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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 23.11.1990
Aktenzeichen: T-45/90 R
Rechtsgebiete: Beamtenstatut, EWG-Vertrag


Vorschriften:

Beamtenstatut Art. 72
Beamtenstatut Art. 90 Abs. 2
EWG-Vertrag Art. 186
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Im Verfahren der einstweiligen Anordnung kann ein bloß finanzieller Schaden grundsätzlich dann nicht als irreparabel oder kaum wiedergutzumachen angesehen werden, wenn ein späterer finanzieller Ausgleich möglich ist.

Gleichwohl obliegt es dem Richter im Verfahren der einstweiligen Anordnung, zu prüfen, ob unter den Umständen des Einzelfalles Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der sofortige Vollzug der Entscheidungen, deren Aussetzung beantragt wird, für den Antragsteller die Gefahr von Schäden mit sich bringen könnte, die auch dann nicht wiedergutgemacht werden könnten, wenn die Entscheidungen im Verfahren zur Hauptsache aufgehoben werden sollten.

Ebenso hat der Richter im Verfahren der einstweiligen Anordnung durch Abwägung der Interessen beider Parteien zu prüfen, ob die einstweilige Anordnung notwendig ist, um einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden für den Antragsteller zu verhindern.


BESCHLUSS DES PRAESIDENTEN DES GERICHTS ERSTER INSTANZ VOM 23. NOVEMBER 1990. - ALICIA SPEYBROUCK GEGEN EUROPAEISCHES PARLAMENT. - BEAMTE - AUSSETZUNG DES VOLLZUGS. - RECHTSSACHE T-45/90 R.

Entscheidungsgründe:

Tatbestand

1 Die Antragstellerin hat mit Klageschrift, die am 16. Oktober 1990 bei der Kanzlei des Gerichts erster Instanz eingegangen ist, Klage erhoben auf Aufhebung der Entscheidung des Jean-Marc Brissaud, Generalsekretär der Fraktion der Europäischen Rechten ( im folgenden : Fraktion ), vom 31. Mai 1990, mit der der Antragstellerin die Kündigung ihres Arbeitsvertrags mit Wirkung vom 30. Juni 1990 mitgeteilt wurde, und der Entscheidung des Jean-Marie Le Pen, Vorsitzender der Fraktion, vom 12. Juli 1990, mit der der Antragstellerin die Kündigung ihres Arbeitsvertrags bestätigt und ihr mitgeteilt wurde, daß die Kündigungsfrist am 11. Oktober 1990 ablaufe.

2 Mit besonderem Schriftsatz, der am gleichen Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Antragstellerin gemäß den Artikeln 186 EWG-Vertrag und 83 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes die Aussetzung des Vollzugs dieser Entscheidungen beantragt.

3 Das Europäische Parlament hat am 26. Oktober 1990 schriftlich Stellung genommen. Die Parteien haben am 12. November 1990 mündlich verhandelt.

4 Vor der Prüfung der Begründetheit des vorliegenden Antrags auf einstweilige Anordnung ist der der Klage zugrunde liegende Sachverhalt kurz wiederzugeben.

5 Die Antragstellerin wurde vom Europäischen Parlament ( im folgenden : Parlament ) als Bedienstete auf Zeit der Besoldungsgruppe A 3 eingestellt und ab 1. Januar 1990 auf unbestimmte Dauer der Fraktion zugewiesen. Der Beschäftigungsvertrag sah eine Probezeit von sechs Monaten und eine für beide Parteien geltende Kündigungsfrist von drei Monaten vor.

6 Der in Artikel 14 Absatz 3 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten ( 1 ) ( im folgenden : Beschäftigungsbedingungen ) vorgesehene Bericht über die Befähigung der Antragstellerin zur Wahrnehmung der mit ihrem Amt verbundenen Aufgaben sowie über ihre dienstlichen Leistungen und ihre dienstliche Führung wurde am 3. Mai 1990 erstellt und am 18. Mai 1990 von Herrn Brissaud unterzeichnet. Er enthielt den Vermerk "Probezeit bestanden" und als Gesamtbemerkung die Formulierungen "gute Fähigkeiten" und "gute Kenntnis der Arbeit des Europäischen Parlaments ".

7 Mit Schreiben vom 31. Mai 1990 teilte Herr Brissaud der Antragstellerin mit, daß "der Vorsitzende unserer Fraktion, Herr Jean-Marie Le Pen, trotz des günstigen Probezeitberichts... beschlossen hat, Sie nach Ablauf der Probezeit, die Sie gerade ableisten, nicht weiterzubeschäftigen... Ihre einmonatige Kündigungsfrist beginnt am 1. Juni 1990."

8 Mit Schreiben vom 6. Juni 1990 legte die Antragstellerin beim Generaldirektor für Personal, Haushalt und Finanzen des Parlaments, G. Van den Berge, gegen die ihr mitgeteilte Entlassungsentscheidung Beschwerde gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften ( im folgenden : Statut ) ein.

9 Mit Schreiben vom 18. und 25. Juni 1990 teilte die Antragstellerin Herrn Van den Berge und Herrn Brissaud mit, daß sie am 18. Juni beim Vertrauensarzt des Parlaments eine ärztliche Bescheinigung eingereicht habe, wonach sie etwa seit dem 15. Mai 1990 schwanger sei. Mit Schreiben vom 26. Juni 1990 teilte Herr Brissaud der Antragstellerin mit, daß der Vorstand der Fraktion die Entscheidung, sie nach Ablauf ihrer Probezeit nicht weiterzubeschäftigen, "aus ihn betreffenden schwerwiegenden Gründen" bestätigt habe.

10 Mit Schreiben vom 12. Juli 1990 bestätigte der Vorsitzende der Fraktion, Herr Le Pen, der Antragstellerin, daß die Fraktion entsprechend den Weisungen, die er dem Generalsekretär erteilt habe, beschlossen habe, den Vertrag zu beenden. In Anbetracht der Streitigkeit, die über den Zeitpunkt entstanden war, zu dem der Vertrag enden sollte, erklärte er überdies, daß die Kündigungsfrist am 11. Oktober 1990 ablaufe.

11 Mit Schreiben vom 24. Juli 1990 legte die Antragstellerin bei Herrn Van den Berge gegen die im Schreiben des Fraktionsvorsitzenden vom 12. Juli 1990 enthaltene Entscheidung eine zweite Beschwerde gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Statuts ein.

12 Die Beschwerde der Antragstellerin vom 6. Juni 1990 wurde stillschweigend zurückgewiesen, da innerhalb von vier Monaten nach ihrer Einreichung keine Antwort erteilt worden war. Da die Frist für die Beantwortung der Beschwerde vom 24. Juli 1990 noch nicht abgelaufen ist, ist das Verfahren zur Hauptsache vor dem Gericht gemäß Artikel 91 Absatz 4 des Statuts bis zu dem Zeitpunkt ausgesetzt, zu dem die Beschwerde ausdrücklich oder stillschweigend zurückgewiesen wird.

Entscheidungsgründe

13 Gemäß Artikel 83 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, die gemäß Artikel 11 Absatz 3 des Beschlusses des Rates zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften für das Verfahren vor dem Gericht entsprechend gilt, hat die Antragstellerin die Umstände anzuführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt, und die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen.

14 Zur Dringlichkeit macht die Antragstellerin geltend, daß sie ledig sei und seit dem 11. Oktober 1990 keinerlei Bezuege mehr erhalte. Diese Situation sei um so kritischer, als sie schwanger sei - also bald nicht nur für die durch ihren Zustand entstehenden Kosten, sondern auch für die Kosten des Unterhalts und der Erziehung ihres Kindes aufkommen müsse - und es ihr wegen ihrer Schwangerschaft unmöglich sei, eine neue Stelle zu finden.

15 Was die Glaubhaftmachung der Notwendigkeit der beantragten Anordnung betrifft, so macht die Antragstellerin erstens geltend, daß die Entlassungsentscheidung vom 31. Mai 1990 allem Anschein nach deswegen rechtswidrig sei, weil sie, abgesehen von der Tatsache, daß sie nicht von der zuständigen Anstellungsbehörde mitgeteilt worden sei, gegen Artikel 14 Absätze 3 und 4 der Beschäftigungsbedingungen verstosse und die dreimonatige Kündigungsfrist, die sich aus dem Vertrag ergebe, nicht einhalte.

16 Zweitens ist die Antragstellerin der Auffassung, daß die Entscheidung vom 12. Juli 1990 gegen die von der Völkergemeinschaft und den Mitgliedstaaten anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze des Arbeitsrechts verstosse, da sie zu einem Zeitpunkt ergangen sei, zu dem die Antragstellerin schwanger gewesen und die Anstellungsbehörde über ihre Schwangerschaft informiert gewesen sei; sie bemerkt schließlich, daß diese zweite Entscheidung, was die Berechnung der Kündigungsfrist betreffe, gegen Artikel 47 Absatz 2 der Beschäftigungsbedingungen verstosse und wegen fehlender Anhörung der Personalvertretung mit einem Verfahrensfehler behaftet sei.

17 Das Parlament beantragt, den Antrag auf einstweilige Anordnung zurückzuweisen. Es macht geltend, daß die Voraussetzung der Dringlichkeit im vorliegenden Fall nicht erfuellt sei, da das Problem der Antragstellerin vor allem finanzieller Art sei. Es vertritt die Auffassung, daß die Antragstellerin, falls sie in der Hauptsache obsiege, rückwirkend wieder in ihre Rechte eingesetzt werde und folglich die während der Dauer des Verfahrens angesammelten Bezuege erhalte. Sie könne also einen Bankkredit beantragen, um ihre Bedürfnisse zu decken, bis eine Entscheidung über die Hauptsache ergangen sei.

18 Das Parlament meint ausserdem, daß die Erfolgsaussichten der Antragstellerin im Verfahren zur Hauptsache als sehr gering angesehen werden müssten, insbesondere in Anbetracht von Artikel 47 der Beschäftigungsbedingungen in Verbindung mit Artikel 58 des Statuts, wonach die im Fall der Entlassung vorgesehene Kündigungsfrist nur während eines Mutterschaftsurlaubs - der sechs Wochen vor dem mutmaßlichen Tag der Niederkunft anfange - nicht beginnen dürfe, und in Anbetracht der Tatsache, daß kein Zusammenhang zwischen der Schwangerschaft der Antragstellerin und den schwerwiegenden politischen Gründen bestehe, die die Fraktion veranlasst hätten, sie zu entlassen.

19 Der Vertreter des Antragsgegners hat in der Sitzung ein Schriftstück mit dem Titel "Kurzer Leitfaden zum Arbeitslosengeld - Bedienstete auf Zeit" vorgelegt. Die Bestimmungen dieses Schriftstücks - das nach seinem eigenen Wortlaut "ausschließlich zur Information dient und die Kommission nicht rechtlich bindet" - würden vom Antragsgegner seit 1989 angewendet. Der Vertreter des Parlaments hat ausserdem darauf hingewiesen, daß die Antragstellerin an dem Tag, an dem sie ihren Antrag auf einstweilige Anordnung beim Gericht eingereicht habe, beim Parlament auch einen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt habe. Ihm sei von den Dienststellen des Parlaments mitgeteilt worden, daß die Akte über die Gewährung des Arbeitslosengeldes fertig bearbeitet sei.

Glaubhaftmachung der Notwendigkeit der Aussetzung des Vollzugs der streitigen Entscheidungen durch die Antragstellerin

20 Zunächst ist zu bemerken, daß hinsichtlich der Entscheidung vom 31. Mai 1990 das Vorbringen der Antragstellerin Gesichtspunkte erkennen lässt, die auf den ersten Blick die Rechtmässigkeit dieser Entscheidung in Frage stellen können. Zur Entscheidung vom 12. Juli 1990 ist festzustellen, daß der Anstellungsbehörde im Zeitpunkt ihres Erlasses die Schwangerschaft der Antragstellerin bekannt war. Die These der Antragstellerin, die sich im wesentlichen auf die allgemeinen Grundsätze stützt, die in den meisten Mitgliedstaaten in bezug auf den Schutz der werdenden Mutter gegen Entlassung während der Schwangerschaft anerkannt seien, hat ernst zu nehmenden Charakter und kann daher nicht als unerheblich angesehen werden.

21 Ohne der Beurteilung der Frage, ob die angefochtenen Entscheidungen rechtmässig sind, in irgendeiner Weise vorzugreifen, ist daher festzustellen, daß das tatsächliche und rechtliche Vorbringen der Antragstellerin nicht als offensichtlich unbegründet angesehen werden kann und somit nicht für sich allein eine Zurückweisung des vorliegenden Antrags auf einstweilige Anordnung zulässt.

22 Folglich ist zu prüfen, ob der Antragstellerin durch die Aufrechterhaltung der streitigen Entscheidungen bis zur Entscheidung des Gerichts über die Hauptsache ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden entstehen kann.

Voraussetzung in bezug auf die Dringlichkeit und das Vorliegen eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens

23 Wie der Gerichtshof mehrfach entschieden hat ( siehe zuletzt Beschluß vom 3. Juli 1984 in der Rechtssache 141/84 R, De Compte/Parlament, Slg. 1984, 2575, Randnr. 4 ), kann ein bloß finanzieller Schaden grundsätzlich dann nicht als irreparabel oder kaum wiedergutzumachen angesehen werden, wenn ein späterer finanzieller Ausgleich möglich ist.

24 Gleichwohl obliegt es dem Richter im Verfahren der einstweiligen Anordnung, zu prüfen, ob unter den Umständen des Einzelfalles Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der sofortige Vollzug der Entscheidungen, deren Aussetzung beantragt wird, für den Antragsteller die Gefahr von Schäden mit sich bringen könnte, die auch dann nicht wiedergutgemacht werden könnten, wenn die Entscheidungen im Verfahren zur Hauptsache aufgehoben werden sollten.

25 Artikel 28a der Beschäftigungsbedingungen legt die Voraussetzungen fest, unter denen der ehemalige Bedienstete auf Zeit, der nach dem Ausscheiden aus dem Dienst eines Organs der Gemeinschaften arbeitslos ist, während eines Zeitraums von höchstens 24 Monaten vom Tag seines Ausscheidens aus dem Dienst an ein monatliches Arbeitslosengeld erhält. Gemäß Absatz 3 dieses Artikels wird das Arbeitslosengeld während eines Anfangszeitraums von zwölf Monaten auf 60 %, vom 13. bis zum 18. Monat auf 45 % und vom 19. bis zum 24. Monat auf 30 % des Grundgehalts festgesetzt, wobei jedoch die auf diese Weise bestimmten Beträge nicht weniger als 30 000 BFR und nicht mehr als 60 000 BFR betragen dürfen.

26 Nach Artikel 28a Absatz 5 der Beschäftigungsbedingungen hat der ehemalige Bedienstete auf Zeit, der Arbeitslosengeld bezieht, überdies Anspruch auf die in Artikel 67 des Statuts vorgesehenen Familienzulagen und unter den Voraussetzungen des Artikels 72 des Statuts Anspruch auf die Sicherung im Krankheitsfall, ohne beitragspflichtig zu sein.

27 Daraus ergibt sich, daß die Antragstellerin vom Zeitpunkt ihrer Entlassung an für einen Anfangszeitraum von zwölf Monaten ein monatliches Arbeitslosengeld von 60 000 BFR sowie die Sicherung im Krankheitsfall gemäß Artikel 72 des Statuts und von der Geburt ihres Kindes an die Haushaltszulage sowie die Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder gemäß Artikel 1 Absatz 1 und Artikel 2 Absatz 1 des Anhangs VII des Statuts verlangen kann.

28 Obwohl ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Gehalt, das einem Dienstposten der Besoldungsgruppe A 3 entspricht, und dem Betrag des Arbeitslosengeldes, das die Antragstellerin erhalten kann, besteht, lässt sich aus dieser Überlegung allein nicht auf das Vorliegen eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens der Antragstellerin schließen. Bis zu einer Entscheidung über die Hauptsache ermöglichen es nämlich das Arbeitslosengeld und die Sicherung im Krankheitsfall - ebenso wie die Haushaltszulage und die Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder von der Geburt des Kindes an - der Antragstellerin, für ihre Kosten und insbesondere auch für die, die durch ihren Zustand und die bevorstehende Geburt ihres Kindes entstehen, aufzukommen.

29 Unter diesen Umständen wäre der sofortige Vollzug der Entscheidungen, auf die sich der Aussetzungsantrag bezieht, nicht geeignet, irreversible Schäden mit sich zu bringen, die auch dann nicht wiedergutgemacht werden könnten, wenn diese Entscheidungen aufgehoben werden sollten.

30 Anders verhielte es sich im Hinblick auf den Zustand der Antragstellerin, wenn diese nicht sofort die verschiedenen Leistungen, die ihr zustehen, erhalten könnte. In einer derartigen Situation könnte der Mangel an Unterhaltsmitteln im vorliegenden Fall für die Antragstellerin selbst dann die Gefahr eines schweren und kaum wiedergutzumachenden Schadens darstellen und somit die Aussetzung des Vollzugs der streitigen Entscheidungen rechtfertigen, wenn das Gericht später dem Begehren der Antragstellerin in der Hauptsache stattgeben und sie demgemäß wieder in ihre Rechte einsetzen würde.

31 Obwohl die Antragstellerin Zahlung des Arbeitslosengeldes verlangen kann und der Vertreter des Parlaments in der Sitzung erklärt hat, daß die entsprechende Akte, was die Dienststellen des Organs anbelangt, fertig bearbeitet sei, kann das Gericht anhand der Umstände, die ihm mitgeteilt worden sind, nicht mit Sicherheit feststellen, ob alle in der Verordnung ( EGKS, EWG, Euratom ) Nr. 91/88 ( 2 ) festgelegten Voraussetzungen dafür, daß die Antragstellerin das Arbeitslosengeld erhält, bereits erfuellt sind.

32 Artikel 28a Absatz 2 der Beschäftigungsbedingungen und die Verordnung Nr. 91/88 sehen nämlich neben anderen Formalitäten, die der ehemalige Bedienstete auf Zeit zu erfuellen hat, die Erlangung einer Bescheinigung der zuständigen Arbeitsverwaltung seines Wohnorts über die Eintragung des Betreffenden als Arbeitsuchender und die Unterwerfung unter die Verpflichtungen und Kontrollen aufgrund der Rechtsvorschriften vor, die die zuständigen Stellen seines Wohnorts anwenden. Wie sich ausserdem insbesondere aus Artikel 28a Absatz 6 ergibt, hat die Kommission und nicht das Organ, dem der ehemalige Bedienstete angehörte, die Beträge des Arbeitslosengeldes und der Familienzulagen nach vollständiger Prüfung der Akte zu zahlen.

33 Es darf nicht übersehen werden, daß die Erfuellung derartiger Formalitäten die Ursache erheblicher Verzögerungen bei der Zahlung des Arbeitslosengeldes sein kann.

34 Gemäß Artikel 186 EWG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 4 des erwähnten Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 kann das Gericht in den bei ihm anhängigen Sachen die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen.

35 In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist festzustellen, daß, solange der Antragstellerin das in Artikel 28a der Beschäftigungsbedingungen vorgesehene Arbeitslosengeld von der Kommission nicht tatsächlich ausgezahlt wird, die Voraussetzungen für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung erfuellt bleiben.

36 Es wäre jedoch unverhältnismässig, den Vollzug der streitigen Entscheidungen auszusetzen und folglich dem Parlament aufzugeben, die Antragstellerin wieder in ihre Rechte einzusetzen, bis eine Entscheidung im Verfahren zur Hauptsache ergangen ist. Das Gericht muß nämlich eine Abwägung der jeweiligen Interessen der Parteien vornehmen, zum einen daran, daß ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden für die Antragstellerin verhindert wird, und zum anderen daran, daß der Fraktion nicht in einer Situation, in der eines der wesentlichen Merkmale jedes Vertrags zwischen einer Fraktion und ihren Bediensteten, das gegenseitige Vertrauen, fehlt, die Aufrechterhaltung eines Arbeitsverhältnisses aufgezwungen wird.

37 Im vorliegenden Fall lässt sich die Gefahr eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens dadurch verhindern, daß dem Parlament aufgegeben wird, der Antragstellerin ihr Gehalt in Höhe des Arbeitslosengeldes gemäß Artikel 28a der Beschäftigungsbedingungen - zuzueglich der Haushaltszulage und der Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder von der Geburt des Kindes an - weiterzuzahlen und ihr die beitragsfreie Sicherung im Krankheitsfall unter den Voraussetzungen des Artikels 72 des Statuts zu gewährleisten, bis ihr das genannte Arbeitslosengeld von der Kommission tatsächlich ausgezahlt wird.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

im Verfahren der einstweiligen Anordnung

beschlossen :

1 ) Der Antrag auf einstweilige Anordnung der Aussetzung des Vollzugs der Entscheidungen vom 31. Mai 1990 und 12. Juli 1990, soweit diese Entscheidungen den Arbeitsvertrag zwischen der Fraktion der Europäischen Rechten und der Antragstellerin beenden, wird zurückgewiesen.

2 ) Vom Zeitpunkt der Beendigung des Vertrags bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Kommission der Antragstellerin das in Artikel 28a der Beschäftigungsbedingungen vorgesehene Arbeitslosengeld tatsächlich auszahlt, zahlt das Parlament der Antragstellerin einen Betrag in Höhe dieses monatlichen Arbeitslosengeldes zuzueglich der Familienzulagen gemäß Artikel 28a Absatz 5 der Beschäftigungsbedingungen von der Geburt des Kindes an und gewährleistet der Antragstellerin die beitragsfreie Sicherung im Krankheitsfall unter den Voraussetzungen des Artikels 72 des Statuts.

3 ) Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 23. November 1990.

Ende der Entscheidung

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