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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 06.06.1990
Aktenzeichen: T-44/89
Rechtsgebiete: Beamtenstatut


Vorschriften:

Beamtenstatut Art. 90
Beamtenstatut Art. 91
Beamtenstatut Art. 7 Abs. 3 Anhang VII
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Für die Bestimmung des Mittelpunkts der Lebensinteressen des Beamten, von der die Festlegung seines Herkunftsorts im Sinne von Artikel 7 Absatz 3 des Anhangs VII des Statuts abhängt, ist die Feststellung erforderlich, daß der Betroffene eine dauerhafte Beziehung zu einem bestimmten Ort unterhält, und zwar aufgrund seiner wichtigsten familiären Bindungen, seiner eigentumsrechtlichen Bindungen oder seiner wesentlichen aktiven und passiven staatsbürgerlichen Interessen. Die Bestimmung dieser Beziehung erfordert eine Prüfung von Fall zu Fall durch das betreffende Organ.

Es wäre unverständlich, wenn der Ort ausgenommen oder in seiner Bedeutung unterschätzt würde, an dem der Ehegatte des Beamten selbst den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hat. Darüber hinaus können andere Bindungen als dingliche Rechte an Grundstücken als Kriterien dienen.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (DRITTE KAMMER) VOM 6. JUNI 1990. - LAURA GOUVRAS-LAYCOCK GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - BEAMTE - BESTIMMUNG DES HERKUNFTSORTS. - RECHTSSACHE T-44/89.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt und Verfahren

1 Die Klägerin, eine britische Staatsangehörige, ist die Tochter von Frank Laycock und Sylvana Laycock. Die Eltern der Klägerin leben getrennt, der Vater in Dublin, die Mutter in London. Sylvana Laycock, eine griechische Staatsangehörige, gehört zum Personal der griechischen Botschaft im Vereinigten Königreich, wo sie seit vielen Jahren wohnt.

2 Die Klägerin ist seit 1977 mit Georgios Gouvras, einem griechischen Staatsangehörigen, verheiratet, der seit Juni 1982 Beamter der Kommission der Europäischen Gemeinschaften mit Dienstort Luxemburg ist. Zuvor war er bei einer Schweizer Firma mit Sitz in Zuerich beschäftigt. Am 22. Juni 1982 gab G. Gouvras anläßlich der Festlegung seines Herkunftsorts die folgende Erklärung ab :

"Erklärung betreffend die Anwendung von Artikel 7 Absatz 3 des Anhangs VII des Statuts. Ich, der Unterzeichnete, erkläre hiermit auf amtliche Urkunden gestützt, die eine Feststellung meines Wohnorts während des sechs Monate vor meinem Dienstantritt bei der Kommission ablaufenden Zeitraums von fünf Jahren ermöglichen, daß zwar Pinner, Middlesex, Großbritannien, der Ort meiner Einberufung war, daß aber aus den folgenden Gründen Papagou, Athen, Griechenland - die Anschrift meiner Eltern und zugleich meines ständigen Wohnsitzes, wie sie in meinen Bewerbungsunterlagen angegeben ist - als mein Herkunftsort im Sinne von Artikel 7 Absatz 3 des Anhangs VII des Statuts angesehen werden muß :

a ) Ich habe meine wichtigsten familiären Bindungen ( Mutter, Bruder oder und Schwester ) in Athen.

b ) Ich habe aufgrund des von meinem verstorbenen Vater geerbten Vermögens eigentumsrechtliche Bindungen in Athen ( siehe die beiliegende Bestätigung des griechischen Justizministeriums ).

c ) Meine wesentlichen staatsbürgerlichen Interessen und Rechte habe ich ausschließlich in Griechenland ( siehe die Kopien meines von der Gemeinde Papagou, Athen, Griechenland, ausgestellten Wählerbuchs ).

Während des sechs Monate vor meinem Dienstantritt ablaufenden Zeitraums von fünf Jahren waren meine Wohnorte die folgenden :

a)Juli 1981 bis Mai 1982 : Wohnsitz : Pinner, Middlesex, Vereinigtes Königreich; Arbeitsverhältnis : Zuerich, Schweiz (( siehe Bescheinigung meines früheren Arbeitgebers, der Electrowatt Engineering Services ( London ) Ltd für den Inspector of Taxes, West Sussex, England ));

b)Juni 1980 bis Juli 1981 : Papagou, Athen, Griechenland; Arbeitgeber : Staatliches griechisches Elektrizitätsunternehmen, 10, Navarinou, Athen 144;

c)Dezember 1977 bis Juni 1980 : Pinner, Middlesex, Vereinigtes Königreich; Forschungsarbeiten für meine Dissertation und nach deren Abschluß Tätigkeit am Imperial College, London, England ( siehe beiliegende Bescheinigungen );

d)Januar 1977 bis November 1977 : Papagou, Athen, Griechenland; Militärdienst ( Bescheinigung der griechischen Luftstreitkräfte );

e)Januar 1975 bis Dezember 1976 : Forschungsarbeiten für meine Dissertation am Imperial College, London, England ( siehe beiliegende Bescheinigung )."

Aufgrund dieser Daten wurde als Herkunftsort von G. Gouvras Athen festgelegt.

3 Aus den zu den Akten gereichten Unterlagen ergibt sich, daß die Eheleute im gesetzlichen Güterstand griechischen Rechts, einem System der Gütertrennung, leben. Nach den Angaben der Parteien hat jeder der Ehegatten im Fall der Scheidung Anspruch auf ein Drittel des vom anderen während der Ehe erworbenen Vermögens. Nach griechischem Erbrecht erhielte die Klägerin beim Tod des Ehegatten bei Intestaterbfolge ein Viertel des Nachlasses.

4 Die Klägerin trat ihren Dienst beim Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften in Luxemburg am 1. September 1986 an. Sie versicherte in einer in Luxemburg im Mai 1986 unter Eid abgegebenen Erklärung, von Mai 1981 bis Oktober 1982 in London und von diesem Zeitpunkt an in Luxemburg gewohnt zu haben. Von Juni 1980 bis Mai 1981 wohnte die Klägerin mit ihrem Ehemann in ihrem Haus in Athen. Bis Juni 1980 wohnte sie in London. Sie war von Juli 1974 bis September 1982, mit Ausnahme des Zeitraums von Juni 1980 bis Mai 1981, während dessen sie Urlaub aus persönlichen Gründen genommen hätte, bei der Firma British Airways als Arbeitnehmerin beschäftigt.

5 Mit Schreiben vom 10. August 1987 beantragte die Klägerin, die Beklagte möge als Herkunftsort der Klägerin den Ort des Mittelpunkts ihrer Lebensinteressen, nämlich Athen, anstelle von Luxemburg, dem Ort ihrer Einberufung, festlegen. In diesem Schreiben gab die Klägerin folgende Erklärung ab :

"a ) Ich habe meine wichtigsten familiären Bindungen weiterhin in Athen, in einem Haus, das im Miteigentum meines Ehemanns Georgios Gouvras steht. Dieses Haus war vor dem Dienstantritt meines Mannes bei der Kommission unser gemeinsamer Wohnsitz; dort verbringen meine Familie und ich unsere jährlichen Ferien.

b ) Meine Mutter, eine griechische Staatsangehörige, ist bei der griechischen Botschaft in London beschäftigt; der Ort des Mittelpunkts ihrer Lebensinteressen ist ebenfalls Athen, wohin sie auf Verlangen ihrer Dienststelle versetzt werden kann."

6 Diesem Antrag waren zwei Unterlagen als Belege beigefügt, nämlich :

- eine Bescheinigung des Amtsgerichts Athen über die Erbfolge nach dem Vater von G. Gouvras, wonach die Mutter von G. Gouvras, G. Gouvras selbst, sein Bruder und seine Schwester zu gleichen Teilen, also jeweils ein Viertel, erben.

- Eine Bescheinigung der griechischen Botschaft in London, wonach S. Laycock, Mitglied ihres Personals und Mutter der Klägerin, jederzeit dem Amt für Presse und Information in Athen zugewiesen werden kann, wenn das Interesse der Dienststellen des Premierministers dies erfordert.

7 Die Verwaltung sah diese beiden Umstände nicht als ausreichend an, um Athen als Herkunftsort der Klägerin festzulegen. Im Hinblick auf die Bindungen der Klägerin an London, wo die Ehegatten, bevor der erste von ihnen seinen Dienst antrat, sowie die Mutter der Klägerin ihren ständigen Wohnsitz hatten, lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 24. August 1987, erläutert durch Schreiben vom 8. Oktober 1987, den Antrag der Klägerin ab und legte London als Herkunftsort fest.

8 Auf Antrag der Klägerin wurde anschließend unbeschadet ihrer Rechte nach Artikel 90 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften ( nachstehend : Statut ) mit Wirkung vom 1. September 1986 als Herkunftsort Dublin, der Wohnsitz ihres Vaters, festgelegt.

9 Die Klägerin legte mit bei der Kommission am 24. November 1987 eingegangenem Schreiben gegen das Schreiben vom 24. August 1987 eine Beschwerde ein, mit der sie begehrte, Athen als ihren Herkunftsort festzulegen. Diese Beschwerde wurde durch die Entscheidung der Kommission vom 24. Mai 1988, die der Klägerin mit Schreiben vom 6. Juni 1988 mitgeteilt wurde, zurückgewiesen.

10 Die Klägerin hat daraufhin mit Klageschrift, die am 6. September 1988 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben. Das schriftliche Verfahren ist vollständig vor dem Gerichtshof abgelaufen, der die Rechtssache mit Beschluß vom 15. November 1989 gemäß Artikel 14 des Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften an das Gericht verwiesen hat. Das Gericht hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.

Anträge der Parteien

11 Die Klägerin beantragt,

- die Klage für zulässig zu erklären;

- die Entscheidung der Kommission vom 24. Mai 1988 aufzuheben, mit der die Beschwerde der Klägerin wegen der Festlegung Athens ( Griechenland ) als ihres Herkunftsorts zurückgewiesen wurde;

- festzustellen, daß die Klägerin verlangen kann, daß ab dem Zeitpunkt ihres Dienstantritts bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften Athen als ihr Herkunftsort festgelegt wird;

- der Beklagten alle Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

12 Die Beklagte beantragt,

- die Klage für unbegründet zu erklären,

- über die Kosten nach Rechtslage zu entscheiden.

Zur Zulässigkeit

13 Vorab weist die Kommission darauf hin, daß sich die Klage ausschließlich gegen die Zurückweisung der Beschwerde der Klägerin richtet. Aus dem Klagevorbringen ergebe sich nicht, daß die Klage tatsächlich gegen den Erstbescheid gerichtet sei. Allerdings verkenne die Kommission die Rechtsprechung des Gerichtshofes nicht, wonach die Klage zulässig sei, wenn kein Zweifel an dem "wirklichen Gegenstand des Rechtsstreits" bestehe.

14 Die Klägerin nimmt lediglich zur Kenntnis, daß die Kommission nicht ausdrücklich die Einrede der Unzulässigkeit erhoben habe.

15 Die vorliegende, nach Artikel 90 und 91 des Statuts fristgemäß eingereichte Klage ist, obwohl sie sich formal gegen die Entscheidung der Beklagten richtet, mit der die Beschwerde der Klägerin zurückgewiesen wurde, eindeutig auf die Aufhebung der Ablehnung des Antrags der Klägerin gerichtet, Athen als Herkunftsort festzulegen ( siehe z. B. das Urteil des Gerichtshofes vom 23. Oktober 1986 in der Rechtssache 92/85, Hamai/Gerichtshof, Slg. 1986, 3157 ).

Zur Begründetheit

16 Der Herkunftsort des Beamten wird gemäß Artikel 7 Absatz 3 Unterabsatz 1 des Anhangs VII des Statuts bei seinem Dienstantritt unter Berücksichtigung des Ortes, von dem aus er einberufen worden ist, oder des Mittelpunkts seiner Lebensinteressen festgestellt.

Diese Bestimmung ist durch den Beschluß der Kommission vom 15. Juli 1980 über allgemeine Durchführungsbestimmungen zu Artikel 7 Absatz 3 des Anhangs VII des Statuts, geändert am 22. Dezember 1987 mit Wirkung vom 1. Januar 1988 ( allgemeine Durchführungsbestimmungen ) ausgelegt worden. Artikel 2 Absatz 2 des geänderten Beschlusses bestimmt :

"Bei der Anwendung dieser Bestimmung gelten als :

-...

- Ort des Mittelpunkts der Lebensinteressen der Ort, zu dem der Beamte a ) seine wichtigsten familiären Bindungen hat; das sind - ausser in ordnungsgemäß begründeten Ausnahmefällen nach Wahl des Beamten 1. die Bindung zu seinen Eltern,... oder zu seinen Kindern,... oder 2. der Wohnsitz der Ehegatten, vorausgesetzt, daß es sich dabei tatsächlich um deren gemeinsamen ständigen Wohnsitz handelte, bevor der erste der beiden Ehegatten als Beamter oder Bediensteter auf Zeit seinen Dienst bei einem der Gemeinschaftsorgane antrat, und daß es sich dabei um ein Gebäude handelt, zu dem seitens eines oder beider Ehegatten vermögensrechtliche Bindungen bestehen, b ) eigentumsrechtliche Bindungen zu Immobilien in Form von Gebäuden oder Teilen davon hat."

Die Klägerin macht unter Berufung auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Gerichtshofes vom 2. Mai 1985 in der Rechtssache 144/84 ( De Angelis/Kommission, Slg. 1985, 1301 ) geltend, die Entscheidung vom 24. Mai 1988 beruhe auf einem offensichtlichen Rechtsirrtum. Diesen Klagegrund stützt sie auf zwei Argumente.

17 Zum einen macht die Klägerin geltend, sie habe in Athen eigentumsrechtliche Bindungen im Sinne von Artikel 2 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich Buchstabe b der erwähnten allgemeinen Durchführungsbestimmungen. Die Ehegatten hätten ab April 1986 das Anwesen in Papagou, Athen, renovieren lassen; diese Umbauarbeiten seien durch ein gemeinsam aufgenommenes Darlehen finanziert worden. Als Beweis hat die Klägerin ein Schreiben vorgelegt, mit dem die Bank Crédit européen, Luxemburg, bestätigt, den Eheleuten "im April 1986 ein persönliches Darlehen von 500 000 LFR für die Dauer von 24 Monaten gewährt zu haben, das am 3. April 1986 ausgezahlt und am 28. April 1988 zurückgezahlt wurde ". Nach Auffassung der Klägerin begründet diese durch eine gemeinsame Kreditaufnahme finanzierte Renovierung des Gebäudes "für die eheliche Gemeinschaft ein Forderungsrecht an diesem Anwesen ". Die Klägerin weist weiter darauf hin, daß "sie sowohl nach den griechischen wie auch nach den Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs das Recht hat, einem Verkauf des Grundstücks zu widersprechen und es zu bewohnen und in üblicher Weise zu nutzen ".

18 Weiter macht die Klägerin geltend, sie habe auch familiäre Bindungen an Athen. Athen sei als Herkunftsort ihres Ehemanns festgestellt worden, und die Eheleute hätten vor ihrem jeweiligen Dienstantritt bei der Kommission einvernehmlich ihren ehelichen Wohnsitz an diesem Ort festgelegt. Sie verbrächten alle ihre Ferien dort. Die Klägerin wendet sich gegen das Vorbringen der Beklagten, die Eheleute hätten ihren ständigen Wohnsitz vor dem Dienstantritt von G. Gouvras bei den Gemeinschaften in London gehabt.

19 Die familiären Bindungen der Klägerin an Athen seien enger als ihre Bindungen an London, auf die die Beklagte in ihrer ersten Entscheidung abgestellt habe, zumal ihre Mutter ihren Hauptwohnsitz nicht auf Dauer in London habe, da sie jederzeit im dienstlichen Interesse nach Athen versetzt werden könne.

20 Abschließend trägt die Klägerin vor, sie habe den Nachweis dafür erbracht, daß sie ihren Wohnsitz in Athen begründet habe, dort gemeinsam mit ihrem Ehemann ein Wohnhaus besitze, in Athen geheiratet und bis zum Antritt ihres Dienstes bei der Kommission gelebt habe sowie zu diesem Ort ihre familiären Bindungen und dort den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen habe.

21 Die Kommission weist darauf hin, daß nach dem Urteil vom 2. Mai 1985 in der Rechtssache 144/84 ( De Angelis, a. a. O.) die eigentumsrechtlichen Bindungen, auf die sich die Klägerin berufe, "von dem betreffenden Organ von Fall zu Fall zu prüfen sind ". Nach Ansicht der Kommission war der Sachverhalt in der Rechtssache De Angelis anders gelagert als im vorliegenden Fall. Der Tatsachenvortrag der Klägerin mache nicht hinreichend deutlich, daß Athen am 1. September 1986 der Ort ihrer wichtigsten Interessen gewesen sei und London als Mittelpunkt der Lebensinteressen verdrängt habe. Insbesondere sei nicht erwiesen, daß vor dem jeweiligen Dienstantritt der Eheleute Gouvras bei der Kommission ein gemeinsamer ständiger Wohnsitz in Athen (( nach Artikel 2 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich Buchstabe a Nr. 2 der allgemeinen Durchführungsbestimmungen )) und eigentumsrechtliche Bindungen der Klägerin (( nach Artikel 2 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich Buchstabe b diese Bestimmungen )) bestanden hätten.

22 Was die Bindungen der Klägerin zu London ( oder zu Dublin ) angehe, so besage Artikel 2 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich Buchstabe a der allgemeinen Durchführungsbestimmungen genaugenommen nicht, daß der Wohnsitz des Vaters oder der Mutter als Herkunftsort festgelegt werde, sondern vielmehr, daß die wichtigsten familiären Bindungen des Beamten diejenigen "an seine Eltern" seien. Nach Ansicht der Kommission lässt sich kaum bestreiten, daß die Klägerin familiäre Bindungen an London hat, wo ihre Mutter sich ständig aufhält.

23 Die eigentumsrechtlichen Bindungen, auf die sich die Klägerin berufe, seien blosse Erwartungen für den Fall des Todes ihres Ehegatten oder für den der Ehescheidung. Der Eintritt eines dieser beiden Ereignisse habe die Auflösung der Ehe und damit den Untergang jedes ehelichen Wohnsitzes, des anderen wesentlichen und notwendigen Merkmals des beanspruchten Herkunftsorts, zur Folge.

24 Was die familiären Bindungen angehe, so könne man dem Begriff des ehelichen Wohnsitzes keinen rein deklaratorischen Gehalt geben, der der Kommission jede Möglichkeit nehme, zu überprüfen, ob der beanspruchte der wirkliche Herkunftsort sei. Im vorliegenden Fall habe die Klägerin, als ihr Ehemann den Dienst bei der Kommission angetreten habe, in London gewohnt; es sei nicht erwiesen, daß die Eheleute vor ihrem jeweiligen Dienstantritt als ihren ehelichen Wohnsitz einvernehmlich Athen festgelegt hätten.

25 Die allgemeinen Durchführungsbestimmungen, die zuletzt im Anschluß an das erwähnte Urteil des Gerichtshofes vom 2. Mai 1985 geändert wurden, sind - darauf ist angesichts dieses Parteivorbringens hinzuweisen - nur eine Auslegung und Präzisierung des Artikels 7 Absatz 3 des Anhangs VII zum Statut, der für die Festlegung des Herkunftsorts des Beamten auf den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Beamten abstellt ( Randnr. 16 des erwähnten Urteils vom 2. Mai 1985 ). Diese Bestimmungen können folglich weder die Bedeutung des Begriffs "Mittelpunkt der Lebensinteressen" ändern noch den Gemeinschaftsrichter bei der Auslegung dieses Begriffs binden.

26 Für die Bestimmung des Herkunftsorts des Beamten im Sinne von Artikel 7 Absatz 3 des Anhangs VII des Statuts ist demnach die Feststellung erforderlich, daß der Betroffene zu einem bestimmten Ort eine dauerhafte Beziehung unterhält. Diese Beziehung ist von dem betreffenden Organ von Fall zu Fall zu prüfen ( siehe Randnr. 18 des erwähnten Urteils vom 2. Mai 1985 ).

27 In diesem Zusammenhang definiert Artikel 2 der allgemeinen Durchführungsbestimmungen generell, welche Umstände den Ort bezeichnen können, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Beamten darstellt, nämlich :

a ) die wichtigsten familiären Bindungen,

b ) eigentumsrechtliche Bindungen,

c ) die wesentlichen aktiven und passiven staatsbürgerlichen Interessen.

28 Was die wichtigsten familiären Bindungen angeht, so wäre es, wie der Gerichtshof in der Rechtssache De Angelis festgestellt hat, unverständlich, wenn der Ort ausgenommen oder in seiner Bedeutung unterschätzt würde, an dem der Ehegatte selbst den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hat. Auch was die eigentumsrechtlichen Bindungen anlangt, können andere Bindungen als dingliche Rechte an Grundstücken als Kriterien für die Bestimmung des Mittelpunkts der Lebensinteressen des Beamten dienen.

29 Der "Mittelpunkt der Lebensinteressen" der Klägerin muß demnach auf der Grundlage dieser Kriterien, die im Hinblick auf die besonderen Umstände des Falles auszulegen sind, bestimmt werden.

30 Im vorliegenden Fall ist unstreitig, daß der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Ehemanns der Klägerin, Georgios Gouvras, Athen ist, wo sich ein Gebäude befindet, das ihm zum Teil gehört, das die Eheleute als ihren ehelichen und Familienwohnsitz ansehen und in dem sie ihre Ferien verbringen. Hinzu kommt, daß die Eheleute den Ausbau dieses Gebäudes durch ein gemeinsam aufgenommenes Darlehen finanzierten. Auch hat die Mutter der Klägerin, eine griechische Staatsangehörige, ihren Wohnsitz in Griechenland nach griechischem wie nach englischem Recht beibehalten, obwohl sie aufgrund ihrer Tätigkeit bei der Botschaft Griechenlands in London seit langer Zeit im Vereinigten Königreich lebt.

31 Dagegen ist die einzige Bindung der Klägerin zu Dublin die Tatsache, daß ihr Vater dort lebt. Was London anlangt, so könnte nur der Hauptwohnsitz ihrer Mutter eine dauernde Bindung zu dieser Stadt begründen. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, daß die Klägerin zwar keine staatsbürgerlichen Interessen in Griechenland hat, daß sie aber auch ihr Wahlrecht im Vereinigten Königreich nicht beibehalten hat.

32 Von den einschlägigen Bindungen sprechen daher mehr für die Bestimmung Athens als Mittelpunkt der Lebensinteressen der Klägerin als für diejenige irgendeines anderen Orts.

33 Somit beruht die Entscheidung der Kommission vom 24. Mai 1988 auf einem offensichtlichen Rechtsirrtum, da sie den Begriff des "Mittelpunkts der Lebensinteressen" in Artikel 7 Absatz 3 des Anhangs VII des Statuts verkennt; sie ist daher aufzuheben.

Kostenentscheidung:

Kosten

34 Nach Artikel 69 § 2 Verfahrensordnung des Gerichtshofes, die gemäß Artikel 11 Absatz 3 des erwähnten Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 für das Gericht entsprechend gilt, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT ( Dritte Kammer )

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Entscheidung der Kommission vom 24. Mai 1988 wird aufgehoben.

2 ) Die Kommission trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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