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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 28.05.2001
Aktenzeichen: T-53/01 R
Rechtsgebiete: EGV, Beschluss 88/591/EGKS, EWG, Euratom, Entscheidung 2001/176/EG, Dekrets Nr. 261 (Italien)


Vorschriften:

EGV Art. 230
EGV Art. 242
EGV Art. 86
EGV Art. 16
Beschluss 88/591/EGKS, EWG, Euratom Art. 4
Entscheidung 2001/176/EG
Dekrets Nr. 261 (Italien) Art. 4
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Nach Artikel 104 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts müssen Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen (fumus boni iuris). Diese Voraussetzungen sind kumulativ, so dass ein Antrag auf Aussetzung des Vollzugs zurückgewiesen werden muss, wenn eine davon fehlt. Der Richter des vorläufigen Rechtsschutzes nimmt gegebenenfalls auch eine Interessenabwägung vor. Die beantragte Maßnahme muss außerdem vorläufig in dem Sinne sein, dass sie den Rechts- oder Tatsachenfragen des Rechtsstreits nicht vorgreift und die Folgen der später zur Hauptsache zu treffenden Entscheidung nicht im Voraus neutralisiert.

( vgl. Randnrn. 43-44 )

2. Nach Artikel 37 Absatz 2 der Satzung des Gerichtshofes, der gemäß deren Artikel 46 Absatz 1 auf das Gericht anwendbar ist, hängt das Recht, einem Rechtsstreit beizutreten, davon ab, dass ein berechtigtes Interesse am Ausgang des Verfahrens glaubhaft gemacht wird.

Der Beitritt von Vereinigungen, deren Ziel der Schutz der Mitglieder in Rechtssachen ist, die Grundsatzfragen aufwerfen, die sich auf diese Mitglieder beziehen können, ist zulässig.

Bei einem Rechtsstreit, der Grundsatzfragen hinsichtlich der Geltung der Artikel 86 EG und 82 EG im Bereich neuer postalischer Dienste mit vertraglich zugesicherter termingenauer Zustellung und insbesondere hinsichtlich des Umfangs dieses Bereiches, der durch die genannten Vorschriften vorbehalten werden kann, aufwirft, hat ein Zusammenschluss von Zustellbüros, die nicht vorbehaltene postalische Dienste erbringen dürfen, ein solches berechtigtes Interesse.

( vgl. Randnrn. 46, 51-58 )

3. Bei der Prüfung eines Antrags auf Aussetzung des Vollzugs durch den Richter des vorläufigen Rechtsschutzes kann ein rein finanzieller Schaden nur unter besonderen Umständen als nicht oder nur schwer wieder gutzumachen angesehen werden, da er Gegenstand eines späteren finanziellen Ausgleichs sein kann.

Ein Antrag auf Aussetzung des Vollzugs wäre gerechtfertigt, wenn sich der Antragsteller ohne eine solche Maßnahme in einer Situation befände, die seine Existenz gefährden könnte.

Bei einem Antrag des Anbieters von Universaldiensten, der eine Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse im Sinne des Artikels 86 Absatz 2 EG wahrnimmt, deren Erfuellung wesentlich ist, wäre die Maßnahme auch gerechtfertigt, wenn festgestellt würde, dass der Anbieter ohne eine solche Maßnahme daran gehindert wäre, die ihm übertragene Aufgabe ordnungsgemäß zu erfuellen, bis über die Hauptsache entschieden ist. Ein solcher Beweis wäre erbracht, wenn gezeigt würde, dass angesichts der wirtschaftlichen Bedingungen, unter denen der Auftrag von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse bis dahin erfolgreich ausgeübt wurde, das betreffende ausschließliche Recht für die Erfuellung einer solchen Aufgabe durch den dazu Berechtigten absolut unabdingbar ist.

( vgl. Randnrn. 119-121 )

4. Bei einem Antrag auf Aussetzung des Vollzugs einer Entscheidung der Kommission in einem Verfahren nach Artikel 86 EG muss im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes das Interesse des Antragstellers an der beantragten vorläufigen Maßnahme gegen das öffentliche Interesse am Vollzug der Entscheidung der Kommission gemäß Artikel 86 Absatz 3 EG, die Interessen der Mitgliedstaaten, an die sich eine solche Handlung richtet, und die Interessen Dritter, die unmittelbar durch eine mögliche Aussetzung der streitigen Entscheidung betroffen sind, abgewogen werden.

( vgl. Randnr. 130 )


Beschluss des Präsidenten des Gerichts Erster Instanz vom 28. Mai 2001. - Poste Italiane SpA gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - Artikel 86 EG in Verbindung mit Artikel 82 EG - Artikel 86 Absatz 2 EG - Postalische Dienste - Dringlichkeit - Interessenabwägung. - Rechtssache T-53/01 R.

Parteien:

In der Rechtssache T-53/01 R

Poste Italiane SpA mit Sitz in Rom (Italien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte G. M. Roberti, P. Mathijsen, A. Perrazzelli, E. Rubini und A. Sandulli, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Antragstellerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch L. Pignataro und K. Wiedner als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Antragsgegnerin,

wegen Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung 2001/176/EG der Kommission vom 21. Dezember 2000 in einem Verfahren nach Artikel 86 EG betreffend neue postalische Dienste mit vertraglich zugesicherter termingenauer Zustellung in Italien (ABl. 2001, L 63, S. 59)

erlässt

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

1 Artikel 16 EG lautet:

Unbeschadet der Artikel 73, 86 und 87 und in Anbetracht des Stellenwerts, den Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse innerhalb der gemeinsamen Werte der Union einnehmen, sowie ihrer Bedeutung bei der Förderung des sozialen und territorialen Zusammenhalts tragen die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse im Anwendungsbereich dieses Vertrages dafür Sorge, dass die Grundsätze und Bedingungen für das Funktionieren dieser Dienste so gestaltet sind, dass sie ihren Aufgaben nachkommen können."

2 Nach Artikel 86 Absatz 1 EG dürfen die Mitgliedstaaten in Bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine dem Vertrag und insbesondere den Artikeln 12 EG und 81 EG bis 89 EG widersprechende Maßnahmen treffen oder beibehalten.

3 Die Absätze 2 und 3 des Artikels 86 EG lauten:

(2) Für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben, gelten die Vorschriften dieses Vertrages, insbesondere die Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfuellung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert. Die Entwicklung des Handelsverkehrs darf nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden, das dem Interesse der Gemeinschaft zuwiderläuft.

(3) Die Kommission achtet auf die Anwendung dieses Artikels und richtet erforderlichenfalls geeignete Richtlinien oder Entscheidungen an die Mitgliedstaaten."

Vorgeschichte des Rechtsstreits

4 Die Poste Italiane SpA (im Folgenden: Poste Italiane oder Antragstellerin) steht vollständig im Eigentum des italienischen Staates. Sie gewährleistet in Italien den Universalpostdienst im Sinne des Artikels 3 der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität (ABl. 1998, L 15, S. 14). Nach Absatz 1 dieser Bestimmung bietet der Universaldienst ständig flächendeckend postalische Dienstleistungen einer bestimmten Qualität zu tragbaren Preisen für alle Nutzer".

5 Nach Artikel 1 des Dekrets des Präsidenten der Italienischen Republik Nr. 156 vom 29. März 1973 über die Genehmigung des koordinierten Wortlauts der Rechtsvorschriften über den Postdienst, den Postbankdienst und die Telekommunikation (GURI, Supplemento ordinario, Nr. 113 vom 3. Mai 1973) stehen [f]olgende Tätigkeiten... in den in diesem Dekret gesetzten Grenzen ausschließlich dem Staat zu: die Dienstleistungen des Einsammelns, der Beförderung und der Zustellung von Briefpost...".

6 Nach Artikel 4 des Dekrets Nr. 156 dürfen jedoch die in Artikel 1 genannten Leistungen von der Poste Italiane oder einem Zustellbüro, d. h. jedem Privatunternehmen, das eine Genehmigung des Ministeriums für Kommunikation besitzt (im Folgenden: Zustellbüro), erbracht werden.

7 Zur Umsetzung der Richtlinie 97/67 in nationales Recht erließen die italienischen Behörden am 22. Juli 1999 das Dekret (Decreto legislativo) Nr. 261 (GURI Nr. 182 vom 5. August 1999), das am 6. August 1999 in Kraft trat.

8 Artikel 4 des Dekrets Nr. 261 regelt die der Poste Italiane als Anbieterin von Universaldiensten vorbehaltenen Leistungen. Er lautet:

1. Soweit es für die Aufrechterhaltung des Universaldienstes notwendig ist, können dem Anbieter dieses Dienstes die Abholung, das Sortieren und die Zustellung von Inlands- und grenzüberschreitenden Briefsendungen mit einem Gewicht von weniger als 350 g auch als beschleunigte Sendungen zu einem Preis unter dem Fünffachen des öffentlichen Tarifs für die, soweit vorhanden, schnellstmögliche Beförderung von Standardbriefsendungen der ersten Gewichtsklasse vorbehalten werden.

2. Der gemäß Absatz 1 vorbehaltene Bereich umfasst jeden der Vorgänge einzeln.

3. Zu den grenzüberschreitenden Briefsendungen gehören diejenigen, die Teil des vorbehaltenen Bereichs mit Bestimmungs- oder Absendeort im Ausland sind.

4. Im Hinblick auf den Zustellvorgang gehören zu den in Absatz 1 genannten Sendungen auch solche, die mit Hilfe der Telematik erzeugt wurden.

5. Unabhängig von den Preis- und Gewichtsgrenzen umfasst der gemäß Absatz 1 vorbehaltene Bereich Einschreibesendungen im Zusammenhang mit Verwaltungs- und Gerichtsverfahren; Verwaltungsverfahren sind die Verfahren, die die Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung und öffentliche Ausschreibungen betreffen."

9 Aus den Akten geht hervor, dass es sich bei dem Hybrid-Postdienst" um einen Dienst handelt, bei dem das Einsammeln, Sortieren und der Transport auf elektronischem Weg, die Zustellung jedoch nach Ausdruck in körperlicher Form erfolgt.

Die streitige Entscheidung

10 Nach mehreren Treffen mit Vertretern der italienischen Behörden und der Poste Italiane leitete die Kommission durch Mahnschreiben vom 16. Mai 2000 gegen Italien ein Vertragsverletzungsverfahren wegen Verstoßes gegen Artikels 86 EG in Verbindung mit Artikel 82 EG ein.

11 Die italienische Regierung und die Poste Italiane äußerten sich zu den in dem Aufforderungsschreiben enthaltenen Vorwürfen schriftlich sowie mündlich in Treffen mit den Vertretern der Kommission.

12 Die Kommission erließ am 21. Dezember 2000 die Entscheidung 2001/176/EG betreffend neue postalische Dienste mit vertraglich zugesicherter termingenauer Zustellung in Italien (ABl 2001, L 63, S. 59, im Folgenden: streitige Entscheidung), mit der Folgendes verfügt wird:

Artikel 1

Die italienischen Rechtsvorschriften im Postsektor, speziell Artikel 4 Absatz 4 der Gesetzesverordnung Nr. 261 vom 22. Juli 1999, verstoßen insofern gegen Artikel 86 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 82 des Vertrages, als dadurch der Wettbewerb bei der termingenauen Zustellung im Hybrid-Postdienst ausgeschlossen wird.

Italien ist gehalten, diese Zuwiderhandlung durch die Aufhebung der Poste Italiane SpA für die termingenaue Zustellung im Hybrid-Postdienst eingeräumten ausschließlichen Rechte abzustellen.

Artikel 2

Italien gewährt künftig in Bezug auf die termingenaue Zustellung im Hybrid-Postdienst keine ausschließlichen Rechte mehr.

Artikel 3

Italien teilt der Kommission binnen drei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung mit, welche Maßnahmen getroffen wurden, um die in Artikel 1 genannte Zuwiderhandlung abzustellen.

Artikel 4

Diese Entscheidung ist an die Italienische Republik gerichtet."

13 Die Kommission stellt in der streitigen Entscheidung fest, dass das der Poste Italiane in Artikel 4 Absatz 4 des Dekrets Nr. 261 eingeräumte ausschließliche Recht alle Formen der Zustellung von mit Hilfe der Telematik erzeugten Briefsendungen unabhängig davon umfasst, ob sie gegenüber dem traditionellen Zustelldienst einen Mehrwert aufweisen oder nicht und ob die Poste Italiane den mit einer Zusatzleistung verbundenen Zustelldienst selbst erbringt oder nicht.

14 Die Ministerialerlasse Nr. 333 vom 24. Juni 1987 (GURI Nr. 184 vom 8. August 1987), Nr. 269 vom 29. Mai 1988 (GURI Nr. 165 vom 15. Juli 1988) und Nr. 260 vom 7. August 1990 (GURI Nr. 218 vom 18. September 1990), die die Rechtsgrundlage für den Hybrid-Postdienst der Poste Italiane bildeten, bezogen den Zustellvorgang bei diesem Dienst nicht in den vorbehaltenen Bereich ein.

15 In den Begründungserwägungen der streitigen Entscheidung wird in tatsächlicher Hinsicht im Zusammenhang mit den betroffenen Diensten Folgendes ausgeführt:

- Die privaten Postbetreiber böten Geschäftskunden, insbesondere Banken und Versicherungsgesellschaften, die Auslagerung ihrer Postbearbeitung, einschließlich der Erstellung, Vorbereitung, Beförderung und Zustellung von terminabhängigen Postsendungen, als Dienstleistungspaket an;

- die angebotenen Dienstleistungen hinsichtlich der Hybrid-Postdienste gewährleisteten die Schnelligkeit und Zuverlässigkeit des Zustellvorgangs durch zwei Schlüsselmerkmale, die vertraglich zugesicherte Zustellung an einem im Voraus vereinbarten Tag oder die vertraglich zugesicherte Zustellung einer im Voraus vereinbarten Uhrzeit (zusammen im Folgenden: termingenaue Zustellung), die sie vom herkömmlichen Postdienst unterschieden;

- bei der von den privaten Unternehmen angebotenen termingenauen Zustellung werde vertraglich zugesichert, dass das Zeitziel der Zustellung mindestens im gesamten Gebiet einer italienischen Region erreicht werde;

- das Vorliegen von Varianten für die beiden Schlüsselmerkmale, insbesondere die der taggenauen oder uhrzeitgenauen Zustellung in einer vom Kunden vorab festgelegten Zeitabfolge oder der taggenauen Zustellung an eine (oder mehrere) alternative Anschriften für den Fall, dass am ersten Bestimmungsort keine Übergabe erfolgen könne; die Verbindung der zusätzlichen Leistungen, wie die Laufwegverfolgung während der elektronischen und physischen Betriebsvorgänge, die elektronische Unterrichtung über den Erfolg der termingenauen Zustellung, die Archivierung elektronischer Zustellberichte, die elektronische Unterrichtung über erfolglose Zustellungen, die Bemühungen, die neue Anschrift des Empfängers zu ermitteln, und die laufende Aktualisierung von kundenspezifischen Mailing-Listen;

- die Schaffung einer Infrastruktur durch private Postbetreiber, die es erlaube, Hybrid-Postdienste, bei denen der Kunde alle postalische Bearbeitungsvorgänge ausgelagert habe, in einem wesentlichen Teil (rund 40 %) des italienischen Staatsgebiets anzubieten;

- das Postnetz der Poste Italiane biete nicht die Leistungsmerkmale der termingenauen Zustellung.

16 Im Rahmen der rechtlichen Würdigung stellt die Kommission in der streitigen Entscheidung zunächst fest, dass die Poste Italiane ein öffentliches Unternehmen im Sinne des Artikels 86 Absatz 1 EG sei, dem der italienische Staat die ausschließlichen Rechte gemäß Artikel 4 des Dekrets Nr. 261 vorbehalten habe. Sodann geht sie wie folgt vor:

- Sie prüft die sachlich relevanten Märkte (16. bis 21. Begründungserwägung) und den räumlich relevanten Markt (22. Begründungserwägung);

- sie stellt fest, dass die Poste Italiane eine beherrschende Stellung auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes im Sinne des Artikels 82 EG innehabe, soweit sie über das gesetzliche Monopol auf dem von der Ausschließlichkeit gemäß Artikel 4 des Dekrets Nr. 261 erfassten Markt verfüge (23. Begründungserwägung);

- sie vertritt die Auffassung, dass eine staatliche Maßnahme, die einen angrenzenden, aber von dem zuvor vorbehaltenen getrennten Markt vorbehalte, gegen Artikel 86 Absatz 1 EG in Verbindung mit Artikel 82 EG verstoße, wenn diese Maßnahme den Betreiber veranlasse, das neu vorbehaltene Dienstleistungsangebot zu beschränken, wie Post Italiane, die keine termingenaue Zustellung anbiete und durch die bloße Ausübung ihres ausschließlichen Rechts die privaten Betreiber daran hindere, die Nachfrage nach dieser Dienstleistung zu befriedigen (26. Begründungserwägung);

- sie weist darauf hin, dass der Missbrauch den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen könne (29. Begründungserwägung);

- sie führt aus, dass nach Artikel 86 Absatz 2 EG die Wettbewerbsregeln für die Poste Italiane gälten, die mit einer Leistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sei, da die italienischen Behörden nicht festgestellt hätten, dass die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfuellung der ihr übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindere. Im vorliegenden Fall könne nicht geltend gemacht werden, dass der Wettbewerb bei der termingenauen Zustellung das finanzielle Gleichgewicht der Poste Italiane gefährde oder Wettbewerb privater Anbieter bei der termingenauen Zustellung dazu führe, dass dem öffentlichen Betreiber bestimmte rentable Tätigkeiten genommen würden (30. Begründungserwägung).

17 Schließlich heißt es in der Schlussfolgerung der angefochtenen Entscheidung, kein anderer Mitgliedstaat außer Italien [habe] eine dem Artikel 4 Absatz 4 gleichlautende Bestimmung erlassen..., die den Zustellvorgang des Hybrid-Postdienstes ungeachtet seiner speziellen Leistungsmerkmale [vorbehalten]" (31. Begründungserwägung).

18 Zur Durchführung dieser Entscheidung erließen die italienischen Behörden am 24. Januar 2001 das Rundschreiben DGRQS/208 (im Folgenden: Rundschreiben 208), in dem die Auslegung des Artikels 4 Absatz 4 des Dekrets Nr. 261 geklärt wird.

19 In Artikel 3 des Rundschreibens 208 heißt es, dass der Vorgang der Auslieferung im Hybrid-Postdienst zu dem [der Poste Italiane] vorbehaltenen Bereich gehört, ebenso wie jede Postsendung innerhalb der geltenden Gewichts- und Preisgrenzen".

20 Nach Artikel 4 gehört jedoch die Zustellung im Hybrid-Postdienst, bei dem der Zeitfaktor eine Rolle spiele, zu einem festgelegten Datum oder einer festgelegten Uhrzeit unter folgenden Voraussetzungen nicht zum vorbehaltenen Bereich: Verpflichtung des Betreibers, der die Dienstleistung, die sich mindestes auf das Gebiet einer Region erstreckt, erbringen will, eine Genehmigung einzuholen (Artikel 5), eine Verpflichtung zum Erfolg auf Seiten des Betreibers: termingerechte Zustellung und Abhängigkeit der Zahlung von der Auslieferung der Sendung innerhalb der vertraglich vereinbarten Frist (Artikel 6), die Verpflichtung, ein Register zu führen, in das der Betreiber jede Lieferung unter Angabe der wesentlichen Umstände einträgt (Artikel 7), die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass die termingenaue Sendung feststellbar ist (Artikel 8), die Verpflichtung des Betreibers, den Tag oder die vereinbarte Uhrzeit der Auslieferung mittels Unterschrift des Empfängers in dem dazu vorgesehenen Register nachzuweisen, mit der Möglichkeit, die Sendung während der Zustellungsphase zu verfolgen (Artikel 9), und die Verpflichtung, die Register sechs Monate lang aufzubewahren (Artikel 11).

21 Das Rundschreiben 208 enthält keine Angaben zum Preisniveau für den termingenauen Hybrid-Postdienst.

Verfahren

22 Die Poste Italiane hat mit Klageschrift, die am 6. März 2001 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, nach Artikel 230 Absatz 4 EG Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung erhoben.

23 Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat sie auch einen Antrag auf Aussetzung des Vollzugs dieser Entscheidung bis zur Entscheidung in der Hauptsache gestellt.

24 Mit Schriftsätzen, die am 29. und 30. März 2001 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben das Recapitalia Consorzio Italiano delle Agenzie di Recapito Licenziatarie del Ministero delle Comunicazioni (im Folgenden: Consorzio Recapitalia), vertreten durch Rechtsanwälte L. Magrone und M. Giordano, und die Gesellschaft TNT Post Groep NV, vertreten durch Rechtsanwälte M. Merola und C. Tesauro, Zustellungsanschrift in Luxemburg, die Zulassung als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission im vorliegenden Verfahren beantragt.

25 Die Anträge auf Zulassung als Streithelfer sind den Parteien gemäß Artikel 116 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts zugestellt worden.

26 Die Kommission hat ihre schriftliche Stellungnahme zu dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz am 30. März 2001 eingereicht.

27 Die Kanzlei des Gerichts hat die Antragsteller für die Zulassung als Streithelfer mit Schreiben vom 30. März bzw. 2. April 2001 aufgefordert, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen.

28 Die Kommission hat am 4. April 2001 einen auf vertrauliche Behandlung einer Anlage zu dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz (Aufforderungsschreiben an die italienischen Behörden vom 16. Mai 2000) und eine Anlage zu den Erklärungen der Kommission (Schreiben des Präsidenten des Ministerrats vom 14. Dezember 2000 an Kommissionsmitglied Monti) gegenüber dem Consorzio Recapitalia und der TNT Post Groep gestellt.

29 Die Beteiligten haben in der Sitzung vom 5. April 2001 mündlich verhandelt. Die Poste Italiane hat am selben Tag die vertrauliche Behandlung bestimmter Angaben im Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz sowie mehrerer Anlagen dazu beantragt.

30 Die Poste Italiane und die Kommission sind in der mündlichen Verhandlung aufgefordert worden, zu den Anträgen des Consorzio Recapitalia und der TNT Post Groep auf Zulassung als Streithelfer Stellung zu nehmen. Die Antragstellerin hat gegen den Antrag der Kommission auf vertrauliche Behandlung keine Einwände erhoben. Sie hat außerdem eine Werbebroschüre über die von der Poste Italiane angebotenen Dienste vorgelegt, die der Richter des vorläufigen Rechtsschutzes nach Einholung der Stellungnahme der Kommission und der Antragstellerin ungeachtet der verspäteten Vorlage angenommen hat.

31 Die Kommission hat am 6. April 2001 geltend gemacht, dass sie gegen den Antrag der Poste Italiane auf vertrauliche Behandlung keine Einwände erhebe.

32 Die Italienische Republik hat mit Klageschrift vom 1. März 2001, die unter der Nummer C-102/01 in das Register des Gerichtshofes eingetragen worden ist, beantragt, die streitige Entscheidung aufzuheben. Sie hat keinen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt.

33 Mit Schriftsatz, der am 30. März 2001 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat die Italienische Republik dem Gerichtshof nach Artikel 78 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes mitgeteilt, dass sie ihre Klage zurücknehme. Die Kommission hat hiervon am 20. April 2001 Kenntnis erlangt.

34 Durch Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 27. April 2001 in der Rechtssache C-102/01 (Italien, Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung des Gerichtshofes veröffentlicht), der den Parteien mit Schreiben vom 11. Mai 2001 mitgeteilt worden ist, ist diese Rechtssache im Register des Gerichtshofes gestrichen worden.

35 Die Kanzlei der Gerichts hat den Beteiligten im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes und den Antragstellern für die Zulassung als Streithelfer mit Schreiben vom 15. Mai 2001 auf Antrag des Richters des vorläufigen Rechtsschutzes die Streichung der Rechtssache C-102/01 im Register des Gerichtshofes mitgeteilt.

Entscheidungsgründe

36 Bevor über den vorliegenden Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz entschieden wird, ist der Geltungsbereich der streitigen Entscheidung zu klären.

37 Selbst wenn sich einige Abschnitte der streitigen Entscheidung, insbesondere die 18. Begründungserwägung, nicht nur auf den Hybrid-Postdienst beziehen, folgt aus Artikel 1 des verfügenden Teils, dass die Rechtmäßigkeit des Artikels 4 Absatz 4 des Dekrets Nr. 261 nicht insgesamt, sondern nur insofern in Frage gestellt wird, als diese Bestimmung für den termingenauen Hybrid-Zustelldienst gilt.

38 Die Kommission hat diese Auslegung der streitigen Entscheidung in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt.

39 Auch aus der Fassung des Rundschreibens 208 ergibt sich - unabhängig von dessen Vereinbarkeit mit den Vorschriften des EG-Vertrags -, dass die italienischen Behörden den Geltungsbereich der streitigen Entscheidung ebenso verstanden haben. Nach dem Rundschreiben 208 unterliegt die termingenaue Zustellung des Hybrid-Postdienstes unter bestimmten Bedingungen dem Wettbewerb.

40 Daraus folgt zum einen, dass Artikel 4 Absatz 4 des Dekrets Nr. 261 nicht für den Bestimmungen des Artikels 86 EG in Verbindung mit Artikel 82 EG zuwiderlaufend erklärt wird, soweit die auf elektronischem Weg übermittelte Post anders als termingenau zugestellt wird.

41 Zum anderen betrifft die streitige Entscheidung nur die termingenaue Zustellung des Hybrid-Postdienstes und stellt die Vereinbarkeit der nationalen Rechtsvorschriften über die herkömmliche Postzustellung, die derartige Merkmale aufweist, mit den Bestimmungen des EG-Vertrags nicht in Frage.

42 Nach Artikel 242 EG in Verbindung mit Artikel 4 des Beschlusses 88/591/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 319, S. 1) in der durch den Beschluss 93/350/Euratom, EGKS, EWG des Rates vom 8. Juni 1993 (ABl. L 144, S. 21) geänderten Fassung kann das Gericht, wenn es dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der angefochtenen Handlung aussetzen.

43 Nach Artikel 104 § 2 der Verfahrensordnung müssen Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz den Streitgegenstand bezeichnen und die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen (fumus boni juris). Diese Voraussetzungen sind kumulativ, so dass ein Antrag auf Aussetzung des Vollzugs zurückgewiesen werden muss, wenn eine davon fehlt (Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofes vom 14. Oktober 1996 in der Rechtssache C-268/96 P(R), SCK und FNK/Kommission, Slg. 1996, I-4971, Randnr. 30, und des Präsidenten des Gerichts vom 1. Februar 2001 in der Rechtssache T-350/00 R, Free Trade Foods/Kommission, Slg. 2001, II-493, Randnr. 32). Der Richter des vorläufigen Rechtsschutzes nimmt gegebenenfalls auch eine Interessenabwägung vor (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 23. Februar 2001 in der Rechtssache C-445/00 R, Slg. 2001, I-1461, Randnr. 73).

44 Die beantragte Maßnahme muss außerdem vorläufig in dem Sinne sein, dass sie den Rechts- oder Tatsachenfragen des Rechtsstreits nicht vorgreift und die Folgen der später zur Hauptsache zu treffenden Entscheidung nicht im Voraus neutralisiert (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 19. Juli 1995 in der Rechtssache C-149/95 P(R), Kommission/Atlantic Container Line u. a., Slg. 1995, I-2165, Randnr. 22).

45 Schließlich ist der Antrag nach Artikel 104 § 3 der Verfahrensordnung mit besonderem Schriftsatz einzureichen und muss den Artikeln 43 und 44 entsprechen".

Zu den Anträgen auf Zulassung als Streithelfer

46 Nach Artikel 37 Absatz 2 der EG-Satzung des Gerichtshofes, die gemäß deren Artikel 46 Absatz 1 auf das Gericht anwendbar ist, hängt das Recht, einem Rechtsstreit beizutreten, davon ab, dass ein berechtigtes Interesse am Ausgang des Verfahrens glaubhaft gemacht wird.

47 Im Hinblick auf das Interesse am Ausgang des Verfahrens müssen die Anträge des Consorzio Recapitalia und der TNT Post Groep auf Zulassung als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes getrennt geprüft werden.

48 Die Poste Italiana hat in der mündlichen Verhandlung Vorbehalte gegenüber dem Vorliegen eines hinreichenden Interesses der Antragsteller am Ausgang des Rechtsstreits geäußert. Sie hat außerdem Zweifel an der Zulassung dieser Streithilfe geäußert, da das Consorzio Recapitalia und die TNT Post Groep eine mögliche Entscheidung der Kommission, Artikel 4 Absatz 4 des Dekrets Nr. 261 nicht für vertragswidrig zu erklären, nicht vor dem Gericht hätten anfechten können.

49 Die Kommission hat erklärt, gegen die Anträge auf Zulassung als Streithelfer keine Einwände zu erheben.

50 Das Vorbringen der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung ist in dem Sinne zu verstehen, dass - ebenso wenig wie eine Partei, die bei der Kommission einen Antrag auf Feststellung eines Verstoßes gegen Artikel 86 EG in Verbindung mit Artikel 82 EG gestellt hat, gemäß Artikel 230 EG die Rechtmäßigkeit der Ablehnung der beantragten Entscheidung im Sinne des Artikels 86 Absatz 3 EG anfechten könne - die Antragsteller nicht als Streithelfer in einem Verfahren nach Artikel 86 Absatz 3 EG zugelassen werden könnten. Dem kann nicht gefolgt werden, da sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes nicht von vornherein ausschließen lässt, dass Ausnahmefälle vorliegen können, in denen ein Einzelner oder eventuell eine Vereinigung, die zur Vertretung der gemeinsamen Interessen einer Kategorie von Rechtsbürgern gegründet wurde, zur Erhebung einer Klage gegen eine Weigerung der Kommission befugt ist, im Rahmen ihrer Überwachungsfunktion nach Artikel 86 Absätze 1 und 3 EG eine Entscheidung zu erlassen (Urteil des Gerichtshofes vom 20. Februar 1997 in der Rechtssache C-107/95 P, Bundesverband der Bilanzbuchhalter/Kommission, Slg. 1997, I-947, Randnr. 25). Außerdem ist dieses Vorbringen unerheblich, da die Zulässigkeit eines Antrags auf Zulassung als Streithelfer allein anhand der Voraussetzungen des Artikels 37 der EG-Satzung gewürdigt werden muss.

51 Zum Antrag des Consorzio Recapitalia auf Zulassung als Streithelfer ist festzustellen, dass nach der Rechtsprechung der Beitritt von Vereinigungen, deren Ziel der Schutz der Mitglieder in Rechtssachen ist, die Grundsatzfragen aufwerfen, die sich auf diese Mitglieder beziehen können, zulässig ist (Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofes vom 17. Juni 1997 in den Rechtssachen C-151/97 P(I) und C-157/97 P(I), National Power und Power Gen, Slg. 1997, I-3491, Randnr. 66, und vom 28. September 1998 in der Rechtssache C-151/98 P(I), Pharos/Kommission, Slg. 1998, I-5441, Randnr. 6; Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 22. März 1999 in der Rechtssache T-13/99 R, Pfizer/Rat, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 15).

52 In der streitigen Entscheidung heißt es, dass der Ausschluss des Wettbewerbs in Bezug auf die termingenaue Zustellung im Hybrid-Postdienst gegen Artikel 86 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 82 EG verstoße (31. Begründungserwägung und Artikel 1). Italien solle künftig in Bezug auf die termingenaue Zustellung im Hybrid-Postdienst keine ausschließlichen Rechte mehr gewähren (Artikel 2), so dass der Zustellvorgang in diesem Postdienst dem Wettbewerb unterliegen müsse. Diese Rechtssache wirft dem ersten Anschein nach Grundsatzfragen hinsichtlich der Geltung der Bestimmungen der Artikel 86 EG und 82 EG im Bereich des Postdienstes und insbesondere hinsichtlich des Umfangs dieses Bereiches auf, der durch die genannten Vorschriften vorbehalten werden kann.

53 Das Consorzio Recapitalia ist ein Zusammenschluss italienischer Zustellbüros, die nicht vorbehaltene, aber zum Universaldienst bzw. zum grenzüberschreitenden Universaldienst gehörende Dienste erbringen dürfen. Diese Unternehmen hätten sich eine Infrastruktur geschaffen, mittels deren sie den vertraglich gewährleisteten termingenauen Zustelldienst sicherstellen könnten.

54 Das Consorzio Recapitalia bietet nach Artikel 4 Buchstabe a seiner Satzung an, die Tätigkeit der Zustellbüros, die eine vom Ministerium für Post und Fernmeldewesen ausgestellte Genehmigung für den beschleunigten Zustelldienst an die Adresse besitzen, zu fördern, zu koordinieren, zu unterstützen und zu schützen", und mit seiner Klage soll vor allem die Zustelltätigkeit durch die [Zustell-]Büros - gegebenenfalls durch die Organisation neuer Dienste" - gefördert und weitergeführt werden.

55 Zu seinen Zielen gehören nach Artikel 4 Buchstabe n seiner Satzung die Verteidigung der Interessen seiner Mitglieder als Kläger oder Beklagte vor Gericht.

56 Außerdem macht das Consorzio Recapitalia, ohne dass die Poste Italiane dem widerspricht, geltend, dass es sich bei den unter seinem Namen zusammengeschlossenen Unternehmen um dieselben handelt, die bei der Kommission über eine andere Gruppierung (Consorzio Riposta) einen Antrag wegen Verstoßes Italiens gegen die Artikel 82 EG und 86 EG eingereicht haben, da der der Poste Italiane vorbehaltene Bereich unter Verstoß gegen die Bestimmungen der Richtlinie 97/67 ausgedehnt worden sei.

57 Die Mitglieder des Consorzio Recapitalia, die die termingenaue Zustellung im Hybrid-Postdienst erbringen möchten, können daher das Vorliegen eines Interesses an der Zurückweisung des Antrags auf sofortigen Vollzug dartun.

58 Da es Aufgabe des Consorzio Recapitalia ist, die wirtschaftlichen Interessen seiner Mitglieder zu verteidigen, und diese durch die streitige Entscheidung selbst betroffen sind, steht fest, dass das Consorzio Recapitalia ein Interesse am Ausgang des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes hat. Dies wird dadurch bestätigt, dass das Consorzio Recapitalia im Februar 2001 bei einem italienischen Gericht eine mit einem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz verbundene Klage erhoben hat, mit der die Rechtmäßigkeit des Rundschreibens 208 angefochten werden sollte, da die darin enthaltenen Bedingungen zur Sicherstellung der termingenauen Zustellung im Hybrid-Postdienst keine hinreichende Umsetzung der streitigen Entscheidung seien.

59 Bei der zweiten Antragstellerin, der TNT Post Groep, einer Gesellschaft niederländischen Rechts, handelt es sich um die Finanzgesellschaft der TPG-Gruppe, die weltweit in den Bereichen Postdienste, Expressgutbeförderung und Logistik arbeitet. Außerdem ist die TPG im normalen Beförderungswesen und im Flugzeugleasing tätig. In Italien ist die TPG mit der Postzustellung befasst und hat in mehreren Gemeinden Zustellbüros erworben, die auf der Grundlage von Genehmigungen nach Artikel 29 des Dekrets Nr. 156 (vgl. oben, Nr. 5) arbeiten. Diese Genehmigungen wurden inzwischen durch eine Regelung individueller und allgemeiner Genehmigungen ersetzt, die das Angebot nicht vorbehaltener Postdienste bzw. das Angebot von Leistungen, die nicht zum Universaldienst gehören, regeln. Die TPG bietet durch ihre Filialen auch Expressgutbeförderungsdienste und logistische Dienste an.

60 Die TNT Post Groep trägt im Wesentlichen zwei Gesichtspunkte vor, um ihr Interesse am Ausgang des Rechtsstreits darzutun. Zum einen könne sie bei einer Aussetzung des Vollzugs der streitigen Entscheidung aufgrund des Dekrets Nr. 261 die besagte Zustelltätigkeit nicht mehr auszuüben.

61 Zum anderen habe sie im Juni 1999 bei der Kommission eine Beschwerde mit dem Antrag eingereicht, festzustellen, dass die italienische Regelung gegen die Richtlinie 97/67 und gegen Artikel 86 EG in Verbindung mit Artikel 82 EG verstoße; nach Erlass des Dekrets Nr. 261 durch die italienischen Behörden habe sie diese Beschwerde ergänzt.

62 Diese Punkte reichen aus, um ein Interesse der TNT Post Groep an der Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung festzustellen.

63 Das Consorzio Recapitalia und die TNT Post Groep werden daher als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zugelassen.

Zum Antrag auf vertrauliche Behandlung

64 Die Poste Italiane hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie gegen den Antrag der Kommission vom 4. April 2001 auf vertrauliche Behandlung keine Einwände habe.

65 Die Kommission, die vom Antrag der Poste Italiane vom 5. April 2001 auf vertrauliche Behandlung in der mündlichen Verhandlung Kenntnis erlangt hatte, hat am folgenden Tag mitgeteilt, dass sie keine Einwände erhebe.

66 Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sind die Informationen, auf die sich die Anträge der Kommission und der Poste Italiane beziehen, vertraulich zu behandeln, sofern diese Informationen dem ersten Anschein nach als geheim oder vertraulich im Sinne des Artikels 116 § 2 der Verfahrensordnung angesehen werden können; dies wird von keinem der Beteiligten bestritten.

Zum Antrag auf Aussetzung des Vollzugs

Zu der von der Kommission behaupteten Unzulässigkeit

67 Nach den schriftlichen Ausführungen der Kommission entspricht der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nicht den Formerfordernissen des Artikels 104 §§ 2 und 3 der Verfahrensordnung. Ein Antrag wie der der Poste Italiane, der zwar formell mit besonderem Schriftsatz neben der Klage des Ausgangsverfahrens gestellt wurde, aber mit dieser völlig übereinstimme, genüge nicht den Anforderungen. Da zwischen der schlichten Verweisung in dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz auf die Klageschrift - mit der Folge der Unzulässigkeit des Antrags (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 12. Oktober 2000 in der Rechtssache C-278/00 R, Griechenland/Kommission, Slg. 2000, I-8787, Randnrn. 25 und 26) - und der vollständigen Wiedergabe der Klageschrift in dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz - der den Antrag der Antragstellerin besonders umfangreich mache - nicht unterschieden werden könne, sei der Antrag wegen Verletzung der Formvorschriften der Verfahrensordnung unzulässig.

68 Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung erwidert, der Antrag auf Aussetzung des Vollzugs sei durch eine getrennte Rechtshandlung gestellt worden und enthalte die Gesichtspunkte, aufgrund deren der Richter des vorläufigen Rechtsschutzes entscheiden könne. Die Situation unterscheide sich daher von dem bloßen Verweis auf die Klageschrift.

69 Angesichts dieser Situation und unter Berücksichtigung der Bedeutung der Rechtssache ist die Kommission im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gefragt worden, ob sie eine neuerliche Stellungnahme zu einer von der Antragstellerin zu erstellenden zusammenfassenden Darstellung zur Glaubhaftmachung der Notwendigkeit der beantragten Anordnung der Aussetzung des Vollzugs in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht abgeben wolle.

70 Die Kommission hat hierauf geantwortet, sie bleibe dabei, dass der Antrag in formeller Hinsicht nicht den Erfordernissen genüge, verzichte aber darauf, dass der Poste Italiane die Vorlage einer solchen zusammenfassenden Darstellung zur Glaubhaftmachung der Notwendigkeit der beantragten Maßnahme in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht aufgegeben werde, zu der sie hätte Stellung nehmen können.

71 Daher braucht die Frage, ob ein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, in dem die Klageschrift fast vollständig enthalten ist und der darüber hinaus eine Einführung, eine Darstellung der die Dringlichkeit begründenden Umstände und Ausführungen zur Abwägung der betroffenen Interessen enthält, den Erfordernissen des Artikels 104 §§ 2 und 3 der Verfahrensordnung entspricht, nicht entschieden zu werden.

Zum Fumus boni juris

72 Die Antragstellerin gibt in ihrem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz die in der Klageschrift dargelegten Gründe wieder, aus denen sie die Voraussetzung des Fumus boni juris für erfuellt hält.

73 Sie rügt erstens eine Verletzung der Verteidigungsrechte und der für das Verwaltungsverfahren geltenden Grundsätze, zweitens einen offensichtlichen Beurteilungsfehler und einen Begründungsfehler in Bezug auf die Definition der betroffenen Märkte, drittens das Fehlen einer beherrschenden Stellung, viertens eine unzutreffende Anwendung und Auslegung der Richtlinie 97/67, fünftens eine unzutreffende Auslegung und Anwendung der Vertragsvorschriften hinsichtlich des Universaldienstes und sechstens das Fehlen von Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten.

74 Die Kommission hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, die vorgebrachten Klagegründe seien zwar vertretbar, aber unbegründet.

75 Zwischen den Beteiligen besteht eine grundlegende Meinungsverschiedenheit in der Frage, ob die Antragstellerin auf dem Markt der Zustellung im termingenauen Hybrid-Postdienst tätig ist. Sie beruht vor allem darauf, dass nach Auffassung der Antragstellerin der Zustellvorgang im Hybrid-Postdienst und die Verteilung der Sendungen, die zu dem der Poste Italiane vorbehaltenen Bereich gehöre und für die diese zusätzliche Leistungen, u. a. die termingenaue vertraglich vereinbarte Zustellung, anbiete, notwendigerweise ineinander übergehen, während in der streitigen Entscheidung festgestellt wird, dass das Postnetz nicht die Leistungsmerkmale der termingenauen Zustellung bietet (10. Begründungserwägung) und dass die Poste Italiane geltend mache, derzeit keine vertraglich zugesicherte termingenaue Zustellung anzubieten (26. Begründungserwägung).

76 Wegen dieser grundlegenden Meinungsverschiedenheit ist eine Würdigung der Wirkungen erforderlich, die die Öffnung des von der streitigen Entscheidung betroffenen Zustelldienstes für den Wettbewerb hat. Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission nicht das Preisniveau dieser Dienste berücksichtigt hat, um den betreffenden Markt zu definieren, obwohl anhand dieses Gesichtspunkts zum einen festgestellt werden kann, inwiefern die verschiedenen angebotenen Dienste austauschbar sind, und zum anderen, ob die Gefahr besteht, dass dem Universalunternehmer die Tätigkeiten genommen werden, die für seine finanzielle Überlebensfähigkeit notwendig sind. Was den letztgenannten Punkt angeht, ist im Verfahren zur Hauptsache im Rahmen der Prüfung des fünften Beschwerdepunkts festzustellen, ob die Gewährung oder Beibehaltung des ausschließlichen Rechts der Poste Italiane zur Erbringung der betreffenden Dienste für die Erfuellung ihrer im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse liegenden Aufgabe, vor allem unter annehmbaren wirtschaftlichen Bedingungen, erforderlich ist. Um festzustellen, ob der sich aus dem ausschließlichen Recht ergebende Wettbewerbsausschluss zulässig ist, muss insbesondere geprüft werden, ob die Kommission zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Dienstleistungen der termingenauen Zustellung im Hybrid-Postdienst aufgrund ihrer Art und der Umstände, unter denen sie angeboten werden, das wirtschaftliche Gleichgewicht der vom Inhaber des ausschließlichen Rechts übernommenen Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse nach den im Urteil des Gerichtshofes vom 19. Mai 1993 in der Rechtssache C-320/91 (Corbeau, Slg. 1993, I-2533, Randnr. 19) festgestellten Kriterien nicht in Frage stellen. Diese Prüfung kann jedoch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht erfolgen.

77 Daher kann nicht festgestellt werden, dass das tatsächliche und rechtliche Vorbringen der Antragstellerin von vornherein jeder Grundlage entbehrte (Beschluss Kommission/Atlantic Container Line u. a., Randnr. 26).

78 Aufgrund dieser Würdigung und der Ausführungen der Kommission in der mündlichen Verhandlung ist festzustellen, dass die von der Poste Italiane vorgebrachten Klagegründe die Voraussetzung des Fumus boni juris erfuellen.

Zur Dringlichkeit und zur Interessenabwägung

- Vorbringen der Parteien

79 Die Antragstellerin macht geltend, sie werde einen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden erleiden, wenn der Vollzug der streitigen Entscheidung nicht ausgesetzt werde.

80 In Anbetracht der Bedingungen des Rundschreibens 208 schätzt die Poste Italiane den entgangenen Gewinn aufgrund des Rückzugs von den vorbehaltenen Zustelldiensten mit Empfangsbestätigung auf einen Betrag zwischen 316 und 411 Milliarden ITL, je nachdem, ob die Zustellung innerhalb von 24 Stunden nach der Aufgabe oder später erfolge. Die streitige Entscheidung führe dazu, die herkömmlicherweise von der Poste Italiane erbrachten Dienste sofort durch den neuen Dienst, der Gegenstand dieser Entscheidung sei, zu ersetzen, aufgrund deren der Poste Italiane die Einnahmen aus den einzigen Tätigkeitsbereichen, die für sie rentabel seien, durch die privaten Unternehmen entzogen werden könnten.

81 Der Einnahmenverlust könne sogar höher sein, da es äußerst schwierig sei, sicherzustellen, dass Dritte die von dem Rundschreiben 208 gesetzten Grenzen einhielten und diese Möglichkeit nicht missbrauchten, um die ausschließlichen Rechte des vorbehaltenen Bereiches zu umgehen.

82 Wenn die Kommission aber der Ansicht sein sollte, dass die streitige Entscheidung ohne Beachtung der durch das Rundschreiben 208 festgelegten Bedingungen durchzuführen sei, könnte sich der Schaden nach Schätzung der Gesellschaft Ernst & Young auf 1 639, 1 261 bzw. 411 Milliarden ITL pro Jahr belaufen, je nachdem, ob die Zustellung später als 24 Stunden nach Aufgabe ohne Empfangsbestätigung, innerhalb von 24 Stunden nach Aufgabe ohne eine solche Bestätigung oder später als 24 Stunden nach Aufgabe mit einer solchen Bestätigung erfolge. Eine Dauer des Verfahrens zur Hauptsache vor dem Gericht von zwei Jahren führte zu einer Verdoppelung dieser Beträge.

83 Ein derartiger Einnahmeverlust trage zu einer Vergrößerung des Defizits bei, das die Poste Italiane als Anbieterin von Universaldiensten tragen müsse und das nach Abzug der Einnahmen aus dem vorbehaltenen Bereich für das Geschäftsjahr 1999 bei 2 500 Milliarden ITL liege und für das Geschäftsjahr 2000 auf denselben Betrag geschätzt werde.

84 Dieser Schaden sei nicht nur sehr schwer, sondern auch nicht wieder gutzumachen.

85 Zum einen könne der Anbieter des Universaldienstes die ihm entgehenden Einnahmen nur im Wege einer Schadensersatzklage wiedererlangen. In einem solchen Fall jedoch dürfte der eventuell zu ersetzende materielle Schaden der Antragstellerin im Fall der Nichtigerklärung der Entscheidung durch das Gericht schwer zu beziffern sein, da die Antragstellerin kaum in der Lage sein wird, hinreichend genau anzugeben, inwieweit die festgestellte Verringerung der Verkäufe Folge eines stärkeren Wettbewerbs auf dem Markt oder aber von Klimaschwankungen während der Hauptsverkaufszeit wäre" (Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 7. Juli 1998 in der Rechtssache T-65/98 R, Van den Bergh Foods/Kommission, Slg. 1998, II-2641, Randnr. 65). Der betreffende Schaden könne daher offensichtlich keine Schadensersatzpflicht begründen.

86 Zum andern führe der sofortige Vollzug der streitigen Entscheidung zu einer Krise für das Funktionieren der Unternehmens und vor allem für die Erfuellung des Universalpostdienstes in Italien.

87 Da die Einnahmen aus dem vorbehaltenen Bereich indessen nicht ausreichten, um die Kosten des Universaldienstes zu decken, könne das mühsam erreichte Gleichgewicht durch die streitige Entscheidung daher nur gefährdet werden. Dies führe

- zu einer Unterbrechung des Umstrukturierungsprozesses, der durch das plötzliche Entstehen von völlig unvorhergesehenen und unvorhersehbaren Defiziten in Höhe von Hunderten/Tausenden Milliarden ITL gefährdet werde;

- zur Unmöglichkeit, weiterhin die Tätigkeiten und Investitionen zu finanzieren, die zu einer Verbesserung des Universaldienstes beitrügen; insbesondere werde die weitere Verminderung der Einnahmen aus dem vorbehaltenen Bereich die Aufrechterhaltung und erst recht die Entwicklung der Modalitäten und Normen des Dienstes in den Bereichen unmöglich machen, in denen die Zustellung besonders defizitär sei, und zu einem dualen" Dienst führen;

- zu einem weiteren Rückgang der Beschäftigung, da die Belastungen weiter vermindert werden müssten, um dem mit der streitigen Entscheidung verbundenen Einnahmeverlust zu begegnen.

88 Zur Interessenabwägung macht die Poste Italiane geltend, ihr Interesse falle mit einem wesentlichen öffentlichen Interesse an einer zuverlässigen Erbringung des Universalpostdienstes zusammen, das gewiss den Schutz auf Gemeinschaftsebene verdiene. Dieses Interesse sei stärker als das Interesse der Kommission am freien Spiel des Wettbewerbs bei der Erbringung von Postdiensten in Form der termingenauen Zustellung elektronisch erstellter Sendungen.

89 Die Kommission wirft zunächst die Frage auf, ob die Dringlichkeit, auf die sich die Antragstellerin für die Aussetzung des Vollzugs der streitigen Entscheidung berufe, tatsächlich vorliege, da der vorliegende Antrag mehr als zwei Monate nach dem Zeitpunkt der Zustellung der Entscheidung an die Italienische Republik gestellt worden sei (vgl. hierzu Beschluss des Gerichtshofes vom 7. Juli 1965 in der Rechtssache 28/65 R, Fonzi/Kommission, Slg. 1965, 734, 739). Außerdem habe Italien in der Rechtssache C-102/01 keinen Antrag auf Aussetzung des Vollzugs gestellt.

90 Erstens erleide die Antragstellerin durch den Vollzug der streitigen Entscheidung keinen Schaden.

91 Wie die Antragstellerin selbst festgestellt habe, sei sie nicht auf dem Markt der termingenauen Zustellung im Hybrid-Postdienst tätig (26. und 30. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung, Nrn. 135 und 136 des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz). Der Vollzug der Entscheidung der Kommission führe also nicht zu einer Minderung ihres Umsatzes auf diesem Markt, da die Gesellschaft die fraglichen Dienste nicht erbringe. Die Wirkungen des Vollzugs der streitigen Entscheidung für die Antragstellerin seien daher nur potenziell und mittelbar (Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 17. Januar 2001 in der Rechtssache T-342/00 R, Petrolessence und SG2R/Kommission Slg. 2001, II-67, Randnr. 48).

92 Der von der Antragstellerin behauptete hypothetische Schaden, d. h. der entgangene Gewinn der Poste Italiane für das Erbringen eines Dienstes, den sie vor dem Erlass der streitigen Entscheidung nicht angeboten habe und noch immer nicht anbiete, sei keine unmittelbare Folge des Vollzugs dieser Entscheidung. Außerdem stelle die Unmöglichkeit, einen finanziellen Vorteil zu erlangen, über den der Antragsteller nicht verfüge, für diesen keinen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden dar (Beschluss des Gerichtshofes vom 12. Juli 1990 in der Rechtssache C-195/90 R, Kommission/Deutschland, Slg. 1990, I-3351, Randnrn. 42 und 43).

93 Der von der Antragstellerin behauptete Schaden beruhe außerdem auf dem vom Zufall abhängigen Eintritt künftiger ungewisser Ereignisse. Er sei daher nicht aktuell, sondern hypothetisch (Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 2. Dezember 1994 in der Rechtssache T-322/94 R, Union Carbide/Kommission, Slg. 1994, II-1159, Randnr. 31). Um den Schaden auf fast" 316 bzw. 411 Milliarden ITL oder auf 1 639, 1 261 bzw. 411 Milliarden ITL zu beziffern, gehe die Antragstellerin davon aus, dass die Hybrid-Postdienste, die Gegenstand der Entscheidung seien, aufgrund der Entscheidung durch die herkömmlichen Dienste der Poste Italiane ersetzen würden und dass diese Wirkung unmittelbar eintrete. Die Antragstellerin habe jedoch nicht nur nicht darlegen können, dass der termingenaue Hybrid-Postdienst und die traditionellen Dienste austauschbar seien, indem sie im Gegenteil eingeräumt habe, dass diese keine termingenaue Leistung gewährleisteten, sondern sie habe auch kein Beweismittel dafür vorbringen können, dass die Entscheidung eine unmittelbare Substitutionswirkung haben werde. Im Übrigen räume sie ein, dass das Defizit aufgrund der Öffnung der in Rede stehenden Dienste für den Wettbewerb unvorhersehbar" sei.

94 Selbst wenn man von einer unmittelbaren Substitutionswirkung ausginge, bezweifelt die Kommission, dass die privaten Unternehmen, die etwa 2 000 Personen beschäftigten und deren Umsatz jedenfalls unter 200 Milliarden ITL liege, in der Lage wären, das gesamte Volumen der herkömmlichen" Dienste der Poste Italiane umzuleiten, die im Jahr 2000 über 14 131 Postämter und 70 000 Briefkästen in ganz Italien verfüge, 175 315 Personen beschäftige und einen Umsatz von über 5 600 Milliarden ITL erziele.

95 Zudem habe die Poste Italiane nicht angegeben, auf welchen wirtschaftlichen und tatsächlichen Gegebenheiten die je nach den Umständen" vorgenommene Schätzung des finanziellen Schadens beruhe.

96 Was die anderen Schäden anbelangt, macht die Kommission geltend, der Personalabbau sei ein möglicher Schaden Dritter, nämlich der Angestellten, der daher nicht berücksichtigt werden könne (Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 2. Oktober 1997 in der Rechtssache T-213/97 R, Eurocoton/Rat, Slg. 1997, II-1609, Randnr. 46).

97 Die Ursächlichkeit der streitigen Entscheidung für den von der Antragstellerin behaupteten Schaden sei daher nicht bewiesen.

98 Zweitens weist die Kommission die Auffassung zurück, der Schaden sei nicht wieder gutzumachen.

99 Als rein wirtschaftlicher Schaden könne er nicht als nicht oder nur schwer wieder gutzumachender Schaden angesehen werden, da er später finanziell ersetzt werden könne (Beschluss Petrolessence und SG2R/Kommission, Randnr. 46). Die Antragstellerin werde ohne eine Aussetzung des Vollzugs nicht in eine Lage versetzt, die ihre Existenz gefährden oder ihren Marktanteil unwiederbringlich ändern könne (Beschluss Petrolessence und SG2R/Kommission, Randnr. 47),

100 Im Übrigen könne sie den durch die streitige Entscheidung entgangenen Gewinn mit einer Schadensersatzklage einfordern. In diesem Zusammenhang weist die Kommission den Verweis der Antragstellerin auf den Beschluss Van den Bergh Foods/Kommission als unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht maßgebend zurück, da der Präsident des Gerichts die Entscheidung in dieser Rechtssache auf ganz besondere Umstände" des Falles (Randnr. 72 des Beschlusses) stütze, die mit der Art der Ware zusammenhingen.

101 Was den durch die Unterbrechung des Umstrukturierungsprozesses und die Gefahr eines dualen" Dienstes entstehenden Schaden anbelange, trage die Antragstellerin nichts dazu vor, dass dieser Schaden nicht wieder gutzumachen sei. Selbst unterstellt, es sei nachgewiesen, dass dieser Schaden unmittelbare Folge der Einbuße aufgrund der Marktöffnung infolge der Entscheidung wäre, habe die Antragstellerin nicht bewiesen, dass dieser Schaden sie in eine Lage versetzte, die für sie existenzgefährdend sein oder ihre Marktanteile unwiederbringlich verändern könne (Beschluss Petrolessence und SG2R/Kommission, Randnr. 47).

102 Es sei daher nicht bewiesen, dass der behauptete Schaden eine unmittelbare Folge der Entscheidung sei; jedenfalls sei er weder unmittelbar noch tatsächlich, noch nicht wieder gutzumachen.

103 Schließlich nutze die Aussetzung der streitigen Entscheidung der Antragstellerin nur, wenn die italienischen Behörden das Rundschreiben 208 zurückzögen. Anträge auf einstweilige Anordnungen seien zurückgewiesen worden, wenn die Antragsteller nicht bewiesen hätten, dass der Eintritt des fraglichen Schadens durch die Inanspruchnahme eines innerstaatlichen Rechtsbehelfs nicht hätte verhindert werden können (Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofes vom 6. Februar 1986 in der Rechtssache 310/85 R, Deufil/Kommission, Slg. 1986, 537, und vom 17 März 1989 in der Rechtssache 303/88 R, Italien/Kommission, Slg. 1989, 801, abgekürzte Veröffentlichung). Die Klägerin habe das Rundschreiben 208 jedoch nicht vor dem nationalen Gericht angefochten.

104 Hinsichtlich der Interessenabwägung sei im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung nicht nur der Interessen der Beteiligten, einschließlich des Interesses der Kommission, die Verletzung der Wettbewerbsvorschriften des Vertrages sofort zu beenden, vorzunehmen, sondern auch des allgemeineren Interesses an einem ordnungsgemäßen Funktionieren der Gerichtsbarkeit und der Interessen Dritter (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 13. Juni 1989 in der Rechtssache C-56/89 R, Publishers Association/Kommission, Slg. 1989, I-1693, Randnr. 35; Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 16. Juni 1992 in den Rechtssachen T-24/92 R und T-28/92 R, Langnese-Iglo und Schöller Lebensmittel/Kommission, Slg. 1992, II-1839, Randnr. 28, und vom 15. Dezember 1992 in der Rechtssache T-96/92 R, CCE de la Société générale des grandes sources u. a./Kommission, T-96/92 R, Slg. 1992, II-2579, Randnr. 39).

105 Die Notwendigkeit, im Gemeinsamen Markt einen tatsächlichen Wettbewerb zu erhalten und zu entfalten, sei als Erfordernis des öffentlichen Interesses anerkannt worden, das geschützt werden müsse (Beschluss Petrolessence und SG2R/Kommission, Randnr. 52). Im vorliegenden Fall würde eine Aussetzung des Vollzugs der streitigen Entscheidung für die Verbraucher - die den neuen Dienst, der Gegenstand dieser Entscheidung sei, nicht nutzen könnten - eine besonders nachteilige Wettbewerbssituation aufrechterhalten, da sie dazu beitrage, die gegenwärtige Struktur des Marktes, auf dem die Poste Italiane ihre beherrschende Stellung missbrauche, zu erhalten. Dass die Kommission ihre Entscheidung so außergewöhnlich schnell erlassen habe, zeige auch ihr Interesse, einen tatsächlichen Wettbewerb auf dem Markt herzustellen, und somit die Notwendigkeit eines sofortigen Vollzugs der Entscheidung.

106 Überdies würden bei einer Aussetzung des Vollzugs der streitigen Entscheidung die privaten Anbieter auf dem Markt benachteiligt, die große Anfangsinvestitionen getätigt hätten, die ihnen unwiederbringlich verloren gingen.

107 Die Aussetzung könnte schwere Auswirkungen auf die Rechte und Interessen Dritter haben, die an dem Rechtsstreit nicht beteiligt seien und nicht gehört werden könnten; außerdem wäre eine solche Maßnahme nur zu rechtfertigen, wenn die Antragstellerin nachgewiesen hätte, dass sie andernfalls in eine existenzbedrohende Lage geriete (Beschluss Petrolessence und SG2R/Kommission, Randnr. 53). Dies sei nicht der Fall.

108 Falls das Interesse der Antragstellerin an der Leistung eines ordnungsgemäßen Postdienstes tatsächlich durch den Vollzug der streitigen Entscheidung beeinträchtigt worden wäre, hätten die italienischen Behörden sich schließlich nicht bereit gezeigt, die fragliche Regelung zu ändern, und hätten das Rundschreiben 208 nicht erlassen.

109 Die Antragsteller für die Zulassung als Streithelfer haben das Vorbringen der Kommission in der mündlichen Verhandlung unterstützt.

- Richterliche Würdigung

110 Nach ständiger Rechtsprechung bemisst sich die Dringlichkeit eines Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz danach, ob der Erlass einer vorläufigen Entscheidung notwendig ist, um zu vermeiden, dass der Antragsteller einen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden erleidet. Der Antragsteller ist dafür beweispflichtig, dass er die Entscheidung im Verfahren zur Hauptsache nicht abwarten kann, ohne einen derartigen Schaden zu erleiden (Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 15. Juli 1998 in der Rechtssache T-73/98 R, Prayon-Rupel/Kommission, Slg. 1998, II-2769, Randnr. 36, und Beschluss Griechenland/Kommission, Randnr. 14).

111 Das unmittelbare Bevorstehen des Schadens muss nicht mit absoluter Sicherheit nachgewiesen werden, sondern es genügt - insbesondere dann, wenn die Entstehung des Schadens vom Eintritt einer Reihe von Faktoren abhängt -, dass sie mit einem hinreichenden Grad von Wahrscheinlichkeit vorhersehbar ist (Beschluss Kommission/Atlantic Container Line u. a., Randnr. 38, und Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 8. Dezember 2000 in der Rechtssache T-237/99 R, BP Nederland u. a./Kommission, Slg. 2000, II-3849, Randnr. 49). Dem Antragsteller obliegt es jedoch, die Tatsachen zu beweisen, die die Aussicht auf einen solchen schweren und irreparablen Schadens begründen sollen (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 14. Dezember 1999 in der Rechtssache C-335/99 P(R), HFB u. a./Kommission, Slg. 1999, I-8705, Randnr. 67).

112 Vorab ist der Einwand der Kommission zu prüfen, die Poste Italiane habe vor den nationalen Gerichten keine Klage erhoben, um den Eintritt des behaupteten Schadens zu vermeiden.

113 Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung auf eine entsprechende Frage erklärt, sie habe das Rundschreiben 208 aus dem Grund nicht vor den italienischen Verwaltungsgerichten angefochten, weil eine solche Klage, wenn ihr stattgegeben worden wäre, dazu führen würde, dass die Bedingungen, die dieses Rundschreiben für das Erbringen der Dienstleistung der termingenauen Zustellung im Hybrid-Postdienst stelle, ausgesetzt, ja sogar aus der Rechtsordnung verschwinden würden. Der Eintritt des von der Poste Italiane behaupteten Schaden wäre so nicht verhindert, sondern nur vergrößert worden, da die streitige Entscheidung nun unmittelbar anwendbar wäre. Was die Möglichkeit eines Streitbeitritts zur Unterstützung der Anträge des italienischen Staates als Partei vor dem nationalen Gericht in einem Rechtsstreit über dieses Rundschreiben anbelange, so habe sie diese Möglichkeit in Betracht gezogen.

114 Die Kommission hat auf diese Ausführungen erwidert, eine Anordnung der Aussetzung des Vollzugs der streitigen Entscheidung wäre ohne Wirkung, da das Rundschreiben 208 bis zu seiner Rücknahme durch die italienischen Behörden in Kraft bleibe.

115 Die Erklärungen der Antragstellerin liefern eine hinreichende Begründung für ihre Weigerung, die Rechtmäßigkeit des Rundschreibens 208 in Abrede zu stellen, und unterscheiden den vorliegenden Fall von den Rechtssachen, die den Beschlüssen zugrunde liegen, auf die die Kommission ihre Einwände stützt. Die Aufhebung des Rundschreibens 208 durch ein italienisches Verwaltungsgericht könnte den behaupteten Schaden nicht zwingend vermeiden, da sie mit dem Wegfall der Bedingungen für die Erbringung der Dienstleistung der termingenauen Zustellung im Hybrid-Postdienst und möglicherweise einer Verschlimmerung dieses Schadens verbunden sein könnte.

116 Im Übrigen wird diesem Rechtsbehelf nicht dadurch, dass das Rundschreiben 208 aufgehoben werden müsste, um die Aussetzung des Vollzugs der streitigen Entscheidung wirksam werden zu lassen, seine nützliche Wirkung genommen. Gerade dadurch, dass die Antragstellerin sich auf die Anordnung der Aussetzung der streitigen Entscheidung beruft, wäre sie in der Lage, den italienischen Staat zu ersuchen, das Rundschreiben 208 zurückzuziehen, in dessen Begründungserwägungen im Übrigen diese Entscheidung ausdrücklich genannt wird, und zumindest vorübergehend die betreffenden Postdienste wieder in den vorbehaltenen Bereich aufzunehmen.

117 Im vorliegenden Fall führt der sofortige Vollzug der streitigen Entscheidung dazu, dass die termingenaue Zustellung im Hybrid-Postdienst in Italien von verschiedenen Anbietern angeboten werden kann. Das Erbringen dieser Leistungen führt nach Auffassung der Antragstellerin auch unter den Bedingungen des Rundschreibens 208 (vgl. oben, Randnummer 20) zu einem Einnahmeverlust und einer dadurch bedingten Unmöglichkeit, den ihr obliegenden Universalpostdienst zu gewährleisten.

118 Die Antragstellerin hat mehrere Schätzungen des behaupteten finanziellen Schadens aus dem Einnahmeverlust vorgelegt. Einschlägig sind aber nur diejenigen, die sich auf die Zustellung mit Empfangsbestätigung beziehen. Durch die in dem Rundschreiben 208 vorgesehenen Bedingungen soll insbesondere dadurch, dass der Empfänger den Empfang schriftlich bestätigen muss, sichergestellt werden, dass die Lieferung tatsächlich erfolgt ist. Der in Betracht zu ziehende Schaden liegt daher zwischen 316 und 411 Milliarden ITL.

119 Dieser Schaden ist ein rein finanzieller Schaden. Ein solcher Schaden kann nur unter besonderen Umständen als nicht oder nur schwer wieder gutzumachen angesehen werden, da er Gegenstand eines späteren finanziellen Ausgleichs sein kann (Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofes vom 18. Oktober 1991 in der Rechtssache C-213/91 R, Abertal u. a./Kommission, Slg. 1991, I-5109, Randnr. 24, und des Präsidenten des Gerichts vom 30. Juni 1999 in der Rechtssache T-70/99 R, Alpharma/Rat, Slg. 1999, II-2027, Randnr. 128).

120 Nach diesen Grundsätzen wäre die beantragte Aussetzung gerechtfertigt, wenn sich die Antragstellerin ohne eine solche Maßnahme in einer Situation befände, die ihre Existenz gefährden könnte (vor allem Beschluss des Präsidenten der fünften Kammer des Gerichts vom 28. April 1999 in der Rechtssache T-11/99 R, Van Parys u. a./Kommission, Slg. 1999, II-1355, Randnr. 62).

121 Soweit die Poste Italiane als Anbieterin von Universaldiensten eine Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse im Sinne des Artikels 86 Absatz 2 EG wahrnimmt, deren Erfuellung wesentlich ist, rechtfertigte sich die Aussetzung auch, wenn nachgewiesen wäre, dass der Ausschluss der termingenauen Zustellung im Hybrid-Postdienst aus dem vorbehaltenen Bereich sie daran hinderte, die ihr übertragene Aufgabe ordnungsgemäß zu erfuellen, bis über die Hauptsache entschieden ist. Ein solcher Beweis wäre erbracht, wenn gezeigt würde, dass angesichts der wirtschaftlichen Bedingungen, unter denen der Auftrag von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse bis dahin erfolgreich ausgeübt wurde, das betreffende ausschließliche Recht für die Erfuellung einer solchen Aufgabe durch den dazu Berechtigten absolut unabdingbar ist.

122 Im vorliegenden Fall wurde der Beweis, dass die Einnahmen der Poste Italiane dadurch vermindert würden, dass die vorbehaltenen Dienste durch dem Wettbewerb unterliegende Dienste ersetzt würden, nicht erbracht.

123 Unbeschadet der Vereinbarkeit der im Rundschreiben 208 enthaltenen Modalitäten des Vollzugs der streitigen Entscheidung mit dem Vertrag, deren Würdigung der Kommission obliegt, sieht dieses Rundschreiben vor, dass die Genehmigungen zur Erbringung der termingenauen Zustellung im Hybrid-Postdienst erst erteilt werden können, wenn der Anbieter sämtliche darin aufgeführten Bedingungen erfuellt.

124 Die Antragsteller für die Zulassung als Streithelfer haben aber in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, ohne dass die Poste Italiane dem widersprochen hätte, dass wegen dieser Berücksichtigung kein Genehmigungsantrag bei den zuständigen italienischen Behörden gestellt worden sei. Daher ist die Poste Italiane derzeit weder dem von ihr behaupteten Wettbewerb ausgesetzt, noch erleidet sie die dadurch bedingten Einnahmeverluste.

125 Sodann ist für die Würdigung der Frage, ob das Dringlichkeitserfordernis erfuellt ist, nicht hinreichend dargetan worden, dass die vorbehaltenen Dienste als Folge der streitigen Entscheidung durch Dienste ersetzt würden, die dem Wettbewerb unterliegen. Insbesondere hängt eine solche Ersetzung unter anderem von dem Preis ab, den die Anbieter für die termingenaue Zustellung im Hybrid-Postdienst verlangen und die betroffenen Unternehmen zu zahlen bereit sein werden. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes stehen jedoch keine konkreten Angaben zur Verfügung, anhand deren sich die genauen Folgen feststellen ließen, die das Fehlen einer Aussetzung haben könnte (Beschlüsse des Präsidenten der zweiten Kammer der Gerichts vom 16. Juli 1999 in der Rechtssache T-143/99 R, Hortiplant/Kommission, Slg. 1999, II-2451, Randnr. 18, und des Präsidenten des Gerichts vom 14. April 2000 in der Rechtssache T-144/99 R, Institut des mandataires agréés/Kommission, Slg. 2000, II-2067, Randnr. 43).

126 Schließlich hängt das Ausmaß des behaupteten Schadens von mehreren ungewissen Ereignissen ab, wie der Anzahl der Anbieter, die die Zustellung im Hybrid-Postdienst gemäß der angefochtenen Entscheidung erbringen, dem Zeitpunkt ihres jeweiligen Eintritts in den Markt und der Entwicklung der Nachfrage nach den Diensten. Die Höhe des behaupteten Schadens - zwischen 316 und 411 Milliarden ITL - folgt somit nicht automatisch aus dem Vollzug der streitigen Entscheidung.

127 Folglich hat die Antragstellerin die Aussicht auf den von ihr behaupteten finanziellen Schadens nicht rechtlich hinreichend bewiesen.

128 Da die Voraussetzungen des Eintritts des finanziellen Schadens nicht hinreichend dargetan sind, können die anderen behaupteten Nachteile, deren Eintritt von diesem abhängt, nicht als bewiesen angesehen werden.

129 Die Antragstellerin hat daher nicht bewiesen, dass sie ohne den Erlass der beantragten Maßnahme einen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden erleiden würde.

130 Selbst wenn man unterstellt, die Antragstellerin habe hinreichend dargetan, dass sie einen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden erleide, wenn der Vollzug der streitigen Entscheidung nicht ausgesetzt würde, müsste im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes noch das Interesse der Antragstellerin an der beantragten vorläufigen Maßnahme gegen das öffentliche Interesse am Vollzug der Entscheidung der Kommission gemäß Artikel 86 Absatz 3 EG, die Interessen der Mitgliedstaaten, an die sich eine solche Handlung richtet und die Interessen Dritter, die unmittelbar durch eine mögliche Aussetzung der streitigen Entscheidung betroffen sind, abgewogen werden (ebenso Beschlüsse des Präsidenten des Gericht CCE der Société générale des grandes sources u. a./Kommission, Randnr. 39, vom 10. Mai 1994 in der Rechtssache T-88/94 R, Société commerciale des potasses et de l'azote und Entreprise minière et chimique/Kommission, Slg. 1994, II-263, Randnr. 44, Union Carbide/Kommission, Randnr. 36, und Petrolessence und SG2R/Kommission, Randnr. 51).

131 Diese Abwägung spricht für die Aufrechterhaltung der streitigen Entscheidung.

132 Artikel 16 EG bestätigt zwar den Stellenwert, der Diensten von allgemeinem Interesse unter den gemeinsamen Werten der Europäischen Union zukommt, sowie ihre Bedeutung für die Förderung des sozialen und territorialen Zusammenhalts. Die Kommission hat diesen Stellenwert und diese Bedeutung in der Mitteilung Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa" (ABl. 2001, C 17, S. 4) anerkannt.

133 Artikel 86 Absatz 3 EG überträgt der Kommission jedoch die Aufgabe, auf die Einhaltung der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten in Bezug auf öffentliche Unternehmen und Unternehmen zu achten, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, und verleiht ihr ausdrücklich die Befugnis, hierzu Richtlinien oder Entscheidungen zu erlassen. Artikel 86 Absatz 3 EG verleiht der Kommission somit die Befugnis, durch eine Entscheidung festzustellen, dass eine bestimmte staatliche Maßnahme mit den Vorschriften des Vertrages unvereinbar ist, und die Maßnahmen anzugeben, die der betroffene Staat erlassen muss, um den Verpflichtungen aus dem Gemeinschaftsrecht nachzukommen (Urteil des Gerichtshofes vom 12. Februar 1992 in den Rechtssachen C-48/90 und C-66/90, Niederlande u. a./Kommission, Slg. 1992, I-565, Randnr. 28, und Urteil des Gerichts vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache T-266/97, Vlaamse Televisie Maatschappij/Kommission, Slg. 1999, II-2329, Randnr. 34).

134 Im Übrigen ist ein Verfahren, das zum Erlass einer Entscheidung nach Artikel 86 Absatz 3 EG führt, ein Verfahren gegenüber dem betreffenden Mitgliedstaat, und Empfänger der zum Abschluss des Verfahrens erlassenen Entscheidung ist dieser Mitgliedstaat, im vorliegenden Fall die Italienische Republik (Artikel 4). Die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beantragte Maßnahme kann jedoch schwerwiegende Auswirkungen auf die Rechte und die Interessen der Italienischen Republik haben, die weder an dem Rechtsstreit beteiligt ist und daher nicht gehört werden konnte, noch einen Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der streitigen Entscheidung im Rahmen der Rechtssache C-102/01 gestellt hat, in der sie später ihre Klage zurückgenommen hat (vgl. oben, Randnrn. 33 und 34). Eine solche Maßnahme könnte daher nur damit gerechtfertigt werden, dass die Antragstellerin ohne diese Maßnahme die ihr übertragene Aufgabe nicht erfuellen könnte. Der Beweis, dass der Vollzug der streitigen Entscheidung sie in eine solche Situation brächte, wurde jedoch nicht erbracht.

135 Da das Erfordernis der Dringlichkeit nicht erfuellt ist und die Interessenabwägung gegen eine Aussetzung der streitigen Entscheidung spricht, ist der vorliegende Antrag zurückzuweisen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

beschlossen:

1. Das Recapitalia Consorzio Italiano delle Agenzie di Recapito Licenziatarie del Ministero delle Communicazioni und die TNT Post Groep NV werden als Streithelfer in der Rechtssache T-53/01 R zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen.

2. Den Anträgen der Poste Italiane SpA und der Kommission auf vertrauliche Behandlung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wird stattgegeben.

3. Der Antrag auf einstweilige Anordnung wird zurückgewiesen.

4. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Ende der Entscheidung

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