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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 20.06.1990
Aktenzeichen: T-47/89
Rechtsgebiete: Beamtenstatut


Vorschriften:

Beamtenstatut Art. 90 Abs. 2
Beamtenstatut Art. 25
Beamtenstatut Art. 45
Beamtenstatut Art. 91
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Jeder Klage gegen eine beschwerende Maßnahme der Anstellungsbehörde muß unbedingt eine Verwaltungsbeschwerde vorausgehen, die ausdrücklich oder stillschweigend zurückgewiesen worden ist. Eine vor Abschluß dieses Vorverfahrens eingereichte Klage ist verfrüht und daher nach Artikel 91 Absatz 2 des Statuts unzulässig.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (FUENFTE KAMMER) VOM 20. JUNI 1990. - ANTONIO MARCATO GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - BEAMTE - BEFOERDERUNG - VERZEICHNIS DER VERDIENSTVOLLSTEN BEAMTEN - VERFRUEHTE KLAGE. - VERBUNDENE RECHTSSACHEN T-47/89 UND T-82/89.

Entscheidungsgründe:

Der den Klagen zugrundeliegende Sachverhalt

1 Der Kläger, geboren am 25. März 1928, trat am 12. November 1958 in den Dienst der Kommission ein. Nach seiner Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit der Besoldungsgruppe D 2 mit Wirkung vom 1. Januar 1962 und mehreren Beförderungen wurde er 1975 in die Besoldungsgruppe B 4 eingestuft und der Abteilung XIX B 2 "Rechnungsführung, Mittelbewirtschaftung und Finanzinformation" der Kommission zugewiesen.

2 Seine Beurteilung für den Zeitraum vom 1. Juli 1985 bis 30. Juni 1987, die vom stellvertretenden Abteilungsleiter, Herrn Lemoine, erstellt war, wurde ihm erst am 13. April 1988 mitgeteilt. Der Kläger beanstandete bestimmte Teile dieser Beurteilung; das Beurteilungsverfahren befindet sich im Stadium der Berufung.

3 Das dem Rechtsstreit zugrundeliegende Beförderungsverfahren lief gemäß den von der Kommission 1970 erlassenen und 1971 abgeänderten Allgemeinen Durchführungsbestimmungen zum Verfahren für Beförderungen innerhalb der Laufbahn ( nachstehend "Allgemeine Bestimmungen ") in mehreren Abschnitten ab.

4 Der erste Abschnitt dieses Verfahrens umfasst die Veröffentlichung des Verzeichnisses der beförderungsfähigen Beamten, die die erforderliche Dienstaltersvoraussetzung erfuellen. Der Kläger, der seit dem 1. Oktober 1980 der Besoldungsgruppe B 3 angehörte und also die in Artikel 45 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften ( nachstehend "Statut ") vorgeschriebene Mindestdienstzeit von zwei Jahren erreicht hatte, war in dem Verzeichnis der im Haushaltsjahr 1988 für eine Beförderung nach Besoldungsgruppe B 2 in Betracht kommenden Beamten genannt, das am 15. Februar 1988 veröffentlicht wurde.

5 Im nächsten Abschnitt erstellen die Generaldirektionen der Kommission das Verzeichnis der Beamten, die sie für eine Beförderung vorschlagen. Im vorliegenden Fall enthielt dieses Verzeichnis, das am 16. März 1988 veröffentlicht wurde, die Namen von vier Beamten der GD XIX. Der Kläger befand sich nicht unter diesen für eine Beförderung vorgeschlagenen Beamten.

6 Nachdem der Kläger erfahren hatte, daß die Direktion, zu der sein Dienst gehörte, nicht seine Beförderung vorgeschlagen hatte, sandte er am 9. Juni 1988 ein Schreiben an Herrn Valsesia, den Vorsitzenden des Beförderungsausschusses B, in dem er um eine Überprüfung seiner Angelegenheit bat. Dieses Schreiben blieb anscheinend unbeantwortet. Mit Schreiben vom 30. Juni 1988 wandte sich der Kläger an Herrn Morel, den Generaldirektor der GD XIX, und bat ihn, ihm die genauen Gründe zu nennen, aus denen die GD ihn nicht für eine Beförderung vorgeschlagen habe. Durch Vermerk vom 3. August 1988 antwortete Herr Morel dem Kläger, daß sein Fall zweimal in Betracht gezogen worden sei : das erste Mal bei der Festlegung der Vorschläge durch die Direktion C und das zweite Mal bei Ausarbeitung des endgültigen Verzeichnisses für die GD XIX. Diesem Vermerk zufolge war die Auswahl nach Abwägung der berücksichtigten Kriterien getroffen worden.

7 Inzwischen hatte der Beförderungsausschuß für die Laufbahngruppe B am 15. und 16. Juni 1988 zwei Sitzungen abgehalten, in denen die Beförderungen nach Besoldungsgruppen B 2 und B 4 geprüft werden sollten. Was den Kläger betrifft, so ist im Protokoll der Sitzungen festgehalten, daß "der Ausschuß... die detaillierten Ausführungen des Vertreters der GD XIX in bezug auf das Verhalten des Herrn Mercato ( sic ) zur Kenntnis (( nimmt )). Er stellt fest, daß diese Stellungnahme auf der in früheren Haushaltsjahren von anderen Vertretern der GD XIX eingeschlagenen Linie liegt und sie somit bestätigt erscheint. Da der Ausschuß jedoch bemerkt hat, daß zwischen den Beurteilungen des Herrn Mercato eine gewisse Diskrepanz besteht, ist er der Auffassung, daß die Stellung des Betroffenen innerhalb der Rangordnung klar definiert werden sollte" ( S. 4 des Protokolls, Anlage 2 zur Klagebeantwortung ). Der Beförderungsausschuß erstellte die Entwürfe für die Verzeichnisse der aufgrund ihrer Verdienste in Betracht kommenden Beamten, ohne den Namen des Klägers aufzunehmen.

8 Auf der Grundlage dieser Verzeichnisentwürfe stellten der Generaldirektor für Personal und Verwaltung der Kommission und der Direktor des Amtes für Veröffentlichungen in ihrer Eigenschaft als Anstellungsbehörde am 11. Juli 1988 das Verzeichnis der im Haushaltsjahr 1988 aufgrund ihrer Verdienste für eine Beförderung nach Besoldungsgruppe B 2 in Betracht kommenden Beamten fest. Das Verzeichnis, im dem der Name des Klägers nicht genannt war, wurde in den Verwaltungsmitteilungen der Kommission vom 29. Juli 1988 veröffentlicht. Es enthielt die Namen von zwei der vier von der GD XIX vorgeschlagenen Beamten.

9 Am 23. September 1988 reichte der Kläger bei der Kommission eine Beschwerde gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Statuts ein. Unter Berufung auf die fehlende Beurteilung für den Zeitraum vom 1. Juli 1985 bis 30. Juni 1987 sowie darauf, daß der am 3. August 1988 an ihn gerichtete Vermerk des Herrn Morel bezeichnend sei für die Weigerung der Kommission, ihm ausführlich die Gründe für die Entscheidung mitzuteilen, ihn nicht in das Verzeichnis der von der GD vorgeschlagenen Beamten aufzunehmen, machte der Kläger geltend, daß die Kommission die Vorschriften der Artikel 25 Absatz 2 ( Begründung jeder beschwerenden Verfügung ) und 45 Absatz 1 ( Erfordernis einer Abwägung der Verdienste ) des Statuts nicht beachtet habe. Dementsprechend beantragte er "die Aufhebung des am 29. Juli 1988 veröffentlichten Verzeichnisses der aufgrund ihrer Verdienste in Betracht kommenden Beamten und eine völlig neue Durchführung der Beförderungsverfahren für das Jahr 1988 ".

10 Da der Kläger jedoch befürchtete, daß seine Beschwerde unzulässig sei, und er annahm, daß er sich im Wege der Analogie auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes zu Prüfungsausschüssen für Auswahlverfahren ( Urteile vom 14. Juni 1972 in der Rechtssache 44/71 und vom 15. März 1973 in der Rechtssache 37/72, Marcato/Kommission, Slg. 1972, 427, und Slg. 1973, 361 ) berufen könne, hat er - ohne eine Entscheidung über seine Beschwerde abzuwarten - unmittelbar Klage erhoben, die am 28. Oktober 1988 in das Register der Kanzlei des Gerichtshofes eingetragen worden ist ( Rechtssache T-47/89 ).

11 Das Verzeichnis der nach Besoldungsgruppe B 2 beförderten Beamten wurde am 31. Oktober 1988 veröffentlicht. Es führte nicht den Namen des Klägers auf und enthielt nur einen einzigen Beamten der GD XIX.

12 Da sich die Kommission am 6. April 1989 auf seine Beschwerde noch nicht geäussert hatte, hat der Kläger eine zweite Klage mit Datum von diesem Tag eingereicht, die am 10. April 1989 in das Register der Kanzlei des Gerichtshofes eingetragen worden ist ( Rechtssache T-82/89 ). In der Klageschrift hat er ausgeführt, daß er die erste Klage nicht zurücknehme, sondern daß er die zweite Klage eingereicht habe, um seine Rechte in vollem Umfang zu wahren, da er vom Vorliegen einer stillschweigenden Zurückweisung ausgehe.

13 Am 7. April 1989 traf die Kommission eine ausdrückliche Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde des Klägers, die diesem am 25. April 1989 mitgeteilt wurde. Die Kommission stellte fest, daß die fragliche Beurteilung dem Kläger am 13. April 1988 bekanntgemacht worden sei, und vertrat die Ansicht, daß das Vorbringen des Klägers nicht geeignet sei, einen Verstoß gegen die Artikel 25 und 45 des Statuts darzutun.

Der Verfahrensablauf

14 Die erste Klage des Herrn Marcato ist auf die Aufhebung des Verzeichnisses der im Haushaltsjahr 1988 aufgrund ihrer Verdienste für eine Beförderung nach Besoldungsgruppe B 2 in Betracht kommenden Beamten gerichtet. "Soweit erforderlich", richtet sich die Klage auch gegen das Schreiben des Herrn Morel vom 3. August 1988, in dem dieser es abgelehnt habe, die Gründe für die Nichtaufnahme des Klägers in dieses Verzeichnis klar darzulegen. Der Kläger stützt seine Klage auf zwei Gründe, nämlich auf einen Verstoß gegen Artikel 25 Absatz 2 des Statuts ( unzureichende Begründung ) und auf einen Verstoß gegen Artikel 45 Absatz 1 des Statuts ( Fehlerhaftigkeit der Abwägung der Verdienste wegen Fehlens seiner letzten Beurteilung ).

15 Die Kommission hat gegenüber dieser Klage eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben. Sie trägt vor, es sei unter Verstoß gegen Artikel 91 Absatz 2 des Statuts eine unmittelbare Klage erhoben worden, die im vorliegenden Fall nicht zulässig sei, was der Kläger in Abrede stellt.

16 Durch Entscheidung vom 24. Februar 1989 hat der Gerichtshof ( Vierte Kammer ) die Entscheidung über die Einrede der Unzulässigkeit dem Endurteil vorbehalten. Das schriftliche Verfahren ist sodann vor dem Gerichtshof ordnungsgemäß abgelaufen.

17 Die zweite Klage ist ebenfalls auf die Aufhebung des Verzeichnisses der im Haushaltsjahr 1988 aufgrund ihrer Verdienste für eine Beförderung nach Besoldungsgruppe B 2 in Betracht kommenden Beamten gerichtet. "Soweit erforderlich", richtet sie sich auch gegen das Schreiben des Herrn Morel vom 3. August 1988. Diese zweite Klage ist auf die gleichen Gründe gestützt wie die erste, das heisst auf einen Verstoß gegen die Artikel 25 Absatz 2 und 45 Absatz 1 des Statuts.

18 Die Kommission hat vor dem Gerichtshof gemäß Artikel 91 der Verfahrensordnung eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben, ohne eine Klagebeantwortung zur Sache einzureichen. Der Kläger hat Erklärungen abgegeben, die auf Zurückweisung dieser Einrede gerichtet sind.

19 Durch Beschluß vom 15. November 1989 hat der Gerichtshof die beiden Rechtssachen gemäß Artikel 14 des Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften an das Gericht verwiesen. Durch zwei Beschlüsse vom 6. Dezember 1989 hat das Gericht ( Fünfte Kammer ) die beiden Rechtssachen zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung und Entscheidung verbunden und zwei von der Beklagten eingereichte Schriftstücke von der Verhandlung ausgenommen.

20 Das Gericht hat nach Anhörung des Berichterstatters beschlossen, dem Antrag der Kommission auf Vorabentscheidung über die Einrede der Unzulässigkeit stattzugeben. Es hat die Kommission um Beantwortung zweier Fragen gebeten. Der Kläger, vertreten durch Rechtsanwalt Vandersanden, Brüssel, und das beklagte Organ haben in der Sitzung vom 29. März 1990 mündlich verhandelt. Auf die vom Gericht gestellten Fragen hin hat der Vertreter der Kommission in der Sitzung den Wortlaut der abgeänderten Entscheidung der Kommission vom 21. Dezember 1970 über den Erlaß der genannten Allgemeinen Bestimmungen vorgelegt. Aus diesen Bestimmungen geht hervor, daß in dem betreffenden Haushaltsjahr nur die Beamten ( innerhalb der Laufbahn ) befördert werden können, die in den Verzeichnissen der aufgrund ihrer Verdienste für eine Beförderung in Betracht kommenden Beamten aufgeführt sind. Der Vertreter der Kommission hat bestätigt, daß diese Regel bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt - was die Beamten der Laufbahngruppen B, C und D betrifft - ohne jede Ausnahme von der Kommission eingehalten worden sei.

21 Da in den vorliegenden Rechtssachen kein Generalanwalt benannt worden ist, hat der Präsident am Ende der Sitzung die mündliche Verhandlung über die Einrede der Unzulässigkeit für geschlossen erklärt.

22 In der Rechtssache T-47/89 beantragt der Kläger,

a ) die Klage für zulässig und begründet zu erklären;

b ) das Verzeichnis der im Haushaltsjahr 1988 aufgrund ihrer Verdienste für eine Beförderung nach Besoldungsgruppe B 2 ( einschließlich BS und BT ) in Betracht kommenden Beamten, veröffentlicht in den Verwaltungsmitteilungen Nr. 565 vom 29. Juli 1988 ( S. 9 ff.), wegen Verstosses gegen die Artikel 25 ( insbesondere Absatz 2 ) und 45 Absatz 1 des Beamtenstatuts aufzuheben;

c ) der Beklagten die gesamten Kosten aufzuerlegen.

Die Kommission beantragt,

a ) von Amts wegen das gegenüber der Klage geltend gemachte Fehlen einer unverzichtbaren Prozeßvoraussetzung zu prüfen;

b ) die Klage von vornherein für unzulässig zu erklären;

c ) hilfsweise, die Klage als unbegründet abzuweisen;

d ) über die Kosten nach Rechtslage zu entscheiden.

In der Rechtssache T-82/89 wiederholt der Kläger die in der Rechtssache T-47/89 gestellten Anträge in vollem Umfang.

Die Kommission beantragt,

a ) die Klage als unzulässig abzuweisen;

b ) über die Kosten nach Rechtslage zu entscheiden.

In bezug auf die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit beantragt der Kläger,

a ) die von der Beklagten erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen und die Fortsetzung des Verfahrens zur Sache zu beschließen;

b ) der Beklagten die gesamten Kosten aufzuerlegen.

Zur Zulässigkeit der unter Nr. T-47/89 eingetragenen Klage

23 Das beklagte Organ hat die gemäß Artikel 91 der Verfahrensordnung erhobene Einrede der Unzulässigkeit zunächst darauf gestützt, daß nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes eine Klage ohne vorherige Beschwerde nur dann zulässig sei, wenn sie auf die Aufhebung der Entscheidung eines Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren oder auf die Aufhebung einer Beurteilung gerichtet sei. Selbst wenn diese Rechtsprechung des Gerichtshofes auf den Gegenstand des anhängigen Rechtsstreits ausgedehnt werden könne, so hätte der Kläger nach Auffassung der Kommission, da er im vorliegenden Fall eine vorherige Beschwerde eingereicht habe, doch die von der Anstellungsbehörde auf diese Beschwerde getroffene Entscheidung abwarten müssen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes sei eine Klage, die zu einem Zeitpunkt erhoben werde, zu dem über die Beschwerde noch nicht entschieden worden sei, auf jeden Fall verfrüht und demzufolge unzulässig.

24 In ihrer Klagebeantwortung hat die Kommission einen zweiten Unzulässigkeitsgrund angeführt. Sie stützt sich auf das zwischenzeitlich erlassene Urteil des Gerichtshofes vom 14. Februar 1989 in der Rechtssache 346/87 ( Bossi/Kommission, Slg. 1989, 303 ), in dem entschieden worden sei, daß das Verzeichnis der aufgrund ihrer Verdienste in Betracht kommenden Beamten nur eine vorbereitende Maßnahme sei, deren Rechtmässigkeit nur im Rahmen einer Klage gegen die das Beförderungsverfahren abschließende Entscheidung angefochten werden könne. Nach Auffassung der Kommission fehlt eine unverzichtbare Prozeßvoraussetzung, was zur Anwendung von Artikel 92 der Verfahrensordnung berechtige. Da der Kläger keine Beschwerde gegen das Verzeichnis der nach Besoldungsgruppe B 2 beförderten Beamten eingereicht habe und dieses ihm gegenüber daher bestandskräftig geworden sei, halte die Kommission die vorliegende Klage für unzulässig. Eine solche Beschwerde hätte es dem Kläger gestattet, seine Ansprüche und Interessen rechtzeitig zu wahren. Die Kommission ist der Ansicht, daß die im Urteil Bossi entwickelten Grundsätze auf die Klage des Klägers entsprechend anzuwenden seien, unabhängig davon, daß diese einige Monate früher erhoben worden sei. Denn auch wenn dieses Urteil eine Änderung der Rechtsprechung darstellen sollte, so habe doch der für die Sachentscheidung zuständige Richter immer die jüngste Rechtsprechung zu berücksichtigen. Ausserdem wäre es zumindest widersprüchlich, wenn eine solche Änderung auf den Kläger Bossi habe angewandt werden können, dies aber beim Kläger Marcato nicht möglich sei.

25 Zu dem Umstand, daß das fragliche Verzeichnis hinsichtlich der Beförderungen während des Haushaltsjahres für die Anstellungsbehörde verbindlich sei, stellt die Kommission fest, daß nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes selbst vorbereitende Maßnahmen, die für die Verwaltungsbehörde verbindlich seien, wie die Stellungnahme eines Überleitungsausschusses oder eines Invaliditätsausschusses, nicht selbständig vor den Gerichtshof gebracht werden könnten.

26 Unter Bezugnahme auf das Urteil Bossi stellt die Kommission in ihrer Gegenerwiderung die Frage nach dem Interesse, das der Kläger daran haben könne, die Aufhebung des Verzeichnisses der aufgrund ihrer Verdienste in Betracht kommenden Beamten zu verlangen, obgleich er nicht fristgerecht das Verzeichnis der beförderten Beamten angefochten habe, das daher ihm gegenüber bestandskräftig geworden sei.

27 Der Kläger macht geltend, daß seine unmittelbare Klage zulässig sei, da die Arbeiten eines Beförderungsausschusses mit denen eines Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren vergleichbar seien. Deshalb sei eine vorherige Beschwerde nicht erforderlich.

28 Was die Konsequenzen des Urteils Bossi betrifft, so führt der Kläger aus, daß die Kommission bei Erhebung der Einrede der Unzulässigkeit alle Argumente erschöpft habe, die sie in dieser Hinsicht geltend machen könne. In dieser Einrede habe sie jedoch nicht angeführt, daß das Verzeichnis den Charakter einer vorbereitenden Maßnahme habe. Im Vergleich zu dem Urteil vom 12. Oktober 1978 in der Rechtssache 86/77 ( Ditterich/Kommission, Slg. 1978, 1855 ), in dem der Gerichtshof nach der Auslegung des Klägers die Zulässigkeit einer Klage gegen ein Verzeichnis von Beförderungsvorschlägen bejaht hat, stelle das Urteil Bossi eine Änderung der Rechtsprechung dar. Der Kläger meint, man müsse sich fragen, ob es der Beklagten unter solchen Umständen möglich sei, sich auf die Grundsätze des Urteils Bossi als zwingendes Argument zu berufen. Nach seiner Auffassung müsste diese Unzulässigkeit durch Verweisung auf die im Zeitpunkt der Erhebung der Klage geltenden Zulässigkeitsregeln geheilt sein.

29 Das Verzeichnis der aufgrund ihrer Verdienste in Betracht kommenden Beamten, das für die Anstellungsbehörde verbindlich sei, ist nach Auffassung des Klägers nur im Hinblick auf die Beamten als vorbereitende Maßnahme zu betrachten, die darin genannt seien, ohne später befördert zu werden. Für die nicht in dem Verzeichnis genannten Beamten würden die im Urteil Bossi entwickelten Grundsätze dagegen eine Beeinträchtigung ihrer Rechte und Interessen bedeuten. Wären diese Grundsätze auf sie anwendbar, müssten sie nämlich die Veröffentlichung des Verzeichnisses der Beförderten abwarten, um ihre Rechte zunächst bei der Verwaltung und sodann vor Gericht geltend machen zu können. Dadurch würden die Möglichkeiten, eine "Korrektur" zu ihren Gunsten zu erreichen, verringert.

30 Angesichts dieser tatsächlichen und rechtlichen Umstände ist zunächst die Maßnahme der Kommission zu bestimmen, gegen die die Klage gerichtet ist. Der Kläger hat erklärt, daß die Klage sich, "soweit erforderlich, auch" gegen das Schreiben des Herrn Morel richte. Dieses Schreiben bezieht sich jedoch nur auf die von der GD XIX aufgestellten Beförderungsvorschläge, die der Kläger nicht angefochten hat. Er hat nur die Aufhebung eines späteren Verzeichnisses beantragt, das in dem fraglichen Schreiben nicht Erörterungsgegenstand war. Demzufolge ist festzustellen, daß das Schreiben des Herrn Morel keine Maßnahme ist, gegen die sich die Klage richtet. Es handelt sich nur um einen tatsächlichen Umstand, auf den sich der Kläger für einen seiner Klagegründe, nämlich den Verstoß gegen Artikel 25 Absatz 2 des Statuts, beruft. Die Klage ist daher nur gegen das Verzeichnis der Beamten gerichtet, die im Haushaltsjahr 1988 aufgrund ihrer Verdienste für eine Beförderung nach Besoldungsgruppe B 2 in Betracht kommen.

31 Zu dem Argument des Klägers, daß eine vorherige Beschwerde nicht erforderlich gewesen sei, da die Arbeiten eines Beförderungsausschusses mit denen eines Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren vergleichbar seien, ist festzustellen, daß das streitige Verzeichnis nicht vom Beförderungsausschuß, sondern von der Anstellungsbehörde selbst erstellt worden ist. Nach dem Wortlaut ihrer Entscheidung vom 11. Juli 1988 hat die Anstellungsbehörde den vom Beförderungsausschuß erstellten Verzeichnisentwurf sowie den Bericht dieses Ausschusses und die voraussichtlich verfügbaren Haushaltsmittel geprüft, bevor sie das streitige Verzeichnis feststellte ( siehe Anlage 3 zur Klagebeantwortung ). Es handelt sich also um eine Maßnahme der Anstellungsbehörde selbst. Folglich ist dieses Verzeichnis nicht mit der Entscheidung eines Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren vergleichbar.

32 Falls das streitige Verzeichnis, wie der Kläger vorträgt, eine ihn beschwerende Maßnahme darstellt, war er gemäß den Artikeln 90 und 91 des Statuts gehalten, sich mit einer Beschwerde gegen das Verzeichnis an die Anstellungsbehörde zu wenden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes muß nämlich jeder Klage gegen eine beschwerende Maßnahme der Anstellungsbehörde unbedingt eine Verwaltungsbeschwerde vorausgehen, die ausdrücklich oder stillschweigend zurückgewiesen worden ist. Eine vor Abschluß dieses Vorverfahrens eingereichte Klage ist verfrüht und daher nach Artikel 91 Absatz 2 des Statuts unzulässig ( siehe zum Beispiel den Beschluß vom 23. September 1986 in der Rechtssache 130/86, Du Besset/Rat, Slg. 1986, 2619, 2621 ).

33 Im vorliegenden Fall hat der Kläger zwar eine Beschwerde bei der Kommission eingereicht. Er hat jedoch Klage erhoben, ohne, wie in Artikel 91 Absatz 2 des Statuts vorgesehen, die ausdrückliche oder stillschweigende Zurückweisung dieser Beschwerde abzuwarten. Die Verwaltung hatte also vor der Klageerhebung ihre Überprüfung der beanstandeten Maßnahme noch nicht abgeschlossen. Daher ist festzustellen, daß, falls das streitige Verzeichnis eine beschwerende Maßnahme darstellt, die Klage unzulässig ist.

34 Sollte dagegen, wie die Kommission vorträgt, das Verzeichnis keine Maßnahme sein, die die nicht darin aufgeführten beförderungsfähigen Beamten beschwert, so ist die Klage schon aus dem Grund, weil keine beschwerende Maßnahme vorliegt, ebenfalls unzulässig.

35 Unter diesen Umständen ist, ohne daß über die anderen von der Kommission vorgebrachten Unzulässigkeitsgründe entschieden werden oder geprüft werden müsste, ob das angefochtene Verzeichnis eine beschwerende Maßnahme darstellt, festzustellen, daß die Klage auf jeden Fall unzulässig ist.

Zur Zulässigkeit der unter Nr. T-82/89 eingetragenen Klage

36 In dieser Rechtssache hat die Kommission ebenfalls eine Einrede der Unzulässigkeit gemäß Artikel 91 der Verfahrensordnung erhoben. Unter Berufung auf das Urteil Bossi, das nach ihrer Auffassung auf der Linie einer ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes ( Urteil vom 7. April 1965 in der Rechtssache 11/64, Weighardt/Kommission der EGKS, Slg. 1965, 386; Beschluß vom 24. Mai 1988 in den Rechtssachen 78/87 und 220/87, Santarelli/Kommission, Slg. 1988, 2699, 2703 ) liegt, wiederholt die Kommission die Argumente, die sie in der Rechtssache T-47/89 vorgebracht hat, und beantragt, die Klage wegen Fehlens einer unverzichtbaren Prozeßvoraussetzung abzuweisen. Da der Kläger keine Beschwerde zum Zweck der Aufhebung des Verzeichnisses der nach Besoldungsgruppe B 2 beförderten Beamten eingereicht habe, sei dieses Verzeichnis heute gegen jede gerichtliche Anfechtung seinerseits geschützt.

37 Der Kläger macht geltend, er habe - in dieser Rechtssache - das vorprozessuale Beschwerdeverfahren vollständig eingehalten. Er wiederholt seine Auffassung, daß das Verzeichnis der aufgrund ihrer Verdienste in Betracht kommenden Beamten eine beschwerende Maßnahme sei. Er führt ausserdem aus, die Kommission habe die Argumente für eine Unzulässigkeit in der von ihr in der Rechtssache T-47/89 erhobenen Unzulässigkeitseinrede bereits erschöpft. Nach seiner Ansicht stellt das Urteil Bossi eine Änderung der Rechtsprechung dar, die nicht das Fehlen einer unverzichtbaren Prozeßvoraussetzung zur Folge haben könne. Schließlich würde die Anwendung der Grundsätze des Urteils Bossi auf die Beförderungsverfahren die Möglichkeiten einer "Korrektur" zugunsten der Beamten, die nicht im Verzeichnis der aufgrund ihrer Verdienste in Betracht kommenden Beamten genannt seien, spürbar verringern.

38 Da vor Erhebung dieser Klage ein vollständiges Vorverfahren stattgefunden hat, ist die Entscheidung über die vom beklagten Organ erhobene Einrede der Unzulässigkeit dem Endurteil vorzubehalten.

Kostenentscheidung:

Zu den Kosten der unter Nr. T-47/89 eingetragenen Rechtssache

39 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, die gemäß Artikel 11 Absatz 3 des erwähnten Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 für das Gericht entsprechend gilt, ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 70 der Verfahrensordnung tragen jedoch die Organe in Rechtsstreitigkeiten mit Bediensteten der Gemeinschaften ihre Kosten selbst.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT ( Fünfte Kammer )

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Klage in der Rechtssache T-47/89 wird als unzulässig abgewiesen.

2 ) In dieser Rechtssache trägt jede Partei ihre eigenen Kosten.

3)In der Rechtssache T-82/89 wird die Entscheidung über die von der Beklagten erhobene Einrede der Unzulässigkeit dem Endurteil vorbehalten.

Ende der Entscheidung

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