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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 28.04.1994
Aktenzeichen: T-38/92
Rechtsgebiete: VO (EWG) Nr. 261/92, EWG-Vertrag, VO (EWG) Nr. 17/62


Vorschriften:

VO (EWG) Nr. 261/92 Art. 2
EWG-Vertrag Art. 85
EWG-Vertrag Art. 86
VO (EWG) Nr. 17/62 Art. 11
VO (EWG) Nr. 17/62 Art. 15
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Betrifft eine Entscheidung zur Anwendung der Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrags eine Mehrzahl von Adressaten und stellt sich die Frage, wem die Zuwiderhandlung zuzurechnen ist, so muß die Entscheidung im Hinblick auf jeden der Adressaten, insbesondere aber im Hinblick auf diejenigen hinreichend begründet sein, denen die Zuwiderhandlung in der Entscheidung zugerechnet wird.

Diese Begründung muß besonders ausführlich sein, wenn das Unternehmen, dem in der Endentscheidung eine Geldbusse auferlegt wird, im Laufe des Verwaltungsverfahrens mehrere Gründe dafür angeführt hat, daß ihm die Zuwiderhandlung nicht zugerechnet werden dürfe, und wenn die Kommission ihre Haltung zu dieser Frage nicht klargelegt hat.

Benennt insbesondere eine Entscheidung der Kommission in Wettbewerbsfragen in ihrer Begründung als Zuwiderhandelnden eine rechtliche Einheit, die vor der Übernahme ihrer Aktiva durch ein anderes Unternehmen bestand, so kann sie diese Zuwiderhandlung dem Übernehmer dieses Betriebs nur zurechnen, wenn weder die Identität der rechtlichen Einheit, die Rechtsnachfolger des Zuwiderhandelnden ist, noch der Umstand bestritten ist, daß diese rechtliche Einheit die von dem betroffenen Unternehmen ausgeuebte, dem Rechtsstreit zugrunde liegende Tätigkeit tatsächlich fortführt.

Die Kommission kann eine Begründung, die hinter den Anforderungen des EWG-Vertrags zurückbleibt, nur dann einem Schreibfehler zuschreiben, wenn dieser mit hinreichender Sicherheit bewiesen ist. Das ist nicht der Fall, wenn dieses Argument zum erstenmal im letzten Stadium des Verfahrens vor dem Gemeinschaftsrichter vorgebracht und dem Adressaten der Entscheidung nicht in ordnungsgemässer Form eine Berichtigung durch die Stelle zugestellt wird, die die Entscheidung erlassen hat.

Das gilt erst recht, wenn der behauptete Schreibfehler zum einen den verfügenden Teil der angefochtenen Entscheidung und zum anderen die Identität ihrer Adressaten, also derjenigen betrifft, die die Geldbusse zu zahlen haben; hierbei ist der Grundsatz der Rechtssicherheit auf das genaueste zu beachten.

Wird im verfügenden Teil einer Entscheidung einem Unternehmen eine Zuwiderhandlung mit der alleinigen Begründung zugerechnet, es sei Rechtsnachfolger eines Unternehmens, das selbst nicht als Zuwiderhandelnder genannt ist, zugleich aber ein anderes Unternehmen als Zuwiderhandelnder bezeichnet, so liegt ein Begründungsmangel vor.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (ZWEITE KAMMER) VOM 28. APRIL 1994. - ALL WEATHER SPORTS BENELUX BV GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - WETTBEWERB - ARTIKEL 85 ABSATZ 1 EWG-VERTRAG - ALLEINVERTRIEB - ABGESTIMMTE VERHALTENSWEISE - VERHINDERUNG VON PARALLELIMPORTEN - GELDBUSSE - ZURECHNUNG DER ZUWIDERHANDLUNG - BEGRUENDUNG. - RECHTSSACHE T-38/92.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt und Verfahren

1 Die Klägerin, All Weather Sports Benelux BV, Gesellschaft niederländischen Rechts, Zötermeer (Niederlande), wurde am 17. April 1989 gegründet. Sie vertreibt Sportartikel.

2 Ebenfalls am 17. April 1989 schloß die Klägerin mit Rückwirkung auf den 1. Januar 1989 eine Vereinbarung, in der sie von der All Weather Sports BV (AWS), Gesellschaft niederländischen Rechts mit Sitz ebenfalls in Zötermeer, die zu der Gruppe Bührmann-Tetterode Nederland BV (Bührmann-Tetterode), Gesellschaft niederländischen Rechts, Amsterdam, gehört, die Einfuhr und den Großhandel mit Sportartikeln sowie die damit verbundenen Aktiva übernahm. Zu diesen gehörten u. a. eine Alleinvertriebsvereinbarung für Produkte der Marke Dunlop der Dunlop-Slazenger International Ltd (DSIL), Gesellschaft britischen Rechts, die zunächst die Niederlande, später das gesamte Beneluxgebiet erfasste. Diese Vertriebsvereinbarung wurde von DSIL am 18. September 1988 gekündigt und endete am 30. April 1989. Zu den übernommenen Aktiva gehörten weiter Rechte, die mit dem Vertrieb von Sportartikeln einer Marke zusammenhingen, die der All Weather Sports International BV (AWS International), Gesellschaft niederländischen Rechts, gehörte, die im Sportartikelhandel eng mit AWS zusammenarbeitet, ihren Sitz ebenfalls in Zötermeer hat und ebenfalls zu Bührmann-Tetterode gehört.

3 Nach dieser Übernahme der Aktiva vom 17. April 1989 stellten AWS und AWS International ihre Handelstätigkeit ein, verlegten ihren Sitz nach Amsterdam und änderten ihre Bezeichnung in BT Sports BV bzw. BT Sports International BV. Aus steuerlichen Gründen bestanden sie fort, übten aber keine Handelstätigkeit mehr aus.

4 Am 29. Mai 1990 richtete die Kommission im Anschluß an Nachprüfungen, die sie am 3. November 1988 in den Geschäftsräumen von Alleinvertriebshändlern der DSIL in den Niederlanden, u. a. in den Räumen der AWS, vorgenommen hatte, an diese unter ihrem alten Namen All Weather Sports BV an ihre alte Adresse in Zötermeer eine Mitteilung der Beschwerdepunkte wegen einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag. Diese Mitteilung erfolgte im Rahmen eines Verfahrens, das die Kommission auf Beschwerde der Newitt & Co. Ltd (Newitt), Gesellschaft britischen Rechts, Groß- und Einzelhändlerin in Sportartikeln und Kundin der DSIL, gegen diese wegen Behinderung der Ausfuhren ihrer Erzeugnisse aus dem Vereinigten Königreich in die anderen Mitgliedstaaten eingeleitet hatte. Die der AWS mitgeteilten Beschwerdepunkte betrafen eine Reihe von Verhaltensweisen, die zwischen dieser und der DSIL abgestimmt gewesen seien und zum Ziel gehabt hätten, Parallelausfuhren von Artikeln der DSIL in die Beneluxländer zu verhindern, um ihren Alleinvertriebshändlern, darunter der AWS, einen absoluten Gebietsschutz zu sichern.

5 Auf diese Mitteilung der Beschwerdepunkte antworteten die Klägerin, die BT Sports (früher: AWS), die BT Sports International (früher: AWS International) und die AWS Nederland BV, eine Tochter der Klägerin in den Niederlanden, mit gemeinsamem, am 31. Juli 1990 eingereichtem Schriftsatz.

6 Bei der Anhörung, die am 5. Oktober 1990 vor der Kommission stattfand, waren die Klägerin und die anderen drei genannten Firmen gemeinsam vertreten.

7 Sowohl in ihrer schriftlichen Erklärung zu den Beschwerdepunkten wie bei der Anhörung vom 5. Oktober 1990 führten die vier Firmen aus, aus der Bezeichnung der Firma, der die Mitteilung der Beschwerdepunkte zugestellt worden sei, also der AWS, ergebe sich nicht klar, welche Firma die Kommission meine; deshalb erfolgten ihre Stellungnahmen und Erklärungen zu den Beschwerdepunkten im Namen aller Firmen, soweit diese als Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu betrachten oder solche Adressaten seien (schriftliche Erklärungen vom 31. Juli 1990, Punkt 2.1.3).

8 Was die Frage nach dem Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte und folglich die Frage angeht, welcher Firma die angebliche Zuwiderhandlung zuzurechnen sei, brachte jede der betroffenen Firmen vor der Kommission vor, sie sei es nicht; da das Unternehmen, das im Zeitpunkt der angeblichen Zuwiderhandlung von AWS geführt worden sei, nicht mehr bestehe, sei das Verfahren gegenstandslos geworden.

9

Dazu legte die Kommission dar, die Adresse in Zötermeer, an die die Mitteilung der Beschwerdepunkte zugestellt worden sei, sei nicht mehr diejenige von AWS, sondern diejenige der Klägerin und ihrer niederländischen Tochter, der AWS Nederland BV; AWS habe ihren Sitz nunmehr unter ihrem neuen Namen BT Sports in Amsterdam; sie übe seit der Abgabe ihrer Aktiva am 17. April 1989 keine Handelstätigkeit mehr aus; sie bestehe somit ebensowenig wie BT Sports International (früher: AWS International) als Unternehmen im Sinne des Artikels 85 EWG-Vertrag. Ausserdem bestuenden BT Sports und BT Sports International als juristische Personen nur noch aus steuerlichen Gründen; auch könne Bührmann-Tetterode, deren Tochtergesellschaften AWS und AWS International seien, nicht als Zuwiderhandelnde betrachtet werden, da AWS als werbende Gesellschaft in ihrer Geschäftsführung weitgehend autonom gewesen sei.

10 Die Klägerin namentlich machte vor der Kommission geltend, daß sie die Aktiva der früheren Firmen AWS und AWS International übernommen habe, die im übrigen Posten umfasst hätten, die für die Ausübung ihrer eigenen Handelstätigkeit nicht erforderlich gewesen seien, reiche nicht aus, um sie mit diesen beiden Firmen in eins zu setzen. Vielmehr sei sie eine völlig neue Firma, die nicht die früher von AWS auf dem fraglichen Wirtschaftssektor ausgeuebten Tätigkeiten fortführe; die Arbeitnehmer, die AWS im streitigen Zeitraum beschäftigt habe, arbeiteten nicht mehr im Unternehmen; die angeblichen Zuwiderhandlungen hätten mit der Übernahme der Aktiva am 17. April 1989 aufgehört, da die Alleinvertriebsvereinbarung zwischen AWS und DSIL zu diesem Zeitpunkt aufgelöst gewesen sei und tatsächlich am 30. April 1989 geendet habe. Die Vereinbarung vom 17. April 1989 sehe die Übernahme der Verträge zwischen AWS und DSIL durch die Klägerin nur zu dem Zweck vor, während der Restlaufzeit dieser Verträge, die im Zeitpunkt der Übernahmevereinbarung praktisch abgelaufen gewesen sei, die Erledigung von Aufträgen sicherzustellen.

11 Die Kommission wurde von der Klägerin und den anderen in das Verfahren verwickelten Firmen aufgefordert, klarzustellen, welches Unternehmen nun Adressat der Mitteilung der Beschwerdepunkte sei. Bei der Anhörung vom 5. Oktober 1990 wurde diese Frage erneut aufgeworfen; die Kommission sagte ihre Prüfung für später zu.

12 Am 21. Dezember 1990 warf die Klägerin in einem Schreiben an die Kommission erneut die Frage der Zurechnung der AWS vorgeworfenen Zuwiderhandlung auf. Sie forderte die Kommission auf, sich vor dem Erlaß einer verfahrensabschließenden Entscheidung zu diesem Punkt zu äussern.

13 Mit Schreiben vom 7. August 1991 richtete die Kommission gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962 - Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204) ein Auskunftsverlangen betreffend den Umsatz der AWS im Jahre 1988 sowie den Umsatz dieser Firma mit Dunlop-Produkten an die Klägerin. Am 18. März 1992 erließ sie die Entscheidung 92/261/EWG in einem Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag (IV/32.290 - Newitt/Dunlop Slazenger International u. a., ABl. L 131, S. 32). In Punkt 3 der Begründung dieser Entscheidung heisst es: "1989 kaufte das AWS-Management den Betrieb von dem damaligen Eigentümer Bührmann-Tetterode Nederland BV. Die neue Firma nannte sich All Weather Sports Benelux BV." Der verfügende Teil lautet wie folgt:

"Artikel 1

Dunlop Slazenger International Ltd hat gegen Artikel 85 Absatz 1 des EWG-Vertrags verstossen, indem die Firma in ihre Geschäftsbeziehungen zu ihren Abnehmern ein allgemeines Exportverbot für ihre Erzeugnisse zum Schutz ihrer Vertragshändler einbaute und hinsichtlich einiger dieser Erzeugnisse (Tennis- und Squash-Bälle, Tennisschläger und Golfartikel) eine Reihe von Maßnahmen traf - Liefersperren, abschreckende Preisgestaltung, Kennzeichnung und Beobachtung von Exportware, Aufkauf von Exportware, diskriminierende Benutzung offizieller Markenzeichen -, um dieses Verbot durchzusetzen.

All Weather Sports International BV hat gegen Artikel 85 Absatz 1 verstossen, indem die Firma den Anstoß zu diesen Maßnahmen in den Niederlanden gab und sich an diesen beteiligte, soweit es um Dunlop-Artikel ging.

...

Artikel 2

Wegen der in Artikel 1 genannten Verstösse wird gegen Dunlop Slazenger International Ltd eine Geldbusse von 5 Millionen ECU und gegen All Weather Sports Benelux BV (der Nachfolgerin von All Weather Sports BV) eine Geldbusse von 150 000 ECU verhängt."

14 Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin Klage erhoben, die am 22. Mai 1992 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen wurde.

15 Das schriftliche Verfahren endete am 13. November 1992, da die Erwiderung verspätet eingereicht wurde. Es wurde mit Beschluß des Gerichts (Zweite Kammer) vom 10. Dezember 1992 auf Antrag der Klägerin vom 18. November 1992 und mit Zustimmung der Kommission vom 24. November 1992 erneut eröffnet und endete am 8. März 1993. Das Gericht (Zweite Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters die mündliche Verhandlung eröffnet; es hat die Parteien aufgefordert, eine Reihe von Fragen zu beantworten, und der Klägerin die Vorlage bestimmter Papiere aufgegeben. In der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 1993 haben sich die Parteien geäussert und Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Parteien

16 Die Klägerin beantragt,

- Artikel 2 der Entscheidung der Kommission vom 18. März 1992 (IV/32.290 - Newitt/Dunlop Slazenger International u. a.) für ihr gegenüber nichtig zu erklären;

- der Beklagten die Kosten aufzuerlegen.

17 Die Kommission beantragt,

- die Klage als unbegründet abzuweisen,

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Begründetheit

18 Die Klägerin führt in ihrer Klageschrift aus, sie rüge nur die Ordnungsmässigkeit des Verfahrensablaufs vor der Kommission und des Entscheidungsfindungsverfahrens insoweit, als ihr die angebliche Zuwiderhandlung zugerechnet und eine Geldbusse auferlegt werde, sowie die von der Kommission bei der Festsetzung dieser Geldbusse angewandten Kriterien.

19 Die Klägerin macht zunächst einen Verstoß gegen Artikel 2 Absätze 1 und 3 der Verordnung Nr. 99/63/EWG der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates (ABl. 1963, Nr. 127, S. 2268) geltend. Die Kommission habe wesentliche Formvorschriften verletzt, indem sie ihr eine Geldbusse auferlegt habe, ohne ihr die Mitteilung der Beschwerdepunkte unmittelbar zuzustellen - diese Mitteilung sei im vorliegenden Verfahren der AWS nach der Übernahme der Aktiva zugestellt worden - und ohne ihr wenigstens die Möglichkeit zu geben, sich zur Frage der Zurechnung der der AWS vorgeworfenen Zuwiderhandlung zu äussern. Zum zweiten habe die Kommission Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag und Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 dadurch verletzt, daß sie ihr die angebliche Zuwiderhandlung zugerechnet und ihr eine Geldbusse auferlegt habe, wobei sie sich auf ungeeignete Gründe gestützt oder doch zumindest ihr gegenüber die angefochtene Entscheidung unzutreffend begründet habe. Hilfsweise bringt die Klägerin vor, die Kommission habe Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 dadurch verletzt, daß sie bei der Festsetzung der ihr auferlegten Geldbusse unzutreffende Kriterien angewandt habe.

20 Zunächst ist die Rüge der unzureichenden Begründung der Entscheidung gegenüber der Klägerin und des fehlerhaften Verfahrens zur Findung dieser Entscheidung zu prüfen.

Die ungenügende Begründung der Entscheidung

Zusammenfassung der Rügen und des wesentlichen Vorbringens der Parteien

21 Die Klägerin hebt in erster Linie hervor, die Begründung einer Entscheidung, mit der einem Unternehmen wegen des Verhaltens eines anderen Unternehmens eine Geldbusse auferlegt werde, müsse gegenüber dem betroffenen Unternehmen die Gründe klarstellen, aus denen ihm eine von ihm nicht begangene Zuwiderhandlung zugerechnet werde. Die Kommission habe in ähnlichen Entscheidungen immer eine ausführliche Begründung geliefert; hingegen fehle es in der angefochtenen Entscheidung an einer ihr gegenüber hinreichenden Begründung.

22 Die schlichte Erwähnung des Umstands, daß sie die Aktiva der AWS übernommen habe, stelle keine hinreichende Begründung der Entscheidung dar, die es erlaube, ihr die Zuwiderhandlung zuzurechnen, da die Klägerin aufgrund dieser Übernahme nicht ohne weiteres für die Zwecke der Anwendung des Artikels 85 EWG-Vertrag mit der AWS in eins gesetzt werden könne. Ausserdem finde sich der Grund, der nach Auffassung der Kommission die Entscheidung rechtfertige, ihr die Zuwiderhandlung zuzurechnen, nur im verfügenden Teil der angefochtenen Entscheidung, nicht aber in den Gründen, von denen nur ein Satz sie betreffe, nämlich eine schlichte Sachverhaltsfeststellung, die auch noch insoweit unzutreffend sei, als die Kommission erkläre, AWS sei von ihrem eigenen Management übernommen worden, während doch in Wirklichkeit nur die Aktiva dieser Firma übernommen worden seien, und zwar von der Klägerin selbst, deren Gesellschaftsanteile vom damaligen Management der AWS nur gehalten worden seien.

23 Die Identität des Unternehmens, das die Zuwiderhandlung begangen habe, für die ihr eine Geldbusse auferlegt worden sei, ergebe sich nicht klar aus der angefochtenen Entscheidung. In Artikel 1 des verfügenden Teils der Entscheidung führe die Kommission aus, AWS International hafte für die Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag, obwohl diese Firma in der Entscheidung sonst nirgends genannt werde; in Artikel 2 des verfügenden Teils werde ihr dann als Nachfolgerin der AWS eine Geldbusse auferlegt. Wenn die Kommission AWS International als Zuwiderhandelnde ansehe, dann entbehre die angefochtene Entscheidung sowohl im Hinblick auf AWS International wie im Hinblick auf sie selbst jeglicher Begründung, da sie allein als Nachfolgerin der AWS für ein Verhalten verantwortlich gemacht werde, das in der angefochtenen Entscheidung nicht dargelegt sei. Betrachte die Kommission hingegen AWS als Zuwiderhandelnde, dann sei die Begründung der Entscheidung jedenfalls gegenüber der Klägerin unzureichend: Selbst wenn man nämlich annähme, daß die Übernahme der Aktiva der AWS durch die Klägerin ausreiche, um sie mit dieser Firma aus wirtschaftlicher und rechtlicher Sicht in eins zu setzen, so habe die Kommission doch zumindest nicht klargestellt, daß ihr aus diesem Grund eine Geldbusse auferlegt werde.

24 Die Kommission trägt vor, Adressaten der Entscheidungen wegen Zuwiderhandlungen gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag seien Unternehmen als Wirtschaftseinheiten, nicht Firmen als juristische Personen. Belege sie, wie im vorliegenden Fall, mit angemessenen Gründen, daß ein Unternehmen eine Zuwiderhandlung begangen habe, so sei sie von Rechts wegen nicht gehalten, in ihrer Entscheidung die Gründe darzulegen, aus denen sie diese an eine gegebene Firma am Sitz dieses Unternehmens richte. Die Klägerin habe im vorliegenden Fall aufgrund der mit der Vereinbarung vom 17. April 1989 vorgenommenen Übernahme der Aktiva der Firmen AWS und AWS International die Unternehmenstätigkeiten fortgeführt, die zuvor diese Firmen geführt hätten; die Vereinbarung stelle den klassischen Fall einer Betriebsübernahme dar. Angesichts des geringen Umfangs und der Komplexität dieser Übernahme der Aktiva und der Betriebsübernahme, die sich daraus ergeben habe, sei eine ausführliche Begründung dafür, daß die Zuwiderhandlung der Klägerin zuzurechnen sei, im Gegensatz zu anderen Fällen nicht erforderlich, in denen die Kommission in ihren Entscheidungen auf ganz genaue Argumente betreffend die Zurechnung einer Zuwiderhandlung habe antworten müssen.

25 In Beantwortung einer Frage des Gerichts zu dem Umstand, daß in Artikel 1 des verfügenden Teils AWS International als Zuwiderhandelnde genannt werde, während Artikel 2 AWS betreffe, führt die Kommission aus, das beruhe auf einem Schreibfehler, der dahin zu berichtigen sei, daß diese beiden Firmen gleichermassen in Artikel 1 des verfügenden Teils zu nennen seien, da sie beide für die der Klägerin zugerechnete Zuwiderhandlung verantwortlich seien; diese habe die Aktiva beider übernommen und den Betrieb fortgeführt, den sie zuvor gemeinsam betrieben hätten. Dieser Schreibfehler berühre jedoch die Gültigkeit des Artikels 2 des verfügenden Teils der Entscheidung nicht. Daß AWS in Artikel 1 des verfügenden Teils nicht genannt werde, könne nicht zu Zweifeln an ihrer Eigenschaft als Zuwiderhandelnde führen, da diese Firma zum einen in der Entscheidung immer wieder genannt und zum anderen sowohl in Punkt 3 der Begründung der Entscheidung wie in Artikel 2 des verfügenden Teils als die Firma benannt werde, deren Aktiva die Klägerin übernommen habe und deren Nachfolgerin sie sei.

Rechtliche Würdigung

26 Die Begründung einer beschwerenden Entscheidung muß eine wirksame Überprüfung von deren Rechtmässigkeit ermöglichen und dem Betroffenen die Hinweise geben, aufgrund deren er wissen kann, ob die Entscheidung begründet ist. Ob eine Begründung hinreicht, ist anhand der Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Inhalts der Maßnahme, der Art der vorgetragenen Gründe und des Interesses zu beurteilen, das die Adressaten oder andere von der Maßnahme unmittelbar und individuell betroffene Personen im Sinne des Artikels 173 EWG-Vertrag an der Begründung haben können (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 13. März 1985 in den Rechtssachen 296/82 und 318/82, Niederlande und Leeuwarder Papierwarenfabriek/Kommission, Slg. 1985, 809; vom 20. März 1985 in der Rechtssache 41/83, Italien/Kommission, Slg. 1985, 873; und vom 19. September 1985 in den Rechtssachen 172/83 und 226/83, Hoogovens Gröp/Kommission, Slg. 1985, 2831). Diese Funktionen kann eine Begründung nur erfuellen, wenn sie die Überlegungen der Gemeinschaftsbehörde, die den angefochtenen Rechtsakt erlassen hat, klar und unzweideutig wiedergibt (Urteil des Gerichtshofes vom 21. November 1991 in der Rechtssache C-269/90, Technische Universität München, Slg. 1991, I-5469, Randnr. 26). Betrifft weiter eine Entscheidung zur Anwendung der Artikel 85 oder 86 EWG-Vertrag wie im vorliegenden Fall eine Mehrzahl von Adressaten und stellt sich die Frage, wem die Zuwiderhandlung zuzurechnen ist, so muß sie im Hinblick auf jeden der Adressaten hinreichend begründet sein, insbesondere aber im Hinblick auf diejenigen, denen die Zuwiderhandlung in der Entscheidung zugerechnet wird.

27 Für die Würdigung, ob die Begründung der Entscheidung im Hinblick auf die Klägerin im Lichte dieser von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen genügt, steht fest, daß die Klägerin im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vor der Kommission wiederholt die Gründe angeführt hat, derentwegen die angebliche Zuwiderhandlung ihr ihres Erachtens nicht zugerechnet werden dürfe. Weiter steht fest, daß die Kommission in diesem Verfahrensstadium ihre Haltung zur Frage der Zurechnung der angeblichen Zuwiderhandlung trotz dieser Aufforderungen nicht klargelegt hat. Die angefochtene Entscheidung ist damit im Hinblick auf die Klägerin nur dann hinreichend begründet, wenn sie die Gründe, die es rechtfertigen, die Zuwiderhandlung der Klägerin zuzurechnen, um so ausführlicher darlegt.

28 Die Begründung der angefochtenen Entscheidung betreffend die Frage, ob die angebliche Zuwiderhandlung der Klägerin zuzurechnen ist, besteht zum einen darin, daß in Punkt 3 der Begründung der angefochtenen Entscheidung folgender Umstand angeführt wird: "... kaufte das AWS-Management den Betrieb von dem damaligen Eigentümer Bührmann-Tetterode Nederland BV. Die neue Firma nannte sich All Weather Sports Benelux BV", zum anderen darin, daß in Artikel 2 des verfügenden Teils der Umstand erwähnt wird, daß die Klägerin "Nachfolgerin von All Weather Sports BV" ist. Zu prüfen ist somit, ob die Begründung der Entscheidung deren verfügenden Teil trägt und ob dieser im Hinblick auf die Klägerin einschlägig ist.

29 Was zunächst die Prüfung von Punkt 3 der Begründung der Entscheidung betrifft, so rechtfertigt diese die Zurechnung der Zuwiderhandlung an die Klägerin, wie dargelegt, nur mit der Übernahme der AWS und dem Umstand, daß diese bei dieser Gelegenheit die Firma der Klägerin, nämlich All Weather Sports Benelux BV, angenommen hat. Diese Begründung lässt die beiden von der Klägerin angeführten Umstände ausser Betracht, daß AWS und AWS International zum einen als juristische Personen unter den neuen Firmen BT Sports bzw. BT Sports International fortbestehen und zum anderen wie vor der Vermögensübernahme der Gruppe Bührmann-Tetterode zugehören.

30 Benennt eine Entscheidung der Kommission in ihrer Begründung als Zuwiderhandelnde eine rechtliche Einheit, die vor der Übernahme ihres Vermögens bestand, so kann sie diese Zuwiderhandlung dem Übernehmer dieses Betriebs nur zurechnen, wenn weder die Identität der rechtlichen Einheit, die Rechtsnachfolger des Zuwiderhandelnden ist, noch der Umstand bestritten ist, daß diese rechtliche Einheit die von dem betroffenen Unternehmen ausgeuebte, dem Rechtsstreit zugrunde liegende Tätigkeit tatsächlich fortführt (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 28. März 1984 in den Rechtssachen 29/83 und 30/83, CRAM und Rheinzink/Kommission, Slg. 1984, 1679, Randnrn. 6 ff.). So verhält es sich im vorliegenden Fall nicht, da die Zuwiderhandelnde als juristische Person, wie dargelegt, fortbesteht, während ihre vor der Übernahme der Aktiva ausgeuebte Wirtschaftstätigkeit von einer anderen rechtlichen Einheit fortgeführt wird.

31 Da die Klägerin die Identität des Unternehmens, dem die Zuwiderhandlung zuzurechnen ist, mit klaren, ernstzunehmenden Argumenten bestritten hat, kann sich die Kommission nicht darauf berufen, daß die Sach- und Rechtslage im vorliegenden Fall einfach gelagert und eine ausführliche Begründung damit überfluessig sei, um die unzureichende Begründung der angefochtenen Entscheidung, wie sie sich aus der Prüfung des Punktes 3 von deren Begründung ergibt, zu rechtfertigen. Da der verfügende Teil der angefochtenen Entscheidung im Lichte seiner Begründung, insbesondere des Punktes 3, zu lesen ist, ist dieser als solcher nicht geeignet, die Zurechnung der Zuwiderhandlung zur Klägerin zu rechtfertigen.

32 Was dann die Erheblichkeit der Begründung im Hinblick auf die Klägerin betrifft, die sich im verfügenden Teil der angefochtenen Entscheidung findet, so wird in den Gründen der angefochtenen Entscheidung AWS als Zuwiderhandelnde bezeichnet, in Artikel 1 des verfügenden Teils dagegen AWS International, während in Artikel 2 dieses verfügenden Teils die Sanktion "wegen der in Artikel 1 genannten Verstösse" der Klägerin mit der Begründung zugewiesen wird, sie sei Rechtsnachfolgerin von AWS; darauf hat die Klägerin zu Recht hingewiesen. Artikel 2 des verfügenden Teils der Entscheidung kann aber der Klägerin von Rechts wegen nicht die Sanktion für eine Zuwiderhandlung, die sie feststehendermassen nicht im Sinne des Artikels 1 des verfügenden Teils begangen hat, mit der einzigen Begründung auferlegen, sie sei Rechtsnachfolgerin einer Firma, die selbst in Artikel 1 des verfügenden Teils nicht als Zuwiderhandelnde benannt ist.

33 Nun hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, daß in den Artikeln 1 und 2 des verfügenden Teils unterschiedliche Firmen benannt würden, beruhe auf einem Schreibfehler; Artikel 1 habe neben AWS International auch AWS benennen müssen, da diese beiden Firmen die Zuwiderhandlung begangen hätten und in der Begründung der angefochtenen Entscheidung AWS als Zuwiderhandelnde benannt werde.

34 Bei der entscheidenden Frage, wer Zuwiderhandelnder oder Adressat der Entscheidung ist, muß der angebliche Schreibfehler, selbst wenn er anzunehmen wäre, von der Kommission mit hinreichender Sicherheit bewiesen werden. Das ist im vorliegenden Fall nicht geschehen, da dieses Argument, wie dargelegt, zum einen zum erstenmal im letzten Stadium des Verfahrens vorgebracht worden ist und da die Kommission es zum anderen unterlassen hat, der Klägerin eine Berichtigung der angefochtenen Maßnahme durch die erlassende Stelle in ordnungsgemässer Form zuzustellen. Im vorliegenden Fall gilt das erst recht, da der behauptete Schreibfehler zum einen den verfügenden Teil der angefochtenen Entscheidung und damit denjenigen Teil der Maßnahme, der unmittelbar den Umfang der den Bürgern auferlegten Verpflichtungen oder der ihnen eingeräumten Rechte bestimmt, und zum anderen die Identität der Adressaten der Entscheidung und damit die Zurechenbarkeit der angeblichen Zuwiderhandlung und die auferlegte Geldbusse betrifft; deshalb ist der Grundsatz der Rechtssicherheit, ein Grundprinzip der Gemeinschaftsrechtsordnung, auf das genaueste zu beachten (vgl. entsprechend das Urteil des Gerichts vom 27. Februar 1992 in den Rechtssachen T-79/89, T-84/89, T-85/89, T-86/79, T-89/89, T-91/89, T-92/89, T-94/89, T-96/89, T-98/89, T-102/89 und T-104/89, BASF u. a./Kommission, Slg. 1992, II-315). Deshalb ist dem Vorbringen der Kommission, die angefochtene Entscheidung enthalte einen Schreibfehler, nicht zu folgen. Nach dem bisher Gesagten wäre dieses Vorbringen im übrigen ohnehin nicht geeignet, die Würdigung der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu ändern.

35 Nach alledem ist die Rüge, die Kommission habe die angefochtene Entscheidung gegenüber der Klägerin nicht begründet, begründet; ihr ist stattzugeben.

36 Ohne daß die übrigen in der Klageschrift angeführten Rügen geprüft werden müssten, ist deshalb Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung insoweit für nichtig zu erklären, als er die Klägerin betrifft.

Kostenentscheidung:

Kosten

37 Nach Artikel 87 § 2 Verfahrensordnung trägt die unterliegende Partei die Kosten, wenn dies beantragt ist. Da die Klägerin beantragt hat, die Kommission in die Kosten zu verurteilen, sind dieser die Verfahrenskosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Artikel 2 des verfügenden Teils der Entscheidung 92/261/EWG der Kommission vom 18. März 1992 in einem Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag (IV/32.290 - Newitt/Dunlop Slazenger International u. a.) wird insoweit für nichtig erklärt, als der Klägerin die in Artikel 1 des verfügenden Teils genannte Zuwiderhandlung zugerechnet und ihr eine Geldbusse auferlegt wird.

2) Die Kommission trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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