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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 17.12.1991
Aktenzeichen: T-4/89
Rechtsgebiete: EWG, Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages


Vorschriften:

EWG Art. 85 Abs. 1
Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages Art. 15
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. In einer an ein Unternehmen gerichteten Entscheidung nach Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag können gegenüber diesem Unternehmen nur die Schriftstücke als Beweismittel verwendet werden, von denen schon im Stadium der Mitteilung der Beschwerdepunkte und aufgrund ihrer Erwähnung in dieser Mitteilung oder in deren Anlagen erkennbar war, daß die Kommission sich auf sie berufen wollte, und zu deren Beweiskraft sich das Unternehmen somit rechtzeitig äussern konnte.

2. Der Umstand, daß dem Beratenden Ausschuß für Kartell- und Monopolfragen und der Kommission eine vorläufige Anhörungsniederschrift vorgelegen hat, kann nur dann einen Fehler des Verwaltungsverfahrens darstellen, der die Rechtswidrigkeit der das Verfahren abschließenden Entscheidung nach sich ziehen könnte, wenn die Fassung dieser Niederschrift für ihre Adressaten in einem wesentlichen Punkt irreführend war.

3. Die Wahrung der Verteidigungsrechte verlangt nicht, daß die von einem Verfahren nach Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag betroffenen Unternehmen die Möglichkeit haben, den Bericht des Anhörungsbeauftragten zu kommentieren. Die Wahrung der Verteidigungsrechte ist nämlich rechtlich hinreichend sichergestellt, wenn die bei der Ausarbeitung der endgültigen Entscheidung zusammenwirkenden Stellen korrekt über die Argumentation der Unternehmen informiert worden sind, die diese in Beantwortung der ihnen von der Kommission mitgeteilten Beschwerdepunkte und gegenüber den von der Kommission zur Erhärtung dieser Beschwerdepunkte vorgelegten Beweismitteln vorgetragen haben. Der Bericht des Anhörungsbeauftragten ist jedoch ein rein internes Schriftstück der Kommission, das nur den Wert eines Gutachtens hat und nicht dem Zweck dient, das Vorbringen der Unternehmen zu ergänzen oder zu korrigieren, neue Beschwerdepunkte zu formulieren oder neue Beweismittel gegen die Unternehmen zu liefern.

4. Eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag liegt schon dann vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten. Dies ist dann der Fall, wenn es zwischen mehreren Unternehmen eine Willensübereinstimmung zur Erreichung von Preis- und Verkaufsmengenzielen gab.

5. Artikel 85 EWG-Vertrag ist auch auf ausser Kraft getretene Kartelle anwendbar, deren Wirkungen über das formelle Ausserkrafttreten hinaus fortbestehen.

6. Die Kriterien der Koordinierung und der Zusammenarbeit, anhand deren sich der Begriff der abgestimmten Verhaltensweise bestimmen lässt, sind im Sinne des Grundgedankens der Wettbewerbsvorschriften des Vertrages zu verstehen, wonach jeder Unternehmer selbständig zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Gemeinsamen Markt zu betreiben gedenkt. Dieses Selbständigkeitspostulat beseitigt zwar nicht das Recht der Unternehmen, sich dem festgestellten oder erwarteten Verhalten ihrer Konkurrenten mit wachem Sinn anzupassen; es steht jedoch streng jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen Unternehmen entgegen, die bezweckt oder bewirkt, entweder das Marktverhalten eines gegenwärtigen oder potentiellen Konkurrenten zu beeinflussen oder einen solchen Konkurrenten über das Marktverhalten ins Bild zu setzen, das man selbst an den Tag zu legen entschlossen ist oder in Erwägung zieht.

Die Teilnahme an Sitzungen, deren Zweck es ist, Preis- und Verkaufsmengenziele festzulegen, und in denen die Wettbewerber Informationen über die Preise, die sie zu praktizieren beabsichtigen, über ihre Rentabilitätsschwelle, über die von ihnen für notwendig gehaltenen Beschränkungen der Verkaufsmengen oder ihre Verkaufszahlen austauschen, stellt eine abgestimmte Verhaltensweise dar, da die teilnehmenden Unternehmen die so weitergegebenen Informationen zwangsläufig bei der Festlegung ihres Marktverhaltens berücksichtigen.

7. Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag sieht keine spezifische Subsumtion für eine Zuwiderhandlung vor, die zwar komplex, aber doch einheitlich ist, weil sie aus einem kontinuierlichen Verhalten besteht, das durch eine einzige Zielsetzung gekennzeichnet ist und sowohl Einzelakte aufweist, die als "Vereinbarungen" anzusehen sind, als auch Einzelakte, die "abgestimmte Verhaltensweisen" dargestellt haben. Daher kann eine solche Zuwiderhandlung als "eine Vereinbarung und aufeinander abgestimmte Verhaltensweise" qualifiziert werden, ohne daß für jeden Einzelakt gleichzeitig und kumulativ der Nachweis erforderlich ist, daß er sowohl die Tatbestandsmerkmale einer Vereinbarung als auch die einer abgestimmten Verhaltensweise erfuellt.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (ERSTE KAMMER) VOM 17. DEZEMBER 1991. - BASF AG GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - WETTBEWERB - BEGRIFF DER VEREINBARUNG UND DER ABGESTIMMTEN VERHALTENSWEISE KOLLEKTIVE VERANTWORTLICHKEIT. - RECHTSSACHE T-4/89.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Die vorliegende Rechtssache betrifft eine Entscheidung der Kommission, mit der fünfzehn Herstellern von Polypropylen wegen Verstosses gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag eine Geldbusse auferlegt wurde. Das von der angefochtenen Entscheidung (nachstehend: Entscheidung) erfasste Erzeugnis ist eines der wichtigsten thermoplastischen Polymere. Polypropylen wird von den Herstellern an die Verarbeiter zur Weiterverarbeitung zu Fertig- und Halbfertigerzeugnissen verkauft. Die wichtigsten Hersteller von Polypropylen verfügen über eine Palette von mehr als hundert verschiedenen Sorten für einen breiten Fächer von Verwendungszwecken. Die wichtigsten Polypropylengrundsorten sind Raffia, Homopolymer für Spritzguß, Kopolymer für Spritzguß, hochschlagfestes Kopolymer und Folien. Alle Unternehmen, an die die Entscheidung gerichtet ist, sind grosse Hersteller petrochemischer Erzeugnisse.

2 Der westeuropäische Polypropylenmarkt wird fast ausschließlich von europäischen Produktionsstätten beliefert. Vor 1977 wurde dieser Markt von zehn Herstellern beliefert, nämlich von den Unternehmen Montedison (die spätere Montepolimeri SpA und jetzige Montedipe SpA), Hoechst AG, Imperial Chemical Industries PLC und Shell International Chemical Company Ltd (den sogenannten "vier Grossen"), die zusammen 64 % des Marktes innehatten, Enichem Anic SpA in Italien, Rhône-Poulenc SA in Frankreich, Alcudia in Spanien, Chemische Werke Hüls und BASF AG in Deutschland sowie Chemie Linz AG in Österreich. Nach dem Auslaufen der Hauptpatente von Montedison traten 1977 in Westeuropa sieben neue Hersteller auf: Amoco und Hercules Chemicals NV in Belgien, ATO Chimie SA und Solvay & Cie SA in Frankreich, SIR in Italien, DSM NV in den Niederlanden und Taqsa in Spanien. Der norwegische Hersteller Saga Petrokjemi AS & Co. und die Petrofina SA nahmen ihre Tätigkeit Mitte 1978 bzw. im Jahre 1980 auf. Das Auftreten neuer Hersteller mit einer nominalen Kapazität von rund 480 000 t bewirkte ein erhebliches Anwachsen der Produktionskapazität in Westeuropa, die mehrere Jahre lang nicht durch einen entsprechenden Anstieg der Nachfrage ausgeglichen wurde. Dies hatte einen geringen Auslastungsgrad der Produktionskapazitäten zur Folge; zwischen 1977 und 1983 soll der Auslastungsgrad jedoch schrittweise von 60 % auf 90 % gestiegen sein. Nach der Entscheidung sollen sich Angebot und Nachfrage von 1982 an im grossen und ganzen im Gleichgewicht befunden haben. Während des grössten Teils des Untersuchungszeitraums (1977 bis 1983) sei der Polypropylenmarkt jedoch durch eine niedrige Rentabilität oder durch erhebliche Verluste gekennzeichnet gewesen, und zwar namentlich wegen der Bedeutung der fixen Kosten und des Anstiegs des Preises des Ausgangsstoffes Propylen. Nach Randnummer 8 der Entscheidung beliefen sich 1983 die europäischen Marktanteile der Montepolimeri SpA auf 18 %, der Imperial Chemical Industries, der Shell International Chemical Company Ltd und Hoechst AG auf jeweils 11 %, der Hercules Chemicals NV auf knapp 6 %, der ATO Chimie SA, der BASF AG, der DSM NV, der Chemische Werke Hüls, der Chemie Linz AG, der Solvay & Cie. SA und der Saga Petrokjemi AS & Co. auf jeweils 3 bis 5 % und der Petrofina SA auf etwa 2 %. Der Polypropylenhandel zwischen Mitgliedstaaten sei groß gewesen, da jeder der damals in der Gemeinschaft niedergelassenen Hersteller in die meisten, wenn nicht in alle Mitgliedstaaten verkauft habe.

3 Die Klägerin gehörte zu den Herstellern, die den Markt vor 1977 belieferten. Sie war ein mittelgrosser Hersteller auf dem Polypropylenmarkt mit einem Marktanteil zwischen 4,1 und 4,7 %.

4 Am 13. und 14. Oktober 1983 führten Beamte der Kommission gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, 13, S. 204; nachstehend: Verordnung Nr. 17) gleichzeitig Nachprüfungen bei den folgenden, den Markt der Gemeinschaft beliefernden Herstellern von Polypropylen durch:

- ATO Chimie SA, jetzt Atochem (nachstehend: ATO);

- BASF AG (nachstehend: Klägerin);

- DSM NV (nachstehend: DSM);

- Hercules Chemicals NV. (nachstehend: Hercules);

- Hoechst AG (nachstehend: Hoechst);

- Chemische Werke Hüls (nachstehend: Hüls);

- Imperial Chemical Industries PLC (nachstehend: ICI);

- Montepolimeri SpA, jetzt Montedipe (nachstehend: Monte);

- Shell International Chemical Company Ltd (nachstehend: Shell);

- Solvay & Cie. SA (nachstehend: Solvay);

- BP Chimie (nachstehend: BP).

Keine Nachprüfungen erfolgten bei Rhône-Poulenc SA (nachstehend: Rhône-Poulenc) und bei der Enichem Anic SpA.

5 Im Anschluß an diese Nachprüfungen richtete die Kommission Auskunftsverlangen nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 (nachstehend: Auskunftsverlangen) nicht nur an die genannten, sondern auch an folgende Unternehmen:

- Amoco;

- Chemie Linz AG (nachstehend: Linz);

- Saga Petrokjemi AS & Co., jetzt Teil von Statoil (nachstehend: Statoil);

- Petrofina SA (nachstehend: Petrofina);

- Enichem Anic SpA (nachstehend: Anic).

Linz, ein österreichisches Unternehmen, bestritt die Zuständigkeit der Kommission und weigerte sich, dem Auskunftsverlangen nachzukommen. Gemäß Artikel 14 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 führten Kommissionsbeamte anschließend Nachprüfungen bei Anic und bei der Saga Petrochemicals UK Ltd, der englischen Tochter von Saga, sowie bei den Verkaufsgesellschaften von Linz im Vereinigten Königreich und in der Bundesrepublik Deutschland durch. An Rhône-Poulenc erging kein Auskunftsverlangen.

6 Anhand des im Rahmen dieser Nachprüfungen und Auskunftsverlangen entdeckten Beweismaterials gelangte die Kommission zu der vorläufigen Auffassung, die Hersteller hätten von 1977 bis 1983 unter Verstoß gegen Artikel 85 EWG-Vertrag durch eine Reihe von Preisinitiativen regelmässig Zielpreise festgesetzt und ein System jährlicher Mengenkontrolle entwickelt, um den verfügbaren Markt nach vereinbarten Prozentsätzen oder Mengen unter sich aufzuteilen. Am 30. April 1984 beschloß die Kommission deshalb, ein Verfahren gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 einzuleiten. Im Mai 1984 übermittelte sie den genannten Unternehmen mit Ausnahme von Anic und Rhône-Poulenc die schriftliche Mitteilung der Beschwerdepunkte. Alle Adressaten äusserten sich dazu schriftlich.

7 Am 24. Oktober 1984 traf der von der Kommission ernannte Anhörungsbeauftragte mit den Rechtsberatern der Adressaten der Beschwerdepunkte zusammen, um Vereinbarungen über den Ablauf der im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vorgesehenen Anhörung zu treffen, deren Beginn für den 12. November 1984 vorgesehen war. In dieser Sitzung teilte die Kommission den Unternehmen ausserdem zu den in den Antworten auf die Beschwerdepunkte vorgebrachten Argumenten mit, sie werde ihnen in Kürze ergänzende Unterlagen zu den bereits übermittelten Beweismitteln bezueglich der Durchsetzung der Preisinitiativen zuleiten. Demgemäß übersandte sie den Rechtsberatern der Unternehmen am 31. Oktober 1984 eine Reihe von Unterlagen, die Kopien der einschlägigen Preisinstruktionen der Hersteller für ihre Verkaufsstellen einschließlich der Tabellen enthielten, in denen diese Belege zusammengefasst waren. Um die Wahrung des Geschäftsgeheimnisses zu gewährleisten, verband die Kommission diese Übermittlung mit bestimmten Auflagen; insbesondere durften die übersandten Unterlagen nicht an die kaufmännischen Abteilungen der Unternehmen weitergegeben werden. Die Anwälte einiger Unternehmen lehnten diese Auflagen ab und schickten die Unterlagen vor der mündlichen Anhörung zurück.

8 Aufgrund der Angaben in den schriftlichen Antworten auf die Beschwerdepunkte beschloß die Kommission, das Verfahren auf Anic und Rhône-Poulenc auszudehnen. Demgemäß übersandte sie diesen Unternehmen am 25. Oktober 1984 eine Mitteilung der Beschwerdepunkte, die der den anderen fünfzehn Unternehmen übersandten Mitteilung ähnlich war.

9 Eine erste Reihe von Anhörungen fand vom 12. bis zum 20. November 1984 statt. In ihr wurden mit Ausnahme von Shell (die sich geweigert hatte, an einer Anhörung teilzunehmen) sowie Anic, ICI und Rhône-Poulenc (die sich nicht in der Lage sahen, ihre Unterlagen vorzubereiten) alle Unternehmen angehört.

10 Bei diesen Anhörungen weigerten sich mehrere Unternehmen, sich mit den Fragen auseinanderzusetzen, die in den ihnen am 31. Oktober 1984 übersandten Unterlagen angeschnitten worden waren, da die Kommission die gesamte Bewertung des Falles geändert habe; sie müssten zumindest Gelegenheit erhalten, sich hierzu schriftlich zu äussern. Andere machten geltend, sie hätten nicht genügend Zeit gehabt, die betreffenden Unterlagen vor der Anhörung zu prüfen. Die Anwälte der Klägerin sowie von DSM, Hercules, Hoechst, ICI, Linz, Monte, Petrofina und Solvay übersandten der Kommission am 28. November 1984 ein gemeinsames Schreiben in diesem Sinne. In einem Schreiben vom 4. Dezember 1984 schloß sich Hüls dieser Linie an.

11 Daraufhin leitete die Kommission den Unternehmen am 29. März 1985 eine neue Serie von Dokumenten zu, die die Preisanweisungen der Unternehmen an ihre Verkaufsbüros wiedergaben, begleitet von Preistabellen, sowie eine Zusammenfassung der Beweise für alle Preisinitiativen, für die Unterlagen verfügbar waren. Die Unternehmen wurden aufgefordert, sich dazu schriftlich und in einer weiteren mündlichen Anhörung zu äussern. Die ursprünglichen Auflagen bezueglich der Weitergabe an die kaufmännischen Abteilungen hob die Kommission auf.

12 In einem weiteren Schreiben gleichen Datums ging die Kommission auf das Vorbringen der Anwälte ein, sie habe die Rechtsnatur des angeblichen Kartells nach Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag nicht eindeutig definiert. Sie forderte die Unternehmen auf, sich hierzu schriftlich und mündlich zu äussern.

13 Eine zweite Reihe von Anhörungen fand vom 8. bis zum 11. Juli 1985 und am 25. Juli 1985 statt. Dabei äusserten sich Anic, ICI und Rhône-Poulenc; die anderen Unternehmen (mit Ausnahme von Shell) nahmen zu den von der Kommission in den beiden Schreiben vom 29. März 1985 angesprochenen Fragen Stellung.

14 Der Entwurf der Niederschrift über die Anhörungen sowie alle anderen entscheidungserheblichen Unterlagen wurden den Mitgliedern des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen (nachstehend: Beratender Ausschuß) am 19. November 1985 übergeben und den Unternehmen am 25. November 1985 zugesandt. Der Beratende Ausschuß gab seine Stellungnahme in seiner 170. Sitzung vom 5. und 6. Dezember 1985 ab.

15 Am Ende dieses Verfahrens erließ die Kommission die streitige Entscheidung vom 23. April 1986. Der verfügende Teil dieser Entscheidung lautet wie folgt:

"Artikel 1

Anic SpA, ATO Chemie SA (heute Atochem), BASF AG, DSM NV, Hercules Chemicals NV, Hoechst AG, Chemische Werke Hüls (jetzt Hüls AG), ICI PLC, Chemische Werke Linz, Montepolimeri SpA (jetzt Montedipe), Petrofina SA, Rhône-Poulenc SA, Shell International Chemical Co. Ltd., Solvay & Cie und Saga Petrokjemi AG & Co. (jetzt Teil der Statoil) haben gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstossen, indem sie

- im Fall von Anic von etwa November 1977 bzw. 1978 bis weit ins Jahr 1982 oder Anfang 1983;

- im Fall von Rhône-Poulenc von etwa November 1977 bis Ende 1980;

- im Fall von Petrofina von 1980 bis mindestens November 1983;

- im Fall von Hoechst, ICI, Montepolimeri und Shell von etwa Mitte 1977 bis mindestens November 1983;

- im Fall von Hercules, Linz, Saga und Solvay von etwa November 1977 bis mindestens November 1983;

- im Fall von ATO von mindestens 1978 bis mindestens November 1983;

- im Fall von BASF, DSM und Hüls von einem Zeitpunkt zwischen 1977 und 1979 bis mindestens November 1983

an einer von Mitte 1977 stammenden Vereinbarung und abgestimmten Verhaltensweise beteiligt waren, durch die die Gemeinschaft mit Polypropylen beliefernden Hersteller:

a) miteinander Verbindung hatten und sich regelmässig (von Anfang 1981 an zweimal monatlich) in einer Reihe geheimer Sitzungen trafen, um ihre Geschäftspolitik zu erörtern und festzulegen;

b) von Zeit zu Zeit für den Absatz ihrer Erzeugnisse in jedem Mitgliedstaat der EWG Ziel- (oder Mindest-)preise festlegten;

c) verschiedene Maßnahmen trafen, um die Durchsetzung dieser Zielpreise zu erleichtern, (vor allem) unter anderem durch vorübergehende Absatzeinschränkungen, den Austausch von Einzelangaben über ihre Verkäufe, die Veranstaltung lokaler Sitzungen und ab Ende 1982 ein System der "Kundenführerschaft" zwecks Durchsetzung der Preiserhöhungen gegenüber Einzelkunden;

d) gleichzeitige Preiserhöhungen vornahmen, um die besagten Ziele durchzusetzen;

e) den Markt aufteilten, indem jedem Hersteller ein jährliches Absatzziel bzw. eine Quote (1979, 1980 und zumindest für einen Teil des Jahres 1983) zugeteilt wurde oder, falls es zu keiner endgültigen Vereinbarung für das ganze Jahr kam, die Hersteller aufgefordert wurden, ihre monatlichen Verkäufe unter Bezugnahme auf einen vorausgegangenen Zeitraum einzuschränken (1981, 1982).

Artikel 2

Die in Artikel 1 genannten Unternehmen sind verpflichtet, die festgestellten Zuwiderhandlungen unverzueglich abzustellen (falls sie es noch nicht getan haben) und in Zukunft bezueglich ihrer Polypropylengeschäfte von allen Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen, die dasselbe oder ähnliches bezwecken oder bewirken, Abstand zu nehmen. Dazu gehört der Austausch von Informationen, die normalerweise dem Geschäftsgeheimnis unterliegen und durch die die Teilnehmer direkt oder indirekt über Produktion, Absatz, Lagerhaltung, Verkaufspreise, Kosten oder Investitionspläne anderer Hersteller informiert oder aufgrund deren sie in die Lage versetzt werden, die Befolgung ausdrücklicher oder stillschweigender Preis- oder Marktaufteilungsabsprachen innerhalb der Gemeinschaft zu kontrollieren. Ein Verfahren zum Austausch allgemeiner Informationen, dem sich die Hersteller anschließen (wie Fides), muß unter Ausschluß sämtlicher Informationen geführt werden, aus denen sich das Marktverhalten einzelner Hersteller ableiten lässt. Die Unternehmen dürfen insbesondere untereinander keine zusätzlichen wettbewerbsrelevanten Informationen austauschen, die ein solches System nicht erfasst.

Artikel 3

Gegen die in dieser Entscheidung genannten Unternehmen werden wegen des in Artikel 1 festgestellten Verstosses folgende Geldbussen festgesetzt:

i) Anic SpA, eine Geldbusse von 750 000 ECU bzw. 1 103 692 500 LIT;

ii) Atochem, eine Geldbusse von 1 750 000 ECU bzw. 11 973 325 FF;

iii) BASF AG, eine Geldbusse von 2 500 000 ECU bzw. 5 362 225 DM;

iv) DSM NV, eine Geldbusse von 2 750 000 ECU bzw. 6 657 640 HFL;

v) Hercules Chemicals NV, eine Geldbusse von 2 750 000 ECU bzw. 120 569 620 BFR;

vi) Hoechst AG, eine Geldbusse von 9 000 000 ECU bzw. 19 304 010 DM;

vii) Hüls AG, eine Geldbusse von 2 750 000 ECU bzw. 5 898 447,50 DM;

viii) ICI PLC, eine Geldbusse von 10 000 000 ECU bzw. 6 447 970 UKL;

ix) Chemische Werke Linz, eine Geldbusse von 1 000 000 ECU bzw. 1 471 590 000 LIT;

x) Montedipe, eine Geldbusse von 11 000 000 ECU bzw. 16 187 490 000 LIT;

xi) Petrofina SA, eine Geldbusse von 600 000 ECU bzw. 26 306 100 BFR;

xii) Rhône-Poulenc SA, eine Geldbusse von 500 000 ECU bzw. 3 420 950 FF;

xiii) Shell International Chemical Co. Ltd, eine Geldbusse von 9 000 000 ECU bzw. 5 803 173 UKL;

xiv) Solvay & Cie, eine Geldbusse von 2 500 000 ECU bzw. 109 608 750 BFR;

xv) Statoil, Den Norske Stats Oljeselskap AS (nunmehr einschließlich Saga Petrokjemi), eine Geldbusse von 1 000 000 ECU bzw. 644 797 UKL.

Artikel 4 und 5

(nicht wiedergegeben)"

16 Am 8. Juli 1986 wurde den Unternehmen die endgültige Niederschrift über die Anhörungen mit den von ihnen verlangten Berichtigungen, Zusätzen und Streichungen übermittelt.

Verfahren

17 Unter diesen Umständen hat die Klägerin mit Klageschrift, die am 28. Juli 1986 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, die vorliegende Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung erhoben. Dreizehn der vierzehn übrigen Adressaten dieser Entscheidung haben ebenfalls Nichtigkeitsklage erhoben (Rechtssachen T-1/89 bis T-3/89 und T-6/89 bis T-15/89).

18 Das gesamte schriftliche Verfahren ist vor dem Gerichtshof abgelaufen.

19 Mit Beschluß vom 15. November 1989 hat der Gerichtshof diese und die dreizehn übrigen Rechtssachen gemäß Artikel 14 des Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (nachstehend: Beschluß des Rates vom 24. Oktober 1988) an das Gericht verwiesen.

20 Gemäß Artikel 2 Absatz 3 des Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 hat der Präsident des Gerichts einen Generalanwalt bestellt.

21 Mit Schreiben vom 3. Mai 1990 hat der Kanzler des Gerichts die Parteien zur Teilnahme an einer informellen Sitzung aufgefordert, um die Einzelheiten der Durchführung der mündlichen Verhandlung festzulegen. Diese Sitzung hat am 28. Juni 1990 stattgefunden.

22 Mit Schreiben vom 9. Juli 1990 hat der Kanzler des Gerichts die Parteien gebeten, sich zu einer eventuellen Verbindung der Rechtssachen T-1/89 bis T-4/89 und T-6/89 bis T-15/89 zu gemeinsamem mündlichen Verfahren zu äussern. Keine der Parteien hat hiergegen Einwände erhoben.

23 Mit Beschluß vom 25. September 1990 hat das Gericht die genannten Rechtssachen wegen des zwischen ihnen bestehenden Zusammenhangs nach Artikel 43 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, die gemäß Artikel 11 Absatz 3 des Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 für das Verfahren vor dem Gericht entsprechend galt, zu gemeinsamem mündlichen Verfahren verbunden.

24 Mit Beschluß vom 15. November 1990 hat das Gericht über die von den Klägerinnen in den Rechtssachen T-2/89, T-3/89, T-9/89, T-11/89, T-12/89 und T-13/89 gestellten Anträge auf vertrauliche Behandlung entschieden und ihnen teilweise stattgegeben.

25 Mit Schreiben, die zwischen dem 9. Oktober und dem 29. November 1990 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben die Parteien die ihnen vom Gericht mit Schreiben des Kanzlers vom 19. Juli 1990 gestellten Fragen beantwortet.

26 In Anbetracht der Antworten auf diese Fragen hat das Gericht auf Bericht des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.

27 Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung, die vom 10. bis 15. Dezember 1990 stattgefunden hat, mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

28 Der Generalanwalt hat seine Schlussanträge in der Sitzung vom 10. Juli 1991 vorgetragen.

Anträge der Parteien

29 Die Klägerin beantragt,

1) die Entscheidung der Beklagten vom 23. April 1986, zugestellt am 28. Mai 1986, betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 des EWG-Vertrags (IV/31.149 - Polypropylen) für nichtig zu erklären;

2) hilfsweise, die gegen die Klägerin in Artikel 3 der genannten Entscheidung festgesetzte Geldbusse aufzuheben oder herabzusetzen;

3) der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Kommission beantragt,

- die Klage abzuweisen,

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zur Begründetheit

30 Nach Auffassung des Gerichts sind zuerst die Rügen zu prüfen, mit denen die Klägerin eine Verletzung der Verteidigungsrechte geltend macht, weil die Kommission ihr Schriftstücke nicht übermittelt habe, auf die die Entscheidung gestützt sei (1), weil die endgültige Fassung der Niederschrift über die Anhörungen weder den Mitgliedern der Kommission noch den Mitgliedern des Beratenden Ausschusses übermittelt worden sei (2) und weil der Klägerin der Bericht des Anhörungsbeauftragten nicht übermittelt worden sei (3); zweitens die Rügen bezueglich der Feststellung der Zuwiderhandlung, die sich zum einen auf die von der Kommission getroffenen Tatsachenfeststellungen (1) und zum anderen auf die Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag auf diese Tatsachen (2) beziehen, da die Kommission die Zuwiderhandlung nicht richtig qualifiziert habe (A) und da sie die Klägerin einer kollektiven Verantwortlichkeit unterwerfe (B); drittens die Rügen bezueglich der Festsetzung der Geldbusse, die weder der Dauer (1) noch der Schwere (2) der behaupteten Zuwiderhandlung angemessen sei.

Zu den Verteidigungsrechten

1. Unterlassene Übermittlung von Schriftstücken anläßlich der Mitteilung der Beschwerdepunkte

31 Die Klägerin macht geltend, daß ihr die Kommission bei der Mitteilung der Beschwerdepunkte vierzehn Schriftstücke nicht übersandt habe, auf die sie ihre Entscheidung gestützt habe, und daß sie es ihr auf diese Weise unmöglich gemacht habe, sich zu deren Inhalt zu äussern. Es handele sich um die von einem Hercules-Angestellten angefertigten Berichte über die Sitzungen vom 10. März und vom 13. Mai 1982 (Entscheidung, Randnr. 15 b), eine angeblich bei Solvay gefundene Unterlage vom 6. September 1977 (Entscheidung, Randnr. 16, letzter Absatz), die Antwort von Shell auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte (Entscheidung, Randnr. 17), um die Protokolle zweier Shell-interner Sitzungen vom 5. Juli und vom 12. September 1979 (Entscheidung, Randnrn. 29 und 31), ein internes Solvay-Dokument (Entscheidung, Randnr. 32), eine Erinnerung von Solvay an ihre Verkaufsabteilungen vom 17. Juli 1981 (Entscheidung, Randnr. 35), einen internen Vermerk von ICI über "gutes Klima" (Entscheidung, Randnr. 46), ein Shell-Papier mit der Bezeichnung "PP W Europe-Pricing" und "Market quality report" (Entscheidung, Randnr. 49), einen bei ATO sichergestellten internen Vermerk über das Marktteilungssystem (Entscheidung, Randnr. 54), das von einem ICI-Angestellten erstellte Protokoll der Sitzung vom 10. März 1982 (Entscheidung, Randnr. 58), einen nichtdatierten ICI-Vermerk, der als Sprechzettel für eine Sitzung mit Shell im Mai 1983 habe dienen sollen (Entscheidung, Randnr. 63 Absatz 2), und schließlich um ein Arbeitsdokument für das erste Quartal 1983, das bei Shell gefunden worden sei (Entscheidung, Randnr. 63 Absatz 3).

32 Die Klägerin macht geltend, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil vom 25. Oktober 1983 in der Rechtssache 107/82, AEG-Telefunken/Kommission, Slg. 1983, 3151, Randnrn. 21 bis 30) könne sich die Kommission nicht auf solche Schriftstücke stützen, ohne gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs zu verstossen, auch wenn sich diese Schriftstücke irgendwo in den Akten befänden, die den betroffenen Unternehmen zugänglich gemacht worden seien. Es sei davon auszugehen, daß bei einem Wegfall der Vorwürfe, die durch diese Schriftstücke bewiesen werden sollten, die Entscheidung in ihrer jetzigen Form nicht ergangen wäre.

33 Zu der Behauptung der Kommission, daß die angefochtene Entscheidung nicht auf die wenigen der Klägerin nicht übermittelten Schriftstücke gestützt worden sei, könne sie deshalb nicht Stellung nehmen, weil sie eben nicht über diese Schriftstücke verfüge; es sei somit Sache der Kommission, die Richtigkeit dieser Behauptung im einzelnen darzulegen.

34 Die Kommission erwidert darauf zum einen, daß der Klägerin entgegen ihren Behauptungen das von ihr angeführte erste und das neunte Schriftstück bei der Mitteilung der Beschwerdepunkte übermittelt worden seien und daß ihr das zweite, das zehnte und das dreizehnte Schriftstück im Wege der Akteneinsicht zugänglich gemacht worden seien; die übrigen Schriftstücke hätten ihr nicht übermittelt zu werden brauchen, weil sie entweder für das Verfahren gegen die Klägerin bedeutungslos seien oder nur eine Bestätigung anderer, dieser bekannter Schriftstücke enthielten. Soweit sich die Entscheidung an die Klägerin richte, sei sie nicht auf diese Schriftstücke gestützt.

35 Die Kommission räumt jedoch ein, daß ein in der Entscheidung (Randnr. 58) erwähnter Vermerk von ICI über eine Expertensitzung vom 10. März 1982 versehentlich nicht mitgeteilt worden sei. Dieser Vermerk enthalte jedoch nur eine Bestätigung eines Berichts von Hercules über diese Sitzung, der der Mitteilung der gemeinsamen Beschwerdepunkte als Anlage 23 (nachstehend: gem. Bpkte., Anl.) beigefügt worden sei. Gleiches gelte für einen in Randnummer 63 der Entscheidung erwähnten Vermerk von ICI, der als Sprechzettel für eine Sitzung mit Shell habe dienen sollen. Dieses Schriftstück sei nur als Beweis für die Beteiligung von Shell am Quotensystem zitiert worden. Diese Schriftstücke enthielten also gegenüber den der Klägerin übermittelten Beschwerdepunkten nichts Neues.

36 Das Gericht stellt fest, daß nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes nicht die Schriftstücke als solche entscheidend sind, sondern die Schlußfolgerungen, die die Kommission daraus gezogen hat. Wenn diese Schriftstücke in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht erwähnt worden sind, so kann das betroffene Unternehmen zu Recht davon ausgehen, daß sie für das Verfahren bedeutungslos sind. Teilt die Kommission einem Unternehmen nicht mit, daß gewisse Schriftstücke in der Entscheidung verwendet werden sollen, so hindert sie es daran, sich rechtzeitig zur Beweiskraft dieser Schriftstücke zu äussern. Diese Schriftstücke können deshalb nicht als gültige Beweismittel gegen das Unternehmen angesehen werden (Urteil vom 25. Oktober 1983 in der Rechtssache 107/82, a. a. O., Randnr. 27, und zuletzt Urteil vom 3. Juli 1991 in der Rechtssache C-62/86, AKZO Chemie/Kommission, Slg. 1991, I-3359, Randnr. 21).

37 Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, daß nur die Schriftstücke, die in den Mitteilungen der gemeinsamen oder der individuellen Beschwerdepunkte oder in den Schreiben vom 29. März 1985 erwähnt oder die diesen ohne besondere Erwähnung als Anlagen beigefügt waren, der Klägerin im Rahmen des vorliegenden Verfahrens als Beweismittel entgegengehalten werden können. Die den Mitteilungen der Beschwerdepunkte als Anlagen beigefügten, dort aber nicht erwähnten Schriftstücke können in der Entscheidung nur dann gegen die Klägerin verwandt werden, wenn diese den Mitteilungen der Beschwerdepunkte bei vernünftiger Betrachtung entnehmen konnte, welche Schlüsse die Kommission daraus ziehen wollte.

38 Demnach können von den von der Klägerin genannten Schriftstücken nur der von einem Hercules-Angestellten angefertigte Bericht über die Sitzung vom 10. März 1982 (Entscheidung, Randnr. 15 b) und der interne ICI-Vermerk über "gutes Klima" (Entscheidung, Randnr. 46) als Beweismittel gegen die Klägerin verwendet werden, da sie in den Punkten 60 und 71 der an die Klägerin gerichteten Mitteilung der gemeinsamen Beschwerdepunkte erwähnt und dieser im übrigen als Anlagen 23 und 35 beigefügt worden sind. Die übrigen von der Klägerin genannten Schriftstücke können der Klägerin im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht als Beweismittel entgegengehalten werden.

39 Die Frage, ob die letztgenannten Schriftstücke eine unerläßliche Stütze für die tatsächlichen Feststellungen bilden, die die Kommission in der Entscheidung zu Lasten der Klägerin getroffen hat, gehört zur Prüfung der Begründetheit dieser Feststellungen durch das Gericht.

2. Keine Übermittlung der Niederschrift über die Anhörungen

40 Die Klägerin weist auf Artikel 9 Absatz 4 der Verordnung Nr. 99/63/EWG der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates (ABl. 1963, S. 2268, nachstehend: Verordnung Nr. 99/63) hin, der wie folgt lautet: "Über die wesentlichen Erklärungen jeder angehörten Person wird eine Niederschrift angefertigt. Die Niederschrift wird verlesen und von der angehörten Person genehmigt." Der Klägerin zufolge lag aber die Niederschrift über die Anhörungen in ihrer endgültigen Form weder den Mitgliedern der Kommission noch den Mitgliedern des Beratenden Ausschusses vor. Da nicht alle bei den Anhörungen zugegen gewesen seien und nicht alle die schriftlichen Darlegungen der betroffenen Unternehmen hätten prüfen können, sei es ihnen somit nicht möglich gewesen, sich einen genauen Eindruck von den ausgetauschten Argumenten zu verschaffen. Die streitige Entscheidung sei deshalb nicht in voller Kenntnis der Sachlage ergangen.

41 Die Klägerin fügt hinzu, sie vermöge nicht zu beurteilen, ob die Entscheidung anders ausgefallen wäre, wenn den Mitgliedern der Kommission die endgültige Fassung der Niederschrift vorgelegen hätte. Selbst wenn dies nicht so wäre, könne das doch nicht entscheidend sein, denn wenn die Verletzung von Verfahrensgarantien damit gerechtfertigt werden könnte, daß eine Entscheidung auch bei ihrer Beachtung nicht anders ausgefallen wäre, würde man den Sinn dieser Garantien verkennen. Dieser bestehe darin, daß die Betroffenen einen Anspruch auf Einhaltung dieser Garantien hätten, andernfalls die Entscheidung für nichtig zu erklären sei. Mindestens aber sei es Sache der Kommission, nachzuweisen, daß der Verfahrensfehler keinerlei Einfluß auf die Entscheidung gehabt habe. Die Kommission könne sich insoweit aber nicht auf eine blosse Behauptung beschränken.

42 Die Kommission weist darauf hin, daß Artikel 9 Absatz 4 der Verordnung Nr. 99/63 keine Angaben darüber enthalte, welchen Stellen sie die vorläufige oder die endgültige Fassung der Niederschrift vorzulegen habe. Zwar hätten die Mitglieder des Beratenden Ausschusses nur über eine vorläufige Anhörungsniederschrift verfügt, doch seien bei den Anhörungen sämtliche Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Griechenland und Luxemburg, die bei den zweiten Anhörungen nicht zugegen gewesen seien, durch die zuständigen Behörden vertreten gewesen. Es sei ohne Belang, daß der bei den Anhörungen anwesende Beamte nicht unbedingt mit dem Vertreter des betreffenden Mitgliedstaats im Beratenden Ausschuß gewesen sei. Ausserdem weist die Kommission darauf hin, daß die Klägerin nicht bestritten habe, daß die vorläufige Fassung der Niederschrift die wesentlichen Erklärungen der Parteien getreu wiedergebe.

43 Die Mitglieder der Kommission hätten für den Erlaß ihrer Entscheidung sowohl über die vorläufige Anhörungsniederschrift als auch über alle Bemerkungen der angehörten Parteien zu dieser Niederschrift verfügt.

44 Nach Ansicht der Kommission wäre die Entscheidung jedenfalls nicht anders ausgefallen, wenn die endgültige Fassung der Anhörungsniederschrift verfügbar gewesen wäre (Urteil vom 10. Juli 1980 in der Rechtssache 30/78, Distillers Company/Kommission, Slg. 1980, 2229, Randnr. 26).

45 Das Gericht stellt fest, daß nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Umstand, daß dem Beratenden Ausschuß und der Kommission eine vorläufige Anhörungsniederschrift vorgelegen hat, nur dann einen Fehler des Verwaltungsverfahrens darstellen kann, der die Rechtswidrigkeit der das Verfahren abschließenden Entscheidung nach sich ziehen könnte, wenn die Fassung dieser Niederschrift für ihre Adressaten irreführend gewesen wäre (Urteil vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 44/69, Buchler/Kommission, Slg. 1970, 733, Randnr. 17).

46 Zu der der Kommission vorgelegten Niederschrift ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission mit der vorläufigen Niederschrift die Bemerkungen und Stellungnahmen der Unternehmen zu dieser Niederschrift erhalten hat und daß daher davon auszugehen ist, daß die Mitglieder der Kommission vor Erlaß der Entscheidung über alle erheblichen Umstände informiert waren.

47 Zu der dem Beratenden Ausschuß zugeleiteten vorläufigen Niederschrift ist darauf hinzuweisen, daß die Klägerin nicht dargelegt hat, inwiefern diese Niederschrift den Inhalt der Anhörungen nicht korrekt und genau wiedergeben soll, und daß sie daher nicht nachgewiesen hat, daß dieses Schriftstück so abgefasst war, daß es die Mitglieder des Beratenden Ausschusses in einem wesentlichen Punkt irregeführt hat.

48 Die Rüge ist folglich zurückzuweisen.

3. Keine Übermittlung des Berichts des Anhörungsbeauftragten

49 Die Klägerin hatte in der Klageschrift geltend gemacht, daß der Bericht des Anhörungsbeauftragten den Prozeßbevollmächtigten der Unternehmen hätte übermittelt werden müssen. In der Erwiderung hat sie jedoch erklärt, von dem Beschluß vom 11. Dezember 1986 in der Rechtssache 212/86 R (ICI/Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 5 bis 8) Kenntnis genommen zu haben, in dem der Gerichtshof einen Anspruch der Parteien auf Übermittlung des Berichts des Anhörungsbeauftragten zurückgewiesen hat, und ausgeführt, die Frage bedürfe keiner erneuten Erörterung.

50 Die Kommission führt aus, es gebe keine Vorschrift, die eine Bekanntgabe der Stellungnahme des Anhörungsbeauftragten an die Adressaten der Kommissionsentscheidung vorsehe. Der Anhörungsbeauftragte trage in bedeutsamer Weise zur internen Willensbildung der Kommission bei, und die Unternehmen hätten kein Recht, an diesem Prozeß beteiligt zu werden, da sonst die Offenheit und Unabhängigkeit des Anhörungsbeauftragten beeinträchtigt würden.

51 Nach Auffassung des Gerichts verlangt es die Wahrung der Verteidigungsrechte nicht, daß die von einem Verfahren nach Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag betroffenen Unternehmen die Möglichkeit haben, den Bericht des Anhörungsbeauftragten, der ein rein internes Schriftstück der Kommission ist, zu kommentieren. Hierzu hat der Gerichtshof entschieden, daß dieser Bericht für die Kommission den Wert eines Gutachtens hat, daß sie in keiner Weise an ihn gebunden ist und daß der Bericht deshalb kein entscheidender Faktor ist, den der Gemeinschaftsrichter bei seiner Prüfung zu berücksichtigen hätte (Beschluß vom 11. Dezember 1976 in der Rechtssache 212/86 R, a. a. O., Randnrn. 5 bis 8). Die Wahrung der Verteidigungsrechte ist nämlich rechtlich hinreichend sichergestellt, wenn die bei der Ausarbeitung der endgültigen Entscheidung zusammenwirkenden Stellen korrekt über die Argumentation der Unternehmen informiert worden sind, die diese in Beantwortung der ihnen von der Kommission mitgeteilten Beschwerdepunkte und gegenüber den von der Kommission zur Erhärtung dieser Beschwerdepunkte vorgelegten Beweismittel vorgetragen haben (Urteil des Gerichtshofes vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, Michelin/Kommission, Slg. 1981, 3461, Randnr. 7).

52 Hierzu ist darauf hinzuweisen, daß der Bericht des Anhörungsbeauftragen nicht dem Zweck dient, das Vorbringen der Unternehmen zu ergänzen oder zu korrigieren, neue Beschwerdepunkte zu formulieren oder neue Beweismittel gegen die Unternehmen zu liefern. Er soll vielmehr die Meinung eines Kommissionsbeamten zum Erlaß einer Entscheidung durch die Kommission zum Ausdruck bringen. Folglich können die Unternehmen aus dem Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte keinen Anspruch darauf ableiten, daß ihnen der Bericht des Anhörungsbeauftragten zur Kommentierung übermittelt wird (siehe Urteil des Gerichtshofes vom 17. Januar 1984 in den verbundenen Rechtssachen 43/82 und 63/82, VBVB und VBBB/Kommission, Slg. 1984, 19, Randnr. 25).

53 Diese Rüge ist daher zurückzuweisen.

Zur Feststellung der Zuwiderhandlung

54 Nach Randnummer 80 Absatz 1 der Entscheidung haben sich die Polypropylenhersteller, die die Gemeinschaft beliefern, an einer ganzen Reihe von Plänen, Absprachen und Maßnahmen beteiligt, die im Rahmen eines Systems regelmässiger Sitzungen und ständiger Kontakte beschlossen worden seien. Der allgemeine Plan der Hersteller sei es gewesen, sich über spezifische Angelegenheiten zu einigen (Entscheidung, Randnr. 80 Absatz 2).

55 Unter diesen Umständen ist zunächst zu prüfen, ob der Kommission rechtlich der Beweis für ihre tatsächlichen Feststellungen betreffend zum einen den Zeitraum vom 1977 bis Ende 1978 oder Anfang 1979 (I) und zum anderen den Zeitraum von Ende 1978 oder Anfang 1979 bis zum November 1983 (II) hinsichtlich des Systems der regelmässigen Sitzungen (A), der Preisinitiativen (B), der Maßnahmen zur Förderung der Durchführung der Preisinitiativen (C) und der Festsetzung von Absatzzielen und Quoten (D) gelungen ist; dabei sind jeweils zunächst die angefochtene Handlung (a) und das Vorbringen der Parteien (b) darzulegen und sodann zu würdigen (c). Danach ist die Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag auf diese Tatsachen zu überprüfen.

1. Die tatsächlichen Feststellungen

I - Für die Zeit von 1977 bis Ende 1978 oder Anfang 1979

A - Angefochtene Handlung

56 In der Entscheidung (Randnrn. 78 Absatz 4 und 104 Absatz 3) heisst es, daß das System der regelmässigen Sitzungen von Polypropylenherstellern etwa Ende 1977 begonnen habe, daß sich jedoch das genaue Datum, an dem jeder einzelne Hersteller begonnen habe, an den Sitzungen teilzunehmen, nicht feststellen lasse. Die Klägerin, die zu den Herstellern gehöre, für die nicht bewiesen sei, daß sie die Initiative vom Dezember 1977 "unterstützt" hätten, behaupte, vor 1980 nur "sporadisch" an Sitzungen teilgenommen zu haben.

57 In Randnummer 105 Absätze 1 und 2 der Entscheidung wird jedoch darauf hingewiesen, daß sich das genaue Datum, an dem jeder Hersteller an regelmässigen Plenarsitzungen teilzunehmen begonnen habe, nicht mit Sicherheit bestimmen lasse. Das Datum, an dem sich Anic, ATO, die Klägerin, DSM und Hüls an den Vereinbarungen zu beteiligen begonnen hätten, könne nicht später als 1979 liegen, da diese fünf Hersteller nachweislich an Marktteilungs- bzw. Quotensystemen, die in diesem Jahr zum ersten Mal angewandt worden seien, beteiligt gewesen seien.

B - Vorbringen der Parteien

58 Die Klägerin macht geltend, daß die von der Kommission vorgelegten Beweismittel nicht ausreichten, um ihre Teilnahme an den Sitzungen seit Dezember 1977 zu beweisen. Ihre Teilnahme an den Sitzungen könne ihr im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nur von dem Zeitpunkt an vorgeworfen werden, von dem an sie regelmässig an den Sitzungen teilgenommen habe. Nach Randnummer 81 der Entscheidung könne nämlich von einer kartellrechtlichen Zuwiderhandlung nur von dem Zeitpunkt an die Rede sein, von dem an ein Unternehmen regelmässig an einem "regelmässigen, institutionalisierten Sitzungssystem" teilgenommen habe.

59 Hierzu führt die Klägerin aus, daß sie erst ab Juni 1982 regelmässig an den Sitzungen teilgenommen habe; allerdings räumt sie ein, daß sie zum einen vor dem 1. Dezember 1980 sporadisch an den Sitzungen teilgenommen habe, sich aber für diese Zeit nicht an Ort und Datum der Sitzungen erinnere, und daß sie zum anderen an vier der neunzehn Sitzungen teilgenommen habe, die der Kommission zufolge zwischen Anfang 1981 und Juni 1982 stattgefunden hätten.

60 Die Kommission berufe sich insoweit zu Unrecht auf die Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen (gem. Bpkte., Anl. 8). Für die Sitzungen vom Jahre 1978 habe ICI eindeutig klargestellt, daß es sich um Ad-hoc-Sitzungen und nicht um "regelmässige" oder "institutionalisierte" Sitzungen gehandelt habe. Ausserdem habe ICI eine Teilnahme der Klägerin an diesen Sitzungen nicht erwähnt und schließlich erklärt, daß sie Zeitpunkt und Ort der "Experten"- und "Chef"-Sitzungen erst für die Zeit ab 1. Januar 1980 angeben könne. Für die Klägerin sei der Abschnitt der Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen, in dem ausgeführt werde, daß die Klägerin ein "regelmässiger Teilnehmer" der Sitzungen gewesen sei, "wesentlich", da man von einer regelmässigen Teilnahme sinnvollerweise nur sprechen könne, wenn ein Unternehmen wenigstens an der Mehrzahl der Sitzungen teilgenommen habe. Das sei aber vor Juni 1982 nicht der Fall gewesen, wie sich aus der Antwort der Klägerin auf das Auskunftsverlangen (Anlage 1 der an die Klägerin gerichteten Mitteilung der individuellen Beschwerdepunkte, nachstehend: ind. Bpkte. BASF, Anl.) ergebe.

61 In der Erwiderung weist die Klägerin darauf hin, daß die Kommission nichts vorgetragen habe, was für ihre Teilnahme an den Sitzungen in der fraglichen Zeit spreche; es sei deshalb verwunderlich, daß die Kommission ihre Vorwürfe für diesen Zeitraum aufrechterhalte.

62 Die Kommission führt aus, zwar könne sie den genauen Zeitpunkt nicht angeben, von dem an die Klägerin an den Sitzungen teilgenommen habe, doch könne sie den Beginn ihrer Teilnahme an den Sitzungen mit Sicherheit auf einen nicht näher bestimmten Zeitpunkt zwischen 1977 und 1979 datieren.

63 Als Beweis führt sie die Antworten der Klägerin und von ICI auf die Auskunftsverlangen an, die sie an diese gerichtet habe. Die Klägerin habe in ihrer Antwort erklärt: "Vor dem 1. 12. 80 haben Vertreter unseres Unternehmens sporadisch an Sitzungen europäischer Polypropylenhersteller teilgenommen. Orte und Zeitpunkte der Treffen sind nicht mehr erinnerlich." ICI habe in ihrer Anwort die Klägerin ohne zeitliche Einschränkung zu den regelmässigen Sitzungsteilnehmern gezählt (im Gegensatz etwa zu Anic und Rhône-Poulenc, die nach Auskunft von ICI nur während eines bestimmten Zeitraums teilgenommen hätten, und zu Hercules, die an den Sitzungen nur unregelmässig teilgenommen habe) und siedele den Beginn dieser Sitzungen vom Dezember 1977 an.

C - Würdigung durch das Gericht

64 Das Gericht stellt fest, daß die einzigen Beweismittel, die die Kommission zum Nachweis der Teilnahme der Klägerin an den Sitzungen im fraglichen Zeitraum vorgelegt hat, zum einen die Antwort der Klägerin auf das Auskunftsverlangen (ind. Bpkte. BASF, Anl. 1) und zum anderen die Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen (gem. Bpkte., Anl. 8) sind.

65 Zur Antwort der Klägerin ist darauf hinzuweisen, daß sich mit ihr allein wegen der Bezugnahme auf die Zeit "vor dem 1. 12. 80" nicht der Nachweis erbringen lässt, daß die Klägerin in dem hier in Rede stehenden Zeitraum an den Sitzungen teilgenommen hat. Folglich ist zu prüfen, ob sich durch die Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen die Schlußfolgerungen erhärten lassen, die die Kommission insoweit aus der Antwort der Klägerin zieht.

66 Hierzu stellt das Gericht fest, daß die Klägerin in der Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen zu den regelmässigen Teilnehmern an den "Chef"- und "Experten"-Sitzungen gezählt wird, ohne daß dort jedoch gesagt wird, ab wann. In dieser Antwort heisst es:

"The regular participants at meetings of 'Experts' and 'Bosses' were as follows: ATO, BASF, Chemie Linz, DSM, Hoechst, Hüls, ICI, Montepolimeri, Petrofina, Saga, Solvay. The following producers participated regularly during those periods between 1979 und 1983 while they were engaged in the West European polypropylene industry: Anic - polypropylene busineß taken over by Montepolimeri; SIR - believed to be no longer in busineß; Rhône-Poulenc - polypropylene busineß sold to BP. In addition, Alcudia and Hercules attended meetings on an irregular basis."

("Regelmässige Teilnehmer an den 'Experten' - und 'Chef' -Sitzungen waren: ATO, BASF, Chemie Linz, DSM, Hoechst, Hüls, ICI, Montepolimeri, Petrofina, Saga, Solvay. Die folgenden Hersteller haben in den Zeiten zwischen 1979 und 1983 regelmässig teilgenommen, in denen sie in der westeuropäischen Polypropylenindustrie tätig waren: Anic - Polypropylengeschäft übernommen von Montepolimeri; SIR - vermutlich nicht mehr im Geschäft; Rhône-Poulenc - Polypropylengeschäft verkauft an PB. Ausserdem haben Alcudia und Hercules unregelmässig an den Sitzungen teilgenommen.")

67 Da die Kommission nicht über genaue Daten bezueglich des Beginns der Teilnahme der Klägerin an diesen Sitzungen verfügt, verweist sie auf einen zweiten Abschnitt der Antwort von ICI, in dem es heisst:

"Because of the problems facing the polypropylene industry [...], a group of producers met in about December 1977 to discuß what, if any measures could be pursüd in order to reduce the burden of the inevitable heavy losses about to be incurred by them... It was proposed that future meetings of those producers who wished to attend should be called on an 'ad hoc' basis in order to exchange and develop ideas to tackle these problems."

("Wegen der Probleme für die Polypropylenindustrie [...] traf sich eine Gruppe von Herstellern etwa im Dezember 1977, um zu erörtern, ob und wenn ja welche Maßnahmen getroffen werden könnten, um die Last der ihnen unvermeidlich bevorstehenden schweren Verluste zu reduzieren... Es wurde vorgeschlagen, in Zukunft Sitzungen der teilnahmewilligen Hersteller auf einer Ad-hoc-Basis einzuberufen, um Ideen zur Bewältigung dieser Probleme auszutauschen und zu entwickeln.")

Sie leitet aus diesem Abschnitt her, daß die Klägerin im Dezember 1977 begonnen habe, an den Sitzungen teilzunehmen. Nach Ansicht der Kommission wird diese Auslegung der Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen dadurch erhärtet, daß ICI den Zeitraum, während dessen die Unternehmen an den Sitzungen teilgenommen hätten (1979 bis 1983), deshalb nur für die Unternehmen angegeben habe, die im zweiten Satz des ersten zitierten Abschnitts genannt seien, weil sie habe deutlich machen wollen, daß die Unternehmen, die im ersten Satz dieses Abschnitts genannt seien, an den Sitzungen seit ihrem Beginn teilgenommen hätten.

68 Das Gericht stellt fest, daß sich die Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen, soweit in ihr die Klägerin zu den regelmässigen Sitzungsteilnehmern gezählt wird, ausdrücklich auf deren Teilnahme an den "Chef"- und "Experten"-Sitzungen bezieht. Der Abschnitt jedoch, den die Kommission zitiert, um die Teilnahme der Klägerin an den Sitzungen schon im Dezember 1977 darzutun, bezieht sich auf Ad-hoc-Sitzungen und nicht auf die "Chef"- und "Experten"-Sitzungen, die Ende 1978 oder Anfang 1979 begannen, als man neben die Ad-hoc-Sitzungen der "Chefs" Sitzungen von "Experten" treten ließ, wie sich aus einem anderen Abschnitt der Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen ergibt, in dem es heisst:

"By late 1978/early 1979 it was determined that the 'ad hoc' meetings of Senior Managers should be supplemented by meetings of lower level managers with more marketing knowledge. This twotier level of representation became identified as (a) 'Bosses'... and (b) 'Experts' ".

["Ende 1978/Anfang 1979 wurde beschlossen, die Ad-hoc-Sitzungen der Senior-Manager durch Sitzungen von rangniedrigeren Managern mit mehr Marketingkenntnis zu ergänzen. Diese zweistufige Vertretung wurde dann als (a) 'Chef' und (b) 'Experten' bezeichnet."]

69 Diese Auslegung der Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen wird durch eine Betrachtungsweise bestätigt, die die Bedeutung des ersten und des zweiten Satzes des angeführten ersten Abschnitts aus dem jeweils anderen Satz erschließt. Eine solche Betrachtungsweise rechtfertigt sich dadurch, daß die Unterscheidung zwischen den im ersten Satz und den im zweiten Satz erwähnten Unternehmen nicht auf dem Beginn ihrer Beteiligung an den Sitzungen beruht, sondern vielmehr auf deren Ende, da alle im zweiten Satz erwähnten Unternehmen den Markt vor dem Ende der Zuwiderhandlung verlassen haben. Diese beiden Sätze sind daher im Lichte des jeweils anderen Satzes unter Berücksichtigung des Umstands auszulegen, daß die "Chef"- und "Experten"-Sitzungen nicht vor Ende 1978 oder Anfang 1979 begonnen haben.

70 Das Gericht weist ferner darauf hin, daß die Kommission in der mündlichen Verhandlung zunächst eingeräumt hat, daß sie trotz ihrer Auslegung der Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen Zweifel hinsichtlich des Zeitpunkts habe, von dem an die Klägerin an den Sitzungen teilgenommen habe, sodann, daß nicht sicher sei, daß die Klägerin im betreffenden Zeitraum an den Sitzungen teilgenommen habe, und schließlich, daß die Kommission deshalb nicht genau habe angeben können, ab wann sich die Klägerin an der Zuwiderhandlung beteiligt habe.

71 Die insoweit bestehenden Zweifel der Kommission finden sich auch in Randnummer 105 Absatz 2 der Entscheidung wieder, wo es heisst, daß das Datum, an dem die Klägerin begonnen habe, sich an den Vereinbarungen zu beteiligen, nicht später als 1979 liegen könne.

72 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß die Kommission nichts vorlegen kann, was geeignet wäre, die Teilnahme der Klägerin an der Zuwiderhandlung vor Ende 1978 oder Anfang 1979 zu beweisen, und daß ihr der Beweis für eine solche Beteiligung deshalb rechtlich nicht gelungen ist.

II - Für die Zeit von Ende 1978 oder Anfang 1979 bis November 1983

A - Das System der regelmässigen Sitzungen

a) Angefochtene Handlung

73 In der Entscheidung (Randnr. 78 Absatz 3) heisst es, die Klägerin behaupte, vor 1980 nur "sporadisch" an Sitzungen teilgenommen zu haben. Daraus wird gefolgert (Randnr. 105 Absatz 2), daß das Datum, an dem die Klägerin begonnen habe, sich an den Vereinbarungen zu beteiligen, nicht später als 1979 liegen könne, da sie nachweislich an Marktteilungs- bzw. Quotensystemen, die in diesem Jahr zum ersten Mal angewandt worden seien, beteiligt gewesen sei.

74 Nach den Randnummern 104 Absatz 3 und 105 Absätze 2 und 4 der Entscheidung hat ICI erklärt, daß die Klägerin ein regulärer Teilnehmer der Sitzungen gewesen sei und daß das System der regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller mindestens bis Ende September 1983 fortgeführt worden sei. Der Klägerin wird vorgeworfen, sich an diesem System beteiligt zu haben (Randnr. 18 Absätze 1 und 3).

75 Nach Randnummer 21 der Entscheidung waren Zweck der regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller insbesondere die Festsetzung von Preiszielen und Verkaufsmengenzielen sowie die Kontrolle ihrer Einhaltung durch die Hersteller.

b) Vorbringen der Parteien

76 Die Klägerin wiederholt, daß ein Vorwurf nur bei regelmässiger Teilnahme an den Sitzungen erhoben werden könne und daß sie erst ab Juni 1982 regelmässig an den Sitzungen teilgenommen habe; sie räumt jedoch ein, sporadisch an den Sitzungen vor dem 1. Dezember 1980 und an vier der neunzehn Sitzungen teilgenommen zu haben, die der Kommission zufolge zwischen Anfang 1981 und Juni 1982 stattgefunden hätten.

77 Die Kommission habe nichts vorgetragen, was für eine Teilnahme der Klägerin an den Sitzungen in der ersten Hälfte des Jahres 1979 spreche. Es sei deshalb verwunderlich, daß die Kommission ihre Vorwürfe für diesen Zeitraum aufrechterhalte. Den von der Kommission zur Stützung ihrer gegenteiligen Behauptung vorgelegten Schriftstücken, nämlich dem Protokoll einer Sitzung vom 26. und 27. September 1979 (gem. Bpkte., Anl. 12), einer bezifferten Tabelle mit der Bezeichnung "Producers' Sales to West Europe" ("Verkäufe der Hersteller innerhalb Westeuropas") (gem. Bpkte., Anl. 55) und den dieser Sitzung vorausgegangenen Preisinstruktionen (Schreiben vom 29. März 1985, Anlage BASF), fehle die Beweiskraft.

78 Hierzu macht die Klägerin geltend, das Protokoll der Sitzung vom 26. und 27. September 1979 erwähne ihren Namen nicht und erbringe daher keinen Beweis für ihre Teilnahme an dieser Sitzung. Die genannte Tabelle sei wertlos, da unbekannt sei, zu welchem Zweck sie erstellt worden und ob sie anderen Herstellern als ICI zugänglich gewesen sei. Ausserdem deute nichts darauf hin, daß sie das Ergebnis einer Abstimmung zwischen den Herstellern oder daß sie der Klägerin zur Kenntnis gebracht worden sei. Die Übereinstimmung ihrer Preisinstruktionen mit denen der anderen Hersteller schließlich erkläre sich durch den Anstieg der Rohstoffpreise. Der Umstand, daß zwischen den Instruktionen der verschiedenen Hersteller ein Zeitraum von eineinhalb Monaten liege, bestätige die Unabhängigkeit dieser Instruktionen.

79 Die Klägerin räumt ein, seit dem 9. Juni 1982 regelmässig an den Sitzungen teilgenommen zu haben. FORTSETZUNG DER GRÜNDE UNTER DOK.NUM : 689A0004.1

80 Die Kommission führt aus, die Teilnahme der Klägerin an den Sitzungen vom Beginn des fraglichen Zeitraums an ergebe sich aus zahlreichen Beweismitteln.

81 Es handele sich zunächst um die Antworten von ICI und der Klägerin auf das Auskunftsverlangen (gem. Bpkte., Anl. 8, und ind. Bpkte. BASF, Anl. 1). ICI erkläre in ihrer Antwort, daß die Klägerin während des fraglichen Zeitraums regelmässig an den Sitzungen teilgenommen habe; die Klägerin habe in ihrer Antwort eingeräumt: "Vor dem 1. 12. 80 haben Vertreter unseres Unternehmens sporadisch an Sitzungen europäischer Polypropylenhersteller teilgenommen. Orte und Zeitpunkte der Treffen sind nicht mehr erinnerlich." Dies lasse den Schluß zu, daß die Klägerin vom Beginn des fraglichen Zeitraums an an den Sitzungen teilgenommen habe, auch wenn sie bestreite, vor Dezember 1980 regelmässig an den Sitzungen teilgenommen zu haben.

82 Weiter sei die Übereinstimmung der Preisinstruktionen der Klägerin vom 24. und 27. Juli 1979 mit den Instruktionen zu nennen, die Monte, Shell, ICI, Hoechst, Linz und ATO für den 1. September 1979 erteilt hätten (Schreiben vom 29. März 1985, Anlage A). Eine derartige Übereinstimmung lasse sich nicht mit einer Verteuerung der Rohstoffe erklären und beweise daher die Teilnahme der Klägerin an den Sitzungen, in denen diese Preise festgesetzt worden seien.

83 Schließlich handele es sich um eine nicht datierte Tabelle mit der Bezeichnung "Producers' Sales to West Europe", die bei ICI gefunden worden sei und die für alle westeuropäischen Polypropylenhersteller die Verkaufszahlen in Kilotonnen für 1976, 1977 und 1978 ausweise und unter den Rubriken "1979 actual" ("tatsächliche Zahlen 1979") und "revised target" ("revidierte Ziele") weitere Zahlen enthalte. Da diese Tabelle Informationen enthalte, die streng als Geschäftsgeheimnisse gehütet werden müssten, hätte sie nicht ohne Beteiligung der Klägerin erstellt werden können.

84 Die Tatsache schließlich, daß sich die Klägerin nur an vier Sitzungen erinnern könne, an denen sie im Jahr 1981 teilgenommen habe, widerlege keineswegs die Angaben von ICI zur Regelmässigkeit der Teilnahme der Klägerin an den Sitzungen.

c) Würdigung durch das Gericht

85 Das Gericht stellt fest, daß die Klägerin in der Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen im Unterschied zu zwei anderen Herstellern ohne zeitliche Einschränkung zu den regelmässigen Teilnehmern an den "Chef"- und "Experten"-Sitzungen gezählt wird. Diese Antwort ist dahin auszulegen, daß die Klägerin an den Sitzungen seit dem Beginn des Systems der "Chef"- und "Experten"-Sitzungen teilgenommen hat, das Ende 1978 oder Anfang 1979 eingeführt worden ist.

86 Die Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen wird erstens durch die Antwort der Klägerin selbst auf das Auskunftsverlangen (ind. Bpkte. BASF, Anl. 1) bestätigt, in der es heisst, daß "vor dem 1. 12. 80... Vertreter unseres Unternehmens sporadisch an Sitzungen europäischer Polypropylenhersteller teilgenommen [haben]". Zweitens wird sie dadurch bestätigt, daß in verschiedenen bei ICI, ATO und Hercules gefundenen Tabellen (gem. Bpkte., Anl. 55 bis 62) neben dem Namen der Klägerin deren Verkaufszahlen für verschiedene Monate und Jahre aufgeführt sind; wie die meisten Klägerinnen in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts eingeräumt haben, wäre es jedoch nicht möglich gewesen, die bei ICI, ATO und Hercules entdeckten Tabellen auf der Grundlage der Statistiken des Informationsaustauschsystems Fides zu erstellen. In ihrer Antwort auf das Auskunftsverlangen hat ICI im übrigen zu einer dieser Tabellen erklärt: "The source of information for actual historic figures in this table would have been the producers themselves" ("Die Quelle für die in dieser Tabelle genannten tatsächlich erzielten Zahlen müssen die Hersteller selbst gewesen sein"). Drittens wird die Antwort von ICI dadurch bestätigt, daß die Preisinstruktionen der Klägerin vom 24. und 27. Juli 1979 mit denen anderer Hersteller (Schreiben vom 29. März 1985, Anlage A) übereinstimmen, von denen angenommen werden kann, daß sie das Ergebnis einer um den Monat Juni 1979 erfolgten Abstimmung zwischen den Herstellern sind.

87 Zu den ersten elf Monaten des Jahres 1980 im einzelnen heisst es in der Entscheidung (Randnr. 32 und Anhang, Tabelle 3), daß in diesem Zeitraum sieben Herstellersitzungen stattgefunden hätten, ohne daß jedoch angegeben wird, wer daran teilgenommen hat. Hierzu stellt das Gericht fest, daß es wenig glaubwürdig ist, wenn die Klägerin ihre Teilnahme an diesen Sitzungen bestreitet, da sie in ihrer Antwort auf das Auskunftsverlangen erklärt hat, sie habe während dieses Zeitraums sporadisch an den Sitzungen teilgenommen, konnte aber Orte und Zeitpunkte der Treffen nicht angeben. Dies gilt um so mehr, als die Klägerin vor dem Gericht erläutert hat, sie habe in ihrer Antwort auf das Auskunftsverlangen den Begriff "sporadisch" gebraucht, weil sie für die Zeit vor dem 1. Dezember 1980 Orte und Zeitpunkte der Treffen nicht habe angeben können und nur wisse, daß einige ihrer Vertreter vor diesem Zeitpunkt an einigen wenigen Sitzungen teilgenommen hätten.

88 Für den Rest des fraglichen Zeitraums (die Zeit zwischen dem 1. Dezember 1980 und Juni 1982) ist die Behauptung der Klägerin, sie habe nur an vier Sitzungen teilgenommen, wegen der mangelnden Genauigkeit ihrer Angaben zu ihrer Teilnahme an den Sitzungen und wegen deren Unrichtigkeit in einzelnen Punkten nicht glaubwürdig; dies gilt etwa für die Sitzung vom 13. Mai 1982, deren Protokoll (gem. Bpkte., Anl. 24) die Anwesenheit der Klägerin vermerkt, obwohl diese Sitzung nicht zu denjenigen gehört, für die die Klägerin ihre Teilnahme in ihrer Antwort auf das Auskunftsverlangen eingeräumt hat.

89 Die Kommission hat auf der Grundlage der Angaben von ICI in deren Antwort auf das Auskunftsverlangen, die durch zahlreiche Sitzungsberichte bestätigt worden sind, zu Recht angenommen, daß Zweck der Sitzungen namentlich die Festsetzung von Preiszielen zum einen und von Verkaufsmengenzielen zum anderen war. So heisst es in dieser Antwort: "' Target prices' for the basic grade of each principal category of polypropylene as proposed by producers from time to time since 1 January 1979 are set forth in Schedule..." und "A number of proposals for the volume of invidual producers were discussed at meetings" ("Die 'Zielpreise' , die von den Herstellern seit dem 1. Januar 1979 regelmässig für die Grundsorte der wichtigsten Polypropylen-Kategorien vorgeschlagen worden sind, sind im Anhang aufgeführt..." und "Eine Reihe von Vorschlägen zum Verkaufsvolumen der einzelnen Hersteller wurde in Sitzungen erörtert").

90 Darüber hinaus ergibt sich aus der Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen, in der von der Abhaltung von Sitzungen von "Experten" für den Vertrieb zusätzlich zu den "Chef"-Sitzungen von Ende 1978 oder Anfang 1979 an die Rede ist, daß die Gespräche über die Festsetzung von Preis- und Verkaufsmengenzielen immer konkreter und genauer wurden, während sich 1978 die "Chefs" auf die Entwicklung des Konzepts der Zielpreise selbst beschränkt hatten.

91 Über den vorstehend wiedergegebenen Abschnitt hinaus heisst es in der Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen: "Only 'Bosses' and 'Experts' meetings came to be held on a monthly basis" ("Nur die 'Chef' - und 'Experten' -Sitzungen wurden auf monatlicher Grundlage abgehalten"). Zu Recht hat die Kommission aus dieser Antwort sowie aus der Identität von Art und Zweck der Sitzungen geschlossen, daß diese Teil eines Systems regelmässiger Sitzungen waren.

92 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, daß der Kommission rechtlich der Beweis gelungen ist, daß die Klägerin regelmässig an den regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller zwischen Ende 1978 oder Anfang 1979 und September 1983 teilgenommen hat, daß Zweck dieser Sitzungen namentlich die Festsetzung von Preis- und Verkaufsmengenzielen war und daß die Sitzungen Teil eines Systems waren.

B - Die Preisinitiativen

a) Angefochtene Handlung

93 Nach den Randnummern 28 bis 51 der Entscheidung wurde ein System zur Festsetzung von Preiszielen mittels Preisinitiativen angewandt, von denen sechs hätten festgestellt werden können; die erste habe von Juli bis Dezember 1979 gedauert, die zweite von Januar bis Mai 1981, die dritte von August bis Dezember 1981, die vierte von Juni bis Juli 1982, die fünfte von September bis November 1982 und die sechste von Juli bis November 1983.

94 Zur ersten dieser Preisinitiativen führt die Kommission (Entscheidung, Randnr. 29) aus, es liege kein eingehendes Beweismaterial über irgendwelche Sitzungen oder Preisinitiativen im ersten Halbjahr 1979 vor. Aus einem Vermerk über eine Sitzung vom 26. und 27. September 1979 gehe allerdings hervor, daß eine Preisinitiative auf der Grundlage eines Raffia-Preises von 1,90 DM/kg ab 1. Juli und von 2,05 DM/kg ab 1. September geplant worden sei. Die Kommission habe Preisinstruktionen einiger Hersteller, so auch der Klägerin, sichergestellt, die die Anweisungen dieser Hersteller an ihre nationalen Verkaufsbüros zur Anwendung dieses Preises bzw. des entsprechenden Betrags in den anderen nationalen Währungen ab 1. September enthielten; diese Instruktionen seien fast alle erteilt worden, bevor die Fachpresse von der geplanten Preiserhöhung gesprochen habe (Entscheidung, Randnr. 30).

95 Wegen der Schwierigkeiten einer Preisanhebung hätten die Hersteller jedoch in ihrer Sitzung vom 26. und 27. September 1979 beschlossen, das Datum für die Erreichung des Preisziels um mehrere Monate auf den 1. Dezember 1979 zu verschieben, wobei die seinerzeit geltenden Preise im Oktober beibehalten werden sollten und die Möglichkeit für eine Zwischenerhöhung auf 1,90 oder 1,95 DM/kg im November bestanden habe (Entscheidung, Randnr. 31 Absätze 1 und 2).

96 Zu der zweiten Preisinitiative heisst es in der Entscheidung (Randnr. 32), obwohl für 1980 keine Sitzungsberichte sichergestellt worden seien, stehe es fest, daß in diesem Jahr mindestens sieben Herstellersitzungen stattgefunden hätten (hierfür wird auf Tabelle 3 im Anhang der Entscheidung verwiesen). Den Presseberichten vom Anfang des Jahres zufolge seien die Hersteller darauf aus gewesen, im Jahr 1980 einen starken Preisauftrieb zu begünstigen. Trotzdem seien die Preise in diesem Jahr drastisch auf 1,20 DM/kg und weniger gefallen, bevor sie sich etwa im September desselben Jahres wieder stabilisiert hätten. Von mehreren Herstellern (DSM, Hoechst, Linz, Monte und Saga, ICI ausgenommen) erteilte Preisinstruktionen wiesen darauf hin, daß zum Zweck der Wiederanhebung der Preise die Ziele für Dezember 1980/Januar 1981 für Raffia auf 1,50 DM/kg, für Homopolymer auf 1,70 DM/kg und für Kopolymer auf 1,95 bis 2,00 DM/kg festgelegt worden seien. Ein internes Schriftstück von Solvay enthalte eine Tabelle, in der die "erzielten Preise" für Oktober und November 1980 mit den sogenannten "Listenpreisen" für Januar 1981 in Höhe von 1,50/1,70/2,00 DM/kg verglichen würden. Ursprünglich sei geplant gewesen, diese Preise ab 1. Dezember 1980 anzuwenden (vom 13. bis 15. Oktober habe in Zuerich eine Sitzung stattgefunden), doch sei diese Preisinitiative auf den 1. Januar 1981 verschoben worden.

97 Nach Randnummer 33 der Entscheidung nahm die Klägerin an einer der beiden Sitzungen vom Januar 1981 teil, in denen beschlossen worden sei, eine im Dezember 1980 für den 1. Februar 1981 festgelegte Preisanhebung auf 1,75 DM/kg für Raffia in zwei Stufen vorzunehmen: Die ab 1. Februar geltenden Zielpreise von 1,75 DM/kg seien aufrechterhalten worden, und die Zielpreise von 2,00 DM/kg hätten "ausnahmslos" ab 1. März eingeführt werden müssen. Für sechs Hauptsorten sei eine Tabelle der Zielpreise in sechs nationalen Währungen aufgestellt worden, die am 1. Februar bzw. 1. März 1981 habe in Kraft treten sollen. Aus Unterlagen der Klägerin werde ersichtlich, daß sie Maßnahmen getroffen habe, um die für Februar und März festgesetzten Zielpreise einzuführen.

98 In der Entscheidung (Randnr. 34) heisst es, daß die Absicht, die Preise ab 1. März auf 2,00 DM/kg anzuheben, jedoch anscheinend nicht zum Erfolg geführt habe. Die Hersteller hätten ihre Erwartungen ändern müssen und nun gehofft, bis März auf 1,75 DM/kg zu kommen. Am 25. März 1981 habe in Amsterdam eine "Experten"-Sitzung stattgefunden, über die Berichte nicht erhalten seien, doch hätten unmittelbar danach jedenfalls die Klägerin, DSM, ICI, Monte und Shell Anweisungen zur Anhebung der Ziel- bzw. "Listenpreise" auf 2,15 DM/kg für Raffia mit Wirkung vom 1. Mai gegeben. Hoechst habe die gleichen Anweisungen für den 1. Mai, allerdings etwa vier Wochen später als die anderen erteilt. Einige Hersteller hätten ihren Verkaufsabteilungen die flexible Anwendung von "Mindest"- bzw. "Tiefst"-Preisen erlaubt, die etwas unter den vereinbarten Preiszielen gelegen hätten. Anfang 1981 sei es zu einem starken Preisauftrieb gekommen, der jedoch trotz der Tatsache, daß die Hersteller die Preisanhebung ab 1. Mai entschieden unterstützt hätten, nicht angehalten habe. Gegen Mitte des Jahres hätten die Hersteller eine Stabilisierung der Preise oder sogar eine gewisse Abwärtsbewegung der Preise verhindert, als die Nachfrage im Sommer zurückgegangen sei.

99 Zur dritten Preisinitiative heisst es in der Entscheidung (Randnr. 35), daß Shell und ICI eine weitere Preisinitiative für September/Oktober 1981 bereits im Juni dieses Jahres vorgesehen hätten, als ein Abklingen des Preisanstiegs des ersten Quartals deutlich geworden sei. Shell, ICI und Monte hätten sich am 15. Juni 1981 getroffen, um in Gesprächen festzulegen, wie höhere Preise auf dem Markt hätten durchgesetzt werden können. Einige Tage nach dieser Sitzung hätten ICI und Shell ihre Verkaufsabteilungen angewiesen, den Markt für eine erhebliche Erhöhung im September auf der Grundlage einer Raffiapreisanhebung auf 2,30 DM/kg vorzubereiten. Solvay habe ebenfalls seine Verkaufsabteilungen in den Benelux-Ländern am 17. Juli 1981 an die Notwendigkeit erinnert, die Abnehmer über eine wesentliche Preiserhöhung mit Wirkung vom 1. September zu unterrichten, deren genauer Betrag in der letzten Juli-Woche habe beschlossen werden sollen, für die, nämlich zum 28. Juli 1981, eine "Experten"-Sitzung angesetzt worden sei. Die geplante Anhebung auf 2,30 DM/kg im September 1981 sei (wahrscheinlich in dieser Sitzung) revidiert und für August auf 2,00 DM/kg für Raffia zurückgenommen worden. Der September-Preis habe 2,20 DM/kg betragen. Ein bei Hercules gefundener handschriftlicher Vermerk vom 29. Juli 1981 (einen Tag nach der Sitzung, an der Hercules wahrscheinlich nicht teilgenommen habe) enthalte diese Preise als "offizielle" Preise für August und September und verweise in verschlüsselter Form auf die Informationsquelle. Weitere Sitzungen hätten am 4. August in Genf und am 21. August 1981 in Wien stattgefunden. Nach diesen Sitzungen hätten die Hersteller neue Anweisungen erteilt, ab 1. Oktober einen Preis von 2,30 DM/kg zu praktizieren. Die Klägerin, DSM, Hoechst, ICI, Monte und Shell hätten fast identische Preisinstruktionen erteilt, um diese Preise im September und Oktober durchzugeben.

100 Nach der Entscheidung (Randnr. 36) war es nun beabsichtigt, sich im September und Oktober 1981 auf ein "Grundpreis"-Niveau für Raffia von 2,20 bis 2,30 DM/kg zuzubewegen. In einem Schriftstück von Shell sei der Hinweis enthalten, daß ursprünglich eine weitere Erhöhung auf 2,50 DM/kg ab 1. November zur Debatte gestanden habe. Berichte der verschiedenen Hersteller zeigten, daß die Preise im September 1981 bis in den folgenden Monat hinein gestiegen seien und die Preise für Raffia etwa 2,00 bis 2,10 DM/kg erreicht hätten. In einem Vermerk von Hercules stehe, daß das Preisziel von 2,30 DM/kg im Dezember auf einen etwas realistischeren Preis von 2,15 DM/kg zurückgeführt worden sei, daß aber "allgemeine Entschlossenheit die Preise auf 2,05 DM brachte und man noch nie so nah an die veröffentlichten (sic!) Zielpreise herangekommen ist". Ende 1981 habe die Fachpresse von Preisen auf dem Polypropylenmarkt gesprochen, die für Raffia bei 1,95 bis 2,10 DM/kg und somit etwa 20 Pfennig unter den Herstellerzielen gelegen hätten. Die Kapazitätsauslastung habe angeblich "gesunde" 80 % betragen.

101 Die vierte Preisinitiative (Juni bis Juli 1982) habe im Kontext einer Rückkehr des Marktes zum Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage gestanden. Diese Initiative sei in der Herstellersitzung vom 13. Mai 1982 beschlossen worden, an der die Klägerin teilgenommen habe und in der eine ausführliche Tabelle der Preisziele zum 1. Juni für verschiedene Polypropylensorten in verschiedenen nationalen Währungen (2,00 DM/kg für Raffia) erarbeitet worden sei (Entscheidung, Randnrn. 37 bis 39 Absatz 1).

102 Auf die Sitzung vom 13. Mai 1982 seien Preisinstruktionen von ATO, der Klägerin, Hoechst, Hercules, Hüls, ICI, Linz, Monte und Shell erfolgt, die, von einigen unerheblichen Ausnahmen abgesehen, den in dieser Sitzung festgelegten Zielpreisen entsprochen hätten (Entscheidung, Randnr. 39 Absatz 2). In der Sitzung vom 9. Juni 1982 hätten die Hersteller nur von bescheidenen Preisanhebungen berichten können.

103 Nach Randnummer 40 der Entscheidung nahm die Klägerin auch an der fünften Preisinitiative (September bis November 1982) teil, die in der Sitzung vom 20. und 21. Juli 1982 beschlossen worden sei und mit der ein Preis von 2,00 DM/kg zum 1. September und von 2,10 DM/kg zum 1. Oktober habe erreicht werden sollen, denn sie sei in den meisten, wenn nicht allen Sitzungen anwesend gewesen, die zwischen Juli und November 1982 stattgefunden hätten, als diese Initiative geplant und kontrolliert worden sei (Entscheidung, Randnr. 45). In der Sitzung vom 20. August 1982 sei die für den 1. September geplante Preisanhebung auf den 1. Oktober verschoben worden; dieser Beschluß sei in der Sitzung vom 2. September 1982 bestätigt worden (Entscheidung, Randnr. 41).

104 Nach den Sitzungen vom 20. August und 2. September 1982 hätten ATO, DSM, Hercules, Hoechst, Hüls, ICI, Linz, Monte und Shell Preisinstruktionen erteilt, die dem in diesen Sitzungen festgelegten Zielpreis entsprochen hätten (Entscheidung, Randnr. 43).

105 In der Sitzung vom 21. September 1982 seien die Maßnahmen zur Erreichung des zuvor gesetzten Ziels geprüft worden, und die Unternehmen hätten generell einen Vorschlag zur Anhebung des Preises auf 2,10 DM/kg für November-Dezember 1982 unterstützt. Diese Anhebung sei in der Sitzung vom 6. Oktober 1982 bestätigt worden (Entscheidung, Randnr. 44).

106 Nach der Sitzung vom 6. Oktober 1982 hätten die Klägerin, DSM, Hercules, Hoechst, Hüls, ICI, Linz, Monte, Shell und Saga Preisinstruktionen erteilt, um die beschlossene Anhebung durchzusetzen (Entscheidung, Randnr. 44 Absatz 2).

107 Wie ATO, DSM, Hercules, Hoechst, Hüls, ICI, Linz, Monte und Saga habe auch die Klägerin der Kommission Preisinstruktionen vorgelegt, die sie ihren lokalen Verkaufsabteilungen für Oktober und November erteilt habe. Diese seien nicht nur in bezug auf Betrag und Zeit identisch, sondern entsprächen auch der Zielpreisliste, die dem Bericht von ICI über die "Experten"-Sitzung vom 2. September beigefügt sei (Entscheidung, Randnr. 45 Absatz 2).

108 Die Sitzung vom Dezember 1982 habe zu einer Vereinbarung geführt, der zufolge der November/Dezember-Stand von 2,10 DM/kg bis Ende Januar 1983 habe erreicht werden müssen (Entscheidung, Randnr. 46 Absatz 2).

109 Nach Randnummer 47 der Entscheidung hat die Klägerin schließlich auch an der sechsten Preisinitiative (Juli bis November 1983) teilgenommen. In der Sitzung vom 3. Mai 1983 sei vereinbart worden, nach Möglichkeit im Juni 1983 das Preisziel 2,00 DM/kg zu erreichen. In der Sitzung vom 20. Mai 1983 seien die Erreichung des festgelegten Ziels jedoch auf September verschoben und ein Zwischenziel für den 1. Juli (1,85 DM/kg) festgelegt worden. In einer Sitzung vom 1. Juni 1983 hätten die anwesenden Hersteller, darunter die Klägerin, sodann ihr Engagement zur Erhöhung auf 1,85 DM/kg bekräftigt. Bei dieser Gelegenheit sei vereinbart worden, daß Shell in einer Fachzeitschrift, den European Chemical News (nachstehend: ECN), öffentlich vorangehen werde.

110 Unmittelbar nach der Sitzung vom 20. Mai 1983 hätten ICI, DSM, die Klägerin, Hoechst, Linz, Shell, Hercules, ATO, Petrofina und Solvay ihren Verkaufsabteilungen Anweisungen erteilt, ab 1. Juli eine Preistabelle anzuwenden, in der Raffia mit 1,85 DM/kg ausgezeichnet gewesen sei (Entscheidung, Randnr. 49). Mit Ausnahme von Hüls, für die für Juli 1983 keine Preisinstruktionen vorlägen, hätten also alle Hersteller, die an den Sitzungen teilgenommen bzw. ihre Unterstützung für das neue Preisziel von 1,85 DM/kg zugesagt hätten, Instruktionen erteilt, damit die neuen Preise praktiziert würden.

111 Weitere Sitzungen fanden nach Randnummer 50 der Entscheidung am 16. Juni, 6. und 21. Juli, 10. und 23. August sowie 5., 15. und 29. September 1983 statt; an ihnen hätten die üblichen Teilnehmer teilgenommen. Ende Juli und Anfang August 1983 hätten die Klägerin, DSM, Hercules, Hoechst, Hüls, ICI, Linz, Solvay, Monte und Saga ihren verschiedenen nationalen Verkaufsabteilungen Preisinstruktionen mit Wirkung vom 1. September (auf der Grundlage eines Raffia-Preises von 2,00 DM/kg) erteilt, während ein interner Vermerk von Shell vom 11. August über die Preise des Unternehmens im Vereinigten Königreich den Hinweis enthalte, daß die britische Tochter die ab 1. September geltenden Grundpreise "unterstützte", die den Preiszielen der anderen Hersteller entsprochen hätten. Ende des Monats habe Shell jedoch die britische Verkaufsabteilung angewiesen, mit der Erhöhung so lange zu warten, bis die anderen Hersteller die gewünschten Grundpreise aufgestellt hätten. Diese Instruktionen seien, abgesehen von einigen unerheblichen Ausnahmen, für jeden Typ und jede Währung identisch.

112 Die von den Herstellern erhaltenen Preisinstruktionen zeigten, daß später beschlossen worden sei, die Preisbewegung vom September aufrechtzuerhalten und für Raffia mit 2,10 DM/kg ab 1. Oktober und 2,25 DM/kg ab 1. November weitere Erhöhungen durchzuführen (Entscheidung, Randnr. 50, letzter Absatz). Die Klägerin, Hoechst, Hüls, ICI, Linz, Monte und Solvay hätten ihren Verkaufsabteilungen für die Monate Oktober und November identische Preise übermittelt, während Hercules zunächst etwas niedrigere Preise festgesetzt habe (Entscheidung, Randnr. 51 Absatz 1).

113 Ein bei ATO sichergestellter interner Vermerk vom 28. September 1983 enthalte eine Tabelle mit der Überschrift "Erinnerung des Cota-Preises (sic)", die für verschiedene Länder Preise für die drei Hauptpolypropylensorten im September und Oktober angebe, die mit den Preisen der Klägerin und denen von DSM, Hoechst, Hüls, ICI, Linz, Monte und Solvay übereinstimmten. Während der Nachprüfungen bei ATO im Oktober 1983 hätten die Vertreter des Unternehmens bestätigt, daß diese Preise den Verkaufsbüros mitgeteilt worden seien (Entscheidung, Randnr. 51 Absatz 3).

114 Die Zuwiderhandlung habe, wann immer die letzte Sitzung stattgefunden haben möge, bis zum November 1983 angedauert, da die Vereinbarung mindestens bis zu diesem Zeitpunkt ihre Wirkungen entfaltet habe; der November sei der letzte Monat, für den nachweislich Zielpreise vereinbart und Preisinstruktionen erteilt worden seien (Entscheidung, Randnr. 105 Absatz 4).

115 Abschließend wird in der Entscheidung (Randnr. 51, letzter Absatz) darauf hingewiesen, daß sich die Polypropylenpreise Ende 1983 laut Berichten der Fachpresse stabilisiert haben sollen, wobei für Raffia ein Preis von 2,08 bis 2,15 DM/kg (gegenüber dem Ziel 2,25 DM/kg) erreicht worden sei.

b) Vorbringen der Parteien

116 Zu der Preisinitiative von Juli bis Dezember 1979 führt die Klägerin aus, die Übereinstimmung ihrer Preisinstruktionen mit denen der anderen Hersteller erkläre sich durch die nachgewiesenen Erhöhungen der Rohstoffpreise (insbesondere des Propylen), denen alle Hersteller in gleicher Weise ausgesetzt gewesen seien. Ausserdem bestätige die Tatsache, daß zwischen den Instruktionen der verschiedenen Hersteller (Schreiben vom 29. März 1985, Anlage A) ein langer Zeitraum (vom 20. Juni 1979 bis 8. August 1979) liege, die Unabhängigkeit dieser Instruktionen. Im übrigen habe die Kommission die Teilnahme der Klägerin an der Sitzung vom 26. und 27. September 1979 nicht nachgewiesen. Schließlich macht die Klägerin geltend, ihre Preisinstruktionen seien rein interner Natur gewesen; die Kommission könne deshalb daraus nicht auf die Durchführung eines in einer Sitzung festgesetzten Zielpreises schließen.

117 Die Klägerin unterteilt die Initiative von Januar bis Mai 1981 in drei verschiedene Einzelinitiativen. Zu der Initiative von Januar bis Februar 1981 weist sie zunächst darauf hin, daß sie in der Tabelle 7 B im Anhang der Entscheidung, die sich auf diese Preisinitiative beziehe, nicht genannt sei und daß sie in der Zeit, in der diese Initiative beschlossen worden sein solle, an keiner Herstellersitzung teilgenommen habe. Mit ihren Preisinstruktionen vom 22. Dezember 1980 und vom 20. und 25. Februar 1981 (Schreiben vom 29. März 1985, Anlage BASF C) habe sie auf am 18. Dezember 1980 veröffentlichte Informationen über eine bevorstehende Preisanhebung bei den Rohstoffen reagiert. Die Verwendung des Ausdrucks "target list prices" ("Ziel-Listenpreise") in einer Preisinstruktion von ICI (gem Bpkte., Anl. 16) beweise nicht, daß eine Sitzung stattgefunden habe, in der dieses Ziel festgelegt worden wäre. Zum einen entspreche dieser Ausdruck einem ICI-eigenen Sprachgebrauch, mit dem intern den Verkaufsorganisationen dieses Unternehmens habe deutlich gemacht werden sollen, welches Preisniveau sie anzustreben hätten, und zum anderen enthalte diese Instruktion keinerlei Hinweise auf eine Sitzung.

118 Bezueglich der Initiative von März/April 1981 bestreitet die Klägerin den Beweiswert der von der Kommission vorgelegten Preisinstruktionen (Schreiben vom 29. März 1985, Anlage BASF C), da der dort verwendete Begriff "agreed" ("vereinbart") nicht erkennen lasse, ob die Klägerin aufgrund des Informationsaustauschs einer Preiserhöhung zugestimmt habe oder ob für ihren Versuch, die Preise anzuheben, andere Faktoren vor ihrer erstmaligen Teilnahme an den Sitzungen maßgebend gewesen seien. Darüber hinaus sei die Preistabelle, die dem Protokoll zweier Sitzungen vom Januar 1981 beigefügt sei (gem. Bpkte., Anl. 17), ebenfalls nicht beweiskräftig, da sie nicht erkennen lasse, ob sie jemals erörtert worden sei.

119 Zu der Initiative vom Mai 1981 weist die Klägerin darauf hin, daß die Kommission eingeräumt habe, nicht über Sitzungsberichte zu verfügen, und deshalb allein von den Preisinstruktionen ausgegangen sei, die die Klägerin am 30. April und 6. Mai 1981 erteilt habe (Schreiben vom 29. März 1985, Anlage BASF D). Diese Instruktionen erklärten sich jedoch durch die Rohstoffverteuerung, deren mögliches Ausmaß sie einer Veröffentlichung der ECN vom 20. April 1981 (gem. Bpkte., Anl. 20) entnommen habe. Die Klägerin bestreitet auch den Beweiswert der Preisinstruktionen verschiedener Hersteller für Mai und Juni (gem. Bpkte., Anl. 19), da sich aus ihnen keine Abstimmung zwischen Herstellern - und erst recht keine Beteiligung der Klägerin an einer solchen Abstimmung - ableiten lasse, denn vor Erteilung dieser Instruktionen seien Preisinformationen veröffentlicht worden.

120 Die Klägerin bestreitet nicht, sich an den Preisinitiativen der Jahre 1982 und 1983 beteiligt zu haben. Sie wiederholt jedoch, diese Preisinstruktionen seien interner Natur gewesen, was durch eine Untersuchung einer unabhängigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft über die Nettoverkaufspreise (nach Abzug eventueller Nachlässe) der Hersteller im Referenzzeitraum (im folgenden: Untersuchung von Coopers & Lybrand) bestätigt werde. Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigten, daß diese Instruktionen keinerlei Einfluß auf die tatsächlich auf dem Markt praktizierten Preise gehabt hätten.

121 Die Kommission macht geltend, die Übereinstimmung der Preisinstruktionen der Klägerin vom 24. und 27. Juli 1979 mit denen von Monte, Shell, ICI, Hoechst, Linz und ATO für den 1. September 1979 lasse sich nicht mit einer Verteuerung der Rohstoffe erklären und beweise daher das Vorliegen einer Vereinbarung über die Preise. Dies gehe insbesondere aus dem Vermerk über die Sitzung vom 26. und 27. September 1979 (gem. Bpkte., Anl. 12) hervor, in dem die Preisinitiative von 1979 erwähnt werde, da es dort heisse: "2.05 remains the target" ("2,05 bleibt das Ziel").

122 An der Preisinitiative Ende 1980/Anfang 1981 habe die Klägerin ebenfalls teilgenommen. Dies ergebe sich aus einem Fernschreiben vom 22. Dezember 1980, in dem die Klägerin einen ab 20. Januar 1981 geltenden Preis von 1,77 DM/kg nenne, der das Ergebnis einer Vereinbarung mit den anderen Herstellern sei, wie durch den Bericht über zwei Sitzungen vom Januar 1981 bestätigt werde, an deren zweiter die Klägerin teilgenommen habe. Diesem Bericht sei nämlich eine Preistabelle beigefügt, die mit den Preisinstruktionen der Klägerin und denen einer Reihe anderer Hersteller übereinstimme (Schreiben vom 29. März 1985, Anlage C).

123 Die Kommission räumt ein, daß sie für die Monate März und April 1981 nicht über einen unmittelbaren Beweis für die Teilnahme der Klägerin an den Sitzungen verfüge; die Übereinstimmung der Preisinstruktionen der Klägerin mit denen der anderen Hersteller für denselben Zeitraum (Schreiben vom 29. März 1985, Anlage D) zeige jedoch, daß die Kontakte zwischen den Herstellern nicht abrupt abgebrochen worden seien. Diese Beweisführung werde auch nicht dadurch erschüttert, daß die von einigen Herstellern beabsichtigten Preiserhöhungen in den ECN vom 20. April 1981 (gem. Bpkte., Anl. 20) veröffentlicht worden seien, denn die Preisinstruktion der Klägerin vom 6. Mai 1981 habe eine gleichlautende Preisinstruktion, die die Klägerin bereits am 27. März 1981 erteilt habe, nur bestätigt.

124 Für die Monate September und Oktober 1981 sei ein ganz ähnliches Bild zu verzeichnen (Schreiben vom 29. März 1981, Anlage E).

125 Die Klägerin habe auch an allen Preisinitiativen von 1982 und 1983 teilgenommen. Dies ergebe sich aus den Berichten über die Sitzungen, die zwischen Mai 1982 und Ende September 1983 stattgefunden hätten (gem. Bpkte., Anl. 24 bis 40), und aus den übereinstimmenden Preisinstruktionen, die die Klägerin und die anderen Hersteller nach diesen Sitzungen erteilt hätten (Schreiben vom 29. März 1985, Anlagen F bis I).

c) Würdigung durch das Gericht

126 Das Gericht stellt fest, daß die Berichte über die regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller zeigen, daß die Hersteller, die an diesen Sitzungen teilgenommen haben, dort die in der Entscheidung genannten Preisinitiativen vereinbart haben. So heisst es in dem Bericht über die Sitzung vom 13. Mai 1982 (gem. Bpkte., Anl. 24):

"Everyone felt that there was a very good opportunity to get a price rise through before the holidays + after some debate settled on DM 2.00 from 1st June (UK 14th June). Individual country figures are shown in the attached table".

("Alle glaubten, daß die Gelegenheit für die Durchsetzung einer Preiserhöhung vor den Ferien günstig war, und einigten sich nach Diskussion auf 2,00 DM mit Wirkung vom 1. Juni [14. Juni für das Vereinigte Königreich]. Die Zahlen nach Ländern finden sich in der beigefügten Tabelle.")

127 Da bewiesen ist, daß die Klägerin an diesen Sitzungen teilgenommen hat, kann sie nicht behaupten, den dort beschlossenen, organisierten und kontrollierten Preisinitiativen nicht zugestimmt zu haben, ohne Anhaltspunkte für die Erhärtung dieser Behauptung vorzutragen. Fehlen nämlich solche Anhaltspunkte, so gibt es keinen Grund für die Annahme, daß die Klägerin diesen Initiativen im Unterschied zu den anderen Teilnehmern der Sitzungen nicht zugestimmt hat.

128 Hierzu ist darauf hinzuweisen, daß die Klägerin nicht spezifisch bestreitet, an den Preisinitiativen teilgenommen zu haben, die in der zweiten Hälfte des Jahres 1981 und in den Jahren 1982 und 1983 stattgefunden haben, und daß die Übereinstimmung ihrer Preisinstruktionen mit denen verschiedener anderer Hersteller zudem beweist, daß sie sich an der Durchführung dieser Preisziele durch die Hersteller beteiligt hat.

129 Den Argumenten, mit denen die Klägerin darzutun versucht, daß sie den vereinbarten Preisinitiativen nicht zugestimmt habe, kann nach Ansicht des Gerichts aus den nachstehenden Gründen nicht gefolgt werden.

130 Mit dem Argument der Klägerin, die verschiedenen Hersteller hätten denselben Zwängen unterlegen, lässt sich nicht die Übereinstimmung ihrer auf verschiedene nationale Währungen lautenden Preisinstruktionen erklären, denn die Hersteller unterlagen nur im Hinblick auf bestimmte Produktionsfaktoren, wie etwa die Preise der Rohstoffe, denselben Zwängen, nicht aber im Hinblick auf die Gemeinkosten, die Lohnkosten oder die Steuersätze, so daß die Rentabilitätsschwelle für die einzelnen Hersteller deutlich verschieden war, wie z. B. der Bericht über die Sitzung der "European Association for Textile Polyolefins" vom 22. November 1977 (gem. Bpkte., Anl. 6) zeigt, an der die Klägerin nicht teilgenommen hat. Diesem Bericht zufolge wünschte Hoechst zur Erreichung der Rentabilitätsschwelle einen Preis von 1,85 DM/kg, ICI von 1,60 DM/kg, Rhône-Poulenc von 3,50 FF und Shell von 1,50 DM/kg.

131 Zu dem Vorbringen, die Preisinstruktionen der Klägerin und die von ihr festgesetzten Zielpreise seien rein interner Natur gewesen, stellt das Gericht fest, daß diese Instruktionen zwar insofern interner Natur waren, als sie vom Hauptsitz an die Verkaufsabteilungen gerichtet waren, daß sie jedoch erteilt wurden, um ausgeführt zu werden und somit Aussenwirkungen zu erzeugen, wie die von der Klägerin am 26. September 1983 erteilte Preisinstruktion (gem. Bpkte., Anl. 42) ausdrücklich bestätigt, in der es heisst:

"Wir müssen Sie also bitten, unsere Kunden dahin gehend zu informieren, daß ein weiterer Preisschritt für Lieferungen ab 1. November von 0,15 DM/kg unvermeidbar ist."

Zudem verlieren rein interne Preisziele ihren internen Charakter, wenn sie mit anderen Herstellern erörtert werden. Das Argument der Klägerin ist daher nicht geeignet, ihre Teilnahme an den aufeinanderfolgenden Preisinitiativen zu widerlegen.

132 Auch die Veröffentlichung von Preisinformationen in den ECN ist nicht geeignet, der Übereinstimmung der Preisinstruktionen der Klägerin mit denen anderer Hersteller ihren Beweiswert zu nehmen, da mehrere Hersteller nachweislich vor dieser Veröffentlichung Preisinstruktionen erteilt haben, da in der fraglichen Zeit Herstellersitzungen stattgefunden haben und da sich zudem eindeutig aus dem Bericht über die Sitzung vom 1. Juni 1983 (gem. Bpkte., Anl. 40) ergibt, daß eine Preisinitiative in der Fachpresse angezeigt wurde, wenn sie beschlossen worden war. In diesem Bericht heisst es nämlich: "Shell was reported to have committed themselves to the move and would lead publicly in ENC" ("Es wurde gesagt, daß Shell sich zu diesem Schritt verpflichtet habe und in den ECN öffentlich vorangehen werde").

133 Zu dem Argument der Klägerin, die Untersuchung von Coopers & Lybrand zeige, daß ihre Preisinstruktionen keinerlei Auswirkung auf die praktizierten Preise gehabt habe, ist darauf hinzuweisen, daß das Fehlen einer Wirkung nicht geeignet wäre, die Beweismittel zu entkräften, die die Kommission dafür vorgelegt hat, daß die Preisinitiativen das Ergebnis der Festlegung von Preiszielen durch die verschiedenen Hersteller waren.

134 Schließlich ist das Gericht der Ansicht, daß die Kommission vernünftigerweise davon ausgehen durfte, daß die dem Bericht über die beiden Sitzungen vom Januar 1981 beigefügte Preistabelle (gem. Bpkte., Anl. 17) in dieser Sitzung erörtert worden war und das Ergebnis dieser Sitzung darstellte.

135 Ebenfalls zu Recht hat die Kommission aus der Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen, in der es heisst: "' Target prices' for the basic grade of each principal category of polypropylene as proposed by producers from time to time since 1 January 1979 are set forth in Schedule..." ("Die 'Zielpreise' , die von den Herstellern seit dem 1. Januar 1979 regelmässig für die Grundsorte der wichtigsten Polypropylen-Kategorien vorgeschlagen worden sind, sind im Anhang aufgeführt...") abgeleitet, daß diese Initiativen Teil eines Systems zur Festsetzung von Preiszielen waren.

136 Das Gericht stellt schließlich fest, daß die letzte Herstellersitzung, die die Kommission nachgewiesen hat, zwar die Sitzung vom 29. September 1983 ist, daß jedoch verschiedene Hersteller (die Klägerin, Hercules, Hoechst, Hüls, ICI, Linz, Monte, Solvay und Saga) zwischen dem 20. September und dem 25. Oktober 1983 übereinstimmende Preisinstruktionen (Schreiben vom 29. März 1985, Anlage I) versandt haben, die am 1. November 1983 in Kraft treten sollten, und daß die Kommission deshalb vernünftigerweise davon ausgehen durfte, daß die Herstellersitzungen ihre Wirkungen bis zum November 1983 weiter entfaltet haben.

137 Ferner ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission zur Stützung der vorstehenden tatsächlichen Feststellungen nicht auf Schriftstücke zurückzugreifen brauchte, die sie in ihren Mitteilungen der Beschwerdepunkte nicht erwähnt oder der Klägerin nicht übermittelt hatte.

138 Folglich ist der Kommission rechtlich der Beweis gelungen, daß die Klägerin zu den Polypropylenherstellern gehörte, zwischen denen es zu Willensübereinstimmungen gekommen ist, die auf die in der Entscheidung genannten Preisinitiativen gerichtet waren, daß diese Preisinitiativen Teil eines Systems waren und daß deren Wirkungen bis zum November 1983 angehalten haben.

C - Die Maßnahmen zur Förderung der Durchführung der Preisinitiativen

a) Angefochtene Handlung

139 In der Entscheidung (Artikel 1 Buchstabe c und Randnr. 27; siehe auch Randnr. 42) wird der Klägerin vorgeworfen, sie habe mit den anderen Herstellern verschiedene Maßnahmen getroffen, um die Durchsetzung der Zielpreise zu erleichtern, wie vorübergehende Absatzeinschränkungen, Austausch von Einzelangaben über ihre Verkäufe, Veranstaltung lokaler Sitzungen und ab September 1982 ein System des "Kundenmanagements" zwecks Durchsetzung der Preiserhöhungen gegenüber Einzelkunden.

140 Im System des "Kundenmanagements", das später (seit Dezember 1982) in weiterentwickelter Form als "Kundenführung" (account leadership) bezeichnet worden sei, sei die Klägerin wie alle Hersteller für mindestens einen Großkunden zum Koordinator oder Führer ernannt worden mit dem Auftrag, dessen Geschäfte mit seinen Lieferanten heimlich zu koordinieren. In Anwendung dieses Systems seien in Belgien, Italien, Deutschland und im Vereinigten Königreich Kunden bestimmt worden, für die jeweils ein "Koordinator" ernannt worden sei. Im Dezember 1982 sei eine umfassendere Annahme dieses Systems vorgeschlagen worden, wonach für jeden Großkunden ein Kundenführer ernannt worden sei, der "die Preisbewegungen [habe] lenken, erörtern und organisieren" sollen. Andere Hersteller, die in regelmässigen Geschäftsbeziehungen zu dem Kunden gestanden hätten, seien als "Wettbewerber" bezeichnet worden und hätten mit dem Kundenführer bei der Preisfestsetzung für den betreffenden Kunden zusammenarbeiten sollen. Zum "Schutz" des Kundenführers und der Wettbewerber hätten andere Hersteller, an die sich die Kunden gewandt hätten, einen Preis fordern sollen, der über dem gewünschten Niveau gelegen habe. Entgegen den Behauptungen von ICI, das System sei nach nur wenigen Monaten, in denen es nur teilweise und ineffizient funktioniert habe, zusammengebrochen, werde aus dem Bericht über die Sitzung vom 3. Mai 1983 deutlich, daß zu dieser Zeit über Einzelkunden und Preisangebote jedes einzelnen Herstellers an sie sowie Lieferungen und Bestellungen eingehend diskutiert worden sei.

141 Nach Randnummer 42 Absatz 1 der Entscheidung warnte der Vertreter der Klägerin in der Sitzung vom 2. September 1982 vor der Gefahr, daß alle Hersteller "sichere" 2,00 DM verlangten; es sei generell vereinbart worden, daß die anderen Hersteller als die Hauptlieferanten eines bestimmten Kunden mehr als 2,00 DM verlangen sollten, um so zur Erreichung des Preisziels beizutragen.

142 In der Entscheidung (Randnr. 20) wird eingeräumt, daß es keine lokalen Sitzungen in Deutschland gegeben habe, doch wird der Klägerin vorgeworfen, engen Kontakt zu Hoechst und Hüls aufrechterhalten und in Fragen wie den Quoten mit ihnen eine gemeinsame Haltung eingenommen zu haben.

b) Vorbringen der Parteien

143 Zu den Produktionsbeschränkungen führt die Klägerin aus, daß sich aus den Berichten über die Sitzungen vom 13. Mai und vom 21. September 1982 (gem. Bpkte., Anl. 24 und 30) allenfalls ergebe, daß dahin gehende Vorschläge gemacht worden seien, nicht aber, daß diese irgendeinen Erfolg gehabt hätten. Zu dem zweiten dieser Berichte macht die Klägerin geltend, daß sie ihre Produktion im Oktober 1982 aus rein technischen Gründen habe reduzieren müssen. Diese Reduzierung habe sich im übrigen nicht auf dem Markt ausgewirkt, da sie durch einen Abbau der Lagervorräte ausgeglichen worden sei. Diese Erklärung stimme mit dem Wortlaut des Berichts überein, wonach der Vertreter der Klägerin gesagt habe, daß die Produktionseinheit stillgelegt werde, und nicht, daß sie stillgelegt werden solle.

144 Zur "Kundenführung" erklärt die Klägerin, der Bericht über die Sitzung vom 2. Dezember 1982 (gem. Bpkte., Anl. 29) lasse zwar den Schluß zu, daß es Versuche zur Einführung eines solchen Systems gegeben habe, doch hätten sich die Hersteller zu keiner Zeit hierüber einigen können. Jedenfalls habe die Klägerin dieses System von Anfang an abgelehnt und sich in keiner Weise daran beteiligt, wie sich insbesondere daraus ergebe, daß ihr Name in diesem Bericht nicht genannt werde. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ausgeführt, ihr Vertreter habe in dieser Sitzung seine persönlichen Vorstellungen zur "Kundenführung" geäussert. Im übrigen fehle der Tabelle 3, die dem Bericht über die Sitzung vom 2. Dezember 1982 beigefügt sei (gem. Bpkte., Anl. 33) und in der die Klägerin als "Kundenführer" für drei Kunden genannt werde, jeder Beweiswert, da es sich offenkundig um Vorschläge des Verfassers dieser Tabelle handele, die von der Klägerin nie gebilligt worden seien. Überdies seien die dort genannten Kunden unbedeutend gewesen.

145 Die Kommission weist darauf hin, daß sie der Klägerin in der Entscheidung an keiner Stelle vorgeworfen habe, ihre Produktion reduziert zu haben, wie diese es ihr unterstelle. Aus dem Bericht über die Sitzung vom 21. Dezember 1982 (gem. Bpkte., Anl. 30) ergebe sich jedoch, daß sich die Klägerin bereit gezeigt habe, die in dieser Sitzung vereinbarte Preisinitiative durch eine Reduzierung ihrer Produktion zu unterstützen. Auch wenn es nicht zu einer solchen Reduzierung gekommen sein sollte, stelle die blosse Ankündigung durch einen Hersteller, die Produktion drosseln zu wollen, aus welchen Gründen dies auch immer geschehe, eine unzulässige Bekanntgabe von Betriebsgeheimnissen dar.

146 Für die Kommission ergibt sich die Beteiligung der Klägerin am System der "Kundenführung" aus den Berichten über die Sitzungen vom 2. September und vom 2. Dezember 1982 (gem. Bpkte., Anl. 29 und 33) sowie über zwei Sitzungen im Frühjahr 1983 (gem. Bpkte., Anl 37 und 38). In der ersten Sitzung habe die Klägerin vor der Gefahr gewarnt, einen für alle Kunden gleichen Preis anzukündigen. Auf diese Bemerkung hin sei vorgeschlagen und vereinbart worden, daß die Hersteller, die nicht Hauptlieferant eines bestimmten Kunden seien, von diesem Kunden einige Pfennige mehr verlangen sollten. Die Tabelle 3 des Berichts über die Sitzung vom 2. Dezember 1982 zeige, daß die Klägerin zum "Kundenführer" für drei ihrer Kunden in Frankreich, in der Bundesrepublik Deutschland und in Dänemark bestimmt worden sei. Dies werde durch den Bericht über eine Sitzung im Frühjahr 1983 (gem. Bpkte., Anl. 37) bestätigt.

147 Die Kommission wirft der Klägerin ferner vor, sie habe nicht nur die Rolle eines "Kundenführers", sondern auch die eines "Wettbewerbers" gespielt. Diese Vorwürfe würden durch die Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen (gem. Bpkte., Anl. 8) erhärtet, in der ICI die Funktionsweise des Systems für den dänischen Kunden der Klägerin (Jacob Holm, dem gegenüber ICI und Hüls die Rolle der "Wettbewerber" gespielt hätten) beschreibe; diese Beschreibung werde durch den Bericht über die Sitzung vom 3. Mai 1983 (gem. Bpkte., Anl. 38) bestätigt. Das Vorbringen der Klägerin, Jacob Holm sei ein unbedeutender Kunde gewesen, für den die Klägerin keines Schutzes bedurft habe, dürfe bezweifelt werden, denn in den Sitzungsberichten, wie etwa in dem über die Sitzung vom 1. Juni 1983 (gem. Bpkte., Anl. 40), werde der Name Jacob Holm im Zusammenhang mit der Klägerin immer wieder an prominenter Stelle genannt, was beweise, daß es sich für diese um einen Schlüsselkunden gehandelt habe.

c) Würdigung durch das Gericht

148 Das Gericht stellt erstens fest, daß die deutschen Hersteller, auch wenn sie keine lokalen Sitzungen in Deutschland veranstaltet haben, gleichwohl enge Kontakte untereinander pflegten; infolge dieser Kontakte hat die Klägerin sogar einen Quotenvorschlag im Namen der deutschen Hersteller formuliert, wie aus einem Vermerk über ein Telefongespräch zwischen einem Angestellten von ICI und dem Vertreter der Klägerin (gem. Bpkte., Anl. 83) hervorgeht, in dem es heisst: "A. [der Vertreter der Klägerin] phoned to give me his company' s figure for September sales + to paß on the German producers' view of how the market might be shared in 1983" ("A. hat mich angerufen, um mir die Verkaufszahlen seines Unternehmens für September zu geben und mir die Ansicht der deutschen Hersteller darüber mitzuteilen, wie der Markt 1983 aufgeteilt werden sollte") (es folgt eine detaillierte Tabelle).

149 Zweitens deutet der Bericht über die Sitzung vom 2. September 1982 (gem. Bpkte., Anl. 29), an der die Klägerin teilgenommen hat, darauf hin, daß die Unternehmen im Rahmen ihrer Verpflichtung zur Durchsetzung der Preisziele auch Absatzverluste hinnehmen sollten, was durch den Bericht über die Sitzung vom 21. September 1982 (gem. Bpkte., Anl. 30), an der die Klägerin ebenfalls teilgenommen hat, bestätigt wird. Dort heisst es: "In support of the move BASF, Hercules and Hoechst said they would be taking plant off line temporarily" ("BASF, Hercules und Hoechst sagten, daß sie diesen Schritt durch eine zeitweilige Unterbrechung der Produktion bestimmter Anlagen unterstützen würden"); diese Aussage stützt den in der Entscheidung erhobenen Vorwurf, daß es einen "Austausch von Informationen über geplante zeitweilige Anlageschließungen, die eine Angebotsverknappung begünstigen könnten", gegeben habe (Randnr. 27, vierter Gedankenstrich).

150 Drittens stellt das Gericht fest, daß es der Vertreter der Klägerin (Herr A.) war, der in der Sitzung vom 2. September 1982 vor den Gefahren gewarnt hat, die entstuenden, wenn alle Hersteller denselben Preis von den Kunden verlangen würden, und der eine Lösung dieses Problems vorgeschlagen hat. In dem Bericht über diese Sitzung (gem. Bpkte., Anl. 29) heisst es nämlich:

"About the dangers of everyone quoting exactly DM 2.00 A.' s point was accepted but rather than go below DM 2.00 it was suggested & generally agreed that others than the major producers at individual accounts should quote a few pfs higher. Whilst customers tourism was clearly to by avoided for the next month or two it was accepted that it would be very difficult for companies to refuse to quote at all when, as was likely, customers tried to avoid paying higher prices to the regular suppliers. In such cases producers would quote but at above the minimum levels for October."

("Dem Hinweis von A. auf die Gefahren, die sich ergäben, wenn alle genau 2,00 DM verlangten, wurde zugestimmt, doch wurde vorgeschlagen und allgemein vereinbart, daß, statt unter 2,00 DM zu gehen, andere als die Hauptlieferanten eines bestimmten Kunden einige Pfennige mehr verlangen sollten. Während klargestellt wurde, daß das Abwandern von Kunden im nächsten oder in den nächsten beiden Monaten zu vermeiden sei, wurde akzeptiert, daß es für die Unternehmen sehr schwer sein würde, überhaupt keine Preise zu nennen, wenn die Kunden, womit zu rechnen sei, versuchen würden, den höheren Preisen der regelmässigen Lieferer auszuweichen. In solchen Fällen sollten die Hersteller ein Preisangebot machen, das allerdings über den Mindestpreisen für Oktober liegen sollte.")

151 Darüber hinaus wird der Name der Klägerin zum einen in der Tabelle 3, die dem Bericht über die Sitzung vom 2. Dezember 1982 beigefügt ist (gem. Bpkte., Anl. 33), als Kundenführer von drei Kunden (einem in Deutschland, Boussac in Frankreich und Holm in Dänemark) und zum anderen in dem Bericht über eine Sitzung im Frühjahr 1983 (gem. Bpkte., Anl. 37) genannt, die insbesondere der Überprüfung des Systems der "Kundenführung" gewidmet war. Überdies heisst es in dem Bericht über die Sitzung vom 3. Mai 1983 (gem. Bpkte., Anl. 38): "To protect BASF, it was agreed that CWH[üls] + ICI would quote Dkr 6.75 from now to end June (DM 1,85)" ("Zum Schutz von BASF wurde vereinbart, daß CWH[üls] + ICI ab sofort bis Ende Juni 6,75 DKR (1,85 DM) verlangen sollen").

152 Aus diesen Beweismitteln ergibt sich, daß sich die Klägerin aktiv am System der "Kundenführung" beteiligt hat und daß sie sich nicht mit der Behauptung entlasten kann, ihr Vertreter habe in der Sitzung vom 2. September 1982 seine persönlichen Vorstellungen geäussert.

153 Dem Argument der Klägerin, daß die Kunden, deren "Kundenführer" sie angeblich gewesen sei, unbedeutend gewesen seien, so daß sie nicht deren "Kundenführer" gewesen sein könne, ist nicht zu folgen. Die entscheidende Frage ist nämlich nicht, ob die drei Kunden der Klägerin bedeutende Kunden waren oder nicht, sondern, ob die Klägerin einer ihrer Hauptlieferanten war oder nicht. Die Klägerin hat jedoch weder behauptet noch bewiesen, daß sie nicht zu den Hauptlieferanten dieser Kunden gehörte.

154 Allgemeiner gesehen ist das Gericht im Hinblick auf die zur Förderung der Durchführung der Preisinitiativen bestimmten Maßnahmen der Ansicht, daß Randnummer 27 der Entscheidung im Lichte der Randnummer 26 Absatz 2 so auszulegen ist, daß dort nicht jedem einzelnen Hersteller vorgeworfen wird, sich individuell verpflichtet zu haben, alle dort genannten Maßnahmen zu treffen, sondern daß jedem einzelnen dieser Hersteller der Vorwurf gemacht wird, in den Sitzungen zu verschiedenen Zeiten mit den anderen Herstellern einen Komplex von Maßnahmen vereinbart zu haben, mit denen insbesondere durch eine künstliche Verknappung des Polypropylenangebots günstige Voraussetzungen für eine Preisanhebung geschaffen werden sollten, wobei die Durchführung der einzelnen Maßnahmen einvernehmlich auf die verschiedenen Hersteller nach Maßgabe ihrer spezifischen Lage verteilt worden sei.

155 Insoweit muß festgestellt werden, daß sich die Klägerin durch die Teilnahme an den Sitzungen, in denen diese Maßnahmen beschlossen worden sind, wie die anderen Teilnehmer an diesen Maßnahmen beteiligt hat, da sie nichts vorträgt, was ihre Behauptung, sie habe sich nicht daran beteiligt, stützen könnte. FORTSETZUNG DER GRÜNDE UNTER DOK.NUM : 689A0004.2

156 Folglich ist der Kommission rechtlich der Beweis gelungen, daß die Klägerin zu den Polypropylenherstellern gehört, zwischen denen es zu einer Willensübereinstimmung gekommen ist, die auf die Maßnahmen gerichtet war, mit denen die Durchführung der in der Entscheidung genannten Preisinitiativen gefördert werden sollte.

D - Absatzziele und Quoten

a) Angefochtene Handlung

157 Nach Randnummer 31 Absatz 3 der Entscheidung wurde in der Sitzung vom 26. und 27. September 1979 "ein straffes Quotensystem als wesentlich erachtet"; in dem Bericht über diese Sitzung werde eine Regelung erwähnt, die in Zuerich vorgeschlagen bzw. vereinbart worden sei, um die monatlichen Verkäufe auf 80 % der in den ersten acht Monaten des Jahres getätigten durchschnittlichen Verkäufe zu beschränken.

158 In Randnummer 52 der Entscheidung heisst es ausserdem, es seien bereits vor August 1982 verschiedene Marktteilungssysteme angewandt worden. Während jeder Hersteller einen prozentualen Anteil an den voraussichtlichen Geschäftsabschlüssen erhalten habe, habe es in dieser Phase noch keine systematische Beschränkung der Gesamtproduktion im voraus gegeben. Marktschätzungen hätten also regelmässig revidiert und die Verkäufe jedes Herstellers in absoluten Tonnen-Zahlen entsprechend dem prozentualen Anteil angepasst werden müssen.

159 Für 1979 seien für jeden Hersteller Absatzziele (in Tonnen) aufgestellt worden, die zumindest teilweise auf den in den drei vorangegangenen Jahren erzielten Absatzergebnissen beruht hätten. Bei ICI sichergestellte Tabellen enthielten Angaben über das "revidierte Ziel" für jeden Hersteller für 1979 im Vergleich zu den tatsächlich in diesem Jahr in Westeuropa erzielten Absatzergebnissen (Entscheidung, Randnr. 54).

160 Ende Februar 1980 hätten die Hersteller für 1980 - wiederum in Tonnen ausgedrückte - Ziele auf der Grundlage eines voraussichtlichen Marktes von 1 390 000 Tonnen vereinbart. Nach Randnummer 55 der Entscheidung wurden bei ATO und ICI mehrere Tabellen sichergestellt, die die für jeden Hersteller für 1980 "vereinbarten Ziele" enthielten. Da sich diese ursprüngliche Marktschätzung als zu optimistisch herausgestellt habe, habe die Quote der Hersteller auf eine jährliche Gesamtnachfrage von nur 1 200 000 Tonnen nach unten revidiert werden müssen. Ausser im Falle von ICI und DSM hätten die Verkaufsergebnisse der einzelnen Hersteller weitgehend ihrem Ziel entsprochen.

161 Nach Randnummer 56 der Entscheidung war die Marktteilung für 1981 Gegenstand langer, komplizierter Verhandlungen. In den Sitzungen vom Anfang des Jahres sei vereinbart worden, daß jeder Hersteller als einstweilige Maßnahme zur Durchsetzung der Preisinitiative im Februar und März seine monatlichen Verkäufe auf ein Zwölftel von 85 % des Ziels von 1980 habe beschränken sollen. Um ein längerfristiges System vorzubereiten, habe jeder Hersteller in der Sitzung mitgeteilt, wieviel Tonnen er 1981 habe verkaufen wollen. Diese "Zielvorstellungen" sämtlicher Hersteller hätten die voraussichtliche Gesamtnachfrage weit überschritten. Obwohl Shell und ICI verschiedene Kompromißformeln vorgeschlagen hätten, habe keine endgültige Quotenvereinbarung für 1981 geschlossen werden können. Als Notbehelf hätten die Hersteller auf ihre Vorjahresquote zurückgegriffen und in der Sitzung über ihre tatsächlichen monatlichen Absatzergebnisse berichtet. So seien die tatsächlichen Verkäufe vor dem Hintergrund einer theoretischen Teilung des verfügbaren Marktes auf der Grundlage der Quoten von 1980 überwacht worden (Entscheidung, Randnr. 57).

162 Nach Randnummer 58 der Entscheidung unterbreiteten die Hersteller für 1982 komplizierte Quotenvorschläge, bei denen versucht worden sei, unterschiedliche Faktoren wie frühere Leistungen, Marktziele und vorhandene Kapazität in Einklang zu bringen. Der aufzuteilende Gesamtmarkt sei auf 1 450 000 Tonnen geschätzt worden. Einige Hersteller hätten ausgeklügelte Pläne für eine Marktteilung vorgelegt, während sich andere damit zufriedengegeben hätten, lediglich ihre Zielvorstellungen mitzuteilen. In der Sitzung vom 10. März 1982 hätten Monte und ICI versucht, eine Einigung zu erzielen. Wie 1981 sei es jedoch auch 1982 nicht zu einer endgültigen Vereinbarung gekommen, so daß im ersten Halbjahr die monatlichen Verkäufe der Hersteller in den Sitzungen mitgeteilt und anhand der Vorjahresanteile überwacht worden seien (Entscheidung, Randnr. 58, letzter Absatz). In der Sitzung vom August 1982 seien die Gespräche zur Erreichung einer Vereinbarung über die Quoten für 1983 fortgesetzt worden; ICI habe mit jedem Hersteller bilaterale Gespräche über das neue System geführt. Bis zur Einführung eines solchen Quotensystems hätten die Hersteller jedoch im zweiten Halbjahr 1982 versuchen sollen, ihre monatlichen Verkäufe auf dieselben prozentualen Anteile am Gesamtmarkt zu beschränken, die jeder von ihnen im ersten Halbjahr 1982 erreicht habe. So hätten sich 1982 die Marktanteile der mittelgrossen Hersteller wie der Klägerin in einem relativen Gleichgewicht befunden und seien für die meisten Hersteller im Vergleich zum Vorjahr stabil geblieben (Entscheidung, Randnr. 59).

163 Nach Randnummer 60 der Entscheidung forderte ICI für 1983 die Hersteller auf, ihre Quotenvorstellungen mitzuteilen und Vorschläge für die prozentualen Zuteilungen an die anderen Hersteller zu unterbreiten. Monte, Anic, ATO, DSM, Linz, Saga und Solvay sowie die deutschen Hersteller (letztere durch die Klägerin) hätten ausführliche Vorschläge gemacht. Die verschiedenen Vorschläge seien in einen Rechner eingegeben worden, um einen Durchschnitt zu ermitteln, der mit den durchschnittlichen Bestrebungen ("aspirations") der einzelnen Hersteller verglichen worden sei. Anhand dieser Vorarbeiten habe ICI Leitlinien für eine neue Rahmenvereinbarung für 1983 angeregt. Diese Vorschläge seien in den Sitzungen vom November und Dezember 1982 diskutiert worden. Ein zunächst auf das erste Quartal des Jahres beschränkter Vorschlag sei in der Sitzung vom 2. Dezember 1982 erörtert worden. Aus dem von ICI erstellten Bericht über diese Sitzung gehe hervor, daß ATO, DSM, Hoechst, Hüls, ICI, Monte und Solvay sowie Hercules die ihnen zugeteilte Quote als "akzeptabel" angesehen hätten (Entscheidung, Randnr. 63). Dies werde durch den Vermerk über ein Telefongespräch zwischen ICI und Hercules vom 3. Dezember 1982 bestätigt.

164 Nach Randnummer 63 Absatz 3 der Entscheidung bestätigt ein bei Shell gefundenes Schriftstück, daß eine Vereinbarung zustandegekommen sei, da sich dieses Unternehmen bemüht habe, seine Quote nicht zu überschreiten. Dieses Dokument bestätige auch, daß ein Mengenkontrollsystem im zweiten Quartal 1983 fortgesetzt worden sei, denn die nationalen Verkaufsunternehmen in der Shell-Gruppe seien angewiesen worden, ihre Verkäufe zu reduzieren, um ihre Marktanteile im zweiten Quartal bei 11 % zu halten. Das Bestehen dieser Vereinbarung werde durch den Bericht über die Sitzung vom 1. Juni 1983 bestätigt, der zwar keinen besonderen Hinweis auf Quoten enthalte, aber erwähne, daß die Experten Einzelheiten über die von ihnen im Vormonat verkauften Mengen ausgetauscht hätten, was darauf hindeuten würde, daß irgendeine Quotenregelung bestanden habe (Entscheidung, Randnr. 64).

165 Obwohl zu keiner Zeit ein System zur Sanktionierung von Quotenüberschreitungen eingeführt worden sei, habe die Regelung, wonach jeder Hersteller in Sitzungen die im vorangegangenen Monat verkaufte Menge habe melden müssen - wobei das Risiko bestanden habe, daß die übrigen Hersteller Kritik äusserten, wenn diese Menge als unangemessen angesehen worden sei -, dazu geführt, daß das dem Hersteller zugewiesene Ziel eingehalten worden sei (Entscheidung, Randnr. 65).

b) Vorbringen der Parteien

166 Nach Ansicht der Klägerin beweist der Bericht über die Sitzung vom 26. und 27. September 1979 (gem. Bpkte., Anl. 12) nicht ihre Teilnahme an einer Quotenvereinbarung für das Jahr 1979, da zum einen nichts in diesem Bericht ihre Teilnahme an dieser Sitzung beweise und da dieser Bericht zum anderen das Fehlen einer Quotenvereinbarung zu diesem Zeitpunkt belege.

167 Die Zahlentabelle mit der Bezeichnung "Producers' Sales to West Europe" ("Verkäufe der Hersteller innerhalb Westeuropas") (gem. Bpkte., Anl. 55) habe keinen Beweiswert, da nicht bekannt sei, wer sie verfasst habe, wem sie übermittelt worden sei und zu welchem Zweck sie erstellt worden sei. Nichts deute also darauf hin, daß sie das Ergebnis einer vorherigen Abstimmung der Hersteller sei oder daß sie der Klägerin zur Kenntnis gebracht worden sei. Allenfalls lasse diese Tabelle den Schluß zu, daß sich irgend jemand Gedanken über die Polypropylenverkäufe in Westeuropa gemacht habe.

168 Für 1980 weist die Klägerin darauf hin, daß der Kommission zufolge die Hersteller Ende Februar 1980 "Zielquoten" für dieses Jahr vereinbart hätten. Die Kommission habe jedoch nicht dargetan, daß die Klägerin in diesem Monat an einer Herstellersitzung teilgenommen habe.

169 Im übrigen kommt die Klägerin nach einer eingehenden Prüfung der von der Kommission vorgelegten Tabellen (gem. Bpkte., Anl. 56 bis 61) zu dem Ergebnis, daß die Zahlen, die in den verschiedenen Schriftstücken als Quoten für die Hersteller insgesamt und für die Klägerin genannt worden seien, nicht übereinstimmten. Nichts spreche dafür, daß bestimmte Schriftstücke Gegenstand irgendeines Beschlusses gewesen seien, wohingegen andere Schriftstücke sich als Quotenvorschläge erwiesen, was keinen Schluß auf eine Vereinbarung zulasse. Die Zahlen in der Tabelle in der Anlage zu dem Bericht über die Sitzungen vom Januar 1981 ( gem. Bpkte., Anl. 17) bezögen sich auf die Vergangenheit und nicht auf die Zukunft, so daß es sich nicht mehr um Quoten handeln könne. Ausserdem gebe es zwischen den "Zielquoten", die ihr angeblich zugeteilt worden seien, und ihren tatsächlichen Verkäufen entgegen der Behauptung unter Randnummer 55 Absatz 4 der Entscheidung ganz erhebliche Abweichungen. Auch dies spreche für das Fehlen einer Vereinbarung.

170 Für 1981 habe die Kommission das Fehlen einer Quotenvereinbarung eingeräumt. Das angeblich angewandte System des vorläufigen Zwölftels sei nur ein blosser Vorschlag gewesen, den die Klägerin nicht unterstützt und der im übrigen nicht zu einer Vereinbarung geführt habe. Bewiesen werde dies schon dadurch, daß am 27. Mai 1981 keine Vereinbarung über eine Mengenbegrenzung vorgelegen habe, was durch den Bericht über das Treffen von Vertretern von ICI und Shell von diesem Tage (gem. Bpkte., Anl. 64) und durch einen Vorschlag von ICI (gem. Bpkte., Anl. 63) bestätigt werde. Diese Schriftstücke zeigten nämlich, daß damals noch Diskussionen im Gange gewesen seien. Diese Schlußfolgerung werde nicht dadurch widerlegt, daß die Unternehmen möglicherweise Informationen ausgetauscht hätten, um einen Eindruck von den Marktbewegungen zu gewinnen.

171 Für das Jahr 1982 trägt die Klägerin vor, daß zwar zwischen den Herstellern Diskussionen geführt worden seien, daß diese aber nicht zu einer Vereinbarung hätten führen können, da die einzelnen Hersteller sehr unterschiedliche Standpunkte vertreten hätten. Dies ergebe sich eindeutig aus den Berichten über die Sitzungen vom 20. August, 6. Oktober und 2. Dezember 1982 (gem. Bpkte., Anl. 28, 31 und 33) und aus den Vorschlägen der verschiedenen Hersteller (gem. Bpkte., Anl. 69 bis 71), die stark voneinander abwichen.

172 Für das Jahr 1983 ergebe sich zwar aus den von der Kommission vorgelegten Schriftstücken, daß die Polypropylenhersteller Quotenvorschläge erörtert hätten, doch lasse sich diesen Schriftstücken keineswegs entnehmen, daß diese Vorschläge zu einer Vereinbarung geführt hätten oder daß die Klägerin an einer solchen Vereinbarung im ersten Quartal 1983 beteiligt gewesen sei. Die von der Kommission vorgelegten Schriftstücke enthielten nämlich keinen Hinweis auf eine Vereinbarung (gem. Bpkte., Anl. 82 und 83), sondern nur auf "Vorschläge" (gem. Bpkte., Anl. 33, Tabelle 2) oder "annehmbare" (was nicht heisse "angenommene") Zahlen für andere Hersteller als die Klägerin.

173 Auch die von der Kommission zum Nachweis einer Vereinbarung für das zweite Quartal 1983 vorgelegten Schriftstücke, insbesondere der Bericht über die Sitzung vom 1. Juni 1983 (gem. Bpkte., Anl. 40) und eine Zahlentabelle (gem. Bpkte., Anl. 84), seien nicht beweiskräftig. Das erste Schriftstücke enthalte nur einen Zahlenvergleich, während das zweite den Rückschluß der Kommission von einem von der Klägerin nicht bestrittenen Informationsaustausch über verkaufte Mengen auf eine Quotenvereinbarung nicht zulasse. In der Mitteilung der Beschwerdepunkte sei die Kommission im übrigen selbst davon ausgegangen, daß Informationsaustausch über Mengen und Quotenvereinbarungen nicht notwendig etwas miteinander zu tun haben müssten.

174 Zu dem angeblich in den Sitzungen auf bestimmte Hersteller ausgeuebten Druck schließlich macht die Klägerin geltend, man könne Kritik nicht mit Druck gleichsetzen. Jedenfalls hätte die Kommission zumindest dartun müssen, daß die an einigen Herstellern geuebte Kritik diese tatsächlich beeinflusst habe.

175 Nach Ansicht der Kommission ergibt sich die Beteiligung der Klägerin an einer Quotenvereinbarung für 1979 aus der bei ICI sichergestellten, nicht datierten Tabelle mit der Bezeichnung "Producers' Sales to West Europe" ("Verkäufe der Hersteller innerhalb Westeuropas") (gem. Bpkte., Anl. 55), in der für alle westeuropäischen Polypropylenhersteller die Verkaufszahlen in Kilotonnen für 1976, 1977 und 1978 sowie in den Rubriken "1979 actual" ("tatsächliche Zahlen 1979") und "revised target" ("revidierte Ziele") weitere Zahlen genannt würden. Der Klägerin sei dort ein "revised target" von 55 Kilotonnen zugeteilt worden. Da diese Tabelle Informationen enthalte, die streng als Betriebsgeheimnisse gehütet werden müssten, hätte sie nicht ohne Beteiligung der Klägerin erstellt werden können. Der Bericht über die Sitzung vom 26. und 27. September 1979 (gem. Bpkte., Anl. 12) bestätige, daß die Quotenfrage in dieser Zeit Gegenstand der Sitzung gewesen sei, so daß die Behauptung der Klägerin, diese Tabelle sei ohne ihr Wissen ausserhalb der Sitzungen erstellt worden, nicht haltbar sei.

176 Für 1980 sei eine Quotenvereinbarung geschlossen worden. Dies ergebe sich vor allem aus einer bei ATO gefundenen Tabelle vom 28. Februar 1980 mit der Bezeichnung "Polypropylen - Sales target 1980 (kt)" ("Polypropylen-Verkaufsziel 1980 (kt)"), in der für alle westeuropäischen Hersteller ein "1980 target" ("Ziel 1980"), "opening suggestions" ("Ausgangsvorschläge"), "proposed adjustments" ("vorgeschlagene Berichtigungen") und "agreed targets 1980" ("vereinbarte Ziele 1980") verglichen würden. Dieses Schriftstück zeige, wie die Quoten ausgearbeitet worden seien. Bestätigt werde diese Würdigung durch den Bericht über zwei Sitzungen vom Januar 1981 (gem. Bpkte., Anl. 17), in denen die Verkaufszielmengen und die von den verschiedenen Herstellern tatsächlich verkauften Mengen verglichen worden seien. Zweck des Quotensystems sei die Stabilisierung der Marktanteile gewesen. Deshalb hätten sich die Vereinbarungen auf die Marktanteile gerichtet, die dann in Mengen als Bezugsgrössen umgerechnet worden seien, da andernfalls nicht feststellbar gewesen wäre, ab welchem Zeitpunkt ein Kartellteilnehmer seine Verkaufstätigkeit absprachegemäß hätte drosseln müssen. Zu diesem Zweck sei eine Vorausschätzung des Gesamtvolumens der zu erwartenden Verkäufe unerläßlich gewesen. Da sich die anfänglichen Vorausschätzungen der Gesamtverkäufe für das Jahr 1980 als zu optimistisch erwiesen hätten, habe der ursprüngliche Ansatz des Gesamtvolumens der Verkäufe mehrfach angepasst werden müssen, so daß die den einzelnen Unternehmen zugewiesenen Mengen ebenfalls hätten angepasst werden müssen.

177 Für 1981 räumt die Kommission ein, daß es keine Vereinbarung für das ganze Jahr gegeben habe. Die Hersteller hätten sich jedoch vorläufig darauf geeinigt, ihre Verkäufe in den Monaten Januar und März auf ein Zwölftel von 85 % der für das Vorjahr vereinbarten Ziele zu begrenzen, wie sich aus dem Bericht über die beiden Sitzungen vom Januar 1981 ergebe. Während der übrigen Monate des Jahres 1981 habe ein System der laufenden Überwachung der von den einzelnen Herstellern auf den Markt gebrachten Mengen bestanden. Angesichts des engen Zusammenhangs zwischen den Preisvereinbarungen und dem System der Zielmengenvorgaben sei die Teilnahme der Klägerin an diesem System ausreichend nachgewiesen.

178 Für 1982 sei eine endgültige Vereinbarung trotz der entsprechenden Bemühungen, die durch die verschiedenen aufgefundenen Quotenpläne (gem. Bpkte., Anl. 69 und 71) bewiesen würden, nicht zustandegekommen. Man habe jedoch als vorläufige Lösung eine Orientierung an den Umsätzen des Vorjahres gefunden. So seien die Marktanteile praktisch unverändert geblieben; diese Situation sei von ATO als "Quasi-Konsens" bezeichnet worden (gem. Bpkte., Anl. 72).

179 Für das Jahr 1983 verweist die Kommission darauf, daß die Klägerin einräume, Quotenvorschläge gemacht zu haben, die sie mit den anderen Herstellern erörtert habe, daß sie das Zustandekommen einer Vereinbarung aber bestreite, ohne die geringste Erklärung dafür zu liefern. Die Klägerin sei bei dieser Gelegenheit sogar als Sprecherin der Gruppe der deutschen Hersteller aufgetreten, deren Bestrebungen sie an ICI weitergeleitet habe (gem. Bpkte., Anl. 83).

180 Die Kommission verfüge über die von den einzelnen Herstellern angestrebten Verkaufszahlen und über die Vorschläge, die sie insoweit für sich selbst und die anderen Hersteller auf Anfrage von ICI gemacht und dieser im Hinblick auf den Abschluß einer Quotenvereinbarung für 1983 übermittelt hätten (gem. Bpkte., Anl. 74 bis 76 und 78 bis 84). Die Vorschläge seien in einen Rechner eingegeben worden, um einen Durchschnitt zu ermitteln, der dann mit den Bestrebungen der einzelnen Hersteller verglichen worden sei (gem. Bpkte., Anl. 85). Neben diesen Schriftstücken legt die Kommission einen internen Vermerk von ICI mit der Bezeichnung "Polypropylene framework 1983" ("Polypropylen-Rahmen 1983") (gem. Bpkte., Anl. 86) vor, in dem ICI die Leitlinien für eine künftige Quotenvereinbarung darlege, sowie einen weiteren internen Vermerk von ICI mit der Bezeichnung "Polypropylene framework" ("Polypropylen-Rahmen") (gem. Bpkte., Anl. 87), aus dem sich ergebe, daß letztere eine Quotenvereinbarung für unerläßlich gehalten habe.

181 Der Bericht über die Sitzung vom 2. Dezember 1982 (gem. Bpkte., Anl. 33) zeige, daß die Experten einen Quotenvorschlag für das erste Quartal 1983 geprüft hätten.

182 Die Kommission stützt ihre Ansicht, daß die Vorschläge zu einer Vereinbarung geführt hätten, für das erste Quartal auf ein internes Schriftstück von Shell (gem. Bpkte., Anl. 90), das beweise, daß letztere einer Quotenvereinbarung für 1983 zugestimmt habe, da sie ihre Tochtergesellschaften angewiesen habe, ihre Verkäufe zur Einhaltung der Quote zu reduzieren ("This compares with W. E. Sales in 1Q of 43 kt: and would lead to a market share of approaching 12 % and well above the agreed SHELL target of 11 %" ["Dem stehen im ersten Quartal Verkäufe in Westeuropa von 43 kt gegenüber; dies würde zu einem Marktanteil von nahezu 12 % und damit deutlich über dem vereinbarten Shell-Ziel von 11 % führen"]). Eine solche Quotenvereinbarung müsse sich notwendigerweise auf alle Unternehmen eines Sektors erstrecken, um funktions- und konsensfähig zu sein. Auch die Klägerin müsse daher an dieser Vereinbarung beteiligt gewesen sein, selbst wenn ihre individuelle Quote nicht mit letzter Sicherheit habe festgestellt werden können.

183 Für das zweite Quartal 1983 gelte dieselbe Überlegung, die durch den Bericht über die Sitzung vom 1. Juni 1983 (gem. Bpkte., Anl. 40) und eine Tabelle bestätigt werde, in der die "1983 aspirations"auf der Grundlage der Verkaufszahlen für das erste Semester 1982 dargestellt würden (gem. Bpkte., Anl. 84), die nach Ansicht der Kommission zeigen, daß der Informationsaustausch über die verkauften Mengen der Kontrolle der Quoten gedient habe.

184 Es sei auch Druck auf die Hersteller ausgeuebt worden, die die geschlossenen Vereinbarungen nicht eingehalten hätten. Daß es einen solchen Druck gegeben habe, ergebe sich aus den Berichten über die Sitzungen vom 9. Juni, 21. September, 2. Dezember und 21. Dezember 1982 (gem. Bpkte., Anl. 25, 30, 33 und 34), in denen es heisse, daß diese Hersteller scharf kritisiert worden seien. In der Sitzung vom 15. Juni 1981, an der Shell, ICI und Monte teilgenommen hätten, seien die Störer als "hooligans" bezeichnet (gem. Bpkte., Anl. 64, a) und in der Sitzung vom 21. September 1982 sei gesagt worden: "Pressure was needed on Shell Italy to restrain themselves to the agreed levels for October" ("Auf Shell Italy musste Druck ausgeuebt werden, um sie zu zwingen, sich an die für Oktober vereinbarten Mengen zu halten") (gem. Bpkte., Anl. 30). Mit der Teilnahme an diesen Sitzungen habe die Klägerin diese Aktionen unterstützt.

c) Würdigung durch das Gericht

185 Es ist daran zu erinnern, daß die Klägerin seit Ende 1978 oder Anfang 1979 regelmässig an den regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller teilgenommen hat, in denen die Verkaufsmengen der verschiedenen Hersteller diskutiert und Informationen hierüber ausgetauscht worden sind.

186 Neben der Teilnahme der Klägerin an den Sitzungen wird ihr Name in verschiedenen Tabellen (gem. Bpkte., Anl. 55 bis 61) genannt, deren Inhalt eindeutig darauf hinweist, daß sie zur Festlegung von Verkaufsmengenzielen bestimmt waren. Die meisten Klägerinnen haben in ihren Antworten auf eine schriftliche Frage des Gerichts eingeräumt, daß es nicht möglich gewesen sei, die bei ICI, ATO und Hercules aufgefundenen Tabellen auf der Grundlage der Statistiken des Fides-Systems zu erstellen. ICI hat im übrigen in ihrer Antwort auf das Auskunftsverlangen (gem. Bpkte., Anl. 8) zu einer dieser Tabellen erklärt: "The source of information for actual historic figures in this table would have been the producers themselves" ("Die Quelle für die in dieser Tabelle genannten tatsächlich erzielten Zahlen müssen die Hersteller selbst gewesen sein"). Die Kommission ist daher zu Recht davon ausgegangen, daß die in diesen Tabellen enthaltenen Angaben von der Klägerin im Rahmen der Sitzungen gemacht worden waren, an denen sie teilgenommen hatte.

187 Die in den Tabellen für die Jahre 1979 und 1980 benutzte Terminologie (wie "revised target" ["revidiertes Ziel"], "opening suggestions" ["Ausgangsvorschläge"], "proposed adjustments" ["vorgeschlagene Berichtigungen"] und "agreed targets" ["vereinbarte Ziele"]) lässt den Schluß zu, daß es zwischen den Herstellern zu Willensübereinstimmungen gekommen ist.

188 Für das Jahr 1979 ist auf der Grundlage des gesamten Berichts über die Sitzung vom 26. und 27. September 1979 (gem. Bpkte., Anl. 12) und der bei ICI sichergestellten, nicht datierten Tabelle (gem. Bpkte., Anl. 55) mit der Bezeichnung "Producers' Sales to West Europe" ("Verkäufe der Hersteller innerhalb Westeuropa"), in der für alle westeuropäischen Polypropylenhersteller die Verkaufszahlen in Kilotonnen für 1976, 1977 und 1978 sowie unter den Rubriken "1979 actual" ("tatsächliche Zahlen 1979"), "revised target" und "79" weitere Zahlen genannt werden, festzustellen, daß in dieser Sitzung die Notwendigkeit anerkannt wurde, das für 1979 vereinbarte Quotensystem für die letzten drei Monate dieses Jahres zu verschärfen. Der Ausdruck "tight" ("strikt") in Verbindung mit der Begrenzung auf 80 % von einem Zwölftel der vorgesehenen jährlichen Verkäufe weist darauf hin, daß die für 1979 ursprünglich geplante Regelung für diese letzten drei Monate verschärft werden sollte. Diese Auslegung des Sitzungsberichts wird durch die genannte Tabelle bestätigt, denn diese enthält unter der Überschrift "79" in der letzten Spalte rechts von der Spalte mit der Überschrift "revised target" Zahlen, die den ursprünglich festgelegten Quoten entsprechen müssen. Diese müssen im Sinne einer Verschärfung revidiert worden sein, da sie auf der Grundlage einer zu optimistischen Marktschätzung festgelegt worden waren, wie dies auch 1980 der Fall war. Diese Feststellungen werden nicht dadurch entkräftet, daß in Randnummer 31 Absatz 3 der Entscheidung eine Regelung erwähnt wird, "die in Zuerich vorgeschlagen bzw. vereinbart wurde, um die monatlichen Verkäufe auf 80 % der in den ersten acht Monaten des Jahres getätigten durchschnittlichen Verkäufe zu beschränken". Dieser Hinweis ist in Verbindung mit Randnummer 54 der Entscheidung so zu verstehen, daß ursprünglich schon für die monatlichen Verkäufe der ersten acht Monate des Jahres 1979 Verkaufsmengenziele festgelegt worden waren.

189 Für das Jahr 1980 stellt das Gericht fest, daß die Festlegung von Verkaufsmengenzielen für das gesamte Jahr aus der bei ATO aufgefundenen Tabelle vom 26. Februar 1980 (gem. Bpkte., Anl. 60) hervorgeht, die eine Spalte "agreed targets 1980" ("vereinbarte Ziele 1980") enthält, und aus dem Bericht über die Sitzungen vom Januar 1981 (gem. Bpkte., Anl. 17), in denen Hersteller, unter ihnen die Klägerin, die tatsächlich verkauften Mengen ("Actual kt") mit den festgelegten Zielen ("Target kt") verglichen haben. Diese Schriftstücke werden ferner bestätigt durch eine Tabelle vom 8. Oktober 1980 (gem. Bpkte., Anl. 57), in der in zwei Spalten die "1980 Nameplate Capacity" ("nominale Kapazität 1980") und die "1980 Quota" für die einzelnen Hersteller miteinander vergichen werden.

190 Die Unterschiede zwischen den in den Tabellen als "quotas" genannten Zahlen sind geringfügig und ergeben sich aus der Anpassung der Mengen, die den den verschiedenen Herstellern zugeteilten Marktanteilen entsprechen. Diese durch die Entwicklung des Gesamtmarkts notwendig gewordene Anpassung ist als ein normaler Vorgang im Rahmen eines Quotensystems anzusehen, wenn sich die an diesem System Beteiligten bei der Schätzung der Gesamtnachfrage geirrt haben, wie dies vorliegend für 1980 der Fall war.

191 Für 1981 weist das Gericht darauf hin, daß den Herstellern vorgeworfen wird, daß sie an den Verhandlungen teilgenommen hätten, um zu einer Quotenvereinbarung für dieses Jahr zu kommen, sowie daß sie in diesem Rahmen ihre "Bestrebungen" mitgeteilt hätten und in Erwartung einer solchen Vereinbarung übereingekommen seien, ihre monatlichen Verkäufe während der Monate Februar und März 1981 vorübergehend auf ein Zwölftel von 85 % des für 1980 vereinbarten "Ziels" zu reduzieren, daß sie sich für den Rest des Jahres dieselbe theoretische Quote wie für das Vorjahr zugewiesen hätten, daß sie jeden Monat in den Sitzungen ihre Verkäufe bekanntgegeben hätten und daß sie schließlich überprüft hätten, ob ihre Verkäufe die zugeteilte theoretische Quote einhielten.

192 Daß zwischen den Herstellern Verhandlungen im Hinblick auf die Einführung einer Quotenregelung stattgefunden haben und daß die Hersteller in diesen Verhandlungen ihre "Bestrebungen" mitgeteilt haben, wird durch verschiedene Beweismittel belegt, wie Tabellen, die für jeden Hersteller dessen Zahlen für die Jahre 1979 und 1980 als "actual" und "targets" sowie seine "aspirations" für 1981 ausweisen (gem. Bpkte., Anl. 59 und 61), eine in italienischer Sprache abgefasste Tabelle (gem. Bpkte., Anl. 62), die für jeden Hersteller dessen Quote für 1980, die Vorschläge anderer Hersteller bezueglich der ihm für 1981 zuzuteilenden Quoten und seine eigenen "Bestrebungen" für 1981 ausweist, sowie einen internen Vermerk von ICI (gem. Bpkte., Anl.63) über den Verlauf dieser Verhandlungen, in dem es heisst:

"Taking the various alternatives discussed at yesterday' s meeting we would prefer to limit the volume to be shared to no more than the market is expected to reach in 1981, say 1.35 million tons. Although there has been no further discussion with Shell, the four majors could set the lead by accepting a reduction in their 1980 target market share of about 0.35 % provided the more ambitious smaller producers such as Solvay, Saga, DSM, Chemie Linz, Anic/SIR also tempered their demands. Provided the majors are in agreement the anomalies could probably be best handled by individual discussions at Senior level, if possible before the meeting in Zuerich."

("Unter den verschiedenen in der gestrigen Sitzung erörterten Möglichkeiten bevorzugen wir diejenige, die aufzuteilende Menge auf das Volumen zu begrenzen, das der Markt 1981 voraussichtlich erreichen wird, also etwa 1,35 Millionen Tonnen. Obwohl keine weitere Diskussion mit Shell stattgefunden hat, könnten die vier Grossen die Richtung weisen, indem sie ihren Zielmarktanteil für 1980 um etwa 0,35 % reduzieren, sofern die ehrgeizigeren kleineren Hersteller wie Solvay, Saga, DSM, Chemie Linz, Anic/SIR ihre Forderungen ebenfalls zuegeln. Vorausgesetzt, die Grossen sind sich einig, könnten die Anomalien möglicherweise durch individuelle Diskussionen auf Chefebene möglichst vor der Sitzung in Zuerich bewältigt werden.")

Diesem Dokument ist ein bezifferter Kompromißvorschlag beigefügt, in dem das von jedem Hersteller erzielte Ergebnis mit 1980 verglichen wird ("% of 1980 target").

193 Die Annahme vorläufiger Maßnahmen in Form einer Reduzierung der monatlichen Verkäufe in den Monaten Februar und März 1981 auf ein Zwölftel von 85 % des für das Vorjahr vereinbarten Ziels ergibt sich aus dem Bericht über die Sitzungen vom Januar 1981, in dem es heisst:

"In the meantime [february-march] monthly volume would be restricted to 1/12 of 85 % of the 1980 target with a freeze on customers."

("In der Zwischenzeit [Februar/März] soll die monatliche Menge auf 1/12 von 85 % des Ziels 1980 mit einem Einfrieren der Kunden reduziert werden.")

194 Die Tatsache, daß sich die Hersteller für den Rest des Jahres dieselbe theoretische Quote wie für das Vorjahr zugewiesen und durch den monatlichen Austausch ihrer Verkaufszahlen überprüft haben, ob die Verkäufe diese Quote einhielten, wird durch drei im Zusammenhang zu sehende Schriftstücke bewiesen. Es handelt sich erstens um eine Tabelle vom 21. Dezember 1981 (gem. Bpkte., Anl. 67), in der für jeden Hersteller die nach Monaten aufgeschlüsselten Verkäufe angegeben werden und deren letzten drei Spalten bezueglich der Monate November und Dezember sowie für das gesamte Jahr handschriftlich hinzugefügt worden sind. Zweitens handelt es sich um eine bei ICI gefundene, in italienischer Sprache abgefasste Tabelle ohne Datum mit der Bezeichnung "Scarti per società" ("Abweichungen, aufgeschlüsselt nach Gesellschaften") (gem. Bpkte., Anl. 65), in der für jeden Hersteller für die Zeit von Januar bis Dezember 1981 die Verkaufszahlen "actual" mit den Zahlen "theoretic" (theoretisch) verglichen werden. Es handelt sich drittens um eine bei ICI gefundene, nicht datierte Tabelle (gem. Bpkte., Anl. 68), in der für jeden Hersteller für die Zeit von Januar bis November 1981 die Verkaufszahlen und die Marktanteile mit denjenigen von 1979 und von 1980 verglichen werden, wobei eine Vorausberechnung für das Jahresende vorgenommen wird.

195 Die erste Tabelle zeigt, daß die Hersteller ihre monatlichen Verkaufszahlen ausgetauscht haben. Verbindet man sie mit den - in den beiden anderen, auf denselben Zeitraum bezogenen Tabellen angestellten - Vergleichen zwischen diesen Zahlen und denjenigen von 1980, so erhärtet ein solcher Austausch von Informationen, die ein unabhängiger Wirtschaftsteilnehmer streng als Betriebsgeheimnisse hütet, die Schlußfolgerungen, zu denen die Kommission in der Entscheidung gekommen ist.

196 Die Teilnahme der Klägerin an diesen verschiedenen Aktivitäten ergibt sich zum einen aus ihrer Teilnahme an den Sitzungen, in denen diese Aktionen stattgefunden haben, namentlich an den Sitzungen vom Januar 1981, und zum anderen daraus, daß ihr Name in den erwähnten Schriftstücken genannt wird. Diese Schriftstücke enthalten im übrigen Zahlen, die nach der Antwort von ICI auf eine schriftliche Frage des Gerichts - auf die andere Klägerinnen in ihrer eigenen Antwort Bezug nehmen - nicht auf der Grundlage der Statistiken des Fides-Systems hätten erstellt werden können.

197 Für 1982 weist das Gericht darauf hin, daß den Herstellern vorgeworfen wird, daß sie an den Verhandlungen im Hinblick auf den Abschluß einer Quotenvereinbarung für dieses Jahr teilgenommen hätten, daß sie in diesem Rahmen ihre Bestrebungen im Hinblick auf die Verkaufsmengen mitgeteilt hätten, daß sie in Ermangelung einer endgültigen Vereinbarung in den Sitzungen ihre monatlichen Verkaufszahlen für das erste Halbjahr mitgeteilt und mit dem im Vorjahr erzielten prozentualen Anteil verglichen hätten und daß sie sich während des zweiten Halbjahrs bemüht hätten, ihre monatlichen Verkäufe auf den prozentualen Anteil des Gesamtmarkts zu beschränken, den sie in der ersten Hälfte dieses Jahres erzielt hätten.

198 Daß zwischen den Herstellern Verhandlungen im Hinblick auf die Einführung einer Quotenregelung stattgefunden haben und daß die Hersteller in diesem Rahmen ihre Bestrebungen mitgeteilt haben, wird belegt erstens durch ein Schriftstück mit der Bezeichnung "Scheme for discussions 'quota system 1982' " ("Diskussionsschema für ein Quotensystem 1982") (gem. Bpkte., Anl. 69), in dem für alle Adressaten der Entscheidung mit Ausnahme von Hercules die Menge, auf die jeder Anspruch zu haben glaubte, und ausserdem für einige (alle ausser Anic, Linz, Petrofina, Shell und Solvay) die Menge angegeben wird, die ihrer Ansicht nach den anderen Herstellern zugeteilt werden sollte; zweitens durch einen Vermerk von ICI mit der Bezeichnung "Polypropylene 1982, Guidelines" ("Polypropylen 1982, Leitlinien") (gem. Bpkte., Anl. 70, a), in dem ICI die laufenden Verhandlungen analysiert; drittens durch eine Tabelle vom 17. Februar 1982 (gem. Bpkte., Anl. 70, b), in der verschiedene Vorschläge zur Aufteilung der Verkäufe verglichen werden, von denen einer mit der Bezeichnung "ICI Original Scheme" ("ursprüngliches Schema ICI") in einer anderen, handgeschriebenen Tabelle von Monte in einer Spalte mit der Überschrift "Milliavacca 27/1/82" (es handelt sich um den Namen eines Angestellten von Monte) geringfügig angepasst worden ist (gem. Bpkte., Anl. 70, c); schließlich durch eine in italienischer Sprache abgefasste Tabelle (gem. Bpkte., Anl. 71), die einen komplexen Vorschlag darstellt (beschrieben in der Entscheidung, Randnr. 58 Absatz 2 am Ende).

199 Die für das erste Halbjahr getroffenen Maßnahmen werden durch den Bericht über die Sitzung vom 13. Mai 1982 (gem. Bpkte., Anl. 24) bewiesen, in dem es unter anderem heisst:

"To support the move a number of other actions are needed a) limit sales volume to some agreed prop. of normal sales."

("Zur Unterstützung dieses Schritts ist eine Reihe weiterer Maßnahmen erforderlich a) Begrenzung des Verkaufsvolumens auf einen bestimmten, vereinbarten Teil der üblichen Verkäufe.")

Die Durchführung dieser Maßnahmen wird bewiesen durch den Bericht über die Sitzung vom 9. Juni 1982 (gem. Bpkte., Anl. 25), dem eine Tabelle beigefügt ist, in der für jeden Hersteller die Verkaufszahlen "actual" für die Monate Januar bis April 1982, verglichen mit einer als "theoretical based on 1981 av[erage] market share" ("theoretisch, gestützt auf den durchschnittlichen Marktanteil 1981") bezeichneten Zahl genannt wird, sowie durch den Bericht über die Sitzung vom 20. und 21. Juli 1982 (gem. Bpkte., Anl. 26) für den Zeitraum Januar bis Mai 1982 und durch den Bericht über die Sitzung vom 20. August 1982 (gem. Bpkte., Anl. 28) für den Zeitraum Januar bis Juli 1982.

200 Die für das zweite Halbjahr getroffenen Maßnahmen werden bewiesen durch den Bericht über die Sitzung vom 6. Oktober 1982 (gem. Bpkte., Anl. 31), in dem es zum einen heisst: "In October this would also mean restraining sales to the Jan/June achieved market share of a market estimated at 100 kt" ("im Oktober würde dies auch eine Begrenzung der Verkäufe auf den Anteil bedeuten, der im Zeitraum Januar/Juni bei einem auf 100 kt geschätzten Markt erzielt wurde") und zum anderen: "Performance against target in September was reviewed" ("das Verhältnis zwischen erreichtem Ergebnis und Ziel im September wurde geprüft"). Diesem Bericht ist eine Tabelle mit der Bezeichnung "September provisional sales versus target (based on Jan-June market share applied to demand est[imated] at 120 kt)" ("voraussichtliche Verkäufe im September im Verhältnis zum Ziel (auf der Grundlage des Marktanteils Januar/Juni bei einer geschätzten Nachfrage von 120 kt")) beigefügt. Die Aufrechterhaltung dieser Maßnahmen wird durch den Bericht über die Sitzung vom 2. Dezember 1982 (gem. Bpkte., Anl. 33) bestätigt, dem eine Tabelle beigefügt ist, in der für den November 1982 die Verkäufe "Actual" mit den Zahlen "Theoretical", berechnet auf der Basis "J-June % of 125 kt" ("J-Juni Prozentsatz von 125 kt"), verglichen werden.

201 Das Gericht stellt fest, daß die Kommission für das Jahr 1981 und für die beiden Halbjahre des Jahres 1982 aus der Tatsache, daß in den regelmässigen Sitzungen eine gegenseitige Überwachung der Durchführung eines Systems zur Begrenzung der monatlichen Verkäufe im Verhältnis zu einem vorausgegangenen Bezugszeitraum stattgefunden hat, zu Recht gefolgert hat, daß dieses System von den Teilnehmern an den Sitzungen angenommen worden war.

202 Für das Jahr 1983 stellt das Gericht fest, daß sich aus den von der Kommission vorgelegten Schriftstücken (gem. Bpkte., Anl. 33, 85 und 87) ergibt, daß die Polypropylenhersteller Ende 1982 und Anfang 1983 eine Quotenregelung für das Jahr 1983 erörtert haben, daß die Klägerin an den Sitzungen, in denen diese Diskussionen stattgefunden haben, teilgenommen hat und daß sie bei dieser Gelegenheit Angaben über ihre Verkäufe gemacht hat.

203 Folglich hat die Klägerin an den Verhandlungen zur Erreichung einer Quotenregelung für 1983 teilgenommen.

204 Zu der Frage, ob diese Verhandlungen für die ersten beiden Quartale des Jahres 1983 erfolgreich waren, wie in der Entscheidung behauptet wird (Randnrn. 63 Absatz 3 und 64), weist das Gericht darauf hin, daß sich aus dem Bericht über die Sitzung vom 1. Juni 1983 (gem. Bpkte., Anl. 40) ergibt, daß die Klägerin wie auch neun andere Unternehmen in dieser Sitzung ihre Verkaufszahlen für den Monat Mai genannt hat. Ferner heisst es in dem Bericht über eine interne Sitzung der Shell-Gruppe vom 17. März 1983 (gem. Bpkte., Anl. 90):

"... and would lead to a market share of approaching 12 % and well above the agreed Shell target of 11 %. Accordingly the following reduced sales targets were set and agreed by the integrated companies".

("... und würde zu einem Marktanteil führen, der nahe bei 12 % und damit deutlich über dem vereinbarten Shell-Ziel von 11 % läge. Demgemäß wurden die folgenden reduzierten Verkaufsziele von den Unternehmen der Gruppe festgelegt und vereinbart.")

Nach Angabe der neuen Mengen heisst es weiter:

"This would be 11.2 Pct of a market of 395 kt. The situation will be monitored carefully and any change from this agreed plan would need to be discussed beforehand with the other PIMS members."

("Das wären 11,2 % eines Marktes von 395 kt. Die Lage wird aufmerksam beobachtet, und jede Abweichung von diesem vereinbarten Plan muß im voraus mit den anderen PIMS-Mitgliedern erörtert werden.")

205 Hierzu stellt das Gericht fest, daß die Kommission aus diesen beiden, im Zusammenhang miteinander gesehenen Schriftstücken zu Recht gefolgert hat, daß die Verhandlungen zwischen den Herstellern zur Einführung einer Quotenregelung geführt haben. So zeigt der interne Vermerk der Shell-Gruppe, daß dieses Unternehmen seine nationalen Verkaufsgesellschaften aufgefordert hat, ihre Verkäufe zu reduzieren, und zwar nicht, um das Gesamtverkaufsvolumen der Shell-Gruppe zu verringern, sondern um den Gesamtmarktanteil dieser Gruppe auf 11 % zu begrenzen. Eine solche Begrenzung auf einen bestimmten Marktanteil lässt sich nur im Rahmen einer alle Hersteller einbeziehenden Quotenregelung erklären. Darüber hinaus stellt der Bericht über die Sitzung vom 1. Juni 1983 einen zusätzlichen Anhaltspunkt für das Bestehen einer solchen Regelung dar, denn ein Austausch von Informationen über die monatlichen Verkäufe der einzelnen Hersteller dient in erster Linie der Kontrolle der Einhaltung der eingegangenen Verpflichtungen.

206 Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die Zahl von 11 % als Marktanteil für Shell nicht nur in dem internen Vermerk von Shell, sondern auch in zwei anderen Schriftstücken genannt wird, nämlich zum einen in einem internen Vermerk von ICI, in dem diese darauf hinweist, daß Shell diese Zahl für sich selbst, für Hoechst und für ICI vorschlägt (gem. Bpkte., Anl. 87), und zum anderen in dem von ICI verfassten Bericht über ein Treffen vom 29. November 1982 zwischen ICI und Shell, bei dem an diesen Vorschlag erinnert worden ist (gem. Bpkte., Anl. 99).

207 Zudem ist die Kommission in Anbetracht des Umstands, daß mit den verschiedenen Maßnahmen zur Begrenzung der Verkaufsmengen dasselbe Ziel - Verringerung des von dem Überangebot ausgehenden Drucks auf die Preise - verfolgt wurde, zu Recht zu dem Schluß gelangt, daß diese Maßnahmen Teil eines Quotensystems waren.

208 Das Gericht weist ferner darauf hin, daß sich die Klägerin mit ihrer Teilnahme an den Sitzungen, in denen verschiedene Hersteller kritisiert wurden, die sich nicht an die Absprachen gehalten hatten, an dieser Kritik beteiligt und damit Druck auf diese Hersteller ausgeuebt hat.

209 Ausserdem ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission zur Stützung der vorstehenden tatsächlichen Feststellungen nicht auf Schriftstücke zurückzugreifen brauchte, die sie in ihren Mitteilungen der Beschwerdepunkte nicht erwähnt oder der Klägerin nicht übermittelt hatte.

210 Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, daß der Kommission rechtlich der Beweis gelungen ist, daß die Klägerin zu den Polypropylenherstellern gehörte, zwischen denen es zu Willensübereinstimmungen über die auf die in der Entscheidung genannten Verkaufsmengenziele für die Jahre 1979 und 1980 sowie für die erste Hälfte des Jahres 1983 und über die dort genannte Begrenzung ihrer monatlichen Verkäufe für die Jahre 1981 und 1982 im Verhältnis zu einem vorausgegangenen Bezugszeitraum gekommen ist, die Teil eines Quotensystems waren.

2. Die Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag

A - Rechtliche Qualifizierung

a) Angefochtene Handlung

211 Nach Randnummer 81 Absatz 1 der Entscheidung stellt die Gesamtheit der Regelungen und Absprachen, die im Rahmen eines regelmässigen, institutionalisierten Sitzungssystems beschlossen wurden, eine einzige fortdauernde "Vereinbarung" im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 dar.

212 Im vorliegenden Fall hätten die Hersteller dadurch, daß sie sich zu dem gemeinsamen Plan verbunden hätten, die Preise und den Absatz auf dem Polypropylenmarkt zu regeln, an einer umfassenden Rahmenvereinbarung teilgenommen, die in mehreren von Zeit zu Zeit abgesprochenen Einzelvereinbarungen ihren Niederschlag gefunden habe (Entscheidung, Randnr. 81 Absatz 3).

213 Bei der eingehenden Ausarbeitung des Gesamtplans sei es in vielen Bereichen zu einer ausdrücklichen Vereinbarung wie den einzelnen Preisinitiativen und jährlichen Quotensystemen gekommen (Entscheidung, Randnr. 82 Absatz 1). In einigen Fällen hätten die Hersteller möglicherweise keinen Konsens über ein endgültiges Schema - wie über die Quoten für 1981 und 1982 - erzielt. Doch die Verabschiedung von flankierenden Maßnahmen, einschließlich des Informationsaustauschs und der Überwachung der tatsächlichen monatlichen Verkäufe im Verhältnis zum Verkaufsergebnis in einigen vorausgegangenen Referenzperioden, sei nicht nur ein Zeichen für eine ausdrückliche Vereinbarung darüber, derartige Maßnahmen zu konzipieren und durchzuführen, sondern auch ein Zeichen für eine stillschweigende Vereinbarung darüber, die jeweilige Stellung der Hersteller nach Möglichkeit aufrechtzuerhalten.

214 An der Schlußfolgerung, daß eine fortdauernde Vereinbarung vorliege, ändere auch die Tatsache nichts, daß einige Hersteller nicht notwendigerweise an jeder Sitzung teilgenommen hätten. Jede Initiative und die Erarbeitung und Durchführung eines jeden Plans erstreckten sich über mehrere Monate, so daß das gelegentliche Fernbleiben des einen oder anderen Herstellers wenig ausmache (Entscheidung, Randnr. 83 Absatz 1).

215 Das Funktionieren des Kartells auf der Grundlage eines gemeinsamen und ausführlichen Plans stelle eine Vereinbarung im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 dar (Entscheidung, Randnr. 86 Absatz 1).

216 Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen seien unterschiedliche Begriffe, doch gebe es Fälle, in denen Absprachen Elemente beider Formen verbotener Zusammenarbeit enthielten (Entscheidung, Randnr. 86 Absatz 2).

217 Eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise beziehe sich auf eine Form der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, die zwar nicht den Grad einer Vereinbarung im eigentlichen Sinne erreicht habe, aber dennoch bewusst die Risiken des Wettbewerbs ausschalte und durch eine praktische Zusammenarbeit ersetze (Entscheidung, Randnr. 86 Absatz 3).

218 In Randnummer 87 Absatz 1 der Entscheidung heisst es, das durch den Vertrag geschaffene getrennte Konzept der aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen solle verhindern, daß Unternehmen sich der Anwendung des Artikels 85 Absatz 1 entzögen, indem sie in einer wettbewerbswidrigen Weise ohne eine endgültige Vereinbarung absprächen, sich z. B. gegenseitig im voraus über ihr künftiges Verhalten in Kenntnis zu setzen, so daß jeder seine Geschäftspolitik in der Gewißheit regele, daß sich die Wettbewerber entsprechend verhielten (Urteil des Gerichtshofes vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 48/69, ICI/Kommission, Slg. 1972, 619).

219 Der Gerichtshof habe im Urteil vom 16. Dezember 1975 in den verbundenen Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73 (Suiker Unie u. a./Kommission, Slg. 1975, 1663) festgestellt, daß die in seiner Rechtsprechung niedergelegten Kriterien der Koordinierung und der Zusammenarbeit, die keineswegs die Ausarbeitung eines eigentlichen Plans voraussetzten, im Sinne des Grundgedankens der Wettbewerbsvorschriften des Vertrages zu verstehen seien, wonach jeder Unternehmer selbständig zu bestimmen habe, welche Politik er auf dem Gemeinsamen Markt zu betreiben gedenke. Dieses Selbständigkeitspostulat beseitige nicht das Recht der Unternehmen, sich dem festgestellten oder erwarteten Verhalten ihrer Mitbewerber mit wachem Sinn anzupassen; es stehe jedoch streng jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen Unternehmen entgegen, die bezwecke oder bewirke, entweder das Marktverhalten eines gegenwärtigen oder potentiellen Mitbewerbers zu beeinflussen oder einen solchen Mitbewerber über das Marktverhalten ins Bild zu setzen, das man selbst an den Tag zu legen entschlossen sei oder in Erwägung ziehe (Entscheidung, Randnr. 87 Absatz 2). Ein Verhalten könne also als aufeinander abgestimmte Verhaltensweise unter Artikel 85 Absatz 1 fallen, auch wenn sich die Partner vorher nicht über einen gemeinsamen Plan für ihr Marktverhalten geeinigt hätten, sondern lediglich Absprachen träfen oder sich an Absprachen beteiligten, die die Koordinierung kommerziellen Verhaltens erleichterten (Entscheidung, Randnr. 87 Absatz 3 Satz 1).

220 Ausserdem wird in der Entscheidung (Randnr. 87 Absatz 3 Satz 3) darauf hingewiesen, daß es in einem komplexen Kartell möglich sei, daß einige Hersteller zeitweise einem von den anderen Herstellern vereinbarten besonderen Verhalten nicht uneingeschränkt zustimmten, aber dennoch die betreffende Regelung generell unterstützten und sich entsprechend verhielten. In mancher Hinsicht trügen die fortgesetzte Zusammenarbeit und Absprache der Hersteller bei der Durchführung der Gesamtvereinbarung Zuege einer aufeinander abgestimmten Verhaltensweise (Entscheidung, Randnr. 87 Absatz 4 Satz 2).

221 Die Bedeutung des Konzepts einer aufeinander abgestimmten Verhaltensweise ergebe sich also nicht so sehr aus der Unterscheidung zwischen dieser Verhaltensweise und einer Vereinbarung als vielmehr aus der Unterscheidung zwischen den Formen der Absprache, die unter Artikel 85 Absatz 1 fielen, und einem rein parallelen Verhalten ohne jedwedes Element der Absprache. Nichts hänge daher im vorliegenden Fall von der genauen Form ab, die die abgesprochenen Vereinbarungen angenommen hätten (Entscheidung, Randnr. 87 Absatz 5).

222 In der Entscheidung (Randnr. 88 Absätze 1 und 2) wird festgestellt, daß die meisten Hersteller, die während des Verwaltungsverfahrens behauptet hätten, daß ihr Verhalten in bezug auf die angeblichen Preisinitiativen nicht das Ergebnis irgendeiner Vereinbarung im Sinne des Artikels 85 gewesen sei (siehe Randnr. 84 der Entscheidung), ausserdem behaupteten, daß dieses Verhalten nicht die Grundlage sein könne, um eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise festzustellen, weil dieses Konzept irgendeinen offenen Akt am Markt voraussetze, der im vorliegenden Fall völlig fehle; Preislisten oder Zielpreise seien den Kunden nie mitgeteilt worden. In der Entscheidung wird dieses Vorbringen mit der Begründung zurückgewiesen, daß, wäre es im vorliegenden Fall notwendig, eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise zu beweisen, dieses Erfordernis für einige Schritte der Teilnehmer zur Verwirklichung ihrer gemeinsamen Zielsetzung tatsächlich gegeben sei. Die verschiedenen Preisinitiativen seien Gegenstand von Aufzeichnungen. Ausserdem sei unbestreitbar, daß die einzelnen Hersteller gleichzeitige Aktionen unternommen hätten, um die Preisinitiativen durchzuführen. Die von den Herstellern sowohl einzeln als auch gemeinsam getroffenen Maßnahmen ergäben sich aus Dokumenten: Sitzungsberichten, internen Vermerken, Anweisungen und Rundschreiben an Verkaufsabteilungen und Schreiben an Kunden. Dabei sei irrelevant, ob sie Preislisten veröffentlicht hätten. Die Preisinstruktionen als solche seien nicht nur das beste verfügbare Beweismittel für die von jedem Hersteller durchgeführte Aktion zur Verwirklichung des gemeinsamen Ziels, sondern erhärteten aufgrund ihres Inhalts und ihrer zeitlichen Abfolge den Beweis der Absprache.

b) Vorbringen der Parteien

223 Die Klägerin meint, daß es angesichts der Wandlungen des Standpunkts der Kommission zur rechtlichen Einordnung der Zuwiderhandlung erforderlich sei, die Begriffe "Vereinbarung" und "abgestimmte Verhaltensweise" genau abzugrenzen. Für den Tatbestand der Vereinbarung reiche es aus, wenn die beteiligten Unternehmen zu einer Willensübereinstimmung über ein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten kämen, ohne daß es notwendig sei, daß diese Willensübereinstimmung tatsächlich in das abgesprochene Verhalten umgesetzt werde. Beim abgestimmten Verhalten sei hingegen erforderlich, daß ein wie immer geartetes Verhalten, d. h. ein Tun oder Unterlassen der Beteiligten vorliegen müsse, das auf eine Abstimmung zurückzuführen sei und Marktauswirkungen habe oder geeignet sei, Marktauswirkungen hervorzurufen.

224 Diese begriffliche Unterscheidung sei mit unterschiedlichen Beweisanforderungen verbunden. Zum Nachweis einer Vereinbarung sei es erforderlich, die Willensübereinstimmung der Beteiligten nachzuweisen. Beim abgestimmten Verhalten genüge hingegen der Nachweis des gleichgerichteten tatsächlichen Vorgehens, das auf eine Abstimmung zurückführbar sein müsse, für die die Kommission ebenfalls die Beweislast trage.

225 Diese Abgrenzung zwischen "Vereinbarung" und "abgestimmter Verhaltensweise" sei im vorliegenden Fall besonders wichtig. Die Kommission habe hinsichtlich des Vorliegens von Vereinbarungen nicht den Beweis eines tatsächlichen oder rechtlichen Verpflichtungswillens der Klägerin erbracht. Insbesondere hätte die Kommission, wenn sie eine "Rahmenvereinbarung" behaupte, die 1977 geschlossen worden sei, nachweisen müssen, ob, unter welchen Bedingungen und zu welchem Zeitpunkt, die Klägerin sich im Rahmen einer solchen Vereinbarung verpflichtet habe. Für eine abgestimmte Verhaltensweise genüge die Abstimmung allein nicht; vielmehr müsse die Kommission den Nachweis führen, daß die Unternehmen ein gleichförmiges Verhalten am Markt praktiziert hätten. Dieser Nachweis sei nicht gelungen, da sich, wie die Untersuchung von Coopers & Lybrand gezeigt habe, eine ganz erhebliche Abweichung der tatsächlich praktizierten Preise von den angeblich vereinbarten Zielpreisen habe feststellen lassen.

226 Die Klägerin macht ferner geltend, der Entscheidung lasse sich nicht entnehmen, ob die Kommission den Unternehmen einen einzigen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag zur Last lege, ob sie ihnen also vorwerfe, gemeinsam "Zielpreise" festgesetzt und durchzusetzen versucht zu haben - während die übrigen Verhaltensweisen (Kundenführung, Marktaufteilung usw.) nur dazu gedient hätten, die Durchsetzung dieser "Zielpreise" am Markt zu ermöglichen -, oder ob sie jede dieser Verhaltensweisen als selbständige Zuwiderhandlung ansehe. Angesichts des verfügenden Teils der Entscheidung meint die Klägerin, daß von der zweiten Auslegung auszugehen sei. Für welche Auslegung man sich aber auch entscheide, die Feststellung, daß das Unternehmen diese oder jene Verhaltensweise nicht praktiziert habe, müsse zu einer Herabsetzung der Geldbusse führen, sei es wegen der geringeren Schwere der allgemeinen Zuwiderhandlung, sei es wegen des Wegfalls einer der festgestellten Zuwiderhandlungen.

227 Nach Ansicht der Kommission ist dagegen die Frage, ob es sich bei einer Absprache oder einem Kartell rechtlich um eine Vereinbarung oder um eine abgestimmte Verhaltensweise im Sinne des Artikels 85 EWG-Vertrag handele oder ob die Absprache Elemente einer Vereinbarung sowie einer abgestimmten Verhaltensweise enthalte, von untergeordneter Bedeutung. Die Begriffe "Vereinbarung" und "abgestimmte Verhaltensweise" umfassten nämlich alle Arten von Absprachen, durch die Konkurrenten aufgrund von direkten oder indirekten Kontakten untereinander sich gegenseitig die Aktionsfreiheit am Markt beschnitten, statt völlig unabhängig voneinander ihr künftiges Wettbewerbsverhalten zu bestimmen.

228 Die Verwendung der verschiedenen in Artikel 85 EWG-Vertrag enthaltenen Begriffe verfolge das Ziel, die gesamte Bandbreite wettbewerbswidriger Verhaltensweisen zu erfassen, ohne für die verschiedenen Tatbestandsmerkmale unterschiedliche Rechtsfolgen vorzusehen. Es sei deshalb belanglos, wo genau die Grenze zwischen diesen Begriffen verlaufe, deren Sinn allein darin liege, in ihrer Gesamtheit die ganze Skala verbotener Wettbewerbsbeschränkungen zu erfassen. Der mit der Aufnahme des Begriffs "abgestimmte Verhaltensweise" in Artikel 85 verfolgte Gesetzeszweck sei nämlich, neben den Vereinbarungen Arten der Absprachen zu erfassen, die lediglich als tatsächliche Koordinierung oder als praktische Zusammenarbeit in Erscheinung träten, aber dennoch geeignet seien, den Wettbewerb zu verfälschen (Urteil des Gerichtshofes vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 48/69, a. a. O., Randnrn. 64 bis 66).

229 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil vom 16. Dezember 1975 in den verbundenen Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, a. a. O., Randnrn. 173 und 174) gehe es darum, jede unmittelbare oder mittelbare Fühlungnahme zwischen Unternehmen zu verhindern, die bezwecke oder bewirke, entweder das Marktverhalten eines gegenwärtigen oder potentiellen Mitbewerbers zu beeinflussen oder einen solchen Mitbewerber über das Marktverhalten ins Bild zu setzen, das man selbst an den Tag zu legen entschlossen sei oder in Erwägung ziehe. Eine abgestimmte Verhaltensweise liege also immer schon dann vor, wenn zwischen den Mitbewerbern eine Fühlungnahme stattfinde, die ihrem Verhalten auf dem Markt vorangehe.

230 Eine abgestimmte Verhaltensweise sei gegeben, wenn die Unabhängigkeit der Unternehmen voneinander durch eine Abstimmung eingeschränkt werden solle, selbst wenn sich auf dem Markt kein tatsächliches Verhalten feststellen lasse. Der Streit drehe sich in Wirklichkeit um den Begriff "Verhalten". Die Kommission widerspricht der Ansicht der Klägerin, daß dieser Begriff in dem engen Sinne von "Verhalten am Markt" zu verstehen sei. Der Begriff könne die blosse Beteiligung an Kontakten erfassen, sofern mit diesen eine Beschränkung der Selbständigkeit der Unternehmen bezweckt werde.

231 Verlangte man wie die Klägerin für eine abgestimmte Verhaltensweise beides, Abstimmung und Marktverhalten, so fiele ein ganzes Spektrum von Verhaltensweisen aus dem Anwendungsbereich des Artikels 85 heraus, die eine Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckten, aber nicht unbedingt bewirkten. Insoweit würde Artikel 85 unanwendbar. Ausserdem stehe diese Auffassung nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofes zum Begriff der abgestimmten Verhaltensweise (Urteil vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 48/69, a. a. O., Randnr. 66; Urteil vom 16. Dezember 1975 in den verbundenen Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, a. a. O. Randnr. 26; Urteil vom 14. Juli 1981 in der Rechtssache 172/80, Zuechner, Slg. 1981, 2021, Randnr. 14). Wenn in dieser Rechtsprechung immer von Verhaltensweisen am Markt die Rede sei, so handele es sich dabei nicht um einen Tatbestandsmerkmal der Zuwiderhandlung, wie die Klägerin meine, sondern um einen tatsächlichen Umstand, der den Schluß auf eine Abstimmung zulasse. Nach dieser Rechtsprechung sei ein tatsächliches Verhalten am Markt nicht erforderlich. Erforderlich sei nur die Fühlungnahme zwischen Wirtschaftsteilnehmern als wesentliches Merkmal für ihren Verzicht auf die notwendige Selbständigkeit.

232 Somit sei es für einen Verstoß gegen Artikel 85 nicht erforderlich, daß die Unternehmen in der Praxis auch durchgeführt hätten, worüber sie sich abgestimmt hätten. Der Tatbestand des Artikels 85 Absatz 1 sei in vollem Umfang erfuellt, wenn die Absicht, den mit Risiken verbundenen Wettbewerb durch eine Zusammenarbeit zu ersetzen, in einer Abstimmung zutage trete, auch wenn sich anschließend nicht unbedingt Verhaltensweisen am Markt feststellen ließen.

233 Folglich könnten die Vereinbarung und die abgestimmte Verhaltensweise sowohl durch direkte Beweise als auch durch Indizienbeweise bewiesen werden. Im vorliegenden Fall brauche die Kommission nicht auf Indizienbeweise wie das Parallelverhalten auf dem Markt zurückzugreifen, da sie insbesondere mit den Sitzungsberichten über unmittelbare Beweise für die Absprache verfüge.

234 Die Kommission stellt abschließend fest, daß sie berechtigt gewesen sei, den Verstoß in erster Linie als Vereinbarung und hilfsweise, soweit notwendig, als abgestimmte Verhaltensweise zu bezeichnen.

235 Insoweit hebt die Kommission noch hervor, daß die Zuwiderhandlung nicht aus einer Reihe voneinander unabhängiger Handlungen bestanden habe. Die im Rahmen der Zuwiderhandlung getroffenen Maßnahmen (Preisinitiative, Zielquotenfestsetzung, Kundenführung usw.) seien nichts anderes als die Facetten eines einheitlichen Ganzen.

c) Würdigung durch das Gericht

236 Es ist festzustellen, daß die Kommission entgegen den Behauptungen der Klägerin jeden der Klägerin zur Last gelegten tatsächlichen Einzelakt entweder unter den Begriff der Vereinbarung oder den der abgestimmten Verhaltensweise im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag subsumiert hat. Wie sich nämlich aus Randnummer 80 Absatz 2 in Verbindung mit den Randnummern 81 Absatz 3 und 82 Absatz 1 der Entscheidung ergibt, hat die Kommission jeden dieser verschiedenen Einzelakte in erster Linie als "Vereinbarung" gewertet.

237 Ebenso ergibt sich aus Randnummer 86 Absätze 2 und 3 in Verbindung mit Randnummer 87 Absätze 3 und 4 und Randnummer 88 der Entscheidung, daß die Kommission die Einzelakte der Zuwiderhandlung hilfsweise unter den Begriff der "abgestimmten Verhaltensweise" subsumiert hat, wenn sie entweder nicht den Schluß zuließen, daß sich die Partner vorher über einen gemeinsamen Plan für ihr Marktverhalten geeinigt hatten, sondern nur, daß sie Absprachen getroffen oder sich an Absprachen beteiligt hatten, die die Koordinierung ihrer Geschäftspolitik erleichterten, oder wenn sie wegen des komplexen Charakters des Kartells nicht die Feststellung erlaubten, daß einige Hersteller einem von den anderen Herstellern vereinbarten Verhalten uneingeschränkt zugestimmt hatten, sondern nur, daß diese die betreffende Regelung generell unterstützten und sich entsprechend verhielten. Daraus wird in der Entscheidung der Schluß gezogen, daß die fortgesetzte Zusammenarbeit und Kollusion der Hersteller bei der Durchführung der Gesamtvereinbarung in mancher Hinsicht Zuege einer aufeinander abgestimmten Vehaltensweise trügen.

238 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes liegt eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag schon dann vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten (siehe Urteil vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 41/69, ACF Chemiefarma/Kommission, Slg. 1970, 661, Randnr. 112, und Urteil vom 29. Oktober 1980 in den verbundenen Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, Van Landewyck/Kommission, Slg. 1980, 3125, Randnr. 86). Das Gericht stellt deshalb fest, daß die Kommission die Willensübereinstimmungen zwischen der Klägerin und anderen Polypropylenherstellern, für die sie den Beweis erbracht hat und die auf Preisinitiativen, auf Maßnahmen zur Förderung der Durchführung der Preisinitiativen, auf Verkaufsmengenziele für die Jahre 1979 und 1980 sowie für das erste Halbjahr 1983 und auf Maßnahmen zur Begrenzung der monatlichen Verkäufe für die Jahre 1981 und 1982 im Verhältnis zu einem vorausgegangenen Bezugszeitraum gerichtet waren, zu Recht als Vereinbarungen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag angesehen hat.

239 Da der Kommission rechtlich der Beweis gelungen ist, daß die Wirkungen der Preisinitiativen bis November 1983 angehalten haben, ist sie auch zu Recht davon ausgegangen, daß die Zuwiderhandlung mindestens bis November 1983 angedauert hat. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist Artikel 85 nämlich auch auf ausser Kraft getretene Kartelle anwendbar, deren Wirkungen über das formelle Ausserkrafttreten hinaus fortbestehen (Urteil vom 3. Juli 1985 in der Rechtssache 243/83, Binon, Slg. 1985, 2015, Randnr. 17).

240 Der Begriff der abgestimmten Verhaltensweise ist anhand der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu bestimmen. Hiernach sind die von ihr zuvor aufgestellten Kriterien der Koordinierung und der Zusammenarbeit im Sinne des Grundgedankens der Wettbewerbsvorschriften des Vertrages zu verstehen, wonach jeder Unternehmer selbständig zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Gemeinsamen Markt zu betreiben gedenkt. Dieses Selbständigkeitspostulat beseitigt zwar nicht das Recht der Unternehmen, sich dem festgestellten oder erwarteten Verhalten ihrer Konkurrenten mit wachem Sinn anzupassen; es steht jedoch streng jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen Unternehmen entgegen, die bezweckt oder bewirkt, entweder das Marktverhalten eines gegenwärtigen oder potentiellen Konkurrenten zu beeinflussen oder einen solchen Konkurrenten über das Marktverhalten ins Bild zu setzen, das man selbst an den Tag zu legen entschlossen ist oder in Erwägung zieht (Urteil vom 16. Dezember 1975 in den verbundenen Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, a. a. O., Randnrn. 173 und 174).

241 Im vorliegenden Fall hat die Klägerin an Sitzungen teilgenommen, deren Zweck es war, Preis- und Verkaufsmengenziele festzulegen; in diesen Sitzungen tauschten die Wettbewerber Informationen über die Preise aus, die nach ihren Wünschen auf dem Markt praktiziert werden sollten, über die Preise, die sie zu praktizieren beabsichtigten, über ihre Rentabilitätsschwelle, über die von ihnen für notwendig gehaltenen Beschränkungen der Verkaufsmengen, über ihre Verkaufszahlen oder über die Identität ihrer Kunden. Durch ihre Teilnahme an diesen Sitzungen hat sich die Klägerin mit ihren Wettbewerbern an einer Abstimmung beteiligt, deren Zweck es war, deren Marktverhalten zu beeinflussen und offenzulegen, welches Marktverhalten die einzelnen Hersteller selbst in Erwägung zogen.

242 Damit hat die Klägerin nicht nur das Ziel verfolgt, im voraus die Ungewißheit über das künftige Verhalten ihrer Wettbewerber zu beseitigen, sondern sie musste bei der Festlegung der Politik, die sie auf dem Markt verfolgen wollte, zwangsläufig auch unmittelbar oder mittelbar die in diesen Sitzungen erhaltenen Informationen berücksichtigen. Auch ihre Wettbewerber mussten bei der Festlegung der Politik, die sie verfolgen wollten, zwangsläufig unmittelbar oder mittelbar die Informationen berücksichtigen, die ihnen die Klägerin über das Marktverhalten gegeben hatte, das sie selbst für sich beschlossen hatte oder in Erwägung zog.

243 Folglich hat die Kommission die regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller, an denen die Klägerin zwischen Ende 1978 oder Anfang 1979 und September 1983 teilgenommen hat, wegen ihres Zwecks zu Recht hilfsweise als abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag angesehen.

244 Zu der Frage, ob die Kommission zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, daß eine einzige, in Artikel 1 der Entscheidung als "eine Vereinbarung und aufeinander abgestimmte Verhaltensweise" bezeichnete Zuwiderhandlung vorliegt, weist das Gericht darauf hin, daß die verschiedenen abgestimmten Verhaltensweisen und Vereinbarungen, die von den Beteiligten eingehalten und abgeschlossen wurden, wegen ihres übereinstimmenden Zwecks Teil von Systemen regelmässiger Sitzungen zur Festsetzung von Preis- und Quotenzielen waren.

245 Diese Systeme waren wiederum Teil einer Reihe von Bemühungen der betroffenen Unternehmen, mit denen ein einziges wirtschaftliches Ziel verfolgt wurde, nämlich die normale Entwicklung der Preise auf dem Polypropylenmarkt zu verfälschen. Es wäre daher gekünstelt, dieses durch ein einziges Ziel gekennzeichnete kontinuierliche Verhalten zu zerlegen und aus ihm mehrere selbständige Zuwiderhandlungen zu konstruieren. Tatsächlich hat sich die Klägerin - jahrelang - an einem Komplex integrierter Systeme beteiligt, die eine einheitliche Zuwiderhandlung darstellen. Diese einheitliche Zuwiderhandlung hat sich nach und nach sowohl durch rechtswidrige Vereinbarungen als auch durch rechtswidrige abgestimmte Verhaltensweisen entwickelt.

246 Die Kommission hat diese einheitliche Zuwiderhandlung auch zu Recht als "eine Vereinbarung und aufeinander abgestimmte Verhaltensweise" qualifiziert, da diese Zuwiderhandlung sowohl Einzelakte aufwies, die als "Vereinbarungen" anzusehen sind, als auch Einzelakte, die "abgestimmte Verhaltensweisen" dargestellt haben. Angesichts einer komplexen Zuwiderhandlung ist die von der Kommission in Artikel 1 der Entscheidung vorgenommene doppelte Subsumtion nicht so zu verstehen, daß für jeden Einzelakt gleichzeitig und kumulativ der Nachweis erforderlich ist, daß er sowohl die Tatbestandsmerkmale einer Vereinbarung als auch die einer abgestimmten Verhaltensweise erfuellt. Sie bezieht sich vielmehr auf einen Komplex von Einzelakten, von denen einige als Vereinbarungen und andere als abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag anzusehen sind, der ja für diesen Typ einer komplexen Zuwiderhandlung keine spezifische Subsumtion vorschreibt.

247 Die von der Klägerin erhobene Rüge ist daher zurückzuweisen.

B - Kollektive Verantwortlichkeit

a) Angefochtene Handlung

248 In Randnummer 83 Absatz 1 der Entscheidung heisst es, die Tatsache, daß einige Hersteller nicht notwendigerweise an jeder Sitzung teilgenommen hätten, ändere nichts an der Schlußfolgerung, daß eine fortdauernde Vereinbarung vorliege. Jede Initiative und die Erarbeitung und Durchführung eines jeden Plans hätten sich über mehrere Monate erstreckt, so daß das gelegentliche Fernbleiben des einen oder anderen Herstellers wenig ausmache. In jedem Fall sei es allgemein üblich gewesen, daß die Abwesenden über die in den Sitzungen gefassten Beschlüsse unterrichtet worden seien. Alle Unternehmen, an die diese Entscheidung gerichtet sei, hätten sich an der Ausarbeitung von Gesamtplänen und an den ausführlichen Erörterungen beteiligt, und der Umfang ihrer Verantwortung werde nicht dadurch geschmälert, daß sie bei einer einzelnen Tagung nicht (oder - im Falle von Shell - nicht bei allen Vollsitzungen) anwesend gewesen seien.

249 Das Wesentliche des vorliegenden Falls sei das lange Zeit andauernde Zusammenwirken der Hersteller in Richtung auf ein gemeinsames Ziel, und jeder Teilnehmer sei verantwortlich, nicht nur für seine eigene unmittelbare Rolle, sondern auch für das Funktionieren der Vereinbarung insgesamt. Der Umfang der Beteiligung jedes Herstellers sei dadurch nicht auf den Zeitraum begrenzt, für den zufällig Preisinstruktionen von ihm vorgelegen hätten, sondern auf die gesamte Zeit, während deren er an dem gemeinsamen Unterfangen beteiligt gewesen sei (Entscheidung, Randnr. 83 Absatz 2).

250 Diese Erwägung gelte auch für Anic und für Rhône-Poulenc, die den Polypropylensektor verlassen hätten, bevor die Kommission ihre Untersuchungen aufgenommen habe. Bei diesen beiden Unternehmen hätten überhaupt keine an die Verkaufsabteilungen gerichteten Preisinstruktionen gefunden werden können. Ihre Teilnahme an Sitzungen und ihre Beteiligung am Mengenziel und an den Quotenregelungen lasse sich jedoch aus den schriftlichen Unterlagen nachweisen. Die Vereinbarung müsse als Ganzes gesehen werden, und ihre Beteiligung sei nachgewiesen, auch wenn keine Preisinstruktionen von ihnen gefunden worden seien (Entscheidung, Randnr. 83 Absatz 3).

b) Vorbringen der Parteien

251 Die Klägerin wirft der Kommission vor, eine Beweismethode angewandt zu haben, die sich auf Vermutungen statt auf Tatsachen gründe. Statt der Klägerin eigene Verhaltensweisen nachzuweisen, die Kartellverstösse darstellten, habe die Kommission nur festgestellt, daß andere Unternehmen ein verbotenes Verhalten praktiziert hätten, und daraus den Schluß gezogen, daß die Klägerin sich ebenso verhalten haben müsse. Damit unterwerfe die Kommission die Klägerin einer kollektiven Verantwortlichkeit.

252 Die Kommission entgegnet, das Vorliegen einer Rahmenvereinbarung lasse sich daraus ableiten, daß sich alle Hersteller über ein institutionalisiertes Sitzungssystem zur Besprechung der Marktstrategien abgesprochen hätten. Diese Rahmenvereinbarung sei jeweils ergänzt worden durch Einzelvereinbarungen über konkrete Maßnahmen. Der Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag liege in der Kombination der Rahmenvereinbarung und der jeweiligen Einzelvereinbarungen. Unter diesen Umständen sei kein gesonderter Nachweis der Teilnahme der Klägerin an jeder Einzelaktion erforderlich, weil es sich um ein einheitliches Kartell handele, bei dem sich alle Teilnehmer die Handlungen der anderen Mitbeteiligten als eigenes Verhalten zurechnen lassen müssten.

253 Verstösse gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag könnten nur von mehreren Tätern gemeinsam begangen werden. Deshalb sei jedem Täter die Mitwirkung an dem Verstoß der anderen Kartellteilnehmer zuzurechnen.

c) Würdigung durch das Gericht

254 Die Würdigung der von der Kommission getroffenen tatsächlichen Feststellungen und der von ihr vorgenommenen rechtlichen Subsumtion durch das Gericht hat ergeben, daß der Kommission rechtlich der Beweis gelungen ist, daß die Klägerin sämtliche Tatbestandsmerkmale der ihr in der Entscheidung zur Last gelegten Zuwiderhandlung erfuellt hat, und daß die Kommission die Klägerin somit nicht für das Verhalten anderer Hersteller verantwortlich gemacht hat.

255 Randnummer 83 Absätze 2 und 3 der Entscheidung steht dieser Feststellung nicht entgegen, da dort in erster Linie die Feststellung der Zuwiderhandlung gegenüber Unternehmen gerechtfertigt werden soll, für die die Kommission keine Preisinstruktionen für die gesamte Dauer ihrer Beteiligung am System der regelmässigen Sitzungen gefunden hat.

256 Die Rüge ist daher zurückzuweisen.

3. Ergebnis

257 Aus alldem ergibt sich, daß Artikel 1 der Entscheidung für nichtig zu erklären ist, soweit dort festgestellt wird, daß sich die Klägerin seit einem Zeitpunkt vor Ende 1978 oder Anfang 1979 an der Zuwiderhandlung beteiligt hat, da der Beweis für die von der Kommission zu Lasten der Klägerin getroffenen tatsächlichen Feststellungen für diese Zeit nicht erbracht ist. Im übrigen sind die Rügen der Klägerin gegen die von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Feststellungen und die dort vorgenommene Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag zurückzuweisen.

Zur Geldbusse

258 Die Klägerin rügt, daß die Entscheidung Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 verletze, weil die Dauer und die Schwere der ihr zur Last gelegten Zuwiderhandlung nicht zutreffend gewürdigt worden seien.

1. Die Dauer der Zuwiderhandlung

259 Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe bei der Festsetzung der Geldbusse die Dauer ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung nicht zutreffend berücksichtigt; diese sei viel kürzer als von der Kommission behauptet gewesen.

260 Die Kommission führt aus, sie habe die Dauer der Zuwiderhandlung bei der Festsetzung der Geldbusse zutreffend berücksichtigt.

261 Das Gericht stellt fest, daß seine Würdigung der Feststellung der Zuwiderhandlung durch die Kommission ergeben hat, daß die zu Lasten der Klägerin festgestellte Zuwiderhandlung von kürzerer Dauer als in der Entscheidung festgestellt war, da sie Ende 1978 oder Anfang 1979 und nicht zu einem unbestimmten Zeitpunkt zwischen 1977 und 1979 begonnen hat. Diese Würdigung hat jedoch auch ergeben, daß die Kommission zu Recht davon ausgegangen ist, daß die Zuwiderhandlung bis zum November 1983 angedauert hat.

262 Folglich ist die gegen die Klägerin verhängte Geldbusse aus diesem Grund herabzusetzen.

2. Die Schwere der Zuwiderhandlung

A - Die begrenzte Rolle der Klägerin

263 Die Klägerin betont, die Kommission habe ihr Verhaltensweisen unterstellt und mißbräuchlich als bewiesen angesehen, die keine Verstösse gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag darstellten, die aber - wären sie gegeben - nach Ansicht der Kommission die Durchführung von Verstössen gegen diese Bestimmung begünstigt oder erleichtert hätten. Die Kommission habe daraus Rückschlüsse auf die Intensität der Beteiligung der Klägerin an den angeblichen Verstössen gezogen. Gerade diese der Klägerin vorgeworfenen Verhaltensweisen seien aber bei der Bemessung der Geldbusse maßgebend gewesen. Der Nachweis, daß sich die Klägerin an diesen Verhaltensweisen nicht beteiligt habe, müsse folglich zu einer Herabsetzung der Geldbusse führen.

264 Zu Unrecht werfe ihr die Kommission vor, sie habe bewusst den Versuch unternommen, den Zweck der Treffen dadurch zu verschleiern, daß sie in den Reisekostenabrechnungen einen anderen als den tatsächlichen Zweck der Reise angegeben habe. Der auf der jeweiligen Reisekostenabrechnung angegebene Zweck sei zutreffend gewesen, auch wenn es nicht der einzige gewesen sei. Sie habe niemals die Absicht gehabt, die Kommission über den Zweck der Reisen ihrer Angestellten irrezuführen.

265 Ebenso behaupte die Kommission zu Unrecht, daß die Unternehmen bei Überschreitung der Quoten eventuell dem Druck anderer Hersteller in Form von Kritik ausgesetzt gewesen seien. In keinem Sitzungsbericht finde sich irgendein Hinweis auf eine solche Kritik gegenüber Unternehmen, die ihre angeblichen Quoten überschritten hätten. Es deute auch nichts darauf hin, daß die Klägerin Kritik als ein Mittel der Ausübung von Druck gegenüber anderen Herstellern eingesetzt hätte. Schließlich habe die Kommission jedenfalls nicht nachgewiesen, daß diese angebliche Kritik tatsächlich einen Einfluß auf das Verhalten der kritisierten Unternehmen gehabt habe.

266 Die Klägerin bestreitet auch, als Sprecherin der deutschen Hersteller aufgetreten zu sein; die von der Kommission hierzu vorgelegten Beweise trügen diese Behauptung nicht.

267 Schließlich macht sie geltend, eine Geldbusse könne gegen sie nur festgesetzt werden, wenn ihr eigene Verhaltensweisen nachgewiesen würden, die Kartellverstösse darstellten. Die Annahme einer kollektiven Verantwortlichkeit sei insbesondere deshalb unzulässig, weil sie darauf hinausliefe, dem Kriterium der "Schwere der Zuwiderhandlung" jede Bedeutung für die Festsetzung der Geldbusse zu nehmen. Somit verbleibe es allein bei der Teilnahme der Klägerin an den Sitzungen und das für einen sehr viel kürzeren Zeitraum, als von der Kommission behauptet werde.

268 Die Kommission verweist auf ihre Ausführungen zur Feststellung der Zuwiderhandlung als Begründung dafür, daß die festgesetzte Geldbusse aufrechterhalten bleiben müsse.

269 Ferner führt sie aus, die Verschleierung des Zwecks der Treffen lasse sich zwar auch anders erklären, beweise jedoch, daß sich die Klägerin über das Verbotene ihres Tuns sehr wohl bewusst gewesen sei.

270 Was die Ausübung von Druck auf die anderen Hersteller betreffe, gehe aus den ihr vorliegenden Sitzungsberichten, wie etwa dem über die Sitzung vom 2. Dezember 1982 (gem. Bpkte., Anl. 33), und aus der Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen (gem. Bpkte., Anl. 8) deutlich hervor, daß die tatsächlich erzielten Preise und Mengen ständig mit den Zielpreisen und -mengen verglichen worden seien und daß die Nichtbeachtung der Abmachungen Kritik insbesondere von seiten der deutschen Hersteller nach sich gezogen habe, wodurch Druck ausgeuebt worden sei. Die Klägerin habe an diesen Handlungen als Teilnehmer des Kartells mitgewirkt und müsse sie sich als eigene Handlungsweise zurechnen lassen.

271 Schließlich beruft sich die Kommission für ihre Behauptung, daß die Klägerin als Sprecherin der deutschen Hersteller aufgetreten sei, auf den von einem Angestellten von ICI verfassten Vermerk vom 14. Oktober 1982 über ein Telefongespräch mit einem Angestellten der Klägerin (gem. Bpkte., Anl. 83).

272 Das Gericht stellt fest, daß seine Würdigung der Feststellung der Zuwiderhandlung ergeben hat, daß die Kommission die Rolle, die die Klägerin bei der Zuwiderhandlung seit Ende 1978 oder Anfang 1979 gespielt hat, zutreffend festgestellt hat und daß sie daher bei der Berechnung der gegen die Klägerin zu verhängenden Geldbusse zu Recht von dieser Rolle ausgegangen ist.

273 Die spezifischen Argumente, die die Klägerin zur Stützung ihrer Behauptung vorträgt, sie habe eine begrenztere Rolle gespielt, als ihr in der Entscheidung vorgeworfen werde, sind im übrigen als tatsächlich nicht begründet zurückzuweisen. Erstens hat die Verschleierung des Zwecks der Reisen, die die Vertreter der Klägerin zur Teilnahme an den regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller unternommen haben, objektiv dazu beigetragen, den streng geheimen Charakter dieser Sitzungen zu wahren. Zweitens erinnert das Gericht an seine Feststellung, daß im Rahmen der in den Sitzungen ausgeuebten Überwachung der Verwirklichung der Verkaufsmengenziele Kritik an denjenigen geuebt wurde, die die eingegangenen Verpflichtungen nicht einhielten. Völlig zu Recht ist die Kommission deshalb davon ausgegangen, daß alle Teilnehmer an den Sitzungen, in denen solche Kritik geuebt worden ist, hierfür die Verantwortung tragen. Drittens stellt das Gericht fest, daß der Vertreter der Klägerin als Sprecher der deutschen Hersteller gehandelt hat, da es in einem Vermerk vom 14. Oktober 1982 über ein Telefongespräch zwischen ihm und einem Vertreter von ICI (gem. Bpkte., Anl. 83) heisst:

"A. phoned to give me his company' s figure for September sales + to paß on the German producers' view of how the market might be shared in 1983."

("A. hat mich angerufen, um mir die Verkaufszahlen seines Unternehmens für September zu geben und mir die Ansicht der deutschen Hersteller darüber mitzuteilen, wie der Markt 1983 aufgeteilt werden sollte.")

274 Die Rüge ist folglich zurückzuweisen.

B - Die Berücksichtigung der Verlustsituation des Marktes

275 Die Klägerin macht als mildernden Umstand geltend, daß die Hersteller im Polypropylensektor über einen langen Zeitraum erhebliche Verluste erlitten hätten. Wenn eine Verlustsituation auch keine Rechtfertigung für den Abschluß wettbewerbswidriger Kartelle sei, müsse sie doch von entscheidendem Einfluß auf die Festsetzung etwaiger Geldbussen sein. Dies gelte um so mehr, als feststehe, daß die Abnehmer in den Genuß äusserst günstiger Preise gelangt seien und die von der Entscheidung erfassten Hersteller lediglich - erfolglos - versucht hätten, ihre Verluste zu minimieren. Die Klägerin räumt ein, daß die Kommission in der Entscheidung zu erkennen gegeben habe (Randnr. 108, letzter Absatz), daß sie die Verluste der Hersteller als strafmildernd bei der Bemessung der Geldbussen angesehen habe. Weder dem Text noch dem verfügenden Teil der Entscheidung könne jedoch entnommen werden, in welchem Umfang dies geschehen sei, zumal die Kommission die höchsten Geldbussen verhängt habe, die aufgrund von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag je verhängt worden seien.

276 Die Kommission trägt vor, daß sie die Verluste der Hersteller bereits als mildernden Umstand anerkannt habe (Entscheidung, Randnr. 108). Die Geldbussen seien deshalb gerechtfertigt, zumal es übertrieben sei, von ruinösen Verlusten zu sprechen, da das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage ab 1982 ausgeglichen gewesen sei, was Solvay dazu veranlasst habe, in der Sitzung vom 13. Mai 1982 die Beendigung der Sitzungen der Hersteller vorzuschlagen (gem. Bpkte., Anl. 24).

277 Das Gericht ist der Ansicht, daß zur Beurteilung dieser Rüge zunächst zu untersuchen ist, wie die Kommission den Betrag der gegen die Klägerin verhängten Geldbusse festgesetzt hat.

278 Das Gericht stellt fest, daß die Kommission zum einen die Kriterien für die Bestimmung des allgemeinen Niveaus der gegen die Unternehmen, an die die Entscheidung gerichtet ist, verhängten Geldbussen (Entscheidung, Randnr. 108) und zum anderen die Kriterien für die gerechte Abstufung der gegen die einzelnen Unternehmen verhängten Geldbussen (Entscheidung, Randnr. 109) festgelegt hat.

279 Nach Auffassung des Gerichts rechtfertigen die in Randnummer 108 der Entscheidung aufgeführten Kriterien bei weitem das allgemeine Niveau der gegen die Unternehmen, an die die Entscheidung gerichtet ist, verhängten Geldbussen. Insoweit ist besonders die Offenkundigkeit der Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag und insbesondere seine Buchstaben a, b und c hervorzuheben, die den vorsätzlich und unter grösster Geheimhaltung handelnden Polypropylenherstellern nicht unbekannt war.

280 Das Gericht hält auch die in Randnummer 109 der Entscheidung genannten vier Kriterien für sachgerecht und genügend, um zu einer gerechten Zumessung der gegen die einzelnen Unternehmen verhängten Geldbussen zu gelangen.

281 In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß die Kommission weder individuell darzulegen noch zu erläutern brauchte, wie sie die erheblichen Verluste, die die verschiedenen Hersteller des Polypropylensektors ihren eigenen Angaben zufolge erlitten haben, berücksichtigt hat, da es sich dabei um einen der in Randnummer 108 der Entscheidung erwähnten Gesichtspunkte handelt, die bei der Festlegung des vom Gericht für gerechtfertigt befundenen allgemeinen Niveaus der Geldbussen herangezogen wurden.

282 Folglich ist die von der Klägerin erhobene Rüge zurückzuweisen.

C - Die Berücksichtigung der Auswirkungen der Zuwiderhandlung

283 Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe die Auffassung, die die Beteiligten vom Nutzen ihrer Treffen gehabt hätten, mit den tatsächlichen Auswirkungen dieser Treffen verwechselt und damit die Auswirkungen der Zuwiderhandlung nicht zutreffend gewürdigt. Im vorliegenden Fall habe entgegen der durch nichts bewiesenen Behauptung der Kommission die von ihr beanstandete angebliche Vereinbarung keine schädlichen Auswirkungen auf die industriellen Abnehmer von Polypropylen gehabt. Aus einem Gutachten von Professor Albach ergebe sich nämlich, daß die am Markt tatsächlich erzielten Preise den Preisen entsprochen hätten, deren Erreichung aufgrund der vorhandenen Marktdaten zu erwarten gewesen sei; sie seien somit das Ergebnis eines Wettbewerbsprozesses und nicht einer Vereinbarung gewesen. Aus diesem Gutachten folge auch, daß nicht die Zielpreise für die Bildung der Marktpreise, sondern umgekehrt die Marktpreise für die Bildung der Zielpreise maßgebend gewesen seien. Diese Untersuchung beweise ferner, daß erhebliche Preisdifferenzen bei Lieferung gleicher Ware an denselben Abnehmer im selben Monat zu verzeichnen gewesen seien. Die Kritik der Kommission an dieser Untersuchung von Professor Albach sei durch ein neues Gutachten von ihm entweder gegenstandslos oder widerlegt worden. Schließlich werde seine Untersuchung durch die Untersuchung von Coopers & Lybrand bestätigt. Angesichts der jahrelangen schweren Verluste der Hersteller seien die Behauptungen der Kommission vollkommen aus der Luft gegriffen.

284 Die Kommission meint, eine sehr differenzierte Darstellung der Wirkungen des Kartells gegeben und durchaus anerkannt zu haben, daß dieses seine Ziele nur teilweise erreicht habe (Entscheidung, Randnrn. 91 und 92). Auf der andern Seite sei es aber auch nicht völlig wirkungslos geblieben. Zu dem Gutachten von Professor Albach führt die Kommission aus, daß es der gegenwärtige Stand der wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnismöglichkeiten nicht erlaube, Wettbewerbspreise zu berechnen oder zu simulieren. Ausserdem sei diese Untersuchung auf den deutschen Markt beschränkt. Schließlich sei die in der Untersuchung zum Vergleich herangezogene Berechnung der Gestehungspreise für Polypropylen insbesondere deshalb wertlos, weil eine exakte Aufteilung der Gemeinkosten auf die verschiedenen Bereiche ein und desselben Unternehmens wie der Klägerin nicht möglich sei. Gegen das neue Gutachten lassen sich nach Ansicht der Kommission dieselben Einwände insbesondere zur Methode erheben.

285 Das Gericht stellt fest, daß die Kommission zwei Arten von Wirkungen der Zuwiderhandlung unterschieden hat. Die erste habe darin bestanden, daß sämtliche Hersteller, nachdem sie in den Sitzungen Zielpreise vereinbart hätten, ihre Verkaufsabteilung angewiesen hätten, dieses Preisniveau durchzusetzen; die Ziele hätten so als Unterlage für die Preisverhandlungen mit den Kunden gedient. Daraus hat die Kommission den Schluß gezogen, daß im vorliegenden Fall das Beweismaterial zeige, daß sich die Vereinbarung auf die Wettbewerbsbedingungen tatsächlich spürbar ausgewirkt habe (Entscheidung, Randnr. 74 Absatz 2 und Randnr. 90). Die zweite Art von Wirkungen der Zuwiderhandlung habe darin bestanden, daß die Entwicklung der Preise gegenüber Einzelkunden im Vergleich zu den im Laufe besonderer Preisinitiativen aufgestellten Zielpreisen mit der Darstellung übereinstimme, die hiervon in den bei ICI und anderen Herstellern über die Durchsetzung der Preisinitiativen gefundenen Schriftstücken gegeben werde (Entscheidung, Randnr. 74 Absatz 6).

286 Es ist darauf hinzuweisen, daß der Kommission rechtlich der Beweis für den Eintritt der Wirkungen der ersten Art aufgrund der zahlreichen von den einzelnen Herstellern erteilten Preisinstruktionen gelungen ist, die miteinander und mit den in den Sitzungen festgelegten Preiszielen übereinstimmen, die ihrerseits offenkundig dazu bestimmt waren, als Grundlage für die Preisverhandlungen mit den Kunden zu dienen.

287 Zu den Wirkungen der zweiten Art ist zum einen darauf hinzuweisen, daß die Kommission keinen Anlaß hatte, an der Richtigkeit der von den Herstellern selbst in ihren Sitzungen vorgenommenen Analysen (siehe insbesondere die Berichte über die Sitzungen vom 21. September, 6. Oktober, 2. November und 2. Dezember 1982, gem. Bpkte., Anl. 30 bis 33) zu zweifeln, aus denen hervorgeht, daß die in den Sitzungen festgelegten Preisziele auf dem Markt weitgehend umgesetzt wurden. Wenn zum anderen die Untersuchung von Coopers & Lybrand sowie die von einigen Herstellern in Auftrag gegebenen wirtschaftswissenschaftlichen Untersuchungen ergeben sollten, daß die von den Herstellern selbst in ihren Sitzungen vorgenommenen Analysen unrichtig waren, so wäre diese Feststellung nicht geeignet, zu einer Herabsetzung der Geldbusse zu führen, da die Kommission in Randnummer 108, letzter Gedankenstrich, der Entscheidung darauf hingewiesen hat, daß sie bei der Festsetzung der Geldbussen mildernd berücksichtigt habe, daß die Preisinitiativen im allgemeinen nicht ihr ganzes Ziel erreicht hätten und daß keine Maßnahmen vorgesehen gewesen seien, um die Befolgung der Quoten bzw. anderer Maßnahmen zu erzwingen.

288 Da die Begründung der Entscheidung bezueglich der Festsetzung der Geldbussen im Lichte der übrigen Begründung der Entscheidung zu sehen ist, ist davon auszugehen, daß die Kommission zu Recht die Wirkungen der ersten Art in vollem Umfang berücksichtigt und der begrenzten Natur der Wirkungen der zweiten Art Rechnung getragen hat. Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß die Klägerin nicht dargetan hat, inwieweit im Hinblick auf eine Milderung der Geldbussen nicht ausreichend berücksichtigt worden sein soll, daß diese Wirkungen der zweiten Art begrenzt waren.

289 Die Rüge ist folglich zurückzuweisen.

D - Die Berücksichtigung der Lieferungen der Klägerin innerhalb der Gemeinschaft

290 In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin geltend gemacht, die Zahlen über ihre Verkäufe innerhalb der Gemeinschaft, von denen die Kommission ihrer Antwort auf eine Frage des Gerichts zufolge bei der Festsetzung der Geldbussen ausgegangen sei, seien unrichtig, denn die Kommission habe ihr 100 % des Umsatzes der Firma ROW zugerechnet, obwohl die Klägerin nur zu 50 % am Umsatzerlös dieses Unternehmens beteiligt sei.

291 Das Gericht stellt fest, daß die Klägerin in einem am 9. Januar 1991 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Schreiben, mit dem sie zu Schriftstücken Stellung nimmt, die die Kommission am 27. September 1990 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht hat, behauptet, daß sich erstmals in der Antwort der Kommission auf eine Frage des Gerichts gezeigt habe, daß die Kommission der Klägerin die Umsätze der Firma ROW zu 100 % berechnet und danach die Höhe der Geldbusse berechnet habe; die Entscheidung enthalte keinerlei Hinweise auf die Berücksichtigung der Umsatzerlöse im Rahmen der Festsetzung der Geldbusse.

292 Insoweit genügt die Bemerkung, daß die Zahlen, die die Kommission mit den am 27. Dezember 1990 eingereichten Schriftstücken vorgelegt hat, die Lieferungen der Klägerin innerhalb der Gemeinschaft für 1982 betreffen und folglich sämtliche Lieferungen der Firma ROW umfassen, deren gesamte Produktion die Klägerin vertreibt. Bei dieser Gelegenheit hat die Kommission in einer Fußnote darauf hingewiesen, daß die Tabellen betreffend die Quoten die Gesamtheit dieser Lieferungen umfassten.

293 Es ist hervorzuheben, daß die Klägerin in ihrem am 9. Januar 1991 eingereichten Schreiben der Aussage in dieser Fußnote nicht widersprochen hat und daß sich aus der Gesamtheit der Tabellen betreffend die Verkaufsmengenziele, die den gemeinsamen Beschwerdepunkten als Anlage beigefügt sind, ergibt, daß die Lieferungen der Firma ROW systematisch und unterschiedslos in den Bestrebungen der Klägerin, in den ihr zugeteilten Quoten und in den von ihr in den Sitzungen genannten Zahlen über ihre Verkaufsmengen berücksichtigt worden sind.

294 Ferner ist darauf hinzuweisen, daß die Klägerin nicht dargetan hat, warum der Umstand, daß sie nur zu 50 % am Aktienkapital der Firma ROW beteiligt war, während sie deren gesamte Produktion vertrieb, zur Folge haben sollte, daß die Lieferungen der Firma ROW innerhalb der Gemeinschaft nur zu 50 % bei der Festsetzung der Geldbussen berücksichtigt werden dürfte.

295 Folglich durfte die Kommission vernünftigerweise die gesamten Verkäufe der Firma ROW berücksichtigen, um im Hinblick auf die Festsetzung der gegen die Klägerin verhängten Geldbusse deren Lieferungen innerhalb der Gemeinschaft zu berechnen.

296 Aus alldem ergibt sich, daß die gegen die Klägerin verhängte Geldbusse der Schwere des zu Lasten der Klägerin festgestellten Verstosses gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln angemessen ist, daß sie jedoch wegen der kürzeren Dauer dieses Verstosses herabzusetzen ist. Diese Herabsetzung ist auf 15 % zu begrenzen, da die Kommission zum einen bei der Festsetzung der Geldbussen bereits berücksichtigt hat, daß der Mechanismus der Zuwiderhandlung bis etwa Anfang 1979 noch nicht völlig funktionierte (Entscheidung, Randnr. 105, letzter Absatz), und da sie wegen ihres Zweifels hinsichtlich des genauen Zeitpunkts, zu dem die Klägerin sich an der Zuwiderhandlung zu beteiligen begann, den betreffenden Zeitraum bei der Festsetzung der gegen die Klägerin verhängten Geldbusse nicht als schwerwiegenden Umstand berücksichtigen konnte.

Kostenentscheidung:

Kosten

297 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 87 § 3 kann das Gericht die Kosten jedoch teilen oder beschließen, daß jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Da der Klage zum Teil stattgegeben worden ist und die Parteien beantragt haben, der jeweils anderen Partei die Kosten aufzuerlegen, wird der Klägerin neben ihren eigenen Kosten die Hälfte der Kosten der Kommission auferlegt, die ihre Kosten zur Hälfte selbst zu tragen hat.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1). Artikel 1, siebter Gedankenstrich, der Entscheidung der Kommission vom 23. April 1986 (IV/31.149 - Polypropylen; ABl. L 230, S. 1) wird für nichtig erklärt, soweit dort festgestellt wird, daß die Klägerin von einem Zeitpunkt zwischen 1977 und 1979 an an der Zuwiderhandlung teilgenommen hat, und nicht von Ende 1978 oder Anfang 1979 an.

2) Die in Artikel 3 dieser Entscheidung gegen die Klägerin verhängte Geldbusse wird auf 2 125 000 ECU bzw. 4 557 891,25 DM festgesetzt.

3) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

4) Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten und die Hälfte der Kosten der Kommission. Die Kommission trägt die andere Häfte ihrer eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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