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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 21.05.1992
Aktenzeichen: T-55/91
Rechtsgebiete: Beamtenstatut


Vorschriften:

Beamtenstatut Art. 25 Abs. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die Verpflichtung, jede aufgrund des Statuts getroffene individuelle Verfügung mit Gründen zu versehen, soll zum einen dem Betroffenen die notwendigen Hinweise für die Feststellung geben, ob die Verfügung begründet ist, und zum anderen die richterliche Kontrolle ermöglichen. Was die Entscheidung eines Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren angeht, einen Bewerber nicht zu den Prüfungen zuzulassen, so muß der Prüfungsausschuß dazu genau angeben, welche der in der Ausschreibung des Auswahlverfahrens aufgestellten Voraussetzungen bei dem Bewerber als nicht erfuellt angesehen worden sind. Im Falle eines Auswahlverfahrens mit hoher Teilnehmerzahl ist der Prüfungsausschuß zwar berechtigt, sich in einem ersten Stadium darauf zu beschränken, die Ablehnung summarisch zu begründen und den Bewerbern lediglich die Kriterien und das Ergebnis der Auswahl mitzuteilen, er hat jedoch später den Bewerbern, die dies ausdrücklich verlangen, individuelle Erklärungen zu geben.

Diesem Begründungserfordernis ist nicht genügt, wenn der Prüfungsausschuß, nachdem er auf Antrag eines nicht zu den Prüfungen zugelassenen Bewerbers dessen Bewerbung überprüft hat, in einem Schreiben an den Betroffenen nicht die Gründe angibt, warum die Ausbildung und die Berufserfahrung des Bewerbers als unterhalb des in der Stellenausschreibung festgelegten Schwellenwerts für eine Zulassung liegend angesehen wurden.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (VIERTE KAMMER) VOM 21. MAI 1992. - OLIVIER FASCILLA GEGEN EUROPAEISCHES PARLAMENT. - BEAMTE - AUSWAHLVERFAHREN - BERUFSERFAHRUNG - BEGRUENDUNG DER ENTSCHEIDUNG UEBER DIE ABLEHNUNG EINER BEWERBUNG. - RECHTSSACHE T-55/91.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Der Kläger beteiligte sich am allgemeinen Auswahlverfahren PE/107/C, das vom Europäischen Parlament (im folgenden: Parlament) zur Bildung einer Einstellungsreserve von Schreibkräften französischer Sprache, deren Laufbahn sich auf die Besoldungsgruppen 5 und 4 der Laufbahngruppe C erstreckte, veranstaltet wurde.

2 In der Ausschreibung, die im Amtsblatt C 118 vom 12. Mai 1990, Seite 28, veröffentlicht wurde, war hinsichtlich der Zulassungsbedingungen festgelegt:

"III. Auswahlverfahren: Art des Auswahlverfahrens und Zulassungsbedingungen

...

A. Allgemeine Bedingungen

...

B. Besondere Bedingungen

1. Erforderliche Befähigungsnachweise, Zeugnisse und/oder Berufserfahrung:

a) Abgeschlossene mittlere Schulbildung (mittlere Reife, Handelsschule, Fachschule, Berufsschule) bzw. gleichwertige Berufserfahrung.

...

b) Nachweis einer mindestens zweijährigen Berufserfahrung in dem unter Abschnitt I 'Art der Tätigkeit' genannten Bereich, die nach dem unter Buchstabe a) genannten Bildungsniveau erworben wurde.

Als Berufserfahrung anerkannt werden dem Erwerb von Fachkenntnissen oder der Weiterbildung dienende Praktika oder Zusatzausbildungen, die im Zusammenhang mit der unter Abschnitt I genannten Tätigkeit stehen und durch ein Zeugnis oder Diplom nachgewiesen werden."

3 Nach Abschnitt I der Ausschreibung bestand die fragliche Tätigkeit in der Ausführung laufender Büroarbeiten, die insbesondere Schreibarbeiten umfassten.

4 Die Ausschreibung enthielt einen Abschnitt V "Überprüfung der Bewerbungen", der folgenden Wortlaut hatte:

"Jeder Bewerber hat das Recht, eine Überprüfung seiner Bewerbung zu beantragen, wenn seiner Ansicht nach ein Irrtum unterlaufen ist. In diesem Fall kann er innerhalb von 20 Tagen nach Absendung des Schreibens, in dem ihm mitgeteilt wurde, daß seine Bewerbung nicht berücksichtigt wird (Datum des Poststempels), unter Angabe der Nummer des Auswahlverfahrens auf dem Schreiben und dem Umschlag eine Reklamation an das Europäische Parlament, Dienststelle Personaleinstellung, BAK 222, L-2929 Luxemburg, richten.

Der Prüfungsausschuß überprüft dann nochmals die Unterlagen unter Berücksichtigung der Bemerkungen des Bewerbers binnen 30 Tagen nach Absendung des Schreibens, mit dem der Bewerber die Überprüfung beantragt hat (Datum des Poststempels)."

5 Der Kläger ist Inhaber eines Zeugnisses der mittleren Reife, die in Belgien der mittleren Schulbildung entspricht, eines Zeugnisses über den Besuch auf der mittleren Reife aufbauenden, weiterführenden Unterrichts, einer Bescheinigung über seine Hochschulreife und eines Diploms eines Graduierten der Fachrichtung Sekretariat, das er nach zweijähriger Ausbildung erhalten hat. Er hat bei einem belgischen Privatunternehmen Sekretariatstätigkeiten ausgeuebt.

6 Mit Formschreiben vom 4. März 1991 teilte der Vorsitzende des Prüfungsausschusses für das Auswahlverfahren dem Kläger mit, daß er nicht zu den Prüfungen zugelassen worden sei, und begründete dies wie folgt (vgl. Punkt 7 des Schreibens vom 4. März 1991): "Keine mindestens zweijährige Berufserfahrung (Punkt III.B.1 der Ausschreibung des Auswahlverfahrens)".

7 Mit Schreiben vom 14. März 1991 legte der Kläger Beschwerde gegen diese Entscheidung ein. Er bat um Überprüfung seiner Bewerbung und berief sich darauf, daß er Inhaber eines Diploms eines Graduierten der Fachrichtung Hauptsekretariat sei; er habe diesen Befähigungsnachweis am Ende seiner auf die mittlere Reife aufbauenden, weiterführenden Ausbildung erhalten.

8 Mit Schreiben vom 5. April 1991 bestätigte der Vorsitzende des Prüfungsausschusses den Erhalt des Beschwerdeschreibens vom 14. März 1991 und teilte dem Kläger folgendes mit: "In seiner Sitzung vom 3. April 1991 hat der Prüfungsausschuß Ihre Unterlagen überprüft und Ihre Bemerkungen zur Kenntnis genommen. Ich bedauere, Ihnen mitteilen zu müssen, daß sich keine Gesichtspunkte für eine Abänderung der ursprünglichen Entscheidung ergaben. Es zeigte sich nämlich, daß die Summe Ihrer Ausbildung und Ihrer Berufserfahrung unterhalb des Schwellenwerts für eine Zulassung liegt."

9 Mit Schreiben vom 10. April 1991 teilte der Kläger dem Prüfungsausschuß mit, daß er im Mai 1990 zu den Prüfungen des von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften (im folgenden: Kommission) veranstalteten Auswahlverfahrens KOM/677/C zugelassen worden sei, dessen Zulassungsbedingungen denjenigen des vom Parlament veranstalteten Auswahlverfahrens PE/107/C ähnlich seien. Er bat um eine erneute Überprüfung seiner Bewerbung und im Falle einer Ablehnung um eine "vernünftige Erklärung in bezug auf diese Ablehnung".

10 Mit Schreiben vom 22. Mai 1991 teilte der Vorsitzende des Prüfungsausschusses dem Kläger mit, daß "jede eingereichte Bewerbung auf der Grundlage der Bestimmungen der Stellenausschreibung genau geprüft wurde". Er gab dem Kläger überdies den "Hinweis", daß dessen Schreiben nicht als Beschwerde gelten könne.

11 Daraufhin hat der Kläger mit Klageschrift, die am 4. Juli 1991 bei der Kanzlei des Gerichts erster Instanz eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

12 Nach Einreichung der Klagebeantwortung hat der Kläger auf die Einreichung einer Erwiderung verzichtet. Der Beklagte hat entsprechend auf die Einreichung einer Gegenerwiderung verzichtet.

13 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Das Gericht hat jedoch mit Schreiben seines Kanzlers vom 20. Januar 1992 den Beklagten aufgefordert, mehrere Fragen zur Berücksichtigung der weiterführenden Ausbildung als Berufserfahrung zu beantworten. Der Kläger wurde aufgefordert, ein Schriftstück vorzulegen, das die Dauer seiner Tätigkeit bei dem Unternehmen, das ihn beschäftigt hatte, nachweist.

14 Die mündliche Verhandlung fand am 17. März 1992 statt. Die Vertreter der Parteien wurden mit ihren Ausführungen und mit ihren Antworten auf die vom Gericht gestellten Fragen gehört.

15 Der Kläger beantragt,

- die Entscheidung des Prüfungsausschusses für das Auswahlverfahren PE/107/C vom 5. April 1991, ihn nicht zu den Prüfungen des Auswahlverfahrens zuzulassen, und soweit erforderlich die die Ablehnung seiner Bewerbung bestätigende Entscheidung vom 22. Mai 1991 aufzuheben;

- dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen.

16 Der Beklagte beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- über die Kosten nach Rechtslage zu entscheiden.

Zur Begründetheit

Zum einzigen Klagegrund der Verletzung der Begründungspflicht

17 Der Kläger stützt seine Klage auf die Verletzung des Artikels 25 Absatz 2 des Beamtenstatuts der Europäischen Gemeinschaften (im folgenden: Statut), in dem bestimmt ist: "Jede Verfügung aufgrund des Statuts ist dem betroffenen Beamten unverzueglich schriftlich mitzuteilen. Jede beschwerende Verfügung muß mit Gründen versehen sein."

18 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts zur Begründungspflicht (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 26. November 1981 in der Rechtssache 195/80, Michel/Parlament, Slg. 1981, 2861; Schlussanträge der Generalanwältin Rozès in den Rechtssachen 316/82 und 40/83, Kohler/Rechnungshof [Urteil des Gerichtshofes vom 9. Februar 1984], Slg. 1984, 667; Urteil des Gerichts vom 20. März 1991 in der Rechtssache T-1/90, Pérez Mingüz Casariego/Kommission, Slg. 1991, II-143, Randnr. 73) sei im vorliegenden Fall zum einen zu prüfen, ob die Begründung der angefochtenen Entscheidung ihm ausreichende Hinweise für die Feststellung gebe, ob die Entscheidung begründet sei oder unter einem Mangel leide, der ihre Rechtmässigkeit in Frage stelle, und zum anderen, ob die Begründung der Entscheidung dem Gericht ermögliche, die Rechtmässigkeit der Entscheidung zu überprüfen.

19 Erstens lasse die Begründung der Entscheidung vom 5. April 1991 nicht erkennen, inwiefern die Summe seiner Ausbildung und seiner Berufserfahrung unterhalb des Schwellenwerts für eine Zulassung liege; sie ermögliche somit weder ihm die Feststellung, ob die Entscheidung begründet sei, noch dem Gericht die Überprüfung der Rechtmässigkeit der Entscheidung.

20 Er habe dem Prüfungsausschuß für das Auswahlverfahren mit seiner Bewerbung Kopien aller seiner Zeugnisse sowie eine Arbeitsbescheinigung des Unternehmens, das ihn beschäftigt habe, zugesandt. Zum einen ergebe sich aus diesen Schriftstücken in bezug auf die Ausbildungsvoraussetzungen, daß der Kläger über eine durch ein Abschlußzeugnis nachgewiesene mittlere Schulbildung verfüge. Zum anderen gehe aus ihnen in bezug auf die Voraussetzung der Berufserfahrung hervor, daß der Prüfungsausschuß die vom Kläger erworbene zweijährige Zusatzausbildung im Bereich der Sekretariatstätigkeiten berücksichtigen hätte müssen.

21 Zweitens sei der Kläger zu den Prüfungen des von der Kommission veranstalteten allgemeinen Auswahlverfahrens KOM/C/677 zugelassen worden, dessen Zulassungsvoraussetzungen denjenigen des Auswahlverfahrens PE/107/C ähnlich gewesen seien. Es sei ständige Rechtsprechung (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 5. April 1979 in der Rechtssache 112/78, Kobor/Kommission, Slg. 1979, 1573, und vom 21. März 1985 in der Rechtssache 108/84, De Santis/Rechnungshof, Slg. 1985, 947), daß der Prüfungsausschuß eines Auswahlverfahrens die Beurteilung der Befähigungsnachweise eines Bewerbers besonders zu begründen habe, wenn diese weniger günstig sei als diejenige, die der Bewerber bei einem früheren Auswahlverfahren, das dieselben Zulassungsvoraussetzungen aufgewiesen habe, erfahren habe.

22 Zwar habe der Gerichtshof in seinem Urteil vom 12. Juli 1989 in der Rechtssache 225/87 (Belardinelli/Gerichtshof, Slg. 1989, 2353) den Umfang dieser Verpflichtung eingeschränkt, indem er klarstellend ausgeführt habe, diese gelte "jedoch nur insoweit, als der Betroffene den Prüfungsausschuß auf diesen Punkt aufmerksam gemacht" habe. Im vorliegenden Fall habe der Kläger jedoch den Prüfungsausschuß für das Auswahlverfahren auf die vom Prüfungsausschuß des Auswahlverfahrens KOM/C/677 getroffene, günstigere Entscheidung aufmerksam gemacht, so daß der Prüfungsausschuß für das Auswahlverfahren PE/107/C besonders begründen hätte müssen, warum die Summe von Ausbildung und Berufserfahrung des Klägers unterhalb des Schwellenwerts für eine Zulassung gelegen hätten.

23 Zusammenfassend fehle der Entscheidung eine Begründung, zumindest sei die Begründung unzureichend; der Entscheidung hafte ein offensichtlicher Beurteilungsfehler an, und sie sei unter Verletzung der in der Ausschreibung festgelegten Voraussetzungen getroffen worden.

24 Der Beklagte verweist einleitend auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes zum Zweck und Umfang der dem Prüfungsausschuß für ein Auswahlverfahren zukommenden Begründungspflicht (vgl. Urteile vom 8. März 1988 in den Rechtssachen 64/86, 71/86 bis 73/86 und 78/86, Slg. 1988, 1399; vom 9. Juni 1983 in der Rechtssache 225/82, Verzyck/Kommission, Slg. 1983, 1991, und vom 26. November 1981, Michel/Parlament, a. a. O.).

25 Der Gerichtshof habe in mehreren Urteilen zugelassen, daß ein Prüfungsausschuß für ein Auswahlverfahren mit hoher Teilnehmerzahl seiner Begründungspflicht in zwei Stufen nachkomme (vgl. Urteile vom 28. Februar 1989 in den Rechtssachen 100/87, 146/87 und 153/87, Basch/Kommission, Slg. 1989, 447 und vom 16. Dezember 1987 in der Rechtssache 206/85, Beiten/Kommission, Slg. 1987, 5301; vgl. auch die Urteile Belardinelli/Gerichtshof, Michel/Parlament, Verzyck/Kommission und Sergio/Kommission, a. a. O.).

26 Im übrigen habe der Vorsitzende des Prüfungsausschusses im Anschluß an die vom Kläger am 14. März 1991 eingelegte Beschwerde in seiner Antwort vom 5. April 1991 individuelle Erklärungen gegeben, indem er erläuternd ausgeführt habe, daß "die Summe Ihrer Ausbildung und Ihrer Berufserfahrung [...] unterhalb des Schwellenwerts für eine Zulassung [liegt]". Lese man diese Antwort im Zusammenhang mit der im Schreiben vom 4. März 1991 enthaltenen, so werde deutlich, daß der Bewerber nach Ansicht des Prüfungsausschusses nicht die verlangte zweijährige Berufserfahrung besitze. Da der Kläger selbst in seinem Schreiben vom 10. April 1991 angegeben habe, daß im von der Kommission veranstalteten Auswahlverfahren die zweijährige Oberschulbildung als Berufserfahrung berücksichtigt worden sei, müsse ihm völlig bewusst gewesen sein, daß die Ablehnung der Zulassung auf die Nichtanerkennung dieser Diplome als Nachweis seiner Berufserfahrung zurückzuführen gewesen sei.

27 Der Beklagte erläutert sodann, in welcher Weise der Prüfungsausschuß die in Abschnitt III Punkt B.1.b zweiter Absatz der Stellenausschreibung vorgesehene Zusatzausbildung berücksichtigt habe, nämlich alle im Rahmen dieser Ausbildung absolvierten Berufspraktika, wenn diese durch Bescheinigungen der Unternehmen, in denen die Praktika absolviert wurden, nachgewiesen oder wenn sie auf dem Diplom eingetragen worden seien, wie beispielsweise im Falle eines Graduierten. Der Prüfungsausschuß habe die im Rahmen einer Weiter- oder Zusatzausbildung absolvierten Berufspraktika in vollem Umfang als Berufserfahrung gewertet.

28 In Beantwortung der vom Gericht vor Eröffnung der mündlichen Verhandlung gestellten Fragen hat das Parlament darauf bestanden, daß die verlangte Berufserfahrung in praktischer Erfahrung "vor Ort" bestehen müsse. Eine Zusatzausbildung, die keine wirklichen Berufspraktika aufweise, könne nicht als eine solche Praxiserfahrung angesehen werden. Die Tatsache, daß der vom Kläger besuchte Unterricht, der zum Diplom eines Graduierten im Fachbereich Sekretariat geführt habe, sich auf einen Zeitraum von zwei Jahren erstreckt habe, und daß das Maschineschreiben nur einen Kurs unter anderen dargestellt habe, habe im vorliegenden Fall den Beklagten veranlasst, in dieser Hinsicht nur pauschal einen Zeitraum von drei Monaten anzuerkennen. Diese drei Monate hätten, addiert mit den zehn Monaten praktischer Erfahrung bei einem Privatunternehmen, dem Kläger eine Berufserfahrung von dreizehn Monaten verliehen. Nach der Ausschreibung sei der Prüfungsausschuß nicht verpflichtet gewesen, die Gesamtheit der "Zusatzausbildungen" als solche anzuerkennen, da der zweite Absatz von Punkt B.1.b sich auf die Angabe beschränke, daß diese Ausbildungen "anerkannt" würden.

29 Demzufolge habe der Prüfungsausschuß die Bewerbung des Klägers zu Recht abgelehnt und sich geweigert, die gesamte Dauer der Graduiertenausbildung anzuerkennen, die dieser als Zusatzausbildung im Hinblick auf die im Abschnitt I beschriebenen Tätigkeiten, nämlich der Ausführung laufender Büroarbeiten, insbesondere von Maschinenschreibarbeiten durchlaufen habe.

30 Der Beklagte bestreite die Ähnlichkeit der Zulassungsvoraussetzungen zu den Prüfungen der Auswahlverfahren PE/107/C und KOM/C/677 nicht. Diese Ähnlichkeit habe jedoch nicht als solche schon zur Folge, daß der Prüfungsausschuß des Auswahlverfahrens PE/107/C zu demselben Ergebnis hätte kommen müssen wie der Prüfungsausschuß des Auswahlverfahrens KOM/C/677, da jedem Prüfungsausschuß ein Beurteilungsspielraum eingeräumt sei.

31 Der Beklagte bestreite auch nicht, daß ein Prüfungsausschuß in einer solchen Lage seine Entscheidung besonders begründen müsse, doch habe im vorliegenden Fall diese Verpflichtung zu einer besonderen Begründung nicht bestanden, da die Mitteilung über die Zulassung des Klägers zu den Prüfungen des von der Kommission veranstalteten Auswahlverfahrens erst mit Schreiben vom 10. April 1990 und somit nach der Überprüfung der Bewerbungsunterlagen durch den Prüfungsausschuß zu dessen Kenntnis gelangt sei.

32 Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 1990 in der Rechtssache T-115/89, González Holgüra/Parlament, Slg. 1990 II-831, Randnrn. 42 bis 45) soll die Verpflichtung, jede aufgrund des Statuts getroffene individuelle Verfügung mit Gründen zu versehen, zum einen dem Betroffenen die notwendigen Hinweise für die Feststellung geben, ob die Verfügung begründet ist, und zum anderen die richterliche Kontrolle ermöglichen. Was insbesondere die Entscheidungen angeht, mit denen die Zulassung zu einem Auswahlverfahren abgelehnt wird, so hat der Gerichtshof ausgeführt, daß der Prüfungsausschuß dazu genau angeben muß, welche der in der Ausschreibung des Auswahlverfahrens aufgestellten Voraussetzungen bei dem Bewerber als nicht erfuellt angesehen worden sind (vgl. beispielsweise Urteile vom 30. November 1978 in den verbundenen Rechtssachen 4/78, 19/78 und 28/78, Salerno/Kommission, Slg. 1978, 2403, 2416, und vom 21. März 1985, De Santis/Rechnungshof, Slg. 1985, 958).

33 Im übrigen ist der Prüfungsausschuß nach gefestigter Rechtsprechung im Falle eines Auswahlverfahrens mit hoher Teilnehmerzahl berechtigt, sich in einem ersten Stadium darauf zu beschränken, die Ablehnung summarisch zu begründen und den Bewerbern lediglich die Kriterien und das Ergebnis der Auswahl mitzuteilen (vgl. Urteil vom 12. Juli 1989, Belardinelli/Gerichtshof, a. a. O.).

34 Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß es sich im vorliegenden Fall um ein Auswahlverfahren mit hoher Teilnehmerzahl handelt, genügt die Entscheidung vom 4. März 1991, in der darauf hingewiesen wird, daß auf seiten des Klägers "keine mindestens zweijährige Berufserfahrung (Punkt III.B.1. der Ausschreibung des Auswahlverfahrens)" vorliege, der in Artikel 25 des Statuts vorgeschriebenen Begründungspflicht.

35 Nach derselben Rechtsprechung hat jedoch der Prüfungsausschuß für das Auswahlverfahren später den Bewerbern, die dies ausdrücklich verlangen, individuelle Erklärungen zu geben. Im vorliegenden Fall ist die in der Entscheidung vom 5. April 1991, die auf den Antrag auf Überprüfung hin erlassen wurde und die Gegenstand des Aufhebungsantrags ist, gegebene Begründung ("... hat sich erwiesen, daß die Summe Ihrer Ausbildung und Ihrer Berufserfahrung unterhalb des Schwellenwerts für eine Zulassung liegt") ebenfalls sehr summarisch geblieben.

36 Zwar konnte der Kläger, wenn er das Schreiben vom 5. April 1991 im Zusammenhang mit dem Schreiben vom 4. März 1991 las, diesem entnehmen, daß sowohl seine Ausbildung als auch seine tatsächliche Berufserfahrung für die Beurteilung der von der Stellenausschreibung verlangten zweijährigen Berufserfahrung berücksichtigt wurden, daß der Prüfungsausschuß jedoch aus einem nicht näher erläuterten Grund der Ansicht war, daß der Schwellenwert von zwei Jahren nicht erreicht worden sei. Der Kläger musste dennoch im Zweifel darüber bleiben, ob sein nach zweijährigem Besuch einer Oberschule erhaltenes Diplom eines Graduierten der Fachrichtung Hauptsekretariat, auf das er sich in seinem Schreiben vom 14. März 1991 berufen hatte, nicht oder nur teilweise anerkannt wurde. Die Tatsache, daß der Kläger in seinem Schreiben vom 10. April 1991 auf seinen zweijährigen Besuch einer Oberschule hinwies, die vom Prüfungsausschuß des von der Kommission veranstalteten Auswahlverfahrens als Berufserfahrung anerkannt worden sei, bedeutet noch nicht, daß er sich sicher war, daß sein Diplom über den Besuch einer Oberschule bei der Prüfung seiner Bewerbung zu den Auswahlverfahren, das vom Parlament veranstaltet wurde, nicht berücksichtigt wurde.

37 Daß die dem Kläger gegebene Begründung unzulänglich war, folgt auch aus den Erläuterungen, die der Beklagte sowohl in seiner Klagebeantwortung als auch in seinen Ausführungen in der Sitzung des Gerichts vom 17. März 1992 hinsichtlich der Berechnung der Zusatzausbildung des Klägers gemacht hat. Die Entscheidung vom 5. April 1991 enthält nämlich keine Angaben dazu, daß der Prüfungsausschuß die Berücksichtigung von Zusatzausbildungen vom Nachweis von Praktika abhängig machte; sie enthält auch keine Angaben in bezug auf die Berechnungsweise, die der Prüfungsausschuß tatsächlich anwandte, um die zusätzliche Schulbildung anzurechnen und schließlich drei Monate pauschal als Berufserfahrung zu berücksichtigen. Selbst wenn der Kläger die von ihm vorgelegten Schriftstücke mit den vom Vorsitzenden des Prüfungsausschusses gemachten Angaben verglichen hätte, hätte er aus ihnen nicht in rationaler Weise die Gründe ableiten können, aufgrund deren der Prüfungsausschuß diese Nachweise als unzureichend betrachtete. Es war für ihn deshalb unmöglich zu beurteilen, ob die Ablehnung seiner Bewerbung begründet war oder nicht.

38 Aus diesen Erwägungen folgt, daß die Entscheidung, mit der die Zulassung des Klägers zur Teilnahme am strittigen Auswahlverfahren verweigert wurde, unzureichend begründet ist. Demzufolge ist die Klage begründet.

39 Aus alledem folgt, ohne daß die weiteren Argumente des Klägers zu prüfen wären, daß die angefochtene Entscheidung vom 5. April 1991 aufzuheben ist.

40 Im übrigen hat der Beklagte, indem er es ablehnte, das Diplom des Klägers über eine Zusatzausbildung im Fachbereich Sekretariat zu berücksichtigen, und dies damit begründete, daß eine solche Ausbildung keine Praktika umfasse, in unzulässiger Weise die beiden Satzteile des zweiten Absatzes von Punkt III.B.1. b der Ausschreibung miteinander vermischt, nämlich zum einen die "dem Erwerb von Fachkenntnissen oder der Weiterbildung dienende Praktika" und zum anderen die "Zusatzausbildungen". Offenkundig verlangt nämlich die Ausschreibung, deren Wortlaut der Prüfungsausschuß genau zu beachten hat, bei Zusatzausbildungen keine "Praktika". Demzufolge durften diese nicht nur mit einem Zeitraum von drei Monaten anerkannt werden. Damit hätte die Entscheidung des Beklagten auch wegen eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers und einer Verletzung der Bedingungen der Ausschreibung aufgehoben werden müssen.

Kostenentscheidung:

Kosten

Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Beklagte mit seinem Vorbringen unterlegen ist, hat er neben seinen eigenen Kosten die Kosten des Klägers zu tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Entscheidung des Prüfungsausschusses für das Auswahlverfahren PE/107/C vom 5. April 1991, den Kläger nicht zu den Prüfungen des Auswahlverfahrens zuzulassen, wird aufgehoben.

2) Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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