristischen Reisen erreichen, doch sollten nach ihrer Ansicht solche Anteile nur im Rahmen einer engeren auf Reisewegen von "Stadt zu Stadt" ("city to city flows") beruhenden Definition des Marktes unter Ausschluß der Restkonkurrenz von Personenwagen und Bussen berücksichtigt werden. Ausserdem bezogen sich diese Einschätzungen der Parteien auf Durchschnittsanteile eines umfassenden geographischen Marktes und nicht auf die tatsächlich von der ENS bedienten vier Strecken, die von der Kommission gerade als die unterschiedlichen relevanten räumlichen Märkte angesehen wurden, in deren Rahmen die ENS-Vereinbarungen zu beurteilen seien. Sonach durfte die Kommission nicht die erwähnten Marktanteile von 7 % bzw. 8 % zugrunde legen, da zum einen die angefochtene Entscheidung die relevanten Märkte nicht mit Bezug auf einen Verkehr von "Stadt zu Stadt" abgegrenzt hat, sondern mit Bezug auf einen Verkehr, der mehrere Bestimmungsorte umfasste (z. B. von Paris nach Glasgow und Swansea), da zum anderen die Definition des Marktes den Restwettbewerb von Personenwagen und Bussen nicht ausgeschlossen hat, und da die Entscheidung schließlich die Auswirkungen der ENS-Vereinbarungen nicht für einen umfassenden räumlichen Markt beurteilt hat, sondern für die vier tatsächlich von der ENS bedienten Strecken.

102 Selbst wenn, wie festgestellt, der Anteil der ENS am Markt für die Beförderung von Touristen tatsächlich auf bestimmten Strecken 5 % überstieg und sich so auf 7 % für die Strecke London-Amsterdam und auf 6 % auf der Strecke London-Frankfurt/Dortmund belief (siehe oben, Randnr. 94), kann jedenfalls nach der Rechtsprechung eine Vereinbarung von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages nicht erfasst werden, wenn sie den Markt mit Rücksicht auf die schwache Stellung der Beteiligten auf dem Markt der fraglichen Erzeugnisse oder Dienstleistungen nur geringfügig beeinträchtigt (Urteil des Gerichtshofes vom 9. Juli 1969 in der Rechtssache 5/69, Völk, Slg. 1969, 295, Randnr. 7). In bezug auf den quantitativen Aspekt der Beeinträchtigung des Marktes macht die Kommission geltend, nach ihrer bereits erwähnten Mitteilung über Vereinbarungen von geringer Bedeutung finde Artikel 85 Absatz 1 auf eine Vereinbarung Anwendung, wenn der Marktanteil der vertragschließenden Parteien 5 % betrage. Indessen erlaubt der blosse Umstand, daß diese Schwelle möglicherweise erreicht und sogar überschritten worden ist, nicht mit Sicherheit den Schluß, daß eine Vereinbarung unter das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 des Vertrages fällt; denn nach dem Wortlaut von Nummer 3 der erwähnten Mitteilung hat "die von der Kommission gegebene quantitative Definition der Spürbarkeit... jedoch keine ausschließliche Bedeutung", und es ist "im Einzelfall durchaus möglich, daß auch Vereinbarungen zwischen Unternehmen, welche die... aufgeführten Schwellen überschreiten, den Handel zwischen Mitgliedstaaten oder den Wettbewerb unter Umständen nur geringfügig beeinträchtigen und deshalb nicht von Artikel 85 Absatz 1 erfasst werden" (vgl. auch Urteil Langnese-Iglo/Kommission, Randnr. 98). Im übrigen ist rein der Vollständigkeit halber zu bemerken, daß dieses Ergebnis durch die Bekanntmachung der Kommission von 1997 über Vereinbarungen von geringer Bedeutung (ABl. 1997, C 372, S. 13), die die Bekanntmachung der Kommission vom 3. September 1986 ersetzt, bestätigt wird, wonach selbst Vereinbarungen, die nicht von geringer Bedeutung sind, wegen ihrer ausschließlich günstigen Wirkung auf den Wettbewerb dem Kartellverbot entgehen können.

103 Wenn wie im vorliegenden Fall horizontale Vereinbarungen zwischen Unternehmen die von der Kommission selbst als kritisch angesehene Schwelle von 5 %, die die Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages rechtfertigen kann, erreichen oder knapp übersteigen, ist die Kommission daher verpflichtet, hinreichend darzulegen, aus welchen Gründen sie der Ansicht ist, daß solche Vereinbarungen unter Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages fallen. Dies gilt erst recht, wenn wie im vorliegenden Fall zum einen nach Darstellung der Klägerinnen in ihrer Anmeldung die ENS auf Märkten tätig werden muß, die in weitem Umfang von anderen Transportmitteln wie dem Flugzeug beherrscht werden, und wenn zum anderen, wie die Klägerinnen geltend machen, die Marktanteile der ENS im Hinblick auf eine Steigerung der Nachfrage auf den betreffenden Märkten und unter Berücksichtigung der begrenzten Möglichkeiten der ENS zur Ausweitung ihrer Kapazitäten entweder abnehmen oder allenfalls stabil bleiben werden. Eine solche Begründung wäre im vorliegenden Fall auch deshalb zwingend erforderlich, weil, wie der Gerichtshof im Urteil Musique Diffusion Française u. a./Kommission entschieden hat, eine Vereinbarung den Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten selbst dann spürbar beeinträchtigen kann, wenn die Marktanteile der klagenden Unternehmen 3 % nicht übersteigen, sofern diese Marktanteile höher als diejenigen dritter Wettbewerber sind (Randnr. 86).

104 An einer solchen Begründung fehlt es jedoch im vorliegenden Fall.

105 Nach allem enthält die angefochtene Entscheidung keine Begründung, die es dem Gemeinschaftsrichter erlaubte, die von der ENS auf den verschiedenen relevanten Märkten gehaltenen Anteile und somit die spürbare Auswirkung der ENS-Vereinbarungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beurteilen, so daß die Entscheidung aus diesem Grund für nichtig zu erklären ist.

Zweite Teilrüge: Zur Beurteilung der wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen der ENS-Vereinbarungen

Vorbringen der Parteien

106 Die Klägerinnen machen geltend, die ENS-Vereinbarungen beschränkten den Wettbewerb weder zwischen den Gründungsunternehmen noch zwischen diesen und der ENS noch im Verhältnis zu Dritten, auch ergebe sich aus dem Vorhandensein der Netze von Gemeinschaftsunternehmen auf dem Eisenbahnmarkt keine Verstärkung von Wettbewerbsbeschränkungen. Im übrigen überwögen die günstigen Auswirkungen der ENS-Vereinbarungen gegenüber den behaupteten Beschränkungen, die sich daraus ergeben könnten. Die Entscheidung sei daher mangelhaft begründet oder zumindest mit offensichtlichen Beurteilungsfehlern behaftet.

107 Was zunächst die Wettbewerbsbeschränkungen zwischen den Gründungsunternehmen sowie zwischen diesen und der ENS angeht, machen die Klägerinnen geltend, angesichts der erheblichen Schwierigkeiten, denen die Eisenbahnunternehmen und die ENS zu begegnen hätten, lasse sich nicht behaupten, daß auf den betreffenden Märkten ein spürbarer Wettbewerb zwischen den Eisenbahnunternehmen hinsichtlich der von der ENS angebotenen neuen Dienstleistungen entstehen könne. ENS und EPS berufen sich hierfür auf ein Schreiben der Firma Lazard Brothers vom 27. April 1992 an BR (Anlage 7 zur Anmeldung), wonach keines der Eisenbahnunternehmen diese Risiken allein auf sich genommen hätte, was die Kommission in ihrer Entscheidung anerkannt habe. Ferner verursache der Erwerb der Fahrzeuge verschiedene Fixkosten in einer solchen Höhe, daß ein Unternehmen nur unter der Voraussetzung Gewinne erzielen könne, daß seine Produktion einen Mindestumfang erreiche, wie ihn die ENS zu erzielen hoffe. Einzeln wäre keines der Eisenbahnunternehmen daher in der Lage gewesen, den Umfang seiner Leistungen bis zu diesem Mindestwert zu steigern.

108 Hierzu bemerken UIC und NS noch ergänzend, es gebe keine potentiellen Wettbewerbsbeschränkungen zwischen den Beteiligten an den ENS-Vereinbarungen, denn nach der Richtlinie 91/440 sei keines der Eisenbahnunternehmen in der Lage, allein eine der betroffenen Strecken zu bedienen, sondern gezwungen, sich an einer internationalen Gruppierung zu beteiligen. So hätte beispielsweise die Strecke London-Amsterdam nicht von SNCF und EPS ohne Beteiligung der NS bedient werden können. Da EPS und NS "Zwangspartner" in jeder internationalen Gruppierung seien, die diese Strecke bediene, könne die zusätzliche Beteiligung der SNCF, die kein gegenwärtiger oder potentieller Wettbewerber von NS oder EPS auf der betreffenden Strecke sei, daher keine Wettbewerbsbeschränkung darstellen. Zu dem Umstand, daß die ENS eine Strecke bediene, bei der ein Zielgebiet Belgien sei, obwohl das belgische Eisenbahnunternehmen SNCB an den ENS-Vereinbarungen nicht beteiligt sei, führen die Klägerinnen aus, es beruhe auf einer rein geschäftlichen Entscheidung und nicht auf einer Verpflichtung nach dem Gemeinschaftsrecht, daß die SNCB der ENS "notwendige Leistungen" zu erbringen habe.

109 Da die vier von der ENS bedienten Strecken vier unterschiedliche geographische Märkte bildeten (Entscheidung, Randnr. 29), müsse auch davon ausgegangen werden, daß sich die vier Verbindungen nicht untereinander Konkurrenz machten, so daß der kombinierte Betrieb dieser vier Verbindungen in einer einzigen Gruppierung keine Wettbewerbsbeschränkung darstelle.

110 Die Ansicht, die ENS-Vereinbarungen beschränkten den Wettbewerb zwischen den Beteiligten der Vereinbarungen und den neuen Eisenbahnunternehmen einschließlich der Tochtergesellschaften der bestehenden Unternehmen, sei nicht stichhaltig. Da es sich um neue Unternehmen handele, sei diese Erwägung nämlich bei der Untersuchung von Beschränkungen des Wettbewerbs zwischen den beteiligten Unternehmen unerheblich. Die Behauptung, die Gründerunternehmen könnten in den von der ENS bedienten Ländern ausserhalb des Landes ihrer eigenen Niederlassung Tochtergesellschaften gründen, die den Status von "Eisenbahnunternehmen" im Sinne der Richtlinie 91/440 erwerben könnten und mit denen jedes der betroffenen Eisenbahnunternehmen Nachtzuege über eine Gruppierung betreiben könne, die alle anderen an der ENS Beteiligten ausschließe, sei hypothetisch. Denn zum einen besitze keines der an der ENS beteiligten Unternehmen tatsächlich solche Tochtergesellschaften. Zum anderen hätten die Eisenbahnunternehmen nicht die Möglichkeit, Tochtergesellschaften mit der Stellung von Eisenbahnunternehmen in den Mitgliedstaaten zu gründen, in denen andere Eisenbahnunternehmen niedergelassen seien, zumindest solange nicht die beiden Richtlinienvorschläge zur Ergänzung des rechtlichen Rahmens der Richtlinie 91/440 erlassen seien. Selbst wenn ein solcher rechtlicher Rahmen bereits bestuende, wäre es im übrigen unter geschäftlichen Gesichtspunkten völlig unrealistisch, anzunehmen, die DB würde beispielsweise ein eigenes Eisenbahnunternehmen in den Niederlanden gründen, um mit der EPS eine Nachtzugverbindung zwischen dem Vereinigten Königreich und Amsterdam zu betreiben, ohne die NS einzubinden. Auf alle Fälle sei das Ergebnis der Kommission um so anfechtbarer, als die Zusammenarbeit innerhalb der ENS nicht ausschließlich sei, da die ENS-Vereinbarungen nichts enthielten, was die Beteiligten daran hindere, sich an einer Gruppierung zu beteiligen, die im Wettbewerb zu ENS stehe.

111 Die SNCF fügt noch hinzu, entgegen dem Vorbringen der Kommission gebe es für die Eisenbahnunternehmen keine Möglichkeit, eine Tochtergesellschaft in den anderen Mitgliedstaaten zu gründen, um mit dieser eine Gruppierung zu bilden, da in den Mitgliedstaaten gesetzliche Monopole bestuenden und keine Regelung des Rates ein solches Niederlassungsrecht verleihe. Ferner bleibe die Beteiligung mehrerer Eisenbahnunternehmen an den ENS-Vereinbarungen folgenlos, da sie auf verschiedenen Verkehrsachsen tätig seien und daher nicht auf den anderen berücksichtigten geographischen Märkten im Wettbewerb miteinander stuenden. Schließlich könnten die finanziellen Risiken im Zusammenhang mit der Gründung der ENS nicht von einem einzigen Unternehmen getragen werden, wie die Kommission in Randnummer 63 ihrer Entscheidung einräume.

112 Ebenso beruhe das Argument der Kommission, jedes Eisenbahnunternehmen könne die Rolle eines Eisenbahn-"Transportunternehmens" ausserhalb seines Niederlassungslandes spielen, indem es bei den betroffenen Unternehmen die erforderlichen Bahndienstleistungen einkaufe, auf einer wenig realistischen Beschreibung des Marktes und sei mit der durch die Richtlinie 91/440 eingeführten Regelung unvereinbar. So sei beispielsweise die Annahme verfehlt, die DB habe ein Interesse an der Schaffung einer besonderen Struktur und an der Aushandlung von Zugangsrechten mit dem britischen Betreiber der Infrastruktur, der SNCF und der NS, um eine Nachtzugverbindung zwischen Amsterdam und London zu begründen. Ein solches Verhalten sei im übrigen geschäftlich unmöglich, da keiner der Beteiligten an den ENS-Vereinbarungen über ausreichende finanzielle Mittel und geschäftliche Möglichkeiten verfüge.

113 Die Argumentation der Kommission gehe auch von einer Beschreibung des Marktes aus, die mit der Regelung der Richtlinie 91/440 unvereinbar sei. Denn durch die Einführung einer gekünstelten Unterscheidung zwischen den Eisenbahnunternehmen und einer neuen hypothetischen Kategorie von Marktbeteiligten, den sogenannten "Transportunternehmen", habe die Kommission Zugangs- und Durchfahrtsrechte geschaffen, die in der Richtlinie nicht vorgesehen seien. Die Untersuchung der Kommission führe im übrigen letztlich zu dem Schluß, daß jede Bildung einer internationalen Gruppierung ohne weiteres den Wettbewerb aus dem einzigen Grund beschränke, weil die an ihr Beteiligten auch eine andere Gruppierung hätten bilden können. Eine solche Argumentation sei um so weniger akzeptabel, als die beteiligten Eisenbahnunternehmen nicht festlegen könnten, wie die Leistungen der ENS nach Ablauf der gewährten Freistellung zu strukturieren seien, was von anderen Schritten der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft auf dem Gebiet neuer internationaler Verkehrsleistungen abschrecke.

114 Was sodann die angeblichen Beschränkungen des Zugangs Dritter (Randnrn. 46 bis 48 der angefochtenen Entscheidung) betrifft, führen die Klägerinnen aus, die Analyse der Kommission sei aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen falsch. Erstens sei die Möglichkeit des Ausschlusses Dritter mit Bezug auf die betroffenen intermodalen Märkte zu beurteilen, auf denen das Gemeinschaftsunternehmen tätig sei und für die es nach den Randnummern 26 und 27 der Entscheidung andere austauschbare Beförderungsarten gebe. Die fragliche Analyse beruhe auf einer anderen Definition des Marktes, nämlich des Marktes der Erbringung der notwendigen Bahnleistungen, der sich von der in der Entscheidung ausdrücklich gewählten Definition unterscheide.

115 Zweitens beruhe die Beurteilung der Kommission auf der falschen Voraussetzung, daß die ENS als "Verkehrsunternehmen" zu betrachten sei, dem die Muttergesellschaften Bahnleistungen erbrächten. Die ENS sei jedoch kein Verkehrsunternehmen, sondern eine internationale Gruppierung von Eisenbahnunternehmen im Sinn der Richtlinie 91/440, die gegründet worden sei, um es den Gründerunternehmen zu ermöglichen, grenzueberschreitende Verkehrsleistungen im Personenreiseverkehr gemäß Artikel 10 Absatz 1 der Richtlinie zu erbringen. Der Umstand, daß sich die Mutterunternehmen für eine Gruppierung in Form einer Gesellschaft entschieden hätten, sei in diesem Zusammenhang in bezug auf die rechtliche Einordnung der ENS unerheblich. So könne entgegen dem Vorbringen der Kommission kein vorgelagerter Markt der Bahndienstleistungen, die dem Betreiber erbracht würden, und kein davon getrennter Markt, auf dem die ENS tätig sei, bestehen, wie in der Entscheidung behauptet werde, da die Gründerunternehmen selbst die betreffende Gruppierung Verkehrsdienstleistungen für Reisende erbrächten. Auf alle Fälle beruhe das Ergebnis der Kommission auf der falschen Annahme, daß jedes "Verkehrsunternehmen" unabhängig von seiner Natur (z. B. eine Hotelkette) die Bereitstellung der Lokomotive verlangen könne.

116 Drittens werde das Vorbringen der Kommission auf die falsche Annahme gestützt, daß die EPS eine 100%ige Tochtergesellschaft von BR und/oder des britischen Betreibers der Infrastruktur Railtrack sei und eine beherrschende Stellung im Vereinigten Königreich einnehme, während die EPS in Wirklichkeit von BR an die Regierung des Vereinigten Königreichs abgetreten worden sei (siehe oben, Randnr. 11) und die Stellung dieses Unternehmens keineswegs auf irgendeinem Markt beherrschend sei. Die EPS habe die Kommission in ihrem Schreiben vom 30. Juni 1994 (Anlage 9 zu ihrer Klageschrift) daran erinnert, daß sie weder Eigentümerin noch Betreiberin der Infrastruktur sei und im Netz des Vereinigten Königreichs nur Zugang zu den Fahrplantrassen habe, die ihr vorbehalten seien und deren sie bedürfe, die jedoch nur einen kleinen Teil der Fahrplantrassen auf den betreffenden Strecken ausmachten. Ebenso beschäftige die EPS nur wenig Eisenbahnpersonal, und ihr Lokomotivfahrzeugpark sei von geringem Umfang. Daher befinde sich die EPS in bezug auf den Zugang zur Infrastruktur des britischen Netzes nicht in einer beherrschenden Stellung.

117 Viertens habe die Kommission nicht erläutert, weshalb die angebliche Wirtschaftskraft der beteiligten Eisenbahnunternehmen als solche ein Hindernis für den Zugang Dritter zum Markt bilde. Denn das Argument, das auf das Vorhandensein gegenwärtiger oder potentieller Wettbewerber sowie auf den Schaden abstelle, den die angeblichen privilegierten Beziehungen zwischen den Eisenbahnunternehmen und der ENS für den Wettbewerb auf den nachgelagerten Märkten verursachten, sei spekulativ. Selbst wenn die Eisenbahnunternehmen als einzige Lokomotiven besässen und selbst wenn jedes von ihnen sich weigerte, einem neuen Wirtschaftsteilnehmer Lokomotiven zu stellen, wäre die Auswirkung auf die betroffenen Märkte, wenn diese richtig abgegrenzt würden, tatsächlich geringfügig. Zum anderen seien die beteiligten Eisenbahnunternehmen nach der Richtlinie 91/440 auf alle Fälle verpflichtet, als Betreiber von Infrastrukturen Dritten bestimmte Leistungen zu erbringen. Im übrigen stelle der Erwerb von (insbesondere gebrauchten) Lokomotiven durch Anmietung, Leasing oder auf andere Weise für Dritte keine enorme Investition dar, und kein tatsächlicher Anhaltspunkt erlaube der Kommission den Schluß, daß nur die betroffenen Eisenbahnunternehmen Lokomotiven besässen oder daß jeder neue Marktbeteiligte Schwierigkeiten hätte, sie zu erwerben. Auch sei es möglich, anstatt neue oder Speziallokomotiven zu bestellen, vorhandene Lokomotiven für den Verkehr im Kanaltunnel umzurüsten. Auf alle Fälle könne der blosse Umstand, daß die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens bestimmte grössere Kapitalinvestitionen erfordere, nicht als Schranke für den Zugang zum Markt betrachtet werden. Zu den von der Kommission in ihren Schriftsätzen behaupteten Ausschlußwirkungen, die sich angeblich aus der Nutzungsvereinbarung für den Kanaltunnel ergeben, bemerken die Klägerinnen, für diese Vereinbarung sei durch eine Entscheidung der Kommission eine Freistellung gemäß Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages erteilt worden, und die von der ENS benutzten Fahrplantrassen seien Teil der Fahrplantrassen, die die Eurotunnel-Vereinbarung der SNCF und BR vorbehalten habe, so daß die Anzahl der Dritten vorbehaltenen Fahrplantrassen nicht verringert worden sei.

118 Des weiteren führen die Klägerinnen zu den beschränkenden Wirkungen aufgrund des Vorhandenseins eines Netzes von Gemeinschaftsunternehmen aus, diese anderen Gemeinschaftsunternehmen seien auf anderen Produkt- oder Dienstleistungsmärkten als demjenigen tätig, auf dem sich die ENS betätigen werde, nämlich auf dem Markt für den kombinierten Güterverkehr und dem Markt für die Fahrzeugbeförderung auf der Bahn; sie übten weder konkurrierende noch auch nur ergänzende Tätigkeiten aus. Die Entscheidung enthalte nicht die geringste Feststellung, inwiefern das angebliche Vorhandensein eines Netzes von Eisenbahn-Gemeinschaftsunternehmen den Wettbewerb auf dem Markt für den Reiseverkehr beeinträchtige, und stehe im übrigen im Widerspruch zu den Grundsätzen, die die Kommission in ihrer Bekanntmachung von 1993 aufgestellt habe.

119 Schließlich machen ENS und EPS in bezug auf die allgemeine Beurteilung der Wirkungen der ENS-Vereinbarungen geltend, daß nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteile des Gerichtshofes vom 30. Juni 1966 in der Rechtssache 56/65, LTM, Slg. 1966, 282, vom 13. Juli 1966 in den Rechtssachen 56/64 und 58/64, Consten und Grundig/Kommission, Slg. 1966, 450, Metro/Kommission, vom 8. Juni 1982 in der Rechtssache 258/78, Nungesser und Eisele/Kommission, Slg. 1982, 2015, vom 28. Januar 1986 in der Rechtssache 161/84, Pronuptia, Slg. 1986, 353, und vom 28. Februar 1991 in der Rechtssache C-234/89, Delimitis, Slg. 1991, I-935) die günstigen Auswirkungen einer Vereinbarung auf den Wettbewerb gegen ihre wettbewerbswidrigen Auswirkungen abzuwägen seien. Überwögen die günstigen Auswirkungen auf den Wettbewerb gegenüber den wettbewerbswidrigen Auswirkungen und seien letztere für die Anwendung der Vereinbarung erforderlich, könne nicht davon ausgegangen werden, daß mit diesen eine Beschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages bezweckt oder bewirkt werde.

120 Hierzu führen die Klägerinnen aus, die fraglichen Vereinbarungen trügen in erheblichem Umfang zur Förderung des Wettbewerbs auf den beiden betroffenen Märkten für Dienstleistungen bei, die in den Randnummern 26 und 27 der Entscheidung definiert seien. Insbesondere werde der Markt für den Geschäftsreiseverkehr in von der ENS bediente Zielgebiete durch einige wenige Luftverkehrsgesellschaften beherrscht, die nach dem Gutachten über die internationalen Passagierströme (International Passenger Survey) des Office of Population Censuses and Surveys im Jahre 1991 74 % dieses Marktes gehalten hätten. Ferner habe die ENS in ihrer Anmeldung belegt, daß sie 7 % des Marktes erreichen könne, während die Luftverkehrsgesellschaften es auf 78 % Marktanteil bringen würden, ihre Gründung also in gewissem Umfang die Beherrschung des Marktes durch die Luftverkehrsunternehmen abmildere. Die Kommission habe im übrigen eingeräumt, daß die Situation auf dem Markt für Freizeitreisen die gleiche sei. Letztlich müssten daher die günstigen Auswirkungen der fraglichen Vereinbarungen gegenüber allen hypothetischen wettbewerbswidrigen Auswirkungen überwiegen.

121 Die Kommission macht geltend, der Umstand, daß die an der ENS Beteiligten abschätzbare beachtliche geschäftliche Risiken eingegangen seien und hohe Kosten getragen hätten, bedeute nicht, daß ein erheblicher Wettbewerb zwischen den betreffenden Eisenbahnunternehmen auf dem relevanten Markt unwahrscheinlich sei. Ein in einem Mitgliedstaat niedergelassenes Eisenbahnunternehmen habe das Recht, mit einem anderen in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Eisenbahnunternehmen eine internationale Gruppierung zu bilden und von Eurotunnel, dem Betreiber der Infrastruktur, die für die Durchquerung des Kanaltunnels erforderlichen Fahrplantrassen zu erhalten, um grenzueberschreitende Verkehrsleistungen anbieten zu können (Entscheidung, Randnr. 42). Ausserdem könne jedes an der ENS-Vereinbarung beteiligte Eisenbahnunternehmen selbst die Rolle eines Verkehrsunternehmens spielen und eine Tochtergesellschaft gründen, die bei den betreffenden Eisenbahnunternehmen die notwendigen Leistungen einkaufen und somit ebenfalls grenzueberschreitende Verkehrsleistungen anbieten könne (Entscheidung, Randnrn. 43 und 44). Indem die Klägerinnen den Betrieb und die Vermarktung dieser Leistungen ihrem gemeinsamen Unternehmen ENS anvertrauten, beschränkten sie die Wettbewerbsmöglichkeiten auf dem betreffenden Markt somit erheblich (Entscheidung, Randnr. 45). Schließlich ergebe sich aus der Entscheidung des deutschen Eisenbahnunternehmens DB, ein Gemeinschaftsunternehmen mit den schweizerischen und den österreichischen Eisenbahnen zu bilden, um Nachtzugverbindungen zwischen schweizerischen, deutschen und österreichischen Städten anzubieten, daß die Möglichkeit eines an den ENS-Vereinbarungen beteiligten Eisenbahnunternehmens, eine Tochtergesellschaft im Vereinigten Königreich und/oder in anderen Mitgliedstaaten zu gründen, um Nachtzugverbindungen anzubieten, weder unrealistisch noch illusorisch sei.

122 Zu dem Umstand, daß jede der Klägerinnen notwendiger Partner beim Betrieb der von der ENS bedienten Strecken sei, erwidert die Kommission, die ENS sei kein Eisenbahnunternehmen im Sinne der Richtlinie 91/440, sondern ein Verkehrsunternehmen, das die notwendigen Bahnleistungen bei den Eisenbahnunternehmen einkaufe. Im übrigen beweise der Umstand, daß die Strecke Brüssel-Glasgow/Plymouth von der ENS betrieben werden solle, obwohl die SNCB nicht an der Vereinbarung beteiligt sei, daß die Beteiligung jedes der vier in den betreffenden Mitgliedstaaten niedergelassenen Eisenbahnunternehmen keine unerläßliche Voraussetzung für das Angebot der betreffenden Dienstleistungen sei.

123 Zum Argument der Klägerinnen, die betroffenen Eisenbahnunternehmen hätten nicht die Möglichkeit, in den verschiedenen Mitgliedstaaten Tochtergesellschaften mit dem Status von Eisenbahnunternehmen zu gründen und auf diese Weise internationale Gruppierungen zu bilden, die mit der ENS in Wettbewerb stuenden, macht die Kommission geltend, es gebe kein rechtliches Hindernis für die Eisenbahnunternehmen, sich in anderen Mitgliedstaaten niederzulassen. Das Grundprinzip der Niederlassungsfreiheit in Artikel 52 des Vertrages sei am Ende der Übergangszeit in vollem Umfang anwendbar, weshalb es unerheblich sei, daß der Rat beim Erlaß der angefochtenen Entscheidung den Vorschlag einer Richtlinie betreffend die Zulassung der Eisenbahnunternehmen noch nicht verabschiedet gehabt habe, denn der Zweck einer solchen Richtlinie bestehe nur darin, die Ausübung des Niederlassungsrechts zu erleichtern, nicht jedoch, dieses Recht zu verleihen (Urteil des Gerichtshofes vom 21. Juni 1974 in der Rechtssache 2/74, Reyners, Slg. 1974, 631).

124 Zum Argument der Klägerinnen, daß es der durch die Richtlinie 91/440 geschaffene Rahmen den Eisenbahnunternehmen nicht erlaube, eine Tochtergesellschaft als Verkehrsunternehmen zu gründen, führt die Kommission aus, diese Richtlinie gelte zwar nicht für Eisenbahnunternehmen, deren Haupttätigkeit im Erbringen von Eisenbahnverkehrsleistungen zur Beförderung von Gütern oder Personen bestehe, wobei dieses Unternehmen auf jeden Fall die Traktion sicherstellen müsse (Artikel 3), doch könnten Verkehrsunternehmen, die nicht selbst den Status eines Eisenbahnunternehmens im Sinne von Artikel 3 der Richtlinie hätten und somit nicht über das Recht auf Zugang zur Eisenbahnstruktur verfügten, trotzdem Eisenbahnverkehrsleistungen zur Beförderung von Gütern und/oder Personen erbringen, indem sie bei Eisenbahnunternehmen die Traktionsleistungen und das Recht auf Zugang zur Eisenbahnstruktur einkauften. Genau so sei die ACI in bezug auf den kombinierten Verkehr und die ENS in bezug auf den Personenverkehr tätig.

125 Die Kommission hebt hervor, sie habe diese Ansicht bereits in den Schreiben an die anmeldenden Unternehmen vom 29. Oktober 1993 (Klagebeantwortung, Anlage 4) und vom 28. Februar 1994 vertreten, und der Präsident von ENS habe nach Befragung der an der ENS beteiligten Eisenbahnunternehmen mit Schreiben vom 13. April 1994 an die Kommission (Klagebeantwortung, Anlage 6) ihre Vereinbarung bestätigt, Wettbewerbern der ENS auf denselben Strecken Nachtleistungen zu erbringen.

126 Zu dem Umstand, daß die ENS-Vereinbarungen keine Ausschließlichkeitsklausel enthielten und daher die betroffenen Eisenbahnunternehmen nicht daran hinderten, andere internationale Gruppierungen zu bilden, die mit der ENS in Wettbewerb treten könnten, macht die Kommission geltend, daß dieser Fall höchst unwahrscheinlich sei, da die betroffenen Eisenbahnunternehmen im Verwaltungsverfahren weiterhin die Notwendigkeit betont hätten, ihre Erfahrung und ihre finanziellen Mittel zusammenzufassen, um den geschäftlichen Erfolg der ENS zu gewährleisten.

127 Sodann wendet sich die Kommission gegen die Rüge, sie habe die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen der ENS-Vereinbarung auf Dritte falsch gewürdigt, und verweist hierfür auf die Randnummern 46 und 48 der angefochtenen Entscheidung. Zwar begründe die Schaffung der ENS keine Beschränkung für den Zugang Dritter zu anderen Beförderungsarten, die mit den von der ENS angebotenen Dienstleistungen austauschbar seien, doch könne der Zugang von Eisenbahnunternehmen und Verkehrsunternehmen zum Bahnsegment des relevanten Marktes dadurch behindert werden, daß sich die ENS aus mächtigen Eisenbahnunternehmen zusammensetze, die sowohl die Benutzung der Eisenbahninfrastruktur als auch die Versorgung mit Traktionsleistungen kontrollierten. Es sei nicht notwendig, daß die Behinderung des Zugangs alle Marktsegmente betreffe, wenn es sich wie im vorliegenden Fall um einen gemischten Markt handele. Der Umstand, daß für die zwischen Eurotunnel, BR und SNCF geschlossene Eurotunnelvereinbarung eine Freistellungsentscheidung gemäß Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages ergangen sei, ändere nichts daran, daß die Bewertung der wirtschaftlichen Stellung von EPS und SNCF zutreffend sei, die 75 % der grenzueberschreitenden Zuegen vorbehaltenen Fahrplantrassen im Kanaltunnel hielten.

128 Zu den auf der Lieferung von notwendigen Bahnleistungen an die ENS beruhenden Wettbewerbsbeschränkungen räumt die Kommission ein, daß die internationalen Gruppierungen in bezug auf die Stellung von Fahrplantrassen aufgrund der Richtlinie Zugang zur Infrastruktur unmittelbar bei den Betreibern der Infrastruktur erhalten könnten. Dies gelte jedoch für die Verkehrsunternehmen nicht in bezug auf die Stellung der Fahrplantrassen wie auch der Traktion und des qualifizierten Personals. Da die Traktion nur von den Eisenbahnunternehmen bereitgestellt werden könne und da diese Unternehmen gleichzeitig über die für die Traktion im Kanaltunnel bestimmten Lokomotiven und die spezialisierten Besatzungen für deren Betrieb verfügten, sei die Ansicht gerechtfertigt, daß Wirtschaftsteilnehmer, die versuchten, ähnliche Leistungen zu erhalten, benachteiligt würden, wenn sie sie nicht zu nichtdiskriminierenden Bedingungen bei den Muttergesellschaften der ENS erhielten.

129 In bezug auf die Beteiligung der Gründerunternehmen an einem Netz von Gemeinschaftsunternehmen führt die Kommission aus, dieses Netz betreffe das Angebot von Güter- und Personenverkehrsleistungen, es handele sich um das Unternehmen Intercontainer, an dem alle Anmeldenden beteiligt seien, um das von BR, SNCF und Intercontainer gegründete Unternehmen ACI sowie schließlich um das Unternehmen Autocare Europe. Das Argument, die Gemeinschaftsunternehmen im Bereich des kombinierten Güterverkehrs und der Kraftfahrzeugtransporte auf der Bahn hätten keinen Einfluß auf die Nachtzugverbindungen, wie sie von der ENS betrieben würden, sei nicht stichhaltig, da nach der Bekanntmachung von 1993 der Wettbewerb am stärksten beeinträchtigt werde, wenn von konkurrierenden Unternehmen ein und desselben Wirtschaftszweigs mit Oligopolstruktur eine grosse Anzahl von Gemeinschaftsunternehmen für komplementäre oder unterschiedliche Dienstleistungen errichtet würden.

130 Schließlich wendet sich die Kommission gegen das Argument, die von den Klägerinnen zitierten Rechtssachen belegten, daß sie eine "rule of reason" anzuwenden und die positiven und negativen Wirkungen der fraglichen Vereinbarung auf den Wettbewerb zu würdigen habe. Eine solche Lösung dürfe nur im Rahmen von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages, nicht aber für die Beurteilung der Wettbewerbsbeschränkungen im Rahmen von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages in Betracht.

131 Das Vereinigte Königreich als Streithelfer führt zunächst aus, die Kommission habe im Rahmen der Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages auf die ENS-Vereinbarungen den wirtschaftlichen Kontext und insbesondere den Wettbewerb nicht berücksichtigt, der bestehe, wenn es diese Vereinbarungen nicht gäbe. Die ENS-Vereinbarungen beschränkten den Wettbewerb nicht, da sie konzipiert worden seien, um die Einführung einer Dienstleistung zu ermöglichen und zu erleichtern, die es zur Zeit nicht gebe und die keiner der Beteiligten vernünftigerweise allein einführen könne.

132 Verschiedene Teile der Begründungserwägungen der streitigen Entscheidung belegten im übrigen, daß die ENS-Vereinbarungen günstig für den Wettbewerb seien, ferner belegten sie die Neuheit der angebotenen Leistung, die erheblichen finanziellen Risiken, die sie mit sich brächten, die finanzielle und technische Berechtigung einer Zusammenarbeit, d. h. der Zusammenfassung des Know-how und die Notwendigkeit, mehrere Jahre abzuwarten, bis die Investitionen sich rentierten (Randnrn. 59, 61, 63, 64 und 74 bis 77 der Entscheidung). Es sei daher bezeichnend, daß diese Feststellungen nur in dem Teil der Entscheidung enthalten seien, der die Frage der Freistellung der ENS-Vereinbarungen betreffe, und nicht in dem Teil, der sich auf die Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages beziehe.

133 Im übrigen erläutere die streitige Entscheidung nicht ausreichend, wie die Muttergesellschaften der ENS sich auf dem relevanten Markt tatsächlich Konkurrenz machten oder machen könnten. So enthalte sie keinerlei Ausführungen zur Wahrscheinlichkeit eines solchen Wettbewerbs, was belege, daß die Kommission entweder nicht die notwendige Untersuchung des wirtschaftlichen Kontextes vorgenommen oder Artikel 190 des Vertrages nicht beachtet habe.

134 Zu diesem Vorbringen des Vereinigten Königreichs führt die Kommission aus, die Untersuchung einer Vereinbarung müsse zwar deren wirtschaftlichen Kontext berücksichtigen, dies bedeute jedoch nicht, daß auf die Rule of reason zurückzugreifen sei, einen Begriff, dessen Verwendung der Gerichtshof bisher abgelehnt habe. Daran ändere das Urteil des Gerichtshofes vom 15. Dezember 1994 in der Rechtssache C-250/92 (DLG, Slg. 1994, I-5641) nichts, da es nur die Gültigkeit von nebensächlichen Beschränkungen im besonderen Rahmen genossenschaftlicher Organisationen betroffen habe und somit nicht als Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes zu gelten habe. Daher sei die Abwägung der Vorteile gegen die Nachteile einer Vereinbarung über den Wettbewerb für die Erteilung von Befreiungen gemäß Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages notwendig, nicht jedoch für die Beurteilung von Wettbewerbsbeschränkungen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages, die entgegen dem Vorbringen des Vereinigten Königreichs im vorliegenden Fall in der Entscheidung breit erörtert worden seien.

Würdigung durch das Gericht

135 Nach der angefochtenen Entscheidung erzeugen die ENS-Vereinbarungen den gegenwärtigen und potentiellen Wettbewerb beschränkende Wirkungen a) zwischen den Gründerunternehmen, b) zwischen diesen und der ENS sowie c) gegenüber Dritten; diese Beschränkungen würden ferner d) durch ein Netz von durch die Gründerunternehmen geschaffenen Gemeinschaftsunternehmen verschärft.

136 Vor der Prüfung des Parteivorbringens zur Stichhaltigkeit der Untersuchungen der Kommission in bezug auf die Wettbewerbsbeschränkungen ist darauf hinzuweisen, daß die Beurteilung einer Vereinbarung gemäß Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages den konkreten Rahmen zu berücksichtigen hat, in dem diese ihre Wirkungen entfaltet, insbesondere den wirtschaftlichen und rechtlichen Kontext, in dem die betroffenen Unternehmen tätig sind, die Art der Dienstleistungen, auf die sich diese Vereinbarung bezieht, sowie die tatsächlichen Bedingungen der Funktion und der Struktur des relevanten Marktes (Urteile des Gerichtshofes in der Rechtssache Delimitis, DLG, Randnr. 31, vom 12. Dezember 1995 in der Rechtssache C-399/93, Oude Luttikhuis u. a., Slg. 1995, I-4515, Randnr. 10, und Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1997 in der Rechtssache T-77/94, VGB u. a./Kommission, Slg. 1997, II-759, Randnr. 140), sofern es sich nicht um eine Vereinbarung handelt, die offenkundige Beschränkungen des Wettbewerbs umfasst, wie die Festsetzung von Preisen, die Aufteilung des Marktes oder die Kontrolle des Absatzes (Urteile des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-148/89, Tréfilunion/Kommission, Slg. 1995, II-1063, Randnr. 109). Denn in letzterem Fall können solche Beschränkungen nur im Rahmen von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages gegen ihre angeblichen den Wettbewerb fördernden Wirkungen zum Zweck der Gewährung einer Freistellung von dem Verbot in Artikel 85 Absatz 1 abgewogen werden.

137 Ausserdem ist hervorzuheben, daß sich die Untersuchung der Wettbewerbsbedingungen nicht nur auf den gegenwärtigen Wettbewerb stützt, den sich die bereits auf dem relevanten Markt tätigen Unternehmen liefern, sondern auch auf den potentiellen Wettbewerb, damit ermittelt werden kann, ob unter Berücksichtigung der Struktur des Marktes sowie des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontextes, aufgrund dessen dieser funktioniert, tatsächlich konkrete Möglichkeiten bestehen, daß die betroffenen Unternehmen untereinander im Wettbewerb stehen oder daß ein neuer Wettbewerber auf dem relevanten Markt auftreten und den alteingesessenen Unternehmen Konkurrenz machen kann (Urteil Delimitis, Randnr. 21). Ferner setzt nach der Bekanntmachung der Kommission von 1993 über die Beurteilung kooperativer Gemeinschaftsunternehmen nach Artikel 85 des Vertrages "die Annahme eines potentiellen Wettbewerbsverhältnisses... voraus, daß jeder der Gründer allein in der Lage ist, die dem [Gemeinschaftsunternehmen] übertragenen Aufgaben zu erfuellen, und daß er seine diesbezueglichen Fähigkeiten nicht mit der Errichtung des [Gemeinschaftsunternehmens] einbüsst. Bei der Beurteilung des konkreten Einzelfalls ist eine wirtschaftlich realistische Betrachtungsweise geboten" (Nr. 18 der Bekanntmachung).

138 Im Licht dieser Erwägungen ist daher zu untersuchen, ob die Beurteilung der beschränkenden Wirkungen der ENS-Vereinbarungen durch die Kommission zutreffend ist.

- Zu den Beschränkungen des Wettbewerbs zwischen den Gründern

139 Ausweislich der Akten standen die Eisenbahnunternehmen der Mitgliedstaaten vor dem Erlaß der Richtlinie 91/440 weder in gegenwärtigem noch in potentiellem Wettbewerb zueinander, da in den meisten Mitgliedstaaten Ausschließlichkeitsrechte die Erbringung internationaler Reiseverkehrsleistungen sowie den Zugang zur Infrastruktur (nationales Netz) rechtlich oder tatsächlich verhinderten. Wie die Parteien vorgetragen haben, wurden solche Leistungen in der Gemeinschaft vor dem Erlaß dieser Richtlinie nur aufgrund von herkömmlichen Kooperationsvereinbarungen zwischen den Eisenbahnunternehmen erbracht, die in den verschiedenen betroffenen Netzen tätig waren. Nach dem Erlaß der Richtlinie 91/440 änderten sich jedoch die Wettbewerbsbedingungen auf dem Eisenbahnmarkt, so daß die in den nationalen Netzen tätigen Eisenbahnunternehmen in gewissem Umfang potentielle Konkurrenten beim internationalen Reiseverkehr wurden, sofern sie mit anderen in den verschiedenen Mitgliedstaaten niedergelassenen Eisenbahnunternehmen "internationale Gruppierungen" bildeten, um Leistungen im grenzueberschreitenden Verkehr zwischen diesen Mitgliedstaaten zu erbringen (Artikel 3 und 10 der Richtlinie).

140 Aus dem Vorbringen der Kommission ergibt sich, daß die Möglichkeit, grenzueberschreitende Verkehrsleistungen über internationale Gruppierungen zu erbringen, nicht nur den bestehenden Eisenbahnunternehmen offensteht, sondern auch neuen Eisenbahnunternehmen einschließlich der Tochtergesellschaften bestehender Eisenbahnunternehmen, und daß die Kommission von dieser Voraussetzung ausgehend die Ansicht vertrat, die ENS-Vereinbarungen beschränkten den Wettbewerb zwischen den Gründern, da a) alle Beteiligten der ENS-Vereinbarungen eine Gruppierung entweder mit einem im Vereinigten Königreich niedergelassenen Unternehmen oder mit ihrer eigenen britischen Tochtergesellschaft bilden konnten und auf diese Weise in Wettbewerb mit der ENS treten konnte, b) alle Beteiligten der ENS-Vereinbarungen eine spezialisierte Tochtergesellschaft als Verkehrsunternehmen gründen und bei den Beteiligten der ENS-Vereinbarungen die gleichen notwendigen Bahndienstleistungen einkaufen konnten, die diese der ENS verkauften, und c) jedes Eisenbahnunternehmen sich selbst in die Lage eines Verkehrsunternehmens versetzen und grenzueberschreitende Nachtzugverbindungen anbieten konnte, indem es bei den betreffenden Eisenbahnunternehmen die notwendigen Bahndienstleistungen einkaufte.

141 In bezug auf die Möglichkeit sämtlicher Beteiligter der ENS-Vereinbarungen, eine Gruppierung entweder mit einem im Vereinigten Königreich niedergelassenen Unternehmen oder mit seiner eigenen britischen Tochtergesellschaft zu bilden und auf diese Weise mit der ENS in Wettbewerb zu treten, ist zunächst festzustellen, daß die einzigen "notwendigen Partner" für die Bildung einer solchen internationalen Gruppierung auf jeder Strecke notwendigerweise die in dem betreffenden Mitgliedstaat niedergelassenen Eisenbahnunternehmen sind, da nach Artikel 10 der Richtlinie 91/440 eine grenzueberschreitende Strecke nur durch eine internationale Gruppierung bedient werden kann, die aus den in den betreffenden Ländern niedergelassenen Eisenbahnunternehmen besteht. Wie die Klägerinnen beispielsweise in bezug auf die Strecke London-Amsterdam vorgetragen haben, waren in der maßgeblichen Zeit die einzigen notwendigen Partner die NS und die EPS, so daß die Beteiligung der SNCF und der DB an dieser Gruppierung keine Auswirkungen auf den gegenwärtigen Wettbewerb haben konnte, denn in dem durch die Richtlinie 91/440 geschaffenen Kontext kann keines dieser beiden Eisenbahnunternehmen der EPS und der NS auf der erwähnten Strecke Konkurrenz machen. Das gleiche gilt für jede der drei anderen von der ENS tatsächlich bedienten Strecken (siehe oben, Randnr. 9). Somit kann der gemeinsame Betrieb der betreffenden vier Strecken durch EPS, DB, SNCF und NS den gegenwärtigen Wettbewerb zwischen den Gründern nicht erheblich beeinträchtigen.

142 Zu den Beschränkungen des potentiellen Wettbewerbs dadurch, daß jedes der Gründerunternehmen in den Mitgliedstaaten der anderen Gründer Tochtergesellschaften gründen und entweder mit seinen eigenen Tochtergesellschaften oder mit anderen in den anderen betroffenen Mitgliedstaaten niedergelassenen Eisenbahnunternehmen internationale Gruppierungen in unmittelbarem Wettbewerb mit der ENS bilden könne, ist das Gericht der Auffassung, daß es sich im vorliegenden Fall um eine Annahme handelt, die durch keinen Tatumstand und keine Untersuchung der Strukturen des relevanten Marktes gestützt wird, die den Schluß erlaubte, daß es sich um eine tatsächliche und konkrete Möglichkeit handelt. Denn weder die angefochtene Entscheidung noch die Akten enthalten Anhaltspunkte dafür, daß es Eisenbahnunternehmen mit Tochtergesellschaften in anderen Mitgliedstaaten gibt, die selbst den Status von Eisenbahnunternehmen haben und auf diese Weise belegen, daß von der Niederlassungsfreiheit auf dem Eisenbahnmarkt in der Gemeinschaft tatsächlich Gebrauch gemacht wird.

143 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß das Gericht die Kommission im Zuge der von ihm getroffenen prozeßleitenden Verfügungen aufgefordert hat, anzugeben, ob in den Mitgliedstaaten niedergelassene Eisenbahnunternehmen Tochtergesellschaften mit dem Status eines Eisenbahnunternehmens im Sinne der Richtlinie 91/440 in anderen Mitgliedstaaten besitzen, und, falls dies bejaht wird, genau anzugeben, welche Eisenbahnunternehmen nach dem Inkrafttreten der Richtlinie 91/440 gegründet wurden. Die Kommission hat in ihrer Antwort eingeräumt, daß sie keine Kenntnis von anderen Tochtergesellschaften habe, die vor oder nach dem Erlaß der Richtlinie 91/440 von den Gründerunternehmen der ENS gegründet worden seien; trotzdem hat sie ihre Ansicht wiederholt, daß Artikel 52 des Vertrages allen betroffenen Eisenbahnunternehmen das Niederlassungsrecht unmittelbar verleihe.

144 Dieses Argument der Kommission, wonach theoretisch kein rechtliches Hindernis für die Eisenbahnunternehmen bestehe, sich in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen ihres Gesellschaftssitzes niederzulassen, berücksichtigt nicht den wirtschaftlichen Kontext und die Merkmale des relevanten Marktes, die sich aus den Akten ergeben, und genügt daher allein nicht zum Beleg des Vorhandenseins von Beschränkungen des potentiellen Wettbewerbs zwischen den Gründern sowie zwischen diesen und der ENS.

145 Wie die Klägerinnen in ihren Schriftsätzen eingehend dargelegt haben, wäre es angesichts der Neuheit und der besonderen Aspekte der betreffenden Nachtzugleistungen nicht realistisch, wenn die Gründer Tochtergesellschaften in anderen Mitgliedstaaten mit dem Status von Eisenbahnunternehmen gründen würden, nur um ein neues Gemeinschaftsunternehmen zu dem Zweck zu bilden, der ENS Konkurrenz zu machen. Die prohibitiven Investionskosten, die für solche Leistungen bei Benutzung des Kanaltunnels erforderlich wären, und das Fehlen von Kosteneinsparungseffekten beim Betrieb einer einzigen Eisenbahnstrecke im Gegensatz zum gemeinsamen Betrieb von vier Strecken durch die ENS beweisen nämlich, daß ein potentieller Wettbewerb zwischen den Gründern sowie zwischen diesen und der ENS wenig realistisch ist. Ausserdem hat, wie aus den Akten hervorgeht, nach der Bekanntmachung der Mitteilung der Kommission im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, mit der die Betroffenen aufgefordert wurden, zu den ENS-Vereinbarungen, wie sie in dieser Mitteilung zusammengefasst waren, Stellung zu nehmen, im Verwaltungsverfahren kein Dritter, der als möglicher Wettbewerber von der Durchführung der ENS-Vereinbarungen möglicherweise geschädigt oder betroffen sein könnte (siehe oben, Randnr. 17), Erklärungen abgegeben. Schließlich kann im vorliegenden Fall das Vorhandensein gegenwärtiger oder potentieller Wettbewerber von ENS auch ernstlich in Zweifel gezogen werden, wenn man berücksichtigt, daß bisher, wie die Kommission in ihren Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichts eingeräumt hat, von den Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft in anderen Mitgliedstaaten weder vor noch nach dem Erlaß der Richtlinie 91/440 eine Tochtergesellschaft gegründet worden ist.

146 Nach allem ist das Gericht der Ansicht, daß die Einschätzung der Kommission, wonach die ENS-Vereinbarungen geeignet seien, den gegenwärtigen und/oder potentiellen Wettbewerb zwischen den Gründern sowie zwischen diesen und der ENS spürbar zu beschränken, unzureichend begründet und/oder mit einem Beurteilungsfehler behaftet ist.

147 Was die Wettbewerbsbeschränkungen zwischen den Gründern aufgrund des Umstandes anbelangt, daß jedes der an den ENS-Vereinbarungen beteiligten Eisenbahnunternehmen entweder ein Spezialunternehmen als Verkehrsunternehmen gründen oder sich selbst in die Lage eines Verkehrsunternehmens versetzen und der ENS Konkurrenz machen könnte, indem es bei den betreffenden Eisenbahnunternehmen die gleichen notwendigen Bahnleistungen einkauft, stellt das Gericht fest, daß diese Einschätzung der Kommission ebenfalls auf einer nicht den Tatsachen entsprechenden Untersuchung des Marktes beruht. Denn die Kommission geht davon aus, daß es auf dem Markt für den Bahnreiseverkehr neben den Eisenbahnunternehmen eine andere Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern, die Verkehrsunternehmen, gebe, die die gleichen Leistungen wie die Eisenbahnunternehmen erbrächten, nämlich die Beförderung von Reisenden, jedoch dergestalt, daß sie bei den Eisenbahnunternehmen die "notwendigen Bahnleistungen", also Lokomotiven, deren Personal und den Zugang zur Infrastruktur, einkauften oder anmieteten. Da es sich bei der ENS nach der Entscheidung um ein Verkehrsunternehmen handelt, könnte dieses dem Wettbewerb entweder von den Eisenbahnunternehmen als Verkehrsunternehmen gegründeter spezialisierter Tochterfirmen ausgesetzt sein, oder dem Wettbewerb der Eisenbahnunternehmen selbst, die in dieser Eigenschaft unmittelbar auf dem Markt tätig würden, so daß die Gründung der ENS eine Beschränkung der Freiheit der Beteiligten, sich einzeln als Verkehrsunternehmen auf dem betreffenden Markt zu betätigen, herbeiführen würde.

148 Die Untersuchung dieser Einschätzung der Kommission setzt jedoch voraus, daß die Frage beantwortet wird, ob die internationalen Reiseverkehrsleistungen ausserhalb der in der Richtlinie 91/440 vorgesehenen internationalen Gruppierungen auch von Verkehrsunternehmen erbracht werden. Da die Klägerinnen diese Frage im Kern im Rahmen ihrer zweiten Rüge aufgeworfen haben, ist sie in diesem Rahmen zu prüfen (im folgenden: Randnrn. 161 bis 189).

- Zu den Wettbewerbsbeschränkungen gegenüber Dritten

149 In der angefochtenen Entscheidung wird ausgeführt, es bestehe die Gefahr, daß der Zugang Dritter zu den relevanten Märkten zum einen wegen des Vorliegens privilegierter Beziehungen zwischen der ENS und ihren Muttergesellschaften, die Dritte in eine ungünstige Wettbewerbsposition in bezug auf den Erwerb der von den Muttergesellschaften erbrachten Bahnleistungen versetzten, und zum anderen wegen der Vereinbarung zwischen BR, SNCF und Eurotunnel über die Benutzung des Kanaltunnels behindert werde, die es BR und SNCF ermögliche, einen signifikanten Anteil, nämlich 75 % der für grenzueberschreitende Zuege verfügbaren Fahrplantrassen zu behalten.

150 Erstens ist zu den privilegierten Beziehungen zwischen der ENS und den betroffenen Eisenbahnunternehmen festzustellen, daß die Untersuchung der Kommission davon ausgeht, daß der Markt für den Bahnreiseverkehr in zwei Märkte aufgespalten sei, einen vorgelagerten Markt, der die Erbringung der "Bahnleistungen" (Fahrplantrassen, Speziallokomotiven und das dazugehörende Personal) betreffe, und einen nachgelagerten Markt, der den Reiseverkehr betreffe und auf dem neben den Eisenbahnunternehmen Verkehrsunternehmen wie die ENS tätig seien. Nach der Entscheidung könnten die Muttergesellschaften ihre beherrschende Stellung auf dem vorgelagerten Markt dadurch mißbrauchen, daß sie im Wettbewerb mit der ENS stehenden Dritten, die sich auf dem nachgelagerten Markt betätigten, die Erbringung der notwendigen Bahnleistungen verweigerten.

151 Allerdings hängt auch die Untersuchung dieser Einschätzung der Kommission von der Frage ab, ob es neben den internationalen Gruppierungen Verkehrsunternehmen gibt, die sich ebenfalls auf den betreffenden Märkten betätigen; diese Frage ist im Rahmen der zweiten Rüge zu prüfen, ebenso wie die Frage, ob die Dienstleistungen, die die Gründer der ENS erbringen, als "wesentliche oder notwendige Dienstleistungen oder Infrastrukturen" anzusehen sind, zur dritten Rüge gehört und daher in deren Rahmen zu prüfen ist (im folgenden: Randnrn. 190 bis 218).

152 Zweitens ist hinsichtlich der beschränkenden Wirkungen, die sich aus der Vereinbarung über die Benutzung des Kanaltunnels ergeben sollen, darauf hinzuweisen, daß die Entscheidung, mit der diese Vereinbarung vom Verbot des Artikels 85 Absatz 1 befreit wurde (im folgenden: Eurotunnel-Entscheidung), durch das Urteil des Gerichts vom 22. Oktober 1996 in den Rechtssachen T-79/95 und T-80/95 (SNCF und British Railways/Kommission, Slg. 1996, II-1491) mit der Begründung für nichtig erklärt worden ist, daß die Kommission bei der Auslegung der Bestimmungen dieser Vereinbarung über die Aufteilung der Fahrplantrassen im Tunnel zwischen SNCF und BR einerseits sowie Eurotunnel andererseits eine fehlerhafte Tatsachenfeststellung getroffen hat.

153 Das Gericht hat die Parteien im Rahmen seiner prozeßleitenden Verfügungen aufgefordert, dazu Stellung zu nehmen, ob das erwähnte Urteil des Gerichts für den vorliegenden Rechtsstreit erheblich ist. Die Kommission hat in ihrer Antwort auf diese Frage geltend gemacht, dieses Urteil sei für die Beurteilung der Rechtmässigkeit der angefochtenen Entscheidung unerheblich; aus Randnummer 47 der Entscheidung gehe hervor, daß BR und SNCF zwar nicht über alle Fahrplantrassen für internationale Zuege wohl aber über einen grossen Teil verfügten. Die Klägerinnen haben ausgeführt, das Urteil des Gerichts bestätige, daß der Zugang zum Kanaltunnel nicht verschlossen sei und daß die beschränkenden Wirkungen der Nutzungsvereinbarung für den Tunnel gegenüber Dritten von der Kommission falsch bewertet worden seien.

154 Da sich die Kommission zum einen gerade auf die "Eurotunnel-Vereinbarung" gestützt hat, um in der angefochtenen Entscheidung darzutun, daß der angeblich privilegierte Zugang von SNCF und BR zu den Fahrplantrassen im Tunnel die mit der ENS im Wettbewerb stehenden Unternehmen in eine ungünstige Wettbewerbsposition versetze, und da zum anderen die Eurotunnel-Entscheidung vom Gericht wegen fehlerhafter Tatsachenfeststellung bei der Auslegung der Bestimmungen der Vereinbarung über die Aufteilung der Fahrplantrassen für nichtig erklärt worden ist, kann sich die Kommission für die Beurteilung der ENS-Vereinbarungen nicht auf die genannte Entscheidung berufen.

- Zur Verschärfung der wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen wegen eines Netzes von Gemeinschaftsunternehmen

155 Zur angeblichen Verschärfung der Wettbewerbsbeschränkungen durch Netze von Gemeinschaftsunternehmen (Randnrn. 49 bis 53 der Entscheidung) ist vorab zu bemerken, daß nach der Bekanntmachung der Kommission von 1993 über die Beurteilung kooperativer Gemeinschaftsunternehmen das Bestehen von Netzen von Gemeinschaftsunternehmen besonders geprüft werden muß, ob sie nun von denselben Gründern, von einem der Gründer mit verschiedenen Partnern oder parallel von mehreren Gründern errichtet worden sind (Nr. 17 der Bekanntmachung). Insbesondere könnten Netze von Gemeinschaftsunternehmen den Wettbewerb dann beschränken, wenn konkurrierende Gründer mehrere Gemeinschaftsunternehmen für komplementäre Erzeugnisse gründeten, die von ihnen selbst weiterverarbeitet werden sollen, oder für nicht zusammengehörige Erzeugnisse, die sie selbst vertreiben, und auf diese Weise Umfang und Intensität der Wettbewerbsbeschränkung erhöhen. Diese Erwägungen gelten auch für den Dienstleistungssektor (Nr. 29 der Bekanntmachung).

156 In der angefochtenen Entscheidung vertritt die Kommission die Ansicht, dies sei hier der Fall, da BR/EPS, SNCF, DB und NS auf verschiedenste Weise an einem Netz von Gemeinschaftsunternehmen nicht nur für den Güter-, sondern auch für den Reisezugverkehr insbesondere durch den Kanaltunnel beteiligt seien. Sie verweist hierfür auf das Gemeinschaftsunternehmen ACI, das gemeinsam von u. a. BR und SNCF gegründet worden und ein Unternehmen für den kombinierten Güterverkehr sei (Entscheidung 94/594/EG der Kommission vom 27. Juli 1994 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag und nach Artikel 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum [Sache Nr. IV/34.518 - ACI] [ABl. L 224, S. 28; im folgenden ACI-Entscheidung]), und auf Autocare Europe, ein Unternehmen, an dem BR und SNCB beteiligt seien und das den Kraftfahrzeugtransport auf der Bahn betreibe. In ihren Schriftsätzen hat die Kommission ferner erstmals das von 29 Eisenbahnunternehmen, darunter BR und SNCF, gegründete Gemeinschaftsunternehmen Intercontainer erwähnt, das ebenfalls auf dem Markt des kombinierten Güterverkehrs tätig sei.

157 Die angefochtene Entscheidung gibt jedoch nicht genau an, welches die von den Gründern für Reiseverkehrsleistungen gegründeten Gemeinschaftsunternehmen sind. Das Gericht hat die Kommission durch prozeßleitende Verfügung aufgefordert, genau anzugeben, welches die auf dem Markt für die Beförderung von Reisenden tätigen Gemeinschaftsunternehmen sind, an denen die Gründer der ENS gemäß Randnummer 51 der angefochtenen Entscheidung beteiligt seien. In ihrer Antwort hat die Kommission erklärt, ihr seien keine weiteren Gemeinschaftsunternehmen der Gründerunternehmen von ENS für den Reiseverkehr bekannt. Sie hat jedoch ausgeführt: "SNCF, SNCB und BR (und, nach deren Privatisierung, London & Continental Railways Ltd) sind für den Reiseverkehr zwischen dem Vereinigten Königreich und dem Kontinent gemeinsam an Eurostar beteiligt", ohne dabei anzugeben, daß sich Randnummer 51 tatsächlich stillschweigend auf das Unternehmen Eurostar beziehe. Daher mangelt es der angefochtenen Entscheidung in bezug auf das angebliche Vorhandensein eines von den Gründern für den Reiseverkehr geschaffenen Netzes von Gemeinschaftsunternehmen an einer Begründung.

158 In bezug auf die Beteiligung der Gründer an Gemeinschaftsunternehmen für den kombinierten Güterverkehr geht aus Nummer 29 der Bekanntmachung der Kommission von 1993 hervor, daß dann, wenn die Gründer Gemeinschaftsunternehmen für "nicht zusammengehörige" Dienstleistungen gründen, der Wettbewerb beschränkt sein kann, wenn diese "nicht zusammengehörigen" Dienstleistungen von den Gründern selbst vertrieben werden.

159 Die angefochtene Entscheidung enthält keine Angaben dazu, daß die Gründer den Vertrieb der von ACI, Intercontainer und Autocare angebotenen Leistungen selbst vornähmen. Das Gericht hat die Klägerinnen durch prozeßleitende Verfügung aufgefordert, anzugeben, ob sie selbst oder ein drittes Unternehmen die von den drei erwähnten Unternehmen angebotenen Beförderungsleistungen vertrieben. Aus ihren Antworten geht hervor, daß keines der Gründerunternehmen den Vertrieb der von ACI, Intercontainer oder Autocare angebotenen Leistungen übernommen hat oder diese verkauft. Selbst wenn dies der Fall wäre, so erläutert doch die angefochtene Entscheidung auf alle Fälle nicht die Gründe, aus denen die Beteiligung bestimmter oder aller Gründer an einem Netz von Gemeinschaftsunternehmen, das sich auf anderen als den Märkten der ENS betätigt, den Wettbewerb zwischen diesen auf der Ebene der Gründung der ENS beschränkt. Somit ist die Einschätzung der Kommission, daß die Wettbewerbsbeschränkungen durch das Bestehen eines Netzes von Gemeinschaftsunternehmen in ihren Wirkungen verschärft würden, nicht hinreichend begründet.

160 Nach allem ist die angefochtene Entscheidung hinsichtlich der Beurteilung der Wettbewerbsbeschränkungen durch die ENS-Vereinbarungen nicht oder unzureichend begründet.

Zur zweiten Rüge, Verstoß gegen die Verordnung Nr. 1017/68 und Verletzung des durch die Richtlinie 91/440 geschaffenen rechtlichen Rahmens

Vorbringen der Parteien

161 Die Klägerinnen sind der Ansicht, die Kommission habe durch die Erteilung der Auflage in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung von den ihr durch Artikel 5 der Verordnung Nr. 1017/68 verliehenen Befugnissen in einer Weise Gebrauch gemacht, die mit der Richtlinie 91/440 unvereinbar sei.

162 Die Kommission habe nämlich den Geltungsbereich der Richtlinie erweitert, da gemäß Artikel 10 Absatz 1 die Zugangsrechte zu den Infrastrukturen nur den internationalen Gruppierungen von Eisenbahnunternehmen, wie sie in der Richtlinie definiert seien, und nicht jedem Verkehrsunternehmer gewährt würden, der Zuege anbieten wolle. Wenn die Kommission von ihren Befugnissen nach der Verordnung Nr. 1017/68 Gebrauch mache, sei sie ausserdem verpflichtet, die vom Rat festgelegten grundsätzlichen Orientierungen der gemeinsamen Verkehrspolitik zu berücksichtigen. Die richterliche Kontrolle der von der Kommission gemäß Artikel 85 des Vertrages vorgenommenen Beurteilung der ENS-Vereinbarungen sei daher im Kontext der Gemeinschaftsregelung für den Sektor des Eisenbahnverkehrs auszuüben, die den rechtlichen Rahmen bilde, innerhalb dessen der Wettbewerb auf diesem Sektor zu funktionieren habe.

163 Im einzelnen fänden sich die Grundzuege der gemeinsamen Verkehrspolitik der Gemeinschaft auf dem Eisenbahnsektor gegenwärtig in der Richtlinie 91/440, die erstmals einen gewissen Grad des intramodalen Wettbewerbs eingeführt habe und die Verwirklichung des Hauptzwecks der Eisenbahnverkehrspolitik, die Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Eisenbahnverkehrs und seiner Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den anderen Verkehrsarten, anstrebe. Nach der Richtlinie würden jedoch die Zugangs- und Transitrechte nur Unternehmen, die den Status von Eisenbahnunternehmen hätten, und den von diesen gebildeten internationalen Gruppierungen gewährt. Ferner gewähre die Richtlinie nur die Zugangsrechte zur Infrastruktur und verleihe keine Rechte auf die Erbringung von Bahnleistungen wie z. B. die Stellung der Traktion (Lokomotiven und Zugpersonal). Sie enthalte auch keine Bestimmungen, die die Verwaltung der Lokomotiven und des Zugpersonals vom Betrieb der anderen Bahnleistungen trennten, ebensowenig Bestimmungen über die Aufteilung von Traktionsleistungen und die Bezahlung dieser Leistungen, was dem Ziel der Richtlinie entspreche, den Eisenbahnunternehmen eine eigenwirtschaftliche Organisation und eine Anpassung an die Erfordernisse des Marktes u. a. durch neue Dienstleistungen zu ermöglichen.

164 Aus den erwähnten Gründen sei die von der Kommission getroffene Unterscheidung zwischen Eisenbahnunternehmen und Verkehrsunternehmen somit gekünstelt, denn aus Gründen der Sicherheit und der Haftung für die Verkehrsrisiken seien nur die Eisenbahnunternehmen zur Einstellung von Fahrzeugen und Beförderung von Reisenden auf der Eisenbahninfrastruktur ermächtigt. Neben den Eisenbahnunternehmen und den von diesen gegründeten internationalen Gruppierungen könne niemand der Öffentlichkeit Reiseverkehrsleistungen anbieten. Dies schließe nicht die Möglichkeit aus, daß ein Eisenbahnunternehmen einen ganzen Zug z. B. einer Hotelkette zur Verfügung stellen und sogar Fahrzeuge vermieten könne, doch selbst in diesem Fall bleibe das Eisenbahnunternehmen der Verkehrsunternehmer, der sämtliche Risiken im Zusammenhang mit den Beförderungsleistungen trage. In diesem Beispiel verkaufe die Hotelkette ihrerseits dem Publikum nur Sitz- oder Liegeplatzkapazitäten im Zug. Die Kerntätigkeit der Eisenbahnunternehmen sei nicht, eine Grundleistung sicherzustellen, die darin bestehe, auf Bestellung der Verkehrsunternehmern Lokomotiven auf Eisenbahnnetzen verkehren zu lassen, um es diesen Unternehmen zu ermöglichen, Fahrzeuge an eine Lokomotive eines Eisenbahnunternehmens anzukuppeln und sie auf einer bestimmten Strecke verkehren zu lassen, sondern dem Publikum unmittelbar integrierte Reiseverkehrsleistungen anzubieten.

165 Im übrigen sei die ENS zwar ein von vier Eisenbahnunternehmen gegründetes Gemeinschaftsunternehmen, stelle jedoch in Wirklichkeit eine internationale Gruppierung von Eisenbahnunternehmen im Sinne von Artikel 3 der Richtlinie 91/440 und nicht ein "Verkehrsunternehmen" dar. Nach Artikel 5 Absatz 3 der Richtlinie 91/440 könnten die Eisenbahnunternehmen mit "einem oder mehreren" anderen Eisenbahnunternehmen eine internationale Gruppierung bilden, eine besondere Rechtsform werde für einen solchen Zusammenschluß nicht verlangt. Die Kommission könne auch nicht von den Betriebsvereinbarungen zwischen ENS und SNCB herleiten, daß die ENS ein Verkehrsunternehmen sei. Die SNCB habe freiwillig und nicht aufgrund irgendeiner Verpflichtung aus der Richtlinie 91/440 oder dem Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft vor der endgültigen Aufgabe der Strecke Brüssel-Glasgow/Plymouth entschieden, der ENS "notwendige Bahnleistungen" zu erbringen.

166 Daher sei die ENS kein auf einem nachgelagerten, von dem Markt ihrer Gründer getrennten Markt tätiges Verkehrsunternehmen, sondern gerade wegen ihres Status als internationale Gruppierung von Eisenbahnunternehmen ein Instrument, mittels dessen ihre Gründer dem Publikum Bahndienstleistungen anböten. Diese Unterscheidung zwischen einem vorgelagerten und einem nachgelagerten Markt innerhalb des allgemeinen Eisenbahnmarktes, die die Kommission treffe, um darzutun, daß die ENS ein Verkehrsunternehmen sei, sei um so mehr gekünstelt, als beim Reiseverkehr zahlreiche Beförderungsleistungen von "Zuegen mit integrierter Lokomotive" erbracht würden, bei denen die Lokomotive nur ein vom übrigen Zug untrennbarer Teil sei, so daß selbst rein technisch betrachtet unmöglich zwischen diesen beiden Märkten unterschieden werden könne.

167 Auch nehme der Umstand, daß die ENS sich die Traktion bei Eisenbahnunternehmen besorgen müsse, um ihre Leistungen anbieten zu können, ihr nicht die Eigenschaft als internationale Gruppierung im Sinne von Artikel 3 der Richtlinie, denn es genüge, daß die ENS von diesen Eisenbahnunternehmen gebildet sei, die definitionsgemäß in der Lage seien, die Traktion zu stellen. Einer solchen Gruppierung seien die Rechte des Zugangs zur Eisenbahninfrastruktur der Mitgliedstaaten vorbehalten, in denen ihre Gründerunternehmen niedergelassen seien. Folgte man dem Vorbringen der Kommission, so würde es im Gegensatz dazu jedem Unternehmen erlaubt, grenzueberschreitende Reiseleistungen auch dann anzubieten, wenn es kein Tochterunternehmen von Eisenbahnunternehmen sei und daher nicht die Traktion über diese Unternehmen gewährleisten könne.

168 Die Schaffung dieser neuen Kategorie von Verkehrsunternehmen in Verbindung damit, daß die notwendigen Bahnleistungen als "wesentliche Infrastrukturen" betrachtet würden, nehme der Richtlinie 91/440 ihren Inhalt, denn ein Eisenbahnunternehmen könne in seiner Eigenschaft als Verkehrsunternehmen tatsächlich den Zugang zu den Netzen in den Mitgliedstaaten verlangen, ohne daß es die in der Richtlinie aufgestellten Bedingungen erfuellen müsse, in einem dieser Mitgliedstaaten niedergelassen zu sein oder eine Gruppierung mit einem in einem dieser Mitgliedstaaten niedergelassenen Eisenbahnunternehmen gebildet zu haben.

169 Die Klägerinnen machen ferner geltend, die Kommission habe, indem sie die Eisenbahnunternehmen verpflichtet habe, Verkehrsunternehmen unter den gleichen technischen und finanziellen Voraussetzungen, wie sie diese ihrer Gruppierung gewährten, Lokomotiven und deren Personal zu stellen, ausser acht gelassen, daß der Zugang zur Infrastruktur voraussetze, daß die Traktion gewährleistet sei, und somit von der Voraussetzung, daß der Berechtigte die Eigenschaft eines Eisenbahnunternehmens oder einer Gruppierung von Eisenbahnunternehmen habe. Eine solche Voraussetzung sei im übrigen mit dem Ziel der Richtlinie unvereinbar, den Eisenbahnunternehmen zum einen den Status eines unabhängigen Betreibers zu erhalten, der es ihnen ermögliche, sich eigenwirtschaftlich und nach Maßgabe der Erfordernisse des Marktes zu verhalten (dritte Begründungserwägung), und ihnen zum anderen zu diesem Zweck die Freiheit zu gewährleisten, "die Bereitstellung und den Vertrieb der Leistungen [zu] kontrollieren und deren Preise fest[zu]legen" (Artikel 5 Absatz 3 der Richtlinie 91/440).

170 Schließlich machen UIC und NS geltend, die angefochtene Entscheidung führe im Ergebnis dazu, daß das Recht, internationale Gruppierungen zu bilden, beeinträchtigt werde, da die Kommission Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages in einer Weise auslege, bei der die Bildung jeder neuen internationalen Gruppierung nunmehr einen Verstoß gegen diesen Artikel darstelle. Selbst wenn die Gründung einer internationalen Gruppierung vom Verbot des Artikels 85 Absatz 1 gemäß Artikel 85 Absatz 3 freigestellt werden könne, machten die Auflagen, mit denen die Kommission diese Freistellung im vorliegenden Fall versehen habe, nämlich eine auf sieben Jahre begrenzte Zeitdauer und die Verpflichtung, jedem Verkehrsunternehmen notwendige Bahnleistungen zu den gleichen Bedingungen wie der ENS zu erbringen, die Anwendung der Richtlinie 91/440 illusorisch. Die von der Kommission erteilten Auflagen zwängen die Beteiligten internationaler Gruppierungen mittelbar dazu, ihrer Gruppierung die "notwendigen Bahnleistungen" zu Bedingungen zu erbringen, die keine Vorzugsbedingungen seien, und nähmen ihnen damit die Freiheit, die geschäftlichen Bedingungen festzulegen, unter denen sie ihre Leistungen Dritten erbrächten. Die Beteiligten einer Gruppierung könnten sich so gezwungen sehen, die Vorteile aus ihrer Zusammenarbeit mit jedem beliebigen Dritten zu teilen, obwohl dieser weder zu den Kosten der Durchführung eines innovativen Vorhabens beigetragen noch sich an den geschäftlichen Risiken beteiligt habe, die sich daraus ergäben.

171 Die Kommission führt aus, das Argument, das Wettbewerbsrecht des EG-Vertrags gelte nicht für den Eisenbahnverkehr, stehe im Gegensatz zur einschlägigen Rechtsprechung und sei daher zurückzuweisen (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 4. April 1974 in der Rechtssache 167/73, Kommission/Frankreich, Slg. 1974, 359, und vom 30. April 1986 in den Rechtssachen 209/84, 210/84, 211/84, 212/84 und 213/84, Asjes u. a., Slg. 1986, 1425).

172 Die gemeinsame Beteiligung der vier Eisenbahnunternehmen sei im vorliegenden Fall für den Betrieb der von den ENS-Vereinbarungen betroffenen Strecken nicht notwendig. Jede Strecke, auf der die ENS tätig werde, könne durch eine internationale Gruppierung betrieben werden, die aus zwei Eisenbahnunternehmen mit Sitz im Mitgliedstaat des Ausgangspunkts bzw. im Mitgliedstaat des endgültigen Zieles gebildet werde. So könne die Strecke London-Frankfurt/Dortmund von einer Gruppierung aus BR und DB, die Zugangsrechte zu den Infrastrukturen in ihrem Niederlassungsstaat und Transitrechte in Belgien, Frankreich und im Kanaltunnel besässen, bedient werden. Ebenso könne der Verkehr zwischen London und Amsterdam von einer Gruppierung aus BR und NS, die über Zugangsrechte im Vereinigten Königreich und in den Niederlanden sowie Transitrechte in Belgien, Frankreich und im Kanaltunnel verfügten, betrieben werden.

173 Dieses Ergebnis werde durch drei Gesichtspunkte untermauert. Erstens sei die ENS kein Eisenbahnunternehmen im Sinne der Richtlinie, sondern ein Verkehrsunternehmen, das die notwendigen Bahnleistungen bei Eisenbahnunternehmen einkaufe, um die betreffenden Nachtzugverkehrsleistungen erbringen zu können. Die Kommission weist das Argument der Klägerinnen zurück, daß die ENS nur ein Instrument sei, mittels dessen die Gründer in dem von der Richtlinie 91/440 geschaffenen rechtlichen Rahmen der Öffentlichkeit internationale Bahnverkehrsleistungen erbringen könnten. Denn die ENS übe nicht selbst das Recht aus, das die Richtlinie internationalen Gruppierungen von Eisenbahnunternehmen verleihe, nämlich eigene Zuege unter Stellung ihrer eigenen Bahntraktion zu betreiben, da sie diese Leistungen bei ihren Gründerunternehmen und bei der SNCB einkaufen müsse. Daher falle die ENS nicht in den von der Richtlinie erfassten Bereich, denn sie sei in Wirklichkeit nur eine Variation der herkömmlichen Form der Zusammenarbeit zwischen Eisenbahnunternehmen, und entgegen der Auffassung der Klägerinnen betätigten sich die ENS und die betroffenen Eisenbahnunternehmen somit nicht auf demselben Markt. Deshalb sei das Argument, daß die Entscheidung im Widerspruch zur Richtlinie stehe und die Kategorie der zu den Eisenbahninfrastrukturen zugangsberechtigten Unternehmen erweitere, nicht stichhaltig. Die Kommission stützt ihr Vorbringen, die ENS und ihre Gründerunternehmen betätigten sich auf zwei getrennten Märkten, auf die Rechtsprechung, nach der in bestimmten Fällen zwischen zwei Märkten zu unterscheiden sei, die zwar benachbart, aber dennoch getrennt seien (Urteile des Gerichtshofes vom 6. März 1974 in den Rechtssachen 6/73 und 7/73, Commercial Solvents u. a./Kommission, Slg. 1974, 223, vom 31. Mai 1979 in der Rechtssache 22/78, Hugin/Kommission, Slg. 1979, 1869, und vom 3. Oktober 1985 in der Rechtssache 311/84, CBEM, Slg. 1985, 3261; Urteile des Gerichts vom 10. Juli 1991 in der Rechtssache T-69/89, RTE/Kommission, Slg. 1991, II-485, und in der Rechtssache T-70/89, BBC/Kommission, Slg. 1991, II-535).

174 Auf das Vorbringen der Klägerinnen, die Unterscheidung zwischen dem Markt für Beförderungsleistungen und dem Markt für notwendige Bahnleistungen sei um so weniger gerechtfertigt, als eine Reihe von Beförderungsleistungen im Bereich des Reiseverkehrs durch "Zuege mit integrierter Lokomotive" erbracht würden, bei denen die Lokomotive ein untrennbarer Bestandteil des gesamten Zuges sei, erwidert die Kommission, die ENS selbst erhalte von ihren Gründerunternehmen nur die Lokomotive, die Wagen aber von anderer Seite.

175 Zweitens werde die Strecke Brüssel-Glasgow/Plymouth von der ENS betrieben, obwohl die SNCB an der Vereinbarung nicht beteiligt sei, was beweise, daß die Beteiligung jedes der vier in den betroffenen Mitgliedstaaten niedergelassenen Eisenbahnunternehmen keine unerläßliche Bedingung für das Angebot der betreffenden Leistungen sei.

176 Drittens hätten BR, SNCF und Intercontainer ein Gemeinschaftsunternehmen mit der Bezeichnung ACI gegründet, das auf den kombinierten Güterverkehr zwischen dem Vereinigten Königreich und dem Kontinent spezialisiert sei und bei dem es sich auch nicht um ein Eisenbahnunternehmen im Sinne der Richtlinie, sondern um ein Verkehrsunternehmen handele, zu dessen Gesellschaftern im übrigen nur zwei Eisenbahnunternehmen gehörten und das seine Tätigkeit ähnlich wie die ENS gestalte, d. h. in Form des Erwerbs der notwendigen Bahnleistungen bei Eisenbahnunternehmen, um Beförderungsleistungen anbieten zu können.

177 Verkehrsunternehmen, die nicht selbst den Status eines Eisenbahnunternehmens hätten und die daher nicht über Zugangsrechte zur Eisenbahninfrastruktur verfügten, müssten dennoch Bahnverkehrsleistungen anbieten können, indem sie wie ENS und ACI bei Eisenbahnunternehmen die Traktionsdienstleistungen und die Rechte des Zugangs zur Infrastruktur einkauften. Daher könne das Recht, Bahnreiseverkehrsleistungen anzubieten, nicht der ENS vorbehalten werden. Der Präsident der ENS habe im übrigen mit Schreiben an die Kommission vom 13. April 1994 (Klagebeantwortung, Anlage 6) die Vereinbarung der Eisenbahnunternehmen über die Erbringung der erforderlichen Leistungen an Konkurrenten auf denselben Strecken bestätigt. Die ENS habe die Kommission sogar vor dem erwähnten Schreiben mit Schreiben vom 4. Juni 1992 von der Entscheidung der Anmeldenden unterrichtet, die Traktion und die anderen notwendigen Bahnleistungen der Konkurrenten der ENS, die auf den von der ENS bedienten Strecken tätig würden, "ohne Bedingungen" zu erbringen.

178 Im übrigen werde die Unabhängigkeit der Eisenbahnunternehmen durch die erteilte Auflage in keiner Weise beschnitten. Wie alle Unternehmen in der Gemeinschaft unterlägen diese Unternehmen dem Diskriminierungsverbot und den Bestimmungen des Wettbewerbsrechts, wie sich aus den erwähnten Urteilen des Gerichtshofes in den Rechtssachen Kommission/Frankreich sowie Asjes u. a. ergebe.

179 Schließlich weist die Kommission die Rüge der Klägerinnen zurück, wonach sie der Ansicht sei, daß alle internationalen Gruppierungen in den Geltungsbereich von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages fielen, und sie den anmeldenden Unternehmen abschreckende Auflagen mache, die die Ziele der Richtlinie 91/440 und die Gründung weiterer internationaler Gruppierungen gefährdeten. Die Förderung der Bildung dieser Gruppierungen bedeute nicht, daß alle internationalen Gruppierungen von Eisenbahnunternehmen automatisch als mit dem gemeinschaftlichen Wettbewerbsrecht vereinbar angesehen werden müssten.

Würdigung durch das Gericht

180 Nach der angefochtenen Entscheidung treten die betroffenen Eisenbahnunternehmen auf zwei Märkten auf, einem vorgelagerten Markt, nämlich dem Markt der Erbringung der notwendigen Bahnleistungen, und einem nachgelagerten Markt, nämlich dem Markt der Erbringung der Reiseverkehrsleistungen. Auf dem letztgenannten Markt betätigten sich nicht nur die Eisenbahnunternehmen, sondern auch eine andere Unternehmenskategorie, die Verkehrsunternehmen, die jedoch, um auf diesem Markt tätig werden zu können, gezwungen seien, zuvor die von den Eisenbahnunternehmen auf dem vorgelagerten Markt angebotenen notwendigen Bahnleistungen einzukaufen. Die ENS stelle ein konkretes Beispiel dieser Kategorie von Verkehrsunternehmen dar, so daß jede Vorzugsbehandlung dieses Unternehmens durch die anmeldenden Unternehmen auch Dritten zu den gleichen technischen und finanziellen Bedingungen gewährt werden müsse, unabhängig davon, ob sich es bei diesen um internationale Gruppierungen oder Verkehrsunternehmen handele. Schließlich betreffen nach Artikel 2 der Entscheidung die fraglichen notwendigen Leistungen die Stellung der Lokomotive, ihres Personals und der Fahrplantrasse in jedem nationalen Netz sowie im Kanaltunnel.

181 Daher ist zu prüfen, ob die Kommission, indem sie den Gründern die Auflage gemacht hat, die notwendigen Bahnleistungen nicht nur internationalen Gruppierungen, sondern auch Verkehrsunternehmen wie der ENS zu erbringen, wie die Klägerinnen geltend machen, das Wettbewerbsrecht unter Verletzung des durch die Richtlinie 91/440 geschaffenen rechtlichen Rahmens angewandt hat, so daß die angefochtene Entscheidung entweder wegen Ermessensmißbrauchs oder mangelnder Zuständigkeit fehlerhaft sei. Für eine solche Untersuchung ist zuvor die Frage zu beantworten, ob die ENS, wie die Kommission vorträgt, ein Verkehrsunternehmen ist, oder vielmehr, wie die Klägerinnen vortragen, eine internationale Gruppierung im Sinne der Richtlinie 91/440. Aufgrund der Antwort auf diese Frage ist auch zu prüfen, ob die Kommission die Wettbewerbsbeschränkungen zwischen den Gründern zutreffend untersucht hat, die sich daraus ergeben sollen, daß jedes der an den ENS-Vereinbarungen beteiligten Eisenbahnunternehmen entweder ein spezialisiertes Unternehmen als Verkehrsunternehmen gründen oder sich selbst in die Situation eines Verkehrsunternehmens versetzen und der ENS dadurch Konkurrenz machen könnte, daß es bei den betreffenden Eisenbahnunternehmen die gleichen notwendigen Bahndienstleistungen einkauft (oben, Randnrn. 147 und 148).

182 Nach Artikel 3 der Richtlinie 91/440 wird eine internationale Gruppierung definiert als "die Verbindung von mindestens zwei Eisenbahnunternehmen mit Sitz in verschiedenen Mitgliedstaaten zum Zwecke der Erbringung grenzueberschreitender Verkehrsleistungen zwischen Mitgliedstaaten". Diese Bestimmung legt nicht die genaue Form fest, die eine solche Verbindung haben muß. Das wesentliche Merkmal, das dieser Definition zu entnehmen ist, besteht darin, daß es sich um eine Art Verbindung handeln muß, die die Erbringung grenzueberschreitender Verkehrsleistungen also unabhängig von der hierfür gewählten Form ermöglichen muß. Daher ist das Gericht der Auffassung, daß die Verwendung des Begriffes "internationale Gruppierung" entgegen dem Vorbringen der Kommission in Ermangelung einer genauen Definition im Wortlaut der Richtlinie 91/440 nicht allein Verbindungsformen der "kooperativen" Art zwischen Eisenbahnunternehmen (herkömmliche gemeinschaftliche Betriebsvereinbarungen) unter Ausschluß aller anderen Gesellschaftsformen wie eines Gemeinschaftsunternehmens kooperativer Art oder gar mit Zusammenschlusscharakter vorbehalten werden kann.

183 Dieses Ergebnis wird auch nicht durch das Argument widerlegt, daß die Richtlinie 91/440 gemäß ihrem Artikel 2 nur für Eisenbahnunternehmen gilt, d. h. nur für Unternehmen, deren Haupttätigkeit im Erbringen von Eisenbahnverkehrsleistungen zur Beförderung von Gütern oder Personen besteht und die selbst die Traktion sicherstellen (Artikel 3 der Richtlinie 91/440), so daß sich die ENS nicht auf die Richtlinie und ihre Eigenschaft einer internationalen Gruppierung berufen könne, da sie die Traktion bei den anmeldenden Unternehmen einkaufe. Erstens hat die Kommission, wie sie selbst in ihren Schriftsätzen ausführt, beim Erlaß der Richtlinie 91/440 in einer gemeinsamen Erklärung mit dem Rat klargestellt, daß der Begriff Traktion nicht notwendigerweise das Eigentum an dieser umfasst. Zwar haben solche Erklärungen keine Rechtswirkung, doch hat die Kommission die erwähnte Erklärung bereits in ihre einschlägige Entscheidungspraxis übernommen, wie sich aus Randnummer 6 ihrer Entscheidung 93/174/EG vom 24. Februar 1993 in einem Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag (IV/34.494 - "Tarifstrukturen im kombinierten Güterverkehr") (ABl. L 73, S. 38) ergibt, wonach Eisenbahnunternehmen "jedes Unternehmen [bedeutet], das seinen Sitz in einem Mitgliedstaat hat oder haben wird und das die Eisenbahn-Traktionsleistung sicherstellt, wobei der Begriff der Traktionsleistung nicht unbedingt das Eigentum an dem Traktionsmaterial oder den Einsatz eigenen Personals bedeutet".

184 Da zweitens, wie festgestellt, eine internationale Gruppierung die Form eines kooperativen Gemeinschaftsunternehmens wie die ENS annehmen kann, ergibt sich bereits aus der Natur einer solchen Form, daß die Gründer in ihrer Eigenschaft als Eisenbahnunternehmen und in Ausübung der ihnen in der Richtlinie zugebilligten Rechte ihrem Gemeinschaftsunternehmen, anstatt es unmittelbar mit dem für seine Funktionen auf dem Markt erforderlichen Material und Personal auszustatten, diese Leistungen aufgrund von mit ihm abgeschlossenen Kooperationsvereinbarungen stellen können, ohne daß die Entscheidung für eine solche Organisationsform des Gemeinschaftsunternehmens seine rechtliche Qualifizierung als internationale Gruppierung im Sinne der Richtlinie 91/440 in Frage stellen kann. Denn, wie die Klägerinnen von der Kommission unwidersprochen in ihren schriftlichen Antworten auf die Fragen des Gerichts und in der mündlichen Verhandlung erklärt haben, beruhte die Entscheidung, der ENS die Lokomotiven und das dazugehörige Personal aufgrund von Betriebsvereinbarungen zu stellen, allein auf steuerlichen Erwägungen und nicht darauf, daß die ENS auf dem Markt als Verkehrsunternehmen tätig werden sollte. Der Umstand, daß die ENS im Vereinigten Königreich nicht als Eisenbahnunternehmen registriert ist, wie die Klägerinnen in ihren Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichts mitgeteilt haben, ändert nichts an ihrer rechtlichen Einstufung als internationale Gruppierung, denn, wie die Kommission selbst in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, reichen die Eisenbahnkonzessionen der Gründerunternehmen dafür aus, daß die Zuege der ENS auf den betreffenden Linien verkehren können.

185 Drittens geht aus den Akten hervor, daß, wie die Klägerinnen geltend gemacht haben, die Tätigkeit eines Verkehrsunternehmens im wirtschaftlichen Kontext des Eisenbahnsektors beim Bahnreiseverkehr unbekannt ist. Im übrigen hat die Kommission weder in der angefochtenen Entscheidung noch in ihren Schriftsätzen Beispiele für eine solche Unternehmenskategorie auf dem Gebiet des Bahnreiseverkehrs gegeben. Der Hinweis der Kommission auf das Unternehmen ACI ist in diesem Zusammenhang unerheblich, denn er verkennt die Besonderheiten des Bahnreiseverkehrsmarktes, der sich eindeutig vom Markt für den kombinierten Güterverkehr unterscheidet, auf dem die ACI als Verkehrsunternehmen tätig ist. Genauer gesagt verkaufen die Bahnunternehmen auf dem Markt des kombinierten Güterverkehrs, von ganz wenigen Ausnahmen für umfangreiche Sendungen abgesehen, keine Beförderungsleistungen unmittelbar an die Verlader. Auf diesem Markt werden die Leistungen im kombinierten Güterverkehr von den Unternehmen für kombinierten Güterverkehr, bei denen es sich gegebenenfalls um Tochtergesellschaften von Eisenbahnunternehmen handelt, organisiert und den Verladern verkauft. Diese Unternehmen sind Beförderungsunternehmen, die über spezielles Material, nämlich Flurfördermittel und Spezialwaggons, verfügen, und die für die Erbringung ihrer Dienstleistungen Eisenbahntraktionsleistungen und den Zugang zu den Infrastrukturen bei den Eisenbahnunternehmen kaufen müssen, die diese allein liefern können (Randnrn. 6 bis 8 der erwähnten Entscheidung ACI und der Entscheidung 94/210/EG der Kommission vom 29. März 1994 in einem Verfahren zur Anwendung von Artikel 85 und 86 EG-Vertrag [IV/33.941 - HOV-SVZ/MCN] [ABl. L 104, S. 34. Randnrn. 10 bis 12]).

186 Zwar ist gegenwärtig der Markt für den kombinierten Güterverkehr mit der Eisenbahn durch eine gewisse Öffnung in dem Sinne gekennzeichnet, daß die Eisenbahnunternehmen nicht allein auf ihm tätig sind, doch gilt dies nicht für den Markt des Reiseverkehrs, auf dem sich nur die Eisenbahnunternehmen und in gewissen Grenzen deren internationale Gruppierungen betätigen.

187 Daher kann die Kommission nicht die Merkmale eines getrennten und unterschiedlichen Marktes, des Marktes für den kombinierten Güterverkehr, heranziehen, um die Einstufung der ENS als Verkehrsunternehmen zu rechtfertigen.

188 Dieses Ergebnis wird auch nicht dadurch entkräftet, daß die ENS ursprünglich die Strecke Brüssel-Glasgow/Plymouth bedienen sollte, obwohl die SNCB, von der die ENS das Recht auf Zugang zur belgischen Infrastruktur erhalten hatte, nicht zu ihren Gründern zählt. Denn es handelte sich hier, wie die Klägerinnen geltend gemacht haben, um eine herkömmliche Kooperationsvereinbarung zwischen verschiedenen Netzen. Im übrigen wird die Möglichkeit, daß die ENS als internationale Gruppierung im Sinne der Richtlinie 91/440 solche Vereinbarungen mit dritten Eisenbahnunternehmen schließen konnte, um einen vertraglichen Zugang zu deren Infrastruktur zu erhalten, durch die Richtlinie nicht in Frage gestellt.

189 Ohne daß geprüft zu werden braucht, ob die Kommission ihr Ermessen mißbraucht hat oder ob die angefochtene Entscheidung einen Zuständigkeitsmangel aufweist, ergibt sich aus den bisherigen Ausführungen, daß die Einschätzung der Kommission in bezug auf die rechtliche Qualifizierung der ENS als Verkehrsunternehmen von falschen Voraussetzungen ausgeht. Da die Tätigkeit von Verkehrsunternehmen, wie zuvor festgestellt, auf dem Markt für den Bahnreiseverkehr gegenwärtig keine Rolle spielt, beruht im übrigen die Untersuchung der Kommission hinsichtlich der Wettbewerbsbeschränkungen zwischen den Gründern, die sich daraus ergeben sollen, daß sich jeder von ihnen auf dem betroffenen Markt als Verkehrsunternehmen in Konkurrenz zur ENS und den anderen Gründern betätigen könne (siehe Randnr. 147), auf denselben falschen Voraussetzungen und ist daher zurückzuweisen (siehe Randnr. 148).

Zur dritten Rüge: Unverhältnismässigkeit und fehlende Notwendigkeit der in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung erteilten Auflage

Vorbringen der Parteien

190 EPS, ENS und SNCF machen geltend, die Kommission habe, indem sie den anmeldenden Unternehmen zur Auflage gemacht habe, anderen internationalen Gruppierungen und Verkehrsunternehmen die gleichen notwendigen Bahnleistungen zu erbringen wie der ENS, die Lehre von den "wesentlichen Infrastrukturen" falsch angewandt, da abgesehen von der durch die Richtlinie 91/440 unter bestimmten Voraussetzungen vorgesehenen Stellung von Fahrplantrassen keine der der ENS erbrachten Dienstleistungen die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Lehre erfuellen könne. Die NS fügt hinzu, eine solche Verpflichtung stelle nicht nur die von den Eisenbahnunternehmen unternommenen Anstrengungen zur Bildung internationaler Gruppierungen in Frage, sondern zwinge diese auch, die Früchte ihrer Zusammenarbeit mit Dritten zu teilen, ohne daß diese die eingegangene geschäftlichen Risiken zu tragen hätten. Die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Verpflichtung der Eisenbahnunternehmen, Verkehrsunternehmen notwendige Leistungen unter Voraussetzungen zu erbringen, die sie nicht frei bestimmen könnten, komme einer Enteignung gleich.

191 Die Klägerinnen machen weiter geltend, die Lehre von den wesentlichen Infrastrukturen finde nur im Rahmen von Artikel 86 des Vertrages Anwendung, und zwar dann, wenn ein Unternehmen Wettbewerbern den Zugang zu Einrichtungen oder Dienstleistungen verweigere, die sowohl für die Wettbewerbsfähigkeit des Konkurrenten als auch für das Vorhandensein von Wettbewerb wesentlich seien.

192 Im vorliegenden Fall habe die Kommission nicht zwischen den Anlagen oder Leistungen unterschieden, die lediglich einen Vorteil für die Konkurrenten böten, und denjenigen, die für die Aufrechterhaltung des Wettbewerbs wesentlich seien. Insbesondere die letztere Voraussetzung sei nicht geprüft worden, da zum einen zwar der Besitz oder die Beherrschung der Infrastruktur als "wesentliche Anlage oder Dienstleistung" betrachtet werden könne, der Zugang zu dieser jedoch den internationalen Gruppierungen durch die Richtlinie 91/440 gewährleistet werde und da zum anderen die Entscheidung in bezug auf die für den Nachtzugverkehr durch den Kanaltunnel benutzten Lokomotiven und das Fahr- oder Wartungspersonal nicht den geringsten Beweis dafür enthalte, daß die Eisenbahnunternehmen hierzu einen ausschließlichen Zugang hätten oder daß jeder gegenwärtige oder potentielle Wettbewerber Schwierigkeiten hätte, sie zu erhalten. ENS und EPS führen hierzu aus, die speziell für die Durchquerung des Kanaltunnels konzipierten oder dafür geeigneten Lokomotiven könnten auf einem freien Markt bei den Herstellern erworben oder bei anderen Erlangern von Bahnleistungen angemietet werden. Die Kommission habe auch nicht die Frage der Verfügbarkeit der Lokomotiven oder des Zugpersonals untersucht und nicht dargetan, daß ein Mangel an qualifiziertem Bahnpersonal herrsche. Weiter verpflichte die erteilte Auflage die Eisenbahnunternehmen, internationalen Gruppierungen und Verkehrsunternehmen die notwendigen Bahnleistungen in ihrem Netz zu erbringen, d. h. über die betroffenen Strecken hinaus und ausserhalb von diesen.

193 Ferner sei die erteilte Auflage nicht notwendig. Zum einen weise sie keinen Bezug zu der ersten in der Entscheidung festgestellten Wettbewerbsbeschränkung auf, die angeblich zwischen den Beteiligten infolge der Gründung des Gemeinschaftsunternehmens besteht. Zum anderen sei sie im Zusammenhang mit der Wettbewerbsbeschränkung gegenüber Dritten nicht gerechtfertigt, die sich aus der beherrschenden Stellung der Muttergesellschaften der ENS bei der Lieferung von Bahnleistungen in ihrem Herkunftsmitgliedstaat ergeben solle. Zunächst habe keines der Eisenbahnunternehmen eine ausschließliche Beziehung zum ENS begründet, so daß es ihnen freistehe, ihre Lokomotiven, ihr Personal und die gesamten Strecken, an denen sie die Rechte besässen, jedem anderen Unternehmen zugute kommen zu lassen. Im übrigen verfüge die ENS nicht über eine beherrschende Stellung, da die Märkte des Geschäftsreiseverkehrs und des Freizeitreiseverkehrs auf den betroffenen Strecken auch vom Luftverkehr, Bussen und privaten Kraftfahrzeugen bedient würden; die Weigerung, einem Dritten die in der Entscheidung angesprochenen Leistungen zu erbringen, habe somit keine Auswirkungen auf den Wettbewerb auf diesen nachgelagerten Märkten. Daher sei es nicht unerläßlich, daß ein künftiger Erbringer von Reiseverkehrsleistungen die in Rede stehenden Bahnleistungen erhalte, um sich auf dem in der Entscheidung definierten Markt zu betätigen. Auf alle Fälle habe die Kommission für ihre Behauptung, das Gemeinschaftsunternehmen bringe die Gefahr mit sich, daß die anderen Wirtschaftsteilnehmer in eine nachteilige Position versetzt würden, keinerlei von Dritten, beispielsweise gegenwärtigen oder potentiellen Anbietern konkurrierender Leistungen, stammende Beweise vorgelegt. Die Sorge der Kommission sei daher rein hypothetisch.

194 Die Kommission weist vorab darauf hin, daß eine ähnliche Bedingung in der ACI-Entscheidung aufgestellt worden sei - die ACI sei ein Gemeinschaftsunternehmen von BR, SNCF und Intercontainer für den Güterverkehr zwischen dem Vereinigten Königreich und dem Kontinent - ohne daß diese Entscheidung von den Gründerunternehmen angefochten worden sei.

195 Auch verlange die erteilte Auflage von den Gründerunternehmen der ENS nicht, Dritten sämtliche Leistungen zu erbringen, die sie ihrer gemeinsamen Tochtergesellschaft erbrächten (wie Reinigung und Vermarktung), insbesondere sei den Gründerunternehmen der ENS keine Auflage in bezug auf das rollende Material erteilt worden, dessen Erwerbskosten doch nach dem Vorbringen der Gründerunternehmen selbst das wichtigste Hindernis für den Zugang zum Markt darstellten.

196 Im übrigen werde der Zugang zur Eisenbahninfrastruktur gegenwärtig in den meisten Fällen von den Eisenbahnunternehmen in ihrer Eigenschaft als Betreiber der Infrastruktur kontrolliert; der Zugang zur Infrastruktur stelle auch eine erhebliche Schranke für den Zugang zum Eisenbahnsegment des betreffenden Marktes dar. Sofern es sich bei den Betreibern der Infrastruktur und den Eisenbahnunternehmen um unterschiedliche Unternehmenseinheiten handele, bleibe somit die Verpflichtung dieser Unternehmen aufgrund der erteilten Auflage ohne Auswirkungen.

197 Obwohl die speziellen Lokomotiven und ihr Personal theoretisch anderen als den Eisenbahnunternehmen, die die ENS gegründet hätten, gehören und gegebenenfalls von den Verkehrsunternehmen gekauft bzw. angemietet werden könnten, besässen nur die Gründerunternehmen der ENS sie tatsächlich. In der Praxis sei es daher den Verkehrsunternehmen tatsächlich unmöglich, eine Alternative zu finden. Unter diesen Umständen lasse sich nicht leugnen, daß die Eisenbahnunternehmen auf dem Markt für die wesentlichen Dienstleistungen eine beherrschende Stellung einnähmen, was nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts (Urteile Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents/Kommission, CBEM, RTE/Kommission und BBC/Kommission, bereits zitiert) die erteilte Auflage rechtfertige.

198 Zur Rüge der Unverhältnismässigkeit der Auflage macht die Kommission geltend, das Recht auf Zugang zur Infrastruktur, das die Richtlinie den Eisenbahnunternehmen und den internationalen Gruppierungen dieser Unternehmen vorbehalte, bedeute nicht, daß andere Verkehrsunternehmen nicht die gleichen Leistungen erbringen könnten, wie sie die ENS anbiete. Da nur Eisenbahnunternehmen Zugang zur Infrastruktur hätten und ein Unternehmen, das neu auf dem Markt auftrete, nach der Richtlinie nicht das Recht habe, selbst von den betroffenen Betreibern der Infrastruktur Fahrplantrassen zu verlangen, müssten die Eisenbahnunternehmen den Verkehrsunternehmen eine Fahrplantrasse stellen, um deren Zugang zum Markt zu gewährleisten. Ausserdem betreffe die Auflage nur die Bahnleistungen, die für den Zugang zum Eisenbahnsegment der relevanten Märkte unerläßlich seien, so daß sie nicht unverhältnismässig sei und es ermögliche, die Präsenz mehrerer Eisenbahnverkehrsunternehmen zu gewährleisten, um den Wettbewerb mit anderen Verkehrsarten zu verstärken.

199 Im übrigen wendet sich die Kommission gegen die Auslegung, daß die den betroffenen Eisenbahnunternehmen erteilte Auflage diese verpflichte, auf dem gesamten Netz, d. h. über die betroffenen Strecken hinaus, die notwendigen Bahnleistungen zu erbringen; die genannte Verpflichtung betreffe nur den Zugang zu den Märkten, die in der angefochtenen Entscheidung bezeichnet worden seien.

200 Schließlich sei es unerheblich, daß die Vereinbarung zwischen den Eisenbahnunternehmen und der ENS nicht ausschließlich sei, denn da sich die Eisenbahnunternehmen im Rahmen der Vereinbarung Gewinne und Verluste der ENS teilten, sei es wenig wahrscheinlich, daß diese Unternehmen möglichen Wettbewerbern Leistungen erbrächten.

201 Das Vereinigte Königreich als Streithelfer führt aus, die erteilte Auflage könne nicht als unerläßlich betrachtet werden, da die Kommission in Randnummer 65 ihrer Entscheidung bereits die Ansicht vertreten habe, daß die Wettbewerbsbeschränkungen im vorliegenden Fall notwendig seien. Die vorgebrachte Rechtfertigung, es sei notwendig, die Präsenz von Eisenbahntransportunternehmen, die im Wettbewerb mit der ENS stuenden, auf dem Markt zu gewährleisten, liege im übrigen neben der Sache, da es solche konkurrierenden Unternehmen nicht gebe. Somit habe die Kommission die Wettbewerbsbedingungen dadurch verfälscht, daß sie Wirtschaftsteilnehmer künstlich ermutige, auf den Markt vorzudringen, wofür sie nach Artikel 13 der Verordnung Nr. 1017/68 nicht zuständig sei.

202 Die angefochtene Entscheidung weise auch einen Begründungsmangel auf, denn sie lege nicht angemessen und ausreichend die Gründe dar, aus denen die Kommission die Lehre von den "wesentlichen Infrastrukturen" angewandt habe. Auf alle Fälle seien die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Lehre nicht gegeben. Da zum einen die Eisenbahnunternehmen auf den Märkten, die die Kommission in ihrer Entscheidung bezeichnet habe, keine beherrschende Stellung einnähmen, könnten die fraglichen Bahnleistungen nicht als wesentlich für den Zugang von Wettbewerbern zu diesen Märkten eingestuft werden. Die Rechtfertigung der erteilten Auflage mit der Segmentierung der betroffenen Märkte beweise im übrigen die Unvollständigkeit der Erwägungen der Kommission, die sich insoweit in Widerspruch zu der in der Entscheidung dargelegten Marktanalyse gesetzt habe. Da zum anderen die Kommission in ihrer Entscheidung ausführe, daß die Beteiligten der ENS-Vereinbarungen neuen Marktteilnehmern die unerläßlichen "nötigen Bahnleistungen" zu erbringen hätten, wenn diese sie nicht selbst erbringen könnten, räume sie somit stillschweigend ein, daß die Eisenbahnunternehmen die Anlagen und Dienstleistungen, zu denen der Zugang als wesentlich betrachtet werde, nicht allein kontrollierten, so daß die erteilte Auflage durch den Sachverhalt nicht gerechtfertigt sei.

203 Auf das Vorbringen des Vereinigten Königreichs erwidert die Kommission zunächst, die Feststellung, daß eine Vereinbarung über die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens Wettbewerbsbeschränkungen mit sich bringe, die als notwendig anzusehen seien, bedeute nicht, daß alle Beschränkungen unerläßlich seien. Mit der erteilten Auflage solle gerade verhindert werden, daß die Wettbewerbsbeschränkungen über das Unerläßliche hinausgingen. Im übrigen beruhe die Auflage auf einer Besorgnis, die sich von der Theorie der "wesentlichen Infrastrukturen" unterscheide und mit der im vorliegenden Fall gewährleistet werden solle, daß die in Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages und Artikel 5 der Verordnung Nr. 1017/68 verlangten Voraussetzungen für die Freistellung erfuellt seien.

204 Schließlich sei es auf einem zusammengesetzten Markt, wie er in der Entscheidung definiert werde, nicht notwendig, daß die Zugangsbeschränkungen auf allen Segmenten des Marktes errichtet worden seien. Würde in dieser Weise verfahren, so fielen beim Vorherrschen einer Beförderungsart auf dem multimodalen Markt nur die Hindernisse für den Zugang Dritter zu dieser Beförderungsart unter Artikel 85 des Vertrages, während auf die anderen Beförderungsarten das Wettbewerbsrecht nicht anwendbar sei.

Würdigung durch das Gericht

205 Nach Randnummer 79 der angefochtenen Entscheidung wurde die Auflage in Artikel 2 ihres Verfügungsteils erteilt, "damit die Wettbewerbsbeschränkungen nicht über das unerläßliche Mindestmaß hinausgehen".

206 Wie sich aus der Untersuchung der ersten und der zweiten Rüge ergibt, ist davon auszugehen, daß die Kommission in der angefochtenen Entscheidung den wirtschaftlichen und rechtlichen Kontext, in den die ENS-Vereinbarungen gehören, nicht richtig und ausreichend gewürdigt hat. Daher ist nicht dargetan worden, daß die ENS-Vereinbarungen den Wettbewerb im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages beschränken und für sie daher eine Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages notwendig ist. Somit konnte die Kommission, da die angefochtene Entscheidung weder aussagekräftige Untersuchungen zur Struktur und zum Funktionieren des Marktes, auf dem die ENS tätig ist, noch zu dem auf diesem Markt herrschenden Grad des Wettbewerbs und infolgedessen zu Art und Umfang der angeblichen Wettbewerbsbeschränkungen enthielt, nicht beurteilen, ob die in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung erteilte Auflage im Rahmen einer Freistellung gemäß Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages unerläßlich ist.

207 Selbst wenn die Kommission jedoch die in Rede stehenden Wettbewerbsbeschränkungen ausreichend und richtig gewürdigt hätte, wäre zu prüfen, ob die Kommission Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages richtig angewandt hat, als sie den anmeldenden Unternehmen zur Auflage machte, Fahrplantrassen, Lokomotiven und ihr Personal Dritten zu den gleichen Bedingungen wie der ENS zu stellen, da sie unerläßlich seien oder, wie die Parteien in ihren Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung erörtert haben, wesentliche Infrastrukturen darstellten.

208 Nach der Rechtsprechung zur Anwendung von Artikel 86 des Vertrages kann ein Erzeugnis oder eine Dienstleistung nur dann als wesentlich oder unerläßlich angesehen werden, wenn es keinen tatsächlichen oder potentiellen Ersatz dafür gibt (Urteil des Gerichtshofes vom 6. April 1995 in den Rechtssachen C-241/91 P und C-242/91 P, RTE und ITP/Kommission, Slg. 1995, I-743, Randnrn. 53 und 54, und Urteil des Gerichts vom 12. Juni 1997 in der Rechtssache T-504/93, Tiercé Ladbroke/Kommission, Slg. 1997, II-923, Randnrn. 131).

209 Handelt es sich daher, wie im vorliegenden Fall, um eine Vereinbarung über die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens, das unter Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages fällt, so kann nur dann davon ausgegangen werden, daß sich die Mutterunternehmen und/oder das auf diese Weise geschaffene Gemeinschaftsunternehmen im Besitz von für den Zugang zum relevanten Markt "unerläßlichen" oder "wesentlichen" Infrastrukturen, Erzeugnissen oder Dienstleistungen befinden, wenn diese Infrastrukturen, Erzeugnisse oder Dienstleistungen nicht "austauschbar" sind und wenn es wegen ihrer besonderen Eigenschaften und insbesondere der prohibitiven Kosten ihrer erneuten Bereitstellung und/oder der vernünftigerweise hierzu erforderlichen Zeit keine gangbaren Alternativen für die möglichen Konkurrenten des Gemeinschaftsunternehmens gibt, die auf diese Weise vom Markt ausgeschlossen würden.

210 Im Lichte der vorstehenden Erwägungen und in Analogie zu der vorerwähnten Rechtsprechung (siehe Randnr. 208) ist zum einen zu prüfen, ob die Kommission im vorliegenden Fall berechtigterweise die Stellung a) von Fahrplantrassen, b) von Lokomotiven und c) von deren Personal durch die Gründerunternehmen an die ENS als wesentliche oder notwendige Leistungen einstufen durfte, die Dritten zu den gleichen Bedingungen wie der ENS anzubieten sind, und zum anderen, ob sie bei dieser Einstufung ihre Entscheidung hinreichend begründet hat. Auf dieser Grundlage ist schließlich auch zu prüfen, ob die Kommission die angeblichen Wettbewerbsbeschränkungen gegenüber Dritten aufgrund der privilegierten Beziehungen zwischen den Gründern und der ENS zutreffend gewürdigt hat (vgl. Randnr. 151).

211 Erstens ist in bezug auf die Fahrplantrassen festzustellen, daß Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung zwar verfügt, daß die Anmeldenden die Fahrplantrassen "allen internationalen Gruppierungen von Bahnunternehmen [erbringen]", doch ist nach der Rechtsprechung der Verfügungsteil einer Entscheidung im Lichte der Gründe auszulegen, die ihn tragen, das ist im vorliegenden Fall Randnummer 81 der angefochtenen Entscheidung. Nach dieser Randnummer 81 sind die Anmeldenden "nicht verpflichtet, eine Fahrplantrasse zur Verfügung zu stellen, wenn der Antragsteller als Gruppierung von Bahnunternehmen im Sinne von Artikel 10 der Richtlinie 91/440/EWG auftritt und selbst die Fahrplantrasse bei den Infrastruktur-Trägern beantragen kann". Daher begründet die angefochtene Entscheidung eine solche Verpflichtung nur dann, wenn es sich bei den Dritten nicht um internationale Gruppierungen, sondern, wie die Kommission vorträgt, um Verkehrsunternehmen wie die ENS handelt. Die ENS ist jedoch zum einen, wie festgestellt, kein Verkehrsunternehmen, sondern eine internationale Gruppierung im Sinne der Richtlinie 91/440. Zum anderen kommen Verkehrsunternehmen gegenwärtig auf dem Markt des Bahnreiseverkehrs nicht vor. Daher entbehrt die untersuchte Auflage, da sie auf falschen Voraussetzungen beruht, soweit sie die Gründer, die sich bereits im Besitz von Fahrplantrassen befinden, verpflichtet, diese Dritten zur Verfügung zu stellen, der Grundlage.

212 Was zweitens die Stellung der Lokomotiven angeht, so ist darauf hinzuweisen, daß, wie bereits festgestellt, Lokomotiven nur dann als wesentliche oder notwendige Infrastrukturen anzusehen sind, wenn sie dies für die Konkurrenten der ENS in dem Sinne sind, daß letztere ohne diese Lokomotiven weder auf den relevanten Markt vordringen noch weiterhin auf diesem tätig sein könnten. Da jedoch die Entscheidung zum einen den relevanten Markt als intermodalen Markt der Beförderung aus beruflichen Gründen reisender Fahrgäste und als den ebenfalls intermodalen Markt in ihrer Freizeit reisender Fahrgäste definiert hat, und da zum anderen der Marktanteil der ENS auf diesen beiden intermodalen Märkten nach dem Vorbringen der Kommission 7 % bis 8 % oder nach der Anmeldung der Parteien gar 5 % nicht übersteigt, ist nicht anzunehmen, daß eine Weigerung der anmeldenden Unternehmen, Konkurrenten der ENS spezielle Lokomotiven für die Durchfahrt durch den Kanaltunnel zu stellen, diese von dem betreffenden Markt, wie er in der angefochtenen Entscheidung definiert worden ist, ausschließt. Denn es ist nicht dargetan, daß ein Unternehmen mit einem so geringen Marktanteil in der Lage sein könnte, irgendeinen Einfluß auf das Funktionieren und die Struktur des betreffenden Marktes auszuüben.

213 Nur wenn man auf einen ganz anderen Markt abstellen würde, nämlich den intramodalen Markt des Bahnreiseverkehrs für Geschäftsleute und Touristen, auf dem die Eisenbahnunternehmen gegenwärtig eine beherrschende Stellung einnehmen, könnte eine Weigerung, die Lokomotiven zu stellen, möglicherweise eine Auswirkung auf den Wettbewerb haben. Doch hat die Kommission letzten Endes nicht diesen intramodalen Markt zugrunde gelegt, sondern den intermodalen Markt (Randnrn. 17 bis 27 der angefochtenen Entscheidung). Erst im schriftlichen Verfahren hat die Kommission erstmals den intramodalen Markt für Bahnleistungen als Segment des intermodalen Marktes für die Beförderung von Geschäftsleuten und Touristen angeführt, um die den anmeldenden Unternehmen auferlegte Verpflichtung zur Stellung der Lokomotiven an Konkurrenten der ENS zu rechtfertigen. Zwar lässt sich nicht ausschließen, daß die Untersuchung der Auswirkungen einer Vereinbarung sowohl auf einem Hauptmarkt als auch auf einem seiner Segmente vorgenommen werden kann, doch müssen sowohl die Unterscheidung zwischen diesem Hauptmarkt und seinem(n) Segment(en) als auch die Gründe, die eine solche Unterscheidung rechtfertigen, klar und eindeutig aus einer Entscheidung über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages hervorgehen, was hier nicht der Fall ist.

214 Selbst wenn unterstellt wird, daß die Erklärungen, die die Kommission hierzu im schriftlichen Verfahren abgegeben hat, letztlich keine neue Definition des relevanten Marktes, wie er in den Randnummern 17 bis 27 der angefochtenen Entscheidung definiert wurde, darstellen, sondern eher Erläuterungen sein sollen, die dazu dienen, diese Definition klarer herauszuarbeiten, weist die Beurteilung durch die Kommission im vorliegenden Fall doch einen Begründungsmangel auf.

215 Denn, wie die Klägerinnen geltend gemacht haben, enthält die angefochtene Entscheidung nichts, was belegen könnte, daß die Lokomotiven wesentlich oder notwendig sind. Der Wortlaut der angefochtenen Entscheidung erlaubt ebenfalls nicht den Schluß, daß sich Dritte solche Lokomotiven nicht entweder unmittelbar bei den Herstellern oder mittelbar durch Erwerb oder Anmietung bei dritten Unternehmen beschaffen könnten. In den Akten findet sich auch kein Schriftwechsel der Kommission mit Dritten, aus dem hervorginge, daß es diesen unmöglich wäre, die betreffenden Lokomotiven auf dem Markt zu erwerben. Wie die Klägerinnen ausgeführt haben, steht es jedem Unternehmen, das die gleichen Bahnleistungen wie die ENS unter Benutzung des Kanaltunnels anbieten möchte, frei, die erforderlichen Lokomotiven auf dem Markt zu kaufen oder anzumieten. Ferner ergibt sich aus den Akten, daß die Verträge über die Stellung von Lokomotiven, die die anmeldenden Unternehmen mit der ENS abgeschlossen haben, keine Ausschließlichkeitsklausel zugunsten der ENS enthalten und es jedem anmeldenden Unternehmen daher freisteht, die gleichen Lokomotiven Dritten und nicht nur der ENS zu stellen.

216 Ferner hat die Kommission in diesem Zusammenhang nicht bestritten, daß es Dritten freisteht, die Lokomotiven auf dem Markt zu erwerben oder anzumieten; sie hat vielmehr nur die Ansicht vertreten, daß es sich in Wirklichkeit um eine rein theoretische Möglichkeit handele und nur die anmeldenden Unternehmen diese Lokomotiven tatsächlich besässen. Diesem Vorbringen der Kommission kann jedoch nicht gefolgt werden. Der Umstand, daß die anmeldenden Unternehmen die Lokomotiven als erste auf dem Markt erworben haben, bedeutet nicht, daß sie die einzigen wären, die sie erwerben könnten.

217 Somit beruht die Einschätzung der Kommission, daß die für die Durchfahrt durch den Kanaltunnel konzipierten Speziallokomotiven wesentlich oder notwendig seien, und daher die den Gründern auferlegte Verpflichtung, solche Lokomotiven Dritten zu stellen, auf einer fehlenden oder zumindest unzureichenden Begründung.

218 Aus den gleichen Gründen, wie sie vorstehend dargelegt worden sind, beruht die den Gründern erteilte Auflage, auch Dritten das Personal für die Speziallokomotiven für die Durchfahrt durch den Kanaltunnel zu stellen, ebenfalls auf fehlender oder unzureichender Begründung.

219 Somit weist die angefochtene Entscheidung eine fehlende oder zumindest unzureichende Begründung auf, soweit sie den Klägerinnen die Verpflichtung auferlegt, Dritten, die Konkurrenten der ENS sind, die gleichen "nötigen Leistungen" wie diesen zu erbringen.

220 Aus dem Vorstehenden ergibt sich auch, daß die von der Kommission vorgenommene Untersuchung der Wettbewerbsbeschränkungen gegenüber Dritten aufgrund der privilegierten Beziehungen der Gründer zur ENS ebensowenig zutreffend ist (vgl. oben, Randnrn. 150 und 151). Da, wie oben festgestellt, die ENS kein Verkehrsunternehmen ist, lässt sich der Eisenbahnmarkt letztlich nur in zwei getrennte Dienstleistungsmärkte aufteilen, nämlich einen integrierten Markt der Beförderungsleistungen für Reisen, auf dem sich nur Eisenbahnunternehmen und ihre internationalen Gruppierungen betätigen, und einen Markt für den Zugang zur Infrastruktur und deren Betrieb, der von den Betreibern der Infrastruktur im Sinne der Richtlinie 91/440 verwaltet wird (siehe oben, rechtlicher Rahmen, Randnrn. 1 bis 6). Zudem ist das Argument, das die Kommission in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, wonach sich aus Randnummer 55 des Urteils des Gerichts vom 21. Oktober 1997 in der Rechtssache T-229/94 (Deutsche Bahn/Kommission, Slg. 1997, II-1689) ergebe, daß der Markt der Eisenbahnleistungen einen gesonderten Teilmarkt des Bahnverkehrsmarkts im allgemeinen bilde, nicht stichhaltig, da sich die Feststellung des Gerichts in dieser Rechtssache nur auf den Markt des kombinierten Eisenbahnverkehrs bezieht. Daher hätte die Untersuchung der Wettbewerbsbeschränkungen gegenüber Dritten auf den beiden erwähnten Märkten vorgenommen werden müssen.

221 Was zunächst den Zugang zur Infrastruktur (Fahrplantrassen) angeht, so kann der Zugang Dritter hierzu zwar grundsätzlich behindert werden, wenn konkurrierende Unternehmen diesen Zugang kontrollieren, doch ist die Verpflichtung der Eisenbahnunternehmen, die gleichzeitig Betreiber der Infrastruktur sind, internationalen Gruppierungen, die Konkurrenten von ENS sind, zu dieser Infrastruktur unter angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen Zugang zu gewähren, ausdrücklich in der Richtlinie 91/440 verankert und durch diese garantiert. Sonach können die ENS-Vereinbarungen begrifflich den Zugang Dritter zur Infrastruktur nicht behindern. Ferner kann der Umstand, daß der ENS Speziallokomotiven für den Kanaltunnel und das zugehörige Personal gestellt werden, für sich allein den Zugang Dritter zum nachgelagerten Markt nur dann behindern, wenn diese Lokomotiven und ihr Personal als wesentliche Infrastrukturen anzusehen wären. Da aber diese Speziallokomotiven und ihr Personal aus den dargelegten Gründen (Randnrn. 210 bis 215) nicht als wesentliche Möglichkeiten eingestuft werden können, kann der Umstand, daß die Betriebsvereinbarungen für Nachtzuege ihre Stellung an die ENS vorsehen, keine Beschränkung des Wettbewerbs gegenüber Dritten bewirken. Daher ist diese Einschätzung der Wettbewerbsbeschränkungen gegenüber Dritten, welche die Kommission abgegeben hat, ebenfalls nicht stichhaltig (siehe Randnrn. 150 und 151).

Zur vierten Rüge: Unzureichende Dauer der erteilten Freistellung

Vorbringen der Parteien

222 Die Klägerinnen heben hervor, die ENS-Vereinbarungen bezögen sich auf eine erhebliche langfristige Investition, und die Rentabilität des Vorhabens setze voraus, daß für den Erwerb der Spezialfahrzeuge eine günstige Finanzierung über 20 Jahre erreicht werden könne, so daß die Begrenzung der Freistellung auf acht Jahre unzureichend sei. In diesem Zusammenhang sei der in der Entscheidung angestellte Vergleich mit dem Zeitraum, der von bestimmten Eisenbahnunternehmen als nötig erachtet worden sei, um die Rentabilität einer anderen Vereinbarung, nämlich über den kombinierten Güterverkehr durch den Kanaltunnel gewährleisten zu können, unerheblich, denn er betreffe ein Gemeinschaftsunternehmen, das auf einem anderen Sektor als die ENS tätig sei und an dem keines der anmeldenden Unternehmen beteiligt sei.

223 Zu der Begründung in Randnummer 73 der Entscheidung, wonach sich die Dauer der Freistellung u. a. danach richte, wie lange der Markt nach menschlichem Ermessen hierdurch nicht wesentlich verändert werde, meinen die Klägerinnen, die Kommission habe keinen Anhaltspunkt für die Annahme gegeben, daß solche Änderungen am Ende des Freistellungszeitraums einträten, während die finanziellen Risiken durch die verhältnismässig kurze Dauer der Freistellung verstärkt würden.

224 Die Kommission sei in ihrer Entscheidungspraxis stets davon ausgegangen, daß die Gemeinschaftsunternehmen, die langfristige Investitionen erforderten und deren Zweck darin bestehe, ein neues Erzeugnis zu entwickeln, notwendigerweise eines langen Zeitraums für die Rentabilisierung des investierten Kapitals bedürften. Die Begründungserwägung der Entscheidung, nach der sich der Gemeinschaftseinkauf der Wagen von dem Geschäftsbetrieb trennen lasse, sei im vorliegenden Fall nicht stichhaltig, da die von der ENS benutzten Fahrzeuge nur für Verbindungen zwischen dem Vereinigten Königreich und dem Kontinent benutzt werden könnten. Aus allen diesen Gründen beruhe die angefochtene Entscheidung auf einem offensichtlichen Beurteilungsfehler und/oder einer fehlenden oder unzureichenden Begründung.

225 Die Kommission macht geltend, die Dauer einer Freistellung müsse sich nach den Bedingungen des Marktes bei Erlaß der Entscheidung unter Berücksichtigung der nach menschlichem Ermessen vorhersehbaren Änderungen richten, die auf dem betreffenden Markt eintreten könnten. Im vorliegenden Fall ermögliche es die Dauer der gewährten Freistellung, nämlich zehn Jahre von der Anmeldung und acht Jahre vom Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung an gerechnet, realistische wirtschaftliche Prognosen und das Bedürfnis der Unternehmen nach Rechtssicherheit miteinander zu vereinbaren. Denn wie aus der Anmeldung der Vereinbarungen hervorgehe, deute die Finanzplanung der betroffenen Eisenbahnunternehmen darauf hin, daß die von der ENS angebotenen Nachtzuege ausreichende Einnahmen erbrächten, um die Kosten vom vierten Betriebsjahr an zu decken (Anmeldung, S. 35, Abschnitt II.4 und 1.4., Anlage 1 zur Klageschrift). Daß die Finanzierung des Erwerbs der Fahrzeuge sich über mehr als 20 Jahre erstrecke, rechtfertige nicht die Erteilung einer längerfristigen Freistellung, denn der Gemeinschaftseinkauf der Wagen lasse sich von dem Geschäftsbetrieb trennen.

226 Auf alle Fälle könne die Freistellung gemäß Artikel 13 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1017/68 mehr als einmal verlängert werden, wenn die Umstände dies rechtfertigten; die Verlängerung werde in der Praxis dann gewährt, wenn sich die Marktbedingungen nicht deutlich geändert hätten. Wenn spürbare Änderungen einträten, könne die Kommission im übrigen ihre Entscheidung erneuern und dabei andere Auflagen als in der vorhergehenden Entscheidung erteilen.

227 Das Vereinigte Königreich als Streithelfer macht geltend, die den Eisenbahnunternehmen erteilte Auflage und die Dauer der Freistellung veränderten die finanzielle Grundlage, auf der sich die Beteiligten der ENS-Vereinbarungen verpflichtet hätten, die neuen Bahnleistungen zu erbringen. Der Umfang der von den Parteien beschlossenen Investitionen hätte ein wesentlicher Faktor für die Bemessung der Freistellungsfrist sein müssen. Da dieser Faktor nicht berücksichtigt worden sei, sei die Entscheidung mit der Politik einer Förderung der Beteiligung des privaten Sektors an der Entwicklung transeuropäischer Netze unvereinbar.

228 Die Kommission erwidert, daß die Dauer der gewährten Freistellung ausreichend und gerechtfertigt sei und daß ihre Entscheidung entgegen der Ansicht des Vereinigten Königreichs mit ihrer Politik in bezug auf die Rolle des privaten Sektors bei der Entwicklung transeuropäischer Netze im Einklang stehe.

Würdigung durch das Gericht

229 Wie sich aus der Untersuchung der ersten und der zweiten Rüge ergibt, hat die Kommission den wirtschaftlichen und rechtlichen Kontext, in den sich die ENS-Vereinbarungen einfügen, nicht richtig und ausreichend gewürdigt. Daher ist nicht dargetan, daß die ENS-Vereinbarungen den Wettbewerb im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages beschränken und aufgrund dessen einer Freistellung gemäß Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages bedürfen. Somit war die Kommission nicht in der Lage, die angemessene Dauer einer Freistellung nach diesem Artikel zu beurteilen.

230 Selbst wenn die Beurteilung der Wettbewerbsbeschränkungen durch die Kommission in der angefochtenen Entscheidung ausreichend und richtig wäre, muß die Dauer einer gemäß Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages oder, wie im vorliegenden Fall, gemäß Artikel 5 der Verordnung Nr. 1017/68 und Artikel 53 Absatz 3 des EWR-Abkommens erteilten Freistellung ausreichen, um die Begünstigten in die Lage zu versetzen, die Vorteile wahrzunehmen, die die Freistellung rechtfertigen, d. h. im vorliegenden Fall den Beitrag zum wirtschaftlichen Fortschritt und die Vorteile für die Verbraucher, die sich aus der Einführung neuer hochwertiger Verkehrsleistungen ergeben, wie in den Randnummern 59 bis 61 der angefochtenen Entscheidung dargelegt ist. Da im übrigen dieser Fortschritt und diese Vorteile nicht ohne erhebliche Investitionen zu erzielen sind, ist der für die Rentabilität der Investitionen erforderliche Zeitraum notwendigerweise ein wesentlicher Faktor für die Beurteilung der Dauer einer Freistellung, zumal dann, wenn es sich in einem Fall wie dem vorliegenden unstreitig um völlig neue Leistungen handelt, die beträchtliche Investitionen erfordern, erhebliche finanzielle Risiken mit sich bringen und voraussetzen, daß die beteiligten Unternehmen ihre Erfahrungen einbringen (Randnrn. 63, 64 und 75 der Entscheidung).

231 Unter diesen Umständen kann die Begründungserwägung in Randnummer 73 der Entscheidung, nach der sich "die Dauer der Freistellung... danach [richtet], wie lange der Markt nach menschlichem Ermessen hierdurch nicht wesentlich verändert wird", für sich allein nicht als maßgebend für die Festsetzung der Freistellungsfrist angesehen werden, ohne daß auch der Zeitraum berücksichtigt wird, der notwendig ist, damit die Parteien eine zufriedenstellende Rendite ihres Kapitals erzielen können.

232 Die streitige Entscheidung enthält indessen keine substantiierte Einschätzung des Zeitraums, der erforderlich ist, damit sich die fraglichen Investitionen unter Bedingungen der Rechtssicherheit rentieren, insbesondere wenn berücksichtigt wird, daß die finanziellen Verpflichtungen der Beteiligten für den Ankauf von Spezialfahrzeugen für 20 Jahre eingegangen wurden. Die Behauptung der Kommission in Randnummer 76 der Entscheidung, daß im kombinierten Güterverkehr bestimmte Bahnunternehmen ihr erklärt hätten, es werde fünf Jahre dauern, bis eine neue Strecke sich rentiere, ist nicht erheblich, da es sich dort, wie bereits festgestellt (Randnrn. 185 bis 187), um ein Gemeinschaftsunternehmen handelt, das auf einem anderen Markt als die ENS tätig ist.

233 Zu der Schlußfolgerung der Kommission in Randnummer 75 der angefochtenen Entscheidung, wonach die Höhe der Investitionen bei der Bemessung der Freistellungsfrist nicht den Ausschlag geben dürfe, da sich der Gemeinschaftseinkauf der Wagen und der Geschäftsbetrieb voneinander trennen ließen, ist festzustellen, daß die Entscheidung nichts enthält, woraus sich ergäbe, weshalb der Geschäftsbetrieb mit diesen Fahrzeugen von ihrem Erwerb "abtrennbar" sein soll, da die Fahrzeuge, um die es geht, nur im Rahmen der angemeldeten Vereinbarungen erworben und die damit zusammenhängenden finanziellen Verpflichtungen nur in diesem Rahmen eingegangen wurden. Auf alle Fälle hat die Kommission die Behauptung der Klägerinnen nicht bestritten, daß andere Möglichkeiten zur Verwendung der betreffenden Fahrzeuge sehr begrenzt seien.

234 Daraus ergibt sich, daß die Entscheidung der Kommission, die Dauer der für die ENS-Vereinbarungen erteilten Freistellungen auf acht Jahre zu begrenzen, mangelhaft begründet ist.

235 Sonach ist festzustellen, daß die vierte Rüge der Klägerinnen begründet ist.

236 Nach allem ist die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, ohne daß über die von der SNCF in der Rechtssache T-384/94 erhobene Rüge eines Verstosses gegen Artikel 3 der Verordnung Nr. 1017/68 entschieden zu werden braucht.

Kostenentscheidung:

Kosten

237 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist und die Klägerinnen einen entsprechenden Antrag gestellt haben, sind der Kommission die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der SNCF als Streithelferin in den Rechtssachen T-374/94 und T-384/94 aufzuerlegen.

238 Nach Artikel 87 § 4 der Verfahrensordnung des Gerichts trägt das Vereinigte Königreich seine eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Entscheidung 94/663/EG der Kommission vom 21. September 1994 in einem Verfahren nach Artikel 85 des EG-Vertrags und Artikel 53 des EWR-Abkommens (IV/34.600 - Night Services) wird für nichtig erklärt.

2. Die Kommission trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland als Streithelfer trägt seine eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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