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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 30.03.1993
Aktenzeichen: T-4/92
Rechtsgebiete: EWG/EAG BeamtStat


Vorschriften:

EWG/EAG BeamtStat Art. 4 Anhang VII
EWG/EAG BeamtStat Art. 90 Abs. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Bei Beamtenklagen können vor dem Gericht nur solche Anträge gestellt werden, die denselben Gegenstand haben wie die in der vorherigen Verwaltungsbeschwerde enthaltenen Anträge, und nur solche Rügen erhoben werden, die auf demselben Grund beruhen wie die in der Beschwerde genannten Rügen, auch wenn diese Rügen vor dem Gericht durch das Vorbringen neuer Gründe und Argumente, die nicht notwendigerweise in der Beschwerde enthalten sind, sich aber eng an diese anlehnen, weiterentwickelt werden können.

Die Übereinstimmung von Beschwerde und Klage stellt eine Frage zwingenden Rechts dar, die der Richter von Amts wegen zu prüfen hat. Das Gericht hat daher einen in der Klageschrift genannten Klagegrund, auf den sich die Beschwerde weder unmittelbar noch mittelbar bezieht, als unzulässig zurückzuweisen. Dagegen braucht ein für den Fall der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung gestellter Antrag auf Zahlung von Verzugszinsen, um vor dem Gericht zulässig zu sein, nicht in der vorherigen Verwaltungsbeschwerde ausdrücklich angeführt zu werden.

2. Aus dem Wortlaut des Artikels 4 Absatz 1 Buchstabe a Satz 2 des Anhangs VII des Statuts und dem Zusammenhang, in den sich diese Bestimmung einfügt, zum einen sowie aus dem Zweck der Auslandszulage, die besonderen Lasten und Nachteile auszugleichen, die sich aus der ständigen Dienstausübung in einem Land ergeben, zu dem der Beamte vor seinem Dienstantritt keine dauerhafte Beziehung hergestellt hat, zum anderen ergibt sich, daß die Wendung "Lage, die sich aus dem Dienst für eine internationale Organisation ergibt", nicht dahin ausgelegt werden kann, daß damit nur der Dienst für eine internationale Organisation gemeint ist, die durch Staaten oder Organisationen errichtet worden ist, die selbst durch Staaten errichtet wurden. Die Auslandstätigkeit einer Person hängt nämlich nicht von dem besonderen Status ab, der nach dem Völkerrecht mit der Eigenschaft als Angehöriger des Personals einer öffentlichen internationalen Organisation verbunden ist. Daher kann sie im Ausland tätig sein, ohne einen solchen Status zu genießen, aber auch diesen Status genießen, ohne tatsächlich eine Auslandstätigkeit auszuüben.

3. Eine Auslegung durch das Kollegium der Verwaltungschefs, die nicht veröffentlicht wurde und nicht Gegenstand der in Artikel 110 Absatz 1 des Statuts vorgesehenen Anhörungen war, kann nicht den Kreis derjenigen, auf die eine Statutsbestimmung anwendbar ist, im Verhältnis zu einer früheren rechtmässigen Auslegung durch dasselbe Kollegium einengen. Eine solche Änderung kann jedenfalls nicht ausschließlich mit einem Bemühen um Klarheit und Vereinfachung begründet werden.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (FUENFTE KAMMER) VOM 30. MAERZ 1993. - EVANGELOS VARDAKAS GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - BEAMTE - AUSLANDSZULAGE - INTERNATIONALE ORGANISATION. - RECHTSSACHE T-4/92.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Am 1. Januar 1991 wurde der Kläger von der Kommission eingestellt und als Bediensteter auf Zeit der Besoldungsgruppe A 2 in Brüssel beschäftigt. Als Einstellungsort wurde Brüssel festgelegt. Am 1. Mai 1991 wurde er zum Beamten ernannt.

2 Zwischen dem 1. Januar 1984 und seiner Einstellung bei der Kommission war der Kläger in Brüssel beim Comité européen de normalisation (nachstehend: CEN) als Generalsekretär tätig gewesen.

3 Vor seiner Einstellung fragte der Kläger bei den Dienststellen der Kommission, ob das CEN als internationale Organisation im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Buchstabe a des Anhangs VII des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (nachstehend: Statut) anerkannt werden könne, was ihm den Anspruch auf die Auslandszulage nach dieser Bestimmung verschafft hätte.

4 Mit Schreiben vom 18. Oktober 1990 erhielt er folgende Antwort: "Die Frage Ihres Anspruchs auf die Auslandszulage ist vom Personaldienst geprüft worden. Das CEN wird nicht als eine internationale Organisation im Sinne des Artikels 4 des Anhangs VII des Statuts anerkannt."

5 Mit Schreiben vom 19. November 1990 teilte der Kläger mit, er werde alle einschlägigen Schriftstücke für eine erneute Prüfung der Frage der Anerkennung des CEN als internationale Organisation im Sinne des Artikels 4 des Anhangs VII des Statuts zusammentragen und bei Dienstantritt vorlegen.

6 Mit Note vom 11. Februar 1991 teilte der Leiter der Einheit "Individülle Rechte" dem Kläger folgendes mit: "Ich habe die Schriftstücke, die Sie bei den Formalitäten aus Anlaß Ihres Dienstantritts vorgelegt haben, dem Leiter der Einheit 'Statut und Disziplinarfragen' zur erneuten Prüfung im Hinblick auf die Rechtsstellung des 'Comité Européen de Normalisation' übermittelt, um feststellen zu lassen, ob es sich nach dem von den Verwaltungschefs am 30. Mai 1986 festgelegten Kriterium um eine internationale Organisation handelt. Danach sind 'als internationale Organisation für die Anwendung des Artikels 4 des Anhangs VII des Statuts die Organisationen anzusehen, die folgende alleinige Voraussetzung erfuellen: Errichtung durch Staaten oder durch eine Organisation, die selbst durch Staaten errichtet worden ist'. Da seine Antwort negativ war, muß ich Ihnen zu meinem Bedauern mitteilen, daß Sie die Voraussetzungen für die Auslandszulage nach Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 2 Buchstabe a des Anhangs VII des Statuts nicht erfuellen."

7 Am 2. Mai 1991 legte der Kläger gegen die Entscheidung vom 11. Februar 1991 eine Beschwerde im Sinne des Artikels 90 Absatz 2 des Statuts ein.

8 Diese Beschwerde wurde mit Schreiben vom 18. Oktober 1991, das der Kläger am 23. Oktober 1991 erhielt, zurückgewiesen.

9 Daraufhin hat der Kläger mit Klageschrift, die am 22. Januar 1992 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist, die vorliegende Klage erhoben. Das Gericht (Fünfte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.

10 Die Parteien haben in der Sitzung vom 11. Februar 1993 mündlich verhandelt und die Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Parteien

11 Der Kläger beantragt,

1) die Klage für zulässig und begründet zu erklären;

2) die Entscheidung der Beklagten vom 11. Februar 1991, mit der ihm die Auslandszulage verweigert wurde, und ihre Entscheidung über die Zurückweisung der entsprechenden Beschwerde des Klägers aufzuheben;

3) die Beklagte zur Zahlung der Auslandszulage vom 1. Januar 1991 an abzueglich der ihm für die Vergangenheit gezahlten Expatriierungszulage und zuzueglich Zinsen in Höhe von 10 % jährlich ab der jeweiligen monatlichen Fälligkeit der Auslandszulage bis zum Tag der tatsächlichen Zahlung zu verurteilen;

4) der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Kommission beantragt,

° die Klage als unbegründet abzuweisen;

° über die Verfahrenskosten nach Rechtslage zu entscheiden.

Vorbringen der Parteien

12 Der Kläger stützt seine Klage auf zwei Gründe. Mit dem ersten Klagegrund macht er eine Verletzung des Artikels 110 des Statuts geltend. Mit dem zweiten behauptet er einen Verstoß gegen Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a des Anhangs VII des Statuts.

Zum ersten Klagegrund: Verletzung des Artikels 110 des Statuts

Vorbringen der Parteien

13 Der Kläger macht geltend, Artikel 110 Absatz 2 des Statuts, dem zufolge die allgemeinen Durchführungsbestimmungen zum Statut sowie alle von den Organen im gegenseitigen Einvernehmen erlassenen Regelungen dem Personal erst entgegengehalten werden könnten, wenn sie ihm vorher zur Kenntnis gebracht worden seien, sei verletzt worden, weil der Beschluß des Kollegiums der Verwaltungschefs vom 28. Mai 1986 (nachstehend: Beschluß vom 28. Mai 1986) weder veröffentlicht noch dem Personal zur Kenntnis gebracht worden sei.

14 Gemäß Artikel 110 Absatz 2 des Statuts könne ihm der Beschluß vom 28. Mai 1986 nicht entgegengehalten werden; folglich müsse die Entscheidung vom 11. Februar 1991, die sich auf diesen stütze, aufgehoben werden.

15 Die Kommission entgegnet, der Beschluß vom 28. Mai 1986 stelle lediglich eine Auslegung des Artikels 4 Absatz 1 Buchstabe a des Anhangs VII des Statuts durch die Verwaltungschefs der Gemeinschaftsorgane dar. Diese hätten einheitliche Kriterien für die Entscheidung über die internationale Natur einer Organisation festgelegt. Es gehe mithin nicht um eine "allgemeine Durchführungsbestimmung" oder um eine "Regelung" im Sinne des Artikels 110 Absatz 2 des Statuts.

Würdigung durch das Gericht

16 Das Gericht stellt fest, daß die vorgerichtliche Beschwerde, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, keine unmittelbare oder mittelbare Bezugnahme auf eine Verletzung des Artikels 110 Absatz 2 des Statuts enthält. Nach ständiger Rechtsprechung können aber bei Beamtenklagen vor dem Gericht nur solche Anträge gestellt werden, die denselben Gegenstand haben wie die in der Beschwerde enthaltenen Anträge, und nur solche Rügen erhoben werden, die auf demselben Grund beruhen wie die in der Beschwerde genannten Rügen, auch wenn diese Rügen vor dem Gericht durch das Vorbringen neuer Gründe und Argumente, die nicht notwendigerweise in der Beschwerde enthalten sind, sich aber eng an diese anlehnen, weiterentwickelt werden können (vgl. insbesondere Urteile des Gerichtshofes vom 20. Mai 1987 in der Rechtssache 242/85, Geist/Kommission, Slg. 1987, 2181, Randnr. 9, und vom 26. Januar 1989 in der Rechtssache 224/87, Koutchoumoff/Kommission, Slg. 1989, 99, Randnr. 10, sowie Urteil des Gerichts vom 29. März 1990 in der Rechtssache T-57/89, Alexandrakis/Kommission, Slg. 1990, II-143, Randnrn. 8 ff.). Aus der ständigen Rechtsprechung ergibt sich ausserdem, daß die Frage der Übereinstimmung von Beschwerde und Klage eine Frage zwingenden Rechts ist, die von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. insbesondere Urteil Alexandrakis, a. a. O.).

17 Der erste Klagegrund ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a des Anhangs VII des Statuts

Vorbringen der Parteien

18 Der Kläger meint, der Beschluß vom 28. Mai 1986 sei unter Verstoß gegen Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a des Anhangs VII des Statuts ergangen, weil er den Begriff "internationale Organisation" zu einschränkend auslege und eine in dieser Vorschrift nicht festgelegte Bedingung hinzufüge, daß nämlich die betreffende Organisation nicht nur eine internationale, sondern auch eine öffentliche Einrichtung sein müsse.

19 Seine Auffassung, daß der Beschluß vom 28. Mai rechtswidrig sei, werde durch die Ratio legis der in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a des Anhangs VII des Statuts enthaltenen Ausnahmevorschrift bestätigt, wie sie der Gerichtshof herausgearbeitet habe (vgl. Urteil vom 15. Januar 1981 in der Rechtssache 1322/79, Vutera/Kommission, Slg. 1981, 127, Randnr. 8). Nach dieser Rechtsprechung sei nicht der öffentliche oder nichtöffentliche Charakter der betreffenden internationalen Organisation, sondern die Dauerhaftigkeit der Bindung zwischen dem Beamten und seinem Beschäftigungsland entscheidend.

20 Es gebe also keinen Unterschied, der eine diskriminierende Behandlung eines Beamten, der wie er im Dienst einer sogenannten privaten internationalen Organisation gestanden habe, gegenüber einem Beamten rechtfertigen könne, der in seinem künftigen Beschäftigungsstaat im Dienst einer öffentlichen internationalen Organisation im Sinne des Beschlusses vom 28. Mai 1986 gestanden habe.

21 Dies müsse erst recht für eine internationale Organisation gelten, die insbesondere von Staaten und supranationalen Organisationen mit Aufgaben von öffentlichem Interesse betraut worden sei. Nach der Gründung der EGKS seien die Arbeiten der europäischen Normierung im Stahlbereich zunächst unmittelbar von den Dienststellen der EGKS durchgeführt, sodann in einer zweiten Phase (1986) aufgrund eines Sonderprotokolls auf das CEN übertragen worden. Die Mitglieder des CEN seien die nationalen Institutionen für die Normierung im Stahlbereich gewesen, die auch die Leiter der nationalen Vertretungen bestimmt hätten. Das CEN sei durch die Richtlinie 83/189/EWG des Rates vom 28. März 1983 (ABl. L 109, S. 8) als europäische Organisation für Normung anerkannt worden und habe im November 1984 ein Sondermemorandum über die Zusammenarbeit mit der Kommission unterzeichnet. Schließlich ermächtige die Entschließung 85/C 136/01 des Rates vom 7. Mai 1985 über eine neue Konzeption auf dem Gebiet der technischen Harmonisierung und der Normung (ABl. C 136, S. 1) das CEN, europäische Normen zur Auslegung der in den Richtlinien des Rates vorgesehenen "wesentlichen Anforderungen" festzulegen. Auf der Grundlage dieser Entschließung und der seither erlassenen Richtlinien sei das CEN von der Kommission ermächtigt worden, ungefähr 1 000 europäische Normen auszuarbeiten.

22 Folglich sei das CEN angesichts seines Zweckes und seiner Aufgabe eine öffentliche internationale Organisation kraft Bestimmung und habe daher einen "funktionellen öffentlichen Charakter".

23 Entgegen der Darstellung der Kommission stütze das Urteil des Gerichtshofes vom 31. Mai 1988 in der Rechtssache 211/87 (Nuñez/Kommission, Slg. 1988, 2791) seine Auslegung des Artikels 4 Absatz 1 Buchstabe a Satz 2 des Anhangs VII des Statuts, da der Gerichtshof entschieden habe, daß diese Vorschrift nicht auf einen Beamten angewandt werden könne, der zwar in einer Botschaft im Hoheitsgebiet seines zukünftigen Dienstlandes beschäftigt gewesen sei, jedoch bereits zuvor eine dauerhafte Bindung an dieses Land gehabt habe, weil er dort seit langem seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt und seine berufliche Tätigkeit ausgeuebt habe. Damit habe der Gerichtshof dem Kriterium der dauerhaften Bindung an das Dienstland den Vorrang vor dem Kriterium der Tätigkeit für einen anderen Staat eingeräumt.

24 Der Kläger führt weiter aus, daß der erste Beschluß des Kollegiums der Verwaltungschefs zu Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a des Anhangs VII des Statuts vom 26. und 27. Juni 1975 (nachstehend: Beschluß vom 26. und 27. Juni 1975), der elf Jahre lang gegolten habe, den Begriff "internationale Organisation" sehr viel weiter ausgelegt habe und er im Rahmen dieser Auslegung automatisch die Auslandszulage erhalten hätte.

25 Folglich gebe der Beschluß vom 28. Mai 1986, der die Grundlage der angefochtenen Entscheidung bilde, eine mit der betreffenden Statutsvorschrift unvereinbare Definition oder Auslegung des Begriffes "internationale Organisation" wieder, und die angefochtenen Entscheidungen seien mithin aufzuheben.

26 Für die Kommission regelt Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a des Anhangs VII des Statuts Situationen, bei denen nicht davon ausgegangen werden könne, daß der Beamte eine dauerhafte Bindung an sein Dienstland geknüpft habe. Insoweit gebe es aber beträchtliche Unterschiede zwischen der Lage eines Beamten im Dienst einer öffentlichen internationalen Organisation und der eines Beamten im Dienst einer internationalen privatrechtlichen Vereinigung, selbst wenn diese Mitglieder verschiedener Staatsangehörigkeit habe.

27 Die Kommission legt die rechtlichen Unterschiede zwischen einer öffentlichen internationalen Organisation und einer internationalen privatrechtlichen Vereinigung wie dem CEN dar und führt aus, daß praktisch gesehen derjenige, der für eine internationale Organisation oder eine Botschaft tätig sei, in gewisser Weise von dem Staat losgelöst sei, in dessen Hoheitsgebiet sich sein Dienstort befinde. Aufgrund seiner Rechtsstellung, seiner Arbeit und seiner Interessen knüpfe dieser Beamte nicht wirklich Beziehungen zu diesem Land und schaffe daher zu ihm auch keine dauerhafte Bindung.

28 Anderes gelte für die Person, die in einem bestimmten Land für eine privatrechtliche Gesellschaft oder Vereinigung arbeite, die ausschließlich dem Recht dieses Landes unterliege. Dies sei beim Kläger der Fall, da das CEN, bei dem er seit dem 1. Januar 1984 tätig gewesen sei, eine internationale gemeinnützige Vereinigung belgischen Rechts sei, die ihren Sitz in Brüssel habe und ausschließlich dem belgischen Recht unterliege. Von diesem Zeitpunkt an habe der Kläger folglich in Brüssel gewohnt und gearbeitet, ohne jemals die Vorrechte und Befreiungen in Anspruch nehmen zu können, die für hohe Beamte im Rahmen einer internationalen Organisation kennzeichnend seien.

29 Folglich entspreche die Auslegung in dem Beschluß vom 28. Mai 1986 der Definition einer öffentlichen internationalen Organisation und berücksichtige genau die besondere Rechtsstellung der öffentlichen internationalen Organisationen und die besondere Situation ihrer Beamten.

30 Ausserdem entspreche diese Auslegung zweifelsfrei der Ratio legis der Ausnahme in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a des Anhangs VII des Statuts, wie sie der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts zu entnehmen sei. Das Hauptkriterium für die Gewährung der Auslandszulage sei der gewöhnliche Aufenthalt des Beamten vor seinem Dienstantritt (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 20. Februar 1975 in der Rechtssache 21/74, Airola/Kommission, Slg. 1975, 221, und in der Rechtssache 37/74, Van den Bröck/Kommission, Slg. 1975, 235). Der Begriff der Auslandstätigkeit hänge somit von der subjektiven Situation des Beamten ab, d. h. von dem Grad seiner Integration in seine neue Umgebung, der insbesondere durch seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder durch die frühere Ausübung einer hauptberuflichen Tätigkeit nachgewiesen werden könne (vgl. zuletzt Urteil des Gerichtshofes vom 10. Oktober 1989 in der Rechtssache 201/88, Atala-Palmerini/Kommission, Slg. 1989, 3109).

Würdigung durch das Gericht

31 Das Gericht stellt fest, daß die ihm vorliegende Frage die Auslegung des Artikels 4 Absatz 1 Buchstabe a des Anhangs VII des Statuts betrifft, wonach die Auslandszulage Beamten gewährt wird, die "die Staatsangehörigkeit des Staates, in dessen Hoheitsgebiet sie ihre Tätigkeit ausüben, nicht besitzen und nicht besessen haben und während eines sechs Monate vor ihrem Dienstantritt ablaufenden Zeitraums von fünf Jahren in dem europäischen Hoheitsgebiet des genannten Staates weder ihre ständige hauptberufliche Tätigkeit ausgeuebt noch ihren ständigen Wohnsitz gehabt haben. Bei Anwendung dieser Vorschrift bleibt die Lage unberücksichtigt, die sich aus dem Dienst für einen anderen Staat oder eine internationale Organisation ergibt."

32 Der Kläger beruft sich auf die Auslegung dieser Bestimmung in dem Beschluß vom 26. und 27. Juni 1975, während sich die Kommission auf die Auslegung in dem Beschluß vom 28. Mai 1986 stützt. Nach der erstgenannten Auslegung sind bei der Anwendung des Artikels 4 des Anhangs VII des Statuts als internationale Organisation die Organisationen anzusehen, die folgenden Kriterien entsprechen: "a) internationale Zusammensetzung, d. h. mit Mitgliedern aus verschiedenen Ländern und offen für Ähnlichkeiten der unterschiedlichen Nationen; b) internationale Tätigkeit von allgemeinem Interesse, insbesondere auf politischem, wirtschaftlichem, sozialem, humanitärem, wissenschaftlichem und kulturellem Gebiet; c) Permanenz und ein organisierter Aufbau, der den Mitgliedern das Recht verleiht, periodisch die Personen zu bestimmen, die die Organisation leiten sollen (ständiger Sitz, Sekretariat usw.); d) kein Erwerbszweck"; nach der zweitgenannten Auslegung hingegen brauchen internationale Organisationen nur einem einzigen Kriterium zu entsprechen: Sie müssen "durch Staaten oder durch Organisationen errichtet worden sein, die selbst durch Staaten errichtet wurden".

33 Bei der Klärung dieser Auslegungsfrage ist erstens auf den Wortlaut des Artikels 4 Absatz 1 Buchstabe a Satz 2 des Anhangs VII des Statuts und auf den Kontext abzustellen, in dem er steht, zweitens auf seinen Zweck und drittens auf seine Auslegung, wie sie die Kommission selbst vertreten hat.

34 Was erstens den Wortlaut und den Kontext dieser Bestimmung betrifft, so stellt das Gericht zum einen fest, daß die Bestimmung Teil eines Artikels ist, der drei Stufen aufweist. Die erste Stufe legt die Voraussetzung fest, die der Beamte grundsätzlich erfuellen muß, um in den Genuß der Auslandszulage zu kommen: Er darf niemals die Staatsangehörigkeit des Staates besessen haben, in dessen Hoheitsgebiet sich sein Dienstort befindet; die zweite bestimmt als Ausnahme von diesem Grundsatz, daß Beamte, die während eines sechs Monate vor ihrem Dienstantritt ablaufenden Zeitraums von fünf Jahren in dem europäischen Hoheitsgebiet des genannten Staates ihre ständige hauptberufliche Tätigkeit ausgeuebt oder ihren ständigen Wohnsitz gehabt haben, keinen Anspruch auf diese Zulage haben; die dritte Stufe sieht in Abweichung von dieser Ausnahme vor, daß die Lage unberücksichtigt bleibt, die sich aus dem Dienst für einen anderen Staat oder eine internationale Organisation ergibt. Diese Bestimmung ist mithin als Ausnahme von einer Ausnahme weit auszulegen.

35 Das Gericht stellt zum anderen fest, daß sowohl in Buchstabe a als auch in Buchstabe b des Artikels 4 Absatz 1 des Anhangs VII von "internationalen Organisationen" die Rede ist. Nach Buchstabe a gestattet es "die Lage, die sich aus dem Dienst für einen anderen Staat oder eine internationale Organisation ergibt", dem Beamten, eine Auslandszulage zu erhalten, obwohl er während eines sechs Monate vor seinem Dienstantritt ablaufenden Zeitraums von fünf Jahren in seinem Dienstland seine ständige hauptberufliche Tätigkeit ausgeuebt oder seinen ständigen Wohnsitz gehabt hat. Demgegenüber bringt nach Buchstabe b "die Ausübung einer Tätigkeit in einer Dienststelle eines Staates oder in einer internationalen Organisation" dem Beamten, der die Staatsangehörigkeit seines Dienstlandes besitzt oder besessen hat, aber während eines gewissen Zeitraums seinen ständigen Wohnsitz ausserhalb des Hoheitsgebiets dieses Landes gehabt hat, um den Anspruch auf diese Zulage.

36 Es ist indessen darauf hinzuweisen, daß die Wendung "Lage, die sich aus dem Dienst für eine internationale Organisation ergibt", eine viel weitere Bedeutung hat als die Wendung "Ausübung einer Tätigkeit in einer internationalen Organisation" und daß die Verfasser des Statuts daher, wenn sie den Beamten die Auslandszulage gewähren wollten, weite Begriffe, und wenn sie ihnen diese vorenthalten wollten,

enge Begriffe verwendet haben.

37 Die Absicht des Gesetzgebers ging somit dahin, den Anspruch auf die Auslandszulage in weitem Umfang zu gewähren.

38 Was zweitens den Zweck des Artikels 4 Absatz 1 des Anhangs VII des Statuts betrifft, wie ihn der Gerichtshof definiert hat, so berufen sich auf ihn der Kläger wie die Beklagte zur Stützung ihres Vorbringens.

39 Zweck der Auslandszulage ist nach Auffassung des Gerichts der Ausgleich der besonderen Lasten und Nachteile, die sich aus der ständigen Dienstausübung in einem Land ergeben, zu dem der Beamte vor seinem Dienstantritt keine dauerhafte Beziehung hergestellt hat. Die mit der Aufnahme des Dienstes verbundenen Lasten werden nämlich einmal je Zuweisung zu einem bestimmten Ort durch die Erstattung der Umzugskosten und die Zahlung der Einrichtungsbeihilfe ausgeglichen. Die Auslandszulage wird dagegen während der gesamten Dauer des Dienstes gezahlt, selbst wenn sich der Beamte in sein Dienstland integrieren konnte.

40 Demgemäß ist festzustellen, daß die Auslandstätigkeit einer Person von dem besonderen Status unabhängig ist, den sie als Angehöriger des Personals einer öffentlichen internationalen Organisation nach dem Völkerrecht genießt. Daher kann sie im Ausland tätig sein, ohne diesen besonderen Status zu genießen, aber auch diesen besonderen Status genießen, ohne tatsächlich eine Auslandstätigkeit auszuüben (vgl. zu diesem letzten Punkt Urteil Nuñez/Kommission, a. a. O.).

41 Auch insoweit kann daher der in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a Satz 2 des Anhangs VII des Statuts verwendete Begriff der internationalen Organisation nicht restriktiv ausgelegt werden.

42 Das Gericht weist drittens zum einen darauf hin, daß die Kommission in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, daß der Beschluß vom 26. und 27. Juni 1975 nicht rechtswidrig gewesen sei ° was durch das Urteil des Gerichts vom 27. März 1990 in der Rechtssache T-123/89 (Chomel/Kommission, Slg. 1990, II-131, Randnr. 34) bestätigt wird, dem zufolge er ein "rechtmässiger Verwaltungsakt" gewesen ist °, und zum anderen darauf, daß die Kommission zugleich erklärt, daß es sich bei dem Beschluß vom 28. Mai 1986 wie bei dem vom 26. und 27. Juni 1975 um eine blosse Auslegung der betreffenden Statutsvorschrift und nicht um eine allgemeine Durchführungsbestimmung im Sinne des Artikels 110 Absatz 2 des Statuts handelte.

43 Wie sich aus einem Vergleich zwischen den beiden vorstehend behandelten Auslegungen ergibt, engt der Beschluß vom 28. Mai 1986 den Kreis der Empfänger der Auslandszulage im Verhältnis zu dem Beschluß vom 26. und 27. Juni 1975, den die Kommission nahezu elf Jahre angewandt hat, erheblich ein.

44 Hierzu ist festzustellen, daß eine Auslegung durch das Kollegium der Verwaltungschefs, die nicht veröffentlicht wurde und nicht Gegenstand der in Artikel 110 Absatz 1 des Statuts vorgesehenen Anhörungen war, den Kreis derjenigen, auf die eine Statutsbestimmung anwendbar ist, im Verhältnis zu einer früheren Auslegung durch dasselbe Kollegium, deren Rechtmässigkeit, wie ausgeführt, nicht in Frage gestellt worden ist, nicht einengen kann. Eine solche Änderung, die den Kreis derjenigen einengt, auf die die ausgelegte Vorschrift anwendbar ist, kann jedenfalls nicht ausschließlich mit "einem Bemühen um Klarheit und Vereinfachung" begründet werden.

45 Aus alledem folgt, daß die durch den Beschluß vom 28. Mai 1986 bewirkte Einengung des Kreises der Empfänger der Auslandszulage, wie er sich aus dem Beschluß vom 26. und 27. Juni 1975 ergab, gegen die Absicht des Gemeinschaftsgesetzgebers verstösst. Der Beschluß vom 28. Mai 1986 ist daher wegen seiner Auswirkungen rechtswidrig.

46 Da die Entscheidung vom 11. Februar 1991 ausschließlich auf die Auslegung des Artikels 4 Absatz 1 Buchstabe a Satz 2 des Anhangs VII des Statuts durch den Beschluß vom 28. Mai 1986 gestützt war, bewirkt die Rechtswidrigkeit dieses Beschlusses zwangsläufig die der angefochtenen Entscheidung, die aufzuheben ist.

47 Im übrigen ist zwischen den Parteien unstreitig, daß das CEN eine "internationale Organisation" im Sinne des Beschlusses vom 26. und 27. Juni 1975 ist. Diese Einstufung wird dadurch bestätigt, daß das CEN zwar sicher nicht durch Staaten oder durch von Staaten errichtete internationale Organisationen geschaffen, wohl aber von Staaten und von durch Staaten errichtete internationale Organisationen wie den Europäischen Gemeinschaften anerkannt und von diesen Staaten und internationalen Organisationen mit Aufgaben des öffentlichen Interesses betraut worden ist. Das CEN ist daher als "internationale Organisation" im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Buchstabe a Satz 2 des Anhangs VII des Statuts zu betrachten; folglich hat der Kläger Anspruch auf die Auslandszulage seit seinem Dienstantritt am 1. Januar 1991.

48 Die Kommission ist daher zu verurteilen, dem Kläger die Beträge zu zahlen, der der ihm vom 1. Januar 1991 an zustehenden Auslandszulage entsprechen, abzueglich der ihm gezahlten Expatriierungszulage und zuzueglich der Verzugszinsen vom Zeitpunkt ihrer jeweiligen Fälligkeit bis zu ihrer tatsächlichen Zahlung.

49 Bezueglich der Höhe dieser Verzugszinsen ist das Gericht der Auffassung, daß der vom Kläger verlangte Satz von 10 %, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, zu hoch ist und auf 8 % jährlich festzusetzen ist.

50 Insoweit ist ausserdem festzustellen, daß nach der Klageschrift der Antrag auf Zahlung von Verzugszinsen nur für den Fall der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung gestellt war, so daß er in der Beschwerde, die der Kläger an die Kommission gerichtet hat, nicht ausdrücklich angeführt zu werden brauchte (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 9. März 1978 in der Rechtssache 54/77, Herpels/Kommission, Slg. 1978, 585, Randnr. 17).

Kostenentscheidung:

Kosten

51 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist und der Kläger die Verurteilung der Kommission zur Tragung der Kosten beantragt hat, sind ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Entscheidung der Kommission vom 11. Februar 1991, mit der dem Kläger die Auslandszulage verweigert wurde, wird aufgehoben.

2) Die Kommission wird verurteilt, an den Kläger die Beträge in Höhe der Auslandszulage vom 1. Januar 1991 an abzueglich der ihm bereits gezahlten Expatriierungszulage und zuzueglich Verzugszinsen in Höhe von 8 % jährlich von der jeweiligen Fälligkeit dieser Beträge bis zu ihrer tatsächlichen Zahlung zu zahlen.

3) Die Kommission trägt sämtliche Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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