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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 10.07.1992
Aktenzeichen: T-63/91
Rechtsgebiete: EWG/EAG BeamtStat


Vorschriften:

EWG/EAG BeamtStat Art. 7 Anhang VII
EWG/EAG BeamtStat Art. 10 Anhang VII
EWG/EAG BeamtStat Art. 90
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Das Tagegeld nach Artikel 10 Absatz 1 des Anhangs VII des Statuts, auf das der neu eingestellte Beamte nur bis zu seinem Umzug zum Zweck der Wohnungnahme an seinem Dienstort Anspruch hat, soll einen Ausgleich für die Kosten und Unannehmlichkeiten gewähren, die dem Beamten dadurch entstehen, daß er zu seinem Dienstort fahren oder sich dort vorläufig einrichten muß, dabei aber, ebenfalls vorläufig, seinen früheren Wohnsitz beibehält.

Das Tagegeld kann folglich einem Beamten nicht gewährt werden, der nicht nachweist, daß ihm derartige Kosten oder Unannehmlichkeiten entstanden sind.

2. Unter dem Hauptwohnsitz zum Zeitpunkt der Einberufung ° auf den die von der Kommission erlassenen allgemeinen Durchführungsbestimmungen zu Artikel 7 Absatz 3 des Anhangs VII des Statuts für die Feststellung des Einberufungsorts eines Beamten abstellen, da im Statut eine Definition fehlt ° ist der Ort zu verstehen, den der Betroffene als ständigen oder gewöhnlichen Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in der Absicht gewählt hat, ihm Dauerhaftigkeit zu verleihen. Insoweit kann beim Fehlen anderer erheblicher Gesichtspunkte nicht allein aufgrund des Umstands, daß der Betroffene sich nur wegen seiner Berufsausbildung an einem Ort aufhielt, angenommen werden, daß dieser beabsichtigt hätte, den ständigen Mittelpunkt seiner Lebensinteressen an diesen Ort zu verlagern.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (DRITTE KAMMER) VOM 10. JULI 1992. - ELISABETH BENZLER GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - BEAMTER - FESTSETZUNG DES ORTES DER EINBERUFUNG - VORAUSSETZUNGEN FUER DIE GEWAEHRUNG VON TAGEGELD UND DER AUSLANDSZULAGE. - RECHTSSACHE T-63/91.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt und Verfahren

1 Die 1964 in Belgien geborene Klägerin ist die Tochter eines in Brüssel beschäftigten Beamten der Kommission. Sie ist deutsche Staatsangehörige und hat niemals die belgische Staatsangehörigkeit besessen. Nach den Angaben in ihrer Personalakte absolvierte sie nach dem Abschluß ihrer höheren Schulbildung an der Europäischen Schule in Brüssel von 1984 bis 1986 eine Ausbildung am Institut supérieur de tourisme von Louvain-la-Neuve. Ausweislich der Akten unterzog sie sich ab 1986, zunächst an der Fachhochschule Düsseldorf, dann an der kaufmännischen Berufsschule Neuß, einer theoretischen und praktischen Berufsausbildung; sie verband dabei den Besuch von Kursen mit einer praktischen Ausbildung im Rahmen von zwei Ausbildungs- und Lehrlingsverträgen, die sie nacheinander mit der L. B. und K. Werbeagentur, Düsseldorf, für den Zeitraum vom 1. Oktober 1986 bis zum 31. Mai 1988 und mit der Beste Accessoires GmbH Neuß für die Zeit vom 6. Juni 1988 bis zum 23. Mai 1990 abschloß. Während dieser Zeit bezog ihr Vater die Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder und die Erziehungszulage. Danach war die Klägerin vom 1. Juli bis zum 31. August 1990 als Kauffrau bei dem Unternehmen Elysian Accessoires, Neuß, tätig.

2 Am 29. Mai 1990 kündigte die Klägerin den Mietvertrag für ihre Wohnung in Düsseldorf zum 31. August 1990.

3 Während eines Urlaubsaufenthalts bei ihren Eltern erkundigte sich die Klägerin am 30. Juli 1990 bei der Kommission, ob eine Stelle für eine Hilfskraft deutscher Sprache frei sei. Die Kommission setzte sich am selben Tag mit ihr in Verbindung und forderte sie angesichts ihrer unmittelbar bevorstehenden Rückreise nach Düsseldorf auf, sich am folgenden Tag einer Untersuchung auf ihre körperliche Eignung zu unterziehen. Die Klägerin reichte ihre Bewerbung am 1. August 1990 ein, sie gab dabei die Anschrift ihrer Eltern in Belgien als Korrespondenzanschrift an. Als ständigen Aufenthaltsort bezeichnete sie Düsseldorf. Die Klägerin trat am 1. September 1990 in Brüssel in den Dienst der Kommission ein.

4 Mit Entscheidung vom 29. Oktober 1990 setzte die Kommission als Einberufungsort der Klägerin Brüssel fest. In derselben Entscheidung stellte sie fest, daß die Klägerin keinen Anspruch auf Tagegelder habe, da ihr Dienstantritt keine Änderung ihres Wohnorts im Sinne der Voraussetzungen von Artikel 20 des Statuts erforderlich gemacht habe. Sie wies ferner den Anspruch der Klägerin auf die Auslandszulage mit der Begründung zurück, ihre Abwesenheit von Belgien sei vorübergehend gewesen.

5 Die Klägerin legte am 29. Januar 1991 gegen diese Entscheidung Beschwerde ein. Da diese Beschwerde nicht ausdrücklich zurückgewiesen wurde, hat sie mit Klageschrift, die am 30. August 1991 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die Aufhebung der Entscheidung der Kommission vom 29. Oktober 1990 beantragt. Das schriftliche Verfahren ist ordnungsgemäß abgelaufen und am 6. März 1992 abgeschlossen worden. Das Gericht hat gemäß Artikel 53 seiner Verfahrensordnung beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Die Parteien haben in der Sitzung vom 19. Mai 1992 mündlich verhandelt.

Anträge der Parteien

6 Die Klägerin beantragt,

° die Entscheidung vom 29. Oktober 1990 aufzuheben, mit der Brüssel als ihr Einberufungs- und Herkunftsort festgesetzt und die Gewährung von Tagegeldern und Auslandszulage abgelehnt wurde;

° soweit erforderlich, die stillschweigende Entscheidung, mit der die Kommission ihre Beschwerde vom 29. Januar 1991 zurückwies, aufzuheben;

° der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Kommission beantragt,

° die Klage als unbegründet abzuweisen;

° über die Kosten nach Rechtslage zu entscheiden.

Klagegründe und Argumente der Parteien

7 Die Klägerin stützt ihren Aufhebungsantrag auf zwei Argumente:

° Verstoß gegen Artikel 7 Absatz 3 des Anhangs VII des Statuts und gegen den Beschluß der Kommission vom 15. Juli 1980 zur Annahme allgemeiner Durchführungsbestimmungen, und zwar gegen seinen Artikel 2 Absatz 2;

° Verstoß gegen die Vorschriften über die Feststellung des Herkunftsorts.

8 Sie macht zunächst geltend, der Einberufungsort sei in Artikel 2 Absatz 2 des Beschlusses der Kommission vom 15. Juli 1980 definiert als der "Ort, an dem der Beamte zum Zeitpunkt seiner Einberufung seinen Hauptwohnsitz hatte". Ferner sei im Hinblick auf die Gewährung der Auslandszulage zu untersuchen, wo der Betroffene zum Zeitpunkt seiner Einstellung seinen ständigen Aufenthaltsort gehabt habe. Sie verweist insoweit auf das Urteil des Gerichtshofes vom 10. Oktober 1989 in der Rechtssache 201/88 (Atala-Palmerini/Kommission, Slg. 1989, 3109, Randnr. 9), in dem es heisse: "Ob die Voraussetzungen für die Gewährung der Auslandszulage vorliegen, hängt ausserdem auch von der subjektiven Situation des Beamten ab, nämlich vom Grad seiner Integration in seine... Umgebung, wie er sich beispielsweise aus seinem ständigen Wohnsitz oder der Ausübung einer ständigen hauptberuflichen Tätigkeit ergibt."

9 Die Klägerin führt zu diesen Kriterien aus, sie sei im Zeitpunkt ihrer Einstellung in "objektiver" wie "subjektiver" Hinsicht in Düsseldorf vollkommen integriert gewesen. Davon zeugten zum einen die Art der von ihr in den Jahren 1986 bis 1990 absolvierten Berufsausbildung ° abwechselnd theoretische Kurse und Praktika am Arbeitsplatz ° und zum anderen die Tatsache, daß sie von einer derartigen Ausbildung nur in Deutschland Gebrauch machen könne. Dies zeige eindeutig ihre Absicht, sich auf Dauer in diesem Land niederzulassen. Tatsächlich sei sie nur deshalb bereit gewesen, ihre Ausbildung am Arbeitsplatz in den Jahren 1988 bis 1990 fortzusetzen, weil sie auf ein Stellenangebot dieses Unternehmens gehofft habe. So habe sie sich nach Beendigung ihres Praktikums von ihrem Arbeitgeber weiterbeschäftigten lassen, um eine Berufslaufbahn als "Kauffrau" bei Elysian Accessoires zu beginnen. In ihrer Erwiderung führt sie hierzu aus, sie habe diese zwei Monate unselbständiger Erwerbstätigkeit in ihrer Bewerbung um eine Hilfskraftstelle bei der Kommission nicht erwähnt, weil es sich ihrer Meinung nach um einen "Studentenjob" während der Sommerferien gehandelt habe, da das Unternehmen sie offiziell erst am 1. Juli 1990 eingestellt habe, also einen Monat vor ihrer Bewerbung und nachdem sie sich zur Aufgabe ihrer Stelle entschlossen habe. In der mündlichen Verhandlung hat sie jedoch geltend gemacht, die Kommission ihrerseits habe nicht angenommen, daß es sich um einen "Studentenjob" gehandelt habe, da sie entgegen der Praxis, Studenten mit Sommerjobs während dieser Zeit weiterhin ihren Eltern gegenüber als unterhaltsberechtigt anzusehen, die Erstattung der Erziehungszulage und der Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder verlangt habe.

Die Klägerin macht ferner geltend, sie habe bis zum Tag ihrer Einstellung ohne Unterbrechung eine von ihr gemietete Wohnung in Düsseldorf bewohnt, wo sie sich "ordnungsgemäß angemeldet" habe. Ferner habe sie ihren eigenen Sozialversicherungsschutz gehabt, da sie einer Krankenkasse und einem Rentensystem angeschlossen gewesen sei. Schließlich hätten auch ihr Bruder und ihre Schwester ihre Hochschulausbildung in Deutschland absolviert und sich dort dauernd niedergelassen und ihre Eltern würden, sobald sie Anspruch auf Ruhegehalt hätten, dahin zurückkehren.

10 Aufgrund der vom Gerichtshof entwickelten Kriterien müsse Düsseldorf als Einberufungsort der Klägerin festgestellt werden. Dies zeige eine grammatikalische Auslegung der Begriffe, mit denen der Einberufungsort in Artikel 2 Absatz 2 der allgemeinen Durchführungsbestimmungen zu Artikel 7 Absatz 3 des Anhangs VII des Statuts betreffend den Herkunftsort definiert sei. In der deutschen Fassung von Artikel 2 werde ebenso wie in Artikel 4 des Anhangs VII des Statuts ° der die Gewährung der Auslandszulage regele ° der Begriff "Hauptwohnsitz" verwendet. In Anwendung dieser Vorschrift müsste München als Einberufungsort der Klägerin festgestellt werden. Nach der deutschen Rechtsprechung könne es nämlich definitionsgemäß nur einen "Hauptwohnsitz", den Ort der Ausübung des Wahlrechts, geben. Die Klägerin stützt sich für dieses Vorbringen auf die Bescheinigung der Stadt München vom 3. Januar 1991. Die Kommission müsse demnach den Ort des "Hauptwohnsitzes" der Klägerin, München, als Herkunftsort feststellen. Folglich müsse Düsseldorf als Einberufungsort und München, hilfsweise Düsseldorf, als Herkunftsort der Klägerin festgestellt werden.

11 Schließlich hat die Klägerin in ihrer Erwiderung und in der mündlichen Verhandlung auch vorgetragen, sie habe sich in den Jahren 1984 bis 1986 zur Absolvierung eines Universitätsstudiums in München aufgehalten, ihr gleichzeitiges Studium in Louvain-la-Neuve sei nur ergänzender Natur gewesen.

12 Die Kommission macht geltend, weder könne Düsseldorf als Einberufungsort der Klägerin noch München ihr als Herkunftsort festgestellt werden.

Sie wendet sich erstens gegen die Argumentation der Klägerin, wonach München als ihr Herkunftsort festzustellen sei. Sie verweist insoweit auf Artikel 2 Absatz 1 der allgemeinen Durchführungsbestimmungen zu Artikel 7 Absatz 3 des Anhangs VII des Statuts: "Bei Dienstantritt des Beamten wird davon ausgegangen, daß der Ort, von dem aus er einberufen worden ist, sein Herkunftsort ist." Nur wenn der Beamte innerhalb eines Jahres nach seinem Dienstantritt einen entsprechenden Antrag stelle, könne bei Vorlage von Belegen der Ort des Mittelpunkts seiner Lebensinteressen als Herkunftsort festgestellt werden, falls dieser nicht mit dem Ort der Einberufung übereinstimme. Der Ort, an dem das Wahlrecht ausgeuebt werde, stelle nur eines der Kriterien für die Feststellung des Ortes des Mittelpunkts der Lebensinteressen dar und könne demgemäß für die Feststellung des Herkunftsorts beim Fehlen weiterer Kriterien nicht an die Stelle des Einberufungsorts treten.

13 Die Kommission macht zweitens geltend, Düsseldorf könne nicht als Einberufungsort der Klägerin angesehen werden. Vor dem 23. Mai 1990 habe sich die Klägerin ausschließlich zum Studium und zur Berufsausbildung in Deutschland aufgehalten, so daß ein Hauptwohnsitz im Sinne von Artikel 2 Absatz 2 der allgemeinen Durchführungsbestimmungen vom 15. Juli 1980 nicht angenommen werden könne. Auch die von der Klägerin im Juli und August 1990 ausgeuebte unselbständige Erwerbstätigkeit gestatte wegen ihrer kurzen Dauer nicht die Annahme, daß sie ihren Hauptwohnsitz in Düsseldorf gehabt habe. Insoweit weise eine Vielzahl von Umständen darauf hin, daß die Klägerin nicht die Absicht gehabt habe, sich nach Abschluß ihres Praktikums in Deutschland niederzulassen. So habe sie den Mietvertrag für ihre Wohnung Ende Mai 1990 zum 31. August gekündigt. Ferner habe sie selbst in ihrer ersten unselbständigen Erwerbstätigkeit einen "blossen Studentenjob während der Sommerferien" gesehen und Ende Juli mit der Verwaltung Gespräche wegen einer Stelle in Belgien aufgenommen. Der Wohnsitz der Klägerin in Düsseldorf sei demgemäß als vorübergehend anzusehen und könne für die Feststellung des Einberufungsorts nicht in Betracht gezogen werden.

Rechtliche Würdigung

14 Der Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung lässt sich in vier Teilanträge untergliedern, die die Weigerung, der Klägerin die Auslandszulage zu gewähren, die Weigerung, ihr Tagegeld zu gewähren, die Feststellung ihres Einberufungsorts und die Entscheidung, mit der als ihr Herkunftsort ein anderer Ort als der Ort ihrer Einberufung festgestellt wurde.

Zum Antrag auf Auslandszulage

15 Die Auslandszulage wird gemäß Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a des Anhangs VII des Statuts Beamten gewährt, die ° wie die Klägerin ° die Staatsangehörigkeit des Staates, in dessen Hoheitsgebiet sie ihre Tätigkeit ausüben, nicht besitzen und nicht besessen haben und "während eines sechs Monate vor ihrem Dienstantritt ablaufenden Zeitraums von fünf Jahren in dem europäischen Hoheitsgebiet des genannten Staates weder ihre ständige hauptberufliche Tätigkeit ausgeuebt noch ihren ständigen Wohnsitz gehabt haben. Bei Anwendung dieser Vorschrift bleibt die Lage unberücksichtigt, die sich aus dem Dienst für einen anderen Staat oder eine internationale Organisation ergibt."

16 Die Klägerin trat am 1. September 1990 in den Dienst der Kommission ein. Sie hat also nur Anspruch auf die Auslandszulage, wenn sie während des Fünfjahreszeitraums vom 1. März 1985 bis zum 1. März 1990 in Belgien weder ihren ständigen Wohnsitz gehabt noch ihre ständige hauptberufliche Tätigkeit ausgeuebt hat (vgl. die Urteile des Gerichtshofes vom 2. Mai 1985 in der Rechtssache 246/83, De Angelis/Kommission, Slg. 1985, 1253, Randnr. 14, und vom 10. Oktober 1985, Atala-Palmerini/Kommission, a. a. O., Randnrn. 6 bis 11, sowie das Urteil des Gerichts vom 8. April 1992 in der Rechtssache T-18/91, Costacurta Gelabert/Kommission, Slg. 1992, II-1655, Randnr. 44).

17 Im vorliegenden Fall ist diese Voraussetzung nicht erfuellt. Es steht nämlich aufgrund des Akteninhalts, insbesondere aufgrund der von der Klägerin selbst in ihrem Bewerbungsschreiben an die Kommission gemachten Angaben fest, daß sie zu Beginn des genannten Fünfjahreszeitraums, von 1984 bis 1986, eine Ausbildung am Institut européen de tourisme von Louvain-la-Neuve absolvierte, die sie, wie sie in der mündlichen Verhandlung angab, mit dem Erwerb eines Diploms mit Bestnote abschloß. Dagegen werden die Behauptungen der Klägerin, sie habe ihren Hauptwohnsitz von 1984 bis 1986 in München gehabt, um an der dortigen Universität ein wirtschaftswissenschaftliches Studium zu absolvieren, namentlich hinsichtlich der tatsächlichen Durchführung dieses Studiums, durch keinen Beweis gestützt. Insbesondere hat die Klägerin diese Universitätsausbildung in ihrem an die Kommission gerichteten Bewerbungsschreiben nicht erwähnt. Sie hat ferner im Verfahren vor dem Gericht weder eine Immatrikulationsbescheinigung noch eine Bescheinigung über die regelmässige Teilnahme an dieser Ausbildung vorgelegt. Zudem bezieht sich die von der Klägerin angeführte Bescheinigung der Stadt München über ihren Hauptwohnsitz (Hauptwohnung) nach den einschlägigen deutschen Rechtsvorschriften auf den Wohnsitz, den die Klägerin ° bzw., solange sie minderjährig war, ihre Eltern ° als ihre Hauptwohnung in Deutschland angegeben hat, unabhängig davon, ob ein tatsächlicher ständiger Wohnsitz ausserhalb dieses Hoheitsgebiets besteht (vgl. § 12 Absatz 1 Melderechtsrahmengesetz vom 16. August 1980, BGBl. III, S. 210-4). Der Begriff der "Hauptwohnung" im Sinne des deutschen Rechtes unterscheidet sich also vom Begriff des Hauptwohnsitzes nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a des Anhangs VII des Statuts, der ein tatsächlicher Begriff ist und damit die Berücksichtigung des tatsächlichen Wohnsitzes des Beamten voraussetzt. Für diese Feststellung spricht auch, daß mit der fraglichen ° am 3. Januar 1991 erteilten ° Bescheinigung bestätigt wird, daß die Klägerin zu diesem Zeitpunkt ihre "Hauptwohnung" seit 1. März 1972 in München hatte. Unstreitig hatte sie jedoch damals ihren Hauptwohnsitz im Sinne des Statuts aufgrund ihrer Einstellung als Hilfskraft am 1. September 1990 in Brüssel. Aus alldem ergibt sich demnach eindeutig, daß, unterstellt, die Klägerin absolvierte tatsächlich 1984 in München ein Universitätsstudium ° was nicht erwiesen ist °, diese Ausbildung nur eine Ergänzung des in Louvain-la-Neuve absolvierten Studiums darstellen konnte. Im übrigen hatte die Klägerin bereits vor Aufnahme ihres Studiums in Louvain-la-Neuve ihren Hauptwohnsitz in Belgien, und zwar in Brüssel, wo ihre Eltern wohnten und sie selbst eine weiterführende Schule bis zur Ablegung des Abiturs 1984 besuchte. Die Klägerin hatte also während ihres Studiums in Louvain-la-Neuve, das sich über einen nicht unwesentlichen Teil des Bezugszeitraums, nämlich vom 1. März 1985 bis zum 30. September 1986, erstreckte, ihren Hauptwohnsitz weiterhin in Belgien.

18 Demnach ist die Voraussetzung für die Gewährung der Auslandszulage, daß der Betroffene während des gesamten Bezugszeitraums seinen Hauptwohnsitz nicht in seinem Dienstland hatte, im vorliegenden Fall nicht erfuellt. Der Antrag auf Auslandszulage ist folglich als unbegründet zurückzuweisen.

Zum Antrag auf Tagegeld

19 Tagegeld wird gemäß Artikel 10 Absatz 1 des Anhangs VII des Statuts gewährt, wenn "ein Beamter nach[weist], daß er seinen Wohnsitz ändern muß, um seinen Verpflichtungen aus Artikel 20 des Statuts nachzukommen". Gemäß Artikel 20 hat der Beamte am Ort seiner dienstlichen Verwendung oder in solcher Entfernung von diesem Ort Wohnung zu nehmen, daß er in der Ausübung seines Amtes nicht behindert ist.

20 Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß das Tagegeld, auf das der neu eingestellte Beamte nur bis zu seinem Umzug zum Zweck der Wohnungnahme an seinem Dienstort Anspruch hat, einen Ausgleich für die Kosten und Unannehmlichkeiten gewähren soll, die dem Beamten dadurch entstehen, daß er zu seinem Dienstort fahren oder sich dort vorläufig einrichten muß, dabei aber, ebenfalls vorläufig, seinen früheren Wohnsitz beibehält (vgl. u. a. die Urteile vom 30. Januar 1974 in der Rechtssache 148/73, Louwage/Kommission, Slg. 1974, 81, Randnr. 25, und vom 5. Februar 1987 in der Rechtssache 280/85, Mouzourakis/Parlament, Slg. 1987, 589, Randnr. 9).

21 Im vorliegenden Fall entstanden der Klägerin, die ° wie sie in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat ° den Mietvertrag für ihre Wohnung in Düsseldorf am 29. Mai 1990 zum 31. August 1990 kündigte, keine Kosten dadurch, daß sie eine andere Wohnung nehmen musste, ohne ihre bisherige Wohnung aufgeben zu können. Ferner hat die Klägerin nicht angegeben, welche Kosten oder Unannehmlichkeiten ihr dadurch entstanden sein sollen, daß sie bei ihrem Dienstantritt bei der Kommission in Brüssel am Ort ihrer dienstlichen Verwendung habe Wohnung nehmen müssen.

22 Nach alldem ist der Antrag auf Tagegeld als unbegründet zurückzuweisen.

Zur Feststellung des Einberufungsorts

23 Während im Statut eine ausdrückliche Definition des Begriffs des Einberufungsorts im Sinne von Artikel 7 Absatz 3 des Anhangs VII des Statuts fehlt, ist dieser in Artikel 2 Absatz 2 des Beschlusses vom 15. Juli 1980 über allgemeine Durchführungsbestimmungen zu Artikel 7 Absatz 3 definiert als der "Ort, an dem der Beamte zum Zeitpunkt seiner Einberufung seinen Hauptwohnsitz hatte; ein zeitweiliger Wohnort, insbesondere der Studienort, Wehrdienststandort, Aufenthaltsort bei Praktika und Reisen, kann nicht als Hauptwohnsitz gelten" (Verwaltungsmitteilungen Nr. 291 vom 5. September 1980).

24 Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß mit diesen allgemeinen Durchführungsbestimmungen Artikel 7 Absatz 3 des Anhangs VII des Statuts nur ausgelegt und präzisiert wird (Urteil vom 6. Juni 1990 in der Rechtssache T-44/89, Gouvras-Laycock/Kommission, Slg. 1990, II-217, Randnr. 25). Im vorliegenden Fall ist der Begriff des Hauptwohnsitzes, wie er in den allgemeinen Durchführungsbestimmungen zum Statut vorkommt und von der Kommission bei ihrer Entscheidung angewendet worden ist, für die Definition des Einberufungsorts erheblich.

25 Nach ständiger Rechtsprechung ist unter dem Hauptwohnsitz der Ort zu verstehen, den der Betroffene als ständigen oder gewöhnlichen Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in der Absicht gewählt hat, ihm Dauerhaftigkeit zu verleihen (vgl. die Urteile vom 12. Juli 1973 in der Rechtssache 13/73, Angenieux, Slg. 1973, 935, vom 17. Februar 1977 in der Rechtssache 76/76, Di Paolo, Slg. 1977, 315, und vom 14. Juli 1988 in der Rechtssache 284/87, Schäflein/Kommission, Slg. 1988, 4475; auf anderen Rechtsgebieten das Urteil vom 23. April 1991 in der Rechtssache C-297/89, Ryborg, Slg. 1991, I-1943, Randnr. 19).

26 Das Gericht stellt fest, daß die dauerhaften Bindungen der Klägerin zu Belgien nicht abgebrochen sind, während sie vom 1. Oktober 1986 bis zum 31. August 1990 in Düsseldorf wohnte. Aus den gesamten Akten ergibt sich nämlich, daß sie nur wegen ihres Studiums ab 1986 in Düsseldorf wohnte und diese Stadt nicht als ständigen Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen wählte.

27 Daß damals alle Bindungen der Klägerin zu Brüssel fortbestanden, für das sie eine besondere Aufenthaltserlaubnis (permis de séjour spécial) hatte und wohin sie während der Ferien in den Kreis ihrer Familie zurückkehrte, ergibt sich aus folgenden Erwägungen. Während ihrer vier Studienjahre an der Fachhochschule Düsseldorf hatte die Klägerin den Status einer Studentin und übte ausweislich der Akten keine dauernde Berufstätigkeit aus, für die sie ein Entgelt erhalten hätte, wie es üblicherweise Arbeitnehmern für eine derartige Tätigkeit gezahlt wird und aufgrund dessen sie sich in das soziale und berufliche Milieu des betreffenden Landes hätte integrieren können. Insoweit lagen die Praktika und Lehrzeiten, die die Klägerin vom 1. Oktober 1986 bis zum 31. Mai 1988 bei zwei Unternehmen absolvierte, durchaus im Rahmen ihres eine theoretische mit einer praktischen Ausbildung verbindenden Studiums. Wie die Parteien in der mündlichen Verhandlung angegeben haben, erhielt die Klägerin hierfür je nach dem in Betracht gezogenen Zeitraum eine Vergütung von 150 bis 350 DM. Ferner war die Klägerin von ihren Eltern, die für ihren Unterhalt, insbesondere für die Finanzierung ihres Studiums, aufkamen und daher Kinder- und Erziehungszulage bezogen, finanziell nicht unabhängig. Was schließlich die Argumentation der Klägerin angeht, sie sei in Deutschland einem Kranken- und Rentenversicherungssystem angeschlossen gewesen, so ergab sich dieser Anschluß aus dem Studentenstatus der Klägerin und kann folglich, da andere erhebliche Gesichtspunkte fehlen, keinen Anhaltspunkt für ihre Integration in Deutschland bieten.

Die von der Klägerin in den Monaten Juli und August 1990, also genau zum Zeitpunkt ihrer Einstellung, ausgeuebte unselbständige Erwerbstätigkeit ist ° mit der in der Erwiderung selbst verwendeten Formulierung ° als "Ferienjob" anzusehen. Die Klägerin führt nämlich aus, sie sei am 1. Juli 1990, also einen Monat vor ihrer Bewerbung bei der Kommission und nachdem sie sich zur Aufgabe ihrer Stelle entschlossen habe, eingestellt worden. Diese Erklärung wird dadurch bestätigt, daß sich die Klägerin für den Studienzeitraum von September 1990 bis Februar 1991 erneut an der Fachhochschule Düsseldorf einschrieb, wie die der Klageschrift beigefügte Immatrikulationsbescheinigung für das entsprechende Semester beweist. Dafür, daß die Klägerin eine auf die Ferienzeit beschränkte unselbständige Erwerbstätigkeit nur ausübte, um sich Taschengeld zu beschaffen, spricht darüber hinaus auch, daß der Vater der Klägerin während dieser zwei Monate Kinder- und Erziehungszulage bezog.

28 Unter diesen Umständen kann gemäß den allgemeinen Durchführungsbestimmungen zum Statut beim Fehlen anderer erheblicher Gesichtspunkte nicht allein aufgrund des Umstands, daß die Klägerin sich für ihre Berufsausbildung in Düsseldorf aufhielt, angenommen werden, daß diese beabsichtigt hätte, den ständigen Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen von Brüssel nach Düsseldorf zu verlagern. Der Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, soweit mit dieser Brüssel als Einberufungsort der Klägerin festgestellt wird, ist demnach als unbegründet zurückzuweisen.

Zur Feststellung des Herkunftsorts

29 Artikel 7 Absatz 3 des Anhangs VII des Statuts lautet: "Der Herkunftsort des Beamten wird bei seinem Dienstantritt unter Berücksichtigung des Ortes, von dem aus er einberufen worden ist, oder des Mittelpunkts seiner Lebensinteressen festgestellt. Diese Feststellung kann im Laufe der Amtszeit des Beamten und anläßlich seines Ausscheidens aus dem Dienst durch eine besondere Verfügung der Anstellungsbehörde geändert werden. Diese Verfügung darf während der Amtszeit des Beamten nur in Ausnahmefällen und bei Vorlage von Unterlagen getroffen werden, durch die der Antrag des Beamten ordnungsgemäß belegt wird." Nach den allgemeinen Durchführungsbestimmungen zu Artikel 7 Absatz 3 des Anhangs VII des Statuts wird bei Dienstantritt des Beamten davon ausgegangen, daß der Ort, von dem aus er einberufen worden ist, sein Herkunftsort ist. Jedoch wird nach diesen Bestimmungen auf Antrag des Beamten, der innerhalb eines Jahres nach seinem Dienstantritt zu stellen ist, bei Vorlage von Belegen der Ort des Mittelpunkts der Lebensinteressen des Beamten als Herkunftsort festgestellt, wenn der Ort des Mittelpunkts der Lebensinteressen nicht mit dem Ort der Einberufung übereinstimmt.

30 Die Klägerin beantragte erstmals mit ihrer am 29. Januar 1991 gegen die Entscheidung vom 29. Oktober 1990 eingelegten Beschwerde in Anwendung der allgemeinen Durchführungsbestimmung und gemäß den erwähnten beamtenrechtlichen Vorschriften als ihren Herkunftsort München festzustellen, also einen anderen Ort als denjenigen, von dem aus sie einberufen worden war, nämlich, wie mit dieser Entscheidung festgelegt, Brüssel. In diesem Punkt ist jedoch die Beschwerde als Antrag im Sinne von Artikel 90 Absatz 1 des Statuts auszulegen, der darauf gerichtet ist, daß die Anstellungsbehörde als Herkunftsort der Klägerin mit Rücksicht auf den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen ° im vorliegenden Fall angeblich München ° einen anderen Ort als den Ort der Einberufung feststellt.

31 Gemäß Artikel 90 Absatz 1 des Statuts gilt das Ausbleiben einer ausdrücklichen Antwort auf einen Antrag nach Ablauf einer Frist von vier Monaten vom Tag der Antragstellung ° diese Frist lief also im vorliegenden Fall am 29. Mai 1991 ab ° als stillschweigende Ablehnung, gegen die innerhalb einer weiteren Frist von drei Monaten eine Beschwerde nach Artikel 90 Absatz 2 zulässig ist.

32 Im vorliegenden Fall legte die Klägerin nicht innerhalb der im Statut hierfür vorgeschriebenen Frist gegen die stillschweigende Ablehnung ihres Antrags durch die Anstellungsbehörde Verwaltungsbeschwerde ein. Die vorliegende Klage ist daher, soweit sie die Feststellung eines anderen Ortes als des Ortes der Einberufung der Klägerin als Herkunftsort betrifft, als unzulässig abzuweisen.

33 Die vorliegende Klage ist demgemäß hinsichtlich ihrer ersten drei Teilanträge als unbegründet und hinsichtlich ihres vierten Teilantrags als unzulässig abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

34 Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, die finanzielle Bedeutung des vorliegenden Verfahrens sei lächerlich gering, und beantragt, der Klägerin deshalb gemäß Artikel 87 § 3 Absatz 2 der Verfahrensordnung die gesamten Kosten aufzuerlegen. Gemäß dieser Bestimmung kann das Gericht auch der obsiegenden Partei die Kosten auferlegen, die sie der Gegenpartei ohne angemessenen Grund oder böswillig verursacht hat.

35 Das Gericht stellt fest, daß die Einschätzung der finanziellen Bedeutung durch die Beklagte angesichts der finanziellen Auswirkungen der angefochtenen Entscheidung offensichtlich irrig ist. Ferner kann die Klage nicht als überfluessig oder mißbräuchlich angesehen werden, da die Feststellung, wo die Klägerin zu einem bestimmten Zeitpunkt ihren Hauptwohnsitz hatte, eine schwierige Bewertung eines komplexen Sachverhalts erfordert hat. Dem Antrag der Beklagten kann folglich nicht stattgegeben werden.

36 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Gemäß Artikel 88 dieser Verfahrensordnung tragen jedoch die Organe in Rechtstreitigkeiten mit Bediensteten der Gemeinschaften ihre Kosten selbst. Demgemäß trägt jede Partei ihre eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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