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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 21.10.1993
Aktenzeichen: T-492/93
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Handlungen oder Entscheidungen, gegen die eine Nichtigkeitsklage nach Artikel 173 des Vertrages gegeben ist, sind nur diejenigen Maßnahmen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen des Klägers beeinträchtigen. Nicht der Fall ist dies bei einer Mitteilung, die die Kommission nach Abschluß einer Untersuchung, an der sie teilgenommen hat, an die Behörden eines Mitgliedstaats richtet, um diese aufzufordern, bestimmte, einem Unternehmen aufgrund der Regelung einer gemeinsamen Agrarmarktorganisation gewährte Beihilfen, die die Kommission als rechtswidrig ansieht, wiedereinzuziehen und bestimmte Eingangsabgaben, die von dem Unternehmen zu entrichten waren, nachzuerheben.

Denn sowohl hinsichtlich der Wiedereinziehung der im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik zu Unrecht gezahlten Beihilfen wie auch hinsichtlich der Nacherhebung der Eingangsabgaben ist es Sache der Mitgliedstaaten, die Gemeinschaftsvorschriften durchzuführen und ° vorbehaltlich der durch das Gemeinschaftsrecht gezogenen Grenzen ° nach den Vorschriften und Modalitäten des nationalen Rechts gegenüber den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern die erforderlichen Einzelentscheidungen zu erlassen. Da allein diese Entscheidungen verbindliche Rechtswirkungen haben können, die die Interessen dieser Wirtschaftsteilnehmer schädigen können, müssen diese, wenn sie sich dazu berechtigt fühlen, die innerstaatlichen Rechtswege beschreiten und diese Entscheidungen vor den einzelstaatlichen Gerichten anfechten.


BESCHLUSS DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (ZWEITE KAMMER) VOM 21. OKTOBER 1993. - NUTRAL SPA GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - ZULAESSIGKEIT. - RECHTSSACHE T-492/93 UND T-492/93 R.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt und Verfahren

1 Die Klägerin ist eine Gesellschaft, die auf die Herstellung, Verarbeitung, Einfuhr und Ausfuhr von Futtermitteln spezialisiert ist. Da die Kommission zu der Auffassung gelangte, daß es bei bestimmten von der Klägerin vorgenommenen Einfuhren zu Unregelmässigkeiten gekommen sei, forderte sie die italienischen Behörden mit Schreiben vom 6. August 1992 gemäß Artikel 6 der Verordnung (EWG) Nr. 595/91 des Rates vom 4. März 1991 betreffend Unregelmässigkeiten und die Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge im Rahmen der Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik sowie die Einrichtung eines einschlägigen Informationssystems und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 283/72 (ABl. L 67, S. 11) auf, sie an einer Untersuchung zu beteiligen, die sich auf Einfuhren eines aus Magermilchpulver hergestellten Erzeugnisses mit der Bezeichnung "Lebensmittelzubereitung aus fluessiger Magermilch, emulgiert mit raffiniertem Rinderfett" aus Österreich bezog.

2 Aufgrund der Verordnung (EWG) Nr. 986/68 des Rates vom 15. Juli 1968 zur Festlegung der Grundregeln für die Gewährung von Beihilfen für Magermilch und Magermilchpulver für Futterzwecke (ABl. L 169, S. 4) und der Verordnung (EWG) Nr. 1725/79 der Kommission vom 26. Juli 1979 über die Durchführungsbestimmungen zur Gewährung von Beihilfen für zu Mischfutter verarbeitete Magermilch und für zur Kälberfütterung bestimmtes Magermilchpulver (ABl. L 199, S. 1) erhielt die Klägerin von 1988 bis 1991 über die italienische Interventionsstelle Azienda di Stato per gli Interventi sul Mercato Agricola (im folgenden: AIMA) Gemeinschaftsbeihilfen, die für denaturiertes oder bei der Herstellung von Mischfutter verwendetes Magermilchpulver vorgesehen sind.

3 Da die genannte Zubereitung nach der Anmeldung einen Milchfettgehalt von weniger als 1,5 % sowie einen Milchproteingehalt von weniger als 2,5 % aufwies und aus einem zur Europäischen Freihandelsassoziation gehörenden Land stammte, wurde auf die nacheinander eingeführten Partien zudem weder ein Wertzoll noch ein "beweglicher Teilbetrag" erhoben, wie dies normalerweise gemäß Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3033/80 des Rates vom 11. November 1980 zur Festlegung der Handelsregelung für bestimmte aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen hergestellte Waren (ABl. L 323, S. 1) bei aus Drittländern eingeführten Waren geschieht.

4 Mit Schreiben vom 19. Januar 1993 übersandte der Leiter der Einheit zur Koordinierung der Betrugsbekämpfung (im folgenden: UCLAF) den italienischen Behörden den Bericht der Bediensteten, die im Auftrag der Kommission an der erwähnten Untersuchung teilgenommen hatten. Er forderte die Behörden auf, die erforderlichen Verwaltungsmaßnahmen zur Sicherung der Wiedereinziehung der fraglichen Beträge zu ergreifen und die Kommission über die gerichtlichen Folgen der Angelegenheit auf dem laufenden zu halten.

5 Nach den Schlußfolgerungen des Untersuchungsberichts wies die von der Klägerin eingeführte Zubereitung entgegen der Anmeldung einen Milchproteingehalt von mehr als 2,5 % auf, und auf sie hätte daher der "bewegliche Teilbetrag" erhoben werden müssen, der normalerweise für Einfuhren aus Drittländern gilt. Die Untersuchung soll auch zu der Feststellung geführt haben, daß ein Teil des fraglichen Erzeugnisses (500 Tonnen) ursprünglich von der deutschen Interventionsstelle stammte und daß dafür ° weil bereits Ausfuhrerstattung gezahlt worden war ° gemäß Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung Nr. 1725/79 keine Beihilfe für Magermilchpulver gewährt werden konnte.

6 Am 26. Februar 1993 nahm das Comando nucleo polizia tributaria di Cremona della guardia di finanza (im folgenden: Guardia di finanza) der Klägerin gegenüber ein Protokoll auf, "um ihr den unrechtmässigen Bezug gemeinschaftsrechtlicher Beihilfen im Agrarsektor für 500 Tonnen Milchpulver vorzuhalten, auf den unter Nummer 2 der Schlußfolgerungen des mit Schreiben SG(92) D/140.028 der UCLAF vom 19. Januar 1993 übermittelten Untersuchungsberichts hingewiesen wurde".

7 Am 3. März 1993 teilte der Leiter der UCLAF den italienischen Behörden in einem Schreiben mit dem Zeichen SG(93) D/140.082 folgendes mit:

"Zur besseren Verdeutlichung dessen, was unter Nummer 2 der Schlußfolgerungen des Untersuchungsberichts ausgeführt wurde... teile ich Ihnen mit, daß die Beihilfe für die zu Futtermitteln verarbeitete Magermilch der Nutral SpA von der zuständigen Stelle zwar zu Recht gewährt worden ist, daß die Entgegennahme einer solchen Hilfe... aber als rechtswidrig anzusehen ist.

Demgemäß müssen die zuständigen innerstaatlichen Behörden nicht nur den beweglichen Teilbetrag in bezug auf das gesamte eingeführte Erzeugnis ermitteln und die Verarbeitungsbeihilfe, die sich auf die mit 500 Tonnen Pulver aus Ilyichevsk hergestellte Zubereitung bezieht, wiedereinziehen, sondern auch die gesamte Verarbeitungsbeihilfe für Milchpulver wiedereinziehen, die für die eingeführte Zubereitung in der Zeit von Januar 1988 bis 14. August 1991 gewährt worden ist."

8 In einem an den Finanzminister, den Minister für Landwirtschaft und Forsten sowie den Minister für die Politik der Europäischen Gemeinschaft und für regionale Angelegenheiten gerichteten Schreiben des Kommissionsmitglieds Schmidhuber vom 23. März 1993 erinnerte die Kommission an ihre Mitteilungen vom 19. Januar und 3. März 1993 und forderte die zuständigen italienischen Behörden auf, schnellstens die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um die fraglichen Beträge gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 des Rates vom 24. Juli 1979 betreffend die Nacherhebung von noch nicht vom Abgabenschuldner angeforderten Eingangs- oder Ausfuhrabgaben für Waren, die zu einem Zollverfahren angemeldet worden sind, das die Verpflichtung zur Zahlung derartiger Abgaben beinhaltet (ABl. L 197, S. 1), sowie gemäß Artikel 8 der Verordnung (EWG) Nr. 729/70 des Rates vom 21. April 1970 über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. L 94, S. 13) wiedereinzuziehen.

9 Am 27. April 1993 nahm die Guardia di finanza der Klägerin gegenüber ein "Feststellungsprotokoll" zu den von der AIMA in der Zeit von 1988 bis 1991 zu Unrecht bezogenen Beihilfen für Magermilchpulver auf. Eine Zweitschrift dieses Protokolls wurde dem Ministerium für Landwirtschaft und Forsten zugeleitet, damit dieses den in Artikel 3 des italienischen Gesetzes Nr. 898 vom 23. Dezember 1986 vorgesehenen "Mahnbescheid" erlässt.

10 Daraufhin rief die Klägerin mit einer am 6. Juli 1993 in der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangenen Klageschrift gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag den Gerichtshof an und beantragte, die Entscheidung der Kommission Nr. SG(93) D/140.082 vom 3. März 1993 sowie alle früheren, damit verbundenen oder damit in Zusammenhang stehenden Akte, die sich im besonderen auf den Untersuchungsbericht der UCLAF vom 18. Januar 1993 beziehen, für nichtig zu erklären.

11 Mit Schriftsatz, der am 3. August 1993 in der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat die Kommission gemäß Artikel 91 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben.

12 Mit besonderem, in der Kanzlei des Gerichtshofes am 13. September 1993 eingegangenem Schriftsatz hat Nutral beantragt, die Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung der Kommission vom 3. März 1993 und des Vollzugs früherer Akte, insbesondere des Untersuchungsberichts der UCLAF vom 18. Januar 1993, anzuordnen sowie der Kommission aufzugeben, den italienischen Behörden die Anweisung zu erteilen, bis zum Erlaß des Urteils in der Hauptsache keine Maßnahmen zur Wiedereinziehung der Nutral gewährten Beihilfen und zur Erhebung der Eingangsabgaben durchzuführen.

13 Mit Schriftsatz, der am 24. September 1993 in der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat die Kommission zu dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung Stellung genommen.

14 Mit Beschluß vom 27. September 1993 hat der Gerichtshof diese beiden Rechtssachen gemäß Artikel 4 des Beschlusses 93/350/Euratom, EGKS, EWG des Rates vom 8. Juni 1993 zur Änderung des Beschlusses 88/591/EGKS, EWG, Euratom zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 144, S. 21) an das Gericht verwiesen.

15 Gemäß Artikel 106 Absatz 1 der Verfahrensordnung des Gerichts hat der Präsident des Gerichts die Entscheidung über den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung der mit der Hauptsache befassten Kammer übertragen.

16 Gemäß Artikel 114 § 3 der Verfahrensordnung des Gerichts wird über die Unzulässigkeitseinrede mündlich verhandelt, sofern das Gericht nichts anderes bestimmt. Das Gericht (Zweite Kammer) ist der Ansicht, daß es im vorliegenden Fall ausreichend unterrichtet ist und daß die mündliche Verhandlung nicht eröffnet werden muß.

Zur Zulässigkeit

Vorbringen der Parteien

17 Mit ihrer Unzulässigkeitseinrede macht die Kommission zunächst geltend, der Akt, dessen Nichtigerklärung beantragt werde, sei deswegen keine angreifbare Entscheidung im Sinne des Artikels 173 des Vertrages, weil das Schreiben vom 3. März 1993 und der ihm zugrunde liegende Untersuchungsbericht weder ihren Adressaten, den italienischen Behörden, gegenüber noch a fortiori der Klägerin gegenüber eine Entscheidung darstellten. Die Schreiben vom 3. und 23. März 1993 wie auch der Untersuchungsbericht begründeten an sich keinerlei Verpflichtung für den Staat und ° noch weniger ° eine Verpflichtung für die Klägerin. Die Verpflichtung zur Einziehung nicht erhobener oder zu Unrecht gezahlter Beträge ergebe sich in Wirklichkeit nicht aus dem angegriffenen Schreiben, sie werde für die Mitgliedstaaten vielmehr durch die Verordnungen Nrn. 729/70 und 1697/79 begründet.

18 Ferner ist die Kommission der Ansicht, der angegriffene Akt betreffe die Klägerin nicht unmittelbar, denn er könne sich auf ihre rechtliche Sphäre in keiner Weise auswirken. Nur ein Akt des innerstaatlichen Rechts, wie das von den italienischen Behörden aufgenommene Protokoll, das von der Klägerin nach italienischem Recht angefochten werden könne, könne ihr einen Schaden verursachen. Die für die gemeinsame Agrarpolitik maßgebliche Gemeinschaftsregelung und die Regelung über die Eigeneinnahmen beruhten auf einer strengen Trennung der Beziehungen zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten einerseits und der Beziehungen zwischen den Mitliedstaaten und den Wirtschaftsteilnehmern andererseits. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes sei es Sache der Mitgliedstaaten, gemäß den geltenden innerstaatlichen Vorschriften und in den vom Gemeinschaftsrecht gezogenen Grenzen die notwendigen Maßnahmen zur Wiedereinziehung von zu Unrecht gezahlten Beihilfen zu ergreifen (Urteil vom 25. Mai 1993 in der Rechtssache C-197/91, Frutticoltori, Slg. 1993, I-2639, Randnr. 23).

19 Schließlich weist die Kommission noch darauf hin, daß der Untersuchungsbericht der Klägerin von den italienischen Behörden als Anhang zum Protokoll vom 26. Februar 1993 übermittelt worden sei. Soweit die Klage gegen diesen Bericht gerichtet sei, sei sie also jedenfalls nach Ablauf der in Artikel 173 des Vertrages festgesetzten Frist erhoben worden.

20 Die Klägerin hat zu der Unzulässigkeitseinrede ausgeführt, es gehe im vorliegenden Fall ° anders als die Kommission meine ° nicht darum, wer zur Wiedereinziehung von zu Unrecht gezahlten Beträgen verpflichtet sei, sondern um die Feststellung einer Rechtsverletzung. Nur in dem im vorliegenden Fall angegriffenen Schreiben sei aber die der Klägerin gewährte Beihilfe als "rechtswidrige Beihilfe" bezeichnet und eine Rechtsverletzung festgestellt worden. Die endgültige Feststellung der Rechtsverletzung, die in dem angegriffenen Schreiben unmißverständlich und eindeutig vorgenommen worden sei, habe also ihre Interessen verletzt. Dafür liefere das spätere Verhalten der italienischen Behörden den Beweis. Diese hätten sich nämlich darauf beschränkt, die Ergebnisse der Untersuchung in das der Klägerin am 27. April 1993 zugestellte Protokoll, in dem bereits die zurückzuzahlenden Beträge angegeben seien, zu übernehmen und die Zahlung der fraglichen Beträge in einem Schreiben der AIMA vom 30. Juni 1993 sowie mit einer Anordnung des Zollamts von S. Candido vom 9. August 1993 förmlich zu verlangen, ohne daß von einer der zuständigen Behörden ein "Mahnbescheid" erlassen worden sei, in dem die Rechtsverletzung entsprechend dem italienischen Gesetz Nr. 689 vom 24. November 1981 festgestellt worden sei.

21 Da die innerstaatlichen Behörden das im Gesetz Nr. 898 vorgesehene Verfahren nicht eingeleitet hätten, in dem das Ministerium für Landwirtschaft und Forsten im Falle von Betrügereien im Rahmen des Gemeinschaftsrechts Sanktionen verhänge und gegebenenfalls einen "Mahnbescheid" erlasse, habe die Klägerin ausserdem keinerlei Rechtsschutz. Insofern sei insbesondere von Bedeutung, daß die Zahlungsanweisung der Zollverwaltung nach innerstaatlichem Recht deswegen nicht wirksam angegriffen werden könne, weil das Zollverfahren die Aussetzung der Eintreibung von Abgaben nicht vorsehe. So werde von ihr jetzt ein Betrag von ungefähr 130 Milliarden LIT eingetrieben, ohne daß sie die Schlußfolgerungen, zu denen die Untersuchung geführt habe, vor den innerstaatlichen Gerichten angreifen könne.

22 Die Ansicht der Kommission, es fehle an einer Zuständigkeit der Gemeinschaft und es gebe daher keine angreifbare Entscheidung, könne nicht gutgeheissen werden. Sie hätte nämlich zur Folge, daß Maßnahmen, die von einer unzuständigen Stelle getroffen würden, der gerichtlichen Überprüfung entzogen wären.

23 Schließlich sei auch der Standpunkt der Kommission nicht richtig, daß die Klage, soweit sie sich gegen den Untersuchungsbericht richte, verspätet erhoben worden sei. Erst nach dem Schreiben vom 3. März 1993, in dem die Rechtswidrigkeit der Beihilfe festgestellt und ihre Wiedereinziehung durch die innerstaatlichen Behörden angeordnet werde, habe dieser Bericht, der bis dahin nur den Wert und die Bedeutung eines vorbereitenden Aktes gehabt habe, im Hinblick auf die Feststellung der Rechtsverletzung eine andere Bedeutung und eine andere Tragweite bekommen.

Würdigung durch das Gericht

24 Im Hinblick auf die Entscheidung darüber, ob die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit begründet ist, ist zunächst darauf hinzuweisen, daß nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes "Handlungen oder Entscheidungen, gegen die eine Nichtigkeitsklage nach Artikel 173 EWG-Vertrag gegeben ist, nur diejenigen Maßnahmen sind, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen des Klägers beeinträchtigen" (Beschluß des Gerichtshofes vom 8. März 1991 in den Rechtssachen C-66/91 und C-66/91 R, Emerald Meats/Commission, Slg. 1991, I-1143, Randnr. 26).

25 Im vorliegenden Fall hat sich die Kommission, wie oben ausgeführt, nach Abschluß einer Untersuchung, an der sie auf ihren Wunsch teilgenommen hatte, an die italienischen Behörden gewandt und diese aufgefordert, bestimmte der Klägerin gewährte Beihilfen, die die Kommission als rechtswidrig angesehen hat, wiedereinzuziehen sowie bestimmte Eingangsabgaben, die von der Klägerin zu entrichten waren, nachzuerheben. Im Anschluß an die Mitteilungen der Kommission an die italienischen Behörden haben diese eine Reihe von Maßnahmen erlassen, um die Beträge, die der Klägerin angeblich zu Unrecht zugute gekommen waren, einzuziehen.

26 Dazu ist festzustellen, daß es nach dem institutionellen System der Gemeinschaft und den Vorschriften, die die Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten regeln, in Ermangelung einer gegenteiligen Bestimmung des Gemeinschaftsrechts Sache der Mitgliedstaaten ist, in ihrem Hoheitsgebiet für die Durchführung der Gemeinschaftsregelungen, namentlich im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik, zu sorgen (Urteil des Gerichtshofes vom 7. Juli 1987 in den Rechtssachen 89/86 und 91/86, Etoile commerciale und CNTA/Kommission, Slg. 1987, 3005, Randnr. 11). Tatsächlich treffen gemäß Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 729/70 die "Mitgliedstaaten... gemäß den einzelstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften die erforderlichen Maßnahmen, um... Unregelmässigkeiten zu verhindern und zu verfolgen [und] die infolge von Unregelmässigkeiten oder Versäumnissen abgeflossenen Beträge wieder einzutreiben".

27 Ferner ist auf Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1697/79 hinzuweisen, wo es heisst: "Stellen die zuständigen Behörden fest, daß... Eingangs[abgaben]... vom Abgabenschuldner ganz oder teilweise nicht angefordert worden sind, so fordern sie die nicht erhobenen Abgaben nach." Gemäß Artikel 4 dieser Verordnung erfolgt ausserdem die "Nachforderung... durch die zuständigen Behörden im Rahmen der hierfür geltenden Bestimmungen gegenüber natürlichen oder juristischen Personen, welche die Eingangs[abgaben]... zu entrichten haben...".

28 Demnach ist es auf diesem Gebiet Sache der Mitgliedstaaten, die Gemeinschaftsvorschriften durchzuführen und gegenüber den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern die erforderlichen Einzelentscheidungen zu erlassen, um zu Unrecht gezahlte Beträge wieder einzutreiben, wobei sie, vorbehaltlich der durch das Gemeinschaftsrecht gezogenen Grenzen, nach den Vorschriften und Modalitäten des nationalen Rechts vorgehen (Urteil in der Rechtssache Etoile Commerciale und CNTA/Kommission, a. a. O., Randnr. 12). Nur die von den innerstaatlichen Behörden getroffenen Maßnahmen können also verbindliche Rechtswirkungen haben, die die Interessen der Klägerin schädigen können.

29 Daraus folgt, daß in den angegriffenen Akten keine Entscheidungen gesehen werden können, die die rechtliche Lage der Klägerin unmittelbar berühren könnten. Sie muß also, wenn sie sich dazu berechtigt fühlt, die innerstaatlichen Rechtswege beschreiten und vor den einzelstaatlichen Gerichten die ihr gegenüber getroffenen Maßnahmen anfechten.

30 Auch wenn man davon auszugehen hat, daß das innerstaatliche Recht, wie die Klägerin ausführt, kein Verfahren zur Aussetzung des Vollzugs einer Zahlungsanweisung der Zollverwaltung kennt, so wäre dieser Umstand jedenfalls doch nicht geeignet, die im EWG-Vertrag festgelegte Verteilung der Zuständigkeiten auf die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten und damit die oben erwähnte Regelung zu ändern, die für die Zulässigkeit von Klagen in der Gemeinschaftsrechtsordnung maßgeblich ist.

31 Die Klage ist also für unzulässig zu erklären, ohne daß zu prüfen wäre, ob sie in der in Artikel 173 Absatz 3 des Vertrages festgelegten Frist erhoben worden ist.

32 Da sich der Antrag auf einstweilige Anordnung auf eine unzulässige Nichtigkeitsklage bezieht, muß er gleichfalls als unzulässig zurückgewiesen werden.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

beschlossen:

1) Die in der Rechtssache T-492/93 erhobene Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2) Der in der Rechtssache T-492/93 R gestellte Antrag auf einstweilige Anordnung wird als unzulässig zurückgewiesen.

3) Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Luxemburg, den 21. Oktober 1993

Ende der Entscheidung

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