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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 25.05.2005
Aktenzeichen: T-443/03
Rechtsgebiete: VO (EWG) Nr. 4064/89, EG-Vertrag


Vorschriften:

VO (EWG) Nr. 4064/89 Art. 9
EG-Vertrag Art. 10
EG-Vertrag Art. 226
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Beschluss des Gerichts Erster Instanz (Fünfte Kammer) vom 25. Mai 2005. - Sociedad Operadora de Telecomunicaciones de Castilla y León, SA (Retecal) und andere gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Wettbewerb - Unzulässigkeit. - Rechtssache T-443/03.

Parteien:

In der Rechtssache T443/03

Sociedad Operadora de Telecomunicaciones de Castilla y León, SA (Retecal) mit Sitz in Boecillo (Spanien),

Euskaltel, SA mit Sitz in Zamudio-Vizcaya (Spanien),

Telecable de Asturias, SA mit Sitz in Oviedo (Spanien),

R Cable y Telecomunicaciones Galicia, SA mit Sitz in La Coroña (Spanien),

Tenaria, SA mit Sitz in Cordovilla (Spanien),

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt J. Jiménez Laiglesia,

Klägerinnen,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch F. Castillo de la Torre als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

unterstützt durch

Königreich Spanien, vertreten durch L. Fraguas Gadea als Bevollmächtigte,

Sogecable, SA mit Sitz in Tres Cantos, Madrid (Spanien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte S. Martínez Lage und H. Brokelmann,

und

Telefónica, SA mit Sitz in Madrid, Prozessbevollmächtigte: zunächst M. Merola und S. Moreno Sánchez, sodann Rechtsanwalt M. Merola,

Streithelfer,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 21. Oktober 2003 über die Einstellung des Beschwerdeverfahrens der Klägerinnen in Bezug auf einen angeblichen Verstoß der spanischen Behörden gegen Artikel 9 Absatz 8 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (berichtigte Fassung ABl. 1990, L 257, S. 13) im Rahmen des Zusammenschlusses von Vía Digital mit Sogecable (Sache COMP/M.2845 - Sogecable/Canal Satélite Digital/Vía Digital)

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Vilaras sowie der Richter F. Dehousse und D. váby,

Kanzler: H. Jung,

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

1. Die Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 395, S. 1) in der berichtigten (ABl. 1990, L 257, S. 13) und durch die Verordnung (EG) Nr. 1310/97 des Rates vom 30. Juni 1997 (ABl. L 180, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 4064/89) sieht ein System der Kontrolle von Zusammenschlüssen mit gemeinschaftsweiter Bedeutung durch die Kommission vor (Artikel 1 Absätze 2 und 3).

2. Nach Artikel 9 der Verordnung Nr. 4064/89 kann die Kommission die Prüfung eines Zusammenschlusses an die Mitgliedstaaten verweisen. Dieser Artikel bestimmt:

(1) Die Kommission kann einen angemeldeten Zusammenschluss durch Entscheidung unter den folgenden Voraussetzungen an die zuständige Behörde des betreffenden Mitgliedstaats verweisen; sie unterrichtet die beteiligten Unternehmen und die zuständigen Behörden der übrigen Mitgliedstaaten unverzüglich von dieser Entscheidung.

(2) Ein Mitgliedstaat kann der Kommission, die die beteiligten Unternehmen entsprechend unterrichtet, binnen drei Wochen nach Erhalt der Abschrift der Anmeldung mitteilen, dass

a) ein Zusammenschluss eine beherrschende Stellung zu begründen oder zu verstärken droht, durch die wirksamer Wettbewerb auf einem Markt in diesem Mitgliedstaat, der alle Merkmale eines gesonderten Marktes aufweist, erheblich behindert würde, oder

b) ein Zusammenschluss den Wettbewerb auf einem Markt in diesem Mitgliedstaat beeinträchtigt, der alle Merkmale eines gesonderten Marktes aufweist und keinen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes darstellt.

(3) Ist die Kommission der Auffassung, dass unter Berücksichtigung des Marktes der betreffenden Waren oder Dienstleistungen und des räumlichen Referenzmarktes im Sinne des Absatzes 7 ein solcher gesonderter Markt und eine solche Gefahr bestehen,

a) so behandelt sie entweder selbst den Fall, um auf dem betreffenden Markt wirksamen Wettbewerb aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen oder

b) verweist sie die Gesamtheit oder einen Teil des Falls an die zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats, damit die Wettbewerbsvorschriften dieses Mitgliedstaats angewendet werden.

Ist die Kommission dagegen der Auffassung, dass ein solcher gesonderter Markt oder eine solche Gefahr nicht bestehen, so stellt sie dies durch Entscheidung fest, die sie an den betreffenden Mitgliedstaat richtet.

In Fällen, in denen ein Mitgliedstaat der Kommission mitteilt, dass ein Zusammenschluss in seinem Gebiet einen gesonderten Markt beeinträchtigt, der keinen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes darstellt, verweist die Kommission den Teil des Falls, der den gesonderten Markt betrifft, an die zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats, wenn sie der Auffassung ist, dass ein gesonderter Markt betroffen ist.

...

(6) Die Veröffentlichung der Berichte oder die Bekanntmachung der Schlussfolgerungen aus der Untersuchung über den Zusammenschluss durch die zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats erfolgt spätestens vier Monate nach der Verweisung durch die Kommission.

...

(8) In Anwendung dieses Artikels kann der betreffende Mitgliedstaat nur die Maßnahmen ergreifen, die zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung wirksamen Wettbewerbs auf dem betreffenden Markt unbedingt erforderlich sind.

Vorgeschichte des Rechtsstreits

3. Die Kommission erhielt am 3. Juli 2002 gemäß der Verordnung Nr. 4064/89 die Anmeldung eines Zusammenschlusses durch Integration der Distribuidora de Televisión Digital, SA (im Folgenden: Vía Digital) in die Sogecable, SA aufgrund einer Vereinbarung vom 8. Mai 2002 zwischen Sogecable und der Grupo Admira Media, SA, einer von der Telefónica, SA kontrollierten Gesellschaft.

4. Der Zusammenschluss wurde mit Entscheidung der Kommission vom 14. August 2002 an die spanischen Behörden verwiesen, die ihn am 29. November 2002 unter bestimmten Durchführungsbedingungen genehmigten.

5. Die Klägerinnen erhoben gegen die Verweisungsentscheidung Klage, die das Gericht mit Urteil vom 30. September 2002 in den Rechtssachen T346/02 und T347/02 (Cableuropa u. a./Kommission, Slg. 2003, II4251, im Folgenden: Urteil Cableuropa) abgewiesen hat.

6. Am 29. Januar 2003 schlossen Sogecable und Telefónica eine neue Vereinbarung über die Integration von Vía Digital in Sogecable, gegen die die Klägerinnen Beschwerde mit der Begründung einlegten, dass es sich um einen neuen Zusammenschluss handele, der bei der Kommission anzumelden sei. Die Kommission wies diese Beschwerde mit Entscheidung vom 14. März 2003 zurück.

7. Daraufhin erhoben die Klägerinnen gegen die letztgenannte Entscheidung eine weitere Klage (T180/03). Später nahmen die Klägerinnen diese Klage zurück, die durch Beschluss des Gerichts vom 4. Dezember 2003 in der Rechtssache T180/03 (Auna Operadores de Telecomunicaciones u. a./Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) im Register gestrichen wurde.

8. Mit Schreiben vom 22. April 2003 legten die Klägerinnen erneut Beschwerde bei der Kommission ein. Sie forderten die Kommission auf, unverzüglich von den spanischen Behörden eine Abschrift des genauen Plans für die Durchführung der Integrationsvereinbarungen anzufordern, den spanischen Behörden gemäß Artikel 10 EG und Artikel 9 Absatz 8 der Verordnung Nr. 4064/98 eine sofortige Änderung der Bedingungen aufzugeben, die diese für die Durchführung der betreffenden Vereinbarungen festgelegt hatten, um einen wirksamen Wettbewerb auf den relevanten spanischen Märkten zu gewährleisten, und im Weigerungsfall Klage gegen das Königreich Spanien gemäß Artikel 226 EG zu erheben.

9. Mit Standardschreiben vom 8. Mai 2003 teilte die Kommission den Klägerinnen mit, sie habe ihre Beschwerde unter der Nummer 2003/4504 SG (2003) A/4540 eingetragen. Diesem Schreiben war eine Beschreibung des Vertragsverletzungsverfahrens gegen einen Mitgliedstaat beigefügt.

10. Am 11. Juli 2003 übermittelten die Klägerinnen der Kommission erneut ein Schreiben, worin sie betonten, dass sich ihre Beschwerde nicht ausschließlich gegen das Königreich Spanien wegen Verletzung der Verpflichtungen dieses Mitgliedstaats aus Artikel 9 Absatz 8 der Verordnung Nr. 4064/89 richte. Mit ihrer Beschwerde werde die Kommission aufgefordert, nach Maßgabe dieses Artikels zu handeln. Zudem wiesen die Klägerinnen darin auf die Verpflichtung der Kommission hin, die Beschwerde sorgfältig und unparteiisch zu behandeln und gegebenenfalls ihre Entscheidung, nicht tätig zu werden, zu begründen.

11. Die Kommission antwortete mit Schreiben vom 14. Juli 2003 auf die drei Anträge in der Beschwerde vom 22. April 2003. Zum ersten Antrag teilte sie den Klägerinnen mit, dass eine Abschrift des genannten Plans für die Durchführung der Fusionsvereinbarungen in der Tat bei den spanischen Behörden angefordert worden sei. Zum zweiten Antrag erklärte sie, sie müsse weder nach Artikel 10 EG noch nach Artikel 9 Absatz 8 der Verordnung Nr. 4064/89 einem Mitgliedstaat aufgeben, unverzüglich einen Rechtsakt seiner Regierung zu ändern. Sie führte ferner aus, dass die Entscheidung über die Genehmigung des Zusammenschlusses von Sogecable und Vía Digital vier Monate vor der Entscheidung Newscorp/Telepiù (COMP/M.2876) ergangen sei und dass die spanischen Behörden daher kaum dieselben Bedingungen hätten festlegen können, die die Kommission in der letztgenannten Sache gestellt habe. Darüber hinaus beruhten die beiden Entscheidungen auf spezifischen Beurteilungen des jeweiligen Marktes. Hinsichtlich des dritten Antrags schließlich wies die Kommission darauf hin, dass sie nicht zur Einleitung eines Verfahrens nach Artikel 226 EG verpflichtet sei, sondern über ein entsprechendes Ermessen verfüge. Abschließend erklärte die Kommission in ihrem Schreiben, sie wolle die Sache einstellen, und räumte den Antragstellerinnen eine Frist von einem Monat für ihre Stellungnahme ein.

12. Die Klägerinnen antworteten hierauf mit Schreiben vom 25. Juli 2003, in dem sie Punkt für Punkt auf die von der Kommission aufgeworfenen Fragen eingingen. Sie erklärten insbesondere die Folgen der von der spanischen Regierung festgelegten Bedingungen und die Gründe, weshalb diese Bedingungen nicht geeignet seien, einen wirksamen Wettbewerb auf den betreffenden Märkten zu gewährleisten. Sie wiesen erneut darauf hin, dass die Kommission verpflichtet sei, die Beschwerde sorgfältig und unparteiisch zu behandeln, und insbesondere ihre Entscheidung begründen müsse, nicht zu untersuchen, ob ein Verstoß gegen Artikel 9 Absatz 8 der Verordnung Nr. 4064/89 vorliege. Die Klägerinnen forderten die Kommission schließlich auf, binnen zwei Monaten tätig zu werden.

13. Mit Schreiben vom 21. Oktober 2003 teilte die Kommission den Klägerinnen mit, dass sie beschlossen habe, das Beschwerdeverfahren einzustellen. Sie betonte, dass sie nicht verpflichtet sei, ein Verfahren nach Artikel 226 EG einzuleiten, sondern hierbei über ein Ermessen verfüge, das ein Klagerecht Einzelner wegen Tätigkeitsverweigerung der Kommission ausschließe. Sie fügte hinzu, dass die geeignetste Lösung für die Klägerinnen darin bestehe, von den nationalen Rechtsbehelfen Gebrauch zu machen.

Verfahren und Anträge der Parteien

14. Die Klägerinnen haben mit Klageschrift, die am 31. Dezember 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

15. Sie beantragen,

- die Klage für zulässig und begründet zu erklären;

- die Entscheidung der Kommission vom 21. Oktober 2003 für nichtig zu erklären;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

16. Mit besonderem Schriftsatz, der am 15. März 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission eine Einrede der Unzulässigkeit nach Artikel 114 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts erhoben. Sie beantragt,

- die Klage für unzulässig zu erklären;

- den Klägerinnen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

17. Mit besonderen Schriftsätzen, die am 1. April 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben das Königreich Spanien und Sogecable ihre Zulassung als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission beantragt. Der Präsident der Dritten Kammer des Gerichts hat diesen Anträgen durch Beschlüsse vom 15. Juni 2004 und 9. Juli 2004 stattgegeben. Das Königreich Spanien und Sogecable haben ihre Streithilfeschriftsätze jeweils am 4. Oktober 2004 eingereicht.

18. Mit Schriftsatz, der am 13. April 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Telefónica ihre Zulassung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission beantragt. Der Präsident der Dritten Kammer des Gerichts hat diesem Antrag durch Beschluss vom 27. Juli 2004 stattgegeben. Telefónica hat ihren Streithilfeschriftsatz am 15. November 2004 eingereicht.

Zur Zulässigkeit

19. Nach Artikel 114 § 1 seiner Verfahrensordnung kann das Gericht auf Antrag einer Partei vorab über die Unzulässigkeit entscheiden. Nach § 3 dieses Artikels wird mündlich verhandelt, sofern das Gericht nichts anderes bestimmt. Im vorliegenden Fall ist das Gericht in der Lage, aufgrund des Akteninhalts ohne mündliche Verhandlung über den Antrag zu entscheiden.

Vorbringen der Parteien

20. Die Kommission, unterstützt durch die Streithelfer, weist darauf hin, dass das Gericht in seinen Urteilen vom 3. April 2003 in der Rechtssache T119/02 (Royal Philips Electronics/Kommission, Slg. 2003, II1433) und Cableuropa bereits die Situation geprüft habe, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sei. Daraus gehe hervor, dass eine Klage wegen Vertragsverletzung der einzige Rechtsbehelf sei, der der Kommission gegenüber einem Mitgliedstaat zur Verfügung stehe, der gegen Artikel 9 Absatz 8 der Verordnung Nr. 4064/89 verstoße. die Klägerinnen hätten hingegen die Möglichkeit, bei einem nationalen Gericht zu klagen, was sie im Übrigen bereits getan hätten.

21. Nach ständiger Rechtsprechung könnten Einzelne nicht eine Weigerung der Kommission angreifen, gegen einen Mitgliedstaat ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, da die Kommission hierbei über ein entsprechendes Ermessen verfüge.

22. Die Kommission trägt vor, die Auffassung der Klägerinnen, dass ihr bei der Untersuchung von Beschwerden eine allgemeine Sorgfaltspflicht obliege, verkenne diese Rechtsprechung völlig. Die Kommission, unterstützt durch Telefónica und Sogecable, erklärt außerdem, dass die Verfahrensposition der Parteien, die eine Beschwerde bei ihr einlegten, bei einem Verfahren nach Artikel 226 EG eine grundlegend andere sei als bei einem Verfahren nach der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81] und [82] des Vertrages (ABl. 1962, 13, S. 204).

23. Die Kommission trägt vor, dass die Unterscheidung der Klägerinnen zwischen ihrer angeblichen Weigerung, zu prüfen, ob die spanische Regierung gegen die Verordnung Nr. 4064/89 verstoßen habe, und einer Weigerung, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen das Königreich Spanien einzuleiten, jeder rechtlichen Grundlage und Logik entbehre, Rechtlich seien nicht zwei verschiedene Entscheidungen denkbar, nämlich eine Prüfungsverweigerung und andererseits eine Weigerung, ein Verfahren einzuleiten, wenn die Prüfung durchgeführt sei. In beiden Fällen bestehe die einzig mögliche Entscheidung in der Einstellung des Beschwerdeverfahrens.

24. Die Klägerinnen erklären, die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit beruhe auf einer eigennützigen Deformierung der Klage und einer besonderen Auslegung des Artikels 9 Absatz 8 der Verordnung Nr. 4064/89.

25. Die Kommission habe nicht nur versäumt, die Beschwerde der Klägerinnen mit der gebotenen Sorgfalt und Objektivität zu prüfen, sondern auch unmittelbar gegen die Gemeinschaftsinteressen gehandelt, indem sie es zugelassen habe, dass der in Artikel 9 der Verordnung Nr. 4064/89 vorgesehene Verweisungsmechanismus unmittelbar eine Fragmentierung der innerstaatlichen Märkte bewirke, obwohl sie nach dieser Verordnung verpflichtet sei, eine kohärente Anwendung der Wettbewerbsregeln zu gewährleisten.

26. Die Kommission stütze ihre Einrede der Unzulässigkeit auf ein obiter dictum des Gerichts im Urteil Cableuropa. Dieses Urteil habe jedoch nicht die Anwendung des Artikels 9 Absatz 8 der Verordnung Nr. 4064/89 betroffen, und die Kommission könne nicht daraus schließen, dass das Gericht die Auffassung vertreten habe, dass der einzige Rechtsbehelf für die Kommission gegenüber einem Mitgliedstaat, der gegen Artikel 9 Absatz 8 der Verordnung Nr. 4064/89 verstoße, in einer Vertragsverletzungsklage bestehe. Die Kommission könne daher zur Stützung ihrer Einrede der Unzulässigkeit nicht geltend machen, dass dem Antrag der Klägerinnen ein rechtskräftiges Urteil entgegenstehe.

27. Hinsichtlich des Arguments der Kommission, dass die Klage der Klägerinnen beim Tribunal Supremo einen wirksamen Schutz ihrer Rechte ermögliche, weisen die Klägerinnen zum einen auf die Rechtsprechung hin, nach der die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Klage nach Artikel 230 EG keineswegs durch das Vorhandensein nationaler Rechtsbehelfe berührt würden. Sie erklären zum anderen, es sei nicht sicher, dass sie einen Verstoß gegen Artikel 9 Absatz 8 der Verordnung Nr. 4064/89 im nationalen Verfahren erfolgreich geltend machen könnten. Dieses Verfahren beschränke sich nämlich auf eine Bestätigung des Verwaltungsakts der Genehmigung des Zusammenschlusses im Ganzen, ohne dass die von den spanischen Behörden festgelegen Bedingungen im Einzelnen bestätigt oder für nichtig erklärt werden könnten.

28. Zur Verpflichtung der Kommission, den Verstoß der spanischen Behörden gegen Artikel 9 Absatz 8 der Verordnung Nr. 4064/89 mit der gebotenen Sorgfalt und Objektivität zu prüfen, bemerken die Klägerinnen, dass ein Mitgliedstaat zwar ausschließlich zuständig sei, wenn eine Sache an ihn verwiesen werde, so dass er sein nationales Recht anzuwenden habe, dass dies aber nicht bedeute, dass er von der Verpflichtung befreit sei, das Gemeinschaftsrecht zu beachten. Es sei daher Sache der Kommission, diese Verpflichtung nach der Verordnung zu überwachen.

29. Würde die Klage für unzulässig erklärt, so würde dies ihres Erachtens bedeuten, dass ihnen der gerichtliche Rechtsschutz und ihr Recht auf eine sorgfältige und unparteiische Prüfung einer Beschwerde wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln verwehrt würden.

Würdigung durch das Gericht

30. Vorab ist festzustellen, dass die Parteien hinsichtlich des Klagegegenstands eine unterschiedliche Auffassung vertreten. Die Kommission beruft sich auf Artikel 226 EG, während die Klägerinnen die Anwendung des Artikels 9 Absatz 8 der Verordnung Nr. 4064/89 und die Einhaltung der Wettbewerbsregeln sowie die Verpflichtung zur sorgfältigen und unparteiischen Prüfung von Beschwerden ins Feld führen.

31. Die Klägerinnen konzentrieren ihre Klage auf die Weigerung der Kommission, zu prüfen, ob die spanischen Behörden ihren Verpflichtungen nachgekommen sind. Sie stützen sich hierbei auf die Verpflichtung zur sorgfältigen und unparteiischen Prüfung der Beschwerden in Wettbewerbssachen, durch die die Klage zulässig würde, soweit sie sich auf eine Verletzung dieser Verpflichtung durch die Kommission beziehe.

32. Das Vorbringen der Klägerinnen beruht insoweit in erster Linie auf dem Urteil des Gerichts vom 30. Januar 2002 in der Rechtssache T54/99 (max.mobil/Kommission, Slg. 2002, II313). Darin hat das Gericht die Klage für zulässig erklärt, indem es die von der Rechtsprechung im Rahmen der Artikel 81 EG und 82 EG wie auch der Artikel 87 EG und 88 EG bestätigte Verpflichtung zur sorgfältigen und unparteiischen Prüfung auf Artikel 86 EG ausgedehnt hat. Der Gerichtshof hat jedoch mit Urteil vom 22. Februar 2005 in der Rechtssache C141/02 P (Kommission/max.mobil, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) das Urteil des Gerichts auf Rechtsmittel aufgehoben und die Klage von max.mobil gegen die Entscheidung der Kommission abgewiesen.

33. Die von den Klägerinnen herangezogene Rechtsprechung ist daher im vorliegenden Fall irrelevant.

34. Diese Rechtssache betrifft außerdem einen Zusammenschluss und folgt auf die Entscheidung über die Verweisung an die nationalen Behörden.

35. Die Klägerinnen haben gegen diese Verweisungsentscheidung bereits eine Klage erhoben, die das Gericht im Urteil Cableuropa abgewiesen hat. Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel eingelegt worden. Die Verweisung des Vorgangs an die nationalen Behörden ist daher endgültig.

36. In seiner Beurteilung der Zulässigkeit der vorgenannten Klage hat das Gericht in den Randnummern 56 bis 59 dieses Urteils ausgeführt:

56 Im vorliegenden Fall hat die Kommission das Verfahren zur Anwendung der Verordnung Nr. 4064/89, das mit der Anmeldung der Vereinbarung über die Integration von Vía Digital in Sogecable eingeleitet wurde, mit der Verweisung der Prüfung des Zusammenschlusses an die spanischen Wettbewerbsbehörden abgeschlossen. Denn gemäß Artikel 9 Absatz 3 Unterabsatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 4064/89 wenden nach der Verweisung die zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats ihr nationales Wettbewerbsrecht an.

57 Die mit der vorliegenden Klage angefochtene Entscheidung hat somit zur Wirkung, dass der Zusammenschluss der ausschließlichen Kontrolle durch die spanischen Wettbewerbsbehörden unterstellt wird, die auf der Grundlage ihres nationalen Wettbewerbsrechts entscheiden.

58 Es ist festzustellen, dass die angefochtene Entscheidung damit die Rechtsstellung der Klägerinnen berührt...

59 Denn indem die angefochtene Entscheidung mittels der Verweisung auf das nationale Wettbewerbsrecht die Kriterien, nach denen sich die Rechtmäßigkeit des fraglichen Zusammenschlusses beurteilt, sowie das Verfahren und die etwaig anwendbaren Sanktionen bestimmt, ändert sie die Rechtsstellung der Klägerinnen dadurch, dass sie ihnen die Möglichkeit nimmt, die Rechtmäßigkeit des Vorhabens von der Kommission gemäß der Verordnung Nr. 4064/89 prüfen zu lassen...

37. Um die Klage der Klägerinnen für zulässig zu erklären, hat sich das Gericht also darauf gestützt, dass die Beurteilung des Zusammenschlusses an die nationalen Behörden verwiesen wurde, die ihr nationales Recht anwenden, so dass die Kommission daran gehindert war, die Rechtmäßigkeit des Zusammenschlusses unter dem Aspekt der Verordnung Nr. 4064/89 zu prüfen.

38. Darüber hinaus geht klar aus Randnummer 198 des Urteils Cableuropa hervor, dass die Kommission nach der Entscheidung über die Verweisung des Vorgangs an die nationalen Behörden nur noch im Rahmen einer Vertragsverletzungsklage gegen diese Behörden tätig werden kann. Einzelne müssen ihrerseits die nationalen Gerichte anrufen, um eine Entscheidung der nationalen Behörden nach der Verweisung anzufechten.

39. Die Klägerinnen haben tatsächlich die Entscheidung der spanischen Behörden bei den spanischen Gerichten angefochten. Sie können daher nicht geltend machen, dass ihr gerichtlicher Rechtsschutz nicht gewährleistet sei.

40. Nach der Entscheidung über die Verweisung des Vorgangs des Zusammenschlusses an die nationalen Behörden haben diese ihr nationales Recht nach Maßgabe des Gemeinschaftsrechts anzuwenden. Die Klägerinnen tragen zu Recht vor, dass die ausschließliche Zuständigkeit eines Mitgliedstaats nach der Verweisung bewirke, dass dieser sein nationales Recht anwende, was jedoch nicht bedeute, dass er von der Verpflichtung befreit sei, das gemeinschaftliche Wettbewerbsrecht zu beachten. Sie machen ferner zu Recht geltend, dass es Sache der Kommission sei, die Einhaltung dieser Verpflichtung durch die nationalen Behörden zu überwachen.

41. Kommen diese Behörden ihrer Verpflichtung jedoch nicht nach, so ist nach dem System der Verträge in Artikel 226 EG vorgesehen, dass die Kommission den Gerichtshof anrufen kann. Sie ist dazu nicht verpflichtet.

42. Im Übrigen enthält die Verordnung Nr. 4064/89 keine besondere Regelung einer Zuständigkeitsverteilung nach der Verweisungsentscheidung, die vom System der Verträge abweichen würde. Artikel 9 Absatz 8 der Verordnung Nr. 4064/89 schließt zwar, wie die Klägerinnen ausführen, nicht ausdrücklich aus, dass die Kommission dafür zuständig ist, die Einhaltung der Verpflichtungen aus den gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln durch die Mitgliedstaaten zu überwachen. Aber auch wenn dieser Artikel dem betreffenden Mitgliedstaat eine Verpflichtung auferlegt, so sehen doch weder die Verträge noch das abgeleitete Recht einen besonderen Weg für die Kontrolle, die die Kommission auszuüben hat, vor.

43. Die Kommission kann daher, da es sich um einen in die Zuständigkeit des betreffenden Mitgliedstaats fallenden Vorgang handelt, nicht anders als auf dem in den Verträgen eröffneten Weg für die Einhaltung der genannten Verpflichtung sorgen. Hinsichtlich des Zusammenschlusses, über den sie nach der Verweisung an die nationalen Behörden keine unmittelbare Kontrolle mehr ausübt, kann die Kommission nur noch im Rahmen des Artikels 226 EG tätig werden, indem sie gegebenenfalls eine Vertragsverletzungsklage gegen den betreffenden Mitgliedstaat erhebt.

44. Nach ständiger Rechtsprechung (Urteile des Gerichtshofes vom 14. Februar 1989 in der Rechtssache 247/87, Star Fruit/Kommission, Slg. 1989, 291, vom 17. Mai 1990 in der Rechtssache C87/89, Sonito u. a./Kommission, Slg. 1990, I1981, Randnrn. 6 bis 9, und vom 20. Februar 1997 in der Rechtssache C107/95 P, Bundesverband der Bilanzbuchhalter/Kommission, Slg. 1997, I947, Randnr. 19, sowie Beschlüsse des Gerichts vom 29. November 1994 in den verbundenen Rechtssachen T479/93 und T599/93, Bernardi/Kommission, Slg. 1994, II1115, Randnrn. 27 und 28, und vom 23. Januar 1995 in der Rechtssache T84/94. Bilanzbuchhalter/Kommission, Slg. 1995, II101, Randnrn. 23 bis 26, und Urteil des Gerichts vom 9. Januar 1996 in der Rechtssache T575/93, Koelmann/Kommission, Slg. 1996, II1, Randnrn. 71 und 72) ist indessen eine Klage unzulässig, mit der ein Einzelner die Weigerung der Kommission angreift, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen einen Mitgliedstaat einzuleiten. Die Kommission ist nicht gehalten, ein derartiges Verfahren zu eröffnen, sondern verfügt über ein Ermessen, das es ausschließt, dass der Einzelne von ihr verlangen kann, dass sie in einem bestimmten Sinne Stellung nimmt, und dass der Einzelne gegen ihre Weigerung, tätig zu werden, Klage erhebt.

45. Insoweit ist hinzuzufügen, dass die Beschwerde der Klägerinnen ganz klar darauf abzielte, von der Kommission eine Anweisung an die spanischen Behörden zur Änderung bestimmter Bedingungen und gegebenenfalls die Erhebung einer Vertragsverletzungsklage zu erlangen. Die Klägerinnen forderten nämlich die Kommission erstens auf, unverzüglich von den spanischen Wettbewerbsbehörden eine Abschrift des genauen Plans für die Ausführungen der Bedingungen anzufordern, die die spanische Regierung in ihrer Entscheidung vom 29. November 2002 festgelegt hatte, zweitens, den spanischen Behörden eine sofortige Änderung der Bedingungen in der Sache COMP/M.2845 aufzugeben, und drittens, im Fall der Weigerung dieser Behörden ein Verfahren gegen das Königreich Spanien gemäß Artikel 226 EG einzuleiten, um die Einhaltung der Verpflichtungen dieses Mitgliedstaats aus Artikel 9 Absatz 8 der Verordnung Nr. 4064/89 zu gewährleisten.

46. Angesichts aller vorstehenden Erwägungen hat die Kommission also zu Recht in der angefochtenen Entscheidung das Verfahren bezüglich der Beschwerde der Klägerinnen mit der Begründung eingestellt, dass sie nicht verpflichtet sei, ein Verfahren gemäß Artikel 226 EG einzuleiten, sondern in dieser Hinsicht über ein Ermessen verfüge.

47. Folglich ist dem Antrag der Kommission stattzugeben und die Klage für unzulässig zu erklären.

Kosten

48. Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen entsprechend dem Antrag der Kommission deren Kosten aufzuerlegen. Da Sogecable und Telefónica die Verurteilung der Klägerinnen zur Tragung der mit ihrer Streithilfe verbundenen Kosten beantragt haben, sind den Klägerinnen auch die Kosten dieser Streithelferinnen aufzuerlegen.

49. Nach Artikel 87 § 4 Absatz 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Das Königreich Spanien trägt daher seine eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

beschlossen:

1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2. Die Klägerinnen tragen ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Kommission, der Telefónica, SA und der Sogecable, SA.

3. Das Königreich Spanien trägt seine eigenen Kosten.

Luxemburg, den 25. Mai 2005

Ende der Entscheidung

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