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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 26.09.1990
Aktenzeichen: T-48/89
Rechtsgebiete: Beamtenstatut


Vorschriften:

Beamtenstatut Art. 2 Anhang VII
Beamtenstatut Art. 90 Abs. 2
Beamtenstatut Art. 8 Anhang VII
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Ein Beschluß, den das Kollegium der Verwaltungschefs, in dem "die Verwaltungen der Organe... einander regelmässig (( konsultieren ))", wie dies Artikel 110 Absatz 3 des Statuts vorsieht, zum Zweck einer einheitlichen Verwaltungspraxis bei der Auslegung einer Statutsbestimmung erlässt, bewirkt keine Bindung der Anstellungsbehörde, wenn diese in Anwendung dieser Statutsbestimmung Einzelakte erlässt.

2. Ein Beamter, der Anspruch auf Haushaltszulage hat, erhält die Pauschalvergütung der Kosten der Reise vom Dienstort zum Herkunftsort für unterhaltspflichtigen Kindern gleichgestellte Personen, sofern diese während des grössten Teils des Jahres am Dienstort des Beamten oder in einem Umkreis wohnen, der sich nach den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten und nach den Verkehrsmitteln richtet.

Diese dem Wortlaut von Artikel 8 Absatz 1 des Anhangs VII des Statuts entsprechende Auslegung wird durch den Zweck dieser Bestimmung bestätigt, die dem Beamten und den ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Personen ermöglichen will, sich wenigstens einmal pro Jahr an den Herkunftsort des Beamten zu begeben, um dort die familiären, sozialen und kulturellen Bindungen zu pflegen. Es stellt nämlich einen allgemeinen Grundsatz des Rechts des europäischen öffentlichen Dienstes dar, daß der Beamte die Möglichkeit hat, seine persönlichen Beziehungen zu dem Mittelpunkt seiner Lebensinteressen aufrechtzuerhalten.

Das Statut will damit die Reise aller Mitglieder der Familie im weiteren Sinne erleichtern, die ihren Herkunftsort wegen des Dienstantritts des Beamten verlassen mussten. So gesehen stellt die Erstattung der Reisekosten keine Familienzulage dar, deren Zweck es wäre, den Betroffenen von den Kosten, die durch unterhaltsberechtigten Kindern gleichgestellte Personen entstanden sind, zu entlasten, sondern eine Zahlung, die dazu bestimmt ist, die Kosten zu decken, die ihm anläßlich der Ausübung seines Amtes entstanden sind; dies wird durch den Regelungsort des Artikels 8 in Anhang VII Abschnitt 3 bestätigt, der sich auf die Einzelheiten der Anwendung des im Artikel 71 des Statuts aufgestellten Grundsatzes bezieht.

3. Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz gehört zwar zu den wesentlichen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts, er gilt jedoch nach ständiger Rechtsprechung nur für Personen, die sich in gleicher oder ähnlicher Lage befinden.

Die Verwaltung verstösst nicht gegen diesen Grundsatz, wenn sie bei Personen, die unterhaltsberechtigten Kindern gleichgestellt sind, die Pauschalvergütung der Reisekosten von der Voraussetzung abhängig macht, daß diese am Dienstort des Beamten wohnen, obwohl dies bei unterhaltsberechtigten Kindern nicht verlangt wird. Die Kinder des Beamten, die zur Familie im engeren Sinn gehören und für die eine Vermutung des Zusammenlebens besteht, befinden sich nämlich nicht in der gleichen Lage wie die einem unterhaltsberechtigten Kind gleichgestellten Personen, die nur zur Familie im weiteren Sinne gehören.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (DRITTE KAMMER) VOM 26. SEPTEMBER 1990. - FERNANDO BELTRANTE UND ANDERE GEGEN RAT DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - BEAMTE - REISEKOSTEN FUER UNTERHALTSBERECHTIGTEN KINDERN GLEICHGESTELLTE PERSONEN - VORAUSSETZUNGEN DER ERSTATTUNG. - RECHTSSACHE T-48/89.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Die vierzehn Kläger, Beamte des Rates, beziehen Zulagen, die im Statut der Beamten der Europäischen Gemeinschaften ( im folgenden : Statut ) für die Personen vorgesehen sind, die gemäß Artikel 2 Absatz 4 des Anhangs VII des Statuts ( im folgenden : Anhang ) unterhaltsberechtigten Kindern gleichgestellt sind. Nach den zu den Akten gegebenen Schriftstücken erstattete der Rat bis 1987 nach Artikel 8 des Anhangs für diese Personen die Kosten für die Reise vom Dienstort der klagenden Beamten zu ihrem Herkunftsort, auch wenn diese Personen nicht am Dienstort wohnten.

2 Mit Schreiben vom 6. Mai 1988 informierte die Verwaltung des Generalsekretariats des Rates die betroffenen Beamten, die Anstellungsbehörde habe entschieden, einen Beschluß des Kollegiums der Verwaltungschefs in die Praxis umzusetzen, wonach die Pauschalvergütung der Reisekosten für unterhaltsberechtigten Kindern gleichgestellte Personen nicht mehr gezahlt werde, es sei denn, diese Personen wohnten am Dienstort des Beamten oder im Umkreis von 50 km vom Dienstort.

3 In dem Schreiben wurde überdies ausgeführt, daß diese Entscheidung ab dem 1. Januar 1988 gelte und daß die Verwaltung für den Ehegatten und die Kinder die Vergütung der Reisekosten weiterhin zahlen werde.

4 Jeder der Kläger legte gegen die in Form dieses Schreibens mitgeteilte Entscheidung, mit der ihnen die in Artikel 8 Absatz 1 des Anhangs vorgesehene Erstattung der Reisekosten für ihnen gegenüber als unterhaltsberechtigt anerkannte Personen verweigert wird, Beschwerde gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Statuts ein.

5 In diesen Beschwerden, die zwischen dem 24. Mai und dem 13. Juli 1988 eingingen, machten die Kläger geltend, daß ein Beamter dann, wenn er die Haushaltszulage erhalte, auch Anspruch auf Erstattung dieser Kosten für seinen Ehegatten und für alle diejenigen Personen habe, die im Sinne von Artikel 2 des Anhangs ihm gegenüber unterhaltsberechtigt seien, unabhängig davon, ob sie am Dienstort des Beamten wohnten oder nicht.

6 Diese Beschwerden wurden jeweils durch Entscheidungen des Generalsekretärs des Rates mit Datum vom 27. Juli 1988 zurückgewiesen. In diesen Entscheidungen, die als Standardschreiben abgefasst waren, erklärte die Anstellungsbehörde, daß sowohl der Wortlaut des Artikels 8 des Anhangs als auch der durch diesen Artikel hergestellte Zusammenhang zwischen dem Anspruch auf die Haushaltszulage und der Vergütung der Reisekosten für unterhaltsberechtigten Kindern gleichgestellte Personen eine enge Auslegung der fraglichen Bestimmungen rechtfertigten.

Verfahren und Anträge der Parteien

7 In dieser Situation haben die Kläger mit Klageschrift, die am 28. Oktober 1988 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, Klage erhoben auf Aufhebung der Entscheidung, mit der die Erstattung der Reisekosten für unterhaltsberechtigten Kindern gleichgestellte Personen verweigert wird, die nicht an ihrem Dienstort wohnen.

8 Mit Beschluß vom 15. November 1989 hat der Gerichtshof die Rechtssache gemäß Artikel 14 des Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften an das Gericht verwiesen.

9 Mit Beschluß vom 8. Dezember 1989 hat das Gericht ( Dritte Kammer ) den Europäischen Beamtenbund ( EBB ) als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kläger zugelassen.

10 Das Gericht hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Die Vertreter der Parteien haben in der Sitzung vom 3. Juli 1990 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

11 Die Kläger beantragen,

- die Klage für zulässig und begründet zu erklären;

- folgende Entscheidungen aufzuheben :

a ) die Entscheidung des Beklagten, mit der den Klägern die jährliche Erstattung der Reisekosten für Personen verweigert wird, die durch vorherige Entscheidung der Anstellungsbehörde unterhaltsberechtigten Kindern gleichgestellt worden sind,

b ) die mit Schreiben vom 6. Mai 1988 mitgeteilte Entscheidung des Beklagten, mit der die Auslegung des Artikels 8 des Anhangs VII des Statuts dahin geändert wird, daß sie die Erstattung der Reisekosten für unterhaltsberechtigten Kindern gleichgestellte Personen ausschließt, es sei denn, diese Personen wohnen am Dienstort der Beamten oder im Umkreis von 50 km vom Dienstort,

c ) soweit erforderlich, die jedem der Kläger durch ein Standardschreiben vom 27. Juli 1988 mitgeteilte ausdrückliche Entscheidung über die Zurückweisung seiner jeweiligen Verwaltungsbeschwerde;

- dem Beklagten gemäß Artikel 69 § 2 oder gemäß Artikel 69 § 3 Absatz 2 der Verfahrensordnung die Kosten des Verfahrens sowie gemäß Artikel 73 Buchstabe b der Verfahrensordnung die Aufwendungen aufzuerlegen, die für das Verfahren notwendig waren, insbesondere die Kosten der Inanspruchnahme eines Zustellungsbevollmächtigten, die Reise - und Aufenthaltskosten sowie das Anwaltshonorar.

12 Der Beklagte beantragt,

- die vorliegende Klage als unbegründet abzuweisen;

- den Klägern die Kosten insoweit aufzuerlegen, als diese nicht gemäß den Artikeln 70 und 95 Absatz 3 der Verfahrensordnung vom Beklagten zu tragen sind.

Zur Begründetheit

13 Die Kläger machen für ihre Klage zwei Klagegründe geltend, von denen der eine auf einen Verstoß gegen Artikel 8 des Anhangs und der andere auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung der Beamten gestützt wird.

14 Der Streithelfer, der sich der Argumentation der Kläger zum Verstoß gegen Artikel 8 des Anhangs in vollem Umfang anschließt, macht darüber hinaus geltend, daß die angefochtene Handlung in Wirklichkeit eine Entscheidung im Sinne des Artikels 110 Absatz 1 des Statuts darstelle und daß diese Entscheidung von der Verwaltung als Maßnahme zur Durchführung einer davor ergangenen Entscheidung des Kollegiums der Verwaltungschefs getroffen worden sei. Diese Entscheidung sei rechtswidrig, da sie von einer unzuständigen Stelle erlassen worden sei, da die wesentlichen Verfahrensvorschriften des Artikels 110 Absatz 1 des Statuts nicht eingehalten worden seien, da sie jeglicher Begründung entbehre, da sie nicht ausreichend öffentlich bekanntgemacht worden sei und da sie, insgesamt gesehen, einen Verfahrensmißbrauch darstelle.

15 Das beklagte Organ hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, daß die angefochtene Handlung weder eine Änderung des Statuts noch den Erlaß einer allgemeinen Bestimmung zu seiner Durchführung darstelle, sondern daß sie den Standpunkt der Anstellungsbehörde in bezug auf die Anwendung des Artikels 8 Absatz 1 des Anhangs ab Januar 1988 erläutere. Der Generalsekretär des Rates habe der Verwaltung diesen Standpunkt mündlich mitgeteilt. Letztere habe darüber mit Schreiben vom 6. Mai 1988 nur die betroffenen Beamten informiert, die eine oder mehrere unterhaltsberechtigten Kindern gleichgestellte Personen hätten, die nicht am Dienstort des Beamten wohnten. Der Generalsekretär habe, indem er die Praxis des Rates dem Beschluß des Kollegiums der Verwaltungschefs angeglichen habe, in eigener Verantwortung gehandelt und nicht in Durchführung des Beschlusses dieses Kollegiums.

16 Hierzu ist erstens festzustellen, daß die Argumentation der als Streithelferin auftretenden Gewerkschaftsorganisation auf der falschen Annahme beruht, die angefochtene Entscheidung sei gemäß Artikel 110 Absatz 1 des Statuts erlassen worden, der den Erlaß der allgemeinen Durchführungsbestimmungen zum Statut durch jedes Organ betrifft. In Wirklichkeit handelt es sich um eine Reihe von Einzelfallentscheidungen, mit denen die Erstattung der Reisekosten für das Jahr 1988 verweigert wird und die den betroffenen Beamten mit Schreiben der Verwaltung des Generalsekretariats des Rates vom 6. Mai 1988 mitgeteilt wurden. Die Anstellungsbehörde hat diese Einzelfallentscheidungen bestätigt, indem sie die von den Klägern einzeln eingereichten Beschwerden zurückgewiesen hat.

17 Zweitens ist festzustellen, daß der von den angefochtenen Entscheidungen berücksichtigte Beschluß 185/88 von den Vertretern der Verwaltungen der Organe im Rahmen eines von ihnen selbst so bezeichneten "Kollegiums" formuliert worden ist, in dem "die Verwaltungen der Organe... einander regelmässig (( konsultieren ))", wie dies Artikel 110 Absatz 3 des Statuts vorsieht. Dieser Beschluß, der im Interesse einer einheitlichen Verwaltungspraxis bei der Auslegung des Artikels 8 Absatz 1 des Anhangs erlassen worden ist, hat keine Bindung der zuständigen Stelle beim Erlaß der angefochtenen Einzelakte bewirkt. Die Anstellungsbehörde hat nämlich in Ausübung der ihr in Artikel 8 Absatz 1 des Anhangs übertragenen Befugnis gehandelt; das gegenteilige Vorbringen der Streithelferin lässt sich nicht auf die blosse Tatsache stützen, daß in dem Schreiben vom 6. Mai 1988 der Satz enthalten ist "die Anstellungsbehörde hat entschieden, für den Rat einen Beschluß des Kollegiums der Verwaltungschefs in die Praxis umzusetzen...".

Zum ersten Klagegrund

18 Die Kläger führen an, daß Artikel 8 des Anhangs zugunsten eines Beamten die Pauschalvergütung der Reisekosten seines Ehegatten, seiner Kinder und der Personen, die ihm gegenüber unterhaltsberechtigt sind, nur von der Voraussetzung abhängig mache, daß der betroffene Beamte Anspruch auf die Haushaltszulage habe. Die Auffassung, einer einem unterhaltsberechtigten Kind gleichgestellten Person stuenden nicht genau die gleichen Rechte zu wie dem Ehegatten oder den Kindern, lasse sich nicht auf eine Statutsbestimmung stützen. Der Beamte, dessen Dienstort und Herkunftsort in Europa lägen, habe - je nach Entfernung ein - oder zweimal pro Kalenderjahr - Anspruch auf Pauschalvergütung der Reisekosten zwischen dem Dienstort und dem Herkunftsort für sich und gegebenenfalls für seinen Ehegatten und alle ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Personen im Sinne von Artikel 2 des Anhangs. Die Kläger leiten daraus ab, daß die unterhaltsberechtigten Personen nicht am Dienstort des Beamten wohnen müssten, damit dieser die Pauschalvergütung der Reisekosten erhalte.

19 Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, prüfen die Kläger zunächst die Artikel 1, 2, 7 Absatz 1 und 8 Absätze 1 und 4 des Anhangs in ihrer Gesamtheit, wobei sie jeden im Licht der anderen auslegen, und weisen sodann die von der Anstellungsbehörde vertretene wörtliche Auslegung des Artikels 8 zurück. Folge man dieser Auslegung, so müssten alle sich daraus notwendigerweise ergebenden Konsequenzen gezogen werden, auch wenn sie sich als sinnlos oder mit dem Zweck dieses Artikels unvereinbar herausstellten. Zu den Artikeln 7 Absatz 1 und 8 Absatz 1 des Anhangs stellen die Kläger fest, daß nach der erstgenannten Bestimmung der Ehegatte und die unterhaltsberechtigten Personen tatsächlich mit dem Beamten in häuslicher Gemeinschaft leben müssten, während nach der zweiten nur der Anspruch auf die Haushaltszulage vorausgesetzt werde, ohne daß ein Zusammenleben gefordert werde. Überdies sei es von Bedeutung, daß Artikel 8 Absatz 4 Unterabsatz 2, der die Reisekosten der Beamten betreffe, deren Herkunftsort und/oder Dienstort ausserhalb von Europa lägen, ausdrücklich vorsehe, daß nur der Ehegatte und die unterhaltsberechtigten Kinder für den Fall, daß sie ihren Wohnsitz nicht am Dienstort des Beamten hätten, Anspruch auf die Erstattung dieser Kosten hätten, so daß die einem unterhaltsberechtigten Kind gleichgestellten Personen ausgeschlossen würden. Hätten die Verfasser des Statuts diese Gruppe von Begünstigten auch von der Erstattung der Reisekosten "in Europa" ausschließen wollen, so hätten sie nicht versäumt, dies ausdrücklich zu erwähnen.

20 Das beklagte Organ betont im ersten Teil seiner Ausführungen, daß der Anspruch des Beamten auf die Haushaltszulage, wie er sich aus den Bestimmungen des Anhangs ergebe, von einer der drei folgenden Voraussetzungen abhänge : a ) Er müsse verheiratet sein; b ) er müsse ein oder mehrere unterhaltsberechtigte Kinder haben; c ) er müsse tatsächlich die Lasten eines Familienvorstands gegenüber anderen Personen als dem Ehegatten und den unterhaltsberechtigten Kindern tragen. Der Rat beruft sich auf die Urteile des Gerichtshofes vom 19. Januar 1984 in der Rechtssache 65/83 ( Erdini/Rat, Slg. 1984, 211 ) und vom 23. März 1988 in der Rechtssache 248/87 ( Mouriki/Kommission, Slg. 1988, 1721 ) und macht geltend, daß einem Beamten ein Anspruch auf Haushaltszulage für andere unterhaltsberechtigte Familienmitglieder als seinen Ehegatten und seine Kinder nur dann zugestanden werden könne, wenn diese Personen mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebten. Somit unterscheide das Statut zwischen dem Anspruch, der dem Beamten für seinen Ehegatten und seine Kinder eröffnet werde, für die eine unwiderlegliche Vermutung des Zusammenlebens bestehe, und dem für andere unterhaltsberechtigte Personen eröffneten Anspruch. Ausserdem sehe Artikel 2 des Anhangs zwei Gruppen von unterhaltsberechtigten Personen vor, nämlich die Kinder und die unterhaltsberechtigten Kindern gleichgestellten Personen. Der Beamte müsse nachweisen, daß er gegenüber einer solchen Person gesetzliche Unterhaltsverpflichtungen habe. Dagegen sei ein solcher Nachweis für unterhaltsberechtigte Kinder nicht erforderlich.

21 Artikel 8 Absatz 1 des Anhangs ist nach Auffassung des Rates dahin gehend auszulegen, daß die Pauschalvergütung der Reisekosten

- für Ehegatten oder unterhaltsberechtigte Kinder auf der Grundlage der Vermutung des Zusammenlebens der Familie am Dienstort des Beamten,

- für unterhaltsberechtigten Kindern gleichgestellte Personen unter der Voraussetzung, daß diese Personen am Dienstort oder in dessen Nähe wohnten,

bezahlt werden müsse.

Dem beklagten Organ zufolge ist diese Auslegung durch folgende Gründe gerechtfertigt : Erstens beziehe sich die fragliche Bestimmung ihrem Wortlaut nach auf eine Reise vom Dienstort des Beamten zum Herkunftsort und nicht umgekehrt. Zweitens bestehe der Zweck der Reisekostenerstattung darin, dem Beamten die finanziellen Mittel zu geben, sich ein - oder zweimal pro Jahr an seinen Herkunftsort zu begeben, damit er seine familiären, sozialen und kulturellen Bindungen aufrechterhalten könne. Um die Gefahr auszuschließen, daß der Beamte diese Reise nicht unternehme, wenn er nicht von seinen Familienmitgliedern begleitet werde, erstrecke sich diese Erstattung auch auf deren Kosten. Drittens gebiete die genannte Entwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofes zum Anspruch auf die Haushaltszulage, die einer engen Auslegung zuneige, beim Anspruch auf Erstattung der Reisekosten wegen des engen Zusammenhangs zwischen diesen beiden Ansprüchen eine entsprechende Auslegung.

22 Vor der Prüfung der Begründetheit der von den Parteien angeführten Argumentation ist auf den Wortlaut der im vorliegenden Rechtsstreit in Frage stehenden Bestimmungen hinzuweisen. Nach Artikel 67 Absatz 1 des Statuts umfassen die Familienzulagen : a ) die Haushaltszulage; b ) die Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder; c ) die Erziehungszulage. Darüber hinaus sieht Artikel 71 des Statuts vor, daß der Beamte nach den in Anhang VII festgelegten Regelungen Anspruch auf Erstattung der Kosten hat, die ihm in Ausübung oder anläßlich der Ausübung seines Amtes entstanden sind. Entsprechend diesen Bestimmungen legt der Anhang in Abschnitt 1 ( Artikel 1 bis 3 ) die Voraussetzungen für die Gewährung der Familienzulagen und die Einzelheiten für die Zahlung und in Abschnitt 3 Buchstabe C ( Artikel 7 und 8 ) die Voraussetzungen für die Erstattung der Reisekosten fest.

23 Auf die Haushaltszulage haben nach Artikel 1 Absatz 2 des Anhangs Anspruch : "a ) der verheiratete Beamte; b ) der verwitwete, geschiedene, rechtswirksam getrennt lebende oder ledige Beamte, der ein oder mehrere unterhaltsberechtigte Kinder im Sinne des Artikels 2 Absätze 2 und 3 hat; c ) aufgrund einer besonderen, mit Gründen versehenen und auf beweiskräftige Unterlagen gestützten Verfügung der Anstellungsbehörde : der Beamte, der die Voraussetzungen nach den Buchstaben a und b zwar nicht erfuellt, jedoch tatsächlich die Lasten eines Familienvorstands zu tragen hat ". Für die Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder ist in Artikel 2 Absatz 2 des genannten Anhangs vorgesehen : "Als unterhaltsberechtigtes Kind gilt das eheliche, das uneheliche oder das an Kindes Statt angenommene Kind des Beamten oder seines Ehegatten, wenn es von dem Beamten tatsächlich unterhalten wird." Nach Artikel 2 Absatz 4 kann "dem unterhaltsberechtigten Kind... ausnahmsweise durch besondere mit Gründen versehene und auf beweiskräftige Unterlagen gestützte Verfügung der Anstellungsbehörde jede Person gleichgestellt werden, der gegenüber der Beamte gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet ist und deren Unterhalt ihn mit erheblichen Ausgaben belastet ".

24 Zu den Reisekosten ist in Artikel 7 Absatz 1 des Anhangs vorgesehen, daß der Beamte für sich, seinen Ehegatten und die unterhaltsberechtigten Personen, die tatsächlich mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben, in folgenden Fällen Anspruch auf Erstattung der Reisekosten hat : bei seinem Dienstantritt, bei seinem endgültigen Ausscheiden aus dem Dienst und bei jeder Versetzung. Schließlich hat nach Artikel 8 Absatz 1 des Anhangs "der Beamte... für sich und, soweit er Anspruch auf die Haushaltszulage hat, für seinen Ehegatten und die unterhaltsberechtigten Personen im Sinne des Artikels 2 unter folgenden Bedingungen Anspruch auf eine Pauschalvergütung der Reisekosten vom Ort der dienstlichen Verwendung zum Herkunftsort ( Artikel 7 ):

- einmal je Kalenderjahr, wenn die Entfernung in Eisenbahnkilometern zwischen dem Ort der dienstlichen Verwendung und dem Herkunftsort mehr als 50 km, jedoch weniger als 725 km beträgt;

- zweimal je Kalenderjahr, wenn die Entfernung in Eisenbahnkilometern zwischen dem Ort der dienstlichen Verwendung und dem Herkunftsort mindestens 725 km beträgt ".

Die Einzelheiten der Zahlung, die pauschal oder in Ausnahmefällen gegen Vorlage von Belegen erfolgt, sind in den Absätzen 2 und 3 festgelegt, der Sonderfall einer Reise ausserhalb Europas ist in Artikel 8 Absatz 4 geregelt.

25 Aus Artikel 8 Absatz 1 des Anhangs ergibt sich, daß ein Beamter ein - oder zweimal pro Jahr die Erstattung der Reisekosten für sich und, soweit er Anspruch auf die Haushaltszulage hat, für seinen Ehegatten und alle ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Personen im Sinne des Artikels 2 des Anhangs erhält.

26 Nach dem Wortlaut der fraglichen Bestimmung gilt die Erstattung für die Kosten der Reise "vom Ort der dienstlichen Verwendung zum Herkunftsort ". Die Erstattung der Kosten der Reise in umgekehrter Richtung, also vom Herkunftsort ( oder einem anderen Ort ) zum Ort der dienstlichen Verwendung, ist nur in dem Sonderfall vorgesehen, in dem der Herkunftsort und/oder der Ort der dienstlichen Verwendung ausserhalb Europas liegen. Folglich spricht eine wörtliche Auslegung der anzuwendenden Bestimmung für die Ansicht der Verwaltung, daß der Beamte für die einem unterhaltsberechtigten Kind gleichgestellten Personen nur dann ein - oder zweimal pro Jahr Anspruch auf Erstattung ihrer Reisekosten zum Herkunftsort hat, wenn diese Personen am Ort der dienstlichen Verwendung des Beamten wohnen.

27 Diese dem Wortlaut von Artikel 8 des Anhangs entsprechende Auslegung wird durch den Zweck bestätigt, den das Statut mit der Reisekostenerstattung erreichen will. Diese Bestimmung soll es nämlich dem Beamten und den ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Personen ermöglichen, sich wenigstens einmal pro Jahr an den Herkunftsort des Beamten zu begeben, um dort die familiären, sozialen und kulturellen Bindungen zu pflegen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß es einen allgemeinen Grundsatz des Rechts des europäischen öffentlichen Dienstes darstellt, daß der Beamte die Möglichkeit hat, seine persönlichen Beziehungen zu dem Mittelpunkt seiner Lebensinteressen aufrechtzuerhalten ( Urteil des Gerichtshofes vom 2. Mai 1985 in der Rechtssache 144/84, De Angelis/Kommission, Slg. 1985, 1301 ).

28 Wenn das Statut die Reisekostenerstattung sogar für Personen vorsieht, die nur zur Familie des Beamten im weiteren Sinne gehören, so soll damit diese Reise allen Familienmitgliedern ermöglicht werden, die ihren Herkunftsort wegen des Dienstantritts des Gemeinschaftsbeamten verlassen mussten. So gesehen kann die streitige Leistung nicht als Familienzulage betrachtet werden, deren Zweck es wäre, den Beamten von den Kosten, die durch unterhaltsberechtigten Kindern gleichgestellte Personen entstanden sind, zu entlasten. Tatsächlich handelt es sich um eine Zahlung, die dazu bestimmt ist, die Kosten zu decken, die dem Beamten anläßlich der Ausübung seines Amtes entstanden sind. Dieser Charakter der fraglichen Leistung wird durch die Tatsache bestätigt, daß die sich darauf beziehende Bestimmung in Abschnitt 3 des Anhangs steht, der die Einzelheiten der Anwendung des in Artikel 71 des Statuts aufgestellten Grundsatzes regelt.

29 Die gegenteilige Argumentation der Kläger, daß den unterhaltsberechtigten Personen genau die gleichen Rechte zustuenden wie den unterhaltsberechtigten Kindern, beruht auf der falschen Vorstellung, daß die fragliche Leistung eine Familienzulage sei.

30 Ausserdem lassen sich aus dem von den Klägern angestellten Vergleich von Artikel 7 Absatz 1 und Artikel 8 Absatz 4 auf der einen mit Artikel 8 Absatz 1 auf der anderen Seite keine stichhaltigen Argumente ableiten. Da diese Bestimmungen nämlich jeweils besondere Sachverhalte unterschiedlich regeln, ließen sich daraus Argumente für die eine oder für die andere Auslegung ableiten.

31 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, daß der Beamte, der Anspruch auf Haushaltszulage hat, die Erstattung der Reisekosten für unterhaltsberechtigten Kindern gleichgestellte Personen erhält, sofern diese während des grössten Teils des Jahres am Dienstort des Beamten oder in einem Umkreis wohnen, der sich nach den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten und nach den Verkehrsmitteln richtet. Dementsprechend ist der erste Klagegrund, der auf einer falschen Auslegung des Artikels 8 Absatz 1 des Anhangs beruht, wonach dieser die Erstattung der streitigen Reisekosten auch dann zulasse, wenn die unterhaltsberechtigten Personen am Herkunftsort wohnten, zurückzuweisen.

Zum zweiten Klagegrund

32 Die Kläger bringen vor, daß die von der Verwaltung erlassene Entscheidung eine unterschiedliche Behandlung der unterhaltsberechtigten Kinder und der ihnen gleichgestellten Personen zur Folge habe, obwohl allen diesen Personen definitionsgemäß die gleichen Rechte und Vorteile zugute kommen müssten. Die angefochtene Entscheidung verstosse somit gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung der Beamten.

33 Der Beklagte stellt fest, daß die von der Anstellungsbehörde vertretene Auslegung keine Diskriminierung innerhalb der Beamtenschaft mit sich bringe, da sich die Ansprüche, die das Statut dem Beamten für seine Kinder gewähre, erheblich von den Ansprüchen unterschieden, die ihm für unterhaltsberechtigten Kindern gleichgestellte Personen gewährt würden. Diese unterschiedliche Behandlung sei durch die Vermutung des Zusammenlebens gerechtfertigt, die sich unmittelbar aus dem Wesen der Familie ergebe.

34 Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz gehört zwar zu den wesentlichen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts, er gilt jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes nur für Personen, die sich in gleicher oder ähnlicher Lage befinden ( siehe z. B. das Urteil vom 16. Oktober 1980 in der Rechtssache 147/79, Hochstraß/Gerichtshof, Slg. 1980, 3005, 3019 ). Demzufolge ist im vorliegenden Fall der auf die Verletzung dieses Grundsatzes gestützte Klagegrund vor allem deshalb als unbegründet zurückzuweisen, weil die Kinder des Beamten, die zur Familie im engeren Sinn gehören und für die eine Vermutung des Zusammenlebens besteht, sich nicht in der gleichen Lage befinden wie die einem unterhaltsberechtigten Kind gleichgestellten Personen, die nur zur Familie im weiteren Sinn gehören.

35 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, daß die Klage abzuweisen ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

36 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, die gemäß Artikel 11 Absatz 3 des erwähnten Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 für das Gericht entsprechend gilt, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Gemäß Artikel 70 der Verfahrensordnung tragen jedoch die Organe in Rechtsstreitigkeiten mit Bediensteten der Gemeinschaften ihre Kosten selbst.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT ( Dritte Kammer )

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Klage wird abgewiesen.

2 ) Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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