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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 20.03.2001
Aktenzeichen: T-59/00
Rechtsgebiete: EGV


Vorschriften:

EGV Art. 230
EGV Art. 82
EGV Art. 86 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Ein Organ, das die Befugnis hat, eine Zuwiderhandlung festzustellen und ihretwegen Sanktionen zu verhängen, und das, wie die Kommission im Wettbewerbsrecht, von Einzelnen mit einer Beschwerde befasst werden kann, trifft zwangsläufig eine Maßnahme, die Rechtswirkungen erzeugt, wenn es eine Untersuchung, die es aufgrund dieser Beschwerde eingeleitet hat, einstellt. Die Einstellung des Verfahrens über eine Beschwerde ist daher keine vorbereitende Handlung, da sie das letzte Stadium des Verfahrens darstellt und ihr keine weitere Maßnahme folgt, die Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein könnte.

Eine Handlung, in der die Kommission dem Betroffenen lediglich den Stand des Verfahrens gegen einen Mitgliedstaat und ihre vorläufigen Bemerkungen zu der Untersuchung mitteilt, die sie gegen diesen durchführt, stellt dieses Verfahren nicht ein. Eine solche Handlung stellt nämlich nur eine Zwischenmaßnahme dar.

( vgl. Randnrn. 42, 44, 48 )

2. Da Artikel 82 EG nur für wettbewerbswidriges Verhalten gilt, für das Unternehmen sich von sich aus entscheiden, kann die Beurteilung dieser Verhaltensweisen eine vorherige Bewertung der anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften verlangen. Diese vorherige Bewertung der Auswirkungen, die die Rechtsvorschriften auf das Verhalten der Unternehmen haben können, betrifft jedoch nur die Frage, ob diese Rechtsvorschriften die Möglichkeiten eines Wettbewerbs bestehen lassen, der durch autonomes Verhalten der Unternehmen verhindert, eingeschränkt oder verfälscht werden kann.

( vgl. Randnr. 50 )


Beschluss des Gerichts Erster Instanz (Fünfte Kammer) vom 20. März 2001. - Compagnia Portuale Pietro Chiesa Soc. coop. rl gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Nichtigkeitsklage - Wettbewerb - Hafendienste - Artikel 82 EG und 86 EG - Vorbereitende Handlung - Unzulässigkeit. - Rechtssache T-59/00.

Parteien:

In der Rechtssache T-59/00

Compagnia Portuale Pietro Chiesa Soc. coop. rl mit Sitz in Genua (Italien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte G. Conte, G. M. Giacomini und B. Della Barile, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und L. Pignataro als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung einer Entscheidung der Kommission vom 22. Dezember 1999, mit der sie den Antrag der Klägerin auf Feststellung, dass die Italienische Republik, die Hafenbehörde des Hafens von Genua und die Compagnia Unica Lavoratori Merci Varie gegen die Artikel 82 EG und 86 Absatz 1 EG verstoßen haben, abgelehnt haben soll,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin P. Lindh sowie der Richter R. García-Valdecasas und J. D. Cooke,

Kanzler: H. Jung

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Die Compagnia Portuale Pietro Chiesa Soc. coop. rl, Klägerin, ist eine Genossenschaft italienischen Rechts, deren Zweck die Erbringung von Hafendiensten im Hafen von Genua ist. Die Erbringung von Hafendiensten umfasst u. a. die Durchführung von Hafenarbeiten und die Überlassung von Hafenarbeitern.

2 Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 84/94 vom 28. Januar 1994 zur Anpassung der Rechtsvorschriften betreffend Häfen (GURI Nr. 21 vom 4. Februar 1994, im Folgenden: Gesetz Nr. 84/94) beantragte die Klägerin bei der Hafenbehörde des Hafens Genua (im Folgenden: Hafenbehörde) die Erlaubnis, die in diesem Gesetz genannten Hafenarbeiten und Dienstleistungen sowie einfache Arbeiten ausführen bzw. erbringen zu dürfen.

3 Die Klägerin erhielt mit Bescheid der Hafenbehörde vom 29. April 1995 die beschränkte Erlaubnis, auf dem Sektor der Massengüter für die lizenzierten Hafenunternehmen Hafendienste zu erbringen. Diese Erlaubnis lief am 31. Dezember 1995 ab.

4 Seit 13. November 1995 beantragte die Klägerin bei der Hafenbehörde wiederholt die Erweiterung ihrer Erlaubnis, um im gesamten Sortiment der im Hafen umgeschlagenen Güter tätig sein zu können. Diese Erlaubnis ist der Klägerin nicht erteilt worden; seitdem übt sie ihre Hafentätigkeiten ohne Erlaubnis aus.

5 Die Compagnia Unica Lavoratori Merci Varie (die am 19. April 1997 zur Compagnia Unica Soc. coop. rl wurde, im Folgenden: CULMV) erbringt ebenfalls Hafendienste im Hafen von Genua.

6 Mit Bescheid vom 5. Januar 1995 erteilte die Hafenbehörde der CULMV bis zum 31. Dezember 1995 die Erlaubnis, mit Ausnahme des Handels mit Massengütern Hafenarbeiten zu erbringen, und das Nutzungsrecht für einen Terminal des Hafens von Genua. Seit dem 31. Dezember 1995 übt die CULMV ihre Tätigkeiten ohne Erlaubnis aus.

7 Am 10. November 1998 erhob die Klägerin bei der Kommission Beschwerde gegen die Italienische Republik, die Hafenbehörde und die CULMV, in der sie einen Verstoß gegen die Artikel 82 EG und 86 Absatz 1 EG geltend machte.

8 In dieser Beschwerde beanstandete sie das Monopol der CULMV auf dem Markt der Hafendienste im Hafen von Genua. Diese Situation folge zum einen aus der Monopolstellung der CULMV vor Erlass des Gesetzes Nr. 84/94 und zum anderen aus dem Verhalten der Hafenbehörde, die das Fortbestehen des Monopols der CULMV begünstigt habe, indem sie die Anträge der Klägerin nicht beschieden habe. Diese Situation werde noch dadurch verstärkt, dass nur die CULMV autorisiert sei, Zeitarbeitskräfte zu überlassen. Durch ihr tatsächliches Monopol im Hafen von Genua missbrauche die CULMV ihre beherrschende Stellung im Sinne des Artikels 82 EG in der im Urteil des Gerichtshofes vom 10. Dezember 1991 in der Rechtssache C-179/90 (Merci Convenzionali Porto di Genova, Slg. 1991, I-5889) beschriebenen Weise.

9 Dieses Monopol der CULMV werde zum einen durch das geltende nationale Recht betreffend die Überlassung von Hafenarbeitern und zum anderen durch das Verhalten der Hafenbehörde bei der Erteilung von Erlaubnissen für die Durchführung von Hafenarbeiten ermöglicht; darin liege ein Verstoß gegen Artikel 82 EG in Verbindung mit Artikel 86 EG.

10 Mit Schreiben vom 4. November 1999 forderte die Klägerin die Kommission gemäß Artikel 232 EG auf, in Bezug auf die Italienische Republik und die CULMV eine endgültige Entscheidung zu erlassen. Hierzu trägt sie vor, dass die Untätigkeit der Kommission den Wettbewerbsvorteil der CULMV, der sich aus deren Monopol ergebe, vergrößere und die Ausübung ihrer eigenen Tätigkeiten erschwere.

11 Die Kommission antwortete mit Schreiben vom 22. Dezember 1999 (im Folgenden: angefochtene Handlung).

Verfahren und Anträge der Parteien

12 Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 17. März 2000 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist, Klage erhoben.

13 Mit besonderem Schriftsatz, der am 29. Mai 2000 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist, hat die Kommission gemäß Artikel 114 der Verfahrensordnung eine Unzulässigkeitseinrede geltend gemacht.

14 Am 6. Juli 2000 hat die Klägerin ihre schriftlichen Erklärungen zu dieser Einrede bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht.

15 Die Klägerin beantragt,

- die Unzulässigkeitseinrede zurückzuweisen;

- die angefochtene Handlung für nichtig zu erklären;

- der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

16 Die Beklagte beantragt,

- die Klage als unzulässig abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

17 Nach Artikel 114 der Verfahrensordnung kann das Gericht auf Antrag einer Partei vorab über die Unzulässigkeit entscheiden. Gemäß Artikel 114 Absatz 3 wird mündlich verhandelt, sofern das Gericht nicht anderes bestimmt. Im vorliegenden Fall sieht sich das Gericht durch die Akten ausreichend unterrichtet, um über den Antrag ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.

Zur Zulässigkeit der Klage

Vorbringen der Parteien

18 Die Kommission weist auf das Vorbringen der Klägerin hin, dass die Zulässigkeit ihrer Klage davon abhänge, ob die angefochtene Handlung eine endgültige Entscheidung darstelle, und dass die vorliegende Klage als zurückgenommen anzusehen sei, wenn die Kommission ihr mitteile, dass sie beabsichtige, die Untersuchung fortzuführen.

19 Nach Ansicht der Kommission ist die Klage unzulässig, weil zum einen die angefochtene Handlung keine anfechtbare Handlung nach Artikel 230 EG sei. Sie erzeuge nämlich keine verbindlichen Rechtswirkungen, die Interessen der Klägerin beeinträchtigten (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 11. November 1981 in der Rechtssache 60/81, IBM/Kommission, Slg. 1981, 2639, Randnr. 10).

20 Zum anderen sei die Klage unzulässig, weil der Klägerin das Rechtsschutzinteresse fehle. Sie habe nämlich erst im Stadium der Klage geltend gemacht, dass die Kommission die Beschwerde nicht auf einen selbständigen Verstoß der CULMV gegen Artikel 82 EG geprüft habe.

21 Selbst wenn die angefochtene Handlung als endgültige Handlung zu qualifizieren wäre oder die Kommission der Klägerin in einem späteren Verfahrensstadium mitteilte, dass sie keine Entscheidung nach Artikel 86 Absatz 3 EG erlassen werde, wären diese Entscheidungen keine anfechtbaren Handlungen. Die Klägerin könne nämlich nicht geltend machen, dass sie sich in einer Ausnahmesituation befinde, in der ein Einzelner zur Erhebung einer Klage gegen die Weigerung der Kommission, eine Entscheidung nach Artikel 86 Absätze 1 und 3 EG zu erlassen, befugt sei (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 20. Februar 1997 in der Rechtssache C-107/95 P, Bundesverband der Bilanzbuchhalter/Kommission, Slg. 1997, I-947).

22 Die Klägerin erwidert erstens hinsichtlich der Natur der angefochtenen Handlung, dass die Kommission diese Handlung nur auf der Ebene ihrer Unzulässigkeitseinrede ausdrücklich als Zwischenhandlung qualifiziere und dass dieses Argument aus verschiedenen Gründen zurückzuweisen sei.

23 Zunächst betreffe der von der Klägerin geltend gemachte Schaden eine Situation in der Vergangenheit, auf die sich die von der Kommission in der angefochtenen Handlung erwähnte Änderung des Hafengesetzes nicht vorteilhaft auswirke, da diese Änderung die Erteilung oder Versagung von Erlaubnissen nach dem Inkrafttreten des Gesetzes betreffe.

24 Ferner sei der von der Klägerin geltend gemachte Schaden Folge von Maßnahmen der Verwaltungsbehörde, die der CULMV den Missbrauch ihrer beherrschenden Stellung erleichtert hätten, und nicht des Inhalts des im Zeitpunkt der Nichterteilung der beantragten Erlaubnis geltenden Hafengesetzes.

25 Schließlich sei die von der Kommission in der angefochtenen Handlung erwähnte künftige Änderung des Hafengesetzes ungewiss, so dass sie kein stichhaltiger Grund für den Erlass einer Zwischenmaßnahme sei. Die erst vor kurzem erfolgte Billigung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes Nr. 84/94 löse nicht die Probleme, die mit der Regelung der Hafenarbeiten und der Zuteilung ergänzender und untergeordneter Dienstleistungen in den italienischen Häfen verbunden seien. In Wirklichkeit seien nach dem Änderungsgesetz im Wesentlichen die Hafenbehörden oder, wenn solche nicht eingerichtet worden seien, die Seeschifffahrtsbehörden dafür zuständig, die Hafendienste durch eine spezifische Regelung festzulegen, die gemäß den durch Dekret des Ministers für Verkehr und Schifffahrt aufgestellten zwingenden Kriterien zu erlassen sei, das binnen 120 Tagen nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erlassen werden müsse. Dieses Gesetz sehe also keine Regelung des Marktes für Hafenarbeiten und Hafendienste vor, die ausreichende Gewähr für die Beachtung des freien Zugangs zu diesen Tätigkeiten unter transparenten und nicht diskriminierenden Bedingungen biete. Die neue Regelung scheine den Wettbewerb zwischen Hafenunternehmern nicht zu gewährleisten, obwohl betont werde, dass die Überlassung von Zeitarbeitskräften für die Durchführung von Hafenarbeiten und die Erbringung von Hafendiensten mit der Ausübung der Hafenarbeit nicht vereinbar sei.

26 Die angefochtene Handlung könne daher nur eine endgültige Maßnahme sein, mit der die Kommission das Verfahren über die Beschwerde der Klägerin hinsichtlich des Verstoßes der CULMV gegen Artikel 82 EG, der durch die Artikel 86 widersprechenden Maßnahmen der Hafenbehörde erleichtert worden sei, habe einstellen wollen.

27 Zweitens hält die Klägerin dem Vorbringen der Kommission, sie sei nicht befugt, gegen eine Weigerung der Kommission zu klagen, eine Entscheidung nach Artikel 86 Absatz 3 EG zu erlassen, entgegen, dass dieses Interesse von der Gemeinschaftsrechtsprechung, die die Kommission zitiere, dann anerkannt werde, wenn die fraglichen Maßnahmen unmittelbar oder mittelbar die Rechtsposition einer natürlichen oder juristischen Person individuell beträfen. Das sei der Fall bei Maßnahmen, die nicht die Beziehungen zwischen den Gemeinschaftsorganen regelten und kein öffentliches Interesse schützten.

28 Die von der Hafenbehörde erlassenen Maßnahmen seien zudem keine generellen Rechtsakte, so dass ihr Tätigwerden den Mitgliedstaat nicht verpflichte, einen solchen Rechtsakt zu erlassen, zu ändern oder aufzuheben.

29 Außerdem stelle die Weigerung der Kommission, eine Entscheidung in Bezug auf eine Situation zu erlassen, die das Recht eines Unternehmers auf Zugang zum Markt verletze, eine Maßnahme dar, die diesen unmittelbar und individuell betreffe.

30 Das Rechtsschutzinteresse folge schließlich aus der Stellung und dem Zweck des Artikels 86 EG, die der Stellung und dem Zweck der Vorschriften über staatliche Beihilfen genau entsprächen, so dass eine natürliche oder juristische Person ein Rechtsschutzinteresse gegenüber einer Maßnahme habe, die die Kommission im Rahmen des ihr nach Artikel 86 Absatz 3 EG eingeräumten Ermessens getroffen habe.

Würdigung durch das Gericht

31 Nach dem Vorbringen der Kommission ist die Klage der Klägerin auf Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung unzulässig, weil zum einen diese Handlung keine anfechtbare Handlung im Sinne des Artikels 230 EG darstelle und zum anderen es der Klägerin am Rechtsschutzinteresse gegenüber dieser Handlung fehle. Die Klägerin habe in ihrer Beschwerde einen selbständigen Verstoß der CULMV gegen Artikel 82 EG nicht geltend gemacht; hinsichtlich des Verstoßes des Italienischen Staates gegen Artikel 82 EG in Verbindung mit 86 EG sei die Kommission nicht verpflichtet, auf Antrag eines Einzelnen gemäß Artikel 86 Absatz 3 EG tätig zu werden.

32 Vor einer Prüfung der Frage, ob gegen die angefochtene Handlung die Nichtigkeitsklage gegeben ist, ist der Inhalt der Beschwerde näher zu untersuchen, um festzustellen, ob die Klägerin darin einen selbständigen Verstoß der CULMV gegen Artikel 82 EG geltend macht.

33 Die Klägerin vertritt in ihrer Beschwerde die Ansicht, dass die beherrschende Stellung der CULMV zum einen durch das geltende nationale Recht und zum anderen durch das Verhalten der Hafenbehörde ermöglicht worden sei.

34 In Punkt b) Missbrauch einer beherrschenden Stellung durch die CULMV" im fünften Abschnitt der Beschwerde, der die Überschrift Das tatsächliche Monopol der CULMV im Hafen von Genua" trägt, hat die Klägerin eine selbständige Verhaltensweise der CULMV beschrieben, die ihrer Ansicht nach einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellt.

35 Die Klägerin führt dort nämlich aus, dass die CULMV aufgrund ihres gegenwärtigen Monopols im Sektor der Hafendienste ihre beherrschende Stellung im Sinne des Artikels 82 EG in der im Urteil Merci Convenzionali Porto di Genova beschriebenen Weise missbrauche. Die CULMV sei in der Lage, denen, die Hafendienste in Anspruch nähmen, die Preise und Arbeitsbedingungen zu diktieren, über die für die Erbringung der Dienstleistungen zu wählende Unternehmensstruktur zu entscheiden, wobei sie ein auf Arbeitskraft beruhendes System modernen Technologien vorziehe, und ihre Dienstleistungen gegenüber den verschiedenen vertragsschließenden Unternehmen zu ungleichen Bedingungen zu erbringen.

36 Sie führt sodann einen konkreten Fall an, in dem die CULMV mit dem ausschließlichen Ziel, den einzigen Kunden abzuwerben, dem gegenüber die Klägerin derzeit Dienstleistungen erbringe, und auf diese Weise ihre Stellung auf dem Markt weiter auszubauen, ihre Dienstleistungen zu einem Preis angeboten habe, der 25 % unter dem Preis für die Dienstleistungen der Klägerin gelegen habe. Dieses Verhalten der CULMV verstoße gegen die wettbewerbsrechtlichen Gemeinschaftsgrundsätze; in einem vergleichbaren Fall habe die Kommission ein solches Verhalten als missbräuchlich angesehen (Entscheidung 88/138/EWG der Kommission vom 22. Dezember 1987 betreffend ein Verfahren nach Artikel 86 EWG-Vertrag [IV/30.787 und 31.488 - Eurofix-Bauco/Hilti], ABl. L 65, S. 19, Randnr. 81).

37 Außerdem hat auch die Kommission die Beschwerde der Klägerin als gegen einen angeblichen Verstoß der CULMV gegen Artikel 82 EG gerichtet ausgelegt. So heißt es in der angefochtenen Handlung einleitend:

Die gegenständliche Beschwerde wurde am 16. November 1998 (vor ungefähr einem Jahr) in das Register der Dienststellen der Generaldirektion Wettbewerb eingetragen. Diese Beschwerde richtet sich gegen den Italienischen Staat und die [Hafenbehörde] wegen angeblichen Verstoßes gegen Artikel 86 EG und Artikel 82, und gegen die CULMV wegen angeblichen Verstoßes gegen Artikel 82 EG."

38 Die Kommission fährt wie folgt fort:

[Nach] einer vorläufigen Prüfung beruhen alle beanstandeten Praktiken auf Verwaltungsentscheidungen der [Hafenbehörde] und/oder dem Gesetz Nr. 84/94 in seiner geänderten Fassung. Die Kommission hat deshalb kein Verfahren gegen die CULMV gemäß der Verordnung [Nr. 17] des Rates eingeleitet, sondern eine Akte betreffend Italien wegen möglichen Verstoßes gegen Artikel 86 [EG] in Verbindung mit Artikel 82 EG angelegt. [Die Klägerin] hat das Ergebnis dieser vorläufigen Prüfung nie beanstandet."

39 Entgegen dem Vorbringen der Kommission in ihrer Unzulässigkeitseinrede folgt daraus, dass die Klägerin in ihrer Beschwerde einen selbständigen Verstoß der CULMV gegen Artikel 82 EG geltend gemacht hatte.

40 Auf dieser Basis ist zu prüfen, ob gegen die angefochtene Handlung die Nichtigkeitsklage nach Artikel 230 EG gegeben ist; hierzu ist auf ihr Wesen abzustellen.

41 Nach ständiger Rechtsprechung sind alle Maßnahmen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen des Klägers durch einen Eingriff in seine Rechtsstellung beeinträchtigen können, Handlungen oder Entscheidungen, gegen die die Anfechtungsklage nach Artikel 230 EG gegeben ist. Im Fall von Handlungen oder Entscheidungen, die in einem mehrphasigen Verfahren, insbesondere zum Abschluss eines internen Verfahrens, ergehen, liegt eine anfechtbare Handlung grundsätzlich nur bei Maßnahmen vor, die den Standpunkt des Organs zum Abschluss dieses Verfahren endgültig festlegen, nicht aber bei Zwischenmaßnahmen, die die abschließende Entscheidung vorbereiten sollen (Urteil IBM/Kommission, Randnrn. 9 und 10, und Urteil des Gerichts vom 10. Juli 1990 in der Rechtssache T-64/89, Automec/Kommission, Slg. 1990, II-367, Randnr. 42).

42 Außerdem trifft ein Organ, das die Befugnis hat, eine Zuwiderhandlung festzustellen und ihretwegen Sanktionen zu verhängen, und das, wie die Kommission im Wettbewerbsrecht, von Einzelnen mit einer Beschwerde befasst werden kann, zwangsläufig eine Maßnahme, die Rechtswirkungen erzeugt, wenn es eine Untersuchung, die es aufgrund dieser Beschwerde eingeleitet hat, einstellt. Die Einstellung des Verfahrens über eine Beschwerde ist daher keine vorbereitende Handlung, da sie das letzte Stadium des Verfahrens darstellt und ihr keine weitere Maßnahme folgt, die Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein könnte (Urteil des Gerichtshofes vom 16. Juni 1994 in der Rechtssache C-39/93, SFEI u. a./Kommission, Slg. 1994, I-2681, Randnrn. 27 und 28).

43 Was im vorliegenden Fall zunächst den angeblichen Verstoß des Italienischen Staates gegen Artikel 82 EG in Verbindung mit Artikel 86 EG anbelangt, geht aus der angefochtenen Handlung klar hervor, dass die Kommission ein Verfahren gegen ihn eingeleitet hat.

44 Die angefochtene Handlung stellte dieses Verfahren nicht ein. Die Kommission teilt der Klägerin darin nämlich lediglich den Stand des Verfahrens gegen den Italienischen Staat und ihre vorläufigen Bemerkungen zu der Untersuchung mit, die sie gegen ihn durchführt.

45 Hierzu führt die Kommission in der angefochtenen Handlung aus, dass sie noch nicht in der Lage ist, einen endgültigen Standpunkt festzulegen, weder zugunsten noch zu Ungunsten der [Klägerin], da die von den italienischen Behörden angeforderten Auskünfte noch nicht eingegangen sind".

46 Außerdem hat die Kommission ihrer Unzulässigkeitseinrede als Anlage ein an den Italienischen Staat gerichtetes Schreiben vom 15. Juni 1999 beigefügt, in dem sie diesen auffordert, zusätzliche Auskünfte über die CULMV und die Klägerin zu geben. Mangels einer Antwort des Italienischen Staates wiederholte die Kommission ihre Aufforderung mit Schreiben vom 23. November 1999 und vom 7. April 2000, die der Einrede ebenfalls als Anlage beigefügt sind.

47 Das Vorbringen der Klägerin zu den früheren und gegenwärtigen Folgen der angeblichen Verstöße gegen die wettbewerbsrechtlichen Vorschriften und zu dem ungewissen Nutzen, den sie aus der Änderung des Gesetzes Nr. 84/94 ziehen könnte, ist für die Frage, ob die angefochtene Handlung endgültig ist, unbeachtlich. Zum einen hat die Kommission das mögliche Vorliegen solcher Verstöße nie bestritten und zum anderen zeigt die Tatsache, dass die Kommission die vorgesehenen Gesetzesänderungen abwartet, eher, dass sie ihre Überlegungen zu diesem Punkt noch nicht abgeschlossen hat.

48 Ohne dass über die Befugnis der Klägerin zur Klage gegen eine Entscheidung der Kommission nach Artikel 86 Absatz 3 EG entschieden werden müsste, ist daher festzustellen, dass die angefochtene Handlung in Bezug auf das Verfahren betreffend den Verstoß gegen Artikel 82 EG in Verbindung mit Artikel 86 EG eine Zwischenmaßnahme darstellt.

49 Aus der angefochtenen Entscheidung ergibt sich zweitens hinsichtlich des angeblichen Verstoßes der CULMV gegen Artikel 82 EG, dass die Kommission beschlossen hatte, nicht gegen die CULMV, sondern gegen den Italienischen Staat ein Verfahren einzuleiten, da sie nach einer vorläufigen Prüfung davon ausging, dass die beanstandeten Praktiken auf den Verwaltungsentscheidungen der Hafenbehörde und/oder dem Gesetz Nr. 84/94 beruhten.

50 Da Artikel 82 EG nur für wettbewerbswidriges Verhalten gilt, für das Unternehmen sich von sich aus entscheiden, kann die Beurteilung dieser Verhaltensweisen eine vorherige Bewertung der anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften verlangen. Diese vorherige Bewertung der Auswirkungen, die die Rechtsvorschriften auf das Verhalten der Unternehmen haben können, betrifft jedoch nur die Frage, ob diese Rechtsvorschriften die Möglichkeiten eines Wettbewerbs bestehen lassen, der durch autonomes Verhalten der Unternehmen verhindert, eingeschränkt oder verfälscht werden kann (Urteil des Gerichtshofes vom 11. November 1997 in den Rechtssachen C-359/95 P und C-379/95 P, Kommission und Frankreich/Ladbroke Racing, Slg. 1997, I-6265, Randnrn. 32 bis 35).

51 Aufgrund der ersten Informationen, über die sie verfügte, ging die Kommission davon aus, dass die CULMV nicht autonom gegen Artikel 82 EG verstoßen habe. Dass die Kommission in diesem Stadium annahm, dass ein Verstoß gegen Artikel 82 EG in Verbindung mit Artikel 86 EG vorliegen könnte, rechtfertigte es, die Prüfung auf die maßgeblichen Rechtsvorschriften zu konzentrieren. Das bedeutete jedoch nicht, dass die Kommission entschieden hätte, auch dann kein Verfahren gegen die CULMV einzuleiten, wenn sie bei Abschluss dieser Prüfung feststellen sollte, dass ein autonomes Verhalten dieses Unternehmens trotz der nationalen Rechtsvorschriften möglich blieb.

52 Da die angefochtene Handlung nicht endgültig über die Haltung der Kommission zur Einleitung eines Verfahrens gegen die CULMV entscheidet, stellt sie insoweit keine Handlung dar, die mit einer Nichtigkeitsklage angefochten werden kann.

53 Nach alledem ist die angefochtene Handlung keine endgültige Handlung und die Klage daher als unzulässig abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

54 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission ihre eigenen Kosten und die Kosten der Kommission aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

beschlossen:

1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Kommission.

Ende der Entscheidung

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