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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 22.11.1990
Aktenzeichen: T-54/89
Rechtsgebiete: Beamtenstatut, Beschäftigungsbedingungen


Vorschriften:

Beamtenstatut Art. 59 Abs. 1
Beamtenstatut Art. 7 Abs. 3 Anhang II
Beamtenstatut Art. 9 Abs. 2 Anhang II
Beschäftigungsbedingungen Art. 47
Beschäftigungsbedingungen Art. 48
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Der kollegiale Charakter der Arbeiten des Invaliditätsausschusses schließt nicht aus, daß der Meinungsaustausch zwischen seinen Mitgliedern teilweise schriftlich erfolgt. Im übrigen stellt die Existenz eines Protokolls kein konstitutives Element für eine wirksame Arbeit des Invaliditätsausschusses dar.

2. Das Schreiben, mit dem dem Bediensteten gemäß Artikel 9 Absatz 2 des Anhangs II des Statuts die Schlußfolgerungen des Invaliditätsausschusses mitgeteilt werden, stellt keine Entscheidung der Anstellungsbehörde dar, die Gegenstand einer Anfechtungsklage sein kann.

3. Aus Artikel 33 Absatz 2 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten folgt, daß die Anstellungsbehörde, wenn der Invaliditätsausschuß zu der Schlußfolgerung gelangt ist, daß ein Bediensteter auf Zeit nicht dienstunfähig ist, keine andere Entscheidung treffen kann.

4. Eine Unterbrechung der Tätigkeit eines Beamten ist durch die Vorlage eines Attests, das keine Begründung enthält, nicht medizinisch gerechtfertigt. Sie ist auch nicht gerechtfertigt durch die Vorlage eines Attests, das sich auf eine Diagnose bezieht, der sowohl die Schlußfolgerungen des Invaliditätsausschusses als auch eine Kontrolluntersuchung des Vertrauensarztes des Organs widersprechen.

5. Die Artikel 47 und 48 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten stehen der einseitigen Beendigung des unbefristeten Beschäftigungsvertrags eines Bediensteten auf Zeit ohne Angabe von Gründen nicht entgegen. Dies gilt auch während eines Krankheitsurlaubs mit der einzigen Einschränkung, daß in dem Fall, daß der Vertrag eine Kündigungsklausel enthält, die Kündigungsfrist nicht während des Urlaubs beginnen kann, sofern dieser nicht länger als drei Monate dauert. Es gibt keine Vorschrift, wonach ein Verfahren zur Feststellung der Invalidität zur Folge hätte, daß das Recht der Anstellungsbehörde, den Vertrag eines Bediensteten zu beenden, ausgesetzt wäre, solange ihm die Schlußfolgerungen des Invaliditätsausschusses noch nicht mitgeteilt worden sind. Der blosse Umstand, daß die Entscheidung über die Entlassung getroffen wurde, bevor der Betroffene Kenntnis von den Schlußfolgerungen des Invaliditätsausschusses gehabt hatte, erlaubt es nicht, auf einen Ermessensmißbrauch zu schließen.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (VIERTE KAMMER) VOM 22. NOVEMBER 1990. - V. GEGEN EUROPAEISCHES PARLAMENT. - BEAMTE - BEDIENSTETE AUF ZEIT - ANERKENNUNG DER DIENSTUNFAEHIGKEIT - INVALIDITAETSAUSSCHUSS. - RECHTSSACHE T-54/89.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Die Klägerin wurde am 10. Juli 1981 als Bedienstete auf Zeit der Besoldungsgruppe C 1 bei der Fraktion der Europäischen Volkspartei ( EVP ) des Europäischen Parlaments eingestellt. In den folgenden Jahren blieb sie dem Dienst wegen Krankheit mehr als insgesamt zwölf Monate während eines Zeitraums von drei Jahren fern. Die Klägerin trägt vor, dieses Fernbleiben habe zunächst auf einer Nierensenkung beruht, die sich durch unvermutete stechende Schmerzen und einen Zustand körperlicher Erschöpfung geäussert habe, und sodann auf Depressionen. Für einige dieser Fehlzeiten hat die Klägerin ein ärztliches Attest vorgelegt.

2 Die Klägerin wurde gemäß Artikel 59 Absatz 1 Unterabsatz 4 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften ( hiernach : Statut ), der nach Artikel 16 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften ( hiernach : Beschäftigungsbedingungen ) für die Bediensteten auf Zeit gilt, einem ersten Verfahren zur Feststellung einer etwaigen Invalidität unterzogen. Der Invaliditätsausschuß, der am 20. November 1986 zusammentrat, kam zu dem Ergebnis, daß bei der Klägerin keine volle Dienstunfähigkeit vorliege, die sie daran hindern würde, ein Amt ihrer Laufbahn bei den Gemeinschaften wahrzunehmen, und daß sie deshalb ihre Tätigkeit wieder aufnehmen müsse. Das von der Klägerin benannte Mitglied des Invaliditätsausschusses, Dr. Boccardo, distanzierte sich jedoch von diesen Schlußfolgerungen. Die Stellungnahme des Ausschusses wurde der Klägerin mit Schreiben des Generaldirektors für Personal, Haushalt und Finanzen ( hiernach : Generaldirektor ) vom 5. Dezember 1986 mitgeteilt, mit dem sie gleichzeitig aufgefordert wurde, ihre Tätigkeit wieder aufzunehmen. Die Klägerin nahm ihre Tätigkeit am 6. Januar 1987 wieder auf.

3 Nach weiterem häufigen Fernbleiben vom Dienst wurde die Klägerin auf Antrag des Vertrauensarztes des Parlaments von dem Nephrologen Dr. Van Roost, Brüssel, untersucht, der folgendes feststellte :

"Die Befunde der klinischen Untersuchung und das sorgfältige Studium aller von Frau V. vorgelegten Unterlagen erlauben es nicht, auf das Vorliegen einer dauernden Vollinvalidität zu schließen, die es ihr unmöglich machte, ihrer Tätigkeit als Sekretärin nachzugehen."

4 Nachdem die Klägerin erneut mehrfach dem Dienst ferngeblieben war, entschied die Anstellungsbehörde am 14. Juli 1987, einen neuen Invaliditätsausschuß mit ihrem Fall zu befassen. Die Klägerin benannte Dr. Boccardo und das Parlament Dr. Di Paolantonio für diesen Ausschuß. Diese beiden Ärzte konnten jedoch über die Benennung des dritten Arztes keine Einigung erzielen und waren über die Verpflichtung der Verwaltung, Dr. Boccardo eine Kopie der gesamten ärztlichen Akte der Klägerin zu übergeben, geteilter Auffassung.

5 Am 6. Oktober 1987 schrieb Dr. Di Paolantonio wie folgt an Dr. Boccardo :

"Die Forderungen, die Frau V. in bezug auf die Auswahl des dritten Arztes erhoben hat ( italienische Kultur und Mentalität, Distanz zu ihrem Arbeitsort ), werden von dem Arzt erfuellt, den sie zu ihrer Vertretung gewählt hat; der dritte Arzt hingegen ist nach dem Statut von den beiden anderen Ärzten des Invaliditätsausschusses im gegenseitigen Einvernehmen auszuwählen.

Ich bestätige Ihnen, daß es mir nicht möglich ist, die Ärzte, die Sie mir in Ihren Schreiben vom 26. August und 19. September 1987 vorgeschlagen haben, zu akzeptieren, und ich bedauere, daß Sie nicht die in meinem Schreiben vom 11. September 1987 vorgeschlagenen Kandidaten akzeptieren konnten. Ich schlage Ihnen daher als dritten Arzt Professor Alexandre vor, einen weltberühmten Spezialisten für Nephrologie, der an der Universitätsklinik Saint-Luc in Brüssel tätig ist.

Was die Akte von Frau V. betrifft... Im März 1984 ließ sie sich im Rahmen der jährlichen Untersuchung von Ihnen untersuchen. Alle nach diesem Zeitpunkt erstellten ärztlichen Unterlagen sind von Frau V. und von Ihnen selbst übersandt worden, und ich glaube nicht, daß es erforderlich ist, Ihnen 'eine Kopie dieser Kopien' zukommen zu lassen."

6 Mit Schreiben vom 17. Oktober 1987 antwortete Dr. Boccardo Dr. Di Paolantonio wie folgt :

"Ich kann Ihnen bestätigen, was ich Ihnen gegenüber bereits am 12. Oktober 1987 telefonisch geäussert habe : Von unserer Seite gibt es keine Einwände gegen die Berufung von Professor Alexandre von der Universität Brüssel als dritten Arzt im Invaliditätsausschuß.

Ich möchte jedoch auf einige Bedingungen hinweisen, die vor der endgültigen Einigung über den von Ihnen Vorgeschlagenen angenommen werden sollten :

1 ) Da wir nun schon zum zweiten Mal eine von Ihnen vorgeschlagene Person akzeptieren, ist für den Fall, daß Professor Alexandre die Aufgabe nicht übernehmen sollte, eine etwaige nächste Auswahl aus mehreren von uns vorgeschlagenen Personen vorzunehmen; ausgeschlossen sind allenfalls diejenigen, die von Ihnen bereits abgelehnt wurden, und sei es ohne bestimmten Grund.

2 ) Da ich Ihre Zusammenfassung über den Inhalt der ärztlichen Akte der Frau V. nicht für ausreichend halte, wird der Invaliditätsausschuß erst zusammentreten, nachdem der Unterzeichnete die gesamten meine Patientin betreffenden Unterlagen ( amtsärztliche Untersuchungen, ärztliche Hilfeleistungen während der Arbeit, Therapien und so weiter ) sowie jedes andere Schriftstück, das ich deshalb nicht in Händen habe, weil wir es dem Ärztlichen Dienst des Parlaments vorgelegt haben, in Kopie erhalten hat."

7 Da das Parlament die von Dr. Boccardo gestellten Bedingungen für unannehmbar hielt, beantragte es gemäß Artikel 7 Absatz 3 des Anhangs II des Statuts beim Präsidenten des Gerichtshofes die Bestellung des dritten Mitglieds des Untersuchungsausschusses von Amts wegen. Es wurde Dr. Pouthier, Ärztin in der Nephrologischen Abteilung des Centre hospitalier Luxemburg, bestimmt; Dr. Boccardo wurde hiervon mit Schreiben des Generaldirektors vom 12. November 1987 unterrichtet.

8 Am 26. Januar 1988 trat der Untersuchungsausschuß für fünf Stunden und vierzig Minuten zusammen. Bei dieser Zusammenkunft wurden die gesamten medizinischen, physischen und psychologischen Probleme der Klägerin erörtert. Dr. Di Paolantonio und Dr. Pouthier weigerten sich, einen von Dr. Boccardo verfassten, 98 Seiten langen Entwurf zu unterzeichnen, in dem vorgeschlagen wurde, die Invalidität der Klägerin festzustellen.

9 Ausserdem wollte Dr. Pouthier während der Zusammenkunft kein Schriftstück unterzeichnen, weil sie zusätzliche Informationen wünschte. Sie erklärte, sie werde ihre Schlußfolgerungen in Kürze vorlegen. Von der Zusammenkunft des Ausschusses wurde kein Protokoll angefertigt.

10 Am 27. Januar 1988 setzte Dr. Di Paolantonio ein vier Seiten umfassendes ärztliches Gutachten und einen Entwurf der Schlußfolgerungen auf, die er seinen beiden Kollegen vorlegte. Am 1. Februar 1988, nach Ablauf der von ihr selbst gesetzten Frist, schloß sich Dr. Pouthier der Ansicht Dr. Di Paolantonios an und unterzeichnete die von diesem vorgeschlagenen Schlußfolgerungen. Am 8. Februar 1988 teilte Dr. Boccardo seinen beiden Kollegen mit, daß er sich weigere, diese Schlußfolgerungen zu unterzeichnen, und verlangte eine erneute Zusammenkunft des Invaliditätsausschusses.

11 Am 19. Februar 1988 unterrichtete Dr. Di Paolantonio den Generaldirektor über den Ablauf der Zusammenkunft und übersandte ihm Kopien der Schlußfolgerungen, zu denen der Invaliditätsausschuß gelangt war.

12 Am 24. Februar 1988 teilte der Generaldirektor Dr. Boccardo mit Schreiben Nr. 05170 mit, daß, nachdem zwei Ärzte zu übereinstimmenden Schlußfolgerungen gelangt seien, diese seiner Meinung nach die Ansicht der Mehrheit des Invaliditätsausschusses darstellten und daß die Arbeit des Invaliditätsausschusses daher als beendet anzusehen sei. Mit Schreiben Nr. 05169 vom selben Tag übersandte der Generaldirektor der Klägerin kommentarlos die Schlußfolgerungen des Invaliditätsausschusses.

13 Mit Schreiben vom selben Tag teilte der Vorsitzende der Fraktion der EVP in seiner Eigenschaft als Anstellungsbehörde der Klägerin die Auflösung ihres Dienstvertrags gemäß Artikel 47 Nr. 2 Buchstabe a der Beschäftigungsbedingungen mit. Er wies darauf hin, daß die Kündigungsfrist am 1. März 1988 beginne und am 31. Mai 1988 ende.

14 In der Zwischenzeit hatte die Klägerin der Verwaltung ein vom 23. Februar 1988 datierendes und von Dr. Verreydt unterzeichnetes Attest über die Unterbrechung der Tätigkeit für einen Zeitraum von zwei Monaten übersandt. Mit Schreiben Nr. 05531 vom 26. Februar 1988 teilte der Generaldirektor der Klägerin mit, daß diese Bescheinigung vom Parlament "unter Berücksichtigung der Schlußfolgerungen des mit der Untersuchung Ihres Falles beauftragten Invaliditätsausschusses... und auf Vorschlag unseres Vertrauensarztes" zurückgewiesen werde, und wies sie an, ihre Tätigkeit unverzueglich wiederaufzunehmen. In dem betreffenden Attest war nicht angegeben, welche medizinischen Gründe die Unterbrechung der Tätigkeit rechtfertigten. Die Klägerin lag nach eigenen Angaben wegen einer Magenspülung im Krankenhaus.

15 Die Klägerin legte sodann ein zweites, vom 1. März 1988 datierendes und wiederum von Dr. Verreydt unterzeichnetes Attest vor, in dem eine Arbeitsunfähigkeit vom 1. März bis zum 1. Juni 1988 bescheinigt wurde.

16 Am 7. März 1988 nahm der Vertrauensarzt des Parlaments, Dr. Vandenitte, nach einem Telefongespräch mit dem behandelnden Arzt der Klägerin eine Kontrolluntersuchung im Haus der Klägerin vor. Er war der Ansicht, daß die Klägerin zu diesem Zeitpunkt arbeitsfähig war.

17 Mit Note vom 3. Mai 1988, eingetragen in das Register des Parlaments am 24. Mai 1988, legte die Klägerin gegen die Entscheidung des Vorsitzenden der Fraktion der EVP vom 24. Februar 1988 und die Entscheidung Nr. 05531 des Generaldirektors vom 26. Februar 1988, mit der das am 23. Februar 1988 ausgestellte ärztliche Attest zurückgewiesen worden war, Beschwerde ein.

18 Mit einer weiteren Note vom 16. Mai 1988, eingetragen in das Register am 24. Mai 1988, beantragte die Klägerin zum einen die Aufhebung der Entscheidung Nr. 05169 des Generaldirektors vom 24. Februar 1988, soweit dieser sich die Schlußfolgerungen des Invaliditätsausschusses zu eigen gemacht hatte, und zum anderen die Fortsetzung des Verfahrens zur Feststellung der Invalidität.

19 Am 22. August 1988 wies die Anstellungsbehörde die beiden Beschwerden ausdrücklich zurück.

Verfahren

20 Daraufhin hat die Klägerin mit Klageschrift, die am 21. November 1988 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, die vorliegende Klage gegen das Parlament erhoben, die unter der Nummer 336/88 in das Register eingetragen worden ist.

21 Das gesamte schriftliche Verfahren hat vor dem Gerichtshof stattgefunden. Mit Beschluß vom 15. November 1989 hat der Gerichtshof die Rechtssache gemäß Artikel 14 des Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften an das Gericht verwiesen, bei dem sie unter der Nummer T-54/89 in das Register eingetragen worden ist.

22 Das Gericht ( Vierte Kammer ) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.

23 Nach zweimaliger Verlegung des Termins hat die mündliche Verhandlung schließlich am 4. Juli 1990 stattgefunden. Die Vertreter der Parteien haben mündlich verhandelt und die Fragen des Gerichts beantwortet.

24 Die Klägerin beantragt,

1 ) die folgenden Entscheidungen des Parlaments aufzuheben :

a ) den der Klägerin am 24. Februar 1988 übersandten Bericht des Invaliditätsausschusses zur Frage der Invalidität der Klägerin;

b ) die Entscheidung Nr. 05169 des Personaldirektors des Parlaments, soweit dieser den Bericht des Invaliditätsausschusses stillschweigend akzeptiert und sich zu eigen macht und der Klägerin die Gewährung eines Ruhegehalts wegen Dienstunfähigkeit verweigert;

c ) die Entscheidung Nr. 05531 des Personaldirektors des Parlaments vom 26. Februar 1988, mit der dieser das von der Klägerin vorgelegte ärztliche Attest über die Unterbrechung der Tätigkeit wegen Krankheit zurückwies und die Klägerin aufforderte, ihre Tätigkeit wiederaufzunehmen;

d ) die Entscheidung des Vorsitzenden der Fraktion der Europäischen Volkspartei in seiner Eigenschaft als Anstellungsbehörde, den Arbeitsvertrag der Klägerin als Bediensteter auf Zeit des Parlaments der Besoldungsgruppe C 1, Dienstaltersstufe 5, bei der Fraktion der Europäischen Volkspartei zu beenden;

e ) die Entscheidung des Präsidenten der Fraktion der Europäischen Volkspartei in seiner Eigenschaft als Anstellungsbehörde, soweit sie die Zurückweisung der von der Klägerin am 16. Mai 1988 gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Beamtenstatuts gegen die Entscheidung Nr. 05169 des Personaldirektors eingelegte Beschwerde betrifft;

f ) die Entscheidung des Präsidenten der Fraktion der Europäischen Volkspartei in seiner Eigenschaft als Anstellungsbehörde, soweit sie die Zurückweisung der von der Klägerin am 3. Mai 1988 gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Beamtenstatuts gegen die Entscheidung der Anstellungsbehörde, das Arbeitsverhältnis zu beenden, eingelegte Beschwerde betrifft;

2 ) festzustellen, daß die Klägerin Anspruch auf eine erneute ärztliche Untersuchung zur Feststellung des Vorliegens der Invaliditätsvoraussetzungen hat;

3 ) den Beklagten zu verurteilen,

a ) die der Klägerin als Bediensteter auf Zeit der Besoldungsgruppe C 1, Dienstaltersstufe 5, zustehenden Dienstbezuege, einschließlich der Vergütungen und Zulagen, nebst Verzugszinsen zum banküblichen Satz vom 31. Mai 1988 an zu zahlen;

b ) die Kosten des Verfahrens zu tragen.

25 Das Parlament beantragt,

1 ) die Klage abzuweisen;

2 ) über die Kosten des Verfahrens nach den einschlägigen Bestimmungen des Statuts zu entscheiden.

Begründetheit

26 Die Klägerin stützt ihre Klageanträge in ihren Schriftsätzen auf mehrere Klagegründe, die vom Vertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung wie folgt zusammengefasst worden sind :

- Der Invaliditätsausschuß sei nicht ordnungsgemäß gebildet worden, da das dritte Ausschußmitglied auf Antrag des Parlaments vom Präsidenten des Gerichtshofes benannt worden sei, obwohl bereits eine Einigung der Parteien auf Professor Alexandre vorgelegen habe;

- die Arbeiten dieses Ausschusses seien nicht in kollegialer Art und Weise in Übereinstimmung mit den Kriterien durchgeführt worden, die der Gerichtshof im Urteil vom 10. Dezember 1987 in der Rechtssache 277/84 ( Jänsch/Kommission, Slg. 1987, 4923 ) aufgestellt habe;

- den Arbeiten dieses Ausschusses hafte ein wesentlicher Verfahrensfehler an, da kein Protokoll angefertigt worden sei;

- die Entscheidung, die Invalidität der Klägerin nicht anzuerkennen, sei fehlerhaft, da sie von einer unzuständigen Person, die nicht Anstellungsbehörde sei, getroffen worden sei und keine Begründung enthalte;

- die Entscheidung, die Klägerin zu entlassen, sei fehlerhaft, da sie vor der Mitteilung der Entscheidung über ihren Antrag auf Feststellung der Invalidität getroffen worden sei, also bevor das Verfahren zur Feststellung der Invalidität abgeschlossen gewesen und ihr die Entscheidung der Anstellungsbehörde ordnungsgemäß mitgeteilt worden sei;

- die Entscheidung, die Klägerin zu entlassen, sei ausserdem deshalb fehlerhaft, weil sie zu einem Zeitpunkt getroffen worden sei, zu dem sich die Klägerin ordnungsgemäß im Krankheitsurlaub befunden habe, da die Entscheidung, die am 23. Februar und am 1. März 1988 von Dr. Verreydt ausgestellten Atteste zurückzuweisen, ihrerseits fehlerhaft gewesen sei.

27 Diese Klagegründe sind unter zwei Gesichtspunkten zu prüfen, zum einen dem der Korrektheit der Bildung und der Arbeiten des Invaliditätsausschusses und zum anderen dem der Rechtmässigkeit der Ende Februar und Anfang März 1988 getroffenen Entscheidungen.

Zur Bildung und zu den Arbeiten des Invaliditätsausschusses

28 Die Klägerin macht in erster Linie geltend, daß sich Dr. Boccardo und Dr. Di Paolantonio auf die Benennung von Professor Alexandre als drittes Mitglied des Invaliditätsausschusses geeinigt hätten. Das Parlament sei daher nicht berechtigt gewesen, beim Präsidenten des Gerichtshofes zu beantragen, den Ausschuß zu vervollständigen, da dieses Verfahren ein ausserordentliches Verfahren sei, das allein dem Fall einer absoluten und andauernden Uneinigkeit zwischen den beiden von den Parteien benannten Ärzten vorbehalten sei. Unter diesen Umständen sei Dr. Pouthier nicht in Übereinstimmung mit den Vorschriften des Statuts benannt worden, und alle späteren Arbeiten des Ausschusses seien folglich unheilbar nichtig.

29 Die Klägerin trägt zweitens vor, der Ausschuß habe bei seinen Arbeiten den Grundsatz der Kollegialität verletzt, wie dieser vom Gerichtshof im Urteil vom 10. Dezember 1987 in der Rechtssache 277/84 ( Jänsch, a. a. O.) bestätigt worden sei. Das ärztliche Gutachten und die von Dr. Di Paolantonio im Anschluß an die erste Zusammenkunft verfassten Schlußfolgerungen hätten mit dem Gutachten von Dr. Boccardo von den Ausschußmitgliedern bei einer zweiten Zusammenkunft kontrovers erörtert werden müssen. Erst nach Abschluß einer solchen Erörterung hätte der Ausschuß rechtsverbindliche Schlußfolgerungen ziehen können.

30 Die Klägerin trägt drittens vor, das Fehlen eines Protokolls stelle einen wesentlichen Verfahrensfehler dar, der die Nichtigkeit der Arbeiten des Invaliditätsausschusses zur Folge habe. Der Gerichtshof habe in seinem Urteil vom 10. Dezember 1987 in der Rechtssache 277/84 ( Jänsch, a. a. O.) zwar entschieden, daß die Existenz eines Protokolls kein konstitutives Element für eine wirksame Ausschussarbeit darstelle; das Gericht müsse ihm hierin jedoch nicht folgen.

31 Das Parlament entgegnet, daß die angebliche Einwilligung von Dr. Boccardo in die Benennung von Professor Alexandre nicht endgültig gewesen sei, weil sie mit unannehmbaren Bedingungen verknüpft gewesen sei. Das ausserordentliche Verfahren nach Artikel 7 Absatz 3 des Anhangs II des Statuts sei erst drei Monate nach der Entscheidung, einen neuen Ausschuß zu befassen, und daher nicht verfrüht in Anspruch genommen worden.

32 Zum Vorwurf der Verletzung des Grundsatzes der Kollegialität ist das Parlament der Ansicht, dieser Grundsatz bedeute nicht, daß die Ärzte die Schlußfolgerungen gemeinsam abzufassen hätten. Im vorliegenden Fall habe eine lange Zusammenkunft stattgefunden, während deren sich jedes Mitglied habe Notizen machen können, aufgrund deren es einen Schlußfolgerungsentwurf habe vorschlagen können. Dadurch, daß Dr. Di Paolantonio seinen Kollegen einen Schlußfolgerungsentwurf vorgelegt habe, sei der kollegiale Charakter der Ausschussarbeiten nicht berührt worden. Die Schlußfolgerungen der Mehrheit seien trotz Fehlens der Unterschrift des Arztes, der sich in der Minderheit befunden habe, gültig. Das Parlament verweist insoweit auf die Urteile des Gerichtshofes vom 12. März 1975 in der Rechtssache 31/71 ( Gigante/Kommission, Slg. 1975, 337 ) und vom 9. Juli 1975 in den Rechtssachen 42/74 und 62/74 ( Vellozzi/Kommission, Slg. 1975, 871 ). Bezueglich des Fehlens eines Protokolls verweist das Parlament auf das Urteil des Gerichtshofes vom 10. Dezember 1987 in der Rechtssache 277/84 ( Jänsch, a. a. O.).

33 Für das Gericht ergibt sich aus dem Wortlaut des Schreibens von Dr. Boccardo vom 17. Oktober 1987 - im Lichte des Schreibens von Dr. Di Paolantonio vom 6. Oktober 1987 ( siehe oben Randnrn. 5 und 6 ) betrachtet - zweifelsfrei, von welcher Art von Bedingungen Dr. Boccardo die Einwilligung in die Benennung Professor Alexandres als drittes Mitglied des Invaliditätsausschusses abhängig gemacht hatte. Diese Bedingungen waren nicht rein formaler Art, sondern wurden ausdrücklich als Vorbedingungen für eine "endgültige Einigung" bezeichnet, bewirkten also, daß diese aufgeschoben wurde. Die Klägerin kann daher nicht behaupten, daß Dr. Boccardo und Dr. Di Paolantonio eine Einigung erreicht hätten. Folglich ist das Vorbringen, es habe bei der Bildung des Invaliditätsausschusses ein Verfahrensfehler vorgelegen, zurückzuweisen.

34 Was den kollegialen Charakter der Arbeiten des Ausschusses betrifft, kann nach Ansicht des Gerichts dann, wenn wie im vorliegenden Fall eine Zusammenkunft von fünf Stunden und vierzig Minuten Dauer stattgefunden hat, während deren ein 98seitiger Entwurf besprochen worden ist, nicht beanstandet werden, daß der Meinungsaustausch schriftlich fortgesetzt wurde. Es liegt kein Anhaltspunkt dafür vor, daß das von Dr. Di Paolantonio eingeschlagene Verfahren die anderen Ausschußmitglieder daran gehindert hätte, ihre Meinung frei zu äussern. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, daß die beiden anderen Ärzte über den Standpunkt von Dr. Boccardo nicht ausreichend unterrichtet gewesen wären. Schließlich liegt dem Gericht nichts dafür vor, daß Dr. Pouthier die von Dr. Di Paolantonio vorbereiteten Unterlagen nicht völlig frei und nach bestem Wissen und Gewissen unterzeichnet hätte. Unter diesen Umständen ist das Gericht der Ansicht, daß die vom Gerichtshof im Urteil vom 10. Dezember 1987 in der Rechtssache 277/84 ( Jänsch, a. a. O.) festgelegten Kriterien voll und ganz eingehalten wurden.

35 Bezueglich des Fehlens eines Protokolls ist das Gericht der Ansicht, daß die Existenz eines Protokolls, wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 10. Dezember 1987 in der Rechtssache 277/84 ( Jänsch, a. a. O.) bereits entschieden hat, kein konstitutives Element für eine wirksame Ausschussarbeit darstellt. Das Fehlen eines Protokolls hat sich im vorliegenden Fall weder auf die weiteren Arbeiten des Invaliditätsausschusses noch auf die gerichtliche Nachprüfung ausgewirkt, der diese Arbeiten vorliegend unterzogen werden.

36 Aus dem Vorstehenden folgt, daß beim Ablauf der Arbeiten des Invaliditätsausschusses kein wesentlicher Fehler unterlaufen ist, der ihre Rechtmässigkeit beeinträchtigen könnte. Dieser Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

Zur Rechtmässigkeit der Ende Februar und Anfang März 1988 getroffenen Entscheidungen

37 Die Klägerin trägt verschiedene Gründe vor, um die Rechtswidrigkeit aller Entscheidungen, die die Anstellungsbehörde ihr gegenüber Ende Februar und Anfang März 1988 getroffen hat, darzutun. Sie macht erstens geltend, daß die Entscheidung, ihr kein Ruhegehalt wegen Dienstunfähigkeit zu gewähren, rechtswidrig sei. Zweitens sei auch die Entscheidung, mit der ihr Vertrag als Bedienstete auf Zeit aufgelöst worden sei, rechtswidrig, da sie zu einem Zeitpunkt getroffen worden sei, zu dem nicht nur das Verfahren zur Feststellung der Invalidität noch im Gang gewesen sei, sondern die Klägerin sich ordnungsgemäß im Krankheitsurlaub befunden habe. Die Klägerin hält es zur Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser beiden Entscheidungen für erforderlich, zunächst die "Entscheidung" Nr. 05169 des Generaldirektors vom 24. Februar 1988 anzufechten, "soweit dieser den Bericht des Invaliditätsausschusses akzeptiert und sich zu eigen macht und der Klägerin die Gewährung eines Ruhegehalts wegen Dienstunfähigkeit verweigert", und sodann die "Entscheidung" Nr. 05531 des Generaldirektors vom 26. Februar 1988, mit der dieser das von Dr. Verreydt am 23. Februar 1988 ausgestellte ärztliche Attest zurückgewiesen hat. Sie folgert daraus, daß die Entscheidung des Vorsitzenden der Fraktion der EVP in seiner Eigenschaft als Anstellungsbehörde, ihren Dienstvertrag zu beenden, rechtswidrig gewesen sei, zumal zu dem Zeitpunkt, zu dem der Lauf der Kündigungsfrist beginnen sollte, eine neuerliche Bescheinigung ihrer Arbeitsunfähigkeit durch Dr. Verreydt vorgelegen habe. Aus denselben Gründen seien schließlich auch die Entscheidungen, mit denen ihre Beschwerden zurückgewiesen worden seien, rechtswidrig.

38 Hinsichtlich des Schreibens Nr. 05169 vom 24. Februar 1988 macht die Klägerin geltend, die Anstellungsbehörde hätte unabhängig von dem Bericht des Invaliditätsausschusses eine begründete Entscheidung über den Abschluß des Verfahrens zur Feststellung der Invalidität erlassen müssen. Das Schreiben Nr. 05169 sei lediglich ein einfaches Begleitschreiben zur Übersendung der Schlußfolgerungen des Invaliditätsausschusses gewesen, das von einer Person - dem Generaldirektor - unterzeichnet gewesen sei, die nicht Anstellungsbehörde gewesen sei und die daher für den Erlaß der Entscheidung, mit der der Klägerin die Gewährung eines Ruhegehalts wegen Dienstunfähigkeit verweigert worden sei, nicht zuständig gewesen sei. Das Verfahren zur Feststellung der Invalidität sei daher mit diesem Schreiben nicht beendet worden, sondern habe seinen Fortgang genommen.

39 Das Parlament räumt ein, daß aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung die Schlußfolgerungen des Invaliditätsausschusses der Klägerin vom Generaldirektor für Personal übersendet worden seien. Es ist jedoch der Ansicht, daß eine solche Übersendung in Form eines an den Beamten gerichteten Einschreibens als Mitteilung angesehen werden müsse und eine beschwerende Maßnahme im Sinne von Artikel 90 Absatz 2 des Statuts darstelle. Jedenfalls habe die Anstellungsbehörde damit, daß sie die Beschwerde der Klägerin, die auf diesen angeblichen Verfahrensfehler gestützt gewesen sei, zurückgewiesen habe, die im Schreiben Nr. 05169 enthaltene Mitteilung bestätigt.

40 Hinsichtlich der von Dr. Verreydt ausgestellten ärztlichen Atteste weist die Klägerin darauf hin, daß die Entscheidung, mit der das Attest vom 23. Februar 1988 zurückgewiesen worden sei, dem Wortlaut des Schreibens Nr. 05531 des Generaldirektors vom 26. Februar 1988 zufolge - mit dem sie hiervon unterrichtet worden sei - im Lichte der Schlußfolgerungen des Invaliditätsausschusses getroffen worden sei. Unter Berufung auf das Urteil des Gerichtshofes vom 27. April 1989 in der Rechtssache 271/87 ( Fedeli/Parlament, Slg. 1989, 993 ) macht die Klägerin geltend, daß diese Schlußfolgerungen mit der Frage, ob ein vorübergehendes Fernbleiben vom Dienst gerechtfertigt sei, nichts zu tun hätten, da es sich um zwei unterschiedliche Sachverhalte handle. Das Attest sei ausserdem ohne eine Kontrolluntersuchung zurückgewiesen worden. Das spätere Attest vom 1. März 1988 habe erst am 7. März 1988 zu einer Kontrolluntersuchung geführt, also erst nach Beginn der Kündigungsfrist.

41 Das Parlament erwidert, im ersten Attest, dem vom 23. Februar 1988, werde nicht gesagt, welche medizinischen Gründe die Unterbrechung der Tätigkeit rechtfertigten, während das zweite Attest auf dieselbe Diagnose gestützt gewesen sei, die vor den beiden nacheinander eingesetzten Invaliditätsausschüssen angeführt worden sei. Der lange Abwesenheitszeitraum, der in den beiden Attesten vorgesehen gewesen sei, habe beim Erlaß dieser Entscheidung ein wesentliches Beurteilungskriterium dargestellt. Der Umstand, daß der Vertrauensarzt des Parlaments vierzehn Tage nach der Verordnung einer Arbeitsunterbrechung von zwei Monaten und sechs Tage nach der Verordnung einer Arbeitsunterbrechung von drei Monaten festgestellt habe, daß die Klägerin arbeitsfähig sei, bestätige, daß die Anstellungsbehörde zu Recht das erste ärztliche Attest zurückgewiesen und das zweite nicht berücksichtigt habe.

42 Die Klägerin bestreitet nicht, daß die Entscheidung über die Entlassung, die mit Schreiben des Vorsitzenden der Fraktion der EVP vom 24. Februar 1988 mitgeteilt wurde, von der Anstellungsbehörde getroffen wurde. Sie trägt aber vor, die Anstellungsbehörde sei nicht berechtigt gewesen, eine solche Entscheidung zu treffen, während das Verfahren zur Feststellung der Invalidität noch im Gang gewesen und ehe das ärztliche Attest vom 23. Februar 1988 zurückgewiesen worden sei. Der Beklagte habe damit, daß er den 1. März 1988 als Beginn der Kündigungsfrist gewählt habe, ermessensmißbräuchlich gehandelt, um sicherzustellen, daß der Klägerin die Zurückweisung des ärztlichen Attests ordnungsgemäß mitgeteilt worden sei.

43 Das Parlament führt hiergegen die Artikel 47 und 48 der Beschäftigungsbedingungen sowie das Urteil des Gerichtshofes vom 18. Oktober 1977 in der Rechtssache 25/68 ( Schertzer/Parlament, Slg. 1977, 1729 ) an, um darzutun, daß ein Bediensteter auf Zeit wie die Klägerin, dessen Dienstvertrag ohne Angabe von Gründen aufgelöst werden könne, keine gesicherte Stellung habe. Das Parlament bestreitet, daß die Entscheidung über die Entlassung nach Erhalt des ärztlichen Attests vom 23. Februar 1988 getroffen worden sei. Der im vorliegenden Fall festgestellte Sachverhalt erlaube den Schluß, daß die Klägerin nicht ausserstande gewesen sei zu arbeiten - und sich daher nicht im Krankheitsurlaub befunden habe -, und zwar weder bei Erlaß der Entscheidung über die Entlassung noch bei Beginn der Kündigungsfrist.

44 Zu dem Schreiben Nr. 05169 des Generaldirektors vom 24. Februar 1988 stellt das Gericht fest, daß es sich nicht um eine Entscheidung der Anstellungsbehörde handelt, die Gegenstand einer Anfechtungsklage sein kann. Dieses Schreiben gehört nämlich zur Mitteilung der Schlußfolgerungen des Invaliditätsausschusses gemäß Artikel 9 Absatz 2 des Anhangs II des Statuts, der wie folgt lautet :

"Die Schlußfolgerungen des Ausschusses werden der Anstellungsbehörde und dem Bediensteten zugeleitet."

Dem auf Aufhebung dieses Schreibens gerichteten Klageantrag kann daher nicht stattgegeben werden.

45 Soweit sich das Vorbringen der Klägerin darauf stützt, daß das Verfahren zur Feststellung der Invalidität nur durch eine Entscheidung der Anstellungsbehörde habe abgeschlossen werden können, ist darauf hinzuweisen, daß Artikel 33 Absatz 2 der Beschäftigungsbedingungen für Bedienstete auf Zeit ausdrücklich folgendes bestimmt :

"Die Dienstunfähigkeit wird vom Invaliditätsausschuß ( Art. 9 des Statuts ) festgestellt."

Ist der Invaliditätsausschuß zu der Schlußfolgerung gelangt, daß ein Bediensteter nicht dienstunfähig ist, kann die Anstellungsbehörde demzufolge keine andere Entscheidung treffen. Es steht der Anstellungsbehörde daher nicht zu, eine Entscheidung zu erlassen, mit der das Verfahren abgeschlossen wird. Zu prüfen ist jedoch, ob die Rechtmässigkeit der Entscheidung, die Klägerin zu entlassen, dadurch beeinträchtigt sein konnte, daß diese Entscheidung getroffen wurde, bevor der Klägerin die Schlußfolgerungen des Ausschusses mitgeteilt worden waren. Das Gericht wird sich mit dieser Frage bei der Prüfung der Rechtmässigkeit der Entlassungsentscheidung auseinandersetzen.

46 Was die von Dr. Verreydt ausgestellten ärztlichen Atteste angeht, so trifft es zu, daß der Gerichtshof im Urteil vom 27. April 1989 in der Rechtssache 271/87 ( Fedeli, a. a. O.) entschieden hat, daß der von einem Invaliditätsausschuß im Rahmen eines Verfahrens zur Feststellung der Invalidität erstellte Bericht ergeben soll, ob ein Beamter fähig ist, ein Amt seiner Laufbahn dauernd wahrzunehmen; dagegen soll er nicht beurteilen, ob das vorübergehende Fernbleiben des Beamten vom Dienst medizinisch gerechtfertigt ist. Der Gerichtshof hat daraus gefolgert, daß in Anbetracht des unterschiedlichen Charakters der im einen und im anderen Fall vorzunehmenden Beurteilung die Ergebnisse des Invaliditätsausschusses, der im Rahmen des Verfahrens zur Feststellung der Invalidität der Klägerin die Voraussetzungen für eine Versetzung in den Ruhestand nicht als gegeben angesehen hat, nicht als Beleg dafür herangezogen werden konnten, daß diese Beamtin in einem bestimmten Zeitpunkt die körperliche Eignung besaß, ihre Aufgaben wahrzunehmen. Der Gerichtshof hat bei dieser Gelegenheit ausserdem klargestellt, daß das beklagte Organ, wenn es Zweifel an der Stichhaltigkeit der von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Atteste und demzufolge an der Rechtmässigkeit ihres Fernbleibens vom Dienst hegte, das hierfür im Statut vorgesehene Verfahren hätte einschlagen und die in Artikel 59 des Statuts vorgesehenen Kontrollen anordnen müssen. Aus der vollständigen Fassung des Urteils, des Sitzungsberichts und der Schlussanträge des Generalanwalts ergibt sich jedoch, daß der Sachverhalt in der Rechtssache Fedeli ganz besonders gelagert war, da das Parlament im Hinblick auf die Schlußfolgerungen eines Invaliditätsausschusses bestimmte ordnungsgemäß begründete ärztliche Atteste zurückweisen wollte, obwohl es seinen Standpunkt bezueglich bestimmter früherer Atteste bereits hatte ändern und deren Stichhaltigkeit eben im Anschluß an die Feststellungen bei einer Kontrolluntersuchung hatte anerkennen müssen. Nach Ansicht des Gerichts kann dieses Urteil daher den Standpunkt der Klägerin in der vorliegenden Rechtssache nicht stützen, daß die blosse Vorlage eines ärztlichen Attests, selbst wenn es keinerlei Begründung enthält, in jedem Fall unmittelbar einen Anspruch auf Krankheitsurlaub zur Folge habe, der erst enden könne, nachdem bei einer Kontrolluntersuchung die Arbeitsfähigkeit festgestellt worden sei.

47 Im vorliegenden Fall ging aus dem ersten Attest von Dr. Verreydt vom 23. Februar 1988 nicht hervor, welche medizinischen Gründe eine Unterbrechung der Tätigkeit rechtfertigten; gleichwohl sah das Attest aber eine Unterbrechung von zwei Monaten vor. Das Gericht ist der Ansicht, daß das Parlament unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falles und insbesondere in Anbetracht der langen Vorgeschichte der Rechtssache, der Schlußfolgerungen des Invaliditätsausschusses und des Vorschlags seines Vertrauensarztes dieses Attest zu Recht zurückgewiesen hat. Die Klägerin hatte also nicht nachgewiesen, daß ihr Fernbleiben vom Dienst zu diesem Zeitpunkt medizinisch gerechtfertigt war und daß sie aus diesem Grund Anspruch auf Krankheitsurlaub hatte. Sie hatte jedoch weiterhin die Möglichkeit, den Begründungsmangel des ersten Attests dadurch zu heilen, daß sie ein ausführlicheres Attest vorlegte, wie sie dies durch Vorlage des zweiten Attests von Dr. Verreydt vom 1. März 1988 tat. Nach dem von der Klägerin nicht bestrittenen Vortrag des Parlaments bezog sich dieses zweite Attest jedoch lediglich auf die Diagnose, die der Invaliditätsausschuß gerade verworfen hatte. Ausserdem konnte der Vertrauensarzt des Parlaments am 7. März 1988 aufgrund einer Kontrolluntersuchung feststellen, daß die Klägerin zu diesem Zeitpunkt arbeitsfähig war, was völlig im Widerspruch zu den beiden Attesten von Dr. Verreydt stand, in denen ein Fernbleiben vom Dienst von zwei oder drei Monaten Dauer vorgesehen war. Unter diesen Umständen konnte das Attest vom 1. März 1988 den Begründungsmangel, den das vorangegangene Attest vom 23. Februar 1988 aufwies, nicht rückwirkend heilen. Daraus ergibt sich, daß die Klägerin für keinen Zeitpunkt während des fraglichen Zeitraums nachgewiesen hat, daß sie Anspruch auf Krankheitsurlaub hatte.

48 Was die Entlassungsentscheidung betrifft, so ist darauf hinzuweisen, daß die Artikel 47 und 48 der Beschäftigungsbedingungen der einseitigen Beendigung des unbefristeten Beschäftigungsvertrags eines Bediensteten auf Zeit ohne Angabe von Gründen nicht entgegenstehen ( Urteil vom 18. Oktober 1977 in der Rechtssache 25/68, Schertzer, a. a. O.). Dies gilt auch während eines Krankheitsurlaubs mit der einzigen Einschränkung, daß in dem Fall, daß der Vertrag eine Kündigungsklausel enthält, die Kündigungsfrist nicht während des Urlaubs beginnen kann, sofern dieser nicht länger als drei Monate dauert. Es gibt keine Vorschrift, wonach ein Verfahren zur Feststellung der Invalidität zur Folge hätte, daß das Recht der Anstellungsbehörde, den Vertrag eines Bediensteten zu beenden, ausgesetzt wäre, solange ihm die Schlußfolgerungen des Invaliditätsausschusses noch nicht mitgeteilt worden sind. Der blosse Umstand, daß die Entscheidung über die Entlassung getroffen wurde, bevor die Klägerin Kenntnis von den Schlußfolgerungen des Invaliditätsausschusses gehabt hatte, erlaubt es dem Gericht nicht, auf einen Ermessensmißbrauch zu schließen. Folglich sind alle Klagegründe, die auf die angebliche

Fehlerhaftigkeit der Entscheidungen gestützt sind, die im Februar und März 1988 im Hinblick auf die Klägerin getroffen wurden, zu verwerfen.

49 Aus alledem folgt, daß die Klage insgesamt abzuweisen ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

50 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, die gemäß Artikel 11 Absatz 3 des genannten Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 für das Gericht entsprechend gilt, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 70 der Verfahrensordnung tragen jedoch die Organe in Rechtsstreitigkeiten mit Bediensteten der Gemeinschaften ihre Kosten selbst.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT ( Vierte Kammer )

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Klage wird abgewiesen.

2 ) Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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