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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 08.07.2008
Aktenzeichen: T-52/03
Rechtsgebiete: EG, Entscheidung 2005/471/EG


Vorschriften:

EG Art. 81
Entscheidung 2005/471/EG
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gericht Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)

8. Juli 2008

"Wettbewerb - Kartelle - Gipsplattenmarkt - Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt wird - Akteneinsicht - Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung - Zurechnung - Geldbuße - Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen - Zusammenarbeit im Verwaltungsverfahren"

Parteien:

In der Rechtssache T-52/03

Knauf Gips KG, vormals Gebrüder Knauf Westdeutsche Gipswerke KG, mit Sitz in Iphofen (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwälte M. Klusmann und F. Wiemer, dann Rechtsanwalt Klusmann,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, zunächst vertreten durch F. Castillo de la Torre und S. Rating, dann durch F. Castillo de la Torre und R. Sauer als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2005/471/EG der Kommission vom 27. November 2002 bezüglich eines Verfahrens zur Durchführung von Artikel 81 [EG] gegen: BPB PLC, Gebrüder Knauf Westdeutsche Gipswerke KG, Société Lafarge SA, Gyproc Benelux NV (Sache COMP/E-1/37.152 - Gipsplatten) (ABl. 2005, L 166, S. 8), hilfsweise, Herabsetzung der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Jaeger, der Richterin V. Tiili und des Richters O. Czúcz,

Kanzler: K. Pochec, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. Januar 2007

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Die Klägerin, die Knauf Gips KG, vormals Gebrüder Knauf Westdeutsche Gipswerke KG (im Folgenden: Knauf oder Klägerin), produziert und vertreibt Baustoffe auf Gipsbasis.

2 Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft (KG) nach deutschem Recht. Alle Gesellschaftsanteile an der Klägerin befinden sich in den Händen von 21 Mitgliedern der Familie Knauf sowie einer Gesellschaft, die die Anteile der vier weiteren Gesellschafter hält. Persönlich haftende Gesellschafter der Klägerin sind Herr [B] und Herr [C].

3 Aufgrund von Informationen, die ihr zur Kenntnis gelangt waren, nahm die Kommission am 25. November 1998 bei acht im Gipsplattenbereich tätigen Unternehmen, zu denen auch die Klägerin und weitere Unternehmen der Knauf-Gruppe gehörten, unangekündigte Überprüfungen vor. Am 1. Juli 1999 setzte sie ihre Nachforschungen bei zwei weiteren Unternehmen fort.

4 Anschließend richtete die Kommission nach Art. 11 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. Nr. 13, S. 204), Auskunftsersuchen an die einzelnen Unternehmen. Darin erbat sie Auskünfte zu Dokumenten, die bei den Nachprüfungen im November 1998 und im Juli 1999 in den Geschäftsräumen dieser Unternehmen vorgefunden worden waren. Knauf beantwortete dieses Auskunftsersuchen am 14. September 1999.

5 Am 18. April 2001 leitete die Kommission das Verwaltungsverfahren ein und erließ eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an die Unternehmen BPB plc, Knauf, Société Lafarge SA (im Folgenden: Lafarge), Etex SA und Gyproc Benelux NV (im Folgenden: Gyproc). Die betroffenen Unternehmen gaben ihre schriftlichen Bemerkungen ab und erhielten Einsicht in die Ermittlungsakte der Kommission in Form einer Kopie auf CD-ROM, die ihnen am 17. Mai 2001 zugesandt wurde.

6 Mit Schreiben vom 6. Juli 2001 erwiderte die Klägerin auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte.

7 Am 17. Juli 2001 fanden Anhörungen statt. BPB und Gyproc präsentierten einen Teil ihres Vortrags unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

8 Mit Schreiben vom 10. August 2001 übermittelte der Anhörungsbeauftragte der Klägerin nichtvertrauliche Fassungen von Dokumenten von BPB und Gyproc.

9 Mit Schreiben vom 20. August 2001 beantragte die Klägerin Akteineinsicht in sämtliche Unterlagen, die seit der Übersendung der CD-ROM Eingang in die Ermittlungsakten gefunden hatten, insbesondere in die Erwiderungen der übrigen vom Verwaltungsverfahren betroffenen Unternehmen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte.

10 Am 7. September 2001 übersandte der Anhörungsbeauftragte der Klägerin drei weitere Schriftstücke, die Lafarge der Kommission im Anschluss an die Anhörung vom 17. Juli 2001 übermittelt hatte.

11 Am 11. September 2001 lehnte die Kommission den Antrag der Klägerin vom 20. August 2001 auf weitere Akteneinsicht ab.

12 Am 19. November 2002 erstellte der Anhörungsbeauftragte seinen Bericht.

13 Am 27. November 2002 erließ die Kommission die Entscheidung 2005/471/EG bezüglich eines Verfahrens zur Durchführung von Artikel 81 [EG] gegen BPB, Knauf, Lafarge und Gyproc (Sache COMP/E-1/37.152 - Gipsplatten) (ABl. 2005, L 166, S. 8, im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

14 Der verfügende Teil der angefochtenen Entscheidung lautet:

"Artikel 1

BPB ..., der Knauf Konzern, ... Lafarge ... und Gyproc ... haben gegen Artikel 81 Absatz 1 [EG] verstoßen, indem sie an einer Gesamtheit von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Gipsplattensektor teilgenommen haben.

Die Zuwiderhandlung war von folgender Dauer:

- BPB ...: spätestens ab 31. März 1992 bis 25. November 1998

- [der] Knauf [Konzern]: spätestens ab 31. März 1992 bis 25. November 1998

- ... Lafarge ...: spätestens ab 31. [August] 1992 bis 25. November 1998

- Gyproc ...: spätestens ab 6. Juni 1996 bis 25. November 1998

...

Artikel 3

Wegen der in Artikel 1 genannten Zuwiderhandlung werden folgende Geldbußen gegen folgende Unternehmen festgesetzt:

- BPB ...: 138,6 Mio. EUR,

- Knauf ...: 85,8 Mio. EUR

- ... Lafarge ...: 249,6 Mio. EUR

- Gyproc ...: 4,32 Mio. EUR

..."

15 Die Kommission geht in der angefochtenen Entscheidung davon aus, dass die betroffenen Unternehmen an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung teilgenommen hätten, die in folgenden Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen ihren Ausdruck gefunden habe:

- 1992 hätten sich Vertreter von BPB und Knauf in London (Vereinigtes Königreich) getroffen und sich dafür ausgesprochen, die Gipsplattenmärkte Deutschlands, des Vereinigten Königreichs, Frankreichs und der Benelux-Staaten gemeinsam zu stabilisieren;

- 1992 hätten Vertreter von BPB und Knauf ein System zum Austausch von Informationen über ihre Verkaufsmengen auf den Märkten Deutschlands, des Vereinigten Königreichs, Frankreichs und der Benelux-Staaten eingeführt, dem Lafarge und später Gyproc beigetreten seien;

- die Vertreter von BPB, Knauf und Lafarge hätten einander mehrmals über geplante Preiserhöhungen auf dem Markt des Vereinigten Königreichs informiert;

- die Vertreter von BPB, Knauf, Lafarge und Gyproc hätten sich 1996 in Versailles (Frankreich), 1997 in Brüssel (Belgien) und 1998 in Den Haag (Niederlande) getroffen, um auf besondere Entwicklungen im deutschen Markt zu reagieren, den deutschen Markt aufzuteilen oder ihn zumindest zu stabilisieren;

- zwischen 1996 und 1998 hätten die Vertreter von BPB, Knauf, Lafarge und Gyproc einander informiert und mehrmals die Anwendung von Preiserhöhungen auf dem deutschen Markt abgesprochen.

16 Zur Berechnung der Höhe der Geldbuße wandte die Kommission das Verfahren an, das in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien), festgelegt ist.

17 Bei der Festsetzung des nach Maßgabe der Schwere der Zuwiderhandlung ermittelten Ausgangsbetrags der Geldbuße ging die Kommission zunächst davon aus, dass die betreffenden Unternehmen eine ihrer Art nach sehr schwere Zuwiderhandlung begangen hätten, da die in Rede stehenden Verhaltensweisen bezweckt hätten, durch den Austausch vertraulicher Informationen den Preiskrieg zu beenden und den Markt zu stabilisieren. Außerdem hätten diese Verhaltensweisen Auswirkungen auf den Markt gehabt, da auf die betreffenden Unternehmen fast das gesamte Gipsplattenangebot entfalle und die verschiedenen Kartellvereinbarungen auf einem hochkonzentrierten und oligopolistischen Markt umgesetzt worden seien. Zum Umfang des räumlich relevanten Marktes vertrat die Kommission die Auffassung, dass die Vereinbarung die vier größten Märkte in der Gemeinschaft, nämlich Deutschland, das Vereinigte Königreich, Frankreich und die Benelux-Staaten, umfasst habe.

18 Sodann nahm die Kommission, da sie von einem erheblichen Unterschied zwischen den betreffenden Unternehmen ausging, eine Differenzierung vor, wobei sie sich insoweit auf die Umsatzzahlen für die fraglichen Produkte auf den in Rede stehenden Märkten während des letzten vollständigen Jahres der Zuwiderhandlung stützte. Auf dieser Grundlage wurde der Ausgangsbetrag der Geldbußen auf 80 Mio. Euro für BPB, auf 52 Mio. Euro für Knauf und für Lafarge sowie auf 8 Mio. Euro für Gyproc festgesetzt.

19 Um angesichts der Größe und der Gesamtressourcen der Unternehmen eine hinreichend abschreckende Wirkung der Geldbuße zu gewährleisten, wurde der Ausgangsbetrag der gegen Lafarge festgesetzten Geldbuße um 100 % auf 104 Mio. Euro erhöht.

20 Um die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen, wurde der Ausgangsbetrag anschließend für BPB und für Knauf um 65 %, für Lafarge um 60 % und für Gyproc um 20 % erhöht, da die Kommission bei Knauf, Lafarge und BPB eine Zuwiderhandlung von langer Dauer und bei Gyproc eine Zuwiderhandlung von mittlerer Dauer annahm.

21 Aufgrund erschwerender Umstände wurden die Grundbeträge der Geldbußen gegenüber BPB und Lafarge wegen Rückfalls um 50 % erhöht.

22 Anschließend ermäßigte die Kommission die Geldbuße gegenüber Gyproc wegen mildernder Umstände um 25 %, weil Gyproc ein Unsicherheitsfaktor gewesen sei, der zur Begrenzung der Auswirkungen des Kartells auf den deutschen Markt beigetragen habe, und weil sie auf dem Markt des Vereinigten Königreichs nicht tätig gewesen sei.

23 Schließlich ermäßigte die Kommission in Anwendung von Abschnitt D Nr. 2 ihrer Mitteilung über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4; im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit) den Betrag der Geldbuße bei BPB um 30 % und bei Gyproc um 40 %. Der Endbetrag der Geldbußen belief sich daher auf 138,6 Mio. Euro für BPB, 85,8 Mio. Euro für Knauf, 249,6 Mio. Euro für Lafarge und 4,32 Mio. Euro für Gyproc.

Verfahren und Anträge der Parteien

24 Die Klägerin hat mit am 13. Februar 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift die vorliegende Klage erhoben.

25 Im Zuge der Änderung der Zusammensetzung der Kammern des Gerichts zu Beginn des neuen Gerichtsjahrs ist der Berichterstatter der Dritten Kammer zugeteilt worden; folglich ist die vorliegende Rechtssache dieser Kammer zugewiesen worden.

26 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Dritte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und hat die Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 der Verfahrensordnung des Gerichts zur Vorlage bestimmter Unterlagen aufgefordert und ihnen schriftliche Fragen gestellt, die die Parteien fristgemäß beantwortet haben.

27 Die Parteien haben in der Sitzung vom 23. Januar 2007 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

28 Die Klägerin beantragt,

- die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie die Klägerin betrifft;

- hilfsweise, die Höhe des ihr von der Kommission auferlegten Bußgelds angemessen herabzusetzen;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

29 Die Kommission beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Gründe

30 Die Klägerin macht acht Klagegründe geltend. Der erste Klagegrund wird auf eine Verletzung der Verteidigungsrechte gestützt. Mit dem zweiten Klagegrund rügt die Klägerin einen Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG. Der dritte Klagegrund wird auf eine Verkennung des Begriffs der fortgesetzten Zuwiderhandlung gestützt. Im Rahmen des vierten Klagegrundes rügt die Klägerin einen offensichtlichen Ermessensfehler bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Einheit, der die angebliche Zuwiderhandlung zur Last gelegt wird. Der fünfte Klagegrund wird auf eine Verletzung der Begründungspflicht sowie einen Verstoß gegen Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 bei der Bestimmung des Ausgangsbetrags der Geldbuße gestützt. Mit dem sechsten Klagegrund wirft die Klägerin der Kommission einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz in Bezug auf die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit vor. Der siebte Klagegrund wird auf einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) sowie gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung gestützt. Mit dem achten Klagegrund rügt die Klägerin einen Rechtsfehler sowie einen offensichtlichen Ermessensfehler bei der Festsetzung der Verzugszinsen.

1. Zum ersten Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte

31 Dieser Klagegrund gliedert sich in sieben Teile, in denen die Klägerin geltend macht, dass

- die angefochtene Entscheidung im Kern auf belastende Beweismittel gestützt worden sei, die der Klägerin trotz entsprechender Anträge niemals zugänglich gemacht worden seien;

- in diesen Beweismitteln möglicherweise auch entlastende Elemente enthalten seien;

- die angefochtene Entscheidung wesentlich von der Mitteilung der Beschwerdepunkte abweiche;

- die den betroffenen Unternehmen im Rahmen der Akteneinsicht bei Übermittlung der Beschwerdepunkte zugänglich gemachten Beweismittel in erheblichem Umfang unvollständig gewesen seien;

- die Anhörung von Gyproc zu Unrecht vertraulich stattgefunden habe;

- der Anhörungsbeauftragte während des Verfahrens gewechselt habe;

- ihr Anspruch auf rechtliches Gehör durch unzureichende Sprachkenntnisse der mit der Sache befassten Kommissionsbeamten verletzt worden sei.

Zum ersten Teil: Verweigerung des Zugangs zu belastenden Beweismitteln

Vorbringen der Parteien

32 Die Klägerin trägt vor, dass die angefochtene Entscheidung maßgeblich auf belastende Beweismittel gestützt worden sei, die ihr niemals zugänglich gemacht worden seien, obwohl sie dies mit Schreiben vom 20. August 2001 ausdrücklich beantragt habe. Die Kommission hätte ihr aber alle später in der angefochtenen Entscheidung zitierten Beweismittel zugänglich machen müssen.

33 Es handele sich insbesondere um die Erwiderungen von BPB, Lafarge und Gyproc auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte sowie die Erklärung von Herrn [G], eines der Leiter von Lafarge, nach der Anhörung. In den Randnrn. 56, 57, 59, 102, 106, 112, 114, 127 ff. 153, 173, 175, 181, 184, 186 ff., 209, 211, 212, 213, 232, 234, 242, 250, 253, 274, 276 und 395 der angefochtenen Entscheidung habe die Kommission diese Dokumente zur Grundlage ihrer tatsächlichen Würdigung und Beweisführung gemacht.

34 Auch wenn die Klägerin gegen die Zurückweisung ihres Antrags auf Akteneinsicht nicht auf dem Rechtsweg vorgegangen sei, sei die Kommission verpflichtet gewesen, die Mitteilung der Beschwerdepunkte zu ergänzen oder zu ersetzen und auch erweiterte Akteneinsicht in die Beweismittel zu gewähren, soweit sie die angefochtene Entscheidung auf die den betroffenen Unternehmen nicht übermittelten Dokumente habe stützen wollen.

35 Die Kommission ist der Auffassung, dass die Antworten der übrigen Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte schon deswegen nicht Teil der Verfahrensakte seien, weil diese mit dem Versand der Beschwerdepunkte abgeschlossen werde. Eine Verpflichtung, Einsicht in diese Antworten zu gewähren, bestehe nur dann, wenn die Kommission die Antworten dazu verwende, das Bestehen einer Zuwiderhandlung durch ein anderes Unternehmen nachzuweisen. Somit sei allein ausschlaggebend, ob die angefochtene Entscheidung auf Sachverhaltselemente gestützt sei, die nicht bereits Gegenstand der Mitteilung der Beschwerdepunkte gewesen seien.

36 Die Kommission räumt ein, dass sie die Einsicht in die Stellungnahmen der übrigen Kartellteilnehmer mit der Begründung verweigert habe, dass die Einsicht für die Verteidigung von Knauf im Rahmen der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht notwendig sei. Dieser ablehnende Bescheid enthalte eine Rechtsmittelbelehrung. Die Klägerin habe sich jedoch deswegen weder an den Anhörungsbeauftragten noch an einen anderen Bediensteten der Kommission gewandt. Folglich habe die Klägerin von der Möglichkeit der Einsichtnahme in die gesamte Ermittlungsakte keinen Gebrauch machen wollen.

37 Jedenfalls habe die Kommission die Stellungnahmen anderer Kartellteilnehmer nur am Rande zur Absicherung ihrer unabhängig davon bewiesenen Schlussfolgerungen herangezogen.

Würdigung durch das Gericht

38 Zunächst ist daran zu erinnern, dass der Zweck der Akteneinsicht in Wettbewerbssachen insbesondere darin besteht, es den Adressaten einer Mitteilung der Beschwerdepunkte zu ermöglichen, von den Beweisstücken in den Akten der Kommission Kenntnis zu nehmen, damit sie sinnvoll zu den Schlussfolgerungen Stellung nehmen können, zu denen die Kommission in ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte aufgrund dieser Beweisstücke gelangt ist. Die Akteneinsicht gehört somit zu den Verfahrensgarantien, die die Verteidigungsrechte schützen und insbesondere die effektive Ausübung des Anhörungsrechts sicherstellen sollen (vgl. Urteil des Gerichts vom 30. September 2003, Atlantic Container Line u. a./Kommission, T-191/98 und T-212/98 bis T-214/98, Slg. 2003, II-3275, Randnr. 334 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39 Was die belastenden Unterlagen angeht, erstreckt sich die Verpflichtung zur Gewährung von Akteneinsicht nur auf die in der Entscheidung letzten Endes herangezogenen Unterlagen, nicht aber auf alle Vorwürfe, die die Kommission zu irgendeinem Zeitpunkt während des Verwaltungsverfahrens unter Umständen hätte erheben können (Urteil Atlantic Container Line u. a./Kommission, oben in Randnr. 38 angeführt, Randnr. 337). Eine Unterlage kann gegenüber einem Kläger nur dann als belastendes Schriftstück angesehen werden, wenn sich die Kommission auf sie bei der Feststellung einer Zuwiderhandlung stützt, an der dieser Kläger teilgenommen haben soll (Urteil des Gerichts vom 15. März 2000, Cimenteries CBR u. a./Kommission, T-25/95, T-26/95, T-30/95 bis T-32/95, T-34/95 bis T-39/95, T-42/95 bis T-46/95, T-48/95, T-50/95 bis T-65/95, T-68/95 bis T-71/95, T-87/95, T-88/95, T-103/95 und T-104/95, Slg. 2000, II-491, im Folgenden: Zement-Urteil, Randnr. 284).

40 Darüber hinaus kann die Klägerin nicht lediglich allgemein und abstrakt Zugang zu den ihr nicht übermittelten Unterlagen oder Informationen verlangen, ohne näher darzulegen, inwiefern das von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung herangezogene belastende Material durch diese Unterlagen oder Informationen bestimmt worden sein soll. Nach der Rechtsprechung kann nämlich nicht aufgrund eines allgemeinen Vorbringens festgestellt werden, ob eine Verletzung der Verteidigungsrechte vorliegt. Dies ist vielmehr anhand der besonderen Umstände jedes einzelnen Falles zu prüfen (Urteil Atlantic Container Line u. a./Kommission, oben in Randnr. 38 angeführt, Randnrn. 353 und 354).

41 Die Klägerin hatte im Verwaltungsverfahren unstreitig keinen Zugang zu den Erwiderungen der übrigen Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte.

42 Zur unterbliebenen Übermittlung belastender Beweismittel, die in der Ermittlungsakte nicht enthalten gewesen sein sollen, ist darauf hinzuweisen, dass die Wahrung der Verteidigungsrechte ein Grundprinzip des Gemeinschaftsrechts ist, das unter allen Umständen, insbesondere aber in allen Verfahren, die zu Sanktionen führen können, zu beachten ist, selbst wenn es sich dabei um ein Verwaltungsverfahren handelt. Sie verlangt, dass die betroffenen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen bereits während des Verwaltungsverfahrens in die Lage versetzt werden, zum Vorliegen und zur Bedeutung der von der Kommission geltend gemachten Tatsachen, Beschwerdepunkte und Umstände angemessen Stellung zu nehmen (Urteile des Gerichtshofs vom 13. Februar 1979, Hoffmann-La Roche/Kommission, 85/76, Slg. 1979, 461, Randnr. 11, und des Gerichts vom 10. März 1992, Shell/Kommission, T-11/89, Slg. 1992, II-757, Randnr. 39).

43 Weiter ist daran zu erinnern, dass, wenn sich die Kommission auf eine Stelle einer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte oder auf eine Anlage zu einer solchen Erwiderung stützen will, um in einem Verfahren zur Anwendung von Art. 81 Abs. 1 EG das Bestehen einer Zuwiderhandlung nachzuweisen, die anderen Beteiligten dieses Verfahrens in die Lage versetzt werden müssen, sich zu einem solchen Beweismittel zu äußern. Unter solchen Umständen stellt nämlich die fragliche Stelle Material dar, das die verschiedenen an der Zuwiderhandlung angeblich Beteiligten belastet (vgl. Zement-Urteil, oben in Randnr. 39 angeführt, Randnr. 386, und Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Avebe/Kommission, T-314/01, Slg. 2006, II-3085, Randnr. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44 Ein Schriftstück kann nur dann als belastendes Schriftstück angesehen werden, wenn sich die Kommission bei der Feststellung einer von einem Unternehmen begangenen Zuwiderhandlung darauf stützt. Als Beweis für eine Verletzung seiner Verteidigungsrechte genügt es nicht, dass das fragliche Unternehmen nachweist, dass es sich im Verwaltungsverfahren nicht zu einem Schriftstück hat äußern können, das in der angefochtenen Entscheidung an irgendeiner Stelle verwendet wurde. Es muss dartun, dass die Kommission dieses Schriftstück in der angefochtenen Entscheidung als zusätzliches Beweiselement für eine Zuwiderhandlung verwendet hat, an der das Unternehmen teilgenommen haben soll (Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Dresdner Bank u. a./Kommission, T-44/02 OP, T-54/02 OP, T-56/02 OP, T-60/02 OP und T-61/02 OP, Slg. 2006, II-3567, Randnr. 158).

45 Da Unterlagen, die den betroffenen Parteien im Verwaltungsverfahren nicht übermittelt wurden, keine Beweismittel darstellen, die ihnen entgegengehalten werden können, sind Unterlagen, die nicht in der Ermittlungsakte enthalten waren und den Klägern nicht übermittelt wurden und für die sich herausstellt, dass sich die Kommission in der Entscheidung auf sie gestützt hat, als Beweismittel auszuschließen (Zement-Urteil, oben in Randnr. 39 angeführt, Randnr. 382).

46 Gibt es andere Belege, von denen die betroffenen Unternehmen im Verwaltungsverfahren Kenntnis hatten und die speziell die Schlussfolgerungen der Kommission stützen, beeinträchtigt der Wegfall des nicht übermittelten Belegs als Beweismittel die Begründetheit der in der angefochtenen Entscheidung erhobenen Vorwürfe nicht (Urteil des Gerichtshofs vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C-204/00 P, C-205/00 P, C-211/00 P, C-213/00 P, C-217/00 P und C-219/00 P, Slg. 2004, I-123, Randnr. 72).

47 Das betroffene Unternehmen muss daher dartun, dass das Ergebnis, zu dem die Kommission in ihrer Entscheidung gekommen ist, anders ausgefallen wäre, wenn ein nicht übermitteltes Schriftstück, auf das die Kommission ihre Vorwürfe gegen dieses Unternehmen gestützt hat, als belastendes Beweismittel ausgeschlossen werden müsste (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 46 angeführt, Randnr. 73).

48 Im vorliegenden Fall macht Knauf nur Folgendes geltend:

"Mehrere Kernbeweismittel, auf denen die Entscheidung maßgeblich beruht, hat [Knauf] niemals zu Gesicht bekommen. Dies sind insbesondere die Erwiderungen von BPB, Lafarge und Gyproc auf die Beschwerdepunkte sowie die nach der Anhörung übermittelte Erklärung von Herrn [G] von Lafarge. Die Beklagte hat diese Dokumente gleichwohl an den nachfolgend enumerierten zentralen Stellen der [angefochtenen] Entscheidung zur Grundlage ihrer tatsächlichen Würdigung und Beweisführung (im Sinne von [Randnr.] 429 [der angefochtenen Entscheidung]) gemacht: [Randnrn.] 56, 57 (4 x), 59, 102, 106, 112, 114, 127 ff. 153, 173, 175, 181, 184, 186 ff. 209, 211, 212, 213, 232, 234, 242 (2 x), 250, 253, 274 und 276 [der angefochtenen Entscheidung]. Im Einzelnen:

- Im Rahmen ihres ersten Vorwurfs, einer Zuwiderhandlung bei dem Treffen in London 1992, stützt die Beklagte sich auf die Erwiderung von BPB auf die Beschwerdepunkte bei der Prüfung der Frage, welche Funktion das Treffen hatte ([Randnrn.] 57, 437 [der angefochtenen Entscheidung]) und ob es in der Folgezeit eine 'Wende' auf den Gipsplattenmärkten gab ([Randnr.] 71 [der angefochtenen Entscheidung]).

- Bei ihrem zweiten Vorwurf, dem Austausch von Marktstatistiken, zieht die Beklagte die Erwiderung von BPB auf die Beschwerdepunkte als wichtigstes Beweismittel heran, um den angeblich rechtswidrigen Informationsaustausch zu begründen ([Randnrn.] 102, 106, 114, 127 ff. 209, 211 [der angefochtenen Entscheidung]). Insbesondere stützt sie ihre Behauptung, Ziel des Informationsaustauschs sei die Beendigung des Preiskriegs gewesen, allein auf dieses Beweismittel ([Randnrn.] 106 f., 114 [der angefochtenen Entscheidung]).

- Im Rahmen ihres dritten Vorwurfs, der Information über Preiserhöhungen im Vereinigten Königreich, zieht die Beklagte die Erwiderungen von BPB und Lafarge auf die Beschwerdepunkte zum Nachweis der Auswirkungen angeblicher Absprachen im Vereinigten Königreich ([Randnr.] 212 [der angefochtenen Entscheidung]) heran.

- Ihren vierten Vorwurf, die angebliche 'Stabilisierung' des deutschen Marktes, sucht die Beklagte ebenfalls im Wesentlichen mit Hilfe der Erwiderungen auf die Beschwerdepunkte von BPB, Gyproc und Lafarge zu beweisen, so z. B. in der Frage, ob es eine Vereinbarung über die Aufteilung des deutschen Marktes gegeben hat ([Randnr.] 213 [der angefochtenen Entscheidung]).

Ihre Behauptung, die Unternehmensvertreter hätten bei ihrem Treffen 1996 in Versailles eine Vereinbarung getroffen, stützt die Beklagte auf die Erwiderung von BPB ([Randnrn.] 232, 234 [der angefochtenen Entscheidung]) und auf die der Klägerin ebenfalls nicht vorgelegte Erklärung von Herrn [G] ([Randnr.] 242 [der angefochtenen Entscheidung]).

- Auch zum Beweis ihres fünften Vorwurfs, der Mitteilung und Absprache von Preiserhöhungen auf dem deutschen Markt, zieht die Beklagte die Erwiderung von BPB und Lafarge auf die Beschwerdepunkte heran, insbesondere zum Nachweis eines angeblichen Preisanstiegs ([Randnr.] 395 [der angefochtenen Entscheidung])."

49 Wie dieses Zitat zeigt, zählt die Klägerin mit Ausnahme einiger detaillierterer Beispiele lediglich die Randnummern der angefochtenen Entscheidung auf, in denen die Schriftstücke genannt sind, die ihr nicht zugänglich gemacht wurden. Eine solche Aufzählung genügt aber nicht, um dem in der Rechtsprechung aufgestellten Erfordernis nachzukommen, wonach die Klägerin dartun muss, dass das Ergebnis, zu dem die Kommission in der Entscheidung gekommen ist, anders ausgefallen wäre, wenn die streitigen Schriftstücke als belastende Beweismittel ausgeschlossen worden wären.

50 Folglich ist die geltend gemachte Verletzung des Rechts auf Zugang zu den Schriftstücken als Beweismittel, die belastendes Material enthalten, ausschließlich anhand der von der Klägerin ausdrücklich erhobenen Vorwürfe zu prüfen.

51 Was das von Knauf angeführte Beispiel des Treffens in London 1992 angeht, hatte BPB in ihrer Antwort vom 28. Oktober 1999 auf das zweite Auskunftsersuchen nach Art. 11 der Verordnung Nr. 17, das die Kommission der Klägerin in Anlage D zur Mitteilung der Beschwerdepunkte übermittelt hat, Inhalt und Zweck dieses Treffens bereits eingeräumt. Im Übrigen hat Knauf in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte bestätigt, dass dieses Treffen stattgefunden hat. Außerdem hat BPB, wie sich aus Randnr. 56 der angefochtenen Entscheidung ergibt, in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte keine neuen Tatsachen vorgetragen, sondern nur versucht, das Treffen in London als unbedeutend darzustellen.

52 Die Feststellung, dass dieses Treffen die Lage auf dem relevanten Markt verändert habe, betrifft nicht das Vorliegen einer Zuwiderhandlung, sondern deren mögliche Auswirkungen. Die Kommission hatte überdies bereits in der Mitteilung der Beschwerdepunkte geltend gemacht, dass kurz nach dem Treffen von London eine Preiserhöhung stattgefunden habe. Es handelt sich also nicht um neues Belastungsmaterial, zu dem die Klägerin keinen Zugang gehabt hätte.

53 Was das Beispiel des Austauschs von Daten zu den Verkaufsmengen auf den vier relevanten Märkten betrifft, bestreitet die Klägerin nicht, dass dieser Austausch stattgefunden hat. Wie aus der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, wird der Austausch außerdem durch mehrere schriftliche Beweise bestätigt (Randnrn. 74 bis 94). Die Klägerin meint jedoch, dass die Kommission die Erwiderung von BPB auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte als wichtigsten Beweis dafür herangezogen habe, dass Ziel des Austauschs die Beendigung des Preiskriegs gewesen sei.

54 Diese Behauptung ist zurückzuweisen. Wie aus der nachstehenden Prüfung des zweiten Klagegrundes deutlich wird, verringerte der Informationsaustausch angesichts des oligopolistischen Charakters des Gipsplattenmarkts den Grad der Ungewissheit der betreffenden Unternehmen über das fragliche Marktgeschehen. So konnten die Kartellteilnehmer aufgrund des Informationsaustauschs die Entwicklung der jeweiligen Marktanteile beobachten und sicherstellen, dass kein Hersteller die Marktstabilität gefährden würde.

55 Das Eingeständnis der Klägerin, dass der Informationsaustausch nach seiner Ausgestaltung nur einem Ziel diente, nämlich die individuellen Einschätzungen der Marktverhältnisse, insbesondere der Marktgröße, im Groben zu verifizieren, stützt die Schlussfolgerung der Kommission. Eine Auslegung, wonach die Klägerin die Marktgröße kennen musste, um überprüfen zu können, dass sich ihr Marktanteil trotz der Vereinbarung einer Beendigung des Preiskriegs nicht verkleinerte, ist plausibler. Wenn der Markt transparent gewesen wäre und die ausgetauschten Daten dem Markt hätten entnommen werden können, hätten die betreffenden Unternehmen es nicht nötig gehabt, den streitigen Austausch zu beginnen. Außerdem geht aus Randnr. 117 der angefochtenen Entscheidung hervor, dass die ausgetauschten Daten nicht auf dem Markt verfügbar waren.

56 Diese Feststellung wird durch die Antwort von BPB vom 28. Oktober 1999 auf das zweite Auskunftsersuchen untermauert:

"[Knauf und BPB haben] vereinbart, 'die Zahlen über die Verkaufsmengen 1991 auszutauschen, um künftig eine zuverlässige Grundlage für die Überprüfung der Umsetzung der Vereinbarung (?understanding?) zu haben (d. h. um sich gegenseitig ein deutlicheres Bild des Marktvolumens und der eigenen Marktanteile zu geben). Dies sei notwendig gewesen, da es keine zuverlässigen Statistiken über diesen Gewerbezweig gab'."

57 Die Erwiderung von BPB auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte ist somit nicht der einzige Beweis, über den die Kommission bezüglich des Zwecks des streitigen Austauschs verfügte.

58 Was das Beispiel der Preiserhöhungen im Vereinigten Königreich und in Deutschland angeht, betrifft die Bezugnahme auf die Erwiderungen von Lafarge und BPB auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte in den Randnrn. 212 und 395 der angefochtenen Entscheidung nur die geltend gemachten Auswirkungen der Zuwiderhandlung. Hierzu ist daran zu erinnern, dass bei der Anwendung von Art. 81 Abs. 1 EG die konkreten Auswirkungen einer Vereinbarung nicht berücksichtigt zu werden brauchen, wenn sich ergibt, dass diese eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckt (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 46 angeführt, Randnr. 261). Unter diesen Umständen würde auch ein Ausschluss der in den Randnrn. 212 und 395 der angefochtenen Entscheidung zitierten Erwiderungen von BPB und Lafarge in keiner Weise die von der Kommission in der Entscheidung vorgenommene Beurteilung des Vorliegens der Zuwiderhandlung beeinflussen. Die Frage, ob der Ausschluss dieser Beweismittel möglicherweise von Bedeutung für die Beurteilung der Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt und damit für die Höhe der Geldbuße ist, wird im Rahmen der Prüfung des fünften Klagegrundes, mit dem die Klägerin die Höhe der gegen sie verhängten Geldbuße beanstandet, zu beantworten sein.

59 Auch das Vorbringen der Klägerin, dass die Kommission ihren Nachweis der Stabilisierung des deutschen Marktes im Wesentlichen auf die Erwiderungen von BPB, Lafarge und Gyproc auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte gestützt habe, ist unbeachtlich. Aus den Randnrn. 220 bis 231 der angefochtenen Entscheidung geht hervor, dass die Feststellungen der Kommission zum Treffen von Versailles in erster Linie auf einem in Randnr. 222 der Entscheidung zitierten Vermerk von Gyproc sowie auf den der Mitteilung der Beschwerdepunkte beigefügten Erklärungen dieses Unternehmens beruhen. Knauf hat überdies selbst eingeräumt, dass dieses Treffen stattgefunden habe und dabei die Lage auf dem deutschen Markt erörtert worden sei.

60 Der Vorwurf der Klägerin, dass sie zu der in den Randnrn. 132, 170, 213, 228 und 504 der angefochtenen Entscheidung zitierten Erklärung von Herrn [G], die Lafarge der Kommission nach der Anhörung übermittelte, keinen Zugang gehabt habe, trifft sachlich nicht zu. Tatsächlich wurde die Erklärung von Herrn [G] der Klägerin vom Anhörungsbeauftragten mit Schreiben vom 7. September 2001 übersandt, das der Klageschrift beigefügt ist.

61 Im Übrigen hat die Kommission nur festgestellt, dass sich die betreffenden Unternehmen 1996 in Versailles, 1997 in Brüssel und 1998 in Den Haag getroffen hätten, um den deutschen Markt untereinander aufzuteilen oder zumindest zu stabilisieren, sie hat aber nicht behauptet, dass es den Unternehmen gelungen sei, eine Vereinbarung über die Aufteilung der Anteile am deutschen Markt zu treffen.

62 Das Ergebnis, zu dem die Kommission in ihrer Entscheidung gekommen ist, wäre demnach nicht anders ausgefallen, wenn die von Knauf erwähnten Erwiderungen von BPB, Gyproc und Lafarge auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte aus den Akten hätten entfernt werden müssen. Der Vorwurf der Verweigerung des Zugangs zu belastenden Beweismitteln kann daher nur bejaht werden, sofern die Nichtberücksichtigung der in den Randnrn. 212 und 395 der angefochtenen Entscheidung angeführten Erklärungen von Lafarge und BPB sich auf die Festsetzung des Betrags der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße ausgewirkt hat.

63 Das Gericht wird jedoch im Rahmen der Prüfung der Begründetheit der Klage vorsorglich alle belastenden Beweismittel ausschließen, die auf den Erwiderungen der übrigen Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte beruhen, um festzustellen, ob die von der Kommission vorgenommene Beurteilung des Vorliegens und der Auswirkungen der Zuwiderhandlung auch ohne diese streitigen Beweismittel rechtlich hinreichend nachgewiesen ist.

Zum zweiten Teil: Verweigerung des Zugangs zu Beweismitteln, die entlastendes Material enthalten können

Vorbringen der Parteien

64 Die Klägerin ist der Ansicht, ihre Rechte seien auch dadurch verletzt worden, dass sie nicht die Möglichkeit gehabt habe, die neuen Beweismittel einzusehen, um zu prüfen, ob sie entlastende Elemente enthielten. Es sei Sache der Klägerin, zu entscheiden, welche Schriftstücke ihrer Verteidigung dienlich seien.

65 Es handele sich insbesondere um die Erwiderung von BPB auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte. In einer Pressemitteilung vom 27. November 2002 habe BPB die Beteiligung an rechtswidrigen Praktiken bestritten. Aus diesem Grund habe die Kommission vielleicht nur die belastenden Stellen der Erwiderung von BPB auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte ohne ihren Kontext zitiert.

66 Die Kommission hält dieses Argument für eine Umkehrung der Behauptung, dass der Klägerin zu Unrecht der Zugang zu den Stellungnahmen der übrigen Adressaten zur Mitteilung der Beschwerdepunkte verwehrt worden sei.

Würdigung durch das Gericht

67 Wurde ein entlastendes Schriftstück nicht übermittelt, muss das betroffene Unternehmen nur nachweisen, dass das Unterbleiben seiner Offenlegung den Verfahrensablauf und den Inhalt der Entscheidung der Kommission zu Ungunsten dieses Unternehmens beeinflussen konnte. Es genügt, dass das Unternehmen dartut, dass es das fragliche entlastende Schriftstück zu seiner Verteidigung hätte einsetzen können, und zwar in dem Sinne, dass das Unternehmen, wenn es sich im Verwaltungsverfahren auf dieses Schriftstück hätte berufen können, Gesichtspunkte hätte geltend machen können, die nicht mit den in diesem Stadium von der Kommission gezogenen Schlüssen übereinstimmten und daher, in welcher Weise auch immer, die von der Kommission in ihrer Entscheidung vorgenommenen Beurteilungen zumindest in Bezug auf Schwere und Dauer des dem Unternehmen zur Last gelegten Verhaltens und damit die Höhe der Geldbuße hätten beeinflussen können. Die Möglichkeit, dass ein nicht übermitteltes Schriftstück Einfluss auf den Verfahrensablauf und den Inhalt der Entscheidung der Kommission hätte haben können, kann dabei nur nach einer vorläufigen Prüfung bestimmter Beweismittel nachgewiesen werden, die zeigt, dass die nicht übermittelten Schriftstücke eine Bedeutung - für diese Beweismittel - hätten haben können, die nicht hätte unberücksichtigt bleiben dürfen (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 46 angeführt, Randnrn. 74 bis 76).

68 Da Knauf mit ihrem Schreiben vom 20. August 2001 Akteneinsicht in die Erwiderungen der übrigen Adressaten der Entscheidung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte beantragt hatte und die vorliegende Rüge erhoben hat, hat das Gericht im Rahmen prozessleitender Maßnahmen beschlossen, ihr Einsicht in die nichtvertraulichen Fassungen dieser Erwiderungen zu gestatten. Es hat sie außerdem aufgefordert, in einer Stellungnahme darzutun, inwiefern die Nichtübermittlung dieser Schriftstücke ihre Verteidigung habe beeinträchtigen können. Die Antwort von Knauf ist am 7. Juli 2006 beim Gericht eingegangen. Die Kommission hat am 20. Oktober 2006 dazu Stellung genommen.

69 Zum Treffen in London vertritt Knauf die Auffassung, dass die Erwiderung von BPB auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte ihren eigenen Vortrag hätte stützen können, wonach, obwohl BPB und sie selbst eingeräumt hätten, gewisse statistische Informationen ausgetauscht zu haben, dieser Austausch weder irgendeinen Einfluss auf den Wettbewerb haben konnte noch mit dem Ziel vereinbart worden sei, den bestehenden Wettbewerb zu verringern. Sie bezieht sich insoweit auf die Nrn. 4.1.17 und 4.1.25 der Erwiderung von BPB auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte. Knauf entnimmt daraus, dass BPB die Zuwiderhandlung nicht gestanden, sondern im Gegenteil bestritten habe.

70 Es handelt sich insoweit jedoch nicht um entlastendes Material. In den beiden Nummern der Erwiderung von BPB, auf die sich Knauf bezieht, erklärt BPB nämlich, ohne den Sachverhalt als solchen zu bestreiten, dass keine Vereinbarung getroffen worden sei. Der bloße Umstand, dass ein anderer Kartellteilnehmer in Abrede stellt, dass ein bestimmter Sachverhalt eine Zuwiderhandlung darstellt, kann nicht als entlastendes Moment angesehen werden (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Jungbunzlauer/Kommission, T-43/02, Slg. 2006, II-3435, Randnr. 353).

71 Zur Behauptung von Knauf, Nr. 4.1.15 der Erwiderung von BPB belege, dass diese den Knauf-Vettern misstraut habe und dass der Informationsaustausch somit den Wettbewerb nicht habe beschränken können, weil BPB bezweifelt habe, dass sie zutreffende Informationen erhalten werde, genügt der Hinweis, dass, selbst wenn BPB den ihr von Knauf gelieferten Informationen misstraut haben sollte, die begangene Zuwiderhandlung dadurch nicht ungeschehen gemacht wird, da die Nichteinhaltung einer Absprache nichts an deren Existenz ändert (Urteil des Gerichts vom 15. Juni 2005, Tokai Carbon u. a./Kommission, T-71/03, T-74/03, T-87/03 und T-91/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 74; vgl. in diesem Sinne ferner Urteile des Gerichts vom 11. März 1999, Thyssen Stahl/Kommission, T-141/94, Slg. 1999, II-347, Randnrn. 233, 255, 256 und 341, sowie vom 27. September 2006, Roquette Frères/Kommission, T-322/01, Slg. 2006, II-3137, Randnrn. 172 bis 176).

72 Das Argument, der Wettbewerb auf dem Markt sei nach dem Treffen in London intensiv geblieben, hat Knauf bereits in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte angeführt.

73 Zum Informationsaustausch auf den vier relevanten Märkten meint Knauf, Nr. 4.2.1 der Erwiderung von BPB hätte ihrer Verteidigung nutzen können, weil BPB auch bestreite, dass mit dem nach 1993 erfolgten Informationsaustausch das Ziel verfolgt worden sei, die Durchführung irgendeiner Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise zu kontrollieren. Auch insoweit handelt es sich jedoch um eine Behauptung und nicht um ein entlastendes Moment. Der bloße Umstand, dass BPB zur rechtlichen Bewertung des Sachverhalts im Wesentlichen dieselben Argumente vorgetragen hat wie Knauf, kann kein entlastendes Moment darstellen.

74 Aus der genannten Nr. 4.2.1 geht ferner hervor, dass der Informationsaustausch BPB zufolge nur Herrn [D], Mitglied des Verwaltungsrats von Gyproc und Generaldirektor von BPB in den Jahren 1994 bis 1999, bekannt war. Knauf schließt daraus, dass, wenn die ausgetauschten Informationen nicht zu denjenigen Personen gelangten, die über die Wettbewerbspolitik eines Unternehmens entschieden, der Informationsaustausch auch nicht das Wettbewerbsverhalten des Unternehmens beeinflussen könne, weder im Sinne eines Bezweckens noch im Sinne eines Bewirkens. Dieser Umstand hätte jedoch nichts am Ergebnis ändern können, da die Kommission diese Argumente bereits in den Randnrn. 447 bis 454 der angefochtenen Entscheidung geprüft hat. Zudem ist keineswegs erwiesen, dass die ausgetauschten Informationen tatsächlich nur Herrn [D] bekannt waren.

75 Was die geplanten Preiserhöhungen auf dem Markt des Vereinigten Königreichs angeht, ist Knauf der Ansicht, sie hätte für ihre Verteidigung die Angaben in Nr. 4.2.20 der Erwiderung von BPB, wonach die ausgetauschten Informationen nicht verlässlich gewesen seien, und in Nr. 4.3.46 nutzen können, wonach BPB unter starkem Wettbewerb durch Knauf im Vereinigten Königreich gelitten habe. Wie bereits aus der Antwort von Knauf vom 7. Juli 2006 hervorgeht, hat diese jedoch schon in ihrer eigenen Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte ähnliche Angaben zum Zweck ihrer Verteidigung gemacht.

76 Zur angeblichen Stabilisierung des deutschen Marktes vertritt Knauf die Auffassung, sie hätte die Nrn. 4.3.28 und 4.3.34 der Erwiderung von BPB auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte nutzen können, um ihr Vorbringen zu untermauern, dass beim Treffen in Versailles keine Vereinbarung getroffen worden sei. Der bloße Umstand, dass BPB zum Fehlen einer Vereinbarung im Wesentlichen dieselben Argumente vorgetragen hat wie Knauf, kann aber kein entlastendes Moment darstellen.

77 Zum System des Informationsaustauschs, das die betreffenden Unternehmen im November 1996 über einen Treuhänder eingeführt hatten (im Folgenden: Informationsaustauschsystem), führt Knauf aus, sie hätte für ihre Verteidigung die Nrn. 4.3.38 und 4.3.39 der Erwiderung von BPB nutzen können, in der diese erklärt habe, dass sie dieses System ohne Weiteres für rechtlich zulässig gehalten habe. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass eine etwaige Bewertung des Informationsaustauschsystems durch die Kartellteilnehmer kein tatsächlicher Umstand ist, der als entlastendes Moment verwendet werden könnte, sondern dass diese Bewertung letztlich in der Zuständigkeit des Gerichts liegt. Wie die Kommission geltend gemacht hat, hat Knauf überdies selbst in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte unterstrichen, dass das Informationsaustauschsystem rechtmäßig sei.

78 Selbst wenn sich die Klägerin also im Verwaltungsverfahren auf die betreffenden Dokumente hätte berufen können, hätten diese die von der Kommission vorgenommenen Beurteilungen nicht beeinflussen können.

79 Nach alledem ist der Vorwurf einer Verweigerung des Zugangs zu entlastendem Material zurückzuweisen.

Zum dritten Teil: Abweichen der angefochtenen Entscheidung von der Mitteilung der Beschwerdepunkte

Vorbringen der Parteien

80 Die Klägerin trägt vor, dass die angefochtene Entscheidung von der Mitteilung der Beschwerdepunkte abweiche, da sie sich auf neue Tatsachen gründe.

81 Dies sei insbesondere hinsichtlich der Umstände des Treffens in London 1992 der Fall. Auf dieses Treffen sei die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte (Randnrn. 38 bis 40) auf eineinhalb Seiten nur kurz und nur in sehr allgemeiner Form eingegangen. In der angefochtenen Entscheidung (Randnrn. 52 bis 73) hingegen erhebe die Kommission auf sechs Seiten detaillierte Vorwürfe gegen die Klägerin und BPB, die zahlreiche Abweichungen von der Darstellung in der Mitteilung der Beschwerdepunkte enthielten und sich auf Auszüge aus den Erwiderungen der betroffenen Unternehmen stützten, die den Betroffenen weder mit dieser Mitteilung noch später vorgelegt worden seien.

82 Die Kommission weist diesen Vorwurf zurück. Sie macht geltend, dass die Mitteilung der Beschwerdepunkte (Randnrn. 38 bis 40) und die angefochtene Entscheidung (Randnrn. 52 bis 73) hinsichtlich ihrer Sachverhaltsbeschreibung keinen wesentlichen Unterschied aufwiesen.

Würdigung durch das Gericht

83 Die Wahrung der Verteidigungsrechte in einem Verfahren, das zu Sanktionen der in Rede stehenden Art führen kann, erfordert es, dass den betroffenen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen bereits während des Verwaltungsverfahrens Gelegenheit gegeben wird, zum Vorliegen und zur Erheblichkeit der von der Kommission angeführten Tatsachen, Rügen und Umstände sachdienlich Stellung zu nehmen (Urteil Atlantic Container Line u. a./Kommission, oben in Randnr. 38 angeführt, Randnr. 138).

84 Diesem Erfordernis ist Genüge getan, wenn die Entscheidung den Betroffenen keine anderen Zuwiderhandlungen als die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte genannten zur Last legt und nur Tatsachen berücksichtigt, zu denen die Betroffenen Stellung nehmen konnten. Daraus ergibt sich, dass die Kommission nur die Beschwerdepunkte berücksichtigen darf, zu denen die Betroffenen Stellung nehmen konnten (Urteil Atlantic Container Line u. a./Kommission, oben in Randnr. 38 angeführt, Randnr. 138).

85 Im vorliegenden Fall konnte sich Knauf eindeutig zum zentralen Beschwerdepunkt äußern, der dem Vorgehen der Kommission zugrunde lag, nämlich zu der Annahme, dass Knauf und BPB bei der Zusammenkunft in London eine Vereinbarung getroffen hätten.

86 Wie sich hierzu aus den Randnrn. 38 bis 40 der Mitteilung der Beschwerdepunkte ergibt, äußert die Kommission klar und deutlich ihre Auffassung, dass BPB und Knauf bei diesem Treffen Einvernehmen darüber erzielt hätten, dass der Preiskrieg zu beenden sei, und dass sie einen Austausch der Zahlen für ihre Verkaufsmengen 1991 vereinbart hätten. Die Kommission ergänzt, dass sich Lafarge und Gyproc erst nach dem Treffen zwischen BPB und Knauf in London dem Informationsaustausch angeschlossen hätten.

87 Die Darstellung der Stellungnahmen zum Treffen in London ist in der angefochtenen Entscheidung deshalb länger, weil die Kommission dort auch die Stellungnahmen der Klägerin und von BPB zu ihrer ersten Beurteilung des Zwecks des Treffens in London hinzugefügt hat.

88 Hierzu ist festzustellen, dass die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgenommene rechtliche Bewertung des Sachverhalts naturgemäß nur vorläufig sein und eine spätere Entscheidung der Kommission nicht allein deshalb für nichtig erklärt werden kann, weil die darin enthaltene endgültige Beurteilung des Sachverhalts nicht genau mit dieser vorläufigen Bewertung übereinstimmt. Denn die Kommission muss, eben um die Verteidigungsrechte der Adressaten einer Mitteilung von Beschwerdepunkten zu wahren, diese anhören und gegebenenfalls ihre Stellungnahmen zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen durch eine Änderung ihrer Einschätzung berücksichtigen (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, Mannesmannröhren-Werke/Kommission, T-44/00, Slg. 2004, II-2223, Randnr. 100).

89 Der dritte Teil des ersten Klagegrundes ist somit zurückzuweisen.

Zum vierten Teil: Unvollständigkeit der vorgelegten Unterlagen

Vorbringen der Parteien

90 Nach Ansicht der Klägerin waren die im Rahmen der Akteneinsicht bei Übermittlung der Beschwerdepunkte zugänglich gemachten Beweismittel in erheblichem Umfang unvollständig.

91 Die Abdeckungen bestimmter Teile der Schriftstücke hätten den gebotenen Umfang überschritten. Zudem hätten nichtvertrauliche Zusammenfassungen erstellt werden müssen, aus denen sich Art und Inhalt so genau ergäben, dass die Berechtigung der Abdeckung geprüft und gerügt werden könne.

92 Außerdem habe die Verwaltungsakte kein Inhaltsverzeichnis enthalten, aus dem sich ergebe, aus welchen Dokumenten sie bestehe.

93 Die Kommission trägt vor, dass sie der Klägerin durch Übermittlung aller nichtvertraulichen Teile der Verfahrensakte mittels eines Datenträgers (CD-ROM) Einsicht gewährt habe. Diesem Datenträger habe sie eine Aufstellung beigefügt, die die Herkunft jedes Aktenstücks und, bei vertraulichen Unterlagen, deren zugängliche Fassung angebe.

Würdigung durch das Gericht

94 Die Klägerin behauptet in sehr allgemeiner Weise, dass die ihr gewährte Akteneinsicht unvollständig gewesen sei, weil die Abdeckungen bestimmter Teile der Schriftstücke den gebotenen Umfang überschritten hätten, dass die Kommission gegen ihre Pflicht zur Erstellung nichtvertraulicher Zusammenfassungen dieser Schriftstücke verstoßen habe und dass kein Inhaltsverzeichnis zur Verfügung gestellt worden sei.

95 In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass die Klageschrift nach Art. 44 § 1 Buchst. c und d der Verfahrensordnung u. a. eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss. Nach der Rechtsprechung muss diese Darstellung unabhängig von Fragen der Terminologie so klar und genau sein, dass der Beklagte seine Verteidigung vorbereiten und das Gericht - gegebenenfalls ohne Einholung weiterer Informationen - über die Klage entscheiden kann. Um die Rechtssicherheit und eine geordnete Rechtspflege zu gewährleisten, ist es für die Zulässigkeit einer Klage erforderlich, dass sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die sich die Klage stützt, zumindest in gedrängter Form, aber zusammenhängend und verständlich unmittelbar aus der Klageschrift ergeben (vgl. Urteil Roquette Frères/Kommission, oben in Randnr. 71 angeführt, Randnr. 208 und die dort angeführte Rechtsprechung).

96 Im vorliegenden Fall hat die Klägerin die Schriftstücke, in denen Teile ungerechtfertigterweise abgedeckt worden sein sollen, nicht hinreichend genau angegeben. Die Klägerin nennt nämlich nur ein einziges Beispiel, das der veralteten Preise. Selbst für dieses Beispiel erläutert sie jedoch nicht, um welches Schriftstück sich handelt, und hat dieses auch nicht ihrer Klageschrift beigefügt.

97 Auch das Vorbringen, es fehle ein Inhaltsverzeichnis, wird nicht weiter untermauert.

98 Überdies verletzt die Kommission nicht bereits dann die Verteidigungsrechte, wenn sie den betroffenen Unternehmen im Verwaltungsverfahren kein Verzeichnis aller in die Verwaltungsakten aufgenommenen Unterlagen übermittelt (vgl. in diesem Sinne Urteil Mannesmannröhren-Werke/Kommission, oben in Randnr. 88 angeführt, Randnr. 54).

99 Jedenfalls ist festzustellen, dass die Verteidigungsrechte nur dann durch einen Verfahrensfehler verletzt werden, wenn sich dieser auf die Verteidigungsmöglichkeiten des beschuldigten Unternehmens konkret ausgewirkt hat (Urteil Mannesmannröhren-Werke/Kommission, oben in Randnr. 88 angeführt, Randnr. 55).

100 Die Klägerin erklärt jedoch in keiner Weise, wie sich die im vorliegenden Rahmen geltend gemachten Fehler auf ihre Verteidigung ausgewirkt haben sollen.

101 Der vierte Teil des ersten Klagegrundes ist deshalb zurückzuweisen.

Zum fünften Teil: Vertraulichkeit der Anhörung von Gyproc

Vorbringen der Parteien

102 Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Anhörungsbeauftragte Gyproc nicht in Abwesenheit der übrigen Betroffenen hätte hören dürfen. Die Fehlerhaftigkeit der Entscheidung des Anhörungsbeauftragten ergebe sich insbesondere aus Art. 12 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2842/98 der Kommission vom 22. Dezember 1998 über die Anhörung in bestimmten Verfahren nach Artikel [81 EG] und [82 EG] (ABl. L 354, S. 18), wonach ein Ausschluss anderer an der Anhörung teilnehmender Verfahrensbetroffener auch ausnahmsweise nur dann gerechtfertigt sei, wenn ein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse vorliege. Gyproc habe jedoch kein solches Interesse vorgetragen. Die von Gyproc beantragte vertrauliche Behandlung habe das Verhältnis zu ihren beiden Aktionären betroffen. Gegenstand der vertraulichen Anhörung vom 17. Juli 2001 sei aber laut der späteren Kurzmitteilung des Anhörungsbeauftragten ein ganz anderes Thema gewesen, nämlich der Umstand, dass es sich bei Gyproc um ein kleineres Unternehmen handele und dieser Umstand allenfalls eine geringere Geldbuße erlaube. Nach Ansicht der Klägerin hätte die vertrauliche Anhörung unterbrochen werden müssen, da deren tatsächlicher Gegenstand von dem zuvor angegebenen Thema abgewichen sei.

103 Dieser Verfahrensfehler sei nicht dadurch geheilt worden, dass die Kommission der Klägerin mit Schreiben vom 10. August 2001 eine Zusammenfassung einzelner nichtvertraulicher Passagen der Äußerungen übermittelt habe, die Herr [E], geschäftsführender Direktor von Gyproc, in der vertraulichen Anhörung getan habe.

104 Die Klägerin habe den Verfahrensfehler ebenso wie Lafarge und BPB bereits vor Beginn der vertraulichen Anhörung von Gyproc gerügt. Der Abschlussbericht des Anhörungsbeauftragten sei deshalb ebenfalls verfahrensfehlerhaft, weil in ihm die Verfahrensrüge der Klägerin zu diesem Punkt nicht erwähnt sei.

105 Nach Ansicht der Kommission ist dieses Vorbringen zurückzuweisen.

Würdigung durch das Gericht

106 Mit diesem Vorwurf macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass der Anhörungsbeauftragte Gyproc zu Unrecht in Abwesenheit der übrigen Betroffenen angehört habe, weil dieses Unternehmen kein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse vorgetragen habe. Sie erläutert jedoch nicht, inwiefern ihr Ausschluss von der Anhörung von Gyproc ihre Verteidigungsrechte konkret verletzt haben soll. Sie nennt kein Beispiel dafür, wie die Kommission die von Gyproc in dieser Anhörung eventuell gemachten Angaben in der angefochtenen Entscheidung hätte verwenden sollen.

107 Die Klägerin meint lediglich, dass der Gegenstand dieser Besprechung in die Bestimmung der Teilnahme von Gyproc am Kartell und folglich in die Höhe ihrer Geldbuße eingeflossen sein könne. Die Kommission habe zu Unrecht die Konzernzugehörigkeit von Gyproc nicht berücksichtigt, und bei dieser handele es sich tatsächlich nicht um ein kleines Unternehmen.

108 In diesem Zusammenhang genügt es, daran zu erinnern, dass, selbst wenn man unterstellt, die Kommission habe nach der fraglichen Anhörung eine zu niedrige Geldbuße gegen Gyproc verhängt, die Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung mit der Beachtung des Gebots rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden muss, das besagt, dass sich niemand zu seinem Vorteil auf eine zugunsten eines anderen begangene Rechtsverletzung berufen kann (Urteil des Gerichts vom 20. März 2002, Lögstör Rör/Kommission, T-16/99, Slg. 2002, II-1633, Randnr. 350).

109 Selbst wenn man daher annimmt, es sei Gyproc möglich gewesen, die Kommission in dieser vertraulichen Anhörung hinsichtlich der Festsetzung der Höhe ihrer eigenen Geldbuße zu beeinflussen, wäre dieser Umstand kein Nichtigkeitsgrund, auf den sich die Klägerin berufen könnte.

110 Das Vorbringen der Klägerin, das Verwaltungsverfahren sei auch deswegen fehlerhaft gewesen, weil der Bericht des Anhörungsbeauftragten unvollständig gewesen sei, da ihre wegen der Vertraulichkeit der Anhörung von Gyproc erhobene Rüge dort nicht erwähnt sei, ist aus den gleichen Gründen zurückzuweisen, die auch die Zurückweisung der Rüge selbst rechtfertigen.

111 Jedenfalls ist festzustellen, dass die Verteidigungsrechte nur dann durch einen Verfahrensfehler verletzt werden, wenn sich dieser auf die Verteidigungsmöglichkeiten des beschuldigten Unternehmens konkret ausgewirkt hat (Urteil Mannesmannröhren-Werke/Kommission, oben in Randnr. 88 angeführt, Randnr. 55).

112 Die Klägerin hat aber nicht bewiesen, dass dies der Fall ist.

113 Der fünfte Teil des ersten Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

Zum sechsten Teil: Wechsel des Anhörungsbeauftragten während des Verwaltungsverfahrens

Vorbringen der Parteien

114 Die Klägerin macht geltend, dass der Anhörungsbeauftragte während des laufenden Verfahrens gewechselt habe. Deshalb sei keine Kontinuität der Wahrung der Verteidigungsrechte gegeben.

115 Außerdem sei der Anhörungsbeauftragte in seinem Bericht nicht auf die Rüge der Klägerin eingegangen, dass ihr die in der angefochtenen Entscheidung verwendeten Kernbeweise, insbesondere die Erwiderungen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, vorenthalten worden seien. Er erwähne auch nicht die Rüge der Unvollständigkeit der Akteneinsicht vor Erlass der Beschwerdepunkte.

116 Die Kommission betont, dass die Klägerin durch den Wechsel des Anhörungsbeauftragten in keiner Weise in ihrer Verteidigung beschnitten worden sei. Dessen Bericht sei ein rein internes Schriftstück der Kommission und habe für diese nur den Wert eines Gutachtens.

117 Unternehmen, die Einwände in Bezug auf die gewährte Akteneinsicht erheben wollten, hätten einen begründeten Antrag zu stellen, was die Klägerin unterlassen habe.

Würdigung durch das Gericht

118 Zum Wechsel des Anhörungsbeauftragten während des Verwaltungsverfahrens ist zunächst festzustellen, dass die Klägerin in keiner Weise erläutert, inwiefern dieser Wechsel ihre Verteidigungsrechte konkret verletzt haben soll.

119 Was die geltend gemachte Unvollständigkeit des Berichts des Anhörungsbeauftragten angeht, beanstandet die Klägerin, dass dieser ihre Verfahrensrüge nicht erwähnt habe. Sein Abschlussbericht enthalte damit Fehler, die die Kommission zum Nachteil der Klägerin hätten beeinflussen können.

120 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach den Erwägungsgründen 2, 3 und 8 ihres Beschlusses 2001/462/EG, EGKS vom 23. Mai 2001 über das Mandat von Anhörungsbeauftragten in bestimmten Wettbewerbsverfahren (ABl. L 162, S. 21) dafür sorgen muss, dass das Recht der an einem Wettbewerbsverfahren beteiligten Personen auf Anhörung während der gesamten Verfahrensdauer gewährleistet ist. Sie sollte die Durchführung der Anhörungsverfahren in diesem Bereich daher einer unabhängigen Person übertragen, die über die nötige Integrität verfügt, um ein möglichst objektives, transparentes und effizientes Verfahren zu gewährleisten.

121 Art. 13 Abs. 1 des Beschlusses 2001/462 bestimmt:

"Der Anhörungsbeauftragte erstattet dem zuständigen Kommissionsmitglied über den Ablauf der Anhörung und seine Schlussfolgerungen in Bezug auf die Ausübung des Anhörungsrechts Bericht. Dabei ist auf Verfahrensfragen einzugehen wie die Offenlegung von Unterlagen, die Gewährung von Akteneinsicht, die Frist für die Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte und ordnungsgemäßer Ablauf der Anhörung."

122 Nach Art. 15 und Art. 16 Abs. 1 des Beschlusses 2001/462 erstellt der Anhörungsbeauftragte einen schriftlichen Abschlussbericht über die Wahrung des Rechts auf Anhörung, der auch auf die Frage eingeht, ob der Entscheidungsentwurf ausschließlich Beschwerdepunkte behandelt, zu denen sich die betroffenen Unternehmen äußern konnten, und der dem der Kommission vorgelegten Entscheidungsentwurf beigefügt wird, damit diese ihre Entscheidung in voller Kenntnis "aller sachdienlichen Informationen" über den Ablauf des Verwaltungsverfahrens und die Ausübung des Anhörungsrechts treffen kann.

123 Wie sich aus den vorstehenden Bestimmungen ergibt, hat der Anhörungsbeauftragte nicht die Aufgabe, alle von den Beteiligten während des Verwaltungsverfahrens erhobenen Verfahrensrügen zu sammeln. Er hat der Kommission nur die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Ablaufs des Verwaltungsverfahrens relevanten Rügen mitzuteilen (Urteil des Gerichts vom 29. April 2004, Tokai Carbon u. a./Kommission, T-236/01, T-239/01, T-244/01 bis T-246/01, T-251/01 und T-252/01, Slg. 2004, II-1181, Randnr. 53).

124 Im vorliegenden Fall hat der Anhörungsbeauftragte am 19. November 2002 gemäß Art. 15 des Beschlusses 2001/462 einen Abschlussbericht vorgelegt. In diesem Abschlussbericht erwähnt er tatsächlich nicht die Tatsache, dass Knauf im Verwaltungsverfahren einen Antrag auf Zugang zu den Erwiderungen der übrigen Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte gestellt hatte.

125 Der Bericht des Anhörungsbeauftragten ist jedoch ein rein internes Schriftstück der Kommission, das nicht dem Zweck dient, das Vorbringen der Unternehmen zu ergänzen oder zu berichtigen, und das deshalb kein entscheidender Faktor ist, den der Gemeinschaftsrichter bei seiner Prüfung zu berücksichtigen hätte (Urteile des Gerichts vom 20. April 1999, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, T-305/94 bis T-307/94, T-313/94 bis T-316/94, T-318/94, T-325/94, T-328/94, T-329/94 und T-335/94, Slg. 1999, II-931, im Folgenden: Urteil LVM/Kommission, Randnr. 375, sowie vom 20. März 2002, HFB u. a./Kommission, T-9/99, Slg. 2002, II-1487, Randnr. 40).

126 Der Umstand, dass der Bericht des Anhörungsbeauftragten unvollständig oder unrichtig ist, kann daher kein Mangel des Verwaltungsverfahrens sein, der zur Rechtswidrigkeit der das Verfahren abschließenden Entscheidung führen könnte.

127 Da die Klägerin nicht nachgewiesen hat, dass ihre Verteidigungsrechte durch die Verweigerung des Zugangs zu den Erwiderungen der übrigen Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte verletzt wurden, geht das Argument, der Abschlussbericht des Anhörungsbeauftragten sei unvollständig, jedenfalls ins Leere.

128 Demnach ist der sechste Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen.

Zum siebten Teil: Verletzung des rechtlichen Gehörs durch unzureichende Sprachkenntnisse der mit der Sache befassten Beamten

Vorbringen der Parteien

129 Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass die Kommission ihre Verteidigungsrechte und den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt habe, indem sie die ursprünglich mit der Sache befassten, der deutschen Sprache mächtigen Beamten zu einem späteren Verfahrenszeitpunkt und nach Durchführung der Anhörung durch im Hinblick auf die Verfahrenssprache Deutsch nicht hinreichend sprachkundige Beamte ersetzt habe. Es liege bereits begrifflich im Wesen des rechtlichen Gehörs, dass der Betroffene sich ohne Weiteres gegenüber den maßgeblichen Sachbearbeitern des Falles verständlich machen können müsse.

130 Die Klägerin nennt konkrete Einzelbeispiele, die ihrer Ansicht nach belegen, dass Erklärungen, die sie im Rahmen ihrer Erwiderungen auf die Beschwerdepunkte abgegeben habe, sprachlich nicht verstanden oder jedenfalls missverstanden worden seien. Dies habe sich in der angefochtenen Entscheidung zu ihrem Nachteil ausgewirkt, weil diese an wesentlichen Stellen auf entsprechenden Wortlautauslegungen ihres Vortrags beruhe.

131 Die Klägerin nennt als erstes Beispiel für das mangelnde bzw. unkorrekte Verständnis ihrer Aussagen die Fehlinterpretation ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte zum Londoner Treffen. Der Rechtsbeistand der Klägerin habe erklärt, was in London möglicherweise besprochen worden sei, hätte jedenfalls "für jeden" klar ersichtlich lediglich die "Qualität einer Sonntagsrede eines Politikers" gehabt. Die Kommission, die diese Aussage in der angefochtenen Entscheidung anführe (Randnr. 65), füge fälschlicherweise hinzu, die Klägerin habe ein gemeinsames "Einvernehmen" zum Ausdruck gebracht. Das Fehlverständnis der Kommission zeige sich auch in folgender Kommentierung:

"[Knauf] ist, soweit der Sinn dieses Satzes nachvollzogen werden kann, der Auffassung, dass in dem Meinungsaustausch nicht mehr gemeinsame Absicht als 'in Sonntagsreden der Politiker' geherrscht habe. Die Kommission ist jedoch der Auffassung, dass die Formulierung von Knauf zumindest bestätigt, dass der Wille vorlag, sich gegenseitig zu beeinflussen."

132 Als zweites Beispiel nennt die Klägerin die Würdigung des Londoner Treffens durch die Kommission in Randnr. 69 der angefochtenen Entscheidung. BPB habe von "understanding" gesprochen, damit aber nichts anderes gemeint, als dass die Klägerin und BPB einen bestimmten Punkt gleich beurteilt hätten, ohne dass dies eine Verhaltenskoordinierung sei. Die Klägerin habe deshalb in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte klargestellt, dass es eine Vereinbarung oder etwas Ähnliches zwischen BPB und ihr nicht gegeben habe. Der Rechtsbeistand der Klägerin habe - um ihr Vorbringen zu stützen - unterstrichen, dass es allenfalls einen "Appell an die kaufmännische Vernunft" gegeben haben mochte. Aus dieser erläuternden Formulierung ihres Rechtsbeistands gehe hervor, dass es den "Appell an die kaufmännische Vernunft" nicht unbedingt gegeben habe, sondern dass selbst hypothetisch der Gesprächsgegenstand allenfalls etwas völlig Unkonkretes und Unbestimmtes habe sein können.

133 Auch die Auffassung der Kommission in Randnr. 126 der angefochtenen Entscheidung, wonach die Erklärung von Knauf zu dem angeblichen Informationsaustausch und dessen Zweck grundsätzlich die Erklärungen von BPB zu diesem Thema bestätige, zeige, dass die Kommission sprachlich nicht in der Lage gewesen sei, die Einlassungen der Klägerin zu würdigen.

134 Zu der in Randnr. 241 der angefochtenen Entscheidung zum Ausdruck gekommenen Auffassung der Kommission, wonach die Erklärung von Knauf nicht gerade eindeutig sei, meint diese, ihre Einlassung in der Erwiderung auf die Beschwerdepunkte sei von großer Eindeutigkeit, da sie den Abschluss einer Vereinbarung eindeutig bestreite.

135 Die Kommission widerspricht dem Vorbringen der Klägerin und führt aus, dass jedenfalls, selbst wenn sie bestimmte Äußerungen fehlgedeutet haben sollte, darin möglicherweise ein Begründungsfehler läge, nicht aber ein Verfahrensfehler.

Würdigung durch das Gericht

136 Mit diesem Teil ihres Klagegrundes macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei, weil die nach der Anhörung mit der Untersuchung der Sache befassten Beamten der Kommission nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt hätten und die angefochtene Entscheidung daher Fehler in der Auslegung ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte enthalte.

137 Selbst wenn man als erwiesen unterstellt, dass die mit der Sache befassten Beamten der Kommission nicht über die notwendigen Sprachkenntnisse verfügten, genügt, soweit Knauf eine Verletzung ihrer Verteidigungsrechte durch die Kommission geltend macht, hierzu die Feststellung, dass es auf die Sprachkenntnisse eines Mitglieds des mit einer Kartelluntersuchung befassten Teams als solche im Rahmen der Prüfung der Frage, ob die Kommission möglicherweise die Verteidigungsrechte verletzt hat, nicht ankommen kann.

138 Wenn die Kommission bei der Auslegung der Aussagen der Klägerin und ihrer Verwendung als Nachweis für verschiedene Tatsachen einen Fehler begangen hat, ist die angefochtene Entscheidung nämlich sachlich fehlerhaft (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Juni 2005, Tokai Carbon u. a./Kommission, oben in Randnr. 71 angeführt, Randnr. 154). Die von der Klägerin angeführten Beispiele zur geltend gemachten Unzulänglichkeit der Sprachkenntnisse der mit dem Fall befassten Beamten sind deshalb im Rahmen des zweiten Klagegrundes zu prüfen, mit dem dargetan werden soll, dass kein Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG vorliege.

139 Der siebte Teil des ersten Klagegrundes ist somit zurückzuweisen, soweit die Klägerin ihn im Sinne einer Verletzung ihrer Verfahrensrechte geltend macht. Folglich ist der erste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

2. Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG

140 Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihr kein Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG anzulasten sei. Sie bestreitet, dass folgende Sachverhalte Zuwiderhandlungen darstellen:

- das Treffen in London 1992;

- der Informationsaustausch über Absatzmengen in Deutschland, Frankreich, den Benelux-Staaten und im Vereinigten Königreich für den Zeitraum von 1992 bis 1998;

- der Informationsaustausch über Preiserhöhungen im Vereinigten Königreich für den Zeitraum von 1992 bis 1998;

- die Absprachen über Marktanteile in Deutschland (Treffen von Versailles, Brüssel und Den Haag) ab Juni 1996;

- die Absprachen über Preiserhöhungen in Deutschland seit 1996.

141 Die Kommission trägt vor, dass sie in jeder dieser Einzelhandlungen den Ausdruck des gemeinsamen Willens der Beteiligten gesehen habe, zumindest die Gipsplattenmärkte Deutschlands, Frankreichs, des Vereinigten Königreichs und der Benelux-Staaten zu stabilisieren.

Zum ersten Teil: Vereinbarung einer Stabilisierung des betroffenen Marktes beim Treffen in London 1992

Vorbringen der Parteien

142 Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe keinen einzigen Beweis dafür vorlegen können, dass beim Treffen in London 1992 wettbewerbsbeschränkende Absprachen angestrebt oder getroffen worden seien. Sie bestreitet, dass sich ihre Vertreter zusammen mit den Vertretern von BPB bei diesem Treffen dafür ausgesprochen hätten, die Märkte Deutschlands, Frankreichs, des Vereinigten Königreichs und der Benelux-Staaten gemeinsam zu stabilisieren. Beide Unternehmen hätten vielmehr bestritten, dass sie eine Vereinbarung über Preiserhöhungen oder Marktanteile getroffen hätten oder treffen wollten. Die Klägerin beruft sich auf die Äußerungen von BPB, wie sie in den Fn. 38 und 40 der angefochtenen Entscheidung wiedergegeben werden, sowie auf ihre Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte. Zudem wäre es unlogisch, dass sich nur zwei Anbieter der Produkte, die Gegenstand des Verfahrens seien, hierüber verständigten.

143 In einem oligopolistischen Markt könne es auch Ausdruck autonomen unternehmerischen Verhaltens sein, wenn nach einem intensiven Preiskrieg einzelne Marktteilnehmer ihren Wunsch zum Ausdruck brächten, dass sich die Marktverhältnisse wieder stabilisierten.

144 Die Kommission stütze ihren Vorwurf ausschließlich auf Aussagen von BPB und der Klägerin. Aus diesen Aussagen ergebe sich aber, dass keine wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen angestrebt oder getroffen worden seien. Ein Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG läge nur vor, wenn die betreffenden Unternehmen sich gegenseitig konkret zugesichert hätten, ihr Verhalten auf dem Markt auf bestimmte Weise zu verändern. Wenn Unternehmen nur versuchten, einen Wettbewerber zu Preiserhöhungen zu veranlassen, sich aber nicht verpflichteten, ebenfalls ihre Preispolitik zu ändern, liege keine Vereinbarung vor.

145 Der bloße Austausch vor Allgemeinplätzen über die Härte des Wettbewerbs, dem BPB und sie selbst ausgesetzt gewesen seien, anlässlich des Treffens in London vermöge ebenso wenig ein "meeting of the minds" zu konstituieren wie der Umstand, dass nach dem Treffen einige statistische Angaben ausgetauscht worden seien.

146 Die Kommission liefere keinen Beweis für die angebliche Preiswende auf dem Gipsplattenmarkt, die sie in Randnr. 71 der angefochtenen Entscheidung als Hinweis auf eine Preisabsprache anführe. Aus dem Zitat in Fn. 40 der angefochtenen Entscheidung ergebe sich, dass BPB einseitig die Preise versuchsweise angehoben habe, die anderen Unternehmen die Preiserhöhung jedoch nicht mitgemacht hätten, so dass die Preise teilweise auf ihr altes Niveau gesunken, teilweise noch weiter gefallen seien. Die Aussage von BPB beweise somit im Gegenteil, dass die Unternehmen ihre Preise unabhängig voneinander festgesetzt hätten.

147 Auch der Hinweis der Beklagten in den Randnrn. 72 und 438 der angefochtenen Entscheidung auf eine angeblich verringerte Expansion der beteiligten Unternehmen nach dem Treffen in London gehe fehl. In Randnr. 49 der angefochtenen Entscheidung beschreibe die Kommission zutreffend das Expansionsprogramm der Klägerin Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre auf den Märkten Skandinaviens, Belgiens, Spaniens, Frankreichs und des Vereinigten Königreichs. Diese Expansion sei im Jahr 1992 weitestgehend abgeschlossen gewesen, so dass sich die Klägerin auf die neuen Märkte Mittel- und Osteuropas konzentriert habe, auf denen sie mit den anderen westeuropäischen Herstellern konkurriert habe. Die Expansion der Klägerin sei nach dem Treffen in London somit unvermindert weitergegangen. Diese neuen Kapazitäten hätten auch einen erheblichen weiteren Wettbewerbsdruck auf den im vorliegenden Verfahren räumlich relevanten Märkten zur Folge gehabt, da die entsprechenden Produkte grenzüberschreitend gehandelt würden.

148 Die Kommission macht geltend, eine wettbewerbswidrige Absprache erfordere nicht, dass sich die Beteiligten daran gebunden fühlten. Es komme nur darauf an, zu welchen Annahmen die Klägerin die BPB veranlasst habe. Denn die gegenseitigen Versicherungen der beiden bedeutendsten Marktteilnehmer, eine Veränderung der aktuellen Wettbewerbsverhältnisse zu wünschen, hätten beide zumindest zu der Annahme berechtigt, der jeweils andere werde auf eine solche Veränderung hinwirken. Ihre jeweiligen Erklärungen deckten sich inhaltlich und entsprächen daher zwangsläufig einem gemeinsamen Willen. Der Beginn des Austauschs von Verkaufszahlen im Anschluss an das Londoner Treffen belege, dass dies tatsächlich die Annahme von Knauf und BPB gewesen sei (Randnrn. 437 bis 441 der angefochtenen Entscheidung).

149 Die angefochtene Entscheidung besage nirgends, dass das Londoner Treffen allein das Ende des Preiskriegs zum Ziel gehabt habe, sondern, dass es zu diesem Ergebnis beigetragen habe, indem es erstens gegenseitiges Vertrauen geschaffen und zweitens die Vereinbarung des Austauschs von Verkaufszahlen hervorgebracht habe. Beide Umstände habe der andere Teilnehmer, BPB, bestätigt (Randnrn. 55 ff. der angefochtenen Entscheidung). Das Londoner Treffen sei die erste gemeinsame Handlung im Rahmen eines fortlaufenden Verhaltens (Randnrn. 419 und 441 der angefochtenen Entscheidung). Eine Zuwiderhandlung hätte aber auch ohne das Londoner Treffen vorgelegen, wie vor allem die Teilnahme von Lafarge an dem Kartell trotz ihrer Abwesenheit bei diesem Treffen zeige.

150 Die angefochtene Entscheidung beruhe nicht auf dem Gesichtspunkt einer "Preiswende". Allein die Sachverhaltsbeschreibung enthalte ein Zitat von BPB zu dieser "Wende" ("turning point"; Fn. 40) sowie die Feststellung, dass mit dem Londoner Treffen 1992 die in Randnr. 49 der angefochtenen Entscheidung beschriebenen labilen Wettbewerbsverhältnisse in Europa ein Ende gefunden hätten. Dass "auf den verschiedenen Märkten eine Wende bei der Preisentwicklung zu verzeichnen war" (Randnr. 60), habe neben BPB auch Gyproc bestätigt (Randnr. 67).

151 Hinsichtlich des Aufbaus von Produktionskapazitäten habe die Kommission in der angefochtenen Entscheidung das Verhalten der Klägerin nur auf den räumlich relevanten Märkten gewürdigt. Zudem erkläre die deutsche Wiedervereinigung den späteren Bauboom.

Würdigung durch das Gericht

152 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin weder das Treffen von London noch ihre Beteiligung an diesem Treffen bestreitet. Dagegen macht sie geltend, dass dort keine kollusive Absprache getroffen worden sei.

153 Zu prüfen ist somit, ob das Treffen von London einen wettbewerbswidrigen Zweck hatte.

154 Hierzu hat Knauf in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte ausgeführt:

"Entgegen der Annahme der Kommission hat es jedoch nicht eine Vereinbarung über eine Beendigung des Preiskrieges gegeben. Was gewesen sein mag, waren vielleicht wechselseitig gerichtete Appelle an die kaufmännische Vernunft des jeweils anderen, mit dem ruinösen Preisgebaren ein Ende zu machen. Dass Wettbewerb unter den Betroffenen nicht auf Dauer unter ruinösen Bedingungen geführt werden konnte, der Preiskrieg deswegen auch ein Ende finden musste, lag zu dem Zeitpunkt für jeden so klar zutage, dass ein erklärtes gemeinsames Verständnis hierzu ('reached an understanding') der Qualität einer Sonntagrede eines Politikers entspricht."

155 Ferner hat BPB, wie sich aus Randnr. 55 der angefochtenen Entscheidung ergibt, in ihrer zweiten Antwort auf das Auskunftsersuchen erklärt, dass ihre Vertreter und die von Knauf bei diesem Treffen "Einvernehmen darüber [erzielten], dass es im Interesse von BPB, von Knauf und der Industrie insgesamt (sowie auch im Interesse der Verbraucher) wäre, den ruinösen Preiskrieg zu beenden, und dass sich die Hersteller bemühen sollten, den Wettbewerb auf einer wirtschaftlich tragfähigeren Ebene fortzusetzen".

156 BPB hat später geltend gemacht, dass der von ihr verwendete Begriff "Einvernehmen" (understanding) nur in seiner allgemeinsten Bedeutung als "Meinungsübereinstimmung" zu verstehen sei.

157 Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine Vereinbarung im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG schon dann vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten (Urteile des Gerichts HFB u. a./Kommission, oben in Randnr. 125 angeführt, Randnr. 199, vom 11. Dezember 2003, Adriatica di Navigazione/Kommission, T-61/99, Slg. 2003, II-5349, Randnr. 88, und vom 27 Juli 2005, Brasserie nationale u. a./Kommission, T-49/02 bis T-51/02, Slg. 2005, II-3033, Randnr. 118). Hinsichtlich der Ausdrucksform des gemeinsamen Willens genügt es, dass eine Abmachung Ausdruck des Willens der betreffenden Unternehmen ist, sich auf dem Markt im Einklang mit ihr zu verhalten (Urteil des Gerichts vom 14. Oktober 2004, Bayerische Hypo- und Vereinsbank/Kommission, T-56/02, Slg. 2004, II-3495, Randnr. 60).

158 Eine Vereinbarung im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG liegt folglich schon dann vor, wenn ein scheinbar einseitiger Akt oder ein entsprechendes Verhalten Ausdruck des übereinstimmenden Willens von mindestens zwei Unternehmen ist; die Form, in der diese Übereinstimmung zum Ausdruck kommt, ist als solche nicht entscheidend (Urteil des Gerichtshofs vom 13. Juli 2006, Kommission/Volkswagen, C-74/04 P, Slg. 2006, I-6585, Randnr. 37).

159 Die Kriterien der Koordinierung und der Zusammenarbeit, auf die in der Rechtsprechung abgestellt wird, verlangen nicht die Ausarbeitung eines eigentlichen "Plans"; sie sind vielmehr im Sinne des Grundgedankens der Wettbewerbsvorschriften des Vertrags zu verstehen, wonach jeder Unternehmer selbständig zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Gemeinsamen Markt zu betreiben gedenkt. Es ist zwar richtig, dass dieses Selbständigkeitspostulat nicht das Recht der Unternehmen beseitigt, sich dem festgestellten oder erwarteten Verhalten ihrer Mitbewerber mit wachem Sinn anzupassen; es steht jedoch streng jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen Unternehmen entgegen, die bezweckt oder bewirkt, entweder das Marktverhalten eines gegenwärtigen oder potenziellen Mitbewerbers zu beeinflussen oder einen solchen Mitbewerber über das Marktverhalten ins Bild zu setzen, zu dem man sich selbst entschlossen hat oder das man in Erwägung zieht (Urteil des Gerichtshofs vom 16. Dezember 1975, Suiker Unie u. a./Kommission, 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Slg. 1975, 1663, Randnrn. 173 und 174, sowie Urteil Adriatica di Navigazione/Kommission, oben in Randnr. 157 angeführt, Randnr. 89).

160 Dies ist der Fall, wenn zwischen mehreren Unternehmen ein Gentlemen's Agreement besteht, das einen derartigen gemeinsamen Willen getreu zum Ausdruck bringt und eine Beschränkung des Wettbewerbs zum Gegenstand hat. Unter diesen Umständen braucht nicht geprüft zu werden, ob sich die Unternehmen für - rechtlich, tatsächlich oder moralisch - verpflichtet hielten, sich absprachegemäß zu verhalten (Urteil HFB u. a./Kommission, oben in Randnr. 125 angeführt, Randnr. 200).

161 Speziell in Bezug auf wettbewerbswidrige Vereinbarungen, die bei Treffen konkurrierender Unternehmen zustande kommen, hat der Gerichtshof entschieden, dass eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG vorliegt, wenn diese Treffen die Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken und damit der künstlichen Regulierung des Marktes dienen (Urteil des Gerichtshofs vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C-238/99 P, C-244/99 P, C-245/99 P, C-247/99 P, C-250/99 P bis C-252/99 P und C-254/99 P, Slg. 2002, I-8375, Randnrn. 508 und 509).

162 Die Erläuterung von Knauf zum Zweck des Treffens von London genügt dem in der angeführten Rechtsprechung aufgestellten Kriterium. Wie aus der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, haben nämlich Knauf und BPB beide klar ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht, den Preiskrieg zu beenden und den Markt zu stabilisieren. Knauf räumt selbst ein, dass sie von wechselseitigen Appellen an die kaufmännische Vernunft gesprochen habe.

163 Diese Feststellung kann durch das Vorbringen der Klägerin im Rahmen des siebten Teils des ersten Klagegrundes, wonach sich aus ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte ergebe, dass es den "Appell an die kaufmännische Vernunft" nicht unbedingt gegeben habe, sondern dass selbst hypothetisch der Gesprächsgegenstand allenfalls etwas völlig Unkonkretes und Unbestimmtes habe sein können, nicht erschüttert werden.

164 Dieses Vorbringen ist nicht überzeugend. Es erweckt vielmehr den Eindruck, dass die Klägerin versucht, ihre eigenen schriftlichen Äußerungen zu verdrehen. In ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte hat sie nämlich Folgendes erklärt:

"Was gewesen sein mag, waren vielleicht wechselseitig gerichtete Appelle an die kaufmännische Vernunft des jeweils anderen, mit dem ruinösen Preisgebaren ein Ende zu machen."

165 Aus diesem Satz geht klar hervor, dass sich die Klägerin auf einen Appell an die kaufmännische Vernunft bezogen hat. Auch wenn dieser Satz den Ausdruck "vielleicht" enthält, ist die Erklärung, dass das Gespräch nicht die Notwendigkeit einer Beendigung des Preiskriegs betroffen habe, zudem nicht plausibel. Wenn die Klägerin nicht mit BPB über diese Notwendigkeit gesprochen hätte, hätte sie nämlich keinen Grund gehabt, zu erwähnen, dass dieser Punkt möglicherweise erörtert worden sei.

166 Die Aussagen von Knauf genügen zusammen mit der Antwort von BPB auf das zweite Auskunftsersuchen als Nachweis dafür, dass BPB und Knauf beide ihren Willen zum Ausdruck gebracht haben, einen Preiskrieg zu beenden und dadurch den Wettbewerb zu beschränken.

167 Aus der oben in Randnr. 161 angeführten Rechtsprechung folgt ferner, dass das Vorbringen der Klägerin im Rahmen des siebten Teils des ersten Klagegrundes, was in London möglicherweise besprochen worden sei, hätte jedenfalls "für jeden" klar ersichtlich lediglich die "Qualität einer Sonntagsrede eines Politikers", für die Beurteilung des Zwecks des Treffens von London nicht relevant ist.

168 Das Vorbringen von Knauf im Rahmen des siebten Teils des ersten Klagegrundes, die Kommission habe nicht verstanden, dass sie in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte erläutert habe, dass es eine Vereinbarung oder etwas Ähnliches zwischen BPB und ihr selbst nicht gegeben habe, ist unzutreffend. Aus der angefochtenen Entscheidung geht nämlich klar hervor, dass die Kommission sehr wohl verstanden hat, dass Knauf das Vorliegen einer Vereinbarung nicht einräumte.

169 In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass, wenn ein Unternehmen, selbst ohne sich aktiv zu beteiligen, an Treffen von Unternehmen mit wettbewerbswidrigem Zweck teilnimmt und sich nicht offen vom Inhalt dieser Treffen distanziert, so dass es den anderen Teilnehmern Anlass zu der Annahme gibt, dass es dem Ergebnis der Treffen zustimmt und sich daran halten wird, der Nachweis als erbracht angesehen werden kann, dass es sich an der aus diesen Treffen resultierenden Absprache beteiligt hat (Urteil HFB u. a./Kommission, oben in Randnr. 125 angeführt, Randnr. 137).

170 Der wettbewerbswidrige Zweck des Treffens von London wird auch durch den Informationsaustausch bestätigt, den die Unternehmen nach diesem Treffen durchführten. Wie sich aus Randnr. 58 der angefochtenen Entscheidung ergibt, hat BPB in ihrer Antwort auf das zweite Auskunftsersuchen erklärt:

"[Herr (A) und die Knauf-Vettern haben] während dieses Treffens vereinbart, 'die Zahlen über die Verkaufsmengen 1991 auszutauschen, um künftig eine zuverlässige Grundlage für die Überprüfung der Umsetzung der Vereinbarung (?understanding?) zu haben (d. h. um sich gegenseitig ein deutlicheres Bild des Marktvolumens und der eigenen Marktanteile zu geben). Dies sei notwendig gewesen, da es keine zuverlässigen Statistiken über diesen Gewerbezweig gab'."

171 Knauf hat außerdem eingeräumt, dass BPB und sie selbst Verkaufszahlen für die Märkte Deutschlands, des Vereinigten Königreichs, Frankreichs und Belgiens ausgetauscht hatten.

172 Das Vorbringen von Knauf, es habe sich allenfalls um den Versuch einer Vereinbarung gehandelt, kann keinen Erfolg haben. Dass Knauf und BPB ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, den Preiskrieg zu beenden und die betreffenden Märkte zu stabilisieren, stellt nämlich eine Vereinbarung im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG dar.

173 Im Übrigen haben Knauf und BPB, wie das Zitat oben in Randnr. 170 belegt, ihren Plan verwirklicht, indem sie diese Vereinbarung durch einen Austausch von Informationen über die Verkaufsmengen auf den vier betroffenen Märkten umsetzten. Wären diese Unternehmen nicht davon ausgegangen, dass sie eine Vereinbarung zur Beendigung des Preiskriegs und zur Stabilisierung der betroffenen Märkte getroffen hatten, hätten sie es nicht nötig gehabt, die Märkte durch einen Austausch von Daten zu den Verkaufsmengen zu überwachen.

174 Das Vorbringen der Klägerin, die Kommission habe nicht nachgewiesen, dass die Preise oder die Marktanteile tatsächlich stabil gewesen seien, kann diese Schlussfolgerung nicht entkräften.

175 Im Rahmen der Anwendung von Art. 81 Abs. 1 EG genügt es, dass eine Vereinbarung unabhängig von ihren konkreten Wirkungen die Einschränkung, Verhinderung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt. Somit gilt für Vereinbarungen bei Treffen konkurrierender Unternehmen, dass eine Zuwiderhandlung gegen die genannte Bestimmung vorliegt, wenn diese Treffen einen solchen Zweck haben und damit der künstlichen Regulierung des Marktes dienen. In einem solchen Fall ist die Verantwortlichkeit eines bestimmten Unternehmens für die Zuwiderhandlung ordnungsgemäß dargetan, wenn es an diesen Treffen in Kenntnis ihres Gegenstands teilnahm, auch wenn es anschließend die eine oder andere der dort vereinbarten Maßnahmen nicht durchgeführt hat. Die mehr oder weniger regelmäßige Teilnahme des Unternehmens an den Treffen und die mehr oder weniger vollständige Durchführung der vereinbarten Maßnahmen wirken sich nicht auf seine Verantwortlichkeit als solche aus, sondern auf deren Umfang und damit auf die Höhe der Sanktion (Urteil des Gerichtshofs vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C-189/02 P, C-202/02 P, C-205/02 P bis C-208/02 P und C-213/02 P, Slg. 2005, I-5425, Randnr. 145). Unternehmen, die eine Vereinbarung mit dem Ziel einer Wettbewerbsbeschränkung schließen, können sich der Anwendung des Art. 81 Abs. 1 EG grundsätzlich nicht mit dem Hinweis entziehen, dass sich ihre Vereinbarung auf den Wettbewerb nicht messbar ausgewirkt habe.

176 Dieselbe Feststellung gilt für das Vorbringen der Klägerin, die Kommission habe mit der Annahme, dass die Klägerin ihre Produktionskapazitäten eingeschränkt habe, einen Fehler begangen.

177 Die Kommission ist folglich zu Recht davon ausgegangen, dass Knauf und BPB beim Treffen in London ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht hatten, den Preiskrieg zu beenden und den betroffenen Markt zu stabilisieren. Der erste Teil des zweiten Klagegrundes ist somit zurückzuweisen.

Zum zweiten Teil: Informationsaustausch über Absatzmengen in Deutschland, Frankreich, den Benelux-Staaten und im Vereinigten Königreich für den Zeitraum von 1992 bis 1999

Vorbringen der Parteien

178 Die Klägerin räumt ein, mit den Unternehmen BPB, Lafarge und Gyproc statistische Angaben über Absatzmengen ausgetauscht zu haben. Dieser Informationsaustausch habe indes nicht dazu gedient, anderweitige Kartellaktivitäten zu unterstützen. Er sei daher nicht als Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG zu bewerten.

179 Bis zum Urteil des Gerichts vom 12. Juli 2001, Tate & Lyle u. a./Kommission (T-202/98, T-204/98 und T-207/98, Slg. 2001, II-2035, bestätigt durch Urteil des Gerichtshofs vom 29. April 2004, British Sugar/Kommission, C-359/01 P, Slg. 2004, I-4933), hätten der Gerichtshof und das Gericht den Austausch von Marktinformationen nur dann als Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG angesehen, wenn er von einer wie auch immer gearteten Vereinbarung begleitet gewesen oder eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung nachgewiesen worden sei.

180 Mangels Aussagekraft der ausgetauschten Absatzangaben habe es keine Wettbewerbsbeschränkung gegeben. Die Zahlen seien nur in sehr grober und ungenauer Form übermittelt worden. Ferner seien sie nur sporadisch und mit großer zeitlicher Verzögerung ausgetauscht worden, seien also in weiten Teilen historisch gewesen. Aus der Tatsache, dass die ausgetauschten Absatzzahlen für ganze Jahre, Halbjahre oder Quartale zusammengestellt worden seien, könne nicht der Schluss gezogen werden, dass die Unternehmen die Angaben auch in diesem Rhythmus übermittelt hätten. Die Aussagekraft der Absatzzahlen sei zudem weiter dadurch verringert worden, dass diese nicht zwischen den unterschiedlichen Arten von Gipskartonplatten differenziert hätten.

181 Nach seiner Ausgestaltung habe der Informationsaustausch nur ein Ziel erreichen können, nämlich die individuellen Einschätzungen der Marktverhältnisse, insbesondere der Marktgröße, im Groben zu verifizieren.

182 Zudem müsse die Kommission nachweisen, dass die Klägerin durch die ihr zur Last gelegten Handlungen eine Wettbewerbsbeschränkung habe bewirken wollen. Sie selbst, Lafarge und Gyproc hätten in allen ihren Aussagen betont, dass der Informationsaustausch nicht das Ziel gehabt habe, den Wettbewerb zwischen ihnen zu beschränken, sondern der Versuch gewesen sei, ihr Verständnis von der Marktentwicklung zu verbessern.

183 Selbst wenn man im Austausch der Absatzangaben einen Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG sehen könnte, handele es sich keinesfalls um einen besonders schweren Verstoß. Ein System des Austauschs von Marktinformationen, das wie im vorliegenden Fall ohne Marktaufteilung, Kundenaufteilung oder Preisabsprachen bestehe, könne den Wettbewerb allenfalls geringfügig beeinflussen.

184 Die Kommission macht geltend, auf einem Markt mit einem engen Oligopol gebe der Austausch geheimer Informationen den Unternehmen Aufschluss über die Marktposition und die Verkaufsstrategie ihrer Konkurrenten und beeinträchtige damit spürbar den noch bestehenden Wettbewerb. Die Klägerin selbst sehe die ausgetauschten Informationen über Marktanteile und Preise als Geschäftsgeheimnisse an.

185 Der Vorwurf hinsichtlich des Informationsaustauschsystems laute gerade, dass dieses System Folge des Londoner Treffens von 1992 gewesen sei (Randnrn. 112, 114 und 122 der angefochtenen Entscheidung) und im Rahmen der komplexen einheitlichen Zuwiderhandlung den Wettbewerb beschränkt habe (Randnrn. 162 und 442 bis 454 der angefochtenen Entscheidung). Außerdem sei dieser Informationsaustausch nicht das einzige Mittel zur Überwachung der Wettbewerber gewesen. Wie Randnr. 58 der angefochtenen Entscheidung zeige, gäben überdies BPB und ihr damaliger Generaldirektor, Herr [A], beide zu, dass der Informationsaustausch der Überwachung der Absprachen gedient habe.

Würdigung durch das Gericht

186 Da die Klägerin den in Rede stehenden Informationsaustausch eingeräumt hat, soll ihr Vorbringen nur die von der Kommission vorgenommene rechtliche Beurteilung der unstreitigen Tatsachen in Frage stellen.

187 Vereinbarungen über den Austausch von Informationen verstoßen nach der einschlägigen Rechtsprechung gegen die Wettbewerbsregeln, wenn sie den Grad der Ungewissheit über das fragliche Marktgeschehen verringern oder beseitigen und dadurch zu einer Beschränkung des Wettbewerbs zwischen den Unternehmen führen (Urteil des Gerichtshofs vom 23. November 2006, ASNEF-EQUIFAX und Administración del Estado, C-238/05, Slg. 2006, I-11125, Randnr. 51).

188 Den Wettbewerbsvorschriften des Vertrags liegt nämlich der Gedanke zugrunde, dass jeder Wirtschaftsteilnehmer selbständig zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Gemeinsamen Markt zu betreiben gedenkt. Ein solches Selbständigkeitspostulat steht nach der angeführten Rechtsprechung jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen Wirtschaftsteilnehmern entgegen, durch die entweder das Marktverhalten eines tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerbers beeinflusst oder ein solcher Wettbewerber über das Marktverhalten, zu dem man selbst entschlossen ist oder das man in Erwägung zieht, ins Bild gesetzt wird, wenn die Fühlungnahme bezweckt oder bewirkt, dass Wettbewerbsbedingungen entstehen, die im Hinblick auf die Art der Waren oder erbrachten Dienstleistungen, die Bedeutung und Zahl der beteiligten Unternehmen sowie den Umfang des in Betracht kommenden Marktes nicht dessen normalen Bedingungen entsprechen (Urteil ASNEF-EQUIFAX und Administración del Estado, oben in Randnr. 187 angeführt, Randnr. 52).

189 Was die Rechtmäßigkeit des Informationsaustauschs angeht, ist nach der Rechtsprechung auf einem wirklich vom Wettbewerb geprägten Markt der Umstand, dass ein Wirtschaftsteilnehmer Informationen über das Marktgeschehen, über die er dank des Informationsaustauschsystems verfügt, berücksichtigt, um sein Verhalten auf diesem Markt anzupassen, angesichts der Zersplitterung des Angebots nicht geeignet, bei den anderen Wirtschaftsteilnehmern die Ungewissheit über das künftige Verhalten der Wettbewerber zu verringern oder ganz zu beseitigen. Dagegen ist der Austausch von Marktinformationen auf einem hochgradig konzentrierten oligopolistischen Markt geeignet, den Unternehmen Aufschluss über die Marktpositionen und die Strategien ihrer Wettbewerber zu geben und damit den noch bestehenden Wettbewerb zwischen den Wirtschaftsteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen (Urteil des Gerichtshofs vom 28. Mai 1998, Deere/Kommission, C-7/95 P, Slg. 1998, I-3111, Randnrn. 88 und 90).

190 Vorbehaltlich des den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern obliegenden Gegenbeweises besteht die Vermutung, dass die an der Abstimmung beteiligten und weiterhin auf dem Markt tätigen Unternehmen die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen bei der Festlegung ihres Marktverhaltens berücksichtigen. Dies gilt umso mehr, wenn die Abstimmung während eines langen Zeitraums regelmäßig stattfindet (Urteil HFB u. a./Kommission, oben in Randnr. 125 angeführt, Randnr. 216).

191 Im vorliegenden Fall war der Gipsplattenmarkt oligopolistisch strukturiert, was die Klägerin auch nicht bestreitet. Zu prüfen ist deshalb, ob der Informationsaustausch aufgrund dieser Markteigenschaft den Grad der Ungewissheit der betreffenden Unternehmen über das fragliche Marktgeschehen verringerte oder beseitigte und dadurch den Wettbewerb auf diesem Markt beschränkte.

192 Die Klägerin ist der Ansicht, der Informationsaustausch habe nach seiner Ausgestaltung nur ein Ziel erreichen können, nämlich die individuellen Einschätzungen der Marktverhältnisse, insbesondere der Marktgröße, im Groben zu verifizieren.

193 Dieses Vorbringen der Klägerin ist eine bloße Behauptung, die im Widerspruch zu den Aussagen von BPB zum Zweck des Austauschs der Verkaufszahlen zwischen Knauf und BPB steht, aus denen hervorgeht, dass der fragliche Informationsaustausch die Beendigung des Preiskriegs ermöglichen sollte. In der Antwort von BPB vom 28. Oktober 1999 auf das zweite Auskunftsersuchen (zitiert in Randnr. 58 der angefochtenen Entscheidung) heißt es nämlich:

"[Die Vertreter von Knauf und BPB haben] vereinbart, 'die Zahlen über die Verkaufsmengen 1991 auszutauschen, um künftig eine zuverlässige Grundlage für die Überprüfung der Umsetzung der Vereinbarung (?understanding?) zu haben (d. h. um sich gegenseitig ein deutlicheres Bild des Marktvolumens und der eigenen Marktanteile zu geben). Dies sei notwendig gewesen, da es keine zuverlässigen Statistiken über diesen Gewerbezweig gab'."

194 Wenn der Markt transparent gewesen wäre und die ausgetauschten Daten dem Markt hätten entnommen werden können, wie die Klägerin geltend macht, hätten die betreffenden Unternehmen es im Übrigen nicht nötig gehabt, den streitigen Austausch zu beginnen. Aus Randnr. 117 der angefochtenen Entscheidung geht aber hervor, dass die ausgetauschten Daten auf dem Markt nicht verfügbar waren. Die Unternehmen hatten also ein Interesse daran, die fraglichen Daten auszutauschen.

195 Die Behauptung der Klägerin im Rahmen des siebten Teils des ersten Klagegrundes, die Kommission habe in der angefochtenen Entscheidung die Ansicht vertreten, dass sie bestätigt habe, dass der Informationsaustausch der Kontrolle der Marktanteile gedient habe, obwohl sie in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte das Gegenteil erklärt habe, ist unzutreffend, da aus der Prüfung des in der angefochtenen Entscheidung dargestellten Vorbringens der Klägerin klar hervorgeht, dass sie diesen Zweck bestritten hat.

196 Das Vorbringen der Klägerin, mangels Aussagekraft der ausgetauschten Absatzangaben habe es keine Wettbewerbsbeschränkung gegeben, weil die Zahlen in sehr grober und ungenauer Form übermittelt worden seien, ohne dass sie zwischen den unterschiedlichen Arten von Gipskartonplatten differenziert hätten, ist unbeachtlich, da der Informationsaustausch zwischen den betreffenden Unternehmen dazu diente, zu überwachen, dass ihre jeweiligen Marktanteile stabil blieben oder zumindest nicht kleiner wurden. Da die Klägerin und BPB beim Treffen in London einen gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht hatten, den Preiskrieg zu beenden und die fraglichen Märkte zu stabilisieren, genügte zur Erreichung dieses Ziels, dass die betreffenden Parteien wussten, dass sie bei einer Beendigung des Preiskriegs keine Marktanteile verlieren würden. Zu diesem Zweck genügten die allgemeinen Verkaufszahlen, die eine Berechnung der Marktanteile ermöglichten. Dies erklärt auch, weshalb die Zahlen nicht zwischen den unterschiedlichen Arten von Gipskartonplatten differenzierten.

197 Was das Vorbringen der Klägerin angeht, der Datenaustausch sei nicht regelmäßig erfolgt und deshalb handele es sich nicht um einen Kontrollmechanismus, ergibt die Prüfung des Treffens von London im Gegenteil als plausibelste Erklärung, dass dieser Austausch sehr wohl einen Kontrollmechanismus bildete, der dazu diente, zu überprüfen, ob der Preiskrieg tatsächlich endete. Die Klägerin hat ihr Vorbringen jedenfalls nicht wirklich untermauert. Zudem betrifft ihr Vorbringen nur die etwaigen Auswirkungen des Datenaustauschs und kann, selbst wenn es zuträfe, diesem Austausch nicht seinen wettbewerbswidrigen Charakter nehmen.

198 Das Vorbringen der Klägerin, die Periodizität, mit der die Angaben in den Tabellen zusammengestellt worden seien, belege nicht, dass der Datenaustausch ebenfalls in diesen Abständen erfolgt sei, geht im vorliegenden Fall ins Leere. Selbst wenn die Angaben zu den Verkaufsmengen weniger häufig ausgetauscht worden wären, als dies aus den bei den Nachprüfungen gefundenen Tabellen hervorgeht, würde dies nicht die Schlussfolgerung widerlegen, dass ein solcher Austausch wettbewerbswidrig war. Auf jeden Fall hat die Klägerin keine Beweise dafür vorgelegt, dass die Periodizität der Tabellen nicht den Abständen entsprach, in denen die Informationen ausgetauscht wurden. Die Klägerin ist somit den Beweis dafür schuldig geblieben, dass die Feststellung der Kommission, der Austausch sei im selben Rhythmus erfolgt wie die Erstellung der Tabellen, unrichtig ist.

199 Diese Feststellung gilt auch für die Behauptung der Klägerin, dass die Informationen oft mit großer zeitlicher Verzögerung ausgetauscht worden seien und die übermittelten Angaben mehrere Quartale betreffen konnten. Diese Behauptung steht auch im Widerspruch zur Antwort von BPB vom 28. Oktober 1999 auf das zweite Auskunftsersuchen, in der BPB angegeben hat, dass die Zahlen zuweilen erst zwei Monate nach Ende des Zeitraums ausgetauscht worden seien, auf den sie sich bezogen hätten. Selbst wenn die Informationen erst zwei Monate später ausgetauscht worden sein sollten, hätte diese Verzögerung den Nutzen dieser Informationen, anhand deren sich überwachen ließ, dass die Marktanteile aller betreffenden Unternehmen stabil blieben, nicht geschmälert. Außerdem waren der Antwort von BPB zufolge derartige Verzögerungen nicht häufig, so dass die Kommission mit gutem Grund davon ausgehen konnte, dass sich diese Verzögerungen insgesamt nicht auf den wettbewerbswidrigen Charakter des Austauschs ausgewirkt hatten. Wie bereits oben festgestellt, sind diese Unternehmen am besten in der Lage, die genauen Modalitäten des Austauschs zu beweisen.

200 Die Behauptung der Klägerin, die übermittelten Informationen seien oft falsch gewesen, wird von ihr weder näher erläutert noch belegt. Selbst wenn man jedoch unterstellt, die übermittelten Informationen seien falsch gewesen und die betreffenden Unternehmen hätten den Ergebnissen ihrer eigenen Recherchen stärker vertraut, wären diese Informationen jedenfalls nicht ohne Einfluss auf den Grad der Ungewissheit der Wettbewerber über das Marktverhalten der übrigen Hersteller auf dem Markt geblieben. Sie zeigen nämlich, dass die betreffenden Unternehmen ein gemeinsames Ziel mit wettbewerbswidrigem Inhalt verfolgten, und zwar die Beendigung des Preiskriegs, was ein gegenseitiges Vertrauen voraussetzte.

201 Zum letzten Punkt ist außerdem festzustellen, dass die Nichteinhaltung einer Absprache nichts an deren Existenz ändert (vgl. in diesem Sinne Urteil Thyssen Stahl/Kommission, oben in Randnr. 71 angeführt, Randnrn. 233, 255, 256 und 341). Selbst wenn man als erwiesen unterstellt, dass es einigen Teilnehmern des Kartells gelang, andere Teilnehmer durch Übermittlung unrichtiger Informationen zu täuschen und das Kartell zu ihrem Vorteil auszunutzen, indem sie sich nicht an die Absprache hielten, wird die begangene Zuwiderhandlung dadurch nicht ungeschehen gemacht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Juni 2005, Tokai Carbon u. a./Kommission, oben in Randnr. 71 angeführt, Randnr. 74).

202 Das Vorbringen der Klägerin, der Informationsaustausch sei jedenfalls kein besonders schwerer Verstoß gewesen, wäre nur zu prüfen, wenn man den Austausch als eigenständige Zuwiderhandlung und nicht als Bestandteil der von der Kommission festgestellten komplexen und fortgesetzten Zuwiderhandlung ansehen müsste. Dieses Vorbringen lässt sich daher nicht von der Prüfung der dritten Klagegrundes trennen, mit dem eine Verkennung des Begriffs der einheitlichen Zuwiderhandlung beanstandet wird.

203 Die Klägerin macht geltend, dass der Austausch von Marktinformationen bis zum Urteil Tate & Lyle u. a./Kommission (oben in Randnr. 179 angeführt) nur dann als Zuwiderhandlung angesehen worden sei, wenn er von einer wie auch immer gearteten Vereinbarung begleitet gewesen oder eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung nachgewiesen worden sei.

204 Hierzu genügt ein Hinweis darauf, dass sich die Auslegung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts durch den Gerichtshof oder das Gericht darauf beschränkt, zu erläutern und zu verdeutlichen, in welchem Sinne und mit welcher Tragweite diese Vorschrift seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden ist oder gewesen wäre. Daraus folgt, dass die Gerichte die Vorschrift in dieser Auslegung auch auf Rechtsverhältnisse, die vor Erlass des auf das Ersuchen um Auslegung ergangenen Urteils entstanden sind, anwenden können und müssen, wenn alle sonstigen Voraussetzungen für die Anrufung der zuständigen Gerichte in einem die Anwendung dieser Vorschrift betreffenden Streit vorliegen (Urteil des Gerichtshofs vom 15. März 2005, Bidar, C-209/03, Slg. 2005, I-2119, Randnr. 66).

205 Zum Zweck des Austauschs bezüglich der Absatzmengen auf dem Markt des Vereinigten Königreichs hat die Kommission in Randnr. 171 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass dieser Austausch dasselbe Ziel gehabt habe wie der Austausch von Angaben zu den Absatzmengen auf den vier betroffenen Märkten, was Knauf nicht bestritten hat.

206 Der kollusive Charakter des Informationsaustauschs über die von 1992 bis 1998 in Deutschland, Frankreich, den Benelux-Staaten und im Vereinigten Königreich verkauften Mengen ist folglich hinreichend bewiesen.

207 Der zweite Teil des zweiten Klagegrundes hat daher keinen Erfolg.

Zum dritten Teil: Informationsaustausch über Preiserhöhungen im Vereinigten Königreich für den Zeitraum von 1992 bis 1998

Vorbringen der Parteien

208 Die Klägerin macht geltend, dass die Kommission nicht einen einzigen Fall nachgewiesen habe, in dem ein Unternehmen ein anderes im Voraus über eine Preiserhöhung informiert hätte. Die Kommission unternehme noch nicht einmal den Versuch, zu behaupten, die Unternehmen hätten eine Vereinbarung darüber getroffen, einander über Preiserhöhungen zu informieren.

209 Selbst wenn die Klägerin ein anderes Unternehmen über eine Preiserhöhung im Voraus informiert hätte, wäre dies im Übrigen ein einseitiges Vorgehen eines Unternehmens.

210 Die Kommission weise den Austausch von Informationen für die Zeit vor dem 7. September 1996 nicht konkret nach. Der Zeitraum der behaupteten Zuwiderhandlung beginne daher allenfalls erst am 7. September 1996 und nicht bereits im Jahr 1992.

211 Die Kommission ist der Ansicht, dass die Ausführungen zur Häufigkeit oder Gegenseitigkeit dieses Austauschs an der Sache vorbeigingen, da sich auch dieser Informationsaustausch in den weiteren Zusammenhang einer fortgesetzten Zuwiderhandlung einfüge.

212 Die relative Seltenheit der nachgewiesenen Kontakte sei vor dem Hintergrund zu sehen, dass sich Vertreter der Kartellteilnehmer ohnehin regelmäßig getroffen und über andere Parameter ausgetauscht hätten. Zudem habe es auf dem Markt des Vereinigten Königreichs nur zweimal jährlich Preiserhöhungen gegeben. Dies sei in die Gesamtbetrachtung ebenso einzubeziehen wie die Umstände, dass Preise und Marktanteile voneinander abhingen und dass ein Parallelverhalten ein wichtiges Indiz für eine abgestimmte Verhaltensweise sei.

Würdigung durch das Gericht

213 Die Klägerin hat auf eine schriftliche Frage des Gerichts hin bestätigt, dass sie nicht bestreite, dass in der Zeit vom 7. September 1996 bis 1. November 1998 ein Informationsaustausch über Preiserhöhungen auf dem Markt des Vereinigten Königreichs stattgefunden habe. Dieser Austausch habe jedoch keinen wettbewerbswidrigen Charakter gehabt, da es sich lediglich um die Mitteilung bereits getroffener Entscheidungen gehandelt habe. Überdies seien die Informationen einseitig mitgeteilt worden.

214 Die Kommission hat auf eine mündliche Frage des Gerichts bestätigt, dass sie für die Zeit vor dem 7. September 1996 keine schriftlichen Beweise für Kontakte zwischen den betreffenden Unternehmen gefunden habe.

215 Zu prüfen ist folglich erstens, ob für die Zeit vor dem 7. September 1996 die Parallelität der Preiserhöhungen einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht hinreichend belegt, und zweitens, ob für die Zeit vom 7. September 1996 bis 1. November 1998 der kollusive Charakter der eingeräumten Kontakte zwischen den betreffenden Unternehmen rechtlich hinreichend nachgewiesen ist.

216 Zu prüfen ist hierbei, ob die annähernde Gleichzeitigkeit der Ankündigungen von Preiserhöhungen und die festgestellte Parallelität der angekündigten Preise ein Bündel von ernsthaften, genauen und übereinstimmenden Indizien für eine vorherige Abstimmung darstellen, die dazu diente, die konkurrierenden Unternehmen über die Preiserhöhungen zu unterrichten. Ein Parallelverhalten kann nur dann als Beweis für eine Abstimmung angesehen werden, wenn es sich nur durch die Abstimmung einleuchtend erklären lässt. Denn Art. 81 EG verbietet zwar jede Form der heimlichen Absprache, die geeignet ist, den Wettbewerb zu verfälschen; er beseitigt aber nicht das Recht der Unternehmen, sich dem festgestellten oder erwarteten Verhalten ihrer Konkurrenten auf intelligente Weise anzupassen (Urteil des Gerichtshofs vom 31. März 1993, Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, C-89/85, C-104/85, C-114/85, C-116/85, C-117/85 und C-125/85 bis C-129/85, Slg. 1993, I-1307, Randnr. 71).

217 Für die Zeit vor dem 7. September 1996 ergibt sich aus den Randnrn. 198 bis 200 der angefochtenen Entscheidung, dass Preiserhöhungen viermal annähernd gleichzeitig angekündigt wurden. So folgte der Ankündigung von British Gypsum (im Folgenden: BG), der Tochter von BPB im Vereinigten Königreich, vom 21. Juli 1992 (Preise gültig ab Ende August 1992) die Ankündigung von Lafarge (Redland) vom 31. Juli 1992 (Preise gültig ab 31. August 1992). Knauf kündigte ihre neuen Preise am 3. August 1992 an (mit einer neuen Preisliste für September 1992).

218 BPB kündigte im November 1993 eine Preiserhöhung um 12 % für Januar 1994 an. Lafarge schloss sich dieser Erhöhung an, während Knauf ihr nicht in vollem Umfang folgte.

219 Knauf kündigte am 29. September 1994 eine Preiserhöhung um ungefähr 6,5 % zum 1. März 1995 an, BPB am 2. Dezember 1994 eine Erhöhung um 9 % zum 27. Februar 1995. Dieser Erhöhung folgte eine identische Preiserhöhung, die Lafarge am 6. Januar 1995 für denselben Tag bekannt gab.

220 Am 22. September 1995 kündigte BG für Standardplatten eine Preiserhöhung um 12 % zum 1. Januar 1996 an. Dieser Ankündigung folgten am 13. Oktober 1995 Lafarge und am 27. Oktober 1995 Knauf mit der Ankündigung der gleichen Preiserhöhung zum 1. Januar 1996.

221 In der Zeit vor dem 7. September 1996 wurden die Preise von BPB, Lafarge und Knauf also in sehr dichten Abständen bzw. sogar gleichzeitig erhöht.

222 Selbst wenn die Abstände zwischen den einzelnen Ankündigungen von Preiserhöhungen es den Unternehmen ermöglicht haben könnten, davon durch vom Markt herrührende Informationen zu erfahren, und selbst wenn diese Erhöhungen nicht immer den gleichen Umfang hatten, sind im vorliegenden Fall die annähernde Gleichzeitigkeit der Ankündigungen von Preiserhöhungen und die festgestellte Parallelität der angekündigten Preise starke Indizien für eine vorherige Abstimmung dieser Ankündigungen, da die Erhöhungen in einem Kontext erfolgten, der dadurch gekennzeichnet war, dass, wie die Kommission in der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, die Klägerin und BPB beim Treffen von London Anfang 1992 Einvernehmen darüber erzielt hatten, den Preiskrieg auf den vier europäischen Märkten zu beenden.

223 Auf jeden Fall hat die Kommission in Randnr. 476 der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich des Austauschs von Angaben zu den Preiserhöhungen auf dem Markt des Vereinigten Königreichs unter Bezugnahme auf Randnr. 211 der Entscheidung lediglich den Schluss gezogen, dass es, wie von BPB, Knauf und Lafarge eingestanden worden sei, bei bestimmten Preiserhöhungen Kontakte gegeben habe. Außerdem hat sie in Randnr. 210 der Entscheidung darauf hingewiesen, dass ein paralleles Verhalten der Unternehmen festzustellen sei, die überdies noch weitere geheime Kontakte gepflegt hätten, ohne jedoch daraus zu folgern, dass dieser Parallelität eine Abstimmung vorangegangen sein müsse. Darüber hinaus hat sie durch die Verwendung des Begriffs "jedoch" in der englischen, der französischen und der niederländischen Fassung von Randnr. 211 der angefochtenen Entscheidung diese bloße Parallelität klar von der eingeräumten Existenz von Kontakten vor den Ankündigungen von Preiserhöhungen abgegrenzt.

224 Für die Zeit nach dem 7. September 1996 wird die Existenz von Kontakten zwischen den Wettbewerbern bezüglich der Preiserhöhungen im Vereinigten Königreich durch folgende schriftliche Beweise belegt.

225 Erstens kündigte Knauf einem internen Vermerk von BG zufolge während des Wochenendes vom 7./8. September 1996 an, dass sie der von BG beschlossenen Preiserhöhung folgen werde, wenn die Absichten von BG ausdrücklich erläutert würden. Wie aus Randnr. 201 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, fand dieses Gespräch statt, bevor BG am 9. September 1996 die Erhöhung ihrer Preise ankündigte.

226 Knauf räumt ein, dass dieses Gespräch stattgefunden hat; es habe sich aber nicht um eine Zuwiderhandlung gehandelt.

227 Der betreffenden Preiserhöhung folgte am 20. September 1996 auch Lafarge.

228 Zweitens dauerten die annähernde Gleichzeitigkeit der Ankündigungen von Preiserhöhungen und die Parallelität der angekündigten Preise fort. So hat die Kommission in den Randnrn. 203 und 204 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass BG am 3. Juni 1997 für Standardplatten eine Preiserhöhung um 3,8 % zum 1. August 1997 angekündigt hatte. Lafarge wiederum kündigte eine Preiserhöhung um 3,7 % zum 4. August 1997 an und Knauf eine Erhöhung um 3,7 % zum selben Datum wie Lafarge. Außerdem kündigte BG am 27. Januar 1998 eine Preiserhöhung um 4,4 % zum 1. April 1998 an. Lafarge wiederum kündigte eine Erhöhung um 4,1 % zum 6. April 1998 an und Knauf die gleiche Erhöhung zum 1. April 1998.

229 Drittens hatte nach Randnr. 205 der angefochtenen Entscheidung, bevor BG am 8. September 1998 eine Preiserhöhung um 5 % zum 1. November 1998 ankündigte, ein Vertreter von Lafarge einem Angestellten von BG mitgeteilt, dass Lafarge aus finanziellen Gründen nicht bereit sei, der für Anfang Januar des folgenden Jahres vorgesehenen Preiserhöhung zu folgen. Wenn die betreffenden Unternehmen nicht vereinbart hätten, Informationen über die Preiserhöhungen auszutauschen, hätte Lafarge es aber nicht nötig gehabt, den Vertreter von BG darüber zu unterrichten, dass sie der vorgesehenen Erhöhung nicht folgen werde.

230 Viertens hat BPB eingeräumt, dass es von ihr so genannte "einzelne Gelegenheiten" gegeben habe, bei denen Herr [N], der Generaldirektor von BG, die Generaldirektoren von Lafarge und Knauf im Vereinigten Königreich angerufen habe, um ihnen die Absichten von BG bezüglich der Preise sowie die geplanten Erhöhungsmargen mitzuteilen (Randnr. 207 der angefochtenen Entscheidung). Auch wenn BPB die Daten dieser Telefonanrufe nicht nennt und sie als "Höflichkeitsanrufe" bezeichnet, belegen die Anrufe, dass die konkurrierenden Unternehmen Kontakte hinsichtlich der Preiserhöhungen hatten.

231 Unter diesen Umständen hat die Kommission in Randnr. 477 der angefochtenen Entscheidung zu Recht festgestellt, dass es sich bei den Kontakten bezüglich der Preiserhöhungen auf dem Markt des Vereinigten Königreichs um eine nach Art. 81 Abs. 1 EG untersagte abgestimmte Verhaltensweise handelte.

232 Diese Feststellung kann durch das Argument der Klägerin, es habe sich um ein einseitiges Verhalten gehandelt, nicht entkräftet werden. Zwar setzt der Begriff der abgestimmten Verhaltensweise tatsächlich die Existenz gegenseitiger Kontakte voraus. Diese Voraussetzung ist jedoch erfüllt, wenn ein Konkurrent seine Absichten oder sein künftiges Verhalten auf dem Markt einem anderen auf dessen Wunsch mitteilt oder dieser die Mitteilung zumindest akzeptiert (Zement-Urteil, oben in Randnr. 39 angeführt, Randnr. 1849).

233 Was das Vorbringen der Klägerin angeht, die übermittelten Preisinformationen seien den Kunden des betreffenden Unternehmens bereits vor ihrer Mitteilung an die Wettbewerber bekannt gewesen und diese hätten die offengelegten Informationen somit bereits dem Markt entnehmen können, ist daran zu erinnern, dass schon der bloße Umstand, dass Informationen über Wettbewerber erlangt werden, die ein unabhängiger Wirtschaftsteilnehmer als Betriebsgeheimnisse hütet, eine wettbewerbsfeindliche Einstellung zeigt (Urteil Tate & Lyle u. a./Kommission, oben in Randnr. 179 angeführt, Randnr. 66). Zudem fanden die Gespräche, für die die Kommission direkte Beweise gefunden hat, vor den offiziellen Ankündigungen von Preiserhöhungen statt.

234 Angesichts der Umstände des vorliegenden Falles hat die Kommission rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass die drei Unternehmen einander im Zeitraum von 1992 bis 1998 über die Preiserhöhungen auf dem Markt des Vereinigten Königreichs unterrichteten.

235 Der dritte Teil des zweiten Klagegrundes ist mithin zurückzuweisen.

Zum vierten Teil: Absprachen über die Marktanteile in Deutschland

Vorbringen der Parteien

236 Die Klägerin räumt ein, dass alle Unternehmen zugegeben hätten, dass sich ihre Vertreter am Rande des Eurogypsum-Kongresses im Juni 1996 in Versailles getroffen und hierbei auch die Situation auf dem deutschen Markt angesprochen hätten. Sie hätten aber keine Vereinbarung darüber getroffen, wie hoch ihre Anteile am deutschen Markt in Zukunft sein sollten. Aus dem in Randnr. 221 der angefochtenen Entscheidung angeführten Vermerk ergebe sich, dass die Unternehmensvertreter Wunschvorstellungen geäußert hätten, wie hoch ihre Marktanteile sein sollten. Ein solcher Wunsch sei ein einseitiges Verhalten, das nicht als Zuwiderhandlung eingestuft werden könne. Er stelle allenfalls den Versuch einer Absprache dar. Vorbereitungshandlungen zur Erzielung einer Willensübereinstimmung - selbst wenn sie angestrebt gewesen sein sollte - erfüllten den Tatbestand des Art. 81 Abs. 1 EG nicht.

237 Der Marktanteil der Klägerin sei im Zeitraum der behaupteten Zuwiderhandlung gefallen, und auch die Preisentwicklung sei negativ gewesen, wie aus dem der Kommission mit der Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgelegten Gutachten hervorgehe.

238 Gegenstand des Treffens in Brüssel sei die Frage gewesen, ob man gemeinsam das Werk von Norgips in Oppeln (Polen) erwerben sollte. Im damaligen Zusammenhang sei die Rede zwangsläufig auf die Situation auf dem deutschen Markt für Gipsplatten gekommen, ohne dass jedoch in irgendeiner Form die Einhaltung bestimmter Marktanteile vereinbart worden wäre. Aus den in den Randnrn. 252 und 253 der angefochtenen Entscheidung angeführten Aussagen von Knauf und Lafarge ergebe sich vielmehr, dass zu keinem Zeitpunkt von einer Stabilisierung der Marktanteile in Deutschland die Rede gewesen sei.

239 Auch bei dem Treffen der Unternehmensvertreter im Mai 1998 in Den Haag sei es, wie auch aus den Randnrn. 256 ff. der angefochtenen Entscheidung hervorgehe, nach übereinstimmender Aussage aller Unternehmen nicht zu einer Vereinbarung über Marktanteile gekommen.

240 In Randnr. 264 der angefochtenen Entscheidung behaupte die Kommission, die Unternehmen hätten "alle akzeptiert, dass ihre Marktanteile in einer gemeinsamen Vereinbarung bestimmt werden", was sich jedoch aus keinem Beweismittel ergebe.

241 Was den über den Treuhänder erfolgten Austausch von Absatzzahlen in Bezug auf Deutschland angehe, so sei dieser weder genauer noch zuverlässiger gewesen als die zwischen den Unternehmen direkt ausgetauschten Zahlen. Er habe es den Unternehmen nur ermöglicht, rückblickend ihren eigenen Marktanteil zu ermitteln, wie die Kommission in Randnr. 271 der angefochtenen Entscheidung selbst einräume.

242 Die Klägerin bestreitet, dass dieser Austausch dazu gedient habe, eine angeblich bei dem Treffen in Versailles 1996 getroffene Vereinbarung umzusetzen. Hiergegen spreche bereits, dass der Informationsaustausch erst Monate nach dem Treffen von Versailles begonnen habe. Die Schwächen des direkten Informationsaustauschs lägen bei dem Informationsaustauschsystem ebenfalls vor.

243 Die Kommission verweist auf die angefochtene Entscheidung (Randnrn. 263 bis 267 und 465 bis 469) und macht geltend, dass Art. 81 Abs. 1 EG bereits einen Informationsaustausch in Vorbereitung einer Kartellvereinbarung als abgestimmte Verhaltensweise erfasse. Der Klägerin werde nicht vorgeworfen, jeglichen Wettbewerb beseitigt zu haben, sondern, diesen eingeschränkt zu haben.

244 Das Informationsaustauschsystem habe Falschinformationen im Rahmen anderer Austauschsysteme erschwert und damit zu deren Funktionieren beigetragen.

Würdigung durch das Gericht

245 Dem Vorbringen der Klägerin ist zu entnehmen, dass sie die Treffen in Versailles, Brüssel und Den Haag nicht bestreitet. Darüber hinaus räumt sie ein, dass sie an diesen Treffen teilgenommen und die Lage des deutschen Marktes erörtert hat. Sie meint jedoch, die Kommission habe nicht bewiesen, dass die betreffenden Unternehmen eine gemeinsame Verpflichtung eingegangen seien.

246 Die Frage, in der sich die Klägerin und die Kommission nicht einig sind, betrifft folglich die rechtliche Bewertung der Treffen in Versailles, Brüssel und Den Haag sowie des Informationsaustauschsystems.

247 Zum Vorbringen der Klägerin, mit dem dargetan werden soll, dass keine Vereinbarung über die Aufteilung der Marktanteile in Deutschland getroffen worden sei, ist zu bemerken, dass die Kommission in Randnr. 469 der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, dass "eine Vereinbarung zwischen den [betreffenden Unternehmen] getroffen wurde, mit der sie den deutschen Markt aufzuteilen oder zumindest zu stabilisieren trachteten, und dass diese Vereinbarung ein besonderes Beispiel für eine komplexe, fortdauernde Vereinbarung darstellte, die eine Beschränkung des Wettbewerbs zumindest auf den vier großen europäischen Gipsplattenmärkten bezweckte". Außerdem geht aus den Randnrn. 462, 463, 465 und 469 der angefochtenen Entscheidung hervor, dass die Kommission der Ansicht war, unabhängig von der Frage, ob eine solche Vereinbarung getroffen worden sei, hätten die betreffenden Unternehmen, indem sie ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht hätten, den deutschen Markt aufzuteilen oder zumindest zu stabilisieren, eine Vereinbarung im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG getroffen.

248 Selbst wenn der Kommission nicht der Nachweis gelungen sein sollte, dass die mit Geldbußen belegten Unternehmen eine Vereinbarung im engeren Sinne über die Aufteilung der Marktanteile in Deutschland getroffen hatten, würde somit genügen, dass sich aus den nicht bestrittenen Tatsachen ergibt, dass die fraglichen Unternehmen bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs hatten treten lassen, indem sie zur Stabilisierung des deutschen Marktes in direktem Kontakt miteinander geblieben waren. Zu prüfen ist folglich, ob dies hier der Fall war.

249 Was das Treffen in Versailles im Juni 1996 angeht, wird weder bestritten, dass es stattgefunden hat, noch, dass die fraglichen Unternehmen bei dem Treffen ihre tatsächlichen Verkaufszahlen für 1995 offenlegten, dass sie die Stabilisierung ihrer Anteile am deutschen Markt erörterten und dass Gyproc mit dem ihr von den übrigen Unternehmen vorgeschlagenen Marktanteil nicht einverstanden war.

250 Auch das Treffen in Brüssel am 4. Dezember 1997 räumt Knauf ein, sie bemerkt jedoch, dass es hauptsächlich die Gelegenheit geboten habe, das Vorhaben des gemeinsamen Erwerbs des Werks von Norgips zu erörtern, wenngleich die Lage auf dem deutschen Markt ebenfalls angesprochen worden sei.

251 Auch das Treffen in Den Haag im Mai 1998 wird von Knauf nicht bestritten. Die Gespräche hätten jedoch, auch wenn sie die Lage in Deutschland betroffen hätten, zu keinem konkreten Ergebnis geführt. Hierzu geht aus Randnr. 257 der angefochtenen Entscheidung hervor, dass die Teilnehmer laut Gyproc die Zahlen für ihre Absatzmengen in Deutschland für die ersten vier Monate des Jahres 1998 austauschten, dass jeder Teilnehmer mitteilte, welchen Marktanteil er in Deutschland wünschte, und dass die Beteiligten, da die Summe der Marktanteile 101 % ergab, Gyproc vorschlugen, ihren Marktanteil auf 11 % zu beschränken, was diese jedoch ablehnte.

252 Aus dem Vorstehenden folgt, dass, selbst wenn eine spezielle Vereinbarung über die Aufteilung des deutschen Marktes weder beim Treffen in Versailles noch bei den späteren Treffen in Brüssel und Den Haag getroffen werden konnte, die betreffenden vier Unternehmen einen gemeinsamen Willen zum Ausdruck brachten, den deutschen Markt zu stabilisieren und damit den Wettbewerb zu beschränken. So beweist die Abhaltung des Treffens in Versailles die Existenz eines Einvernehmens über eine grundsätzliche Aufteilung des deutschen Marktes zwischen BPB, Knauf, Lafarge und Gyproc, wie die Kommission in Randnr. 264 der angefochtenen Entscheidung geltend gemacht hat.

253 Knauf bestreitet nämlich nicht, dass ungeachtet der Haltung von Gyproc die drei übrigen Unternehmen - BPB, Lafarge und sie selbst - einander beim Treffen in Versailles offenlegten, mit welchen Marktanteilen sie einverstanden wären, und dass diese Marktanteile den tatsächlichen Marktanteilen dieser Unternehmen entsprachen. In diesem Zusammenhang ist außerdem darauf hinzuweisen, dass die Unternehmen nicht bestreiten, dass sie beim Treffen in Versailles ihre Verkaufszahlen für 1995 austauschten.

254 Zu berücksichtigen ist ferner das Informationsaustauschsystem. Die Existenz dieses Systems untermauert die Auffassung der Kommission, dass die betreffenden Unternehmen den deutschen Markt stabilisieren wollten. Der Treuhänder erhielt nämlich von jedem Hersteller vertraulich dessen Verkaufszahlen, stellte sie zu Gesamtzahlen zusammen und teilte sie sämtlichen Teilnehmern mit. Anhand dieser Zahlen konnte jeder Teilnehmer seinen eigenen Marktanteil, nicht aber den der anderen ermitteln. Die Zahlen - die Verkaufszahlen des jeweiligen Teilnehmers - wurden vierteljährlich übermittelt. Darüber hinaus teilten die Hersteller dem Treuhänder vertraulich die Zahlen für Januar bis Dezember 1995 und für Januar bis September 1996 mit.

255 Das Informationsaustauschsystem ermöglichte mithin den betreffenden Unternehmen, zu kontrollieren, ob ihre Anteile am deutschen Markt relativ stabil blieben.

256 Was die rechtliche Beurteilung dieser Situation angeht, genügt der Umstand, dass ein Unternehmen seinen Wettbewerbern zur Vorbereitung eines Kartells Auskünfte erteilt, als Beweis für das Vorliegen einer abgestimmten Verhaltensweise im Sinne von Art. 81 EG (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 6. April 1995, Tréfilunion/Kommission, T-148/89, Slg. 1995, II-1063, Randnr. 82).

257 Der Begriff der abgestimmten Verhaltensweise im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG erfasst nämlich eine Form der Koordinierung zwischen Unternehmen, die zwar noch nicht bis zum Abschluss eines Vertrags im eigentlichen Sinn gediehen ist, jedoch bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lässt (Urteile Suiker Unie u. a./Kommission, oben in Randnr. 159 angeführt, Randnr. 26, sowie Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, oben in Randnr. 216 angeführt, Randnr. 63).

258 Die Kriterien der Koordinierung und der Zusammenarbeit, die Voraussetzungen für eine abgestimmte Verhaltensweise sind, verlangen nicht die Ausarbeitung eines eigentlichen "Plans"; sie sind vielmehr im Sinne des Grundgedankens der Wettbewerbsvorschriften des EG-Vertrags zu verstehen, wonach jeder Wirtschaftsteilnehmer selbständig zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Gemeinsamen Markt betreiben und welche Bedingungen er seiner Kundschaft gewähren will (Urteile des Gerichtshofs Deere/Kommission, oben in Randnr. 189 angeführt, Randnr. 86, und vom 2. Oktober 2003, Thyssen Stahl/Kommission, C-194/99 P, Slg. 2003, I-10821, Randnr. 82).

259 Es ist zwar richtig, dass dieses Selbständigkeitspostulat den Wirtschaftsteilnehmern nicht das Recht nimmt, sich dem festgestellten oder erwarteten Verhalten ihrer Wettbewerber auf intelligente Weise anzupassen; es steht jedoch streng jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen den Wirtschaftsteilnehmern entgegen, die bezweckt oder bewirkt, dass Wettbewerbsbedingungen entstehen, die im Hinblick auf die Art der Waren oder erbrachten Dienstleistungen, die Bedeutung und Zahl der beteiligten Unternehmen sowie den Umfang des in Betracht kommenden Marktes nicht den normalen Bedingungen dieses Marktes entsprechen (Urteile Deere/Kommission, oben in Randnr. 189 angeführt, Randnr. 87, und vom 2. Oktober 2003, Thyssen Stahl/Kommission, oben in Randnr. 258 angeführt, Randnr. 83).

260 Wie das Gericht im Zement-Urteil (oben in Randnr. 39 angeführt, Randnr. 1852) festgestellt hat, muss außerdem zum Nachweis einer abgestimmten Verhaltensweise nicht dargetan werden, dass der betreffende Konkurrent sich förmlich gegenüber einem oder mehreren anderen zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet hat oder dass die Konkurrenten gemeinsam ihr zukünftiges Verhalten auf dem Markt festgelegt haben. Es genügt, dass der Konkurrent durch seine Absichtserklärung die Ungewissheit über das von ihm zu erwartende Marktverhalten beseitigt oder zumindest erheblich verringert hat.

261 Die Kommission hat hierzu in Randnr. 466 der angefochtenen Entscheidung zutreffend festgestellt, dass ein Unternehmen schon mit dem Hinweis, keinen höheren als den bereits erreichten Marktanteil anzustreben, seine Konkurrenten über ein entscheidendes Element seiner Strategie unterrichtet.

262 Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass es sich bei dem relevanten Markt um einen hochgradig konzentrierten oligopolistischen Markt handelt. Auf einem solchen Markt ist ein Informationsaustausch geeignet, den Unternehmen Aufschluss über die Marktposition ihrer Wettbewerber und deren Geschäftsstrategie zu geben und damit den noch bestehenden Wettbewerb zwischen den Wirtschaftsteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen (Urteile Deere/Kommission, oben in Randnr. 189 angeführt, Randnrn. 88 bis 90, und vom 2. Oktober 2003, Thyssen Stahl/Kommission, oben in Randnr. 258 angeführt, Randnr. 84).

263 Angesichts des allgemeinen Rahmens des Ziels einer Stabilisierung der betroffenen Märkte konnte der Austausch von Informationen über den deutschen Markt den fraglichen Unternehmen zudem ermöglichen, zu kontrollieren, dass die Marktanteile der Wettbewerber stabil blieben.

264 Was schließlich das Vorbringen der Klägerin angeht, in Ermangelung einer Vereinbarung hätte die Kommission zumindest Auswirkungen auf den Markt beweisen müssen, ist daran zu erinnern, dass bei der Anwendung von Art. 81 Abs. 1 EG die konkreten Auswirkungen einer Vereinbarung nicht berücksichtigt zu werden brauchen, wenn sich ergibt, dass diese eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckt (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 46 angeführt, Randnr. 261).

265 Desgleichen fällt eine abgestimmte Verhaltensweise auch dann unter Art. 81 Abs. 1 EG, wenn es keine wettbewerbswidrigen Auswirkungen auf den Markt gibt. Schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich nämlich, dass abgestimmte Verhaltensweisen ebenso wie Vereinbarungen zwischen Unternehmen und Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen unabhängig von ihrer Wirkung verboten sind, wenn sie einen wettbewerbswidrigen Zweck haben (Urteil des Gerichtshofs vom 21. September 2006, Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission, C-105/04 P, Slg. 2006, I-8725, Randnrn. 137 und 138).

266 Ferner setzt der Begriff der abgestimmten Verhaltensweise zwar ein Marktverhalten der beteiligten Unternehmen voraus, verlangt aber nicht notwendigerweise, dass dieses Verhalten sich konkret als Einschränkung, Verhinderung oder Verfälschung des Wettbewerbs auswirkt (Urteil Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission, oben in Randnr. 265 angeführt, Randnr. 139).

267 Angesichts des Gesamtzusammenhangs der Rechtssache ist das Gericht der Auffassung, dass die Kommission auf der Grundlage der nicht bestrittenen Tatsachen rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, dass die betreffenden Unternehmen, auch wenn sie nicht zu einer konkreten Vereinbarung über die Aufteilung der deutschen Marktes gelangt sein sollten, ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht hatten, sich auf diesem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten, nämlich durch Stabilisierung des Marktes den Wettbewerb zu beschränken.

268 Der vierte Teil des zweiten Klagegrundes hat somit keinen Erfolg.

Zum fünften Teil: Absprachen über Preiserhöhungen in Deutschland

Vorbringen der Parteien

269 Nach Ansicht der Klägerin hat die Kommission nicht nachweisen können, dass die beteiligten Unternehmen ihre Preiserhöhungen auf dem deutschen Markt von 1996 bis 1998 abgesprochen hätten. Es treffe allerdings zu, dass die Unternehmen einander gelegentlich über bereits beschlossene Preiserhöhungen unterrichtet hätten. Aus den in den Randnrn. 291, 305 ff. und 375 der angefochtenen Entscheidung angeführten Beweismitteln ergebe sich jedoch, dass die Mitteilung der Preiserhöhungen gleichzeitig mit dem Versand der Preislisten an die Kunden oder danach erfolgt sei. Die Kommission habe weder eine Verringerung der Unsicherheit noch eine Schwächung des Wettbewerbsgeheimnisses dargetan. Selbst wenn die Wettbewerber vor den Kunden über eine Preiserhöhung informiert worden wären - was nicht der Fall sei -, würde es sich hierbei lediglich um ein nicht tatbestandsmäßiges einseitiges Verhalten und nicht um eine Vereinbarung zwischen Wettbewerbern handeln.

270 Der in den Randnrn. 291 ff. der angefochtenen Entscheidung von der Kommission als wesentliches Beweismittel angeführte Vermerk belege, dass die Wettbewerber sich intensiv beobachtet hätten und den Preiserhöhungen anderer Unternehmen oft gefolgt seien. Dieses Verhalten zeige jedoch gerade, dass es keine Absprachen zwischen diesen Unternehmen gegeben, sondern dass es sich um Fälle zulässiger Preisführerschaft gehandelt habe, wie sie in oligopolistischen Märkten oft vorkämen. Die von der Kommission in den Randnrn. 293 und 337 der angefochtenen Entscheidung angeführten Beweismittel zeigten zudem, dass die Preise der Wettbewerber sich deutlich unterschieden hätten, was ebenfalls gegen abgestimmte Preiserhöhungen spreche. Auch die in den Randnrn. 301, 323 ff. und 368 der angefochtenen Entscheidung angeführten Beweismittel machten deutlich, dass auf dem deutschen Gipsplattenmarkt intensiver Wettbewerb zwischen den beteiligten Unternehmen geherrscht habe.

271 Was das Gespräch zwischen ihr selbst und Lafarge über das Verhalten einer Tochtergesellschaft von Lafarge (Randnrn. 361 ff. der angefochtenen Entscheidung) betreffe, so wäre, selbst wenn Lafarge und sie selbst sich über die Belieferung eines Kunden in Hamburg abgestimmt hätten, dies allenfalls ein Verstoß gegen § 1 des deutschen Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gewesen, der in die ausschließliche Zuständigkeit der Hamburger Landeskartellbehörde gefallen wäre, und nicht automatisch ein Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG, für dessen Verfolgung die Kommission allein zuständig sei.

272 Die Kommission verweist auf die Randnrn. 290 ff. und 471 ff. der angefochtenen Entscheidung, die insbesondere auf dem Eingeständnis der Klägerin beruhten (Randnrn. 308 ff. der angefochtenen Entscheidung). Die eingestandene Vorabbenachrichtigung der Wettbewerber habe unweigerlich zu einer Verringerung des Geheimwettbewerbs geführt (Randnrn. 314 und 472 bis 474 der angefochtenen Entscheidung). Dies ergebe sich außerdem aus dem Vermerk von Herrn [Z], dem Vertriebsleiter von Knauf (Randnrn. 315 bis 319 der angefochtenen Entscheidung). Die Anweisung der Klägerin vom 22. Oktober 1998 an ihr Verkaufspersonal, das Gerücht einer Preiserhöhung im ersten Quartal 1999 zu streuen (Randnr. 377 der angefochtenen Entscheidung), sei nur ein Beispiel. Dieselbe, zu jenem Zeitpunkt noch keineswegs "beschlossene" Preiserhöhung finde sich in der internen Niederschrift einer Sitzung des Verwaltungsrats von BPB vom 13. Oktober 1998 (Randnr. 380 der angefochtenen Entscheidung) und in dem gleichfalls internen Vermerk von Herrn [X], dem Leiter von Lafarge Gips, vom 7. Oktober 1998 (Randnrn. 290 ff. und 381 der angefochtenen Entscheidung).

273 Die Bedeutung des Gesprächs zwischen Knauf und Lafarge über das Verhalten einer Tochtergesellschaft von Lafarge liege in der Selbstverständlichkeit, mit der Knauf einen Wettbewerber anschreibe, um ein bestimmtes Gebaren zu unterbinden. Ohne einen allgemeinen Rahmen gegenseitiger Abstimmung wäre ein derartiges Schreiben undenkbar.

Würdigung durch das Gericht

274 Zu prüfen ist das Vorbringen der Klägerin, die von ihr nicht bestrittenen direkten Kontakte zwischen den Wettbewerbern seien kein wettbewerbswidriges Verhalten.

275 Was das Vorbringen der Klägerin angeht, dass es sich um ein rein einseitiges Verhalten gehandelt habe, setzt zwar der Begriff der abgestimmten Verhaltensweise tatsächlich die Existenz gegenseitiger Kontakte voraus. Diese Voraussetzung ist jedoch erfüllt, wenn ein Konkurrent seine Absichten oder sein künftiges Verhalten auf dem Markt einem anderen auf dessen Wunsch mitteilt oder dieser die Mitteilung zumindest akzeptiert (Zement-Urteil, oben in Randnr. 39 angeführt, Randnr. 1849).

276 Des Weiteren hat das Gericht in seinem Urteil vom 24. Oktober 1991 in der Rechtssache Rhône-Poulenc/Kommission (T-1/89, Slg. 1991, II-867), in der der Klägerin die Teilnahme an Sitzungen vorgeworfen wurde, in denen die Wettbewerber Informationen u. a. über die Preise austauschten, die nach ihren Wünschen auf dem Markt praktiziert werden sollten, festgestellt, dass ein Unternehmen durch seine Teilnahme an einer Sitzung mit wettbewerbswidrigem Zweck nicht nur das Ziel verfolgte, im Voraus die Ungewissheit über das künftige Verhalten seiner Wettbewerber zu beseitigen, sondern bei der Festlegung der Politik, die es auf dem Markt verfolgen wollte, zwangsläufig auch unmittelbar oder mittelbar die in diesen Sitzungen erhaltenen Informationen berücksichtigen musste (Randnrn. 122 und 123).

277 Diese Schlussfolgerung trifft auch zu, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Beteiligung eines oder mehrerer Unternehmen an einer abgestimmten Verhaltensweise mit wettbewerbswidrigem Zweck sich auf den Empfang von Informationen über das künftige Verhalten der Konkurrenten auf dem Markt beschränkt.

278 Jeder Unternehmer hat nämlich selbständig zu bestimmen, welche Geschäftspolitik er auf dem Markt zu betreiben gedenkt. Dies steht folglich jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen Unternehmen entgegen, die bezweckt oder bewirkt, ihr Marktverhalten zu beeinflussen, so dass Wettbewerbsbedingungen entstehen, die nicht den normalen Bedingungen des relevanten Marktes entsprechen; es schließt aber auch aus, dass ein Unternehmen einen Wettbewerber über das Marktverhalten ins Bild setzt, zu dem es sich entschlossen hat oder das es in Erwägung zieht (Urteil LVM/Kommission, oben in Randnr. 125 angeführt, Randnr. 720).

279 Was das Vorbringen der Klägerin angeht, die übermittelten Preisinformationen seien den Kunden des betreffenden Unternehmens bereits vor ihrer Mitteilung an die Wettbewerber bekannt gewesen, und diese hätten die offengelegten Informationen somit bereits dem Markt entnehmen können, ist daran zu erinnern, dass schon der bloße Umstand, dass Informationen über Wettbewerber erlangt werden, die ein unabhängiger Wirtschaftsteilnehmer als Betriebsgeheimnisse hütet, eine wettbewerbsfeindliche Einstellung zeigt (Urteil Tate & Lyle u. a./Kommission, oben in Randnr. 179 angeführt, Randnr. 66).

280 Das Vorbringen der Klägerin, die Preisinformationen seien den Kunden bereits vor ihrer Mitteilung an die Wettbewerber bekannt gewesen und hätten somit dem Markt entnommen werden können, ist jedoch zurückzuweisen. Unterstellt man diese Tatsache als erwiesen, bedeutet sie nicht, dass die Preise zum Zeitpunkt der Zusendung der Preistabellen an die Wettbewerber bereits offenkundige objektive Marktgegebenheiten waren. Durch die direkte Zusendung konnten die Wettbewerber diese Informationen leichter, schneller und direkter als über den Markt erhalten. Darüber hinaus ermöglichte die vorherige Zusendung ihnen, ein Klima der gegenseitigen Gewissheit hinsichtlich ihrer künftigen Preispolitik zu schaffen.

281 Die Klägerin bestreitet ferner, dass die betreffenden Unternehmen zwischen 1996 und 1998 die Durchführung von Preiserhöhungen auf dem deutschen Markt abgesprochen hätten, geht dabei aber mit Ausnahme des in Randnr. 290 der angefochtenen Entscheidung zitierten Vermerks vom 7. Oktober 1998 nicht im Einzelnen auf die von der Kommission vorgelegten Beweise ein. Sie macht lediglich geltend, dass die Kommission nicht bewiesen habe, dass die fraglichen Erhöhungen vorher abgestimmt worden seien, und dass es sich um eine normale Situation auf einem oligopolistischen Markt gehandelt habe, auf dem die Wettbewerber den Preiserhöhungen der anderen Unternehmen oft folgten.

282 Hierzu ist festzustellen, dass der etwaige Austausch vor dem Hintergrund einer Zeit gesehen werden muss, die sich durch eine Reihe wettbewerbswidriger Bekundungen des gemeinsamen Willens der Wettbewerber auszeichnete, den Gipsplattenmarkt auf den vier großen europäischen Märkten einschließlich des deutschen Marktes zu stabilisieren. Außerdem lässt zwar der Inhalt eines von der Kommission gefundenen einzelnen Dokuments möglicherweise nicht eindeutig ein wettbewerbswidriges Verhalten erkennen und könnte daher unter Umständen anders als mit einem Willen zur Wettbewerbsbeschränkung erklärt werden, doch schließt dieser Umstand nicht aus, dass das Dokument so ausgelegt werden kann, dass es das Vorhandensein eines solchen Willens untermauert, wenn es sich in eine Reihe weiterer Dokumente einfügt, die beweiskräftige Indizien für gleichzeitige und ähnliche wettbewerbswidrige Verhaltensweisen liefern.

283 Zu dem in den Geschäftsräumen der Gesellschaft Rigips (deutsche Tochtergesellschaft von BPB) entdeckten internen Vermerk vom Oktober 1994 vertritt die Kommission zu Recht die Ansicht, dieser Vermerk lasse eine genaue Kenntnis der Strategie der Wettbewerber erkennen und zeuge von Kontakten zwischen ihnen. Der Verfasser dieses Vermerks führt nämlich nach einer Zusammenfassung der Marktlage aus, der Vertriebsleiter von Gyproc habe sich beklagt, dass sein Unternehmen Marktanteile verloren habe und sie zurückerlangen müsse. Ferner waren in dem Vermerk ein Einfrieren der Preise in der dort genannten Höhe und eine Preiserhöhung zum 1. Februar 1995 vorgesehen. Diese letzte Bemerkung ist besonders aufschlussreich. Wenn nämlich die Zusendung der Ankündigungen von Preiserhöhungen durch Knauf einseitig erfolgt und BPB dieser Preiserhöhung nur gefolgt wäre, hätte BPB im Oktober 1994 nicht wissen können, dass für den 1. Februar 1995 eine Preiserhöhung vorgesehen war, da Knauf diese Erhöhung erst im November 1994 ankündigte. Wenn BPB entsprechend ihrer Behauptung über Kunden von dieser Preiserhöhung erfahren hätte, hätte sie zudem nichts daran gehindert, dies zu beweisen, um die von der Kommission gefundenen konkreten Beweise zu widerlegen. Darüber hinaus ist daran zu erinnern, dass am 1. Februar 1995 tatsächlich eine Preiserhöhung stattfand.

284 Im Übrigen stellt die Kommission trotz dieser konkreten Beweise für kollusive Kontakte zwischen den Herstellern in Randnr. 329 der angefochtenen Entscheidung lediglich fest, dass sich die Wettbewerber ihre Absichten hinsichtlich der Preiserhöhung vom 1. Februar 1995 mitgeteilt hätten, ohne zu behaupten, dass der genannte Vermerk ein unmittelbarer Beweis für eine Abstimmung der Preiserhöhung sei.

285 Dass die Kommission in diesem Zusammenhang erneut das Treffen in Versailles im Juni 1996 erwähnt, das die Stabilisierung des deutschen Marktes zum Zweck hatte, ist völlig berechtigt, da es sich um ein Indiz dafür handelt, dass die betreffenden Unternehmen es für nötig hielten, nach dem Scheitern der Preiserhöhung des Jahres 1995 erneut die Lage auf dem deutschen Markt zu erörtern.

286 Diese Auffassung wird durch den Vermerk von Lafarge vom 17. Dezember 1996 (Randnr. 335 der angefochtenen Entscheidung) gestützt. Der Verfasser beginnt diesen Vermerk nämlich mit den Worten:

"... besprachen wir wiederum die gegenwärtige Lage auf dem deutschen Markt".

287 Die Kommission hat diesen Vermerk, der die Aufschrift "Streng vertraulich und persönlich!" trägt, auch nicht falsch gedeutet. Der Vermerk spiegelt vor dem Hintergrund einer von allen Herstellern für den 1. Februar 1997 angekündigten Preiserhöhung deutlich die Sorge seines Verfassers über das Verhalten seiner Konkurrenten und ihre Preis- und insbesondere Rabattpolitik wider. Er belegt direkte Kontakte zwischen den Wettbewerbern, in deren Rahmen diese ihre Analysen und Absichten offenlegten. Der Verfasser des Vermerks hat nämlich erläutert, dass der von BPB bestimmten Kunden angebotene Preis "unterhalb der gegenwärtig vereinbarten niedrigsten Preishöhe liegen" werde und dass dies "wiederum zu einer Destabilisierung führen" werde. Er ergänzt:

"Knauf ... nannte ... Preise für Projekte bis Mai 1997 unterhalb der vereinbarten Preishöhe. Gegenüber uns bestehen sie auf Disziplin bei der Preiserhöhung. ... Eine Erhöhung des Preises auf die vereinbarte Höhe ([2,5-3] DEM/m²) wird wiederum sehr schwierig sein."

288 Unter diesen Umständen hat die Kommission in Randnr. 352 der angefochtenen Entscheidung zu Recht die Ansicht vertreten, dass anlässlich der Preiserhöhung vom Februar 1997 eine direkte Abstimmung über die Preiserhöhung zwischen den Wettbewerbern stattfand und diese sich zumindest gegenseitig im Vorfeld von ihren Absichten unterrichteten.

289 Zur versuchten Preiserhöhung im September 1997 ist festzustellen, dass die betreffenden vier Unternehmen Schreiben mit der Ankündigung der Preiserhöhung zum 1. September 1997 im Mai oder Anfang Juni 1997 verschickten (Randnr. 353 der angefochtenen Entscheidung).

290 Außerdem bestätigt der in Randnr. 356 der angefochtenen Entscheidung als Beispiel genannte Austausch zwischen Knauf und Lafarge, dass eine Zusammenarbeit bezüglich der Preiserhöhungen und eine Kontrolle der von den Händlern im Allgemeinen praktizierten Preise stattfanden. Der Umstand, dass ein Unternehmen nicht zögerte, Kontakt zu einem Konkurrenten aufzunehmen, um über die Kunden oder die von einem Händler praktizierten Preise zu sprechen, untermauert, dass die Hersteller zusammenarbeiteten.

291 Die Kommission nennt noch ein Beispiel, das ein weiteres Indiz für die Abstimmung zwischen BPB, Knauf, Lafarge und Gyproc auf dem deutschen Markt sei, nämlich die versuchte Preiserhöhung im September und Oktober 1998.

292 Zwar kündigte BPB bereits im Juni 1998 eine Preiserhöhung für September 1998 an, und die übrigen Wettbewerber taten dies erst im August 1998 für eine zum Oktober 1998 vorgesehene Preiserhöhung. Bei dieser Gelegenheit sandte Knauf eine Kopie ihrer Ankündigung an die Privatanschrift eines Direktors von BPB.

293 Im Rahmen wettbewerbswidriger Verhaltensweisen und Vereinbarungen ist es aber üblich, dass die Tätigkeiten insgeheim ablaufen, dass die Zusammenkünfte heimlich stattfinden und dass die Unterlagen darüber auf ein Minimum reduziert werden. Selbst wenn die Kommission Schriftstücke findet, die eine unzulässige Kontaktaufnahme zwischen Wirtschaftsteilnehmern explizit bestätigen, handelt es sich daher normalerweise nur um lückenhafte und vereinzelte Belege, so dass es häufig erforderlich ist, bestimmte Einzelheiten durch Schlussfolgerungen zu rekonstruieren. In den meisten Fällen muss deshalb das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise oder Vereinbarung aus einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien abgeleitet werden, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine Verletzung der Wettbewerbsregeln darstellen können (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 46 angeführt, Randnrn. 55 bis 57).

294 Im vorliegenden Fall genügt angesichts des Zusammenhangs der Rechtssache der Umstand, dass Knauf eine Kopie ihrer Ankündigung der Preiserhöhung an die Privatanschrift eines Direktors von BPB versandte, was eine ungewöhnliche Art der Kommunikation zwischen konkurrierenden Unternehmen ist, mangels anderer schlüssiger Erklärungen der Klägerin als Beweis dafür, dass die Hersteller auch bezüglich der im September und Oktober 1998 erfolgten Preiserhöhungen auf dem deutschen Markt eng zusammenarbeiteten.

295 Der Vermerk von Lafarge vom 7. Oktober 1998 (Randnrn. 290 bis 294 der angefochtenen Entscheidung) schließlich würde, wenn er das einzig gefundene Beweismittel wäre, zwar keinen hinreichenden Beweis für eine vorherige Abstimmung über die Preiserhöhungen darstellen. Untersucht man diesen Vermerk jedoch im Rahmen der übrigen, oben beschriebenen Indizien, bestätigt er zum einen Kontakte zwischen den Wettbewerbern bezüglich der Preiserhöhungen sowie den Zusammenhang zwischen den Preisen und zum anderen Gespräche über die Marktanteile in Deutschland. Unter Berücksichtigung der übrigen Maßnahmen, die die betreffenden Unternehmen zur Stabilisierung des deutschen Marktes ergriffen, der Parallelität der Preiserhöhungen und des Umstands, dass die Kommission bei ihren Nachprüfungen zahlreiche Kopien von Ankündigungen von Preiserhöhungen der Wettbewerber in den Geschäftsräumen der Unternehmen entdeckte, deren Versand oder direkten Erhalt von ihren Konkurrenten die Unternehmen teilweise eingeräumt haben, kann die von der Klägerin vorgenommene Deutung dieses Vermerks nicht schlüssig sein.

296 Unter diesen Umständen hat die Kommission zu Recht festgestellt, dass das von BPB, Knauf, Lafarge und Gyproc auf dem deutschen Markt eingeführte System des Austauschs von Informationen über Preiserhöhungen eine gegen Art. 81 Abs. 1 EG verstoßende abgestimmte Verhaltensweise darstellte.

297 Der fünfte Teil des zweiten Klagegrundes ist somit unbegründet.

298 Der zweite Klagegrund ist folglich insgesamt zurückzuweisen.

3. Zum dritten Klagegrund: Verkennung des Begriffs der einheitlichen Zuwiderhandlung

Vorbringen der Parteien

299 Die Klägerin rügt hilfsweise, dass jedenfalls keine einheitliche Zuwiderhandlung von langer Dauer vorgelegen haben könne. Dies führe zu einer geringeren Tatschwere und zur Verjährung von Einzelakten, die mehr als fünf Jahre vor Verfolgungsbeginn stattgefunden hätten.

300 Selbst wenn man unterstelle, dass die von der Kommission ermittelten "Einzelverstöße" erfolgt seien und den Charakter einer Zuwiderhandlung hätten, bildeten sie keine einheitliche Zuwiderhandlung, da es an einem Gesamtplan fehlen würde. Wenn die Kommission meine, dass die von ihr geahndeten Einzelhandlungen Teil eines Gesamtverstoßes seien, dann müsse sie nicht nur das Vorliegen der Einzelbegebenheiten nachweisen, sondern auch den einheitlichen und umfassenden Tatplan der beteiligten Unternehmen. Grundgedanke der fortgesetzten Handlung sei nämlich die Einheitlichkeit des Vorsatzes der Beteiligten, der auf die Begehung eines bestimmten Verstoßes in einer unbestimmten Anzahl von Fällen, aber nach einem einheitlichen Tatplan gerichtet sei.

301 Selbst wenn die Vorwürfe der Kommission hinsichtlich des Londoner Treffens zutreffend und nachgewiesen wären, könnten Vereinbarungen während dieses Treffens keinen Gesamtplan für alle weiteren vorgeworfenen Handlungen darstellen, da nur Vertreter von zwei der auf den Gipskartonplattenmärkten tätigen Unternehmen bei diesem Treffen anwesend gewesen seien. Die Kommission habe nicht einmal den Versuch unternommen, nachzuweisen, dass bei dem Londoner Treffen die Einbeziehung anderer Unternehmen geplant worden sei.

302 Auch der sporadische Informationsaustausch in den Jahren 1992 und 1993 könne wegen der großen zeitlichen Abstände nicht als Bestandteil einer fortgesetzten oder dauernden Zuwiderhandlung qualifiziert werden. Wie sich aus den Unterlagen von Herrn [D] ergebe, habe im Jahr 1992 nur ein solcher Austausch stattgefunden, und im Jahr 1993 hätten die Unternehmen höchstens zweimal ihre Absatzangaben ausgetauscht. Es handele sich also nicht um eine permanente Verhaltensweise.

303 Bei den Treffen der Unternehmensvertreter 1996 in Versailles, 1997 in Brüssel und 1998 in Den Haag könne ebenfalls kein "Gesamtplan" gefasst worden sein, da, wie die Kommission selbst erklärt habe, hier nur der deutsche Markt zur Sprache gekommen sei, nicht jedoch die Märkte Frankreichs, des Vereinigten Königreichs und des Benelux-Raums.

304 Das Fehlen eines Fortsetzungszusammenhangs der vorgeworfenen Einzelakte habe in erster Linie zur Folge, dass die früheren Handlungen verjährt seien und nicht mehr verfolgt werden könnten. Durch die Nachprüfung der Beklagten am 25. November 1998 sei die Verjährung unterbrochen worden, so dass Handlungen vor dem 25. November 1993 nur dann noch mit einer Geldbuße hätten geahndet werden können, wenn sie Teil einer fortgesetzten oder dauernden Zuwiderhandlung gewesen wären, was jedoch nicht der Fall gewesen sei.

305 Die Kommission erwidert, dass die Entscheidung nicht auf dem Vorwurf eines "bei dem Londoner Treffen gefassten Gesamtplans" beruhe, sondern auf sowohl zeitlich als auch in ihren jeweils wettbewerbsfeindlichen Zielen übereinstimmenden Verhaltensweisen. Diese Verhaltensweisen seien nicht die Umsetzung eines Gesamtplans, sondern der Beweis für eine fortgesetzte Zuwiderhandlung, deren Beginn auch ohne das Londoner Treffen insofern im Jahr 1992 anzusetzen wäre, als die Kartellteilnehmer damals ihr Informationsaustauschsystem errichtet hätten.

Würdigung durch das Gericht

306 Wie sich aus der angefochtenen Entscheidung (Randnr. 479) ergibt, hat die Kommission die Auffassung vertreten, dass die Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im vorliegenden Fall Bestandteil einer Reihe von Bemühungen der betreffenden Unternehmen in Verfolgung eines einzigen wirtschaftlichen Ziels, nämlich der Beschränkung des Wettbewerbs, sowie unterschiedliche Ausprägungen einer fortdauernden Gesamtvereinbarung seien, die eine Beschränkung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt habe. Weil in den erwähnten Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen ununterbrochen von 1992 bis 1998 der gemeinsame Wille dieser Unternehmen zum Ausdruck gekommen sei, zumindest die Gipsplattenmärkte Deutschlands, Frankreichs, des Vereinigten Königreichs und der Benelux-Staaten zu stabilisieren und damit den Wettbewerb zu beschränken, hat die Kommission die Zuwiderhandlung als einheitlich, komplex und fortdauernd eingestuft.

307 Entsprechend heißt es in Art. 1 der angefochtenen Entscheidung, dass die betreffenden Unternehmen, darunter die Klägerin, "gegen Artikel 81 Absatz 1 [EG] verstoßen [haben], indem sie an einer Gesamtheit von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Gipsplattensektor teilgenommen haben".

308 Zu prüfen ist zunächst das Vorbringen der Klägerin, die Kommission habe einen Rechtsfehler begangen, als sie von einzelnen Ausprägungen der fraglichen Zuwiderhandlung auf einen Gesamtplan geschlossen habe, ohne zu beweisen, dass der gemeinsame Wille unabhängig von diesen verschiedenen Ausprägungen bestanden habe.

309 In den meisten Fällen muss das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise oder Vereinbarung aus einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien abgeleitet werden, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine Verletzung der Wettbewerbsregeln darstellen können (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 46 angeführt, Randnr. 57). Diese Rechtsprechung lässt sich auf das Konzept einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung übertragen. Wenn es sich um eine komplexe, einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung handelt, stützt nämlich jede Ausprägung den Nachweis, dass eine solche Zuwiderhandlung tatsächlich stattgefunden hat.

310 Folglich sind die einzelnen Ausprägungen der fraglichen Zuwiderhandlung entgegen dem Vorbringen der Klägerin in einem Gesamtzusammenhang zu betrachten, der ihren Grund erklärt. Es handelt sich um eine Beweisführung, in deren Rahmen der Beweiswert verschiedener tatsächlicher Umstände durch die übrigen tatsächlichen Umstände gestützt oder entkräftet wird, die zusammen das Vorliegen einer einheitlichen Zuwiderhandlung belegen können.

311 Knauf meint ferner, die Kommission habe die gemeinsame Zielsetzung, die die einzelnen Ausprägungen zu einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung verbinden solle, nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen.

312 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sich ein Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG nicht nur aus einer isolierten Handlung, sondern auch aus einer Reihe von Handlungen oder einem fortgesetzten Verhalten ergeben kann. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass ein oder mehrere Teile dieser Reihe von Handlungen oder dieses fortgesetzten Verhaltens auch für sich genommen und isoliert betrachtet einen Verstoß gegen die genannte Bestimmung darstellen könnten. Fügen sich die verschiedenen Handlungen wegen ihres identischen Zwecks der Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes in einen "Gesamtplan" ein, so ist die Kommission berechtigt, die Verantwortung für diese Handlungen anhand der Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Ganzes aufzuerlegen (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 46 angeführt, Randnr. 258).

313 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Prüfung des zweiten Klagegrundes, dass Knauf ab dem Treffen in London an einer einheitlichen, komplexen und fortgesetzten Zuwiderhandlung beteiligt war, die zum alleinigen Ziel hatte, den Preiskrieg zu beenden und die vier Gipsplattenmärkte zu stabilisieren. Die Treffen, der Informationsaustausch und die Preisfestsetzungspraktiken dienten nämlich demselben wettbewerbswidrigen Zweck, die Preise über dem Wettbewerbsniveau zu halten und den Wettbewerb zwischen den auf dem relevanten Markt tätigen Unternehmen zu reduzieren.

314 Die im Rahmen des zweiten Klagegrundes dargelegten Umstände lassen den Schluss zu, dass die Kommission in Randnr. 432 der angefochtenen Entscheidung zu Recht festgestellt hat:

"Die verschiedenen Maßnahmen ergänzen sich angesichts der Funktionsweise dieses Marktes offensichtlich. Die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Unternehmen auf dem Wege einer Preiserhöhung machte eine Koordinierung zwischen ihnen im Hinblick auf die Marktanteile erforderlich."

315 Unter den Umständen des vorliegenden Falles fügten sich die Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen wegen ihrer übereinstimmenden Zielsetzung und ihres engen Zusammenwirkens in einen Gesamtplan ein, der wiederum Teil einer Reihe von Bemühungen der fraglichen Unternehmen war, mit denen ein einziges wirtschaftliches Ziel, die Beeinflussung der Preisentwicklung, verfolgt wurde. Wie die Kommission in Randnr. 422 der Entscheidung zutreffend ausführt, wäre es gekünstelt, dieses durch ein einziges Ziel gekennzeichnete kontinuierliche Verhalten zu zerlegen und darin mehrere selbständige Zuwiderhandlungen zu sehen; es handelt sich vielmehr um eine einheitliche Zuwiderhandlung, die sich nach und nach sowohl durch Vereinbarungen als auch durch abgestimmte Verhaltensweisen konkretisierte. Das Vorliegen einer einheitlichen Zuwiderhandlung ergibt sich nämlich daraus, dass alle Kartellteilnehmer das gleiche Ziel verfolgten, und nicht aus den Durchführungsmodalitäten des Kartells (vgl. in diesem Sinne Zement-Urteil, oben in Randnr. 39 angeführt, Randnr. 4127).

316 Im Rahmen einer Gesamtvereinbarung, die sich über mehrere Jahre erstreckt, spielt es zudem keine Rolle, dass das Kartell nur im Zeitabstand von einigen Monaten zutage tritt. Entscheidend ist vielmehr, dass sich die verschiedenen Handlungen wegen ihres identischen Zwecks in einen Gesamtplan einfügen (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 46 angeführt, Randnr. 260).

317 Zum Vorbringen, ein solcher Plan habe nicht vorgelegen, genügt ein Hinweis darauf, dass der Begriff der einheitlichen Zuwiderhandlung eine Situation erfasst, in der mehrere Unternehmen an einer Zuwiderhandlung beteiligt waren, die aus einem kontinuierlichen Verhalten bestand, mit dem ein einziges wirtschaftliches Ziel verfolgt wurde, nämlich die Verfälschung des Wettbewerbs, oder aber an einzelnen Zuwiderhandlungen, die miteinander durch eine Übereinstimmung des Zwecks (ein und dieselbe Zielsetzung sämtlicher Bestandteile) und der Personen (Übereinstimmung der betreffenden Unternehmen, die sich der Beteiligung im Hinblick auf den gemeinsamen Zweck bewusst waren) verbunden waren.

318 Was schließlich das Vorbringen der Klägerin angeht, der einheitliche Charakter der Zuwiderhandlung werde dadurch widerlegt, dass die Zahl der Unternehmen, die sich an bestimmten wettbewerbswidrigen Bekundungen beteiligt hätten, begrenzt sei und dass ein Teil der Unternehmen nicht seit Beginn an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei, genügt es, daran zu erinnern, dass die Tatsache, dass sich ein Unternehmen nicht an allen Tatbestandsmerkmalen eines Kartells beteiligt hat oder dass es eine untergeordnete Rolle gespielt hat, für den Nachweis des Vorliegens einer Zuwiderhandlung dieses Unternehmens irrelevant ist. Diese Gesichtspunkte sind nur bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und gegebenenfalls bei der Bemessung der Geldbuße zu berücksichtigen (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 46 angeführt, Randnr. 86).

319 Daher ergeben sich die Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG zwar notwendigerweise aus einem Zusammenwirken mehrerer Unternehmen, die alle Mittäter der Zuwiderhandlung sind, doch kann deren Beteiligung verschiedene Formen aufweisen, die insbesondere von den Merkmalen des betroffenen Marktes und der Stellung der einzelnen Unternehmen auf diesem Markt, den verfolgten Zielen und der gewählten oder vorgesehenen Art und Weise der Durchführung abhängen.

320 Der bloße Umstand, dass sich jedes Unternehmen auf eine ihm eigene Art und Weise an der Zuwiderhandlung beteiligt, stellt folglich die Bewertung der Zuwiderhandlung als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung nicht in Frage.

321 Nach alledem sind die Vorwürfe in Bezug auf die Bewertung des Kartells als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung unbegründet.

4. Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 bezüglich des für die Berechnung der Geldbuße herangezogenen Umsatzes

Vorbringen der Parteien

322 Die Klägerin betont, dass sie nicht die Konzernobergesellschaft einer "Unternehmensgruppe Knauf" sei. Denn es gebe keine Knauf-Gruppe oder ein Unternehmen Knauf, das eine wirtschaftliche Einheit im wettbewerbsrechtlichen Sinne bilde. Die Umsätze der Gebrüder Knauf Verwaltungsgesellschaft KG und deren Tochtergesellschaften seien somit der Klägerin nicht zurechenbar, weil die beiden Unternehmen wegen des Fehlens einer gemeinsamen Obergesellschaft oder einer anderen juristischen Personen keine wirtschaftliche Einheit bildeten.

323 Die Klägerin werde von keiner juristischen oder natürlichen Person, auch nicht von Herrn [B] und Herrn [C] beherrscht. Die Gesellschafter der Klägerin seien vielmehr 21 Personen, die den beiden Familienstämmen [...] Knauf angehörten, sowie eine Gesellschaft, die die Anteile der vier weiteren Gesellschafter halte. Zwar seien die beiden Komplementäre der Gesellschaft, Herr [B] und Herr [C], jeweils einzeln zu deren Vertretung berechtigt und grundsätzlich für die Führung der Geschäfte zuständig. Der jährliche Finanz- und Investitionsplan unterliege jedoch der Zustimmung eines Gesellschafterausschusses, der gegenwärtig aus acht Mitgliedern bestehe, die die beiden Stämme der Familie Knauf verträten. Infolge dieser Bestimmungen beherrschten keine Gesellschaft und kein Gesellschafter die Klägerin allein auf Dauer. Die Annahme eines Zurechnungszusammenhangs könne aber nur auf dem bestimmenden Einfluss einer Konzernobergesellschaft fußen. Insoweit reiche ein Hinweis auf die familiäre Verbundenheit der verschiedenen Gesellschafter nicht aus. Dieser Umstand führe nicht zu einem einheitlichen Abstimmungszwang in allen Knauf-Gesellschaften.

324 Hieraus folge, dass der Umsatz anderer Gesellschaften oder deren Verhältnis zur Klägerin nicht berücksichtigt werden könne. Es bestehe keine wirtschaftliche Einheit der Klägerin mit anderen Unternehmen, die eine solche Sanktionshaftung begründen könnte.

325 Dies gelte unabhängig davon, dass die an der Klägerin beteiligten natürlichen Personen auch Gesellschafter weiterer Knauf-Gesellschaften und dass Herr [B] und Herr [C] auch Komplementäre der Gebrüder Knauf Verwaltungsgesellschaft KG sowie weiterer Gesellschaften seien.

326 Die Klägerin sei eine Kommanditgesellschaft deutschen Rechts. Daher gälten die zu Kapitalgesellschaften entwickelten Grundsätze der Zurechnung nicht.

327 Die Klägerin selbst und ihre Beteiligungsgesellschaften hätten im maßgeblichen Geschäftsjahr nur konsolidierte Außenumsätze von 312,9 Mio. Euro erzielt, so dass ihr nur ein Bußgeld in Höhe von 31,29 Mio. Euro hätte auferlegt werden dürfen.

328 Dieser Rechtsfehler müsse wegen seiner Tragweite und der aus ihm resultierenden groben Fehlerhaftigkeit der Zumessungsüberlegungen ebenfalls zur Gesamtaufhebung der Entscheidung führen.

329 Aus Randnr. 496 der angefochtenen Entscheidung ergebe sich, dass die Kommission nicht in der Lage gewesen sei, die verantwortliche Gesellschaft abschließend zu identifizieren. Die Kommission habe auch nicht ansatzweise dargelegt, dass bestimmte Herrn [B] und Herrn [C] vorgeworfene Handlungen Unternehmen der Knauf-Gruppe zuzurechnen gewesen seien. Dessen ungeachtet habe die Kommission trotzdem den Umsatz sämtlicher Unternehmen der Knauf-Gruppe zugrunde gelegt.

330 Die Klägerin bestreitet unter Hinweis auf ihre Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, dass sie einer Verantwortlichkeit für alle Knauf-Gesellschaften im Sinne einer Umsatzzurechnung zugestimmt habe.

331 Die Kommission führt aus, die Klägerin habe anerkannt, dass die Beschreibung des Konzerns in den Randnrn. 38 ff. sowie 496 der angefochtenen Entscheidung zutreffe. Zudem habe die Kommission schon zu Beginn des Verwaltungsverfahrens Nachprüfungsentscheidungen an vier Gesellschaften der Unternehmensgruppe der Klägerin - einschließlich der Gebrüder Knauf Verwaltungsgesellschaft KG - gerichtet und in der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass diese Gesellschaften ein einheitliches Unternehmen unter der Leitung von Herrn [B] und Herrn [C] bildeten.

332 In ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte habe die Klägerin die Zuordnung des Verstoßes nicht bemängelt.

333 Wenn der Adressat der Entscheidung, dem die Verantwortung für die Zuwiderhandlung zugerechnet werde, an der Spitze einer Gruppe stehe, die eine wirtschaftliche Einheit bilde, sei der Umsatz dieser ganzen Gruppe zur Berechnung seiner Geldbuße heranzuziehen. Hier liege die Koordinierung des Vorgehens der Unternehmensgruppe bei den beiden unbeschränkt haftenden Komplementären sowohl der Klägerin als auch der Gebrüder Knauf Verwaltungsgesellschaft KG, Herrn [B] und Herrn [C], die nicht nur beide Gesellschaften, sondern auch die Knauf-Unternehmensgruppe als eine einzige, gemeinsame Interessen verfolgende wirtschaftlichen Einheit führten. Die Gebrüder Knauf Verwaltungsgesellschaft KG sei nicht nur von den Geschäftsführern, sondern auch von den Geschäftsräumen und dem Personal der Klägerin abhängig. Der Sachverhalt ähnele insoweit dem, zu dem das Urteil HFB u. a./Kommission (oben in Randnr. 125 angeführt) ergangen sei.

334 Sämtliche im Rahmen der betreffenden Zuwiderhandlung ausgetauschten Verkaufszahlen für die Klägerin bezögen sich auf die Knauf-Unternehmensgruppe insgesamt.

335 Diese Feststellung werde durch das Verhalten der Klägerin während des Verwaltungsverfahrens gestützt, in dem sie sich hinsichtlich der Unternehmen der Knauf-Gruppe als alleinige Gesprächspartnerin der Kommission für die einheitliche Zuwiderhandlung präsentiert habe. Die Klägerin habe ihre herausragende Rolle innerhalb der Unternehmensgruppe oder eine Zurechnung der Zuwiderhandlung zu dieser Gruppe nie in Frage gestellt. Darüber hinaus habe sie die Rolle ihrer Geschäftsführer als jene der "Knauf-Gruppe" selbst hervorgehoben, z. B. in ihrer Antwort auf das Auskunftsersuchen vom 8. Juli 1999. Die Kommission weist in ihrer Gegenerwiderung auf verschiedene andere Beispiele hin.

336 Der als Anlage zur Klageschrift beigefügte Familienvertrag vom 9. Dezember 1994 bestätige schließlich den Befund der Kommission hinsichtlich eines einheitlich geführten Konzerns. § 5 des Familienvertrags bestätige zusätzlich, dass dieser eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts errichte, und binde alle Gesellschafter beider Kommanditgesellschaften. Die Gebrüder Knauf Verwaltungsgesellschaft KG sei damit eindeutig auch rechtlich von den anderen Unternehmen des Konzerns, insbesondere der Klägerin, abhängig.

Würdigung durch das Gericht

337 Aus der angefochtenen Entscheidung ergibt sich, dass die Kommission die Auffassung vertrat, die Klägerin sei für sämtliche Handlungen der Knauf-Gruppe haftbar zu machen, und sie zur Adressatin der Entscheidung bestimmte. In den Randnrn. 495 bis 499 der Entscheidung heißt es nämlich:

"(495) Es steht außer Frage, dass [die Gruppe] Knauf an den in dieser Entscheidung beschriebenen wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen teilnahm und dass [ihre] Unternehmensleitung, nämlich die Herren [B] und [C], persönlich in diese Verhaltensweisen einbezogen [war].

(496) Diese Entscheidung ist an Knauf ... gerichtet. Angesichts der besonderen Struktur der Gruppe Knauf ist die Kommission nicht in der Lage, eine juristische Person an der Spitze der [Gruppe] von Gesellschaften auszumachen, aus der dieses Unternehmen besteht. Somit gibt es keine juristische Person, der man als der für die Koordinierung der Handlungen der Gruppe zuständigen Person die von den verschiedenen sie bildenden Gesellschaften begangenen Zuwiderhandlungen zuweisen könnte.

(497) ... Knauf ..., deren unbeschränkt haftende Gesellschafter/Inhaber die Herren [B] und [C] sind, vertritt am eindeutigsten das Unternehmen. Die Gebrüder Knauf Verwaltungsgesellschaft, von der die übrigen Unternehmen der Gruppe Knauf geführt werden, ist sowohl hinsichtlich der Geschäftsräume als auch des Personals zumindest teilweise von ... Knauf ... abhängig.

(498) Um unter diesen Umständen zu vermeiden, dass reine Formfragen einer Feststellung des Verhaltens [der Gruppe] Knauf auf dem Gipsplattenmarkt zur Anwendung der Wettbewerbsregeln im Wege stünden, ist nach Auffassung der Kommission ... Knauf ... für die Handlungen [der Gruppe] Knauf insgesamt haftbar zu machen. Im Übrigen hat sich ... Knauf ... auch nicht der Übersendung der Beschwerdepunkte widersetzt, worin deutlich gemacht war, dass sie die Kommission für die Gesamtheit der Handlungen [der Gruppe] Knauf verantwortlich zu machen gedachte.

(499) Im Hinblick auf die mögliche Festsetzung einer Geldbuße (siehe unter Abschnitt 3.) hält es die Kommission für angezeigt, für die Zwecke dieser Entscheidung den Umsatz des 'Unternehmens' im Sinne von Artikel 81 Abs. 1 [EG], d. h. den von sämtlichen Unternehmen der Gruppe Knauf erzielten Weltumsatz, wie er der Kommission mitgeteilt wurde, zugrunde zu legen."

338 Die Klägerin bestreitet auch nicht, dass die angefochtene Entscheidung an sie gerichtet war, macht aber geltend, sie könne nicht für sämtliche Handlungen der Knauf-Gruppe haftbar gemacht werden.

339 Folglich geht es im vorliegenden Fall nicht um die Frage, ob die Klägerin für die in Rede stehende Zuwiderhandlung verantwortlich war, sondern um die Frage, ob die Kommission bei der Festsetzung der Obergrenze der Geldbuße von 10 % den Umsatz der Knauf-Gruppe einschließlich der Gebrüder Knauf Verwaltungsgesellschaft KG und ihrer Tochtergesellschaften berücksichtigen konnte, ohne förmlich sämtliche Unternehmen der Knauf-Gruppe für die Zuwiderhandlung verantwortlich zu machen. Diese Frage besteht aus zwei Teilen. Erstens ist zu ermitteln, ob die Knauf-Gruppe eine wirtschaftliche Einheit im Sinne des Wettbewerbsrechts ist. Zweitens ist zu prüfen, ob die Kommission rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, dass die Klägerin die juristische Person war, die an der Spitze der Knauf-Gruppe für die Koordinierung des Handelns dieser Gruppe verantwortlich war.

340 Bezüglich des Begriffs der wirtschaftlichen Einheit ist daran zu erinnern, dass der Begriff des Unternehmens im Wettbewerbsrecht jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung umfasst (Urteile des Gerichtshofs vom 16. März 2004, AOK-Bundesverband u. a., C-264/01, C-306/01, C-354/01 und C-355/01, Slg. 2004, I-2493, Randnr. 46, sowie Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 175 angeführt, Randnr. 112).

341 Aus dieser Rechtsprechung geht klar hervor, dass der Begriff des Unternehmens im Sinne der Wettbewerbsbestimmungen des Vertrags nicht voraussetzt, dass die betreffende wirtschaftliche Einheit eine eigene Rechtspersönlichkeit hat. Es handelt sich um eine allgemein geltende Auslegung (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 175 angeführt, Randnr. 113). Die Auslegung des Begriffs des Unternehmens im Sinne der Wettbewerbsbestimmungen des Vertrags richtet sich somit in erster Linie nach eher wirtschaftlichen als rechtlichen Aspekten.

342 Wenn hierbei auch der Umstand, dass das Gesellschaftskapital eigenständiger Handelsgesellschaften derselben Person oder Familie gehört, nicht bereits als Nachweis dafür ausreicht, dass diese Gesellschaften eine wirtschaftliche Einheit bilden, die nach dem Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft zur Folge hat, dass die Handlungen einer von ihnen der anderen zugerechnet werden können und dass die eine zur Zahlung einer Geldbuße für die andere verpflichtet werden kann (Urteil des Gerichtshofs vom 2. Oktober 2003, Aristrain/Kommission, C-196/99 P, Slg. 2003, I-11005, Randnr. 99), kann doch aus einer Reihe von Faktoren auf das Bestehen einer wirtschaftlichen Einheit geschlossen werden.

343 So wurde in der Rechtssache HFB u. a./Kommission (Urteil oben in Randnr. 125 angeführt) das Bestehen einer wirtschaftlichen Einheit dadurch bewiesen, dass eine natürliche Person die betreffenden Gesellschaften kontrollierte, d. h., dass nicht nur sämtliche oder nahezu sämtliche Gesellschaftsanteile von dieser Person oder ihrem Ehegatten direkt oder indirekt gehalten wurden, sondern dass sie auch Schlüsselfunktionen in den Verwaltungsorganen dieser Gesellschaften innehatte, bei den Treffen des Geschäftsführer-Clubs die einzelnen Unternehmen vertrat und diesen im Rahmen des Kartells eine einzige Quote zugeteilt wurde.

344 Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass die Gesellschafter der Klägerin und die der übrigen Unternehmen der Familie Knauf, insbesondere der Gebrüder Knauf Verwaltungsgesellschaft KG, dieselben sind, nämlich 21 natürliche Personen, die Mitglieder der Familie Knauf sind, und eine Gesellschaft mit vier weiteren Mitgliedern der Familie Knauf, wobei alle diese natürlichen Personen den beiden Familienstämmen [...] Knauf angehören.

345 Außerdem räumt die Klägerin ein, dass ihre beiden Komplementäre, Herr [B] und Herr [C], auch Komplementäre aller dieser Unternehmen sind.

346 Im Übrigen geht nirgends aus den Unterlagen hervor, dass Herr [B] und Herr [C] die Knauf-Gruppe nicht im Rahmen der einzelnen Ausprägungen der Zuwiderhandlung vertreten hätten. Die Kommission macht hierzu, ohne dass die Klägerin ihr in diesem Punkt widerspricht, geltend, dass sich sämtliche im Rahmen der betreffenden Zuwiderhandlung ausgetauschten Verkaufszahlen für die Klägerin auf alle auf dem Gipsplattenmarkt tätigen Unternehmen der Knauf-Gruppe bezögen.

347 Ferner ergibt sich aus der Antwort der Klägerin auf eine schriftliche Frage des Gerichts, dass auch die Gebrüder Knauf Verwaltungsgesellschaft KG Beteiligungen an auf dem Gipsplattenmarkt tätigen Unternehmen hat. Aus der Antwort der Klägerin vom 19. September 2002 auf das Auskunftsersuchen nach Art. 11 der Verordnung Nr. 17 geht überdies hervor, dass es mehrere Unternehmen gibt, die auf dem Gipsplattenmarkt tätig sind und von der Familie Knauf kontrolliert werden. In dieser Antwort hat die Klägerin zudem aus eigenem Antrieb, ohne entsprechende Aufforderung durch die Kommission, den Gesamtumsatz der Knauf-Gruppe - 2,244 Mrd. Euro - mitgeteilt. Sie hat ausgeführt, dass sich der Gesamtumsatz der Gesellschaften der Knauf-Gruppe "nicht nur auf [sie selbst bezieht] - wie von der Kommission gefragt -, sondern auf die Summe der einzelnen Knauf-Gesellschaften, die im definierten Gipsplattenmarkt aktiv sind". Der Umsatz der Knauf-Firmen, die auf dem Gipsplattenmarkt tätig seien, mache 54 % des Gesamtumsatzes der Gruppe aus.

348 Es ist aber nicht hinnehmbar, dass die Gesellschaften, die von der Gebrüder Knauf Verwaltungsgesellschaft KG gehalten werden, deren einzige Aufgabe die Verwaltung der übrigen Gesellschaften ist, der Sanktion entgehen können, die wegen der Zuwiderhandlung verhängt wurde, von der sie profitiert haben. Wie sich aus den Antworten der Klägerin auf die schriftlichen und mündlichen Fragen des Gerichts ergibt, ist die Gebrüder Knauf Verwaltungsgesellschaft KG nämlich nur eine Holdinggesellschaft ohne Personal, die die von ihr gehaltenen Beteiligungsgesellschaften für die hinter ihr stehenden 22 Gesellschafter verwaltet. Die Klägerin hat auch nicht die Aussage der Kommission bestritten, die Gebrüder Knauf Verwaltungsgesellschaft KG sei nicht nur von ihren Geschäftsführern abhängig, sondern belege auch ihre Geschäftsräume.

349 Der Familienvertrag schließlich bestimmt Folgendes:

"§ 1 Zweck des Vertrags

1. Mit diesem Vertrag sollen die Unternehmen Knauf als Familienunternehmen gesichert werden.

2. Mit diesem Vertrag sollen eine einheitliche Leitung und Geschäftsführung der Unternehmen Knauf gesichert werden.

3. Mit diesem Vertrag soll eine einheitliche und konzentrierte Ausübung der Gesellschaftsrechte in allen Unternehmen Knauf gesichert werden.

4. Mit diesem Vertrag soll gesichert werden, dass notwendige Entscheidungen für die Zukunft, was die Leitung, Geschäftsführung, Organisation und Gesellschaftsform anbelangt, möglich bleiben und von einzelnen oder wenigen Gesellschaftern nicht verhindert werden können.

§ 2 Die Unternehmen Knauf

1. Zu den Unternehmen Knauf im Sinne dieses Vertrages zählen:

... Knauf ...

[Gebrüder] Knauf Verwaltungsgesellschaft ..."

350 Nach alledem bilden die der Familie Knauf gehörenden Unternehmen somit eine wirtschaftliche Einheit, die gemeinsame Interessen verfolgt. Nach ständiger Rechtsprechung ist nämlich im Rahmen des Wettbewerbsrechts unter dem Begriff des Unternehmens eine im Hinblick auf den jeweiligen Vertragsgegenstand bestehende wirtschaftliche Einheit zu verstehen, selbst wenn diese wirtschaftliche Einheit rechtlich aus mehreren natürlichen oder juristischen Personen gebildet wird (Urteile des Gerichts HFB u. a./Kommission, oben in Randnr. 125 angeführt, Randnr. 66, und vom 11. Dezember 2003, Minoan Lines/Kommission, T-66/99, Slg. 2003, II-5515, Randnr. 121).

351 Ferner ist entschieden worden, dass eine wirtschaftliche Einheit in einer einheitlichen Organisation persönlicher, materieller und immaterieller Mittel besteht, die dauerhaft einen bestimmten wirtschaftlichen Zweck verfolgt und an einer Zuwiderhandlung im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG beteiligt sein kann (Urteil Minoan Lines/Kommission, oben in Randnr. 350 angeführt, Randnr. 122).

352 Die Kommission konnte daher mit gutem Grund die Auffassung vertreten, dass die verschiedenen Unternehmen der Familie Knauf eine wirtschaftliche Einheit bildeten.

353 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass unter dem in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 genannten Umsatz als Obergrenze der Geldbuße, die verhängt werden kann, der Gesamtumsatz des betroffenen Unternehmens zu verstehen ist, da nur dieser einen ungefähren Anhaltspunkt für die Größe und den Einfluss des Unternehmens auf den Markt liefert (Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juni 1983, Musique diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Randnr. 119, und Urteil des Gerichts vom 6. April 1995, Baustahlgewebe/Kommission, T-145/89, Slg. 1995, II-987, Randnr. 158). Im Fall eines Unternehmens, das aus einer als wirtschaftliche Einheit auftretenden Gruppe von Gesellschaften besteht, kann nur der Gesamtumsatz aller zu dieser Gruppe gehörenden Gesellschaften die Größe und die Wirtschaftskraft des fraglichen Unternehmens widerspiegeln (Urteil HFB u. a./Kommission, oben in Randnr. 125 angeführt, Randnr. 529).

354 Zur Rolle der Klägerin innerhalb der Knauf-Gruppe ist festzustellen, dass es zulässig ist, einer Gesellschaft sämtliche Handlungen eines Konzerns zuzurechnen, wenn diese Gesellschaft als die juristische Person ermittelt wird, die an der Spitze des Konzerns für die Koordinierung von dessen Tätigkeit verantwortlich war (Urteil Aristrain/Kommission, oben in Randnr. 342 angeführt, Randnr. 98).

355 Wenn eine Gruppe von Gesellschaften ein und dasselbe Unternehmen bildet, kann die Kommission daher die Verantwortlichkeit für eine Zuwiderhandlung dieses Unternehmens der Gesellschaft zurechnen, die für das Handeln der Gruppe im Rahmen der Zuwiderhandlung verantwortlich ist, und gegen diese Gesellschaft eine Geldbuße verhängen (Urteil Minoan Lines/Kommission, oben in Randnr. 350 angeführt, Randnr. 122).

356 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Organigramm, das die Klägerin als Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts vorgelegt hat, dass sie das einzige auf dem relevanten Markt tätige Unternehmen ist, das nicht von der Holding Gebrüder Knauf Verwaltungsgesellschaft KG verwaltet wird.

357 Außerdem geht aus den Unterlagen in den Verfahrensakten klar hervor, dass die Klägerin die Knauf-Gruppe vertritt. Mit Ausnahme der Ankündigungen der Preiserhöhungen im Vereinigten Königreich sind nämlich die meisten der von der Kommission im Rahmen der Nachprüfungen gefundenen Dokumente, die von der Knauf-Gruppe herrühren, auf Papier verfasst, das den Briefkopf der Klägerin mit deren Daten trägt. An der Richtigkeit der Aussage der Kommission, der die Klägerin im Übrigen nicht widersprochen hat und wonach diese die operativen Tätigkeiten der Knauf-Gruppe auf dem relevanten Markt koordiniert habe, ist daher nicht zu zweifeln.

358 Darüber hinaus hat sich die Klägerin im Verwaltungsverfahren als alleinige Gesprächspartnerin der Kommission präsentiert. Sie hat diese Eigenschaft zu keinem Zeitpunkt des Verwaltungsverfahrens bestritten.

359 Im Übrigen hat die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte (Randnrn. 18 und 19) die Ansicht vertreten, dass die Zuwiderhandlung die gesamte Knauf-Gruppe betreffe. Angesichts der in der Mitteilung der Beschwerdepunkte enthaltenen Angaben konnte die Klägerin zudem nicht in Unkenntnis darüber sein, dass sie als Adressatin einer endgültigen Entscheidung der Kommission in Frage kam. Die Klägerin hat der Kommission aber geantwortet, ohne ihre Rolle als für das Handeln der Gruppe im Rahmen der Zuwiderhandlung verantwortliche Gesellschaft in Frage zu stellen.

360 In einer solchen Situation musste die Klägerin im Verwaltungsverfahren reagieren, um das Recht darauf nicht zu verwirken, und dartun, dass ihr die von der Knauf-Gruppe begangene Zuwiderhandlung trotz der von der Kommission festgestellten Gesichtspunkte nicht zugerechnet werden konnte (Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Akzo Nobel/Kommission, T-330/01, Slg. 2006, II-3389, Randnr. 88).

361 Da es an der Spitze der Knauf-Gruppe keine juristische Person gab, der als für die Koordinierung des Handelns der Gruppe Verantwortlichem die Zuwiderhandlungen der verschiedenen Gesellschaften der Gruppe hätten zugerechnet werden können, hinderte die formelle Trennung dieser Gesellschaften, die sich aus ihrer gesonderten Rechtspersönlichkeit ergab, die Kommission nicht daran, die Klägerin für sämtliche Handlungen der Gruppe haftbar zu machen, nachdem sie festgestellt hatte, dass ihr Verhalten auf dem Markt im Rahmen der Anwendung der Wettbewerbsregeln eine Einheit bildete.

362 Die Kommission hat mithin keinen Beurteilungsfehler begangen, als sie die Auffassung vertrat, dass es eine wirtschaftliche Einheit gebe, die aus den verschiedenen Unternehmen der Familie Knauf bestehe, und dass die Klägerin die für das Handeln der Knauf-Gruppe im Rahmen der Zuwiderhandlung verantwortliche Gesellschaft sei. Der von der Klägerin vorgetragene Klagegrund, dass wegen der Heranziehung des Umsatzes der Knauf-Gruppe für die Berechnung der Geldbuße ein Verstoß gegen Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 vorliege, ist somit zurückzuweisen.

5. Zum fünften Klagegrund: Verletzung von Art. 253 EG, Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 sowie allgemeiner Grundsätze bei der Berechnung der Geldbuße

363 Dieser Klagegrund gliedert sich in zwei Teile, mit denen die Unverhältnismäßigkeit des zum einen anhand der Schwere und zum anderen anhand der Dauer der Zuwiderhandlung festgesetzten Grundbetrags geltend gemacht wird. Hinsichtlich des Ausgangsbetrags von 52 Mio. Euro rügt die Klägerin an erster Stelle dessen begründungslose und intransparente Festsetzung. An zweiter Stelle beanstandet sie die rechtsfehlerhafte Berücksichtigung nachteiliger Auswirkungen der unterstellten Zuwiderhandlungen auf dem Markt für Gipskartonplatten. An dritter Stelle rügt sie die generelle Unverhältnismäßigkeit der Festsetzungen im Hinblick auf die bisherige Praxis der Kommission.

364 Was die Erhöhung der Geldbuße wegen der Dauer der Zuwiderhandlung angehe, sei diese erstens in Anbetracht der bisherigen Praxis der Kommission unverhältnismäßig. Zweitens habe die Kommission einen Fehler begangen, als sie den aufgrund der Schwere festgesetzten Ausgangsbetrag wegen der Dauer der Zuwiderhandlung erhöht habe, da es bei Zuwiderhandlungen wie der streitigen in der Natur der Sache liege, dass sie sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren erstreckten. Drittens habe die Kommission einen Fehler begangen, als sie angenommen habe, dass eine einheitliche fortgesetzte Zuwiderhandlung vorliege. Viertens könne das maximale Bußgeld von 10 % des Gesamtumsatzes nur in den denkbar schwersten Fällen in Betracht kommen.

Zum ersten Teil: Unverhältnismäßigkeit des anhand der Schwere der Zuwiderhandlung festgesetzten Ausgangsbetrags

Zur Verletzung der Begründungspflicht

- Vorbringen der Parteien

365 Die Klägerin trägt vor, dass die Kommission eine schlüssige Erklärung dafür schuldig bleibe, wie sie zu dem Betrag von 52 Mio. Euro gelangt sei, sowohl was dessen absolute Höhe als auch was seine Höhe im Vergleich zu den Festsetzungen gegenüber anderen vom Verwaltungsverfahren betroffenen Unternehmen angehe.

366 Die angefochtene Entscheidung und insbesondere die von der Kommission angegebenen Umsätze und Marktanteile ließen auch keine dem Gleichbehandlungsgrundsatz genügenden Kriterien erkennen, die zur Einteilung der betreffenden Unternehmen in drei Kategorien für die Zwecke der Festsetzung der Ausgangsbeträge herangezogen worden wären. Die Kommission habe die absolute und die relative Höhe der für die drei Kategorien tatsächlich festgesetzten Beträge mangelhaft begründet.

367 Bei Ermessensentscheidungen sei eine besonders umfassende und detaillierte Begründung erforderlich.

368 Die Kommission macht unter Hinweis auf Randnr. 546 der angefochtenen Entscheidung geltend, dass die Grundlage für die differenzierende Behandlung der einzelnen Unternehmen deren relative Größe bei den Umsätzen mit dem betroffenen Produkt und den Marktanteilen auf den vier wesentlichen Märkten im letzten vollen Jahr der Zuwiderhandlung gewesen sei.

- Würdigung durch das Gericht

369 Was den Umfang der Begründungspflicht in Bezug auf die Berechnung der Höhe einer wegen Verletzung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft verhängten Geldbuße anbelangt, ist zu beachten, dass diese gemäß Art. 15 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 17 festzusetzen ist, wonach "[b]ei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ... neben der Schwere des Verstoßes auch die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen" ist. Insoweit enthalten die Leitlinien und die Mitteilung über Zusammenarbeit Regeln über die Beurteilungskriterien, die von der Kommission herangezogen werden, um die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung zu bemessen (Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003, Cheil Jedang/Kommission, T-220/00, Slg. 2003, II-2473, Randnr. 217). Unter diesen Umständen sind die Anforderungen an das wesentliche Formerfordernis, um das es sich bei der Begründungspflicht handelt, erfüllt, wenn die Kommission in ihrer Entscheidung die Beurteilungskriterien angibt, die sie in Anwendung ihrer Leitlinien und gegebenenfalls ihrer Mitteilung über Zusammenarbeit herangezogen hat und die es ihr ermöglicht haben, für die Berechnung der Höhe der Geldbuße Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung zu bemessen (Urteil Cheil Jedang/Kommission, Randnr. 218).

370 Zwar hat die Kommission im vorliegenden Fall keine anderen Zahlen als die bezüglich der Marktanteile der betreffenden Unternehmen genannt, auf deren Grundlage sie den Ausgangsbetrag der Geldbuße der Klägerin auf 52 Mio. Euro festgesetzt hat.

371 Aus der Begründungspflicht folgt jedoch nicht, dass die Kommission in ihrer Entscheidung Zahlenangaben zur Berechnungsweise der Geldbußen machen muss (Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Stora Kopparbergs Bergslags/Kommission, C-286/98 P, Slg. 2000, I-9925, Randnr. 66).

372 Zahlenangaben zur Berechnungsweise der Geldbußen sind, so nützlich sie auch sein mögen, für die Beachtung der Pflicht zur Begründung einer Bußgeldentscheidung nicht unabdingbar, da die Kommission jedenfalls nicht durch den ausschließlichen und mechanischen Rückgriff auf mathematische Formeln auf ihr Ermessen verzichten darf (Urteil des Gerichtshofs vom 2. Oktober 2003, Salzgitter/Kommission, C-182/99 P, Slg. 2003, I-10761, Randnr. 75).

373 Bezüglich der Begründung der Festsetzung der Geldbußen in absoluten Zahlen ist nämlich daran zu erinnern, dass Geldbußen ein Instrument der Wettbewerbspolitik der Kommission darstellen, die bei der Festsetzung ihrer Höhe über einen Ermessensspielraum verfügen muss, um das Verhalten der Unternehmen auf die Einhaltung der Wettbewerbsregeln auszurichten (Urteil des Gerichts vom 6. April 1995, Martinelli/Kommission, T-150/89, Slg. 1995, II-1165, Randnr. 59).

374 Außerdem muss verhindert werden, dass die Geldbußen für die Wirtschaftsteilnehmer leicht vorhersehbar sind. Wenn die Kommission nämlich verpflichtet wäre, in ihrer Entscheidung Zahlenangaben zur Berechnungsweise der Geldbußen zu machen, würde deren abschreckende Wirkung beeinträchtigt. Wäre die Höhe der Geldbuße das Ergebnis einer Berechnung nach einer bloßen mathematischen Formel, könnten die Unternehmen vorhersehen, welche Sanktion in Betracht kommt, und diese mit den Vorteilen vergleichen, die sie aus der Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften des Wettbewerbsrechts ziehen würden.

375 Im vorliegenden Fall hat die Kommission in den Randnrn. 522 bis 553 der angefochtenen Entscheidung die Gesichtspunkte dargelegt, die sie bei der Berechnung der Geldbußen anhand der Schwere der Zuwiderhandlung jedes betroffenen Unternehmens berücksichtigt hat. Aus den genannten Randnummern geht hervor, dass die Kommission klar und eingehend die von ihr angestellten Überlegungen aufgezeigt hat, so dass die Klägerin erkennen konnte, welche Kriterien für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung im Hinblick auf die Berechnung der Geldbuße herangezogen wurden, und das Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Demgemäß entspricht die angefochtene Entscheidung dem Begründungserfordernis, dem die Kommission gemäß Art. 253 EG nachzukommen hat.

376 Zur Begründung des Unterschieds zwischen den Ausgangsbeträgen der gegen die betreffenden Unternehmen verhängten Geldbußen geht aus den Randnrn. 522 bis 549 der angefochtenen Entscheidung klar hervor, dass die Kommission den Marktanteil jedes dieser Unternehmen auf den vier betroffenen Märkten im letzten Kalenderjahr der Zuwiderhandlung herangezogen und daraus abgeleitet hat, dass BPB in eine erste Kategorie, Knauf und Lafarge in eine zweite Kategorie und Gyproc in eine dritte Kategorie einzuordnen und deshalb unterschiedlich zu behandeln seien.

377 Nach ständiger Rechtsprechung darf bei der Festsetzung der Geldbuße sowohl der Gesamtumsatz des Unternehmens, der - wenn auch nur annähernd und unvollständig - etwas über dessen Größe und Wirtschaftskraft aussagt, als auch der Teil dieses Umsatzes berücksichtigt werden, der mit den Waren erzielt worden ist, hinsichtlich deren die Zuwiderhandlung begangen wurde, und der somit einen Anhaltspunkt für das Ausmaß dieser Zuwiderhandlung liefern kann. Weder dem einen noch dem anderen dieser Umsätze darf eine im Verhältnis zu den anderen Beurteilungskriterien übermäßige Bedeutung zugemessen werden, weshalb die Festsetzung einer angemessenen Geldbuße nicht das Ergebnis eines bloßen, auf den Gesamtumsatz gestützten Rechenvorgangs sein kann. Das gilt insbesondere dann, wenn die betroffenen Waren nur einen geringen Teil dieses Umsatzes ausmachen (Urteile Musique diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 353 angeführt, Randnr. 121, sowie Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 175 angeführt, Randnr. 243).

378 Die Kommission hat somit das spezifische Gewicht der Klägerin berücksichtigt, indem sie die einzelnen Unternehmen unter Zugrundelegung ihres Marktanteils, der auf dem Umsatz aus dem Verkauf des betreffenden Produkts auf den vier größten Märkten in der Gemeinschaft, auf denen die Zuwiderhandlung begangen wurde, beruhte, unterschiedlich behandelte.

379 Der Vorwurf, im Rahmen der Festsetzung der Höhe der gegen Knauf wegen der Schwere der Zuwiderhandlung verhängten Geldbuße sei die Begründungspflicht verletzt worden, ist somit zurückzuweisen.

Zu den Auswirkungen der Zuwiderhandlung

- Vorbringen der Parteien

380 Die Klägerin beanstandet die Schlussfolgerungen der Kommission in den Randnrn. 532 bis 538 der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich der angeblichen Auswirkungen der Zuwiderhandlung. Weder in Randnr. 60 noch in den Randnrn. 212 oder 395 der Entscheidung fänden sich Feststellungen zu konkreten Auswirkungen angeblicher Absprachen.

381 Zum einen enthalte die angefochtene Entscheidung keinen Bezug zu den Märkten in den Benelux-Staaten und Frankreich. Zum anderen müsse die Kommission wettbewerbsschädliche Auswirkungen des fraglichen Verhaltens der betreffenden Unternehmen konkret nachweisen, wenn sie diese bei der Sanktionsbemessung berücksichtigen wolle.

382 Selbst wenn es zuträfe, dass die Marktanteile "relativ stabil" geblieben seien, könne dies mehrere Ursachen haben und sei nicht denknotwendig mit Kartellaktivitäten der Marktteilnehmer zu erklären. Bereits eine rechtmäßige Alternativerklärung für dieses Phänomen reiche aber aus, um die Kommission beweisfällig bleiben zu lassen.

383 Das Ende des Preiskriegs könne auch die Folge autonomen kaufmännischen Verhaltens sein und müsse nicht mit Kartellaktivitäten zusammenhängen.

384 Die Tatsache allein, dass Statistiken über den relevanten Markt ausgetauscht würden, bedeute nicht automatisch, dass dies wettbewerbsnachteilige Auswirkungen habe.

385 Die Kommission trägt vor, dass sie ihrer Gesamtbewertung bei der Beurteilung der Schwere des Verstoßes die tatsächlich eingetretenen Kartellschäden zugrunde gelegt habe. Die Teilnehmer des Kartells hätten abgesprochene Preiserhöhungen nach vorheriger Ankündigung über die Austauschsysteme tatsächlich durchgeführt und auch den Preiskrieg unstreitig früher beendet, als es ohne die Absprachen der Fall gewesen wäre (Randnrn. 531 ff. insbesondere 534 bis 538, der angefochtenen Entscheidung).

386 Weil die einheitliche, komplexe und fortdauernde Zuwiderhandlung einen eindeutig wettbewerbswidrigen Zweck verfolgt habe, sei es nicht erforderlich, nachteilige Auswirkungen auf den Wettbewerb nachzuweisen.

387 Jedenfalls sei die Wirkung des Kartells eine Abschwächung des Wettbewerbs gewesen, wozu der Informationsaustausch unabhängig von seiner Verwendung (Randnrn. 162 ff. der angefochtenen Entscheidung) beigetragen habe.

- Würdigung durch das Gericht

388 Nach Abschnitt 1 A Abs. 1 der Leitlinien berücksichtigt die Kommission bei ihrer Bemessung der Geldbuße nach der Schwere des Verstoßes u. a. "die konkreten Auswirkungen [des Verstoßes] auf den Markt, sofern diese messbar sind".

389 Insoweit ist die genaue Bedeutung der Worte "sofern diese [d. h. die konkreten Auswirkungen] messbar sind" zu untersuchen. Insbesondere ist zu klären, ob mit diesen Worten gemeint ist, dass die Kommission die konkreten Auswirkungen einer Zuwiderhandlung im Rahmen der Bußgeldbemessung nur berücksichtigen darf, wenn und soweit sie in der Lage ist, diese Auswirkungen quantitativ zu bestimmen.

390 So ist zu beachten, dass die Beurteilung der Wirkungen von Vereinbarungen oder Verhaltensweisen im Hinblick auf Art. 81 EG eine Berücksichtigung des jeweiligen konkreten Rahmens erfordert, nämlich des wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhangs, in dem die betreffenden Unternehmen tätig sind, der Natur der betroffenen Waren und Dienstleistungen, der auf dem betreffenden Markt oder den betreffenden Märkten bestehenden tatsächlichen Bedingungen und der Struktur dieses Marktes oder dieser Märkte (Urteil ASNEF-EQUIFAX und Administración del Estado, oben in Randnr. 187 angeführt, Randnr. 49).

391 Zudem erfordert die Prüfung der Auswirkungen eines Kartells auf den Markt die Aufstellung von Hypothesen. In diesem Zusammenhang muss die Kommission insbesondere prüfen, welchen Preis das relevante Produkt ohne Kartell gehabt hätte. Indessen ist es mit Unwägbarkeiten behaftet, im Rahmen der Prüfung der Gründe für die tatsächliche Preisentwicklung Mutmaßungen über den jeweiligen Anteil anzustellen, den die einzelnen Gründe hatten. Es ist dem objektiven Umstand Rechnung zu tragen, dass die betreffenden Unternehmen aufgrund des Preiskartells auf die Möglichkeit, mittels der Preise miteinander zu konkurrieren, gerade verzichtet haben. Die Beurteilung des Einflusses anderer Faktoren als dieses freiwilligen Verzichts der am Kartell beteiligten Unternehmen beruht daher zwangsläufig auf hinreichend hohen und nicht genau quantifizierbaren Wahrscheinlichkeiten.

392 Soll daher dem in Abschnitt 1 A Abs. 1 der Leitlinien festgelegten Kriterium nicht seine praktische Wirksamkeit genommen werden, kann es der Kommission nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie sich auf die konkreten Auswirkungen, die ein Kartell mit wettbewerbswidrigem Zweck hat, gestützt hat, ohne diese Auswirkungen zu quantifizieren oder hierzu eine bezifferte Beurteilung vorzulegen. Die konkreten Auswirkungen eines Kartells auf den Markt sind folglich als hinreichend nachgewiesen anzusehen, wenn die Kommission in der Lage ist, konkrete und glaubhafte Indizien dafür vorzulegen, dass das Kartell mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Auswirkungen auf den Markt hatte.

393 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Zusammenfassung der von der Kommission vorgenommenen Beurteilung (Randnrn. 534 bis 538 der angefochtenen Entscheidung), dass sie sich für ihre Feststellung, das Kartell habe konkrete Auswirkungen auf den Markt gehabt, auf mehrere Anhaltspunkte gestützt hat. Sie hat den Umstand angeführt, dass auf die Kartellteilnehmer das gesamte oder nahezu das gesamte Gipsplattenangebot auf den vier von dem Kartell erfassten Märkten entfallen sei. Weiter hat sie festgestellt, dass die betreffenden Unternehmen ihre Vereinbarung umgesetzt hätten, u. a. indem sie ihr Verhalten nach der Zusammenkunft von London tatsächlich geändert hätten und der beschlossene Informationsaustausch im gesamten Zeitraum auf den wichtigsten Märkten und dabei insbesondere auf den Märkten des Vereinigten Königreichs und Deutschlands durchgeführt worden sei. Zu den Preisen hat sie unter Bezugnahme auf die Randnrn. 212 und 395 der angefochtenen Entscheidung hinzugefügt, dass sie tendenziell angestiegen seien oder sich zumindest stabilisiert hätten und dass die Kontakte betreffend die Preissteigerungen an die Veröffentlichung von Preislisten gebunden gewesen seien, die später in den Kundenpreisen aufgeführt gewesen seien. Außerdem hat sie unter Hinweis auf die Randnrn. 71, 196 und 289 der angefochtenen Entscheidung sowie den Anhang zur Entscheidung festgestellt, dass die Marktanteile im betreffenden Zeitraum relativ stabil geblieben seien, auf jeden Fall stabiler als im Zeitraum 1988 bis 1992, der von den in Rede stehenden Unternehmen als Preiskrieg eingestuft worden sei.

394 Sowohl die Tatsache, dass die Kartellteilnehmer den überwiegenden Teil (bzw. fast die Gesamtheit) des betroffenen Marktes hielten, als auch der Umstand, dass die aufgedeckten Vereinbarungen eigens darauf gerichtet waren, die Preise über das Niveau anzuheben, auf dem sie sich sonst eingependelt hätten, sind Anhaltspunkte dafür, dass die Zuwiderhandlung erhebliche wettbewerbswidrige Auswirkungen haben konnte.

395 Der Kommission kann deshalb kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass sie den Umstand, dass die Kartellteilnehmer einen sehr großen Anteil am betroffenen Markt hielten, für einen wichtigen Faktor hielt, den sie bei der Prüfung der konkreten Auswirkungen des Kartells auf den Markt berücksichtigen müsse. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Preis- und Marktstabilisierungskartell wirksam ist, wächst nämlich unzweifelhaft mit der Größe der Marktanteile, die sich die Teilnehmer dieses Kartells teilen. Zwar beweist dieser Umstand allein nicht das Vorliegen konkreter Auswirkungen, doch hat die Kommission in der angefochtenen Entscheidung keineswegs einen solchen Kausalzusammenhang hergestellt, sondern den Umstand lediglich zusammen mit anderen Gesichtspunkten berücksichtigt.

396 Zur Feststellung der Kommission, dass die Preise tatsächlich tendenziell angestiegen seien oder sich zumindest stabilisiert hätten (Randnr. 534 der angefochtenen Entscheidung), ist zu bemerken, dass die Kommission keine Statistiken zur Preisentwicklung präsentiert, sondern lediglich erklärt, dass BPB und Lafarge in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte angegeben hätten, die Preise auf den Märkten des Vereinigten Königreichs und Deutschlands seien tendenziell angestiegen oder hätten sich zumindest stabilisiert.

397 In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass das Gericht, wie sich oben aus Randnr. 63 ergibt, vorsorglich beschlossen hat, die Erwiderungen von Lafarge und BPB auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte als die Klägerin belastende Beweismittel auszuschließen.

398 Wenn die Umsetzung eines Kartells erwiesen ist, kann von der Kommission jedoch nicht verlangt werden, systematisch darzulegen, dass die Vereinbarungen es den betroffenen Unternehmen tatsächlich ermöglichten, ein höheres Niveau der Transaktionspreise als ohne Kartell zu erzielen. Es wäre unverhältnismäßig, eine solche Darlegung zu verlangen, die beträchtliche Ressourcen in Anspruch nehmen würde, weil sie den Rückgriff auf hypothetische Berechnungen anhand wirtschaftlicher Modelle erfordern würde, deren Genauigkeit nur schwer gerichtlich nachprüfbar und deren Unfehlbarkeit keineswegs erwiesen ist (Schlussanträge des Generalanwalts Mischo in der Rechtssache Mo och Domsjö/Kommission, C-283/98 P, Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Slg. 2000, I-9855, I-9858, Nr. 109).

399 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der angefochtenen Entscheidung, die von der Klägerin in diesem Punkt nicht beanstandet wird, dass der Preiskrieg endete, was folgerichtig zur Anhebung der Preise auf ein Niveau führte, das sie ohne unzulässige Vereinbarungen nicht erreicht hätten.

400 Außerdem hatte die Tatsache, dass die Kontakte betreffend die Preissteigerungen an die Veröffentlichung von Preislisten gebunden gewesen waren, die später in den Kundenpreisen aufgeführt wurden (Randnr. 534 der angefochtenen Entscheidung), naturgemäß sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite eine Auswirkung auf den Markt und auf das Verhalten der verschiedenen Akteure, denn diese Ankündigungen beeinflussten den Prozess der Preisfestlegung, da der angekündigte Preis eine Referenz bei der individuellen Aushandlung der tatsächlichen Verkaufspreise mit den Kunden darstellte (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, Finnboard/Kommission, T-338/94, Slg. 1998, II-1617, Randnr. 342), deren Verhandlungsspielraum hinsichtlich der Preise zwangsläufig begrenzt wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil LVM/Kommission, oben in Randnr. 125 angeführt, Randnr. 745).

401 Darüber hinaus beeinträchtigt schon die Festsetzung eines Preises, sei es auch nur eines Richtpreises, den Wettbewerb dadurch, dass sie sämtlichen Kartellteilnehmern die Möglichkeit gibt, mit hinreichender Sicherheit vorauszusehen, welche Preispolitik ihre Konkurrenten verfolgen werden (Urteil des Gerichtshofs vom 17. Oktober 1972, Vereeniging van Cementhandelaren/Kommission, 8/72, Slg. 1972, 977, Randnr. 21). Allgemeiner bedeuten derartige Kartelle einen unmittelbaren Eingriff in die wesentlichen Wettbewerbsparameter auf dem betreffenden Markt (Urteil vom 11. März 1999, Thyssen Stahl/Kommission, oben in Randnr. 71 angeführt, Randnr. 675). Durch die Äußerung eines gemeinsamen Willens, ein bestimmtes Preisniveau auf ihre Produkte anzuwenden, bestimmen die betreffenden Hersteller nämlich nicht mehr autonom ihre Marktpolitik und verstoßen so gegen den Grundgedanken der Wettbewerbsvorschriften des Vertrags (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, BPB de Eendracht/Kommission, T-311/94, Slg. 1998, II-1129, Randnr. 192).

402 Die Kommission hat folglich rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass das Kartell hinsichtlich der Preise konkrete Auswirkungen auf den betroffenen Markt hatte.

403 Zur Aussage der Kommission in Randnr. 534 der angefochtenen Entscheidung, die Marktanteile seien im betreffenden Zeitraum wegen der in Rede stehenden Zuwiderhandlung relativ stabil geblieben, ist festzustellen, dass diese Aussage nicht untermauert wird. Zwar ergibt sich aus der von der Kommission in Bezug genommenen Tabelle im Anhang zur angefochtenen Entscheidung, dass die Marktanteile im Zeitraum 1992 bis 1998 relativ stabil geblieben zu sein scheinen. Da Angaben zur Lage auf dem betroffenen Markt in der Zeit vor dem Kartell fehlen, belegt diese Tabelle jedoch nicht rechtlich hinreichend, dass die Stabilität, sieht man sie als erwiesen an, die Folge der in Rede stehenden Zuwiderhandlung war.

404 Was den Informationsaustausch angeht, besteht nach ständiger Rechtsprechung vorbehaltlich des den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern obliegenden Gegenbeweises die Vermutung, dass die an der Abstimmung beteiligten und weiterhin auf dem Markt tätigen Unternehmen die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen bei der Festlegung ihres Marktverhaltens berücksichtigen. Dies gilt umso mehr, wenn die Abstimmung während eines langen Zeitraums regelmäßig stattfindet, wie es hier der Fall war (vgl. Urteil HFB u. a./Kommission, oben in Randnr. 125 angeführt, Randnr. 216 und die dort angeführte Rechtsprechung).

405 Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist festzustellen, dass die Kommission die Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den betroffenen Markt mit Ausnahme der Stabilität der Marktanteile hinreichend nachgewiesen hat.

406 Zu prüfen ist folglich noch, ob der Umstand, dass die Kommission nicht alle behaupteten Wirkungen der Zuwiderhandlung nachgewiesen hat, eine Auswirkung auf die Einstufung des Verstoßes als schwer und damit auf die Höhe der Geldbuße hat.

407 Die Schwere der Zuwiderhandlungen ist anhand zahlreicher Gesichtspunkte zu ermitteln, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Sache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (Urteil des Gerichtshofs vom 17. Juli 1997, Ferriere Nord/Kommission, C-219/95 P, Slg. 1997, I-4411, Randnr. 33).

408 Das Gericht hat im Urteil vom 30. September 2003, Michelin/Kommission (T-203/01, Slg. 2003, II-4071, Randnrn. 258 und 259), ausgeführt, dass die Schwere der Zuwiderhandlung anhand der Art und des Zwecks der missbräuchlichen Verhaltensweisen festgestellt werden kann und dass nach ständiger Rechtsprechung Gesichtspunkte, die den Gegenstand eines Verhaltens betreffen, für die Festsetzung der Geldbuße größere Bedeutung haben können als Gesichtspunkte, die die Wirkungen des Verhaltens betreffen.

409 Der Gerichtshof hat diesen Ansatz bestätigt und festgestellt, dass die Auswirkung einer wettbewerbswidrigen Praxis bei der Beurteilung der angemessenen Höhe der Geldbuße kein ausschlaggebendes Kriterium ist. Gesichtspunkte, die die Intention eines Verhaltens betreffen, können größere Bedeutung haben als solche, die dessen Wirkungen betreffen, vor allem, wenn es sich dem Wesen nach um schwere Zuwiderhandlungen wie die Preisfestsetzung und die Marktaufteilung handelt (Urteil vom 2. Oktober 2003, Thyssen Stahl/Kommission, oben in Randnr. 258 angeführt, Randnr. 118).

410 Zudem sind horizontale Preisabsprachen stets als Zuwiderhandlungen angesehen worden, die zu den schwersten Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft gehören (Urteile des Gerichts Tate & Lyle u. a./Kommission, oben in Randnr. 179 angeführt, Randnr. 103, sowie vom 19. März 2003, CMA CGM u. a./Kommission, T-213/00, Slg. 2003, II-913, Randnr. 262).

411 Schließlich ist zu unterstreichen, dass die Kommission dem Kriterium der tatsächlichen Auswirkung der Zuwiderhandlung auf den Markt keine vorrangige Bedeutung bei der Festsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbuße beigemessen hat. Sie hat ihre Beurteilung nämlich auch auf andere Gesichtspunkte gestützt, und zwar die Feststellung, dass die Zuwiderhandlung ihrer Art nach als sehr schwer einzustufen sei (Randnrn. 528 bis 530 der angefochtenen Entscheidung) und dass der räumlich relevante Markt sowohl räumlich als auch wertmäßig ein wichtiger Teil des Gemeinschaftsmarkts sei, da er ungefähr 80 % des Gesamtwerts dieses Marktes ausmache (Randnrn. 539 bis 542 der angefochtenen Entscheidung).

412 Bezüglich des Umfangs des räumlich relevanten Marktes macht die Klägerin geltend, die Kommission habe nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass das Kartell auch den französischen und den Benelux-Markt betroffen habe. Hierzu genügt ein Hinweis darauf, dass sich das Treffen in London und der Informationsaustausch über die Verkaufsmengen auch auf diese Märkte bezogen.

413 Wenn die Kommission zu Recht zu dem Schluss gelangen kann, dass die einzelnen Ausprägungen Teil einer einheitlichen Zuwiderhandlung waren, weil sie sich in einen Gesamtplan einfügten, der auf eine Verfälschung des Wettbewerbs gerichtet war, bedeutet die Tatsache, dass sich Zahl und Intensität der kollusiven Verhaltensweisen je nach betroffenem Markt unterschieden, nicht, dass die Zuwiderhandlung diejenigen Märkte, auf denen die Verhaltensweisen weniger intensiv und zahlreich waren, nicht betraf. Es wäre nämlich gekünstelt, ein durch ein einziges Ziel gekennzeichnetes kontinuierliches Verhalten in mehrere selbständige Zuwiderhandlungen zu zerlegen, weil sich die kollusiven Verhaltensweisen je nach betroffenem Markt unterschieden. Diese Gesichtspunkte sind nur bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und gegebenenfalls bei der Bemessung der Geldbuße zu berücksichtigen (vgl. entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C-49/92 P, Slg. 1999, I-4125, Randnr. 90).

414 Nach alledem hat die Kommission die Zuwiderhandlung somit zu Recht als sehr schwer eingestuft.

415 Außerdem ist das Gericht im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung und angesichts der vorstehenden Erwägungen der Ansicht, dass die Tatsache, dass die Kommission die Auswirkungen der Zuwiderhandlung nur teilweise nachgewiesen hat, nicht geeignet ist, die von der Kommission vorgenommene Bemessung des anhand der Schwere festgesetzten Ausgangsbetrags der Geldbuße in Frage zu stellen.

Zur Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf die bisherige Praxis der Kommission

- Vorbringen der Parteien

416 Die Klägerin rügt die generelle Berechnungsmethode nach den Leitlinien als rechtlich unzulässig, da in diesen von einer Umsatzproportionalität der verhängten Sanktionen vollständig abgesehen werde. Die Sanktionshärte habe unterschiedliche Auswirkungen auf einzelne Betroffene, und insbesondere kleine und mittlere Unternehmen würden benachteiligt. Ganz grundsätzlich könne nur eine umsatzproportionale Sanktionsbemessung in Betracht kommen.

417 Der ihr gegenüber festgesetzte Bußgeldbetrag sei auf jeden Fall absolut unverhältnismäßig, sogar im Vergleich zu Fällen, die nach den neuen Grundsätzen entschieden worden seien.

418 Die Kommission sei in ihren bisherigen, auf der Basis der Leitlinien bzw. der Mitteilung über Zusammenarbeit getroffenen Bußgeldentscheidungen, die Zuwiderhandlungen vergleichbarer Art und Dauer betroffen hätten, stets von vergleichsweise geringeren Ausgangsbeträgen für die Schwere der Zuwiderhandlung ausgegangen. Der prozentuale Anteil dieser Beträge am Umsatz der betroffenen Unternehmen sei jeweils geringer gewesen als im Fall der Klägerin. Die Klägerin führt neun andere Wettbewerbssachen als Beispiele für diese Unverhältnismäßigkeit an.

419 Die Kommission vergleiche den festgesetzten Ausgangsbetrag nicht mit dem Umsatz des betroffenen Unternehmens, sondern nur mit der Gesamtgröße des betroffenen Marktes. Hierbei verkenne sie, dass die Adressaten von Entscheidungen, mit denen Bußgelder verhängt würden, einzelne Unternehmen und nicht eine Branche seien. Bußgelder seien individuelle Sanktionen und keine Kollektivstrafen für alle in einem Markt tätigen Unternehmen.

420 Die Kommission vertritt die Auffassung, dass zunächst die beiden Hauptmerkmale des relevanten Marktes, nämlich seine oligopolistische Struktur und sein Wert, zu berücksichtigen seien. Der Wert des Marktes für Gipsplatten habe im letzten vollen Jahr der Zuwiderhandlung 1,21 Mrd. Euro betragen, das 1,4-Fache des Marktes für durchschreibendes Papier; der Ausgangsbetrag des Bußgeldes für den bedeutendsten Kartellteilnehmer - 80 Mio. Euro für BPB - hingegen betrage nur das 1,12-Fache des im Rahmen des Kartells für durchschreibendes Papier festgesetzten Ausgangsbetrags. Der Wert des betroffenen Marktes sei auch dreimal größer als jener des Marktes für Graphitelektroden, der Ausgangsbetrag jedoch nur zweimal so hoch wie der im Fall Graphitelektroden festgesetzte Ausgangsbetrag. Die Kommission habe bei der Bußgeldbemessung auch berücksichtigt, dass das Gipsplattenkartell weniger strukturiert und vielleicht auch weniger erfolgreich gewesen sei als diese früheren Kartelle; andernfalls wäre das Bußgeld höher ausgefallen. Allerdings sei dieses Kartell trotz der lockereren Bindung gefährlicher gewesen als die vorerwähnten früheren Fälle, weil es einen engen oligopolistischen Markt betroffen und alle Wettbewerber des Marktes umfasst habe.

- Würdigung durch das Gericht

421 Soweit die Klägerin vorträgt, ihre Geldbuße sei gemessen an ihrem Umsatz unverhältnismäßig und überhöht, genügt es, daran zu erinnern, dass die Kommission, da sie nicht verpflichtet ist, die Geldbuße ausgehend von Beträgen zu berechnen, die auf dem Umsatz der betreffenden Unternehmen beruhen, auch nicht verpflichtet ist, im Fall der Festsetzung von Geldbußen gegen mehrere an der gleichen Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen dafür zu sorgen, dass in den von ihr errechneten Endbeträgen der Geldbußen der betreffenden Unternehmen alle Unterschiede in Bezug auf ihren Gesamtumsatz oder ihren Umsatz auf dem relevanten Produktmarkt zum Ausdruck kommen (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 175 angeführt, Randnrn. 255 und 312).

422 Zudem enthält das Gemeinschaftsrecht keinen allgemein anwendbaren Grundsatz, wonach die Sanktion in angemessenem Verhältnis zur Bedeutung des Unternehmens auf dem Markt der Erzeugnisse stehen muss, die Gegenstand der Zuwiderhandlung sind (Urteil des Gerichtshofs vom 18. Mai 2006, Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, C-397/03 P, Slg. 2006, I-4429, Randnr. 101).

423 Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 verlangt in Fällen, in denen Geldbußen gegen mehrere Unternehmen festgesetzt werden, die an derselben Zuwiderhandlung beteiligt sind, auch nicht, dass die gegen ein kleines oder mittleres Unternehmen festgesetzte Geldbuße, als Prozentsatz vom Umsatz ausgedrückt, nicht höher ist als die gegen die größeren Unternehmen festgesetzten Geldbußen. Aus dieser Bestimmung ergibt sich nämlich, dass sowohl bei den kleinen oder mittleren Unternehmen als auch bei den größeren Unternehmen für die Festsetzung der Höhe der Geldbuße die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung berücksichtigt werden müssen. Wenn die Kommission gegen die an der gleichen Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen Geldbußen verhängt, die angesichts der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung im Fall des jeweiligen Unternehmens gerechtfertigt sind, ist nicht zu beanstanden, dass bei einigen Unternehmen die Geldbuße im Verhältnis zum Umsatz höher ist als bei anderen Unternehmen (Urteil des Gerichts vom 20. März 2002, Dansk Rørindustri/Kommission, T-21/99, Slg. 2002, II-1681, Randnr. 203).

424 Das Vorbringen der Klägerin, die Unverhältnismäßigkeit der festgesetzten Geldbuße werde deutlich, wenn man die Geldbuße mit den gegen andere Unternehmen in ähnlichen Fällen verhängten Geldbußen vergleiche, ist ebenfalls zurückzuweisen. Die Kommission ist nämlich nicht verpflichtet, Geldbußen proportional zum Umsatz und in völliger Übereinstimmung mit Geldbußen festzusetzen, die in anderen, früheren Fällen verhängt worden sind.

425 Eine frühere Entscheidungspraxis der Kommission kann nicht den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen bilden, und Entscheidungen in anderen Fällen haben nur Hinweischarakter in Bezug auf das eventuelle Vorliegen eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da es wenig wahrscheinlich ist, dass die für sie kennzeichnenden Umstände wie die Märkte, die Erzeugnisse, die Unternehmen und die betroffenen Zeiträume die gleichen sind (Urteil des Gerichtshofs vom 21. September 2006, JCB Service/Kommission, C-167/04 P, Slg. 2006, I-8935, Randnrn. 201 und 205).

426 Die Kommission wird dadurch, dass sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in einer bestimmten Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert, dieses Niveau innerhalb der durch die Verordnung Nr. 17 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen (Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 353 angeführt, Randnr. 109).

427 Zudem ergibt sich im Rahmen der Berechnung der nach Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 verhängten Geldbußen eine differenzierte Behandlung der betroffenen Unternehmen unmittelbar aus der Ausübung der der Kommission nach dieser Vorschrift zustehenden Befugnisse. Im Rahmen ihres Ermessens hat die Kommission nämlich die Sanktion entsprechend den für die betroffenen Unternehmen kennzeichnenden Verhaltensweisen und Eigenschaften individuell festzulegen, um in jedem Einzelfall die volle Wirksamkeit der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft sicherzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 29. Juni 2006, SGL Carbon/Kommission, C-308/04 P, Slg. 2006, I-5977, Randnr. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

428 In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass das Gericht dafür zuständig ist, im Rahmen der ihm nach Art. 229 EG und Art. 17 der Verordnung Nr. 17 zuerkannten Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung zu beurteilen, ob die Höhe der Geldbußen angemessen ist.

429 Im vorliegenden Fall ist die Zuwiderhandlung entsprechend den Ausführungen der Kommission in den Randnrn. 534, 535 und 539 bis 542 der angefochtenen Entscheidung aufgrund bestimmter Umstände besonders schwer. Dabei handelt es sich insbesondere um den oligopolistischen Charakter des Marktes und die Tatsache, dass die fragliche Zuwiderhandlung das gesamte oder nahezu das gesamte Gipsplattenangebot auf den vier vom Kartell erfassten nationalen Märkten betraf. Außerdem ging es sowohl räumlich als auch wertmäßig um einen großen Markt. Die vier betroffenen Märkte waren nämlich die größten Gipsplattenmärkte in der Gemeinschaft und machten ungefähr 80 % des Gesamtwerts des Gemeinschaftsmarkts aus, der sich auf 1,21 Mrd. Euro im letzten vollständigen Jahr der Zuwiderhandlung belief. Schließlich hatte das Kartell aufgrund der Art des relevanten Produkts zwangsläufig Auswirkungen auf einen wesentlichen Teil des Baumarkts und traf somit einen für die Gesamtwirtschaft sehr wichtigen Sektor.

430 Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass der im vorliegenden Fall anhand der Schwere der Zuwiderhandlung festgesetzte Ausgangsbetrag im Verhältnis zur Größe des betreffenden Marktes strenger bemessen wäre als der in anderen Sachen festgesetzte Ausgangsbetrag. Dieser Vergleich bedeutet jedoch nicht, dass die Größe des relevanten Marktes das beste oder das einzige Kriterium für einen Vergleich der in verschiedenen Kartellfällen verhängten Geldbußen wäre. Ein Vergleich zwischen verschiedenen Kartellen ist nämlich schwierig, da die Kommission im Rahmen der Bewertung der Schwere der Zuwiderhandlung zahlreiche Gesichtspunkte berücksichtigen kann. Wie oben in den Randnrn. 425 und 426 dargelegt, kann überdies ein solcher Vergleich jedenfalls nur Hinweischarakter haben, da die Entscheidungspraxis der Kommission nicht den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen bilden kann.

431 Angesichts der zahlreichen Gründe, aus denen die Zuwiderhandlung im vorliegenden Fall besonders schwer ist (siehe oben, Randnr. 429), hält das Gericht den anhand der Schwere der Zuwiderhandlung festgesetzten Ausgangsbetrag der Geldbuße der Klägerin für angemessen.

432 Schließlich ist daran zu erinnern, dass sich die in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 genannte Obergrenze von 10 % auf den Gesamtumsatz des betroffenen Unternehmens bezieht und dass nur der Endbetrag innerhalb dieser Grenze bleiben muss. Da der Endbetrag der gegen die Klägerin in der angefochtenen Entscheidung verhängten Geldbuße - 85,8 Mio. Euro - nur ungefähr 3,2 % ihres weltweiten Umsatzes ausmacht, der sich im Jahr 2001 auf 2,7 Mrd. Euro belief, kann die Klägerin kein offensichtliches Missverhältnis zwischen der Geldbuße und der Größe ihres Unternehmens geltend machen.

433 Nach alledem ist das Vorbringen der Klägerin, mit dem dargetan werden soll, dass der anhand der Schwere der Zuwiderhandlung festgesetzte Ausgangsbetrag der Geldbuße unverhältnismäßig sei, zurückzuweisen.

Zum zweiten Teil: Anhand der Dauer der Zuwiderhandlung ermittelter Betrag der Geldbuße

Zur Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf die bisherige Praxis

- Vorbringen der Parteien

434 Die Klägerin ist der Ansicht, dass eine zehnprozentige Erhöhung für jedes Jahr eines Verstoßes nur dann angemessen sei, wenn die Schwere des Verstoßes über den fraglichen Zeitraum gleich bleibe. Dies sei konsequent, da sich die Erhöhung prozentual nach dem Ausgangsbetrag richte, der aufgrund der Schwere des gesamten Verstoßes bestimmt werde. Im vorliegenden Fall jedoch werfe die Kommission den betreffenden Unternehmen für den Zeitraum zwischen dem Londoner Treffen zu Beginn des Jahres 1992 und dem Treffen von Versailles im Jahr 1996 den Austausch von Absatzzahlen und die gegenseitige Unterrichtung über bereits beschlossene Preiserhöhungen auf dem Markt des Vereinigten Königreichs vor. Für den späteren Zeitraum zwischen dem Treffen von Versailles und der Nachprüfung bei den Unternehmen werfe die Kommission diesen zusätzlich die Absprache von Preiserhöhungen und die Aufteilung des deutschen Marktes vor. Daher sei es unangemessen, für den Zeitraum von 1992 bis 1996 den Ausgangsbetrag jeweils um den Maximalsatz der Leitlinien von 10 % pro Jahr zu erhöhen.

435 Die Kommission macht geltend, dass die Klägerin die Häufigkeit der wettbewerbswidrigen Handlungen mit der Intensität des einheitlichen Verstoßes verwechsle, in den sich diese einreihten. Auf Märkten wie dem hier relevanten lasse sich der Wettbewerb mit relativ geringen Mitteln beschränken, so dass größere zeitliche Abstände zwischen einzelnen Handlungen keine Aussagekraft besäßen.

- Würdigung durch das Gericht

436 Soweit die Klägerin beanstandet, dass die Kommission automatisch den Höchstsatz von 10 % pro Jahr angewandt habe, ist daran zu erinnern, dass Abschnitt 1 B Abs. 1 dritter Gedankenstrich der Leitlinien zwar für Verstöße von langer Dauer keine automatische Erhöhung von 10 % pro Jahr vorsieht, dass er aber der Kommission insoweit einen Ermessensspielraum lässt (Urteil Cheil Jedang/Kommission, oben in Randnr. 369 angeführt, Randnr. 134).

437 Im vorliegenden Fall hat die Kommission in Randnr. 554 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass Knauf eine Zuwiderhandlung mit einer Dauer von sechs Jahren und sieben Monaten, also einer langen Dauer im Sinne der Leitlinien, begangen habe, und den wegen der Schwere der Zuwiderhandlung festgesetzten Betrag der Geldbuße daher um 65 % erhöht. Die Kommission hat demnach die Regeln eingehalten, die sie sich selbst in den Leitlinien gesetzt hatte. Diese Erhöhung um 65 % erscheint dem Gericht angesichts der Dauer der Zuwiderhandlung im vorliegenden Fall auch nicht als offensichtlich unverhältnismäßig.

438 Was das Vorbringen der Klägerin angeht, die Kommission habe die schwankende Intensität der Zuwiderhandlung im betreffenden Zeitraum nicht berücksichtigt, ist daran zu erinnern, dass sich die Erhöhung prozentual nach dem Ausgangsbetrag richtet, der anhand der Schwere des gesamten Verstoßes ermittelt wird und damit bereits die unterschiedlichen Intensitäten der Zuwiderhandlung widerspiegelt. Es wäre deshalb nicht logisch, wenn im Rahmen der Erhöhung dieses Betrags wegen der Dauer der Zuwiderhandlung ein Schwanken der Intensität der Zuwiderhandlung im betreffenden Zeitraum berücksichtigt würde.

439 Der Vorwurf, die Erhöhung der Geldbuße wegen der Dauer der Zuwiderhandlung sei fehlerhaft, ist folglich zurückzuweisen.

Zur doppelten Berücksichtigung der Dauer der Zuwiderhandlung

- Vorbringen der Parteien

440 Die Klägerin macht geltend, dass sich die in den Leitlinien als "besonders schwer" eingestuften Zuwiderhandlungen regelmäßig über einen Zeitraum von mehreren Jahren erstreckten. Daher dürfe die Kommission diese Schwere der Tat, die sie bereits berücksichtigt habe, indem sie die Zuwiderhandlung als besonders schwer eingestuft habe, nicht noch einmal in erheblichem Umfang bei der Bewertung der Dauer der Zuwiderhandlung heranziehen.

441 Die Klägerin bestreitet aus demselben Grund die Rechtmäßigkeit der Leitlinien. Es sei nicht möglich, die Dauer einer Zuwiderhandlung für ganz unterschiedliche Arten von Zuwiderhandlungen differenzierungslos zu bewerten, ohne dabei gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot zu verstoßen. Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 verlange keine getrennte Berücksichtigung der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung.

442 Die Kommission macht geltend, dass Art. 15 der Verordnung Nr. 17 Schwere und Dauer einer Zuwiderhandlung als Faktoren für die Bemessung der Geldbuße nenne. Damit trage er dem Umstand Rechnung, dass der Schaden für die Verbraucher und der zu erwartende Gewinn für die beteiligten Unternehmen in erheblichem Umfang von der Dauer der Zuwiderhandlung abhingen.

- Würdigung durch das Gericht

443 Die Klägerin macht geltend, dass Preis- und Mengenkartelle naturgemäß Zuwiderhandlungen von langer Dauer seien und dass deshalb mit einer Erhöhung wegen der Dauer der betreffenden Zuwiderhandlung deren Dauer ein zweites Mal berücksichtigt würde. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass, selbst wenn bestimmte Arten von Kartellen ihrem Wesen nach auf Dauer angelegt sein sollten, nach Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 stets zwischen ihrer tatsächlichen Wirkungsdauer und ihrer Schwere zu unterscheiden ist, wie sie sich aus ihrem Wesen ergibt (Urteil vom 15. Juni 2005, Tokai Carbon u. a./Kommission, oben in Randnr. 71 angeführt, Randnr. 275).

444 Im vorliegenden Fall wird daher mit der Erhöhung der Geldbuße wegen der Dauer der Zuwiderhandlung deren Dauer nicht ein zweites Mal berücksichtigt, so dass dieser Vorwurf zurückzuweisen ist.

Zur Einheitlichkeit und zum Fortsetzungszusammenhang der Zuwiderhandlung

- Vorbringen der Parteien

445 Die Klägerin trägt vor, dass eine einheitliche Zuwiderhandlung weder vorgelegen habe noch bewiesen worden sei. Es handele sich um isolierte Handlungen, die sich auf das Jahr 1992 bezögen, gefolgt von einer mehr als vierjährigen Phase, auf die sich keine Vorwürfe der Kommission bezögen, sowie schließlich von Handlungen im Zeitraum von 1996 bis 1998. Eine nur zweijährige Dauer der Zuwiderhandlung hätte infolgedessen allenfalls zu einer Erhöhung des Ausgangsbetrags um höchstens 20 % führen dürfen.

446 Die Kommission hält es nicht für erforderlich, auf dieses Vorbringen erneut einzugehen, da die angefochtene Entscheidung einen fortgesetzten Verstoß betreffe.

- Würdigung durch das Gericht

447 Knauf formuliert mit ihrer Argumentation im Wesentlichen eine Reihe von Argumenten um, die sie bereits zur Stützung ihres dritten Klagegrundes dargelegt hat, mit dem eine Verkennung des Begriffs der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gerügt wird. Da aus den Randnrn. 306 bis 321 des vorliegenden Urteils hervorgeht, dass dieser dritte Klagegrund unbegründet ist, ist auch das Vorbringen von Knauf zur Stützung dieses Vorwurfs unbegründet.

448 Dieser Vorwurf ist deshalb zurückzuweisen.

Zur Nichtberücksichtigung der Sanktionshöchstgrenze des Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17

- Vorbringen der Parteien

449 Die Klägerin macht geltend, eine volle Ausschöpfung des gesetzlichen Höchstrahmens von 10 % für Sanktionen könne nur in den schwersten Fällen in Betracht kommen. Ein solcher liege hier jedoch nicht vor. Nur durch die Berücksichtigung aller erschwerenden Umstände könne erreicht werden, dass das Bußgeld in einem angemessenen Verhältnis zu Sanktionen stehe, die in vergleichbaren Verfahren bereits früher verhängt worden seien oder zukünftig verhängt werden würden. Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17, der eine Norm des Sekundärrechts sei, müsse unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgebots, das ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts sei, ausgelegt und angewandt werden.

450 Darüber hinaus müsse die Obergrenze nicht nur für den Endbetrag der Geldbuße gelten, sondern auch für jeden Zwischenbetrag. Im vorliegenden Fall habe der im Rahmen der Bemessung ihrer Geldbuße festgesetzte Grundbetrag diese Grenze aber überschritten.

451 Die Kommission vertritt die Auffassung, dass der Endbetrag der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße unter dem zulässigen Höchstbetrag liege.

- Würdigung durch das Gericht

452 Die Auffassung der Klägerin, die Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes, die eine Geldbuße nicht überschreiten dürfe, habe die Bedeutung einer maximalen Sanktion, ist unzutreffend. Nach der Rechtsprechung dient diese Grenze einem gegenüber dem Zweck der Kriterien der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung gesonderten und eigenständigen Zweck, und zwar soll sie die Verhängung von Geldbußen verhindern, die die Unternehmen aufgrund ihrer Größe, wie sie, wenn auch nur annähernd und unvollständig, anhand ihres Gesamtumsatzes ermittelt wird, voraussichtlich nicht werden zahlen können (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 175 angeführt, Randnrn. 280 und 282).

453 Es handelt sich somit um eine Grenze, die einheitlich für alle Unternehmen gilt, von deren jeweiliger Größe abhängt und überhöhte und unverhältnismäßige Geldbußen verhindern soll (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 175 angeführt, Randnr. 281).

454 Ihre einzig mögliche Folge ist, dass die anhand der Kriterien der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung berechnete Geldbuße auf den zulässigen Höchstbetrag gesenkt wird, wenn sie diesen überschreitet. Ihre Anwendung führt dazu, dass das betreffende Unternehmen nicht die gesamte Geldbuße zahlt, die an sich bei einer auf diese Kriterien gestützten Beurteilung verhängt werden müsste (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 175 angeführt, Randnr. 283).

455 Zum Vorbringen der Klägerin, dass die Obergrenze für jeden Zwischenbetrag gelte, ist darauf hinzuweisen, dass Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 der Kommission nicht verbietet, bei ihrer Berechnung einen Zwischenbetrag heranzuziehen, der 10 % des Umsatzes des betroffenen Unternehmens übersteigt, sofern die gegen dieses Unternehmen letztlich festgesetzte Geldbuße nicht über dieser Obergrenze liegt (Urteil des Gerichts vom 20. März 2002, LR AF 1998/Kommission, T-23/99, Slg. 2002, II-1705, Randnr. 288).

456 Wie oben in Randnr. 432 festgestellt, überschreitet der Endbetrag der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße nicht die Obergrenze nach Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17.

457 Der vorliegende Vorwurf ist somit zurückzuweisen. Nach alledem ist der fünfte Klagegrund zurückzuweisen.

6. Zum sechsten Klagegrund: Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz

Vorbringen der Parteien

458 Die Klägerin meint, es stelle einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot dar, dass die Kommission ihre Geldbuße nicht reduziert habe, obwohl sie in gleichem Umfang wie BPB kooperiert habe, deren Geldbuße um 30 % reduziert worden sei. BPB habe wie die Klägerin die Vorwürfe rechtlich bestritten, tatsächliche Abläufe aber eingeräumt, und zwar, dass die Treffen von London, Versailles, Brüssel und Den Haag stattgefunden hätten, Gespräche über die allgemeine Marktsituation geführt und Marktstatistiken sowie Informationen über bereits beschlossene Preiserhöhungen ausgetauscht worden seien.

459 Da diese Kooperation bei BPB zu einem Nachlass von 30 % auf den rechnerischen Bußgeldbetrag geführt habe, hätte sie auch bei der Klägerin entsprechend berücksichtigt werden müssen.

460 Die Kommission trägt unter Hinweis auf die Randnrn. 593 und 596 ff. der angefochtenen Entscheidung vor, dass BPB über die Auskunftsersuchen nach Art. 11 der Verordnung Nr. 17 hinaus Auskünfte erteilt und den Sachverhalt teilweise eingestanden habe. Die Klägerin hingegen habe nicht nur Ähnliches unterlassen, sondern bereits anlässlich der Nachprüfungen Schwierigkeiten bereitet, Fragen der Kommission gerade eben beantwortet und die Akteneinsicht zu möglichst langen Verzögerungen des Verwaltungsverfahrens missbraucht.

Würdigung durch das Gericht

461 Aus der Klageschrift geht hervor, dass Knauf geltend macht, die Kommission habe es unter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz abgelehnt, ihr eine Ermäßigung wegen Zusammenarbeit zu gewähren, obwohl sie dieselben Tatsachen eingeräumt habe wie BPB.

462 Nach Auffassung des Gerichts kann die Argumentation der Klägerin, die sich auf einen Vergleich mit der Zusammenarbeit von BPB stützt, keinen Erfolg haben.

463 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Randnrn. 592 bis 597 der angefochtenen Entscheidung, dass die Kommission die gegen BPB verhängte Geldbuße aufgrund von drei kumulativen Umständen um 30 % ermäßigt hat, und zwar erstens, weil sie beim Nachweis der Tatsachen über ihre Verpflichtungen aus Art. 11 der Verordnung Nr. 17 hinaus kooperiert habe, zweitens, weil sie einen Teil der den Tatbestand der Zuwiderhandlung erfüllenden Tatsachen eingeräumt habe, und drittens, weil sie die erste Kartellteilnehmerin gewesen sei, die zusätzliche Angaben zu den bei den Nachprüfungen vorgefundenen Unterlagen gemacht habe, die das Bestehen des Kartells bestätigt hätten.

464 Hierzu ist erstens festzustellen, dass die Klägerin noch nicht einmal behauptet, sie habe der Kommission Informationen geliefert, die über diejenigen hinausgingen, die sie nach Art. 11 der Verordnung Nr. 17 vorzulegen hatte. Vielmehr geht aus ihrer Antwort vom 14. September 1999 auf das Auskunftsersuchen der Kommission vom 8. Juli 1999 hervor, dass sie lediglich die Fragen der Kommission beantwortet hat. Zudem hat sie sich sogar geweigert, auf eine Frage der Kommission zum Treffen in Versailles zu antworten, was sie mit ihrem Recht begründet hat, Fragen nicht zu beantworten, wenn sie sich dadurch selbst belasten könnte. Nach der Rechtsprechung rechtfertigt aber eine Mitwirkung an der Untersuchung, die nicht über das hinausgeht, wozu die Unternehmen nach Art. 11 Abs. 4 und 5 der Verordnung Nr. 17 verpflichtet sind, keine Herabsetzung der Geldbuße (Urteil des Gerichts vom 18. Juli 2005, Scandinavian Airlines System/Kommission, T-241/01, Slg. 2005, II-2917, Randnr. 218).

465 Zweitens hat BPB die Einstufung eines Teils der Tatsachen als Zuwiderhandlung anerkannt. Wie sich bereits aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt, hat diese hingegen lediglich eingeräumt, dass die Treffen von London, Versailles und Den Haag stattgefunden hatten, Gespräche über die allgemeine Marktsituation geführt und Marktstatistiken sowie Informationen über bereits beschlossene Preiserhöhungen ausgetauscht worden waren.

466 In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass die Kommission für die Bemessung der Geldbuße den Beitrag, den das betreffende Unternehmen geleistet hat, um den Nachweis der Zuwiderhandlung zu erleichtern, und insbesondere dessen Eingeständnis einer Beteiligung an der Zuwiderhandlung berücksichtigen kann. Sie kann dem Unternehmen, das sie auf diese Weise unterstützt hat, eine erhebliche Ermäßigung der Geldbuße gewähren und einem anderen Unternehmen, das sich damit begnügt hat, die wesentlichen Sachverhaltsfeststellungen, auf die die Kommission ihre Vorwürfe gestützt hat, nicht zu bestreiten, einen deutlich geringeren Nachlass einräumen (Urteil des Gerichtshofs vom 14. Juli 2005, Acerinox/Kommission, C-57/02 P, Slg. 2005, I-6689, Randnr. 88).

467 Zudem ist zwischen dem ausdrücklichen Eingeständnis einer Zuwiderhandlung und dem bloßen Nichtbestreiten zu differenzieren, das zur Erleichterung der Aufgabe der Kommission, Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsvorschriften der Gemeinschaft festzustellen und zu verfolgen, nichts beiträgt (Urteil des Gerichtshofs vom 14. Juli 2005, ThyssenKrupp/Kommission, C-65/02 P und C-73/02 P, Slg. 2005, I-6773, Randnr. 58).

468 Wie sich aus der Prüfung des zweiten Klagegrundes ergibt, bestreitet die Klägerin nach wie vor entschieden, dass es kollusive Verhaltensweisen gegeben habe. Angesichts eines solchen Leugnens kann nicht angenommen werden, dass die Tatsache, dass gewisse Abschnitte der Erwiderung der Klägerin auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte einen Informationsaustausch und eine Absicht der Teilnehmer der Treffen nahelegen, eine entschiedenere Haltung in Bezug auf die Preise einzunehmen, der Kommission die Feststellung der Zuwiderhandlung erleichtert hat.

469 Drittens war Knauf nicht die erste Kartellteilnehmerin, die zusätzliche Angaben zu den bei den Nachprüfungen vorgefundenen Unterlagen gemacht hatte, die das Bestehen des Kartells bestätigten. Hierzu geht aus der angefochtenen Entscheidung (Randnr. 65) hervor, dass die Kommission festgestellt hat, dass Knauf die Beschreibung der Zusammenkunft von London durch BPB in der Sache nicht bestritt. Ferner ergibt sich aus den Randnrn. 64, 96, 190, 202 und 208 der angefochtenen Entscheidung, dass Knauf die Darstellung des Informationsaustauschs zwischen den Wettbewerbern durch die Kommission nicht anerkannte, auch wenn sie sie in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte in der Sache nicht grundsätzlich bestritt.

470 Zum Treffen in Versailles geht aus Randnr. 240 der angefochtenen Entscheidung hervor, dass Knauf in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte erklärt hat, dass ein "unerwartetes" Gespräch zwischen den Vorständen der vier Unternehmen stattgefunden habe, dessen anfänglicher Gegenstand Rohstofffragen und die Schwierigkeiten eines Handelsunternehmens gewesen seien. Knauf hat außerdem eingeräumt, dass die Lage auf dem deutschen Markt angesprochen worden sei.

471 Zum Treffen in Brüssel geht aus Randnr. 252 der angefochtenen Entscheidung hervor, dass Knauf dieses Treffen nicht bestritt. Was das Treffen in Den Haag angeht, enthält die angefochtene Entscheidung keinen direkten Hinweis auf den Standpunkt, den Knauf in dieser Frage eingenommen hat. Auch zum Austausch von Angaben über die auf dem deutschen Markt erfolgten Preiserhöhungen geht aus Randnr. 308 der angefochtenen Entscheidung hervor, dass Knauf lediglich eingeräumt hat, dass Wettbewerber gelegentlich von geplanten Preiserhöhungen unterrichtet wurden.

472 Bei der Beurteilung der Kooperation der Unternehmen darf die Kommission nicht den Gleichbehandlungsgrundsatz außer Acht lassen, der ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts ist und der nur verletzt ist, wenn vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte gleich behandelt werden, sofern eine Differenzierung nicht objektiv gerechtfertigt ist (vgl. Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 2001, Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, T-45/98 und T-47/98, Slg. 2001, II-3757, Randnr. 237 und die dort angeführte Rechtsprechung).

473 In diesem Zusammenhang steht fest, dass eine unterschiedliche Behandlung der betreffenden Unternehmen auf einem unterschiedlichen Grad der Zusammenarbeit beruhen muss, insbesondere weil unterschiedliche Informationen oder Informationen in unterschiedlichen Abschnitten des Verwaltungsverfahrens oder unter nicht gleichartigen Umständen geliefert wurden (vgl. in diesem Sinne Urteil Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, oben in Randnr. 472 angeführt, Randnrn. 245 und 246).

474 Die Prüfung des Verhaltens von BPB und Knauf im Verwaltungsverfahren hat eindeutig ergeben, dass Unterschiede im Grad der Zusammenarbeit bestehen und dass somit keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in Bezug auf BPB und Knauf vorliegt. Der Klagegrund einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

7. Zum siebten Klagegrund: Überlange Dauer des Verwaltungsverfahrens

Vorbringen der Parteien

475 Die Klägerin rügt die ihrer Ansicht nach überlange Dauer des Verwaltungsverfahrens. Diese verstoße gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK und den Rechtsgrundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung. Durch das Verwaltungsverfahren würden Arbeitsabläufe innerhalb des Unternehmens gestört; die Gerüchte schädigten schon als solche erheblich den Ruf des Unternehmens und beeinträchtigten dessen Fähigkeit, Kredite in Anspruch zu nehmen.

476 Die Kommission habe ihre Ermittlungen 1998 begonnen, aber erst Ende 2002, also nach über vierjähriger Verfahrensdauer, die angefochtene Entscheidung erlassen, obwohl ihr bereits 1999 oder spätestens mit Beendigung der Anhörung sämtliche relevanten Tatsachen vorgelegen hätten. Infolgedessen sei die Sanktion gegen die Klägerin deutlich höher ausgefallen, da die Kommission erst vor kurzer Zeit das Sanktionsniveau generell angehoben habe. Dies führe zur Rechtswidrigkeit der Festsetzung des Bußgeldbetrags, da er denjenigen übersteige, der im Jahr 2000 oder 2001 zugrunde gelegt worden wäre.

477 Die Kommission bestreitet, dass das Verwaltungsverfahren übermäßig lange gedauert habe.

Würdigung durch das Gericht

478 Die Einhaltung einer angemessenen Frist bei der Abwicklung der Verwaltungsverfahren auf dem Gebiet der Wettbewerbspolitik stellt einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts dar, dessen Wahrung der Gemeinschaftsrichter zu sichern hat (Urteil Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission, oben in Randnr. 265 angeführt, Randnr. 35).

479 Die Feststellung, dass das Verwaltungsverfahren übermäßig lange gedauert hat, genügt jedoch als solche nicht, um einen Verstoß gegen den Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer zu bejahen, ohne dass die Auswirkungen einer solchen Dauer auf die Verteidigungsrechte des Klägers geprüft würden.

480 Was die Anwendung der Wettbewerbsregeln angeht, kann eine Entscheidung, mit der Zuwiderhandlungen festgestellt werden, nur dann wegen Überschreitung der angemessenen Frist für nichtig erklärt werden, wenn erwiesen ist, dass der Verstoß gegen diesen Grundsatz die Verteidigungsrechte der betroffenen Unternehmen beeinträchtigt hat. Außerhalb dieser besonderen Fallgestaltung wirkt sich die Nichtbeachtung der Verpflichtung zur Entscheidung innerhalb einer angemessenen Frist nicht auf die Rechtsgültigkeit des Verwaltungsverfahrens im Rahmen der Verordnung Nr. 17 aus (Urteil des Gerichts vom 16. Dezember 2003, Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission, T-5/00 und T-6/00, Slg. 2003, II-5761, Randnr. 74).

481 Im vorliegenden Fall hat Knauf in ihren Schriftsätzen nirgends erläutert, inwiefern eine behauptete Überschreitung der angemessenen Verfahrensdauer ihre Verteidigungsrechte beeinträchtigt haben soll. Sie hat lediglich geltend gemacht, dass Arbeitsabläufe innerhalb des Unternehmens gestört würden und dass dessen Ruf geschädigt und seine Fähigkeit beeinträchtigt werde, Kredite in Anspruch zu nehmen.

482 Knauf hat somit nichts Substantiiertes vorgetragen, was die Annahme zulassen würde, dass die Verteidigungsrechte - auch in der Ermittlungsphase vor Unterrichtung über die Beschwerdepunkte -beeinträchtigt worden sein könnten. Eine allgemeine Argumentation ist jedoch nicht geeignet, das Vorliegen einer Verletzung der Verteidigungsrechte zu belegen, das anhand der konkreten Umstände jedes Einzelfalls zu prüfen ist (Urteil vom 21. September 2006, Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission, oben in Randnr. 265 angeführt, Randnr. 59).

483 Auf jeden Fall aber hat nach Ansicht des Gerichts das von der Kommission betriebene Verwaltungsverfahren im vorliegenden Fall eine angemessene Dauer nicht überschritten.

484 Der erste Abschnitt des Verwaltungsverfahrens dauerte nicht übermäßig lange. Nach den ersten Nachprüfungen gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 am 25. November 1998 sandte die Kommission BPB am 27. Januar 1999 das erste Auskunftsersuchen gemäß Art. 11 der Verordnung Nr. 17. Am 1. Juli 1999 nahm die Kommission weitere Nachprüfungen gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 vor. Am 21. September 1999 richtete sie ein zweites Auskunftsersuchen an BPB, die am 28. Oktober 1999 antwortete. Am 30. März 2000 richtete die Kommission ein drittes Auskunftsersuchen an BPB, die am 18. Mai 2000 antwortete. Mit Auskunftsersuchen gemäß Art. 11 der Verordnung Nr. 17 vom 8. Juli 1999 an Knauf sowie vom 21. September 1999 an Lafarge und Etex bat die Kommission um Informationen über die Dokumente, die sie bei den Nachprüfungen im November 1998 und Juli 1999 in den Geschäftsräumen dieser Unternehmen gefunden hatte. Knauf antwortete am 14. September 1999, Lafarge am 29. Oktober 1999 und Gyproc am 2. November 1999.

485 Der Abschnitt des Verwaltungsverfahrens, der mit der Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 18. April 2001 begann und mit dem Erlass der angefochtenen Entscheidung am 27. November 2002 endete, dauerte unter Einbeziehung der Anhörung der betroffenen Unternehmen 19 Monate. Angesichts des Sachverhalts der vorliegenden Rechtssache und der Zahl der betroffenen Unternehmen war die Dauer dieses Abschnitts des Verwaltungsverfahrens angemessen.

486 Schließlich ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, dass die Sanktion weniger hoch ausgefallen wäre, wenn die Kommission das Verwaltungsverfahren früher beendet hätte, da diese erst vor kurzer Zeit das Sanktionsniveau generell angehoben habe. Selbst wenn man nämlich davon ausgeht, dass sich das Niveau der Geldbußen während des Verwaltungsverfahrens allgemein erhöht hat, genügt es, daran zu erinnern, dass die Kommission dadurch, dass sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in bestimmter Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert ist, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 17 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen; vielmehr verlangt die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft, dass die Kommission das Niveau der Geldbußen jederzeit den Erfordernissen dieser Politik anpassen kann (Urteile Musique diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 353 angeführt, Randnr. 109, sowie Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 175 angeführt, Randnr. 169).

487 Demnach ist der siebte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

8. Zum achten Klagegrund: Festsetzung zu hoher Zinssätze

Vorbringen der Parteien

488 Die Klägerin trägt vor, dass der Verzugszinssatz für die Zeit nach Ablauf der Zahlungsfrist mit 6,79 % festgesetzt worden sei. Für den Fall der Stellung einer Bankbürgschaft betrage der Zinssatz 4,79 %. Sie bestreitet die Rechtmäßigkeit dieser Zinssätze, die zu hoch und ohne Nennung einer Rechtsgrundlage sowie unter Verstoß gegen Art. 253 EG festgelegt worden seien.

489 Derart hohe Zinsen erschwerten die Inanspruchnahme berechtigter Rechtsschutzmöglichkeiten, da sie eine Zusatzstrafe für die Inanspruchnahme von Rechtsschutz seien.

490 In jedem Fall müsste die Kommission nach dem Günstigkeitsprinzip zugunsten der mit entsprechenden Zinssätzen konfrontierten Unternehmen nachträgliche Verringerungen der Refinanzierungszinssätze der Europäischen Zentralbank (EZB) berücksichtigen.

491 Die Kommission macht geltend, wenn das Gemeinschaftsrecht Maßnahmen zum Ausgleich des Vorteils, den ein Unternehmen aus der verspäteten Zahlung einer Geldbuße ziehen könne, nicht zuließe, schüfe dies einen Anreiz zur Erhebung offensichtlich unbegründeter Klagen, deren ausschließliches Ziel darin bestünde, die Zahlung der Geldbuße zu verzögern.

492 Zur Höhe des Verzugszinssatzes habe das Gericht festgestellt, dass die Kommission das ihr zustehende Ermessen nicht überschreite, wenn sie einen Verzugszinssatz festsetze, der dem um 3,5 Prozentpunkte erhöhten Zinssatz entspreche, den die EZB am ersten Arbeitstag des Monats anwende, in dem die angefochtene Entscheidung erlassen worden sei.

Würdigung durch das Gericht

493 Nach Art. 3 der angefochtenen Entscheidung sind die Geldbußen binnen drei Monaten ab dem Datum der Zustellung der Entscheidung zu zahlen. Weiter heißt es dort: "Nach Ablauf dieser Frist werden automatisch Zinsen zu dem Satz fällig, der von der Europäischen Zentralbank bei ihren Hauptrefinanzierungsgeschäften am ersten Tag des Monats berechnet wird, in dem diese Entscheidung erlassen wird, zuzüglich 3,5 Prozentpunkten entsprechend 6,79 %."

494 Außerdem ergibt sich aus dem Schreiben vom 3. Dezember 2002, mit dem die Kommission der Klägerin die angefochtene Entscheidung bekannt gegeben hat, dass die Kommission für die Dauer des Verfahrens auf eine Beitreibung der Forderung verzichtet, sofern die Klägerin sich mit der Anwendung eines Zinssatzes von 4,79 % einverstanden erklärt und eine Bankbürgschaft stellt.

495 Nach gefestigter Rechtsprechung (Urteil des Gerichtshofs vom 25. Oktober 1983, AEG-Telefunken/Kommission, 107/82, Slg. 1983, 3151, Randnrn. 141 bis 143; Urteile des Gerichts vom 14. Juli 1995, CB/Kommission, T-275/94, Slg. 1995, II-2169, Randnrn. 46 bis 49, und LR AF 1998/Kommission, oben in Randnr. 455 angeführt, Randnrn. 395 und 396) umfasst die der Kommission gemäß Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 eingeräumte Befugnis das Recht, den Fälligkeitstermin für Geldbußen und den Beginn der Laufzeit der Verzugszinsen zu bestimmen sowie den Zinssatz für diese Zinsen und die Einzelheiten der Durchführung ihrer Entscheidung festzulegen, wobei sie gegebenenfalls die Stellung einer Bankbürgschaft verlangen kann, die die Hauptforderung und die Zinsen für die festgesetzten Geldbußen abdeckt. Hätte sie diese Befugnis nämlich nicht, könnten die Unternehmen aus der verspäteten Zahlung der Geldbußen einen Vorteil ziehen, wodurch die Sanktionen abgeschwächt würden, die die Kommission im Rahmen ihrer Aufgabe, über die Anwendung der Wettbewerbsregeln zu wachen, verhängt hat. So ist die Berechnung von Verzugszinsen auf Geldbußen gerechtfertigt, um zu verhindern, dass die praktische Wirksamkeit des Vertrags durch einseitiges Verhalten von Unternehmen unterlaufen wird, die die Zahlung der Geldbußen hinauszögern, zu denen sie verurteilt worden sind, und um auszuschließen, dass diese Unternehmen gegenüber den Unternehmen einen Vorteil erlangen, die ihre Geldbußen zum festgesetzten Fälligkeitstermin zahlen (Urteil vom 29. April 2004, Tokai Carbon u. a./Kommission, oben in Randnr. 123 angeführt, Randnr. 475).

496 In diesem Zusammenhang hat die Rechtsprechung der Kommission das Recht zuerkannt, Verzugszinsen in Höhe des Marktzinses zuzüglich 3,5 Prozentpunkten (Urteile des Gerichts CB/Kommission, oben in Randnr. 495 angeführt, Randnr. 54, vom 8. Oktober 1996, Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, T-24/93 bis T-26/93 und T-28/93, Slg. 1996, II-1201, Randnr. 250, sowie LR AF 1998/Kommission, oben in Randnr. 455 angeführt, Randnr. 397) und im Fall der Stellung einer Bankbürgschaft in Höhe des Marktzinses zuzüglich 1,5 Prozentpunkten (Urteil CB/Kommission, Randnr. 54) anzusetzen. In diesen Urteilen hat das Gericht Verzugszinsen in Höhe von 7,5 %, 13,25 % und 13,75 % gebilligt und ausgeführt, dass die Kommission befugt ist, eine Bezugsgröße zu wählen, die über dem üblichen durchschnittlichen Marktzins liegt, soweit dies erforderlich ist, um hinhaltenden Maßnahmen vorzubeugen (Urteil LR AF 1998/Kommission, Randnr. 398).

497 Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Kommission mit der Auferlegung eines Zinssatzes von 6,79 %, der sich aus dem von der EZB bei ihren Hauptrefinanzierungsgeschäften am ersten Tag des Monats des Erlasses der angefochtenen Entscheidung berechneten Zinssatz zuzüglich 3,5 Prozentpunkten zusammensetzte, das ihr bei der Festsetzung des Verzugszinssatzes zustehende Ermessen nicht überschritten hat.

498 Die Klägerin war zudem durch nichts daran gehindert, die Geldbuße bei Ablauf der Frist nach Art. 3 der angefochtenen Entscheidung zu zahlen, obwohl sie Klage gegen diese Entscheidung erhoben hatte. Sollte der Klage der Klägerin stattgegeben werden, umfassen die Verpflichtungen, die der Kommission nach Art. 233 EG zwecks Durchführung eines Urteils obliegen, mit dem eine gegen ein Unternehmen wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln verhängte Geldbuße für nichtig erklärt oder herabgesetzt wird, in erster Linie die Verpflichtung der Kommission, dem betroffenen Unternehmen die gezahlte Geldbuße ganz oder teilweise zurückzuerstatten, sowie die Zahlung der auf diesen Betrag angefallenen Verzugszinsen (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, Corus UK/Kommission, T-48/00, Slg. 2004, II-2325, Randnrn. 222 und 223).

499 Was die Tatsache angeht, dass der Verzugszinssatz nicht entsprechend dem von der EZB angewandten Zinssatz schwankt, unterliegt dieser Aspekt ebenfalls dem Ermessen, über das die Kommission bei der Festsetzung eines Verzugszinssatzes verfügt. Zwar liegt der Bindung eines Zinssatzes an einen von einer Zentralbank festgesetzten Zinssatz üblicherweise die Vorstellung zugrunde, dass der Zinssatz auf diese Weise der Entwicklung des Geldmarkts folgt. Die Klägerin hat jedoch in keiner Weise dargetan, dass die Kommission mit der Festsetzung des Zinssatzes ihr weites Ermessen überschritten hätte. Wenn der Basissatz steigt, kann ein fester Zinssatz nämlich auch vorteilhaft sein.

500 Folglich ist der achte Klagegrund zurückzuweisen und damit die Klage insgesamt abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

501 Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Knauf Gips KG trägt die Kosten.

Jaeger

Tiili

Czúcz

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 8. Juli 2008.



Ende der Entscheidung

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