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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 24.09.1996
Aktenzeichen: T-494/93
Rechtsgebiete: EGV


Vorschriften:

EGV Art. 173 Abs. 4
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Im Rahmen der Abwicklung eines Darlehens der Gemeinschaft für die Sowjetunion und ihre Republiken, das diesen die Einfuhr von Agrarerzeugnissen und Nahrungsmitteln sowie Waren des medizinischen Bedarfs ermöglichen soll, ist ein Unternehmen, an das ein Auftrag vergeben wurde, von einer an den Finanzmakler der das Darlehen empfangenden Republik gerichteten Entscheidung, mit der es abgelehnt wird, die Vereinbarkeit der Zusätze zu den zwischen dem Unternehmen, an das der Auftrag vergeben wurde, und dem Bevollmächtigten der das Darlehen empfangenden Republik für diesen Zweck geschlossenen Verträgen mit den einschlägigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts anzuerkennen, nicht im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages unmittelbar betroffen, da das Unternehmen, an das der Auftrag vergeben wurde, rechtliche Beziehungen nur zu seinem Vertragspartner, nämlich dem für den Abschluß der Kaufverträge Bevollmächtigten, unterhält, die Kommission rechtliche Beziehungen nur mit ihrem Vertragspartner, nämlich dem Finanzmakler der das Darlehen empfangenden Republik, unterhält und das Handeln der Kommission, der nur die Rolle zugewiesen ist, zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Gemeinschaftsfinanzierung erfuellt sind, daher nicht die Rechtsgültigkeit der erwähnten Verträge berührt.

Daher ist die gegen die erwähnte Entscheidung gerichtete Nichtigkeitsklage des Unternehmens, an das ein Auftrag vergeben wurde, unzulässig.

2. Im Rahmen eines auf Artikel 173 des Vertrages gestützten Verfahrens wegen Nichtigerklärung nimmt der Gemeinschaftsrichter lediglich eine Kontrolle der Rechtmässigkeit der angefochtenen Maßnahme vor. Unter diesen Umständen überschreitet der Antrag auf Wiedereinsetzung des Klägers in seine Rechte die Grenzen der Zuständigkeit, die der Vertrag dem Gemeinschaftsrichter übertragen hat, und ist daher für unzulässig zu erklären.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Dritte Kammer) vom 24. September 1996. - Compagnie Continentale (France) gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Nothilfe der Gemeinschaft für die Staaten der ehemaligen Sowjetunion - Ausschreibung - Nichtigkeitsklage - Zulässigkeit. - Rechtssache T-494/93.

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

1 Nachdem der Rat festgestellt hatte, daß es erforderlich sei, der Sowjetunion und ihren Republiken Nahrungsmittelhilfe und medizinische Hilfe zu gewähren, erließ er am 16. Dezember 1991 den Beschluß 91/658/EWG über ein mittelfristiges Darlehen für die Sowjetunion und ihre Republiken (ABl. L 362, S. 89), in dem folgendes bestimmt ist:

"Artikel 1

(1) Die Gemeinschaft gewährt der UdSSR und deren Republiken ein mittelfristiges Darlehen über einen Kapitalbetrag von höchstens 1 250 Millionen ECU in drei aufeinanderfolgenden Tranchen mit einer Hoechstlaufzeit von drei Jahren, um die Einfuhr von Agrarerzeugnissen und Nahrungsmitteln sowie Waren des medizinischen Bedarfs... zu ermöglichen.

...

Artikel 2

Für die Zwecke des Artikels 1 wird die Kommission ermächtigt, im Namen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft die erforderlichen Gelder aufzunehmen, die der UdSSR und deren Republiken in Form eines Darlehens zur Verfügung gestellt werden.

Artikel 3

Das Darlehen nach Artikel 2 wird von der Kommission verwaltet.

Artikel 4

(1) Die Kommission wird ermächtigt, in Abstimmung mit den Behörden der UdSSR und ihrer Republiken... die wirtschaftlichen und finanziellen Bedingungen des Darlehens, die Regeln für die Bereitstellung der Gelder und die erforderlichen Garantien für die Darlehenstilgung aufzustellen.

...

(3) Die Einfuhr der Erzeugnisse, die durch das Darlehen finanziert wird, erfolgt zu Weltmarktpreisen. Der freie Wettbewerb muß für den Kauf und die Lieferung der Erzeugnisse gewährleistet sein, die den international anerkannten Qualitätsnormen entsprechen müssen."

2 Am 9. Juli 1992 erließ die Kommission die Verordnung (EWG) Nr. 1897/92 mit den Modalitäten für die Abwicklung eines mittelfristigen Darlehens für die Sowjetunion und ihre Republiken aufgrund des Beschlusses 91/658/EWG des Rates (ABl. L 191, S. 22), in der folgendes bestimmt ist:

"Artikel 2

Die Darlehen werden auf der Grundlage von Abkommen zwischen den Republiken und der Kommission gewährt, die als Bedingungen für die Auszahlung der Darlehen die in Artikel 3 bis 7 festgelegten Bestimmungen enthalten.

...

Artikel 4

(1) Die Darlehen dienen nur zur Finanzierung von Käufen und Lieferungen im Rahmen von Verträgen, vorausgesetzt die Kommission hat anerkannt, daß diese Verträge dem Beschluß 91/658/EWG und den Abkommen gemäß Artikel 2 entsprechen.

(2) Die Republiken oder die von ihnen bezeichneten Finanzmakler legen der Kommission die Verträge zur Anerkennung vor.

Artikel 5

Die Anerkennung gemäß Artikel 4 ist an die Erfuellung insbesondere folgender Bedingungen gebunden:

1. Die Auftragsvergabe erfolgt unter den Bedingungen des freien Wettbewerbs...

2. Der Vertrag bietet die günstigsten Preisbedingungen, die normalerweise auf dem Weltmarkt erzielt werden."

3 Am 9. Dezember 1992 schlossen die EWG, die Russische Föderation und deren Finanzmakler, die Vnesheconombank (im folgenden: VEB), gemäß der Verordnung Nr. 1897/92 ein "Memorandum of Understanding" (im folgenden: Rahmenvereinbarung), aufgrund dessen die Europäische Gemeinschaft der Russischen Föderation das im Beschluß 91/658 vorgesehene Darlehen gewähren sollte. So war vorgesehen, daß die EWG als Darlehensgeber der VEB als Darlehensnehmer, gesichert durch die Russische Föderation, ein mittelfristiges Darlehen von 349 Millionen ECU als Darlehensbetrag für höchstens drei Jahre gewähren sollte. In der Rahmenvereinbarung heisst es:

"6. Der Darlehensbetrag abzueglich der Provisionen und der der EWG entstandenen Kosten ist dem Darlehensnehmer auszuzahlen und entsprechend den Bestimmungen und Bedingungen des Darlehensvertrages ausschließlich zur Deckung unwiderruflicher Dokumentenakkreditive zu verwenden, die der Darlehensnehmer in der international üblichen Form gemäß Lieferverträgen eröffnet hat, vorbehaltlich der Anerkennung dieser Verträge und Akkreditive durch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften als dem Beschluß des Rates vom 16. Dezember 1991 und der vorliegenden Vereinbarung entsprechend."

Gemäß Nr. 7 der Rahmenvereinbarung war die Anerkennung der Konformität des Vertrages von der Erfuellung bestimmter Voraussetzungen abhängig. Eine dieser Voraussetzungen ging dahin, daß die Lieferanten von den zu diesem Zweck von der Regierung der Russischen Föderation benannten russischen Einrichtungen ausgewählt werden sollten.

4 Am 9. Dezember 1992 schlossen die Kommission und die VEB den in der Verordnung Nr. 1897/92 und der Rahmenvereinbarung vorgesehenen Darlehensvertrag (im folgenden: Darlehensvertrag). Dieser Vertrag legt genau den Mechanismus der Auszahlung des Darlehens fest. Er sieht eine Möglichkeit vor, auf die im Ziehungszeitraum (15. Januar 1993 bis 15. Juli 1993) zurückgegriffen werden kann und mit der bezweckt ist, die für die Bezahlung von Lieferungen genehmigten Beträge vorzuschießen.

5 Der Auszahlungsmechanismus, der auf den klassischen, im internationalen Handel allgemein anerkannten Regelungen beruht, wird in Teil III des Darlehensvertrags wie folgt beschrieben:

"5. Ziehung

5.1 Verfahren

a) Der Darlehensnehmer unterrichtet den Darlehensgeber von einer angestrebten Auszahlung, indem er einen Genehmigungsantrag... stellt.

b) Hat der Ziehungszeitraum begonnen und ist der Darlehensgeber aufgrund der Angaben im Genehmigungsantrag nach seinem uneingeschränkten Ermessen davon überzeugt, daß der Zweck der angestrebten Auszahlung mit Nr. 3 und der Rahmenvereinbarung übereinstimmt und daß die im Genehmigungsantrag bezeichnete avisierende/bestätigende Bank für ihn akzeptabel ist, stellt er innerhalb angemessener Frist ein im Kern dem als Anhang 3 beigefügten Muster entsprechendes Bestätigungsschreiben aus.

c) Nach dem Empfang eines Bestätigungsschreibens, das sich auf eine angestrebte Auszahlung bezieht, stellt der Darlehensnehmer innerhalb des Auszahlungszeitraums gemäß Nr. 5.3 einen Auszahlungsantrag.

...

5.3 Auszahlung

a) Vorbehaltlich Nr. 5.5 kann ein Auszahlungsbetrag aufgrund eines Auszahlungsantrags, den der Darlehensgeber vom Darlehensnehmer erhalten hat, zur Ziehung nur bereitgestellt werden, wenn diese der Erfuellung einer fälligen Zahlungsverpflichtung des Darlehensnehmers gegenüber einer anerkannten bestätigenden Bank dienen soll. Alle gestellten Auszahlungsanträge sind unwiderruflich und führen (vorbehaltlich der Nrn. 10 und 12) dazu, daß der Darlehensnehmer den angebenen Betrag am angegebenen Tag schuldet und die Auszahlungsbedingungen anzunehmen hat.

b) Jeder Auszahlungsantrag muß

i) dem als Anhang 4 beigefügten Muster entsprechen;

ii) vom Darlehensnehmer unterzeichnet sein;

iii) zum Inhalt haben, daß die entsprechende Zahlung spätestens am letzten Werktag des Ziehungszeitraums an die anerkannte bestätigende Bank durch Gutschrift des Betrages dieser Zahlung auf das Konto dieser Bank zu leisten ist;

iv) in der Anlage die im Anhang 4 aufgezählten Unterlagen enthalten."

6 Der vorgesehene Mechanismus des unwiderruflichen Akkreditivs stimmt mit den von der Internationalen Handelskammer in Paris ausgearbeiteten "Einheitlichen Richtlinien und Gebräuchen für Dokumentenakkreditive" überein, die die Gemeinschaft als Standardmuster für Dokumentenakkreditive zum Gebrauch durch die Ausstellerbanken übernommen hat.

7 Am 15. Januar 1993 schloß die Kommission gemäß Artikel 2 des Beschlusses 91/658 als Darlehensgeber im Namen der Gemeinschaft einen Darlehensvertrag mit einem vom Crédit Lyonnais angeführten Bankenkonsortium.

Sachverhalt

8 Die Klägerin, eine auf den internationalen Handel mit landwirtschaftlichen Rohstoffen spezialisierte Gesellschaft, wurde zusammen mit anderen Unternehmen im Rahmen einer von der Firma Exportkhleb, der von der Russischen Föderation mit den Verhandlungen über den Ankauf von Weizen beauftragten staatlichen Gesellschaft, veranstalteten informellen Ausschreibung angesprochen.

9 Am 27. November 1992 schloß die Klägerin mit Exportkhleb zwei Verträge über den Verkauf von Weizen. Mit dem ersten verpflichtete sie sich zur Lieferung von 500 000 t Müllereiweizen, der in bezug auf 50 000 t später aufgehoben wurde, zum Preis von 140,40 USD/t cif frei Ostsee°Aussenhafen. Mit dem zweiten verpflichtete sie sich, 20 000 t Hartweizen zum Preis von 145 USD/t cif frei Schwarzmeer°Aussenhafen zu liefern. Der zweite Vertrag wurde am 2. Dezember 1992 im Hinblick auf die Lieferung von zusätzlichen 15 000 t Hartweizen zum Preis von 148 USD/t cif frei Schwarzmeer°Aussenhafen geändert. Alle diese Lieferungen sollten vor dem 28. Februar 1993 verladen werden.

10 Nach Unterzeichnung des Darlehensvertrages (oben unter Randnr. 4) beantragte die VEB bei der Kommission die Genehmigung der zwischen Exportkhleb und den Ausfuhrunternehmen geschlossenen Verträge, zu denen der mit der Klägerin geschlossene Vertrag gehörte.

11 Nachdem die Kommission von der Klägerin bestimmte unerläßliche zusätzliche Auskünfte erhalten hatte, die insbesondere den Wechselkurs ECU/USD betrafen, der in dem Vertrag nicht festgesetzt worden war, erteilte sie schließlich am 27. Januar 1993 ihre Genehmigung in Form eines an die VEB gerichteten Bestätigungsschreibens.

12 Nach dem Vorbringen der Klägerin traten die Akkreditive erst am 16. Februar 1993 für den Hartweizen und am 25. Februar 1993 für den Müllereiweizen, also einige Tage vor dem 28. Februar 1993, dem Ablauf des in den Verträgen vorgesehenen Verladezeitraums, in Kraft.

13 Die Verträge wurden nur teilweise erfuellt. Zwar wurde ein bedeutender Teil der Ware geliefert oder verladen, nach dem Vorbringen der Klägerin zeichnete sich jedoch klar ab, daß nicht die gesamte Ware vor dem 28. Februar 1993 würde geliefert werden können.

14 Die Firma Exportkhleb berief am 19. Februar 1993 alle Exporteure zu einer Sitzung in Brüssel ein, die am 22. und 23. Februar 1993 abgehalten wurde. Im Laufe dieser Sitzung verlangte Exportkhleb von den Exporteuren neue Preisangebote für die Lieferung der von ihr so genannten "vorhersehbaren Restmenge", d. h. der Mengen, bei denen vernünftigerweise vorhersehbar war, daß sie nicht vor dem 28. Februar 1993 geliefert würden. Nach dem Vorbringen der Klägerin stieg der Weizenpreis von November 1992, dem Zeitpunkt des Abschlusses der Kaufverträge, bis zum Februar 1993, dem Zeitpunkt der neuen Verhandlungen, erheblich an.

15 In Verhandlungen, in denen sich die Unternehmen dem niedrigsten Gebot von 155 USD/t anpassen mussten, wurde eine Einigung zwischen Exportkhleb und ihren Vertragspartnern über die Aufteilung der von den einzelnen Unternehmen zu liefernden neuen Mengen erzielt. Die Compagnie Continentale wurde beauftragt, 300 000 t Müllereiweizen, und zwar 120 000 t zum ursprünglich vereinbarten Preis und 180 000 t zum Preis von 155 USD, sowie 20 000 t Hartweizen oder Müllereiweizen zum Preis von 155 USD zu liefern. In derselben formlosen Einigung war vorgesehen, daß der Verladezeitraum am 30. April 1993 abgeschlossen sein sollte.

16 Nach dem Vorbringen der Klägerin wurde wegen der Dringlichkeit, die sich aus den Schwierigkeiten bei der Nahrungsmittelversorgung in Rußland ergab, und in dem Bestreben, die Umständlichkeit des Verfahrens der Genehmigung und der Bereitstellung der Kredite zu vermeiden, auf Verlangen von Exportkhleb beschlossen, diese Änderungen durch einfache Zusätze zu den ursprünglichen Verträgen formell niederzulegen, die der Einfachheit halber mit dem Datum 23. Februar 1993, dem Tag der Sitzung in Brüssel, versehen wurden. Bei der Abfassung der Zusätze wurde vereinbart, die zu liefernde Menge Weizen zu verringern, um ° so die Klägerin ° zu verhindern, daß der neue Gesamtpreis höher als der ursprünglich vereinbarte Gesamtpreis würde.

17 Am 9. März 1993 teilte Exportkhleb der Kommission mit, daß die mit fünf ihrer Lieferanten geschlossenen Verträge geändert worden seien und daß die ausstehenden Lieferungen nunmehr zum Preis von 155 USD/t bei einem ECU-Kurs von 1,17418 USD (also zum Preis von 132 ECU/t) erfolgen würden.

18 Am 12. März 1993 wies der Leiter der Generaldirektion Landwirtschaft (GD VI), Herr Legras, Exportkhleb darauf hin, daß die Kommission, da der Hoechstwert dieser Verträge bereits durch das Bestätigungsschreiben der Kommission festgesetzt worden sei und sämtliche für Weizen verfügbaren Kredite bereits vergeben seien, einem solchen Antrag nur stattgeben könne, wenn der Gesamtwert der Verträge beibehalten würde, was durch eine entsprechende Kürzung der noch zu liefernden Mengen erreicht werden könne. Der Antrag auf Genehmigung der Änderungen könne von der Kommission nur berücksichtigt werden, wenn er von der VEB offiziell gestellt werde.

19 Nach Ansicht der Klägerin wurde dieses Schreiben als Bestätigung des grundsätzlichen Einverständnisses der Kommission ausgelegt, vorbehaltlich einer Prüfung für die formale Genehmigung, sobald die Akten von der VEB übersandt würden. Daher habe sie die Verladung der für Rußland bestimmten Weizenladungen fortgesetzt.

20 Die Unterlagen mit den neuen Angeboten und den Vertragsänderungen seien der Kommission von der VEB offiziell am 22. März 1993 übersandt worden. Am 1. April 1993 habe es die Kommission in einem Schreiben des für Agrarfragen zuständigen Kommissionsmitglieds an die VEB abgelehnt, die Vertragsänderungen zu genehmigen.

21 Der Inhalt des Schreibens vom 1. April 1993 lässt sich wie folgt zusammenfassen. Das Kommissionsmitglied R. Steichen teilte mit, daß die Kommission nach Prüfung der Änderungen der zwischen Exportkhleb und bestimmten Lieferanten geschlossenen Verträge diejenigen anerkennen könne, die sich auf den Aufschub der Fälligkeit von Lieferung und Zahlung bezögen. Hingegen sei "der Umfang der Preiserhöhungen... so groß, daß wir sie nicht als eine notwendige Anpassung betrachten können, sondern als eine wesentliche Änderung der ursprünglich ausgehandelten Verträge". Er fuhr fort: "Das gegenwärtige Niveau der Preise auf dem Weltmarkt (Ende März 1993) unterscheidet sich nämlich nicht signifikant von demjenigen in dem Zeitpunkt, zu dem die Preise ursprünglich vereinbart wurden (Ende November 1992)." Herr Steichen erinnerte daran, daß die Notwendigkeit, zum einen den freien Wettbewerb zwischen potentiellen Lieferanten und zum anderen möglichst günstige Kaufbedingungen zu gewährleisten, einer der wichtigsten Faktoren für die Genehmigung von Verträgen durch die Kommission sei. Er stellte fest, daß im vorliegenden Fall die Änderungen unmittelbar mit den betroffenen Unternehmen vereinbart worden seien, ohne daß diese dem Wettbewerb mit anderen Lieferanten ausgesetzt worden seien. Sodann schloß er: "Die Kommission kann derart wichtige Änderungen, die durch einfache Zusätze zu den bestehenden Verträgen vorgenommen werden, nicht genehmigen." Er erklärte sich bereit, die Änderungen in bezug auf den Aufschub von Lieferungen und Zahlungen zu genehmigen, vorbehaltlich der Einhaltung des üblichen Verfahrens. Hingegen führte er aus: "Wenn es für notwendig erachtet wurde, die Preise oder die Mengen zu ändern, so hätten neue Verträge ausgehandelt werden müssen, die der Kommission in Anwendung des üblichen vollständigen Verfahrens (einschließlich der Einreichung mindestens dreier Angebote) zur Genehmigung hätten vorgelegt werden müssen."

22 Am 5. April 1993 erhielt die Klägerin ein Fernschreiben von Exportkhleb, mit dem sie von der ablehnenden Entscheidung der Kommission unterrichtet wurde und in dem auszugsweise aus dem Herrn Legras zugeschriebenen Brief vom 1. April 1993 zitiert wurde. Am 20. April erhielt sie von Exportkhleb den vollständigen Text des in Rede stehenden Schreibens.

Verfahren und Anträge der Parteien

23 Unter diesen Umständen hat die Klägerin mit Klageschrift, die am 22. Juni 1993 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben, die unter der Nummer C-357/93 in das Register eingetragen worden ist.

24 Der Gerichtshof hat das Verfahren mit Beschluß vom 27. September 1993 gemäß dem Beschluß 93/350/Euratom, EGKS, EWG des Rates vom 8. Juni 1993 zur Änderung des Beschlusses 88/591/EGKS, EWG, Euratom zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 144, S. 21) an das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften verwiesen.

25 Die Rechtssache ist unter der Nummer T-494/93 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden. Die Kommission hat mit Schriftsatz, der am 7. Dezember 1993 bei der Kanzlei eingegangen ist, eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben.

26 Das Gericht (Dritte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.

27 Die Vertreter der Parteien haben in der öffentlichen Sitzung vom 25. April 1996 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

28 Die Klägerin beantragt,

° die Entscheidung der Kommission vom 1. April 1993, mit der die Anerkennung der am 23. Februar 1993 geschlossenen Vereinbarungen und der im Zusammenhang damit stehenden Änderungen der Akkreditive abgelehnt wurde, für nichtig zu erklären;

° die Gesellschaft in ihre Rechte wiedereinzusetzen, von der Bank Crédit Lyonnais den Saldo für die seit dem 28. Februar 1993 gelieferten Mengen Weizen ausgezahlt zu erhalten, der sich aus dem Unterschied zwischen dem ursprünglich vereinbarten Preis und den später vereinbarten Preisen ergibt; hilfsweise behält sich die Klägerin ausdrücklich alle Rechte vor, erforderlichenfalls aus ausservertraglicher Haftung vorzugehen, um Ersatz des ihr entstandenen Schadens zu erlangen;

° der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

29 Die Kommission beantragt in ihrer Einrede der Unzulässigkeit,

° die Klage für unzulässig zu erklären, da sie nicht innerhalb der Klagefrist erhoben worden ist;

° die Nichtigkeitsklage für unzulässig zu erklären, da die Klägerin nicht unmittelbar betroffen ist;

° die inzident erhobene Klage für unzulässig zu erklären;

° der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

30 Die Klägerin beantragt in ihrer Stellungnahme zur Einrede der Unzulässigkeit,

° die Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen.

Zur Zulässigkeit

31 Die Kommission stützt ihre Einrede der Unzulässigkeit auf drei Gründe. Erstens sei die Klage insgesamt unzulässig, da sie verspätet erhoben worden sei. Zweitens sei die Nichtigkeitsklage unzulässig, da die Klägerin durch die angefochtene Maßnahme nicht unmittelbar betroffen sei. Drittens entspreche die inzident erhobene Klage keinem bekannten Rechtsbehelf. In Anbetracht der Umstände des vorliegenden Falles ist das Gericht der Ansicht, daß zweckmässigerweise zuerst der zweite und der dritte Grund zu prüfen sind.

Zur Zulässigkeit des Antrags auf Nichtigerklärung

Vorbringen der Parteien

32 Die Kommission erhebt eine Einrede der Unzulässigkeit mit der Begründung, daß die Klägerin von der angefochtenen Maßnahme nicht im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages unmittelbar betroffen sei.

33 Vorab macht die Kommission umfangreiche Ausführungen zur Beschreibung der in Rede stehenden gesetzlichen und vertraglichen Mechanismen. Sie macht geltend, daß die Nichtigkeitsklage schon wegen der Art der getroffenen Vereinbarungen unzulässig sei.

34 Die Rahmenvereinbarung stelle die Grundlage für den Vertrag zwischen der Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Gewährung des Darlehens dar. Sie setze den Betrag des Darlehens fest (349 Millionen ECU), und in ihr seien die Voraussetzungen für die Genehmigung der Verträge aufgeführt.

35 Zum Darlehensvertrag führt die Kommission aus, die Durchführung des Darlehens sei ein privates Handelsgeschäft. Nichts lasse den Schluß zu, daß die dort vorgesehene Möglichkeit vom 15. Januar 1993 an gelte, da nach der Bestimmung Nummer 4 verschiedene Voraussetzungen erfuellt sein müssten, damit sie wirksam werden könne. Auch billige der Vertrag ihr keine Rolle beim Abschluß von Lieferverträgen zu, sondern sie beschränke sich auf deren Prüfung daraufhin, ob sie für das Gemeinschaftsdarlehen in Betracht kämen.

36 Zum eigentlichen Dokumentenakkreditiv führt die Kommission aus, daß zwar durch das unwiderrufliche Akkreditiv ein rechtlich bindender Vertrag zwischen der Bank, die es eröffne, und dem Schuldner zustande komme, ein solcher Vertrag aber keine Verpflichtung der Gemeinschaft beinhalte, daß dem Auszahlungsantrag des Lieferanten von den Gemeinschaftsbehörden stattgegeben werde. Im übrigen begründe ein von der Akkreditivbank eröffnetes Dokumentenakkreditiv wie jedes nicht bestätigte Akkreditiv nur eine bedingte Haftung der betreffenden Bank gegenüber dem Lieferanten, da dessen Zahlungsanspruch nur dann wirksam werde, wenn das Unternehmen die Dokumente vorlege, die belegten, daß die für die Zahlung notwendigen Handlungen vorgenommen worden seien, beispielsweise durch die Vorlage von Verladerechnungen. Daher übernehme die Gemeinschaft keinerlei Haftung gegenüber dem Lieferanten oder seiner Bank, und in der Praxis übersende die Gemeinschaft der Bank des Lieferanten eine Erstattungszusage, wenn bei ihr ein berechtigter Auszahlungsantrag gestellt werde. Diese Zusage erfolge auf alle Fälle nach Maßgabe der im Bestätigungsschreiben enthaltenen wesentlichen Angaben, gelte jedoch vor allem nur gegenüber der Bank des Lieferanten, der die Gemeinschaft lediglich garantiere, daß die Verpflichtung der Akkreditivbank entsprechend dem Dokumentenakkreditiv erfuellt werde. Die Kommission hebt hervor, daß der blosse Zahlungsanspruch eines Lieferanten aufgrund eines nicht bestätigten Dokumentenakkreditivs nur gegenüber der Akkreditivbank, im vorliegenden Fall der VEB, bestehe.

37 Die Kommission macht geltend, daß die mit Exportkhleb geschlossenen Lieferverträge vor dem Abschluß der Rahmenvereinbarung und des Darlehensvertrags unterschrieben worden seien und daß die Klägerin weder über den Darlehensvertrag habe verfügen noch den Zeitpunkt habe bestimmen können, zu dem die Akkreditivbank die aufgestellten Bedingungen für die Bereitstellung des Darlehens erfuellen würde.

38 Das Bestätigungsschreiben sei entsprechend den Bestimmungen des Darlehensvertrags erstellt worden und könne die zwischen der Klägerin und Exportkhleb vereinbarten Vertragsbestimmungen nicht ändern.

39 Ebenfalls vorab weist die Kommission auf Parallelen hin, die dieses System mit demjenigen aufweise, das für die Finanzierung von Entwicklungsprojekten im Rahmen des Lomé-Abkommens gelte. Wie der Gerichtshof im Urteil vom 10. Juli 1984 in der Rechtssache 126/83 (STS/Kommission, Slg. 1984, 2769) entschieden habe, werde durch Artikel 120 des Abkommens von Lomé der Grundsatz aufgestellt, daß die Mitgliedstaaten für die Durchführung der Vorhaben und Aktionsprogramme ausschließlich verantwortlich seien. In diesem Zusammenhang seien sie für die Vorbereitung, Aushandlung und Abschluß der Aufträge verantwortlich, die in Zusammenhang mit der Durchführung dieser Vorgänge stuenden. Das gleiche gelte für das System, das zur Finanzierung der Weizeneinfuhren eingeführt worden sei, denn nach der Rahmenvereinbarung werde das Darlehen zur Deckung der vom Darlehensnehmer zur Erfuellung der Lieferverträge gegebenen unwiderruflichen Dokumentenakkreditive gewährt. Die Rolle der Kommission im System von Lomé sei noch bedeutender als im System des russischen Darlehens, da sie bei letzterem nicht an der Auftragsvergabe beteiligt sei.

40 Die Klägerin könne nicht als von dem streitigen Schreiben vom 1. April 1993 unmittelbar betroffen im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages betrachtet werden. Mit diesem Schreiben sei nicht bezweckt gewesen ° und habe nicht bezweckt sein können °, den Inhalt des Handelsvertrages zwischen der Klägerin und Exportkhleb zu ändern. Die Rolle der Kommission bestehe ausschließlich darin, zu prüfen, ob die in den Regelungen vorgesehenen Bedingungen für die Finanzierung erfuellt seien, und bejahendenfalls die Auszahlung des russischen Darlehens zu genehmigen. Es sei nicht Aufgabe der Kommission, die Handelsverträge zu bestätigen. Das Schreiben der Kommission habe nur zur Folge, daß das Darlehen nicht mehr zur Bezahlung der Weizenlieferungen nach dem geänderten Inhalt des Vertrages dienen könne.

41 Die Kommission verweist in diesem Zusammenhang auf das Urteil STS/Kommission (a. a. O.), in der sich vergleichbare Probleme im Rahmen des Abkommens von Lomé gestellt hätten und dessen Ergebnis übertragbar sei.

42 Abschließend stellt die Kommission fest, daß das Unternehmen ebenso, wie sie in bezug auf den zwischen dem Unternehmen aus der Gemeinschaft und der zuständigen russischen Behörde geschlossenen Vertrag Dritte sei, in bezug auf den Darlehensvertrag Dritter sei. Unter diesen Umständen könne die Klägerin nicht unmittelbar betroffen im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages sein.

43 Die Klägerin weist zunächst auf die Besonderheiten des eingeführten Systems hin, da die als Darlehen gewährten Mittel unmittelbar dazu verwendet würden, die Waren, die aufgrund der von der Kommission anerkannten Verträge geliefert würden, durch die Gemeinschaft oder ihren Finanzmakler Crédit Lyonnais zu bezahlen. Der russische Darlehensnehmer habe zu keinem Zeitpunkt Zugang zu diesen Mitteln, da das russische Darlehen in Wirklichkeit in einer von der Gemeinschaft eröffneten Kreditlinie bestehe, die bei ihrem Finanzmakler in Anspruch genommen werden könne. Durch die Genehmigung der Kaufverträge, für deren Erteilung in veröffentlichten Gemeinschaftsregelungen Kriterien, Regeln und Voraussetzungen festgelegt seien, werde eine direkte Beziehung zum Verkäufer hergestellt. Mit ihr werde nämlich bestätigt, daß er für die Gewährung des Darlehens in Betracht komme, und sie gebe ihm die Gewißheit, daß er Bezahlung erhalten werde, wenn die in den Regelungen festgelegten Kriterien erfuellt seien; ohne diese Gewißheit hätte er keinen Vertrag geschlossen. Wenn die Klägerin von der Genehmigung unmittelbar betroffen sei, so sei sie es erst recht von der Weigerung, die Verträge zu genehmigen.

44 Die Klägerin wendet sich sodann gegen die Ansicht der Kommission, daß eine Parallelität zu den Urteilen bestehe, die der Gerichtshof im Rahmen des Abkommens von Lomé erlassen habe. So habe in der erwähnten Rechtssache STS/Kommission die Klägerin mit ihrer Klage gegen die Entscheidung der Kommission, die Zuschlagserteilung an einen anderen Bieter zu billigen, in Wirklichkeit die Entscheidung angefochten, die Bewerbung dieses anderen Bieters anzunehmen. Im vorliegenden Fall komme die Entscheidung der Kommission jedoch nicht zu dem bereits geschlossenen Vertrag hinzu, sondern sei Voraussetzung für sein Zustandekommen. Einziger Zweck der Klage sei es, eine Entscheidung der Kommission anzufechten, mit der die Genehmigung des zwischen der Klägerin und Exportkhleb geschlossenen Vertrages abgelehnt werde. Da der Handelsvertrag nur unter der Voraussetzung zustande komme, daß die Kommission die Darlehen gewähre, habe die ablehnende Entscheidung der Kommission zur Folge, daß zwischen der Klägerin und den russischen Behörden keine Rechtsbeziehung bestehe und dementsprechend auch kein Rechtsbehelf gegeben sei. Eine Parallele sei vielmehr zu der Rechtssache International Fruit Company u. a. (Urteil vom 13. Mai 1971 in den Rechtssachen 41/70 bis 44/70, Slg. 1971, 411) zu ziehen.

45 Schließlich gehe aus dem Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache hervor, daß die Klägerin unmittelbar betroffen sei. Die Weigerung, den geänderten Vertrag zu genehmigen, führe unmittelbar dazu, daß sie nur teilweise Bezahlung erhalten habe. Zwischen der Kommission und ihr sei ein umfangreicher Schriftwechsel geführt worden; insbesondere habe sie eine Kopie des Bestätigungsschreibens vom 27. Januar 1993 erhalten. Wenn im übrigen die Erfuellung der ursprünglichen Verträge Probleme aufwerfe, so nur wegen der beträchtlichen Verzögerung, mit der sie genehmigt worden seien; diese Verzögerung habe den Ablauf des vorgesehenen Lieferprogramms gestört und eine Neuaushandlung der Verträge unausweichlich gemacht.

46 Die Klägerin meint schließlich unter Berufung auf ein schutzwürdiges Vertrauen, das sich aus den der Versagung der Genehmigung vorausgehenden Schreiben der Kommission ergebe, daß die erforderlich gewordenen Preisänderungen gebilligt seien.

Würdigung durch das Gericht

47 Nach Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages kann jede natürliche oder juristische Person gegen diejenigen Entscheidungen Klage erheben, die, obwohl sie als eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung ergangen sind, sie unmittelbar und individuell betreffen.

48 Es ist daher zu prüfen, ob die Klägerin von dem Schreiben, das die Kommission am 1. April 1993 an die VEB richtete, unmittelbar und individuell betroffen ist.

49 Das Gericht stellt vorab fest, daß die Kommission nicht bestritten hat, daß die Klägerin individuell betroffen sei. Aufgrund der Umstände des vorliegenden Falles ist das Gericht der Ansicht, daß nur die Frage zu prüfen ist, ob die Klägerin von der streitigen Entscheidung unmittelbar betroffen ist.

50 Hierzu ist festzustellen, daß die Regelungen der Gemeinschaft und die zwischen der Gemeinschaft und der Russischen Föderation geschlossenen Abkommen eine Zuständigkeitsverteilung zwischen der Kommission und dem von der Russischen Föderation mit dem Ankauf von Weizen beauftragten Bevollmächtigten vorsehen. Es ist nämlich Sache dieses Bevollmächtigten, im vorliegenden Fall der Exportkhleb, im Wege der Ausschreibung den Vertragspartner auszuwählen, die Vertragsbedingungen auszuhandeln und den Vertrag zu schließen. Der Kommission ist dabei nur die Rolle zugewiesen, zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Gemeinschaftsfinanzierung erfuellt sind, und gegebenenfalls im Hinblick auf die Auszahlung des Darlehens zu bestätigen, daß die Verträge dem Beschluß 91/658 und den mit der Russischen Föderation geschlossenen Abkommen entsprechen. Es ist daher nicht Aufgabe der Kommission, den Handelsvertrag anhand anderer als dieser Kriterien zu beurteilen.

51 Somit unterhält ein Unternehmen, an das ein Auftrag vergeben wird, rechtliche Beziehungen nur mit seinem Vertragspartner, der Exportkhleb, die von der Russischen Föderation zum Kauf von Weizen bevollmächtigt ist. Die Kommission unterhält rechtliche Beziehungen nur zum Darlehensnehmer, d. h. dem Finanzmakler der Russischen Föderation, der VEB, die ihr die Handelsverträge zum Zweck der Anerkennung der Konformität übersendet und Adressat der entsprechenden Entscheidung der Kommission ist.

52 Daher berührt das Handeln der Kommission nicht die Rechtsgültigkeit des zwischen der Klägerin und Exportkhleb geschlossenen Handelsvertrags und ändert den Inhalt des Vertrages insbesondere in bezug auf die zwischen den Parteien vereinbarten Preise nicht. Somit bleibt die von den Parteien am 23. Februar 1993 vorgenommene Änderung ihres Vertrages vom 28. November 1992 unabhängig von der Entscheidung der Kommission, die Übereinstimmung der Vereinbarungen mit den anwendbaren Bestimmungen nicht anzuerkennen, mit dem zwischen den Parteien vereinbarten Inhalt wirksam.

53 Der Umstand, daß die Kommission Kontakte zur Klägerin oder zu Exportkhleb unterhielt, kann an dieser Beurteilung der Rechte und rechtlichen Pflichten nichts ändern, die sich für jede Partei aus den anwendbaren Regelungen und Vertragsbestimmungen ergeben. Im Hinblick auf die Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage ist überdies festzustellen, daß der Schriftwechsel, auf den sich die Klägerin beruft, nicht belegt, daß die Kommission etwa ihre Befugnisse überschritten hätte. So hatten die angeführten Kontakte zwischen der Kommission und der Klägerin im Januar 1993 ausschließlich den Zweck, zu erreichen, daß die Parteien in ihren Vertrag eine für die Anerkennung der Konformität unerläßliche Bedingung aufnehmen; es blieb jedoch den Parteien überlassen, ihren Vertrag zu ändern, wenn sie in den Genuß der vorgesehenen Finanzierung kommen wollten. Ausserdem hat der Umstand, daß die Kommission eine Kopie des an die VEB gerichteten Bestätigungsschreibens an die Klägerin gesandt hat, keinen Einfluß auf die rechtliche Bedeutung dieses Schreibens.

54 Zwar kann die VEB, wenn sie von der Kommission eine Entscheidung erhält, mit der die Unvereinbarkeit des Vertrages mit den anwendbaren Bestimmungen festgestellt wird, kein Dokumentenakkreditiv ausstellen, für das die Garantie der Gemeinschaft erteilt werden kann; doch berührt diese Entscheidung weder die Gültigkeit des zwischen der Klägerin und Exportkhleb geschlossenen Vertrages noch dessen Inhalt. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß die Entscheidung der Kommission nicht eine Entscheidung der nationalen russischen Behörden ersetzt, da die Kommission nur für die Prüfung der Konformität der Verträge im Hinblick auf die Gemeinschaftsfinanzierung zuständig ist.

55 Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht, um darzutun, daß sie von der streitigen Entscheidung unmittelbar betroffen ist, auf den Umstand berufen, daß die Handelsverträge eine aufschiebende Bestimmung enthalten, nach der die Erfuellung des Vertrages und die Zahlung des Preises davon abhängig sein soll, daß die Kommission die Erfuellung der Voraussetzungen für die Auszahlung des Gemeinschaftsdarlehens bestätigt. Durch eine solche Bestimmung wollen die Vertragsparteien nämlich einen Zusammenhang zwischen dem von ihnen geschlossenen Vertrag und einem zukünftigen ungewissen Ereignis in dem Sinn herstellen, daß die Wirksamkeit ihres Vertrages vom Eintritt dieses Ereignisses abhängen soll. Die Zulässigkeit einer Klage gemäß Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages kann aber nicht vom Willen der Parteien abhängig gemacht werden. Das Vorbringen der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

56 Schließlich ist das Gericht der Ansicht, daß das von der Klägerin geltend gemachte schutzwürdige Vertrauen darauf, daß die Kommission die Vertragsänderung bestätigen würde, die Begründetheit der Klage betrifft und daher die Beurteilung der Zulässigkeit der Klage nicht berührt.

57 Aufgrund dieser Umstände ist das Gericht der Ansicht, daß die Klägerin von der an die VEB gerichteten Entscheidung der Kommission vom 1. April 1993 nicht im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages unmittelbar betroffen ist. Daher ist die gegen diese Entscheidung gerichtete Nichtigkeitsklage für unzulässig zu erklären.

Zum Antrag auf Wiedereinsetzung der Klägerin in ihre Rechte gegenüber einem Dritten

58 Die Klägerin hat beantragt, "die Compagnie Continentale in ihre Rechte wiedereinzusetzen, von der Bank Crédit Lyonnais den Restbetrag (gemäß dem Unterschied zwischen dem Preis nach den Verträgen vom 27. November 1992 und den neuen Preisen nach den Vereinbarungen vom 23. Februar 1993) für die seit dem 28. Februar 1993 gelieferten Mengen Weizen zu erhalten".

59 Im Rahmen eines auf Artikel 173 des Vertrages gestützten Verfahrens wegen Nichtigerklärung nimmt der Gemeinschaftsrichter lediglich eine Kontrolle der Rechtmässigkeit der angefochtenen Maßnahme vor. Unter diesen Umständen überschreitet der Antrag auf Wiedereinsetzung der Klägerin in ihre Rechte die Grenzen der Zuständigkeit, die der Vertrag dem Gemeinschaftsrichter im Rahmen eines Verfahrens wegen Nichtigerklärung übertragen hat, und ist daher für unzulässig zu erklären.

60 Aufgrund dieser Umstände ist die Klage, ohne daß die Rüge der Verspätetheit der Klageerhebung geprüft zu werden braucht, insgesamt als unzulässig abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

61 Nach Artikel 87 § 2 ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten.

Ende der Entscheidung

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