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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 15.04.1997
Aktenzeichen: T-390/94
Rechtsgebiete: EG, Richtlinie 90/425


Vorschriften:

EG Art. 190
EG Art. 215 Abs. 2
Richtlinie 90/425 Art. 10
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

3 Die Entscheidungen 93/566, 93/621, 93/671, 93/720, 94/27, 94/178 und 94/292, die von der Kommission im Rahmen der Bekämpfung der klassischen Schweinepest auf der Grundlage der Richtlinie 90/425 zur Regelung der veterinärrechtlichen und tierzuechterischen Kontrollen im innergemeinschaftlichen Handel mit lebenden Tieren und Erzeugnissen im Hinblick auf den Binnenmarkt erlassen wurden und den Versand lebender Schweine oder frischen Schweinefleischs aus bestimmten Teilen des Staatsgebiets in andere Teile dieses Gebiets oder andere Mitgliedstaaten verbieten, stellen Rechtsetzungsakte dar, deren Erlaß wirtschaftspolitische Entscheidungen voraussetzt, für die die Kommission über ein weites Ermessen verfügt. Diese Entscheidungen können daher die Haftung der Gemeinschaft nur auslösen, wenn die Kommission eine höherrangige, den einzelnen schützende Rechtsnorm offensichtlich und schwerwiegend verletzt hat.

4 Die Entscheidungen 93/566, 93/621, 93/671, 93/720, 94/27, 94/178 und 94/292, die von der Kommission im Rahmen der Bekämpfung der klassischen Schweinepest auf der Grundlage der Richtlinie 90/425 zur Regelung der veterinärrechtlichen und tierzuechterischen Kontrollen im innergemeinschaftlichen Handel mit lebenden Tieren und Erzeugnissen im Hinblick auf den Binnenmarkt erlassen wurden und den Versand lebender Schweine oder frischen Schweinefleischs aus bestimmten Teilen des Staatsgebiets in andere Teile dieses Gebiets oder andere Mitgliedstaaten verbieten, lösen nicht die Haftung der Gemeinschaft gegenüber einem Schweinezuechter aus, dessen Betrieb von der Schweinepest nicht betroffen ist, sondern in den von den Versandverboten betroffenen Teilen des Hoheitsgebiets liegt, und dem gegenüber der Erlaß dieser Entscheidungen keine schwerwiegende und offensichtliche Verletzung des Diskriminierungsverbots, der Eigentumsgarantie, des Rechts auf freie Berufsausübung, des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit oder des Grundsatzes des Erfordernisses einer geeigneten Rechtsgrundlage dargestellt hat.

Was nämlich erstens das Diskriminierungsverbot angeht, so ist die Situation in einer Region eines Mitgliedstaats mit sehr hoher Konzentration von Schweinezuchtbetrieben, in der zahlreiche Fälle von Schweinepest aufgetreten sind und die Behörden die Dienststellen der Kommission hierüber nicht unterrichtet haben, nicht vergleichbar mit der Situation in einem anderen Mitgliedstaat sowie einer anderen Region des erstgenannten Staates, in denen wegen einer viel niedrigeren Zahl solcher Zuchtbetriebe bzw. des Fehlens registrierter Fälle von Schweinepest während desselben Zeitraums die Kommission davon ausgehen durfte, daß die Behörden in der Lage waren, die Schweinepest wirksam unter Kontrolle zu halten, und daß es nicht notwendig war, für die von der Schweinepest betroffenen oder diesen benachbarten Verwaltungseinheiten zusätzliche Schutzmaßnahmen anzuordnen. Da ausserdem die Richtlinie 90/425 weder geographische noch verwaltungsrechtliche Kriterien für die Abgrenzung der Teile des Staatsgebiets festlegt, auf die sich die von der Kommission angeordneten Schutz- und Sicherungsmaßnahmen beziehen, konnte die Kommission die Teile des Staatsgebiets entsprechend den Grenzen von Verwaltungseinheiten festlegen.

Zweitens lässt sich aus dem Umstand, daß die Versandverbote für den betreffenden Zuechter nachteilige Auswirkungen gehabt haben, allein noch nicht ableiten, daß diese Verbote unzulässige Beschränkungen des Eigentums und des Rechts auf freie Berufsausübung dargestellt hätten, da jede Schutzmaßnahme per definitionem Auswirkungen hat, die diese Grundrechte beeinträchtigen.

Drittens hätte der Rückgriff auf Notimpfungen kein milderes Mittel als die von der Kommission beschlossenen Versandverbote dargestellt.

Viertens ist der Anwendungsbereich der Richtlinie 90/425, die nicht vorsieht, daß die Maßnahmen der Kommission nur den Handel zwischen Mitgliedstaaten und nicht den Handel innerhalb eines Mitgliedstaats betreffen dürften, nicht auf die Regelung von veterinärrechtlichen und tierzuechterischen Kontrollen beschränkt, sondern erlaubt der Kommission ausserdem den Erlaß von Schutzmaßnahmen wie Versandverbote.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Fünfte Kammer) vom 15. April 1997. - Aloys Schröder, Jan und Karl-Julius Thamann gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Außervertragliche Haftung der Gemeinschaft - Bekämpfung der klassischen Schweinepest in der Bundesrepublik Deutschland. - Rechtssache T-390/94.

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

1 Im Hinblick auf die Verwirklichung des Binnenmarktes und um den freien Verkehr mit Tieren zu gewährleisten, erließ die Gemeinschaft eine Reihe von Maßnahmen, darunter die Richtlinie 90/425/EWG des Rates vom 26. Juni 1990 zur Regelung der veterinärrechtlichen und tierzuechterischen Kontrollen im innergemeinschaftlichen Handel mit lebenden Tieren und Erzeugnissen im Hinblick auf den Binnenmarkt (ABl. L 224, S. 29), die namentlich vorsieht, daß zum einen die veterinärrechtlichen Kontrollen im wesentlichen am Abgangsort durchzuführen sind und im Bestimmungsmitgliedstaat nur durch Stichproben erfolgen können, zum anderen, daß ein Mitgliedstaat unverzueglich die nach dem Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Regelungen erlässt, wenn in seinem Hoheitsgebiet bestimmte Krankheiten wie die klassische Schweinepest (KSP) auftreten.

2 Artikel 10 der Richtlinie 90/425 legt die jeweiligen Verpflichtungen des Versand- und des Bestimmungsmitgliedstaats sowie der Kommission auf dem Gebiet der Vorbeugung, Verhinderung und Bekämpfung aller Krankheiten fest, die eine Gefahr für die Tiere oder die menschliche Gesundheit darstellen können.

3 Artikel 10 Absatz 3 bestimmt:

"Falls die Kommission nicht über die Maßnahmen informiert wurde oder die getroffenen Maßnahmen für unzureichend hält, so kann sie im Benehmen mit dem betreffenden Mitgliedstaat bis zur Tagung des Ständigen Veterinärausschusses gegenüber den Tieren..., die aus dem Seuchengebiet oder einem bestimmten Betrieb oder Zentrum bzw. einer bestimmten Einrichtung stammen, vorsorgliche Maßnahmen treffen. Diese Maßnahmen werden so rasch wie möglich dem Ständigen Veterinärausschuß unterbreitet, der sie nach dem in Artikel 17 genannten Verfahren bestätigt, ändert oder aufhebt."

4 Artikel 10 Absatz 4 lautet:

"In allen diesen Fällen prüft die Kommission im Ständigen Veterinärausschuß so bald wie möglich die Lage. Sie erlässt nach dem in Artikel 17 genannten Verfahren die notwendigen Maßnahmen für die Tiere... Sie verfolgt die Entwicklung der Lage und kann nach dem gleichen Verfahren die getroffenen Entscheidungen nach Maßgabe dieser Entwicklung ändern oder aufheben."

5 Der aufgrund des Beschlusses 68/361/EWG des Rates vom 15. Oktober 1968 (ABl. L 255, S. 23) eingesetzte Ständige Veterinärausschuß setzt sich aus sachverständigen Vertretern der Mitgliedstaaten unter Vorsitz der Kommission zusammen. Die Kommission hat diesem Ausschuß gemäß Artikel 10 Absatz 4 der Richtlinie 90/425 die Entwürfe über den Erlaß oder die Änderung von Schutzmaßnahmen vorzulegen.

6 Mit der Richtlinie 80/217/EWG des Rates vom 22. Januar 1980 über Maßnahmen der Gemeinschaft zur Bekämpfung der klassischen Schweinepest (ABl. L 47, S. 11) werden Maßnahmen der Gemeinschaft zur Bekämpfung der KSP eingeführt.

7 Ihr Artikel 3 bestimmt:

"Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, daß der Verdacht auf Schweinepest oder das Vorliegen der Schweinepest der zuständigen Behörde unverzueglich gemeldet wird."

8 Nach Artikel 4 sind, wenn sich in einem Betrieb schweinepestverdächtige Schweine befinden, unverzueglich die amtlichen Untersuchungsmaßnahmen durchzuführen. Weiter ist nach dieser Bestimmung der Betrieb der amtlichen Überwachung zu unterstellen, und es dürfen insbesondere keine Schweine in den Betrieb verbracht oder aus diesem entfernt werden. Nach Artikel 5 müssen, wenn das Vorliegen der Schweinepest amtlich bestätigt wird, alle Schweine des Betriebes unverzueglich unter amtlicher Aufsicht getötet und so beseitigt werden, daß jede Gefahr einer Verbreitung des Schweinepestvirus ausgeschlossen wird. Gemäß den Artikeln 7 und 8 sind, namentlich um mögliche Infektionsquellen sowie die Virusverbreitung in Kontaktbeständen festzustellen, Nachforschungen zur Epizootiologie anzustellen.

9 Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie 80/217 in der Fassung der Richtlinie 91/685/EWG des Rates vom 11. Dezember 1991 (ABl. L 377, S. 1) bestimmt:

"Unmittelbar nach der amtlichen Bestätigung des Seuchenbefunds in einem Schweinehaltungsbetrieb grenzen die zuständigen Behörden um den Seuchenherd eine Schutzzone mit einem Mindestradius von 3 km und eine Überwachungszone mit einem Mindestradius von 10 km ab."

10 Artikel 9 Absatz 2 dieser Richtlinie zählt eine Reihe von Umständen auf, die von der zuständigen Behörde in jedem Einzelfall bei der Abgrenzung der Schutz- und der Überwachungszonen zu berücksichtigen sind. Diese Umstände sind insbesondere die Ergebnisse der epidemiologischen Untersuchungen gemäß Artikel 7, die geographische Lage - insbesondere natürliche Grenzen -, der Standort und die Entfernung von Betrieben, die Handelsstrukturen und die Kontrollmöglichkeiten.

11 Die Schweineerzeugung findet normalerweise auf vier Ebenen (Erzeugung der Zuchtrassen, Jungsauenaufzucht, Mastferkelproduktion und Schweinemast) statt, bei denen jeweils spezialisierte Betriebe tätig werden. Diese Tätigkeiten sind mit einem regen Tierhandel insbesondere zwischen den Mitgliedstaaten verbunden.

12 Die KSP ist eine ansteckende Virusinfektion der Schweine mit perakutem Verlauf; bei typischer Erkrankung kann die Sterberate bis zu 100 % betragen. Die auf den Menschen nicht übertragbare Krankheit kann sich schnell verbreiten und die Existenz der Schweinebestände nachhaltig bedrohen. Je nach ihrem Verlauf beträgt die Inkubationszeit bei der KSP zwei bis zwanzig Tage. Bevor die KSP ausbricht und erkannt werden kann, kann der Erreger bereits vielfach übertragen worden sein. Dies erklärt sich vor allem daraus, daß Betriebe der Jungsauenaufzucht und der Mastferkelerzeugung ihre Tiere oft an eine Vielzahl anderer Betriebe veräussern.

13 Die Gemeinschaft verfolgt bei der Bekämpfung der KSP, wie auch die Vereinigten Staaten, Australien, Kanada, Neuseeland, Norwegen, Ungarn, Polen und die Tschechische Republik, eine Politik der Nichtimpfung. In einer Vielzahl von Ländern ist die Einfuhr von Schweinen aus Gebieten, in denen die Impfung zugelassen ist, verboten. Ebenso dürfen in die Gemeinschaft nur Schweine eingeführt werden, die aus Gebieten stammen, in denen in den letzten zwölf Monaten keine Fälle von KSP gemeldet und keine Impfungen gegen die KSP durchgeführt worden sind.

Der Ausbruch der KSP in Deutschland in den Jahren 1993 und 1994 und die von der Kommission ergriffenen Maßnahmen

14 Im Jahr 1993 wurden in Deutschland hundert Fälle von KSP - gegenüber dreizehn 1992 und sechs 1991 - gemeldet. Diese hundert Fälle verteilten sich auf sieben Bundesländer, wobei das Land Niedersachsen mit sechzig Fällen, davon achtzehn allein im Zeitraum vom 25. Mai bis 16. Juni 1993, am stärksten betroffen war.

15 Gestützt auf Artikel 10 Absatz 4 der Richtlinie 90/425 erließ die Kommission die Entscheidung 93/364/EWG vom 18. Juni 1993 über Schutzmaßnahmen gegen die klassische Schweinepest in Deutschland (ABl. L 150, S. 47). Da sich das Seuchenrisiko den Begründungserwägungen zufolge auf ein geographisch fest umrissenes Gebiet beschränkte, bestimmte Artikel 1, daß "Deutschland... keine lebenden Schweine aus den in Anhang I [der Entscheidung] genannten Teilen seines Hoheitsgebiets in andere Mitgliedstaaten [versendet]", nämlich aus bestimmten Kreisen der Länder Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Die Kommission stellte zwar fest, daß Deutschland Maßnahmen getroffen und insbesondere Schutz- und Überwachungszonen gemäß der Richtlinie 80/217 eingerichtet habe, verpflichtete Deutschland jedoch in Artikel 2 der Entscheidung 93/364 weiter, angemessene gleichwertige Maßnahmen zu treffen, um zu verhindern, daß die Seuche aus mit Handelsbeschränkungen belegten Gebieten in andere Landesteile verschleppt wird. Nach Artikel 3 der Entscheidung 93/364 durfte Deutschland weder frisches Schweinefleisch noch Schweinefleischerzeugnisse von Schweinen, die aus Betrieben in den in Anhang I aufgeführten Teilen seines Hoheitsgebiets stammten, in andere Mitgliedstaaten versenden.

16 Nachdem zwischenzeitlich das Auftreten neuer KSP-Seuchenherde in Deutschland bestätigt worden war, dehnte die Kommission mit der Entscheidung 93/497/EWG vom 15. September 1993 zur Änderung der Entscheidung 93/364 (ABl. L 233, S. 15) den von den Schweineausfuhrverboten betroffenen Teil des Staatsgebiets aus.

17 Nachdem ein erster Fall von KSP in Belgien bei aus Deutschland eingeführten Schweinen diagnostiziert worden war, verbot Belgien mit Ministerialverordnung vom 14. Oktober 1993 die Einfuhr von Schweinen aus Deutschland; die Kommission weitete mit Entscheidung 93/539/EWG vom 20. Oktober 1993 über bestimmte Schutzmaßnahmen bezueglich der klassischen Schweinepest in Deutschland und zur Aufhebung der Entscheidung 93/364 (ABl. L 262, S. 67) die Schweineausfuhrverbote auf das gesamte deutsche Staatsgebiet aus.

18 Die Entscheidung 93/553/EWG der Kommission vom 29. Oktober 1993 zur Änderung der Entscheidung 93/539 (ABl. L 270, S. 74) verlängerte die ursprünglich bis zum 29. Oktober 1993 geltenden Ausfuhrverbote bis zum 4. November 1993.

19 Später erließ die Kommission, weiterhin gestützt auf Artikel 10 Absatz 4 der Richtlinie 90/425, die Entscheidung 93/566/EG vom 4. November 1993 über Schutzmaßnahmen gegen die klassische Schweinepest in Deutschland und zur Aufhebung der Entscheidung 93/539 (ABl. L 273, S. 60). Nach dieser Entscheidung durfte Deutschland lebende Schweine (Artikel 1) und frisches Schweinefleisch oder Schweinefleischerzeugnisse (Artikel 2) aus den in Anhang I genannten Landkreisen nicht nur nicht in andere Mitgliedstaaten, sondern auch nicht in andere Teile des eigenen Staatsgebiets versenden (im folgenden: Versandverbote).

20 Der Kreis Osnabrück, in dem sich der Betrieb der Kläger befindet, gehört zu den in Anhang I der Entscheidung aufgezählten Kreisen des Landes Niedersachsen.

21 Mit Entscheidung 93/621/EG vom 30. November 1993 zur Änderung der Entscheidung 93/566 (ABl. L 297, S. 36) legte die Kommission das von den Versandverboten betroffene Gebiet nicht mehr nach Maßgabe der Landkreise, sondern der Gemeinden fest. Nach dem Vortrag der Kommission sollten alle Gemeinden erfasst werden, deren Gebiet vollständig oder teilweise in einem Umkreis von 20 km um die Betriebe lag, in denen Fälle von KSP gemeldet worden waren. Die Gemeinde Bramsche, in der sich der Betrieb der Kläger befindet, zählt zu den im neuen Anhang I der Entscheidung 93/566 in ihrer geänderten Fassung aufgezählten Gemeinden des Kreises Osnabrück.

22 Mit ihren Entscheidungen 93/671/EG vom 10. Dezember 1993 (ABl. L 306, S. 59) und 93/720/EG vom 30. Dezember 1993 (ABl. L 333, S. 74) zur zweiten bzw. dritten Änderung der Entscheidung 93/566 passte die Kommission die Ausdehnung der von den Versandverboten betroffenen Gebiete an die Entwicklung der KSP an.

23 Durch die - auf Artikel 10 der Richtlinie 90/425 gestützte - Entscheidung 94/27/EG der Kommission vom 20. Januar 1994 über Schutzmaßnahmen gegen die klassische Schweinepest in Deutschland und zur Aufhebung der Entscheidung 93/566 (ABl. L 19, S. 31) wurden die von den Versandverboten betroffenen Gebiete neu abgegrenzt. Nur noch bestimmte Gemeinden in drei Kreisen des Landes Niedersachsen blieben von den Verboten betroffen. Die Gemeinde Bramsche gehört zu den in Anhang I dieser Entscheidung aufgezählten Gemeinden.

24 Nachdem neue Fälle von KSP in anderen Teilen Niedersachsens gemeldet worden waren, erstreckte die Kommission mit Artikel 1 Absatz 1 der Entscheidung 94/178/EG vom 23. März 1994 über Schutzmaßnahmen gegen die klassische Schweinepest in Deutschland und zur Aufhebung der Entscheidungen 94/27/EG und 94/28/EG (ABl. L 83, S. 50) das Verbot, Schweine sowohl in andere Teile Deutschlands als auch in andere Mitgliedstaaten zu versenden, auf das gesamte Gebiet des Landes Niedersachsen. Ausserdem wurde in Artikel 1 Absatz 2 dieser Entscheidung für besonders gefährdete niedersächsische Gebiete ein Verbringungsverbot innerhalb Niedersachsens selbst angeordnet, nämlich das Verbot, Schweine aus dem in Anhang II der Entscheidung beschriebenen in das in deren Anhang I beschriebene Gebiet zu verbringen.

25 Wegen des Auftretens weiterer KSP-Seuchenherde in Niedersachsen änderte die Kommission mit ihrer Entscheidung 94/292/EG vom 19. Mai 1994 (ABl. L 128, S. 21) die Entscheidung 94/178, um u. a. das in Anhang II bezeichnete Gebiet anzupassen.

26 Die Kläger betreiben die Aufzucht von Jungsauen der Hybridrasse JSR in ihrem Aufzuchtstall in Epe, Gemeinde Bramsche, Kreis Osnabrück, im Land Niedersachsen. Die von ihnen belieferten Betriebe befinden sich nach ihren Angaben hauptsächlich in den Kreisen Vechta, Diepholz und Osnabrück sowie in dem an das Land Nordrhein-Westfalen angrenzenden Gebiet.

27 Der Betrieb der Kläger blieb von der KSP verschont, befindet sich jedoch in den Gebieten, auf die sich die Versandverbote erstreckten, die durch die von der Kommission zwischen dem 4. November 1993 und dem 19. Mai 1994 erlassenen vorstehend genannten Entscheidungen angeordnet worden waren.

Verfahren und Anträge der Parteien

28 Die Kläger haben am 15. Dezember 1994 die vorliegende Schadensersatzklage erhoben.

29 Das Gericht (Fünfte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters die mündliche Verhandlung eröffnet und die Parteien in prozeßleitenden Maßnahmen nach Artikel 64 der Verfahrensordnung aufgefordert, schriftlich eine Reihe von Fragen zu beantworten; die Parteien haben diese Fragen ordnungsgemäß beantwortet.

30 Die Parteien haben in der öffentlichen Sitzung vom 12. November 1996 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

31 Die Kläger beantragen,

- die Beklagte zur Zahlung von 173 174,45 DM als Ersatz des durch die streitigen Entscheidungen entstandenen Schadens zu verurteilen;

- der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

32 Die Kommission beantragt,

- die Klage für unzulässig zu erklären oder sie als unbegründet abzuweisen;

- den Klägern die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zur Zulässigkeit

33 Nach Auffassung der Kommission ist die Klage unzulässig, da sie von der "Aloys Schröder, Jan und Karl-Julius Thamann, Zuchtschweine Epe GbR", d. h. einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Sinne der §§ 705 ff. BGB erhoben worden sei. Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts sei aber nach deutschem Recht nicht prozeßfähig.

34 Diese Auslegung der Kommission ist zurückzuweisen. Wie die Kläger zu Recht hervorheben, ergibt sich sowohl aus dem Rubrum der Klage als auch aus dem Vorbringen und der Prozeßvollmacht, in denen von "den Klägern" und nicht von "der Klägerin" die Rede ist, daß die Klage von den natürlichen Personen Aloys Schröder, Jan und Karl-Julius Thamann in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts "Zuchtschweine Epe GbR" und nicht von dieser Gesellschaft erhoben worden ist.

35 Die Klage ist daher zulässig.

Zur Begründetheit

36 Die Kläger vertreten die Ansicht, die Entscheidungen 93/566, 93/621, 93/671, 93/720, 94/27, 94/178, 94/292 der Kommission seien rechtswidrig; durch diese Entscheidungen sei ihnen ein Schaden entstanden, den die Gemeinschaft nach Artikel 215 Absatz 2 EG-Vertrag zu ersetzen habe.

37 Nach Ansicht der Kommission sind die Voraussetzungen für eine Haftung der Gemeinschaft aufgrund der Handlungen ihrer Organe nicht erfuellt.

A - Zur Natur der streitigen Handlungen

Vorbringen der Parteien

38 Nach Ansicht der Kläger stellen die fraglichen Entscheidungen keine normativen Akte, sondern Verwaltungsakte dar, deren Rechtswidrigkeit bereits genüge, um die Haftung der Gemeinschaft auszulösen. Daher seien die Grundsätze anzuwenden, die der Gerichtshof zum Ersatz des durch Verwaltungshandeln verursachten Schadens entwickelt habe (Urteil des Gerichtshofes vom 28. April 1971 in der Rechtssache 4/69, Lütticke/Kommission, Slg. 1971, 325), nicht die Grundsätze über die Haftung der Gemeinschaft wegen normativer Akte, die wirtschaftspolitische Entscheidungen voraussetzten (Urteil des Gerichtshofes vom 2. Dezember 1971 in der Rechtssache 5/71, Zuckerfabrik Schöppenstedt/Rat, Slg. 1971, 975).

39 Alle Rechtssachen, in denen der Gerichtshof die Haftung für normatives Handeln nach strengeren Kriterien beurteilt habe, hätten Verordnungen oder Durchführungsverordnungen im Sinne von Artikel 189 Absatz 2 EG-Vertrag zum Gegenstand gehabt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil vom 14. Dezember 1962 in den verbundenen Rechtssachen 16/62 und 17/62, Confédération nationale des producteurs de fruits et légumes u. a./Rat, Slg. 1962, 963) könne eine Handlung nur dann normativen Charakter haben und der Gesetzgebungsfunktion entsprechen, wenn sie hinsichtlich ihres Regelungsinhalts hinreichend abstrakt und allgemein anwendbar sei. Diese Merkmale wiesen aber nur Verordnungen auf.

40 Eine Entscheidung im Sinne des Artikels 189 Absatz 4 EG-Vertrag stelle eine konkret individuelle Maßnahme dar, die einem administrativen Handeln entspreche, da die Kommission als ausführende Gemeinschaftsinstanz das mit dem Erlaß derartiger Entscheidungen betraute Organ sei.

41 Die Beantwortung der Frage, ob eine Handlung als normativ oder administrativ anzusehen sei, hänge nicht davon ab, ob dem handelnden Organ ein Ermessen eingeräumt sei.

42 Der normative Charakter einer Handlung rechtfertige die von der Rechtsprechung für eine Haftung der Gemeinschaft aufgestellten strengen Voraussetzungen. Diese Rechtsprechung beruhe nämlich auf dem Bemühen, die Rechtsetzungstätigkeit der Gemeinschaft nicht durch etwaige Schadensersatzklagen zu behindern. Insoweit habe der Gerichtshof im Urteil Zuckerfabrik Schöppenstedt/Rat (a. a. O. [Randnr. 38], Randnr. 11) die Haftung der Gemeinschaft für den Schaden eines einzelnen zutreffend eingeschränkt, soweit es sich im betreffenden Fall "um einen Rechtsetzungsakt handelt, der wirtschaftspolitische Entscheidungen einschließt".

43 Ausserdem erkenne der Gerichtshof nur dem Gemeinschaftsgesetzgeber ein wirtschaftspolitisches Ermessen zu. Grundsätzlich nehme der Rat die Gesetzgebungsfunktion wahr, während die Kommission nur in Ausnahmefällen, in denen sie aufgrund besonderer Ermächtigung zum Erlaß von normativen Akten ermächtigt sei, als Gesetzgeber tätig werde, was typischerweise bei einer Ermächtigung zum Erlaß von Durchführungsverordnungen der Fall sei.

44 Die vorgenannten, zwischen dem 4. November 1993 und dem 19. Mai 1994 erlassenen Entscheidungen der Kommission, die für bestimmte Gebiete Versandverbote anordneten, stellten individuelle, hinreichend konkrete Handlungen dar, die auf Artikel 10 Absatz 4 der Richtlinie 90/425 gestützt seien. Diese Bestimmung räume der Kommission jedoch keine spezifische normative Handlungsermächtigung mit wirtschaftspolitischem Ermessensspielraum ein, sondern eine Ermächtigung zur Rechtsanwendung auf konkrete Einzelfälle, gegebenenfalls auf der Grundlage eines Ermessens.

45 Schließlich ermöglichten die fraglichen Entscheidungen eine Individualisierung der betreffenden in Deutschland ansässigen Erzeuger und Exporteure von Schweinen und Schweinefleischerzeugnissen. Bei diesen Entscheidungen handele es sich somit um Verwaltungsakte, die konkrete Tatbestände und keine abstrakt-generellen Regelungsgegenstände beträfen.

46 Nach Ansicht der Kommission sind im vorliegenden Fall die Grundsätze über die Haftung der Gemeinschaft für Rechtsetzungsakte, die wirtschaftspolitische Entscheidungen voraussetzten, anwendbar, wobei der vom Gerichtshof im Urteil Zuckerfabrik Schöppenstedt/Rat (a. a. O. [Randnr. 38]) und in den nachfolgenden Urteilen verwendete Begriff der "Rechtsetzungsakte" alle in Artikel 189 EG-Vertrag genannten Handlungen einschließlich der an die Mitgliedstaaten gerichteten Entscheidungen erfasse.

47 Die beanstandeten Entscheidungen setzten "wirtschaftspolitische Entscheidungen" voraus, unter die alle Entscheidungen fielen, die das Ergebnis der Ausübung einer Ermessensbefugnis bei der Regelung eines Sektors, insbesondere einer gemeinsamen Marktordnung, seien (Urteil des Gerichtshofes vom 24. Oktober 1973 in der Rechtssache 43/72, Merkur/Kommission, Slg. 1973, 1055; Urteil des Gerichts vom 21. Februar 1995 in der Rechtssache T-472/93, Campo Ebro u. a./Rat, Slg. 1995, II-421, Randnr. 42). Insofern habe die Kommission beim Erlaß der streitigen Entscheidungen, insbesondere bei der Festlegung der Gebiete, für die ein Versandverbot zu verhängen gewesen sei, zwischen dem allgemeinen Interesse an der Aufrechterhaltung eines funktionierenden innergemeinschaftlichen Handels mit Schweinen, dem Interesse an der Tiergesundheit und der Erhaltung des Schweinebestands in der Gemeinschaft einerseits und den Interessen der Schweineerzeuger in den Gebieten Deutschlands, in denen die KSP ausgebrochen sei, andererseits abwägen müssen.

48 Ausserdem hafte die Gemeinschaft nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes nur ausnahmsweise und nur unter besonderen Umständen für normatives Unrecht bei wirtschaftspolitischen Ermessensentscheidungen, damit sichergestellt sei, daß die Gemeinschaftsorgane auf wirtschaftspolitischem Gebiet "nicht jedesmal durch die Möglichkeit von Schadensersatzklagen behindert werden, wenn sie Anlaß [haben], im Allgemeininteresse Rechtsnormen zu erlassen, welche die Interessen der einzelnen berühren können" (Urteil des Gerichtshofes vom 25. Mai 1978 in den verbundenen Rechtssachen 83/76, 94/76, 4/77, 15/77 und 40/77, HNL/Rat und Kommission, Slg. 1978, 1209, Randnr. 5). Diese Rechtsprechung sei auf den vorliegenden Fall anwendbar, denn die Kommission wäre in ihren Handlungsmöglichkeiten erheblich behindert, wenn sie jedesmal beim Erlaß von Schutzmaßnahmen zur Bekämpfung von Tierseuchen Schadensersatzklagen zu befürchten hätte. In solchen Fällen, in denen in aller Regel ein schnelles Handeln erforderlich sei, könne ihre Haftung nur ausnahmsweise und unter besonderen Umständen ausgelöst sein.

Würdigung durch das Gericht

49 Artikel 215 Absatz 2 EG-Vertrag bestimmt, daß die Gemeinschaft im Bereich der ausservertraglichen Haftung den durch ihre Organe oder Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind, ersetzt.

50 Nach ständiger Rechtsprechung kann die Haftung der Gemeinschaft nur ausgelöst sein, wenn mehrere Voraussetzungen erfuellt sind: Das dem Gemeinschaftsorgan zur Last gelegte Verhalten muß rechtswidrig sein, es muß ein Schaden vorliegen und zwischen dem rechtswidrigen Verhalten und dem geltend gemachten Schaden muß ein Kausalzusammenhang bestehen (Urteil des Gerichts vom 9. Januar 1996 in der Rechtssache T-575/93, Kölman/Kommission, Slg. 1996, II-1, Randnr. 89).

51 Zur ersten Voraussetzung - rechtswidriges Verhalten - hat der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung klargestellt, daß im Bereich des Verwaltungshandelns jede Rechtsverletzung ein rechtswidriges Handeln darstellt, das die Haftung der Gemeinschaft auslösen kann (Urteil des Gerichtshofes vom 7. November 1985 in der Rechtssache 145/83, Adams/Kommission, Slg. 1985, 3539).

52 Im Bereich von Rechtsetzungsakten wird die Haftung der Gemeinschaft jedoch nur bei Verletzung einer höherrangigen, den einzelnen schützenden Rechtsnorm ausgelöst. Wenn das Organ die Handlung in Ausübung eines weiten Ermessens erlassen hat, setzt die Haftung der Gemeinschaft weiter voraus, daß eine qualifizierte, nämlich eine offensichtliche und schwerwiegende Verletzung vorliegt (Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 1995 in den verbundenen Rechtssachen T-481/93 und T-484/93, Exporteurs in Levende Varkens u. a./Kommission, Slg. 1995, II-2941, Randnr. 81).

53 Es ist also zu prüfen, ob die streitigen Entscheidungen Rechtsetzungs- oder Verwaltungsakte sind und ob der Kommission gegebenenfalls zu ihrem Erlaß ein weites Ermessen zustand.

54 Entgegen der Auffassung der Kläger können Rechtsetzungsakte im Sinne der Rechtsprechung alle in Artikel 189 genannten Handlungen und nicht nur Verordnungen sein. Nach ständiger Rechtsprechung ergibt sich nämlich das Wesen einer Handlung nicht aus ihrer äusseren Form, sondern aus ihrer allgemeinen Geltung oder deren Fehlen (Urteil Exporteurs in Levende Varkens u. a./Kommission, a. a. O. [Randnr. 52], Randnr. 86).

55 Bei der Bestimmung des Wesens der streitigen Handlungen ist folgendes zu berücksichtigen.

56 Erstens erzeugen die streitigen Entscheidungen gegenüber den Klägern die Wirkungen einer Handlung von allgemeiner Geltung ebenso wie eine Verordnung, die es allen Erzeugern und Exporteuren von Schweinen mit Sitz in bestimmten Teilen des Staatsgebiets verböte, Tiere oder bestimmte Erzeugnisse nach anderen Mitgliedstaaten oder in andere Teile des Staatsgebiets zu versenden.

57 Dem steht nicht das Vorbringen der Kläger entgegen, daß es möglich wäre, alle Erzeuger und Exporteure von Schweinen und Schweineerzeugnissen, die ihren Sitz in Deutschland haben und von den streitigen Entscheidungen betroffen sind, zu ermitteln. Nach ständiger Rechtsprechung verliert nämlich ein Rechtsakt seinen Normcharakter nicht dadurch, daß sich die Rechtssubjekte, auf die er in einem bestimmten Zeitpunkt Anwendung findet, der Zahl oder sogar der Identität nach mehr oder weniger genau bestimmen lassen, solange feststeht, daß diese Anwendung aufgrund einer objektiven Sach- oder Rechtslage erfolgt, die in dem Rechtsakt gemäß seiner Zielsetzung festgelegt ist (Urteil des Gerichtshofes vom 18. Mai 1994 in der Rechtssache C-309/89, Codorniu/Rat, Slg. 1994, I-1853, Randnr. 18).

58 Zweitens gehören die streitigen Entscheidungen zum Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik, wie sich aus ihrem Inhalt wie auch daraus ergibt, daß die Richtlinie 90/425, auf deren Grundlage sie erlassen wurden, auf Artikel 43 EG-Vertrag Bezug nimmt; in diesem Bereich verfügen die Organe regelmässig über ein weites Ermessen.

59 Drittens hat die Kommission beim Erlaß von Schutzmaßnahmen wie den streitigen Verboten und der Abgrenzung der Gebiete, für die diese Verbote gelten, das Allgemeininteresse am freien Verkehr mit Tieren innerhalb der Gemeinschaft, am Gesundheitsschutz und am Schutz des Schweinebestands in der Gemeinschaft gegen die besonderen Interessen der von den Verboten betroffenen Schweineerzeuger abzuwägen.

60 Viertens erfordert die Bekämpfung der Ausbreitung der KSP angesichts des intensiven Handels mit Schweinen zwischen den Mitgliedstaaten und im Hinblick auf den Umstand, daß der KSP-Erreger äusserst leicht übertragbar ist, daß die Inkubationszeit bei dieser Krankheit verhältnismässig kurz ist und daß sie für die infizierten Tiere tödlich endet, im allgemeinen ein rasches Tätigwerden der Kommission.

61 Fünftens hat das Gericht in einem kürzlich ergangenen Urteil (Urteil Exporteurs in Levende Varkens u. a./Kommission, a. a. O. [Randnr. 52], Randnr. 87) bereits festgestellt, daß eine von der Kommission auf der Grundlage des Artikels 1 Absatz 4 der Richtlinie 90/425 erlassene Entscheidung, die ein Verbot, lebende Schweine aus einem Mitgliedstaat in die anderen Mitgliedstaaten auszuführen, verhängt, ein Rechtsetzungsakt ist.

62 Aus dem Vorstehenden folgt, daß die streitigen Entscheidungen Rechtsetzungsakte sind, deren Erlaß wirtschaftspolitische Entscheidungen voraussetzt, für die das Organ über ein weites Ermessen verfügt.

63 Nach der genannten ständigen Rechtsprechung wird die Haftung der Gemeinschaft durch solche Handlungen nur ausnahmsweise und unter besonderen Umständen ausgelöst, damit die Gemeinschaftsorgane bei ihrer Willensbildung nicht jedesmal durch die Möglichkeit von Schadensersatzklagen behindert werden, wenn sie Anlaß haben, im Allgemeininteresse Rechtsnormen zu erlassen, die die Interessen des einzelnen berühren können (Urteil HNL/Rat und Kommission, a. a. O. [Randnr. 48], Randnr. 5).

64 Die Haftung der Gemeinschaft kann daher im vorliegenden Fall nur ausgelöst sein, wenn die Kommission eine höherrangige, den einzelnen schützende Rechtsnorm offensichtlich und schwerwiegend verletzt hat.

B - Zum Vorliegen einer offensichtlichen und schwerwiegenden Verletzung einer höherrangigen, den einzelnen schützenden Rechtsnorm

65 Die Kläger machen im wesentlichen fünf Klagegründe geltend, um die Rechtswidrigkeit der streitigen Entscheidungen darzutun. Der erste Klagegrund ist auf eine Verletzung des Diskriminierungsverbots gestützt, der zweite auf eine Verletzung der Eigentumsgarantie und des Rechts auf freie Berufsausübung, der dritte auf eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit, der vierte darauf, daß die streitigen Entscheidungen auf einer unzureichenden Rechtsgrundlage beruhten, und der fünfte auf einen Verstoß gegen Artikel 190 EG-Vertrag.

66 Während sich die ersten vier Klagegründe sämtlich auf eine Verletzung einer höherrangigen, den einzelnen schützenden Rechtsnorm beziehen, ist die Begründetheit des fünften Klagegrundes nicht zu prüfen. Denn nach ständiger Rechtsprechung kann die Haftung der Gemeinschaft nicht durch eine unzureichende Begründung eines Rechtsetzungsakts ausgelöst werden (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 15. September 1982 in der Rechtssache 106/81, Kind/EWG, Slg. 1982, 2885, Randnr. 14; Urteil des Gerichts vom 18. September 1995 in der Rechtssache T-167/94, Nölle/Rat und Kommission, Slg. 1995, II-2589, Randnr. 57).

Zum Klagegrund einer Verletzung des Diskriminierungsverbots

67 Der Klagegrund einer Verletzung des Diskriminierungsverbots gliedert sich in drei Teile. Die Kläger führen eine Diskriminierung im Verhältnis zu Belgien, eine Diskriminierung aufgrund der Festlegung der Gebiete nach Verwaltungsgrenzen und eine Diskriminierung im Verhältnis zum Land Nordrhein-Westfalen an.

Erster Teil: Diskriminierung im Verhältnis zu Belgien

- Vorbringen der Parteien

68 Die Kläger tragen vor, sie würden gegenüber den Schweinezuechtern in Belgien diskriminiert. Die KSP sei in Belgien - in der Gemeinde Wingene in Westflandern - etwa zum gleichen Zeitpunkt wie in Deutschland ausgebrochen, doch seien in diesem Gebiet von den belgischen Behörden nur die für Schutz- und Überwachungszonen geltenden Maßnahmen nach Artikel 4 der Richtlinie 64/432/EWG des Rates vom 26. Juni 1964 zur Regelung viehseuchenrechtlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit Rindern und Schweinen (ABl. 1964, Nr. 121, S. 1977) und nach der Richtlinie 80/217 getroffen worden, ohne daß die Kommission zusätzliche Schutzmaßnahmen für die von der KSP betroffenen oder diesen benachbarten Verwaltungseinheiten (Kreise und Gemeinden) angeordnet hätte.

69 Die gravierenden Unterschiede zwischen den Regelungen für Belgien und das Land Niedersachsen seien nicht objektiv gerechtfertigt; die beanstandeten Entscheidungen der Kommission enthielten keine sachliche Begründung für diese Ungleichbehandlung.

70 Vielmehr seien die KSP-Epidemien in Belgien und in Niedersachsen vergleichbar gewesen. Der Vergleich hätte nicht ausschließlich anhand der absoluten Zahl der KSP-Fälle angestellt werden dürfen. Diese Zahl bringe nicht das Ausmaß des wirtschaftlichen Schadens zum Ausdruck; eine genaue und detaillierte Analyse lasse den Schluß darauf zu, daß die Entwicklung und die Wirkungen der Schweinepestepidemien in den Jahren 1993 und 1994 in Belgien und in Niedersachsen durchaus vergleichbar gewesen seien. In Westflandern und in Niedersachsen habe man es mit dem gleichen Virusstamm "Lothringen", einer ähnlich strukturierten Schweineproduktion, einer ähnlich hohen Schweinedichte und einer Einschleppung zur gleichen Jahreszeit zu tun gehabt. Es lasse sich daher nicht behaupten, daß die belgischen Behörden, abgesehen von dem Umstand, daß sie sofort eine 20-km-Schutzzone errichtet hätten, bei der Bekämpfung der KSP im fraglichen Zeitraum wirksamer als die deutschen Behörden gewesen seien.

71 Die Kommission habe keinen konkreten Beweis dafür erbracht, daß die niedersächsischen Behörden im Vergleich zu den belgischen Behörden versagt hätten. Die Kommission habe im Gegenteil in der siebten Begründungserwägung der Entscheidung 93/566 ausdrücklich anerkannt, daß "Deutschland... die Maßnahmen gemäß der Richtlinie 80/217/EWG getroffen und durch weitere Maßnahmen in den betroffenen Gebieten ergänzt" habe.

72 Selbst wenn eine Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt gewesen wäre, hätte sie doch in einem angemessenen Verhältnis zu den herangezogenen Umständen stehen müssen (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 5. Juli 1977 in der Rechtssache 114/76, Bela-Mühle, Slg. 1977, 1211, vom 13. November 1973 in den verbundenen Rechtssachen 63/72 bis 69/72, Werhahn/Rat, Slg. 1973, 1229, und Merkur/Kommission, a. a. O. [Randnr. 47]). Da es jedoch nach dem Vortrag der Kommission Ziel der Verbote gewesen sei, die Weiterverbreitung der KSP durch die Festlegung weiträumiger Zonen um die befallenen Betriebe zu verhindern, hätten diese Verbote in einem Zusammenhang zum genauen Ort des Ausbruchs der KSP stehen müssen. Auf Verwaltungsgrenzen abstellende Kriterien, die diesen Bezug nicht mehr erkennen ließen, seien daher ungeeignet und stuenden in keinem angemessenen Verhältnis zum Zweck des Verbotes, insbesondere dann, wenn, wie in Niedersachsen, die Verwaltungseinheiten sehr groß seien. Daß die Entscheidung 93/566 bei gleichbleibender Seuchenlage durch die Entscheidung 93/621 geändert worden sei, mit der die von den Verboten betroffenen Gebiete nach Gemeindegrenzen festgelegt worden seien, zeige, daß der Kommission bewusst gewesen sei, daß die Verbringungsverbote, die für nach Kreisgrenzen abgesteckte Gebiete gegolten hätten, ungeeignet und unverhältnismässig gewesen seien.

73 Nach Ansicht der Kommission bestanden in Belgien und Deutschland hinsichtlich der KSP unterschiedliche Situationen.

74 Im Jahr 1993 sei es in Belgien lediglich zu sieben Fällen von KSP gekommen, während in Deutschland im gleichen Jahr hundert Fälle (gegenüber dreizehn Fällen 1992 und sechs Fällen 1991) - davon 60 allein in Niedersachsen - gemeldet worden seien. Bei der Bekämpfung der KSP sei für die Anordnung von Versandverboten die Zahl der gemeldeten KSP-Fällen und nicht das Ausmaß des durch die Tötung von Schweinen verursachten wirtschaftlichen Schadens entscheidend. An der Zahl der KSP-Fälle zeige sich nämlich, ob es den nationalen Behörden gelinge, die Verbreitung der Seuche einzudämmen, oder ob es sinnvoll sei, Versandverbote anzuordnen.

75 Die belgischen Behörden seien bei der Bekämpfung der KSP wirksamer gewesen, insbesondere deshalb, weil sie von Anfang an zusätzliche 20-km-Zonen festgelegt und umfangreichere epizootiologische Untersuchungen durchgeführt hätten. Es komme im vorliegenden Fall nicht entscheidend darauf an, welches konkrete Fehlverhalten den niedersächsischen Behörden vorzuwerfen sei, da es diesen angesichts der hohen Zahl der aufgetretenen KSP-Fälle unbestreitbar nicht gelungen sei, die Seuche unter Kontrolle zu bringen, und da die Gefahr einer Ausweitung bestanden habe. Ausserdem hätten die deutschen Behörden im Gegensatz zu den belgischen Behörden, die die Kommission ständig über die Lage unterrichtet hätten, die Kommission von sich aus weder über die Entwicklung der Seuche noch über die Lage vor Ort informiert. Die Kommission sei jedoch auf diese Mitarbeit angewiesen, um die Verbote festzulegen und alle erforderlichen Schutzmaßnahmen zu ergreifen.

76 Selbst wenn aber die Sachverhalte in Belgien und Deutschland vergleichbar gewesen wären, sei die unterschiedliche Behandlung doch sachlich gerechtfertigt gewesen, da die Kommission nur dann im Interesse der Aufrechterhaltung des Schweinehandels in der Gemeinschaft und zum Schutz der Schweinebestände in den anderen Mitgliedstaaten tätig werden müsse, wenn die nationalen Behörden nicht in der Lage seien, die KSP unter Kontrolle zu halten und wirksam zu bekämpfen. Die belgischen Behörden hätten sich aber bei der Bekämpfung der KSP als zuverlässig erwiesen, während bis zum 4. November 1993, dem Tag des Erlasses der ersten der beanstandeten Entscheidungen, bereits 92 Fälle von KSP im Jahr 1993 im deutschen Staatsgebiet gemeldet worden seien.

- Würdigung durch das Gericht

77 Nach Artikel 40 Absatz 3 Unterabsatz 2 EG-Vertrag hat die im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik zu errichtende gemeinsame Marktorganisation "jede Diskriminierung zwischen Erzeugern oder Verbrauchern innerhalb der Gemeinschaft auszuschließen". Nach ständiger Rechtsprechung ist das Diskriminierungsverbot dieser Bestimmung nur der spezifische Ausdruck des allgemeinen Gleichheitssatzes, der zu den fundamentalen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehört (Urteil des Gerichts vom 14. September 1995 in der Rechtssache T-571/93, Lefebvre u. a./Kommission, Slg. 1995, II-2379, Randnr. 78).

78 Das Diskriminierungsverbot ist eine höherrangige, den einzelnen schützende Rechtsnorm, deren Verletzung die Haftung der Gemeinschaft auslösen kann (vgl. z. B. Urteil des Gerichts vom 27. Juni 1991 in der Rechtssache T-120/89, Stahlwerke Peine-Salzgitter/Kommission, Slg. 1991, II-279, Randnrn. 117 f.).

79 Demgemäß ist zu prüfen, ob die Kommission mit dem Erlaß der streitigen Entscheidungen offensichtlich und schwerwiegend gegen diesen Grundsatz verstossen hat, der nach ständiger Rechtsprechung verlangt, daß vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich behandelt werden, sofern eine Differenzierung nicht sachlich gerechtfertigt ist (Urteil Campo Ebro u. a./Rat, a. a. O. [Randnr. 47], Randnr. 82).

80 Die Kläger behaupten zu Unrecht, sie seien gegenüber den in Belgien ansässigen Schweinezuechtern diskriminiert worden. Im Jahr 1993 waren nämlich nur sieben KSP-Fälle in Belgien gemeldet worden, während in derselben Zeit hundert Fälle in Deutschland aufgetreten waren, davon sechzig allein in Niedersachsen. In einer Region mit sehr hoher Konzentration von Schweinehaltungsbetrieben stellt die Zahl der KSP-Fälle, wie die Kommission zu Recht hervorgehoben hat, ein angemessenes Kriterium zur Beurteilung der Gefahr einer Ausbreitung der Krankheit und der Notwendigkeit eines Eingreifens der Kommission zum Schutz des Schweinebestands in den Mitgliedstaaten dar.

81 Zudem verpflichtet Artikel 10 der Richtlinie 90/425 die Mitgliedstaaten, die Kommission unverzueglich über das Auftreten von Krankheiten wie der KSP sowie über die ergriffenen Gegenmaßnahmen oder vorbeugenden Maßnahmen zu unterrichten; nach Artikel 10 Absatz 3 kann die Kommission vorsorgliche Maßnahmen treffen, falls sie nicht über die getroffenen Maßnahmen informiert wurde.

82 Im vorliegenden Fall haben die belgischen Behörden im Gegensatz zu den deutschen Behörden jedoch die Dienststellen der Kommission ständig zeitnah über die Entwicklung der KSP in ihrem Gebiet und über die zur Bekämpfung dieser Krankheit getroffenen nationalen Maßnahmen unterrichtet. Die Kommission war daher über die Situation in Belgien bestens informiert, so daß sie bei ihren Maßnahmen zur Bekämpfung und Ausbreitung der KSP in Belgien von den in Deutschland angeordneten Maßnahmen abweichen durfte. Da sich die Maßnahmen gegen die Ausbreitung der KSP zudem nach der objektiven Gefahr einer solchen Ausbreitung richten müssen, bedarf es keiner weiteren Prüfung, ob die zuständigen nationalen Stellen bei der Bekämpfung dieser Krankheit versagt haben.

83 Somit waren die Situationen in Belgien und in Deutschland nicht vergleichbar, so daß der erste Teil des Klagegrundes einer Verletzung des Diskriminierungsverbots zurückzuweisen ist.

Zweiter Teil: Diskriminierung aufgrund der Festlegung der Gebiete nach Verwaltungsgrenzen

- Vorbringen der Parteien

84 Die Kläger werfen der Kommission vor, die Versandverbote nach Maßgabe von Verwaltungseinheiten (Gemeinden und Kreisen) und nicht nach Maßgabe der Entfernung vom Seuchenherd festgelegt zu haben, wie dies bei den Schutz- und den Überwachungszonen nach Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie 80/217 der Fall gewesen sei. Die Festlegung der Gebiete anhand verwaltungsrechtlicher Kriterien berücksichtige nicht den Grad der tatsächlichen Ansteckungsgefahr und habe sie gegenüber anderen Betrieben diskriminiert, die zwar zum KSP-Seuchenherd gleich entfernt gewesen seien, sich jedoch in einer von den Versandverboten nicht erfassten Verwaltungseinheit befunden hätten.

85 Nach der Rechtsprechung sei eine Maßnahme dann sachlich nicht zu rechtfertigen, wenn sie offensichtlich ungeeignet sei. Bei der Bekämpfung einer Tierseuche könne aber Maßstab für die Prüfung der Geeignetheit nur der Grad der Ansteckungs- und Übertragungsgefahr der Tierseuche sein. Verbote des Versandes aus nach Verwaltungseinheiten bestimmten Teilen des Staatsgebiets könnten zwar eine Ausbreitung der KSP aus diesen Gebieten heraus tatsächlich verhindern, jedoch nicht die Entwicklung dieser Krankheit innerhalb dieser Gebiete unterbinden.

86 Die Kommission vertritt die Auffassung, bei der Festlegung der Teile des Staatsgebiets, für die die Versandverbote gälten, sei sie nicht verpflichtet, nur geographische Kriterien oder gar allein die Entfernung von Seuchenherden zu berücksichtigen, sondern sie könne auch auf Verwaltungseinheiten abstellen. Dies folge insbesondere aus Artikel 9 der Richtlinie 80/217. Es liege im Ermessen der Kommission, bei der Festlegung der Teile des Staatsgebiets, die von den auf der Grundlage der Richtlinie 90/425 ergriffenen Verbotsmaßnahmen erfasst werden sollten, entweder auf vorwiegend geographische Kriterien, auf verwaltungsrechtliche Einheiten oder auf eine Kombination dieser Kriterien abzustellen; die Grenzen dieses Ermessens würden nur überschritten, wenn sich die betreffende Maßnahme als offensichtlich ungeeignet erweise (Urteil des Gerichtshofes vom 21. Februar 1990 in den verbundenen Rechtssachen C-267/88 bis C-285/88, Wuidart u. a., Slg. 1990, I-435, Randnr. 14). Dies sei hier aber nicht der Fall.

87 So sei die Wahl der Methode zur Abgrenzung der Gebiete unter den Mitgliedstaaten umstritten; die Frage werde im Ständigen Veterinärausschuß beraten. Die Kommission berücksichtige, wenn irgend möglich, die vom betroffenen Mitgliedstaat bevorzugte Abgrenzungsmethode. Im vorliegenden Fall habe die Bundesrepublik Deutschland selbst eine Abgrenzung nach Verwaltungseinheiten unter Hinweis darauf vorgeschlagen, daß das Veterinärwesen auf Kreisebene organisiert sei. Diese Abgrenzung habe die bestmögliche Garantie für eine effektive Kontrolle und Durchsetzung der Maßnahmen geboten, weil sofort auf funktionsfähige Verwaltungsstrukturen habe zurückgegriffen werden können.

88 Auch bei einer Festlegung der Versandverbote nach Maßgabe vorrangig geographischer Kriterien hätte der Betrieb der Kläger von den Verboten erfasst werden können. Die Verbote wären nämlich nicht notwendigerweise nur für Teile des Staatsgebiets in einem Umkreis von 20 km um einen Seuchenherd festgelegt worden, da auch insoweit besondere geographische Kriterien, wie natürliche Grenzen und die Dichte der schweineerzeugenden Betriebe, hätten berücksichtigt werden müssen. Im Kreis Osnabrück sowie in den angrenzenden Kreisen Vechta und Diepholz bestehe aber nach Angaben der deutschen Behörden die weltweit höchste Dichte von schweineerzeugenden Betrieben.

89 Ausserdem hätten die Kläger nicht bewiesen, daß andere, ihrem Betrieb vergleichbare Betriebe, die näher an Seuchenherden gelegen hätten, von den Versandverboten nicht betroffen gewesen seien.

90 Schließlich seien zwischen dem 31. Oktober 1993 und dem 20. Januar 1994 zwar keine neuen Fälle im Landkreis Osnabrück aufgetreten, jedoch seien aus Niedersachsen dreizehn Fälle gemeldet worden, und zwar die meisten aus dem Kreis Vechta, der an den Kreis Osnabrück angrenze. Zwölf der dreizehn Fälle seien aus dem Regierungsbezirk Weser-Ems gemeldet worden, zu dem auch der Kreis Osnabrück gehöre; die Regierungsbezirke seien jedoch die Verwaltungseinheiten, die für die Koordinierung der Maßnahmen gegen die KSP zuständig seien. Die wiederholten Fälle von KSP im Regierungsbezirk Weser-Ems seien ein eindeutiges Indiz dafür, daß bei der Koordinierung der Maßnahmen zur Ausrottung der Seuche, insbesondere bei den epidemiologischen Untersuchungen, Fehler unterlaufen seien.

- Würdigung durch das Gericht

91 Die Richtlinie 90/425, auf deren Grundlage die streitigen Entscheidungen erlassen worden sind, legt weder geographische noch verwaltungsrechtliche Kriterien für die Abgrenzung der Teile des Staatsgebiets fest, auf die sich die von der Kommission angeordneten Schutz- und Sicherungsmaßnahmen beziehen.

92 Die Kläger können nicht mit dem Argument gehört werden, die Kommission hätte Versandverbote nur für die Teile des deutschen Staatsgebiets anordnen dürfen, die sich ausserhalb eines Umkreises von 3 km bzw. 10 km um die Seuchenherde befänden, wie es Artikel 9 der Richtlinie 80/217 für die Errichtung der Schutz- und der Überwachungszonen vorsieht. Diese Bestimmung betrifft nämlich nicht die Schutz- und Sicherungsmaßnahmen, die die Kommission ergreifen kann, wenn sie dies für erforderlich hält, sondern lediglich die Bestimmung der Schutz- und der Überwachungszonen, die die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten einrichten müssen, sobald der KSP-Seuchenbefund amtlich bestätigt worden ist.

93 Die praktische Wirksamkeit der von der Kommission nach der Richtlinie 90/425 getroffenen Maßnahmen wäre in Frage gestellt, wenn diese nur zu den Bedingungen und nach den Kriterien getroffen werden dürften, die nach der Richtlinie 80/217 für die Festlegung der Schutz- und der Überwachungszonen durch die nationalen Behörden maßgeblich sind. Ganz im Gegenteil hat die Kommission im gemeinschaftlichen System der Bekämpfung der Ausbreitung der KSP nur dann einzugreifen, wenn dies geboten ist, weil die von den Mitgliedstaaten getroffenen Maßnahmen nicht ausreichen, um die Gefahr für die Bestände der Mitgliedstaaten zu beseitigen.

94 Daraus folgt, daß die Maßgaben des Artikels 9 der Richtlinie 80/217 für die Kommission beim Erlaß der auf Artikel 10 Absatz 4 der Richtlinie 90/425 gestützten Maßnahmen nicht verbindlich sind, sondern allenfalls Faktoren darstellen, von denen sich die Kommission bei der Ausübung ihres weiten Ermessens leiten lassen kann.

95 Zudem lässt selbst eine Prüfung der beanstandeten Entscheidungen der Kommission an den Maßgaben des Artikels 9 der Richtlinie 80/217 die Auffassung der Kläger nicht als begründet erscheinen. Erstens handelt es sich bei den in Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie 80/217 vorgesehenen Umkreisen von 3 km und 10 km um die Seuchenherde nur um Mindestradien zur Festlegung der Schutz- und der Überwachungszonen. Nach dieser Bestimmung ist daher je nach den Umständen des Einzelfalls die Festlegung von Gebieten mit grösserem Radius möglich. Zweitens haben die Kläger nicht dargetan, daß eine Abgrenzung der von den Verboten betroffenen Teile des Staatsgebiets allein nach dem Kriterium der Entfernung von den Seuchenherden zur Folge gehabt hätte, daß ihr Betrieb vom Versandverbot nicht erfasst worden wäre. Drittens darf die Festlegung der Zonen nach Artikel 9 Absatz 2 nicht nur aufgrund geographischer Kriterien und erst recht nicht nur aufgrund des Kriteriums der Entfernung von den Seuchenherden erfolgen. Nach dieser Bestimmung muß die zuständige Behörde nämlich bei der Abgrenzung der Zonen eine ganze Reihe weiterer Faktoren berücksichtigen, und zwar insbesondere die Strukturen des Schweinehandels und die Kontrollmöglichkeiten. Nach dem von den Klägern nicht bestrittenen Vortrag der Kommission weisen aber der Kreis Osnabrück, in dem sich der Betrieb der Kläger befindet, sowie die benachbarten Kreise Vechta und Diepholz, in denen zahlreiche Fälle von KSP gemeldet wurden, die weltweit höchste Dichte von schweineerzeugenden Betrieben auf.

96 Daher war die Kommission berechtigt, die von den Versandverboten erfassten Teile des Staatsgebiets entsprechend den Grenzen von Verwaltungseinheiten festzulegen.

97 Gleichwohl ist zu prüfen, ob die Kommission beim Erlaß der streitigen Entscheidungen nicht die Grenzen ihres weiten Ermessens überschritten hat.

98 Nach der Richtlinie 90/425 hat die Kommission im Benehmen mit dem betreffenden Mitgliedstaat zu prüfen, welche Maßnahmen zu treffen sind, und in dem aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammengesetzten Ständigen Veterinärausschuß die Lage zu prüfen.

99 Die Kommission hat, ohne daß ihr von den Klägern widersprochen worden wäre, vorgetragen, daß die Bundesrepublik Deutschland im vorliegenden Fall selbst eine Abgrenzung auf der Grundlage von Verwaltungseinheiten (Landkreise und/oder Gemeinden) vorgeschlagen habe. Wie die Kläger in der mündlichen Verhandlung eingeräumt haben, hat der im Bund zuständige Beamte und Leiter der Delegation, der der einzige Gesprächspartner der Kommissionsdienststellen war, trotz der - wegen des Widerspruchs eines Vertreters Niedersachsens - fehlenden Einigkeit innerhalb dieser Delegation für die Abgrenzung nach Maßgabe von Verwaltungseinheiten gestimmt.

100 Damit hat sich die Kommission bei der Festlegung der von den Versandverboten betroffenen Teile des Staatsgebiets nach Verwaltungseinheiten tatsächlich mit den deutschen Bundesbehörden ins Benehmen gesetzt. Diese Abstimmung entspricht auch der üblichen Praxis der Kommission, die vom betreffenden Mitgliedstaat geäusserten Wünsche zumindest insoweit zu berücksichtigen, als sie zur Gewährleistung einer sachgerechten Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen angemessen erscheinen.

101 Die Abgrenzungsmethode nach Verwaltungseinheiten war im vorliegenden Fall insbesondere deshalb gerechtfertigt, weil sie bessere Garantien für eine wirksame Kontrolle und Durchführung der getroffenen Maßnahmen bot. Nach § 2 Absatz 1 des niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Tierseuchengesetz (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt, Nr. 18, 1994) sind die Kreise und kreisfreien Städte für das Ergreifen von Maßnahmen zur Bekämpfung von Tierseuchen und insbesondere für den Erlaß, die Überwachung und die Kontrolle der sich aus den Rechtsakten von Rat und Kommission ergebenden Maßnahmen zuständig. Der Erfolg eines zur Verhinderung der Ausbreitung der Schweinepest verhängten Verbringungsverbots hängt jedoch von der Wirksamkeit der zuständigen Veterinärbehörden des betreffenden Mitgliedstaats ab, die das Verbot an Ort und Stelle überwachen und vollziehen.

102 Eine auf vorhandene Verwaltungseinheiten gestützte Abgrenzung hat auch den Vorteil, daß sie ein rasches Vorgehen ermöglicht. Eine Festlegung der Gebiete nach geographischen Kriterien erfordert dagegen eine Prüfung des Geländes, insbesondere der natürlichen Grenzen (u. a. der Wasserläufe und Strassen), sowie der Standorte der Betriebe. Die Anwendung einer solchen Methode setzt daher die Vorlage detaillierter Unterlagen durch die zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats voraus. Dies ist jedoch im vorliegenden Fall unstreitig nicht geschehen.

103 Schließlich berücksichtigen die Grenzen der Verwaltungseinheiten, wie die Kläger in ihren schriftlichen Antworten auf die Fragen des Gerichts betont haben, im allgemeinen natürliche geographische Gegebenheiten (wie Wasserläufe und Strassen).

104 Daher hat die Kommission nicht die Grenzen ihres Ermessens offensichtlich und schwerwiegend überschritten, als sie die Gebiete nach Maßgabe von Verwaltungseinheiten festgelegt hat.

105 Infolgedessen ist der zweite Teil des Klagegrundes einer Verletzung des Diskriminierungsverbots zurückzuweisen.

Dritter Teil: Diskriminierung im Verhältnis zum Land Nordrhein-Westfalen

- Vorbringen der Parteien

106 Die Kläger tragen vor, die nach Verwaltungsgrenzen festgelegten Versandverbote hätten sie gegenüber bestimmten Betrieben in Nordrhein-Westfalen insoweit diskriminiert, als diese von den Verboten nicht betroffen gewesen seien, obwohl sie sich in gleicher Entfernung vom Seuchenherd wie ihr Betrieb befunden hätten. Die Situationen in den beiden Bundesländern ließen sich nur unter Berücksichtigung des Kriteriums der Gefährdung durch die Seuche und nicht, wie die Kommission dies tü, des Kriteriums der Zahl der KSP-Fälle miteinander vergleichen.

107 Die Kläger führen als Beispiel hierfür den Fall von Betrieben in der Gemeinde Westerkappeln (nordöstlicher Teil des Landkreises Steinfurt, Nordrhein-Westfalen) an, die den Verboten nicht unterworfen gewesen seien, obwohl sie von dem KSP-Fall in Rieste (Kreis Osnabrück, Niedersachsen) nur 15 km entfernt gelegen seien, sowie den Fall von Betrieben in der Gemeinde Stemwede (Kreis Minden-Lübbecke, Nordrhein-Westfalen), bei denen die Entfernung zu dem KSP-Fall in Damme-Rüschendorf (Kreis Vechta, Niedersachsen) weniger als 10 km betragen habe.

108 Da die Lage in den beiden Bundesländern im Hinblick auf die über die Verwaltungsgrenzen hinausgehende Gefährdung durch die KSP und auf den Zweck der zu ergreifenden Maßnahmen, die Ausbreitung der KSP zu verhindern, vergleichbar sei, sei eine unterschiedliche Behandlung sachlich nicht zu rechtfertigen.

109 Nach Auffassung der Kommission sind die Kläger nicht gegenüber Betrieben in Nordrhein-Westfalen diskriminiert worden. Die Sachverhalte seien nicht vergleichbar gewesen, da sich die nordrhein-westfälischen Behörden fähig gezeigt hätten, die KSP wirksam zu bekämpfen und zu kontrollieren, was darin zum Ausdruck komme, daß es in dem von den streitigen Entscheidungen erfassten Zeitraum nicht zu Fällen von KSP gekommen sei. Die Entfernung von einem Seuchenherd sei nicht das einzige Kriterium gewesen, das die Kommission bei der Anordnung der Versandverbote berücksichtigt habe. So hätten die Behörden Nordrhein-Westfalens die KSP wirksam unter Kontrolle gehalten, so daß keine Gefahr einer Ausbreitung der KSP auf andere Gebiete oder andere Mitgliedstaaten bestanden habe. Daher habe die Kommission, die beim Erlaß der streitigen Entscheidungen berücksichtigt habe, daß Nordrhein-Westfalen bei der Bekämpfung der KSP insgesamt sehr erfolgreich gewesen sei und eine äusserst effiziente Veterinärverwaltung gehabt habe - was in der gegenüber den in Niedersachsen aufgetretenen Fällen (64 im Jahr 1993, 66 1994 und 23 1995) niedrigen Zahl von KSP-Fällen in Nordrhein-Westfalen (7 im Jahr 1993, 1 1994 und 2 1995) zum Ausdruck komme -, für dieses Bundesland kein Verbot angeordnet.

110 Selbst wenn man aber von einer Vergleichbarkeit der Situationen ausgehe, sei die unterschiedliche Behandlung doch sachlich gerechtfertigt, weil die Behörden Nordrhein-Westfalens die KSP wirksam unter Kontrolle gehalten hätten, so daß die Gefahr einer Ausbreitung der Seuche auf andere Gebiete, insbesondere andere Mitgliedstaaten, nicht bestanden habe. Jedoch würden die Grenzen der Bundesländer bei der Festsetzung der Schutz- und Überwachungszonen nach Artikel 9 der Richtlinie 80/217 nicht berücksichtigt; die nordrhein-westfälischen Betriebe in unmittelbarer Nähe eines in Niedersachsen befindlichen Seuchenherds seien den für diese Zonen geltenden Beschränkungen unterworfen gewesen. Ausserdem hätten die Kläger nicht bewiesen, daß sich nordrhein-westfälische Betriebe in grösserer Nähe zu einem Seuchenherd als ihr eigener Betrieb befunden hätten.

- Würdigung durch das Gericht

111 Die nordrhein-westfälischen Betriebe, die sich in der Nähe eines Seuchenherds in Niedersachsen befanden, waren den Beschränkungen unterworfen, die sich aus den von den deutschen Behörden gemäß der Richtlinie 80/217 festgelegten Schutz- und Überwachungszonen ergaben.

112 Im übrigen waren die Situationen in Niedersachsen und in Nordrhein-Westfalen offensichtlich nicht miteinander vergleichbar. In Nordrhein-Westfalen war nämlich in dem Zeitraum, auf den sich die streitigen Entscheidungen beziehen, kein Fall von KSP registriert worden. Daher konnte die Kommission selbst dann, wenn sich, wie die Kläger behaupten, tatsächlich bestimmte Betriebe in diesem Bundesland in geringerer Entfernung von einem Seuchenherd als ihr eigener Betrieb befanden, zu Recht davon ausgehen, daß die zuständigen Behörden des Landes Nordrhein-Westfalen in der Lage waren, die KSP wirksam unter Kontrolle zu halten, und daß in diesem Gebiet die Gefahr einer Ausbreitung der KSP, die den Erlaß weiterer Schutzmaßnahmen durch sie erfordert hätte, nicht bestand.

113 Damit ist auch der dritte Teil des Klagegrundes einer Verletzung des Diskriminierungsverbots unbegründet.

114 Aus dem Vorstehenden folgt, daß die Kommission das Diskriminierungsverbot nicht verletzt hat. Der erste Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

Zum Klagegrund einer Verletzung der Eigentumsgarantie und des Rechts auf freie Berufsausübung

Vorbringen der Parteien

115 Die Kläger machen geltend, die durch die beanstandeten Entscheidungen der Kommission angeordneten Versandverbote hätten die Nutzungsmöglichkeit ihres Eigentums derart beschränkt, daß sie faktisch einem Eigentumsentzug gleichkämen. Die Verbote hätten nämlich letztlich die Aufzucht und die Mast von Schweinen unmöglich gemacht.

116 Die Versandverbote stellten ein untaugliches Mittel zur Bekämpfung einer Tierseuche dar und seien ihrem Zweck unangemessen, da sie im Gegensatz zur Festlegung der Schutz- und der Überwachungszonen nach der Richtlinie 80/217 nicht an den Seuchenherd anknüpften, sondern nur nach Maßgabe von Verwaltungseinheiten ohne Rücksicht auf die spezifische Seuchengefährdung des jeweiligen Betriebes, die sich aus dessen Nähe zum Seuchenherd ergebe, festgesetzt worden seien.

117 Die Versandverbote seien in Wahrheit Vermarktungsverbote und stellten damit eine unzulässige Enteignung dar, da es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes dem Entzug des Eigentums gleichkomme, wenn dem Eigentümer untersagt werde, über sein Eigentum frei zu verfügen und es frei zu nutzen (Urteil des Gerichtshofes vom 13. Dezember 1979 in der Rechtssache 44/79, Hauer, Slg. 1979, 3727). Nach Artikel 1 des ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 wie auch nach der Verfassungstradition der Mitgliedstaaten sei aber eine Enteignung nur gegen prompte, angemessene und effektive Entschädigung zulässig, die hier jedoch nicht vorgesehen sei.

118 Die Kläger weisen die Behauptung der Kommission zurück, daß die nach Maßgabe der Verwaltungsgrenzen festgesetzten Verbote effektiver und besser kontrollierbar seien. In Deutschland gebe es auf Gemeinde-, Kreis- oder Landesebene keine Kontrollstellen, die die Einhaltung der nach Maßgabe der Verwaltungseinheiten festgesetzten Versandverbote wirksam sicherstellen könnten.

119 Aus den gleichen Gründen verletzten die streitigen Entscheidungen auch das Recht der Kläger auf freie Berufsausübung.

120 Die Kommission verweist darauf, daß eine Maßnahme dann nicht zum Entzug des Eigentums führe, wenn "es dem Eigentümer unbenommen bleibt, über sein Gut zu verfügen und es jeder anderen, nicht untersagten Nutzung zuzuführen" (Urteil Hauer, a. a. O. [Randnr. 117], Randnr. 19). Die Kläger hätten jedoch trotz der Versandverbote weiterhin über ihr Eigentum verfügen können.

121 Sowohl das Eigentumsrecht als auch das Recht auf freie Berufsausübung könnten Beschränkungen unterworfen werden (Urteil des Gerichtshofes vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-280/93, Deutschland/Rat, Slg. 1994, I-4973, Randnr. 78).

122 Die Rechte der Kläger seien insoweit jedoch nicht beschränkt worden. Der Betrieb der Kläger liege im Kreis Osnabrück, die Betriebe ihrer Hauptabnehmer seien in den benachbarten Kreisen Diepholz und Vechta gelegen und die Versandverbote hätten für diese drei Kreise gegolten. Daher sei davon auszugehen, daß die Kläger grundsätzlich ihre Jungsauen weiterhin an ihre traditionelle Abnehmer hätten verkaufen können, da eine Vermarktung der Schweine innerhalb der fraglichen Teile des Staatsgebiets nach den Entscheidungen der Kommission erlaubt gewesen sei. Ein etwaiger Rückgang des Bedarfs an Jungsauen stelle jedoch keine Beschränkung und erst recht keinen Entzug des Eigentums der Kläger dar. Diese könnten nämlich kein Eigentum an einer gesicherten Nachfrage geltend machen.

123 Die Kläger legten nicht substantiiert dar, weshalb sie nicht mehr an ihre traditionellen Abnehmer oder an andere Abnehmer hätten liefern können. Ausserdem hätten die Kläger es unterlassen, die behaupteten festen Lieferverträge vorzulegen.

124 Selbst wenn man aber einen Eingriff in das Eigentum oder das Recht auf freie Berufsausübung der Kläger durch die angegriffenen Entscheidungen bejahe, handele es sich im vorliegenden Fall doch um eine nach den Grundsätzen der Rechtsprechung zulässige Beschränkung. Die streitigen Verbote entsprächen dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Gemeinschaft. Sie seien notwendig zum Schutz der Schweinebestände, zur Aufrechterhaltung des Schweinehandels und damit zur Sicherung des Wirtschaftszweigs der Schweineerzeugung. Daher stellten sie keinen Eingriff in den Wesensgehalt des Eigentums oder des Rechts auf freie Berufsausübung dar.

Würdigung durch das Gericht

125 Nach ständiger Rechtsprechung können die von den Klägern in Anspruch genommenen Grundrechte keine uneingeschränkte Geltung beanspruchen. Ihre Ausübung kann namentlich im Rahmen einer gemeinsamen Marktorganisation Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese Beschränkungen tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Gemeinschaft entsprechen und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismässigen, nichttragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet (Urteil des Gerichtshofes vom 11. Juli 1989 in der Rechtssache 265/87, Schräder, Slg. 1989, 2237, Randnr. 15).

126 Es ist also das mit den streitigen Entscheidungen verfolgte Ziel zu ermitteln und zu prüfen, ob zwischen diesem Ziel und den Versandverboten ein angemessenes Verhältnis besteht.

127 Zunächst hat jede Schutzmaßnahme per definitionem Auswirkungen, die das Eigentum und das Recht auf freie Berufsausübung beeinträchtigen, und benachteiligt dadurch Beteiligte, die für die Situation, die zum Erlaß der Schutzmaßnahmen geführt hat, nicht verantwortlich sind (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 30. Juli 1996 in der Rechtssache C-84/95, Bosphorus, Slg. 1996, I-3953, Randnr. 22). Daher lässt sich aus dem Umstand, daß die Versandverbote für die Kläger, deren Betrieb ihren Angaben zufolge von der KSP weder betroffen noch bedroht war, nachteilige Auswirkungen gehabt haben, allein noch nicht ableiten, daß diese Verbote unzulässige Beschränkungen dargestellt hätten.

128 Des weiteren konnte die Bedeutung der mit den streitigen Entscheidungen verfolgten Ziele - Bekämpfung der Ausbreitung einer Tierseuche, der KSP, die zu einer Sterberate und Störungen solchen Ausmasses führte, daß sie die Wirtschaftlichkeit der gesamten Schweinezucht in der Gemeinschaft in Frage stellte - selbst erhebliche negative Auswirkungen für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigen.

129 Die im vorliegenden Fall getroffenen Maßnahmen hatten jedoch keine - schon gar keine erheblichen - negativen Auswirkungen für die betroffenen Schweineerzeuger. Zum einen handelte es sich nicht um radikale Maßnahmen, wie Massenschlachtungen, sondern lediglich um vorübergehende Beschränkungen der Verbringung von Schweinen. Zum anderen bezogen sich die Beschränkungen nur auf abgegrenzte, besonders gefährdete Teile des Staatsgebiets. Im übrigen stellte die Abgrenzung der Teile des Staatsgebiets nach Verwaltungseinheiten, wie das Gericht im Rahmen der Prüfung des Klagegrundes der Verletzung des Diskriminierungsverbots festgestellt hat, ein angemessenes Mittel zur Bekämpfung der Ausbreitung der KSP dar, so daß die Kommission dadurch die Grenzen ihres Ermessens nicht offensichtlich und schwerwiegend überschritten hat.

130 Zudem haben die Kläger nicht nachgewiesen, daß ihnen ihr Eigentum und ihr Recht auf freie Ausübung ihrer Tätigkeit tatsächlich entzogen worden sind. Nach eigenen Angaben der Kläger, deren Betrieb sich im Kreis Osnabrück befindet, sind ihre Hauptabnehmer nämlich in den Kreisen Osnabrück, Diepholz und Vechta ansässig, die sämtlich zu den Gebieten gehören, für die die mit den beanstandeten Entscheidungen der Kommission angeordneten Schutzmaßnahmen galten. Da der Verkehr innerhalb der erfassten Gebiete zumindest bis zum Erlaß zusätzlicher Schutzmaßnahmen durch die Entscheidung 94/178 im wesentlichen frei blieb, hätten die Kläger darlegen müssen, inwieweit die Entscheidungen der Kommission sie am Verkauf ihrer Erzeugnisse an ihre traditionellen Abnehmer gehindert hätten. Mit der blossen Vorlage eines Verzeichnisses von ausserhalb der Verbotsgebiete ansässigen weiteren Abnehmern in der mündlichen Verhandlung, die zudem wegen Verspätung unzulässig war, konnte das Vorliegen des von den Klägern behaupteten Schadens nicht hinreichend bewiesen werden.

131 Folglich sind die Versandverbote in den streitigen Entscheidungen weder unangemessen noch unverhältnismässig. Somit ist der Klagegrund einer Verletzung der Eigentumsgarantie und des Rechts auf freie Berufsausübung zurückzuweisen.

Zum Klagegrund einer Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit

Vorbringen der Parteien

132 Nach Ansicht der Kläger verletzen die streitigen Entscheidungen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit.

133 Sie verweisen zunächst auf die im Rahmen des vorigen Klagegrundes geltend gemachten Argumente, insbesondere auf diejenigen, die sich auf die Abgrenzung der Teile des Staatsgebiets nach Verwaltungseinheiten beziehen.

134 Sodann machen sie geltend, die streitigen Entscheidungen seien deshalb unverhältnismässig, weil ihr Betrieb von der KSP nicht betroffen gewesen sei und eine Schutz- oder eine Notimpfung ihnen gegenüber daher ein erheblich milderes Mittel dargestellt hätte. Sie meinen zu wissen, daß die zuständigen deutschen Stellen einen Antrag auf Notimpfung gestellt hätten, der jedoch von der Kommission abgelehnt worden sei.

135 Die Kommission erinnert daran, daß sie den Vorwurf der Festlegung der Verbotsgebiete nach Verwaltungseinheiten für unbegründet halte. Im übrigen seien nach ständiger Rechtsprechung (vgl. Urteil des Gerichtshofes, Deutschland/Rat, a. a. O. [Randnr. 121], Randnr. 90) Maßnahmen auf dem Gebiet der gemeinsamen Agrarpolitik nur dann unverhältnismässig, wenn sie zur Erreichung des verfolgten Zweckes offensichtlich ungeeignet seien. Die Kläger behaupteten aber nicht, daß die Versandverbote offensichtlich ungeeignet gewesen seien, eine weitere Ausbreitung der KSP zu verhindern und das Funktionieren des Schweinehandels in der Gemeinschaft sicherzustellen.

136 Es treffe auch nicht zu, daß Impfungen ein ebenso geeignetes Mittel wie Versandverbote darstellten. Die Gemeinschaft verfolge zur Bekämpfung von Tierseuchen bewusst eine Politik der Nichtimpfung. Notimpfungen, selbst wenn sie auf ein bestimmtes Gebiet begrenzt seien, garantierten nicht die Ausrottung des Virus, da die infizierten Tiere unentdeckt blieben. Sie verhinderten auch nicht die Geburt von Ferkeln, die zwar scheinbar gesund seien, jedoch das Virus in sich trügen. Schließlich sei bei serologischen Untersuchungen nicht unterscheidbar, ob Antikörper von einer Infektion oder einer Impfung herrührten. Ein geimpftes Tier könne mit anderen Worten Virusträger sein und die Krankheit weiter verbreiten.

137 Überdies hätten auch andere Gründe für die Ablehnung des Antrags der Bundesrepublik Deutschland vom 7. Februar 1994 auf Zulassung von Notimpfungen gesprochen. Nachdem die Kommission nämlich besorgniserregende Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten, insbesondere bei der Identifikation der Tiere und der Kontrolle ihrer Verbringung, festgestellt habe, habe sie befürchtet, daß Impfungen die Schweineerzeuger zu Nachlässigkeiten bei den Vorsorgemaßnahmen veranlassen und damit die gesamte Politik der Gemeinschaft zur Bekämpfung der KSP gefährden würden. Ausserdem erfordere ein ordnungsgemässes Notimpfprogramm ein zwölfmonatiges völliges Verbot der Verbringung von Schweinen und Schweinefleischerzeugnissen aus den Impfgebieten. Die Beibehaltung der Politik der Nichtimpfung sei von grösster Bedeutung für die Handelsbeziehungen mit Drittländern, von denen ebenfalls die Verfolgung dieser Politik erwartet werde.

Würdigung durch das Gericht

138 Nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit müssen Maßnahmen, die durch eine Gemeinschaftshandlung angeordnet werden, geeignet sein, das verfolgte Ziel zu erreichen, und sie dürfen die Grenzen des hierzu Erforderlichen nicht überschreiten. Dieser Grundsatz erfordert weiter, daß von mehreren geeigneten Maßnahmen die am wenigsten einschränkende gewählt wird und daß die verursachten Unzuträglichkeiten nicht ausser Verhältnis zu den verfolgten Zielen stehen (vgl. Urteil Exporteurs in Levende Varkens u. a./Kommission, a. a. O. [Randnr. 52], Randnr. 119).

139 Aus der Prüfung der vorherigen Klagegründe ergibt sich, daß im vorliegenden Fall die Verbote, die für die nach Verwaltungseinheiten bestimmten Gebiete angeordnet wurden, ein der Bekämpfung der Ausbreitung der KSP angemessenes und im Hinblick auf dieses Ziel nicht unverhältnismässiges Mittel darstellten.

140 Was das Argument angeht, Impfungen hätten ein milderes Mittel zur Bekämpfung der KSP dargestellt, so ist nach Artikel 14 der Richtlinie 80/217 in der Fassung der Richtlinie 91/685 die Verwendung von Impfstoffen gegen die KSP grundsätzlich verboten.

FORTSETZUNG DER GRÜNDE UNTER DOK.NUM: 694A0390.1

141 Wenn der Rückgriff auf Notimpfungen auch unter bestimmten Umständen erlaubt bleibt, entspricht die Nichtimpfung doch einer langjährigen Politik der Gemeinschaft. Im Rahmen der vorliegenden Schadensersatzklage kann es nicht darum gehen, die Richtigkeit der von der Gemeinschaft zur Bekämpfung der KSP verfolgten Politik zu beurteilen, sondern nur darum, ob sich die Kommission dadurch rechtswidrig verhalten hat, daß sie die Grenzen ihres Ermessens offensichtlich und schwerwiegend überschritten hat. Insoweit kann jedoch die mit ihrer Politik auf diesem Gebiet in Einklang stehende Entscheidung der Kommission, Notimpfungen nicht zuzulassen, keinen solchen Verstoß begründen.

142 Zudem dürfen im Fall der Notimpfung lebende Schweine nach Artikel 14 Absätze 3 und 4 der Richtlinie 80/217 in der Fassung der Richtlinie 91/685 das Impfgebiet für die Dauer von sechs Monaten nach Abschluß der Impfungen nicht verlassen. Die von den Klägern empfohlene Maßnahme hätte mithin für sie kein milderes Mittel als die streitigen Verbote dargestellt.

143 Folglich haben die beanstandeten Entscheidungen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht offensichtlich und schwerwiegend verletzt.

Zum Klagegrund der unzureichenden Rechtsgrundlage

Vorbringen der Parteien

144 Nach Ansicht der Kläger können Maßnahmen tierseuchenrechtlicher Art wie die Versandverbote nach den streitigen Entscheidungen nicht auf Artikel 10 Absatz 4 der Richtlinie 90/425 gestützt werden, deren alleiniges Ziel es sei, veterinärrechtliche und tierzuechterische Kontrollen im Binnenmarkt festzulegen, nicht aber, Versandverbote anzuordnen.

145 Diese Auffassung werde dadurch bestätigt, daß für tierseuchenrechtliche Maßnahmen Sonderregelungen gälten. So stellten die Richtlinie 64/432 sowie die Richtlinien 72/461/EWG des Rates vom 12. Dezember 1972 zur Regelung viehseuchenrechtlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit frischem Fleisch (ABl. L 302, S. 24) und 80/215/EWG des Rates vom 22. Januar 1980 zur Regelung viehseuchenrechtlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit Fleischerzeugnissen (ABl. L 47, S. 4) Sonderregelungen dar, die sich ausdrücklich auf den Handel mit lebenden Schweinen, Schweinefleisch und Erzeugnissen von Schweinen für den Fall des Auftretens der KSP bezögen.

146 Weiter sei die Kommission, selbst wenn sie nach der Richtlinie 90/425 zum Erlaß von Schutzmaßnahmen wie Versandverboten ermächtigt sei, doch nicht befugt, Verbote mit Geltung innerhalb eines Mitgliedstaats anzuordnen, da die seuchenrechtlich relevanten Richtlinien 64/432, 72/461 und 80/215 nur den grenzueberschreitenden Handel zwischen den Mitgliedstaaten und nicht den Handel innerhalb eines Mitgliedstaats beträfen.

147 Zudem habe Artikel 7a EG-Vertrag die Grenzen zwischen den Mitgliedstaaten nicht beseitigt. Der Gemeinschaft komme nicht die Befugnis zu, rein innerstaatliche Sachverhalte zu regeln, da Artikel 7a allein dazu diene, die zwischenstaatlichen Beschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten aufzuheben oder gegebenenfalls zu harmonisieren.

148 Soweit schließlich die Kommission auf den Grundsatz der Regionalisierung verweise, stehe dies in Widerspruch zu ihrem Vorbringen zur Notwendigkeit, Verbote nach Maßgabe von Verwaltungseinheiten anzuordnen, da die Gebiete mit hohem Seuchenrisiko auch ohne Anknüpfung an Verwaltungsgrenzen hätten festgelegt werden können.

149 Die Kommission macht erstens geltend, daß Artikel 10 der Richtlinie 90/425 die zutreffende Rechtsgrundlage darstelle. Sie verweist auf die zehnte Begründungserwägung dieser Richtlinie, in der es heisst: "Es empfiehlt sich, eine Schutzregelung vorzusehen. Insbesondere aus Gründen der Effizienz muß in diesem Bereich die Verantwortung in erster Linie beim Versandmitgliedstaat liegen. Die Kommission muß die Möglichkeit haben, insbesondere durch Besichtigungen vor Ort und durch Ergreifen der zweckdienlichen Maßnahmen unverzueglich tätig zu werden." Weiter sähen Artikel 10 Absätze 3 und 4 dieser Richtlinie ausdrücklich vor, daß die Kommission gegenüber den Tieren bzw. Erzeugnissen, die aus dem Seuchengebiet oder einem bestimmten Betrieb oder Zentrum bzw. einer bestimmten Einrichtung stammten, vorsorgliche Maßnahmen treffen könne.

150 Zweitens erlaube es Artikel 10 Absatz 4 der Richtlinie 90/425, innerhalb eines Mitgliedstaats geltende Versandverbote anzuordnen. Aus dem Titel dieser Richtlinie wie auch aus ihren ersten beiden Begründungserwägungen ergebe sich, daß sie im Hinblick auf den Binnenmarkt erlassen worden sei, der nach Artikel 7a Absatz 2 EG-Vertrag "einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen dieses Vertrages gewährleistet ist", umfasse. Demgemäß sei das Gebiet der Gemeinschaft als ein einziger Markt anzusehen, und es könne keinen Unterschied machen, ob Tiere aus Seuchengebieten in andere Mitgliedstaaten oder in andere Gebiete des betreffenden Mitgliedstaats verbracht würden.

151 Schutzmaßnahmen sollten sich unter Beachtung des Grundsatzes der Regionalisierung soweit wie möglich auf die Region beschränken, in der die Seuche aufgetreten sei, vor allem deshalb, weil regional begrenzte Maßnahmen ein wesentlich milderes Mittel darstellten. Nur in Ausnahmefällen könne das gesamte Gebiet eines Mitgliedstaats vom innergemeinschaftlichen Handel ausgeschlossen werden. Dazu heisse es in der fünften Begründungserwägung der Entscheidung 93/566: "Da geographisch begrenzte Gebiete mit besonders hohem Seuchenrisiko abgegrenzt werden können, lassen sich die Handelsbeschränkungen auf regionaler Ebene anwenden."

152 Abschließend legt die Kommission dar, im vorliegenden Fall habe sie zunächst versucht, die Verbreitung der KSP mit Maßnahmen zu bekämpfen, durch die lediglich das Verbringen von Schweinen aus bestimmten Gebieten Deutschlands in andere Mitgliedstaaten untersagt worden sei, während der Verkauf innerhalb Deutschlands unbeschränkt geblieben sei. Diese Maßnahmen hätten jedoch nicht zu einer wirksamen Bekämpfung der KSP geführt, die sich in Deutschland weiter ausgebreitet und sogar Belgien erreicht habe.

Würdigung durch das Gericht

153 Die Auffassung der Kläger, daß die Richtlinie 90/425 es der Kommission nicht gestatte, Schutzmaßnahmen, wie Versandverbote, zu erlassen, ist zurückzuweisen.

154 Entgegen ihrem Vorbringen ist der Anwendungsbereich dieser Richtlinie nämlich nicht auf die Regelung von veterinärrechtlichen und tierzuechterischen Kontrollen beschränkt.

155 Daneben sieht die Richtlinie, wie ihre zehnte Begründungserwägung ankündigt, eine Schutzregelung vor. Nach Artikel 10 Absätze 3 und 4 der Richtlinie kann die Kommission gegenüber den Tieren oder Erzeugnissen, die aus dem Seuchengebiet stammen, nach Prüfung im Ständigen Veterinärausschuß die notwendigen Maßnahmen erlassen.

156 So hat der Gerichtshof im Urteil vom 26. Mai 1993 in der Rechtssache C-52/92 (Kommission/Portugal, Slg. 1993, I-2961) bereits eine aufgrund des Artikels 10 der Richtlinie 90/425 ergangene Entscheidung der Kommission für rechtmässig erklärt, die es bestimmten Mitgliedstaaten untersagt hatte, Mastschweine aus Gemeinden mit starker Seuchengefährdung in andere Mitgliedstaaten zu versenden.

157 Die Kläger können sich auch nicht darauf berufen, daß die Kommission nicht befugt gewesen sei, aufgrund des Artikels 10 Absatz 4 der Richtlinie 90/425 Entscheidungen zu erlassen, mit denen sie Versandverbote angeordnet hat, die sich nicht nur auf den innergemeinschaftlichen Handel, sondern auch auf den Handel innerhalb eines Mitgliedstaats bezogen.

158 Die Richtlinie 90/425 sieht nämlich nicht vor, daß die Maßnahmen der Kommission nur den Handel zwischen Mitgliedstaaten betreffen dürften.

159 Im übrigen kann die Kommission zwar unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit Schutzmaßnahmen beschließen, die sich nicht auf das gesamte, sondern nur das betroffene Gebiet eines Mitgliedstaats beziehen, sie muß sich jedoch vergewissern, daß diese Maßnahmen die Erreichung des verfolgten Zwecks ermöglichen. Bei Maßnahmen, die die Verbringung von Tieren aus den verseuchten Gebieten eines Mitgliedstaats nur verbieten, soweit die Tiere in andere Mitgliedstaaten, nicht aber, soweit sie in andere Teile des Staatsgebiets des ersteren Mitgliedstaats verbracht werden, besteht jedoch immer noch die Gefahr, daß sich die Tierseuche auf das übrige Staatsgebiet dieses Staates und von dort aus weiter auf die anderen Mitgliedstaaten ausbreitet. Das Verbot, Tiere aus den verseuchten Gebieten eines Staates nicht nur in andere Mitgliedstaaten, sondern auch in andere Teile des ersteren Staates zu verbringen, kann somit eine unverzichtbare Ergänzung der Beschränkung der Verbote auf regionaler Ebene sein.

160 Im vorliegenden Fall reichten die Entscheidungen 93/364 und 93/497, die nur die Verbringung von Schweinen in andere Mitgliedstaaten untersagen, jedoch den Absatz innerhalb des deutschen Staatsgebiets uneingeschränkt weiter zugelassen hatten, zur wirksamen Bekämpfung der Ausbreitung der KSP nicht aus, da sich diese in Deutschland weiter ausgebreitet und sogar Belgien erreicht hat.

161 Daher stellten die mit den angegriffenen Entscheidungen angeordneten Verbote des Versandes nach anderen Teilen des deutschen Staatsgebiets tatsächlich eine unverzichtbare Ergänzung der Verbote des Versandes nach den anderen Mitgliedstaaten dar und zielten somit auf die Bekämpfung der Ausbreitung der KSP in den anderen Mitgliedstaaten ab.

162 Somit ist, ohne daß es einer Äusserung zur Bedeutung des Artikels 7a EG-Vertrag bedürfte, festzustellen, daß die beanstandeten Entscheidungen keinen rein innerstaatlichen Sachverhalt betrafen.

163 Daraus folgt, daß der Klagegrund einer unzureichenden Rechtsgrundlage unbegründet ist.

164 Nach alledem haben die Kläger nicht nachgewiesen, daß die Kommission mit dem Erlaß der streitigen Entscheidungen offensichtlich und schwerwiegend gegen eine höherrangige, den einzelnen schützende Rechtsnorm verstossen hat. Die Klage ist daher als unbegründet abzuweisen, ohne daß zu prüfen wäre, ob die weiteren Voraussetzungen einer Haftung der Gemeinschaft vorliegen.

Kostenentscheidung:

Kosten

165 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kläger mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen entsprechend dem Antrag der Kommission ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Kommission aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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