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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 10.07.1990
Aktenzeichen: T-64/89
Rechtsgebiete: EWG, Verordnung Nr. 17, Verordnung Nr. 99/63, Verfahrensordnung


Vorschriften:

EWG Art. 85
Verordnung Nr. 17 Art. 3 Abs. 2
Verordnung Nr. 99/63 Art. 6
Verfahrensordnung Art. 38 § 1 Buchst. c
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Das Bestehen einer mit der Nichtigkeitsklage nach Artikel 173 EWG-Vertrag anfechtbaren Maßnahme ist eine wesentliche Zulässigkeitsvoraussetzung, deren Fehlen das Gericht von Amts wegen feststellen kann. Insbesondere zählt die vorbereitende Natur einer Maßnahme zu den der Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage entgegenstehenden Gründen, die von Amts wegen geprüft werden können.

2. Das durch Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 geregelte Verfahren für die Prüfung von Beschwerden wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft gliedert sich in drei aufeinanderfolgende Phasen.

Während der ersten Phase nach der Einreichung der Beschwerde ermittelt die Kommission die Umstände, die ihr die Entscheidung darüber ermöglichen, wie sie die Beschwerde weiter behandeln soll. Diese Phase kann insbesondere einen informellen Meinungs - und Informationsaustausch zwischen der Kommission und dem Beschwerdeführer umfassen, durch den die tatsächlichen und die rechtlichen Umstände, die Gegenstand der Beschwerde sind, geklärt werden sollen und dem Beschwerdeführer die Möglichkeit gegeben werden soll, seinen Standpunkt darzulegen, gegebenenfalls unter Berücksichtigung einer ersten Reaktion der Dienststellen der Kommission.

In der zweiten Phase legt die Kommission in einer Mitteilung an den Beschwerdeführer die Gründe dar, aus denen sie es nicht für gerechtfertigt hält, seinem Antrag stattzugeben, und gibt ihm Gelegenheit, innerhalb einer von ihr dazu festgesetzten Frist Bemerkungen vorzubringen.

In der dritten Phase des Verfahrens nimmt die Kommission von den Äusserungen des Beschwerdeführers Kenntnis. Obwohl Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 diese Möglichkeit nicht ausdrücklich vorsieht, kann diese Phase mit einer endgültigen Entscheidung, die Beschwerde zurückzuweisen und das Verfahren einzustellen, enden, die mit der Nichtigkeitsklage angefochten werden kann.

3. Weder die vorläufigen Bemerkungen der Dienststellen der Kommission bei Einleitung eines Verfahrens zur Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln noch die Mitteilung an den Beschwerdeführer nach Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 können ihrer Natur und ihren Rechtswirkungen nach als Entscheidungen im Sinne von Artikel 173 EWG-Vertrag angesehen werden, gegen die die Nichtigkeitsklage gegeben wäre. Im Rahmen des durch Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 geregelten Verwaltungsverfahrens stellen sie nicht etwa Maßnahmen dar, die die Interessen des Klägers beeinträchtigende verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, sondern sind vorbereitende Maßnahmen.

4. Ist Nichtigkeitsklage gegen eine vorbereitende Maßnahme erhoben worden, die keine Rechtswirkungen erzeugen und daher nicht wirksam mit einer Nichtigkeitsklage angefochten werden kann, so kann der Erlaß einer weiteren Maßnahme während des Verfahrens nicht als neue Tatsache angesehen werden, die den Kläger zur Anpassung seiner Anträge berechtigen würde.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (ERSTE KAMMER) VOM 10. JULI 1990. - AUTOMEC SRL GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - WETTBEWERB- VERFAHREN - ZULAESSIGKEIT - VORBEREITENDE MASSNAHME. - RECHTSSACHE T-64/89.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung italienischen Rechts mit Sitz in Lancenigo di Villorba ( Provinz Treviso ). 1960 schloß sie mit BMW Italia SpA ( im folgenden : BMW Italia ) einen Vertragshändlervertrag über den Vertrieb von Kraftfahrzeugen der Marke BMW in der Stadt und der Provinz Treviso. Mit Schreiben vom 20. Mai 1983 teilte BMW Italia der Klägerin ihre Absicht mit, den am 31. Dezember 1984 auslaufenden Vertrag nicht zu verlängern. Die Klägerin verklagte BMW Italia vor dem Tribunale Mailand auf Fortsetzung der vertraglichen Beziehungen mit ihr. Das Tribunale Mailand wies diese Klage ab, worauf die Klägerin bei der Corte d' appello Mailand Berufung einlegte. BMW Italia leitete ihrerseits zwei Verfahren vor dem Tribunale Treviso ein, durch die die Klägerin daran gehindert werden sollte, das eingetragene Warenzeichen BMW zur Werbung für Kraftfahrzeuge aus Parallelimporten zu verwenden. Beide Klagen von BMW Italia wurden abgewiesen.

2 Am 25. Januar 1988 stellte die Klägerin bei der Kommission einen Antrag gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962 ( Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages, ABl. Nr. 13, S. 204 ). Zur Begründung ihres Antrags führte sie aus, das Verhalten von BMW Italia und der deutschen Muttergesellschaft, der BMW AG, verstosse gegen Artikel 85 EWG-Vertrag. Das Vertriebssystem von BMW, das für die Bundesrepublik Deutschland durch die Entscheidung 75/73/EWG der Kommission vom 13. Dezember 1974 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 des EWG-Vertrags ( ABl. 1975, L 29, S. 1 ) genehmigt worden sei, sei ein selektives Vertriebssystem. Da sie alle qualitativen Kriterien erfuelle, habe BMW Italia nicht das Recht, sich zu weigern, sie mit BMW-Fahrzeugen und BMW-Ersatzteilen zu beliefern, und ihr die Verwendung des Warenzeichens BMW zu untersagen. BMW Italia müsse sie im Gegenteil nach dem Urteil des Gerichtshofes vom 22. Oktober 1986 in der Rechtssache 75/84 ( Metro/Kommission, Slg. 1986, 3021, 3091 ) als Vertriebshändlerin anerkennen.

3 BMW sei daher verpflichtet,

- die von ihr bestellten Kraftfahrzeuge und Ersatzteile zu den für die Wiederverkäufer geltenden Preisen und Bedingungen zu liefern,

- die Verwendung des Warenzeichens BMW durch sie in dem für die normale Information der Öffentlichkeit notwendigen Umfang und nach den im Automobilsektor üblichen Modalitäten zu gestatten.

4 Die Klägerin ersuchte die Kommission daher, BMW Italia und der BMW AG aufzugeben, die beanstandete Zuwiderhandlung abzustellen und den obengenannten Maßnahmen sowie allen anderen, die die Kommission eventuell für notwendig oder nützlich erachte, nachzukommen.

5 Mit Schreiben vom 1. September 1988 machte die Klägerin der Kommission weitere Angaben über den angeblichen Boykott durch BMW.

6 Am 30. November 1988 übersandte die Kommission der Klägerin ein vom Direktor in der Generaldirektion "Wettbewerb" Temple Lang unterzeichnetes Schreiben. Dieses Schreiben, das der Klägerin am 10. Dezember 1988 zuging, lautet wie folgt :

"Unter Bezugnahme auf den obengenannten Antrag sowie auf die verschiedenen Telefongespräche zwischen meinen Mitarbeitern, Herrn Stöver und Herrn Locchi, und Ihrem Rechtsanwalt, Herrn Ferrari, muß ich Ihnen zu meinem Bedauern mitteilen, daß die Kommission nicht befugt ist, auf der Grundlage der gemachten Angaben in dieser Sache eine Entscheidung in Ihrem Sinn zu erlassen.

Sie berufen sich auf den mit BMW Italia geschlossenen Vertrag, der im Laufe des Jahres 1960 in Kraft getreten ist : Dieser Vertrag wurde von BMW mit Wirkung vom 31. Dezember 1984 gekündigt, und es wird von Ihnen nicht bestritten, daß sich BMW an die Vertragsbestimmungen gehalten hat.

Sie haben die Kommission jedoch unter Hinweis darauf, daß BMW ein selektives Vertriebssystem in Italien eingeführt habe, ersucht, gegenüber diesem Kraftfahrzeugunternehmen wegen Verstosses gegen Artikel 85 EWG-Vertrag eine Verbotsentscheidung zu erlassen und ihn zu verpflichten, seine Lieferungen an Ihr Unternehmen wiederaufzunehmen und Ihnen - wie drei anderen Vertragshändlern in der Provinz Treviso - die Verwendung des Warenzeichens BMW zu gestatten.

Wenn ich es recht verstehe, beschweren Sie sich somit darüber, daß es Ihnen wegen der auferlegten Preise und der Verpflichtung, die von BMW gestellten Bedingungen im Bereich der Investitionen, der Werbung und des Vertriebs zu beachten - alles Bedingungen, die Sie in der Regel beachtet hätten - nicht gelungen sei, eine eigenständige und hinreichend dynamische Wirtschaftspolitik zu betreiben, um das Verkaufsvolumen auf dem von BMW verlangten Niveau halten zu können.

Ein solcher Umstand kann zwar von den nationalen ordentlichen Gerichten im Rahmen einer Entscheidung über die von Ihnen erlittenen Schäden berücksichtigt werden, die Kommission kann jedoch BMW nicht unter Berufung darauf verpflichten, die Lieferungen an Ihr Unternehmen wiederaufzunehmen.

Ausserdem ist die gemeinschaftliche Wettbewerbsregelung, soweit sie sich auf den Kraftfahrzeugmarkt bezieht, ab dem 1. Juli 1985 durch den Erlaß der Verordnung ( EWG ) Nr. 123/85 geändert worden. Die verschiedenen Kraftfahrzeugunternehmen in ganz Europa haben anscheinend ihre Vertriebsvereinbarungen geändert, um sie mit der Regelung in Einklang zu bringen. Die zur Verfügung stehenden Informationen erlauben nicht die Annahme, daß BMW Italia nicht ihrerseits die Maßnahmen ergriffen hat, um ihr eigenes Vertriebsnetz mit den genannten gemeinschaftlichen Wettbewerbsvorschriften in Übereinstimmung zu bringen."

Verfahren

7 Die vorliegende Klage auf Aufhebung der nach Ansicht der Klägerin in dem genannten Schreiben enthaltenen Entscheidung ist mit Klageschrift, die am 17. Februar 1989 in das Register der Kanzlei des Gerichtshofes eingetragen worden ist, erhoben worden. Die Klägerin stützt ihren Antrag auf sieben Klagegründe. Die Kommission habe erstens gegen Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung Nr. 17 und zweitens gegen Artikel 155 EWG-Vertrag verstossen. Nach ihrer eigenen Bekanntmachung 85/C 17/03 zu ihrer Verordnung ( EWG ) Nr. 123/85 ( ABl. 1985, C 17, S. 4 ) hätte die Kommission dem Antrag "mit grosser Sorgfalt" nachgehen müssen, statt ihn "sofort scheitern zu lassen ". Drittens habe die Kommission gegen Artikel 1 ihrer Verordnung ( EWG ) Nr. 123/85 vom 12. Dezember 1984 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs - und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge ( ABl. 1985, L 15, S. 16 ) verstossen, da diese Verordnung auf das von BMW praktizierte selektive Vertriebssystem nicht anwendbar sei. Viertens rügt die Klägerin die Unzulänglichkeit der Begründung der Entscheidung, da diese nur auf Vermutungen über das Verhalten von BMW gestützt sei. Fünftens habe die Kommission, deren einzige Sorge es anscheinend sei, "BMW nicht zu stören", ermessensmißbräuchlich gehandelt. Sechstens hätte die Kommission für den Fall, daß die Verordnung Nr. 123/85 im vorliegenden Fall anwendbar gewesen wäre, gemäß Artikel 10 der Verordnung den Vorteil ihrer Anwendung auf das von BMW eingeführte Vertriebssystem entziehen müssen. Hilfsweise stellt die Klägerin siebtens die Gültigkeit der Verordnung Nr. 123/85 in Frage. Soweit das Verhalten der Kommission eine unmittelbare und unvermeidliche Folge dieser Verordnung sei, sei diese nichtig, weil sie mit Artikel 85 EWG-Vertrag unvereinbar sei.

8 Nach der Erhebung dieser Klage hat die Kommission der Klägerin am 26. Juli 1989 ein zweites - nunmehr vom Generaldirektor für Wettbewerb unterzeichnetes - Einschreiben zugesandt, in dem darauf hingewiesen wurde, daß die Klägerin das vorangegangene Schreiben vom 30. November 1988 nicht richtig ausgelegt habe. Die zuständigen Dienststellen der Kommission hätten mit diesem Schreiben nicht die Absicht verfolgt, das Verfahren zu beenden. Sie hätten lediglich ihrer Meinung Ausdruck gegeben, daß der Rechtsstreit zwischen der Klägerin und BMW Italia in erster Linie in die Zuständigkeit der italienischen ordentlichen Gerichte falle. Ihr Schreiben stelle daher nicht eine endgültige Stellungnahme der Kommission dar. Dies werde dadurch bewiesen, daß sich die zuständigen Dienststellen der Kommission an keiner Stelle auf Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63/EWG der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates ( ABl. Nr. 127, S. 2268 ) bezogen hätten.

9 In demselben Schreiben vom 26. Juli 1989 informierte die Kommission die Klägerin förmlich darüber, daß sie nicht beabsichtige, dem Antrag vom 25. Januar 1988 stattzugeben. Dies wurde "in Anwendung und für die Zwecke" des Artikels 6 der Verordnung Nr. 99/63 mitgeteilt. Die Kommission forderte die Klägerin auf, sich dazu innerhalb von zwei Monaten zu äussern. Sie fügte hinzu, ihr neues Schreiben beseitige die eventuellen Wirkungen des vorangegangenen Schreibens vom 30. November 1988.

10 Die Kommission hat am 27. Juli 1989, also einen Tag nachdem sie der Klägerin ihr zweites Einschreiben geschickt hatte, einen Antrag auf Erlaß einer Zwischenentscheidung nach Artikel 91 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes gestellt, ohne eine Klagebeantwortung einzureichen. Sie hat beantragt, über diesen Antrag vorab zu entscheiden. Sie ist der Meinung, daß die Klägerin ihre Klage zurücknehmen müsse, da die Mitteilung vom 26. Juli 1989 den Gegenstand des Rechtsstreits beseitigt habe. Für den Fall, daß die Klägerin ihre Anträge aufrechterhält, beantragt die Kommission, die Hauptsache für erledigt zu erklären und die Kosten gemäß Artikel 69 § 5 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes gegeneinander aufzuheben.

11 Die Klägerin hat Erklärungen eingereicht, mit denen sie beantragt, den Antrag auf Erlaß einer Zwischenentscheidung zurückzuweisen. Die Kommission habe ihre Entscheidung, das Verfahren einzustellen, nicht geändert; die neue Mitteilung habe daher den Gegenstand der Klage nicht beseitigt.

12 Parallel zu dem Verfahren vor dem Gerichtshof hat die Klägerin gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 mit Schreiben vom 4. Oktober 1989 ihre Bemerkungen zu der Mitteilung vom 26. Juli 1989 vorgebracht. Dieses Schreiben enthält einige Erläuterungen des Gegenstands und des Umfangs ihres Antrags.

13 Mit Beschluß vom 15. November 1989 hat der Gerichtshof gemäß Artikel 14 des Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften die Rechtssache an das Gericht verwiesen.

14 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht ( Erste Kammer ) beschlossen, dem Antrag der Kommission, über den Antrag auf Erlaß einer Zwischenentscheidung vorab zu entscheiden, stattzugeben.

15 Die Vertreter der Klägerin und der Kommission haben in der Sitzung vom 6. März 1990 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

16 Der Vertreter der Kommission hat in der mündlichen Verhandlung auf seinen Antrag die Genehmigung erhalten, beim Kanzler die Fotokopie eines Schreibens vom 28. Februar 1990 einzureichen, mit dem der für Wettbewerbssachen zuständige Vizepräsident der Kommission, Sir Leon Brittan, der Klägerin im Namen der Kommission mitgeteilt hat, daß diese beschlossen habe, den Antrag vom 25. Januar 1988 abzulehnen. Die für diese Entscheidung angeführten Gründe lassen sich wie folgt zusammenfassen.

17 Zum zweiten Teil des Antrags, der darauf gerichtet ist, daß die Kommission BMW verpflichtet, die Lieferungen an die Klägerin wiederaufzunehmen und dieser zu gestatten, das Warenzeichen BMW zu verwenden, vertritt die Kommission der Ansicht, daß sie diesem Antrag nicht stattgeben könne, da sie nicht befugt sei, bei einem Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag solche Anordnungen zu erlassen. Derartige Maßnahmen könnten eventuell im Rahmen der Anwendung des Artikels 86 EWG-Vertrag gerechtfertigt sein, die Klägerin habe jedoch im vorliegenden Fall keinen Anhaltspunkt geliefert, aufgrund dessen sich ein Verstoß gegen diese Vorschrift feststellen lasse.

18 Hinsichtlich des zweiten Teils des Antrags, der allgemeiner darauf gerichtet ist, daß die Kommission BMW Italia auffordert, die dieser von der Klägerin vorgeworfene Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 abzustellen, ist die Kommission zu dem Ergebnis gelangt, daß im vorliegenden Fall kein hinreichendes Gemeinschaftsinteresse bestehe, um eine weitere Prüfung der Sache zu rechtfertigen. Die Klägerin könne die Frage der Vereinbarkeit des Vertriebssystems von BMW Italia mit Artikel 85 den nationalen Gerichten stellen, die sie bereits wegen des Streits über die Kündigung des Vertragshändlervertrages angerufen habe, der in der Vergangenheit zwischen den beiden Unternehmen bestanden habe. Anders als die Kommission könne das nationale Gericht BMW Italia eventuell verurteilen, den Schaden zu ersetzen, den die Klägerin durch die Verkaufsweigerung möglicherweise erlitten habe.

19 Die Klägerin, die bestreitet, daß dieses Schreiben eine neue Entscheidung darstellt, hat geltend gemacht, die Entscheidung könne geprüft werden, wenn im vorliegenden Verfahren zur Hauptsache verhandelt werde. Die Rechtsprechung des Gerichtshofes ermögliche es ihr, ihre Anträge anzupassen und, wie sie bereits in ihren Erklärungen zum Antrag auf Erlaß einer Zwischenentscheidung angekündigt habe, die Aufhebung dieser Bestätigung der angefochtenen Entscheidung zu beantragen.

20 Die Klägerin beantragt,

1 ) die Klage für zulässig zu erklären;

2 ) die individuelle Entscheidung der Generaldirektion "Wettbewerb" vom 30. November 1988 aufzuheben und die Verordnung Nr. 123/85 insoweit für nichtig zu erklären, als sie die unerläßliche Grundlage dieser Entscheidung darstellt;

3 ) festzustellen, daß die Kommission nach Artikel 176 EWG-Vertrag verpflichtet ist, die sich aus dem zu erlassenden Urteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen;

4 ) die Kommission zum Ersatz der Schäden zu verurteilen;

5 ) der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

21 Die Kommission beantragt,

1 ) festzustellen, daß sich die Hauptsache erledigt hat, da der Gegenstand des Rechtsstreits weggefallen ist;

2 ) die Kosten gemäß Artikel 69 § 5 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes gegeneinander aufzuheben.

22 In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission des weiteren beantragt, der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, falls das Gericht beschließt, Artikel 92 § 2 der Verfahrensordnung anzuwenden und die Klage als unzulässig abzuweisen.

23 Hinsichtlich des Antrags der Kommission auf Erlaß einer Zwischenentscheidung beantragt die Klägerin,

1 ) den Antrag der Beklagten auf Erlaß einer Zwischenentscheidung zurückzuweisen und zur Hauptsache zur verhandeln;

2 ) der Kommission die Kosten des Zwischenstreits aufzuerlegen.

24 Der Präsident hat die mündliche Verhandlung über den Antrag auf Erlaß einer Zwischenentscheidung am Schluß der Sitzung für geschlossen erklärt.

Zur Zulässigkeit des Aufhebungsantrags

25 Die Kommission führt für ihren Antrag auf Erlaß einer Zwischenentscheidung zwei Gründe an. Sie macht zum einen geltend, daß die angefochtene Mitteilung, d. h. das Schreiben vom 30. November 1988, nicht als eine Entscheidung des Organs angesehen werden könne. Zum anderen trägt sie vor, die Schreiben vom 26. Juli 1989 und vom 28. Februar 1990 hätten die Wirkungen des angefochtenen Schreibens, sofern dieses überhaupt irgendeine rechtlich erhebliche Wirkung gehabt habe, beseitigt und folglich die Klage gegenstandslos gemacht.

26 Um zu beweisen, daß das Schreiben vom 30. November 1988 keine endgültige Stellungnahme, d. h. keine endgültige Entscheidung des Organs, darstellt, verweist die Kommission auf den Wortlaut des Schreibens, auf den Umstand, daß es nicht vom Generaldirektor oder dem zuständigen Mitglied der Kommission, sondern von einem Direktor unterzeichnet gewesen sei, und insbesondere auf das Fehlen jeder Bezugnahme auf Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63. Diese Vorschrift lege ausdrücklich das Verfahren fest, das sie befolgen müsse, wenn sie der Meinung sei, einem Antrag nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 nicht stattgeben zu können. Im Unterschied zu einem auf Artikel 6 beruhenden Schreiben habe das angefochtene Schreiben die Klägerin nur von einer ersten Reaktion der Dienststellen der Kommission in Kenntnis setzen sollen.

27 In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der Kommission dieses Vorbringen näher ausgeführt und darauf hingewiesen, daß das angefochtene Schreiben Teil eines Schriftwechsels sei, der normalerweise zwischen der Kommission und den beschwerdeführenden Unternehmen stattfinde, bevor die in Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 vorgeschriebene Mitteilung abgesandt werde. Den Unternehmen sei sowohl diese ständige Praxis als auch besagter Artikel 6 bekannt. Die Unternehmen könnten daher nicht im unklaren darüber sein, daß eine Stellungnahme, der das in Artikel 6 vorgesehene Verfahren nicht vorausgegangen ist, vorbereitender Natur sei. Zwar enthalte das Schreiben einige Begriffe, die Zweifel an der Vorläufigkeit seines Inhalts wecken könnten, deren Wirkung werde jedoch durch andere Sätze nicht so endgültiger Natur ausgeglichen; stelle man das Schreiben in den durch Artikel 6 vorgegebenen Zusammenhang, so erwecke es nicht den Anschein einer Entscheidung.

28 Ausserdem habe die Klägerin nicht nachgewiesen, daß das angefochtene Schreiben ihr gegenüber unmittelbare nachteilige Rechtswirkungen entfaltet habe. Insbesondere behaupte sie zu Unrecht, daß das Schreiben ihr ihre Haupteinnahmequelle entzogen habe, da es die Weigerung der Kommission, die beantragten Maßnahmen gegen BMW zu ergreifen, zum Ausdruck bringe. Zum einen sei gegenüber der Klägerin eine Weigerung nur in dem Schreiben vom 28. Februar 1990 ausgesprochen worden. Zum anderen habe nicht diese Weigerung, sondern nur die Entscheidung von BMW, seine vertraglichen Beziehungen zur Klägerin zu beenden, dieser eine Einkommensquelle entziehen können.

29 Erst durch das Schreiben vom 26. Juli 1989 sei - mittlerweile - das Verfahren der Ablehnung der Beschwerde eingeleitet worden. Dieses ordnungsgemäß vom Generaldirektor unterschriebene Schreiben stelle die in Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 vorgesehene vorbereitende Mitteilung dar. Die endgültige Entscheidung, dem Antrag nicht stattzugeben, sei erst mit dem Schreiben vom 28. Februar 1990 getroffen worden, das von dem für Wettbewerb zuständigen Mitglied der Kommission unterschrieben gewesen sei.

30 Für ihren zweiten Verteidigungsgrund führt die Kommission die beiden Urteile des Gerichtshofes vom 5. Oktober 1988 in der Rechtssache 56/85 ( Brother Industries/Kommission, Slg. 1988, 5655 ) und in den verbundenen Rechtssachen 294/86 und 77/87 ( Technointorg/Kommission und Rat, Slg. 1988, 6077 ) über vorläufige Antidumpingzölle an. Der vom Gerichtshof in diesen beiden Rechtssachen zugrunde gelegte Gedanke, daß die Rechtswirkungen einer vorläufigen Maßnahme entfielen, wenn eine endgültige Maßnahme an ihre Stelle trete, müsse erst recht in der vorliegenden Rechtssache gelten.

31 Die Kommission hat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, daß sie den Antrag, die Hauptsache für erledigt zu erklären, im Geiste des Kompromisses und der strikten Beachtung der Verfahrensvorschriften gestellt habe. Sie meint, sie hätte vorab die Unzulässigkeit der Klage rügen können, da offensichtlich gewesen sei, daß die angefochtene Maßnahme nicht endgültig gewesen sei. Sie habe davon Abstand genommen, damit das Gericht die Kosten gemäß Artikel 69 § 5 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes gegeneinander aufheben könne und so vermieden werde, daß der Klägerin die Kosten auferlegt würden.

32 Nur hilfsweise habe sie in der mündlichen Verhandlung auf die Möglichkeit hingewiesen, daß das Gericht Artikel 92 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes anwenden könnte, um die Klage aufgrund der rein vorbereitenden Natur der angefochtenen Maßnahme als unzulässig abzuweisen.

33 Die Klägerin ist der Auffassung, daß das angefochtene Schreiben eine endgültige Ablehnung ihres Antrags darstellt. Weder das Schreiben vom 26. Juli 1989 noch das am 28. Februar 1990 von dem zuständigen Mitglied der Kommission unterzeichnete Schreiben habe dazu führen können, daß der Gegenstand des Rechtsstreits wegfalle.

34 Zu dem ersten von der Kommission angeführten Verteidigungsgrund macht die Klägerin geltend, die Kommission habe in dem Schreiben vom 30. November 1988 deutlich gemacht, daß sie nicht einmal rein hypothetisch in Betracht ziehen wolle, daß BMW gegen die Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrags verstossen haben könnte.

35 Der Umstand allein, daß das angefochtene Schreiben von einem Direktor der Kommission unterschrieben worden sei, mache weder deutlich, daß der Unterzeichner nicht befugt gewesen sei, eine solche Entscheidung in diesem Bereich zu erlassen, noch daß das Schreiben aus diesem Grund nicht als anfechtbare Maßnahme angesehen werden könne. Zur Untermauerung dieses Vorbringens trägt sie vor, es sei normal, daß die Kommission ihre Befugnisse im Wege der Delegation von Zeichnungsbefugnissen ausübe, und der Gerichtshof habe diese Praxis bestätigt. Sie verweist insoweit auf das Urteil des Gerichtshofes vom 19. Januar 1984 in der Rechtssache 65/83 ( Erdini/Rat, Slg. 1984, 211 ), in dem der Gerichtshof eine Klage gegen eine Maßnahme für zulässig erklärt habe, die wegen der Stellung ihres Urhebers von dem Adressaten als eine Entscheidung der zuständigen Stelle habe angesehen werden können.

36 Ausserdem stelle zwar die Nichtbeachtung von Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 einen Fehler der angefochtenen Maßnahme dar, diese Fehlerhaftigkeit sei jedoch weder so schwer noch so offensichtlich, daß die Maßnahme als inexistent angesehen werden könne.

37 Ob das angefochtene Schreiben eine endgültige Maßnahme oder lediglich eine "erste Reaktion" der Kommission sei, sei eine Frage der Begründetheit. Dies gelte auch für die andere ihrer Meinung nach zu prüfende Frage, ob die Kommission ihre Entscheidung, der Beschwerde nicht stattzugeben, oder die Begründung dieser Entscheidung noch habe ändern können, nachdem diese Maßnahme endgültig geworden sei. Sie weist insoweit auf die Rechtsprechung des Consiglio di Stato hin, der diese Frage verneine und nicht zulasse, daß die Verwaltung die Begründung eines Verwaltungsakts ändere oder ergänze, es sei denn, sie tü dies innerhalb einer kurzen und angemessenen Frist, die eine eventuelle Klage nicht erschwere.

38 Zu dem zweiten von der Kommission geltend gemachten Verteidigungsgrund führt die Klägerin aus, daß das Schreiben vom 26. Juli 1989 die streitige Entscheidung durch die Eröffnung des Verfahrens, das zur Feststellung einer Zuwiderhandlung von BMW habe führen sollen, keineswegs beseitigt, sondern sie bestätigt habe, wenn es auch auf andere Gründe gestützt sei. Das von Sir Leon Brittan unterschriebene Schreiben vom 28. Februar 1990 sei ebenfalls keine neue Entscheidung, sondern die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.

39 Dieses Schreiben sei eine neue Tatsache, die es ihr nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes erlaube, ihre Anträge und Klagegründe anzupassen, um dessen Aufhebung im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits zu beantragen. Es sei mit einer geordneten Rechtspflege und den Erfordernissen der Prozessökonomie unvereinbar, sie zur Erhebung einer neuen Klage zu verpflichten. Ausserdem verbiete es die Rechtsprechung des Gerichtshofes, daß eine rein bestätigende Maßnahme für sich allein Gegenstand einer Klage sei. Die Klägerin hat dieses Vorbringen in der mündlichen Verhandlung wiederholt.

40 Unter Bezugnahme auf die auf diesem Gebiet ergangene Rechtsprechung des Consiglio di Stato weist die Klägerin darauf hin, daß der Gegenstand des Rechtsstreits nur dann durch die beiden von der Kommission angeführten Maßnahmen entfallen wäre, wenn diese dem Antrag der Klägerin in vollem Umfang stattgegeben hätte. Der Gerichtshof habe dieselben Grundsätze in dem Urteil vom 12. Juli 1988 in der Rechtssache 383/87 ( Kommission/Rat, Slg. 1988, 4051, 4064 ) angewandt.

41 Es ist darauf hinzuweisen, daß das Gericht gemäß Artikel 92 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, die gemäß Artikel 11 Absatz 3 des obengenannten Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 für das Gericht entsprechend gilt, zu jeder Zeit von Amts wegen prüfen kann, ob unverzichtbare Prozeßvoraussetzungen fehlen. Das Bestehen einer mit der Nichtigkeitsklage nach Artikel 173 EWG-Vertrag anfechtbaren Maßnahme ist eine wesentliche Zulässigkeitsvoraussetzung, deren Fehlen der Gerichtshof wiederholt von Amts wegen festgestellt hat ( Beschluß vom 7. Oktober 1987 in der Rechtssache 248/86, Brüggemann/WSA, Slg. 1987, 3963, und Urteil vom 4. Juni 1986 in der Rechtssache 78/85, Fraktion der Europäischen Rechten/Parlament, Slg. 1986, 1753, 1757 ).

42 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes sind alle Maßnahmen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen des Klägers durch einen Eingriff in seine Rechtsstellung beeinträchtigen, Handlungen oder Entscheidungen, gegen die die Nichtigkeitsklage nach Artikel 173 gegeben ist. Im Fall von Handlungen oder Entscheidungen, die in einem mehrphasigen Verfahren, insbesondere zum Abschluß eines internen Verfahrens, ergehen, liegt eine anfechtbare Handlung grundsätzlich nur bei Maßnahmen vor, die den Standpunkt des Organs zum Abschluß dieses Verfahrens endgültig festlegen, nicht aber bei Zwischenmaßnahmen, die die abschließende Entscheidung vorbereiten sollen ( Urteil vom 11. November 1981 in der Rechtssache 60/81, IBM/Kommission, Slg. 1981, 2639, 2651, Randnrn. 8 ff.). Die vorbereitende Natur der angefochtenen Maßnahme zählt demnach zu den Gründen, die der Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage entgegenstehen und, wie der Gerichtshof in dem Urteil vom 14. Februar 1989 in der Rechtssache 346/87 ( Bossi/Kommission, Slg. 1989, 303, 332 ff.) festgestellt hat, von Amts wegen geprüft werden können.

43 Für die Beurteilung der Rechtsnatur des angefochtenen Schreibens ist dessen Bedeutung im Rahmen des Verfahrens zur Prüfung der nach Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 erhobenen Beschwerden zu untersuchen, auf das sich Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 bezieht.

44 Dieses Verfahren gilt für die von der Klägerin erhobene Beschwerde nicht nur insoweit, als diese darauf gerichtet ist, daß die Kommission eine Entscheidung erlässt, mit der BMW verpflichtet wird, die ihr von der Klägerin vorgeworfenen Zuwiderhandlungen abzustellen, sondern auch insoweit, als diese Beschwerde dahin auszulegen ist, daß sie auf den Entzug des Vorteils der Anwendung der in der Verordnung Nr. 123/85 vorgesehenen Gruppenfreistellung auf das BMW-Vertriebsnetz gerichtet ist. Zwar bezieht sich die Verordnung Nr. 17, deren Durchführung die Verordnung Nr. 99/63 regelt, nicht ausdrücklich auf eine solche Entzugsentscheidung. Nach Artikel 7 der Verordnung Nr. 19/65/EWG des Rates vom 2. März 1965 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen ( ABl. Nr. 36, S. 533 ) muß jedoch der Entzug des Vorteils durch eine individuelle Entscheidung der Kommission gemäß den Artikeln 6 und 8 der Verordnung Nr. 17 erfolgen. In dem Verfahren, das diesen Entscheidungen vorausgeht, gibt Artikel 19 der Verordnung Nr. 17 dem beteiligten Unternehmen und den Dritten, die ein ausreichendes Interesse glaubhaft machen, die Gelegenheit, sich der Kommission gegenüber zu äussern. Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 regelt die Durchführung einer solchen Anhörung.

45 Im Ablauf des in Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und in Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 geregelten Verfahrens sind drei aufeinanderfolgende Phasen zu unterscheiden. Während der ersten Phase nach der Einreichung der Beschwerde ermittelt die Kommission gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 die Umstände, die ihr die Entscheidung darüber ermöglichen, wie sie die Beschwerde weiter behandeln soll. Diese Phase kann insbesondere einen informellen Meinungs - und Informationsaustausch zwischen der Kommission und dem Beschwerdeführer umfassen, durch den die tatsächlichen und die rechtlichen Umstände, die Gegenstand der Beschwerde sind, geklärt werden sollen und dem Beschwerdeführer die Möglichkeit gegeben werden soll, seinen Standpunkt darzulegen, gegebenenfalls unter Berücksichtigung einer ersten Reaktion der Dienststellen der Kommission. Die vorläufigen Bemerkungen der Dienststellen der Kommission im Rahmen dieser informellen Kontakte können nicht als anfechtbare Maßnahmen angesehen werden.

46 In einer zweiten Phase folgt die in Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 vorgesehene Mitteilung, mit der die Kommission dem Beschwerdeführer die Gründe darlegt, aus denen sie es nicht für gerechtfertigt hält, seinem Antrag stattzugeben, und ihm Gelegenheit gibt, innerhalb einer von ihr dazu festgesetzten Frist Bemerkungen vorzubringen. Diese Mitteilung ähnelt der in Artikel 2 der Verordnung Nr. 99/63 vorgesehenen Mitteilung der Beschwerdepunkte, die ebenfalls das Ergebnis einer Vorprüfung der Umstände des Falles ist, auf dessen Grundlage die Kommission den betroffenen Unternehmen eine Frist zur Äusserung setzt. Die in Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 vorgesehene Mitteilung stellt also aufgrund ihrer Stellung in dem Verfahren das Gegenstück zur Mitteilung der Beschwerdepunkte dar. Die Mitteilung der Beschwerdepunkte soll nach dem Urteil des Gerichtshofes vom 11. November 1981 in der Rechtssache 60/81 ( IBM, a. a. O.) den Anspruch auf rechtliches Gehör wahren, während die in Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 vorgesehene Mitteilung die verfahrensmässigen Rechte der Beschwerdeführer sichern soll, die jedoch nicht so weit wie der Anspruch auf rechtliches Gehör der Unternehmen gehen, gegen die sich die Untersuchung der Kommission richtet ( Urteil vom 17. November 1987 in den verbundenen Rechtssachen 142/84 und 156/84, BAT und Reynolds/Kommission, Slg. 1987, 4487, 4573 ). Aus dem Urteil des Gerichtshofes vom 11. November 1981 in der Rechtssache 60/81 ( IBM, a. a. O.) ergibt sich aber, daß die Mitteilung der Beschwerdepunkte keine Entscheidung, sondern lediglich eine gegenüber der abschließenden Entscheidung vorbereitende Verfahrenshandlung ist. Wenn dies für die Mitteilung der Beschwerdepunkte gilt, die eine grössere rechtliche Bedeutung als die in Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 vorgesehene Mitteilung hat, darf auch diese nicht als Entscheidung angesehen werden. Eine gegen eine solche Mitteilung gerichtete Nichtigkeitsklage könnte den Gerichtshof und das Gericht nämlich - wie im Fall einer Klage gegen die Mitteilung der Beschwerdepunkte - zu einer Entscheidung über Fragen zwingen, zu denen die Kommission sich noch nicht hat äussern können. Sie würde damit, wie der Gerichtshof in dem Urteil vom 11. November 1981 in der Rechtssache 60/81 ( IBM, a. a. O.) hervorgehoben hat, der Erörterung der sachlichen Probleme vorgreifen und die verschiedenen Phasen des Verwaltungs - und des gerichtlichen Verfahrens durcheinanderbringen; dies wäre mit der im Vertrag vorgesehenen Zuständigkeitsverteilung zwischen der Kommission und den Gemeinschaftsgerichten sowie mit dem Klagesystem des Vertrages und den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege und eines ordnungsgemässen Ablaufs des Verwaltungsverfahrens der Kommission unvereinbar.

47 In der dritten Phase des Verfahrens nimmt die Kommission von den Äusserungen des Beschwerdeführers Kenntnis. Obwohl Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 diese Möglichkeit nicht ausdrücklich vorsieht, kann diese Phase mit einer abschließenden Entscheidung enden. Der Gerichtshof hat wiederholt bestätigt, daß die Kommission endgültig entscheiden kann, die Beschwerde zurückzuweisen und das Verfahren zu beenden. Diese endgültige Entscheidung kann Gegenstand einer Klage sein ( Urteil vom 11. Oktober 1983 in der Rechtssache 210/81, Demo-Studio Schmidt/Kommission, Slg. 1983, 3045; Urteil vom 28. März 1985 in der Rechtssache 298/83, CICCE/Kommission, Slg. 1985, 1105; Urteil vom 17. November 1987 in den verbundenen Rechtssachen 142/84 und 156/84, BAT und Reynolds/Kommission, Slg. 1987, 4487 ).

48 Im vorliegenden Fall geht es also darum, festzustellen, ob das Schreiben vom 30. November 1988 zur ersten oder zur letzten Phase des Verfahrens zur Prüfung der Beschwerden gehört.

49 Dafür ist zunächst der Wortlaut des angefochtenen Schreibens zu prüfen. Diese Prüfung ergibt, daß das Schreiben zwei Fragen anschneidet. Erstens betrifft es den Antrag der Klägerin, der darauf gerichtet ist, daß die Kommission eine Entscheidung trifft, mit der BMW verpflichtet wird, die Lieferungen an die Klägerin wiederaufzunehmen und der Verwendung des Warenzeichens BMW durch letztere zuzustimmen. Die Worte, mit denen die Reaktion der Beklagten auf diesen Antrag dargestellt wird, kommen der Formulierung einer endgültigen Weigerung, dem Antrag stattzugeben, nahe.

50 In dem Schreiben wird nämlich zunächst auf die mangelnde Befugnis der Kommission zum Erlaß der beantragten Maßnahme hingewiesen. Es wird zwar ausgeführt, daß diese Beurteilung allein auf den Angaben der Klägerin beruhe, die Stellungnahme der Kommission zu ihrer fehlenden Befugnis könnte jedoch als endgültiges Ergebnis einer Prüfung dieser Angaben im Hinblick auf die gemeinschaftlichen Wettbewerbsvorschriften angesehen werden. Dieser Eindruck einer endgültigen Ablehnung könnte durch die Feststellung verstärkt werden, daß das Vorbringen der Klägerin zwar von einem nationalen Gericht im Rahmen eines Rechtsstreits über den Ersatz des angeblich erlittenen Schadens berücksichtigt werden könne, dagegen die Kommission BMW nicht unter Berufung darauf verpflichten könne, die Lieferungen an die Klägerin wiederaufzunehmen. Diese Äusserung konnte von der Klägerin als endgültige rechtliche Würdigung des Sachverhalts ausgelegt werden, den sie der Kommission zur Begründung ihres Antrags, die Kommission solle BMW zu einem bestimmten Verhalten ihr gegenüber verpflichten, mitgeteilt hatte.

51 Den Aussagen des Vertreters der Kommission in der mündlichen Verhandlung lässt sich im übrigen entnehmen, daß es nicht ausgeschlossen ist, daß diese Äusserungen bereits in dieser Frage den endgültigen Standpunkt der Dienststellen der Kommission widerspiegelten, die es nicht für erforderlich hielten, weitere Informationen zu verlangen.

52 Das Schreiben enthält jedoch nicht nur Erklärungen zu dem Antrag auf den Erlaß spezifischer Maßnahmen, sondern behandelt auch den allgemeineren zweiten Antrag der Klägerin, der darauf gerichtet ist, daß die Kommission den Verstoß von BMW gegen Artikel 85 EWG-Vertrag feststellt und BMW verpflichtet, diese Zuwiderhandlung abzustellen. Die in dem Schreiben enthaltenen Ausführungen zu diesem zweiten allgemeineren Vorwurf erwecken nicht den Eindruck, daß schon eine endgültige Beurteilung dieses zweiten Punktes stattgefunden hat. Mit ihnen wird die Klägerin lediglich kurz auf die Gruppenfreistellung, die nach der Kündigung des Vertrages zwischen ihr und BMW in Kraft getreten ist, und auf das Fehlen von Informationen hingewiesen, die belegen könnten, daß das Vertriebssystem von BMW nicht mit der Gruppenfreistellung im Einklang steht. Aus dem Schreiben ergibt sich im Gegenteil, daß die Kommission dieses Vertriebssystem sowie das gesamte Verhalten von BMW gegenüber der Klägerin noch nicht rechtlich gewürdigt hatte.

53 Somit enthält das angefochtene Schreiben sowohl - hinsichtlich der ersten Frage der Befugnis der Kommission zum Erlaß der von der Klägerin beantragten spezifischen Maßnahmen - Ausführungen, die den Eindruck einer endgültigen Stellungnahme erwecken können, als auch - hinsichtlich der zweiten Frage, ob die Rüge einer Verletzung des Artikels 85 EWG-Vertrag begründet ist und wie der allgemeinere Antrag der Klägerin, angemessene Maßnahmen zur Abstellung dieser Zuwiderhandlung zu ergreifen, weiter zu behandeln ist - Ausführungen vorläufiger Art.

54 Das Nebeneinander dieser Ausführungen in dem Schreiben zeigt, daß die Kommission noch nicht über die Beschwerde der Klägerin entschieden hatte. Eine Entscheidung kann nämlich - ausser im Fall einer Teilentscheidung - nicht neben endgültigen Bewertungen vorläufige Bewertungen enthalten. Die Kommission hat jedoch im vorliegenden Fall nicht darauf hingewiesen, daß sie die Absicht habe, das Verfahren in zwei Teile aufzuspalten und den einen Verfahrensteil sofort abzuschließen; dies schließt die Annahme einer Teilentscheidung aus.

55 Die Untersuchung des gesamten Schreibens zeigt demnach, daß dieses noch keine endgültige Antwort auf die Beschwerde der Klägerin darstellt, sondern Teil der ersten Phase des Verfahrens zur Prüfung der Beschwerden ist, in der ein vorbereitender Meinungsaustausch stattfindet. Dies ergibt sich in erster Linie schon aus dem Wortlaut des Schreibens, das im Gegensatz zu den Entscheidungen der Kommission über andere Beschwerden keinen ausdrücklichen Hinweis darauf enthält, daß die Beschwerde zurückgewiesen wird und das Verfahren eingestellt werden soll ( Urteile in der Rechtssache 210/81, Demo-Studio Schmidt, a. a. O., 3049, in der Rechtssache 298/83, CICCE, a. a. O., 1121, und in den verbundenen Rechtssachen 142/84 und 156/84, BAT und Reynolds, a. a. O., 4503 ff.). Entgegen dem Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung kommt der erste Absatz des angefochtenen Schreibens nicht einem solchen Entscheidungsausspruch gleich. Die Ausdrucksweise, die die Kommission an dieser Stelle verwendet, ist nämlich weniger endgültig als die in ihren obengenannten Entscheidungen verwendete Formulierung.

56 Daß das Schreiben Teil der ersten der drei Verfahrensphasen ist, wird auch dadurch bestätigt, daß damit der Klägerin nicht die in Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 vorgesehene Frist zur Äusserung gesetzt worden ist.

57 Was die in die dritte Verfahrensphase fallenden ablehnenden Entscheidungen angeht, so hat sich der Gerichtshof bereits zu ihrem Inhalt und zu ihren Wirkungen geäussert. Danach ist für diese Entscheidungen kennzeichnend, daß sie die eingeleitete Untersuchung abschließen, ( eventuell ) eine Beurteilung der fraglichen Vereinbarungen umfassen und die Beschwerdeführer ausser für den Fall, daß sie neues Beweismaterial vorbringen, daran hindern, die Wiederaufnahme der Untersuchung zu verlangen ( Urteil in den verbundenen Rechtssachen 142/84 und 156/84, BAT und Reynolds, a. a. O., 4571 ). Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, daß das angefochtene Schreiben keinen solchen Inhalt hatte; das Schreiben stellt noch keine endgültige Stellungnahme der Kommission dar. Es ist folglich nicht der dritten Verfahrensphase zuzurechnen.

58 Das Gericht stellt aus diesen Gründen fest, daß das Schreiben vom 30. November 1988 eine Mitteilung vorläufiger Bemerkungen ist, die Teil der ersten Phase des in Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 vorgesehenen Verfahrens sind; eine solche Mitteilung kann die verfahrensmässigen Rechte der Klägerin nicht beeinträchtigen und kann daher nicht als eine Maßnahme angesehen werden, gegen die eine Klage gegeben ist.

59 Das Hilfsvorbringen der Kommission, das Schreiben sei von einem Direktor der Generaldirektion "Wettbewerb" und nicht vom Generaldirektor oder dem zuständigen Mitglied der Kommission unterzeichnet worden, ist daher für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ohne Bedeutung.

60 Das gleiche gilt für die Gegenargumentation der Klägerin zu diesem Punkt, die sich insbesondere auf das Urteil vom 19. Januar 1984 in der Rechtssache 65/83 ( Erdini/Rat, a. a. O.) stützt, in dem der Gerichtshof die Klage eines Beamten für zulässig erklärt hat, mit der die Aufhebung eines nicht von der zuständigen Anstellungsbehörde herrührenden Schreibens begehrt wurde. Im übrigen ist hierzu festzustellen, daß das Schreiben vom 30. November 1988 im Gegensatz zu diesem Schreiben, das von der Anstellungsbehörde bestätigt worden war, von der Beklagten nicht als eine Entscheidung anerkannt worden ist.

61 Die Klägerin hat sich für ihr Vorbringen, das Schreiben vom 30. November 1988 sei eine anfechtbare Entscheidung, auch auf die Gültigkeitsvermutung gestützt, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes für die Maßnahmen der Gemeinschaftsorgane gilt. Nach dieser Rechtsprechung können Maßnahmen der Organe nur dann als inexistent angesehen werden, wenn ihnen besonders schwere und offensichtliche Mängel anhaften ( z. B. Urteil vom 26. Februar 1987 in der Rechtssache 15/85, Consorzio cooperative d' Abruzzo/Kommission, Slg. 1987, 1005, 1035; Urteil vom 21. Februar 1974 in den verbundenen Rechtssachen 15/73 bis 33/73, 52/73, 53/73, 57/73 bis 109/73, 116/73, 117/73, 123/73, 132/73 und 135/73 bis 137/73, Kortner-Schots u. a./Rat, Kommission und Parlament, Slg. 1974, 177, 191; Urteil vom 12. Juli 1957 in den verbundenen Rechtssachen 7/56 und 3/57 bis 7/57, Algera u. a./Gemeinsame Versammlung, Slg. 1957, 83, 126 ). Nach Ansicht der Klägerin ist dies bei dem von ihr angefochtenen Schreiben nicht der Fall.

62 Die angeführte Rechtsprechung des Gerichtshofes betrifft die Frage, ob Maßnahmen der Gemeinschaftsorgane, die Rechtswirkungen entfalten sollen, ausnahmsweise aufgrund ihnen anhaftender besonders schwerer und offensichtlicher Mängel als rechtlich wirkungslos angesehen werden können. Da das angefochtene Schreiben keine Rechtswirkungen entfalten sollte, stellt sich diese Frage demnach im vorliegenden Fall nicht.

63 Auf eine in der mündlichen Verhandlung vom Gericht gestellte Frage hat die Klägerin ausserdem geltend gemacht, daß sie sich nur aus Vorsicht für verpflichtet gehalten habe, gegen das Schreiben vom 30. November 1988 zu klagen. Sie habe die Möglichkeit in Betracht ziehen müssen, daß die Kommission keine weiteren Schritte auf die Beschwerde hin unternehme. In diesem Fall hätte die Möglichkeit, eine Untätigkeitsklage zu erheben, nicht den Schutz ihrer Rechte gewährleistet; die Kommission hätte nämlich die Unzulässigkeit dieser Klage mit der Begründung geltend machen können, daß das Schreiben vom 30. November 1988 eine Entscheidung sei und daß die Anfechtungsfrist abgelaufen sei.

64 Es besteht kein Anlaß, die theoretischen Möglichkeiten einer eventuellen Untätigkeitsklage im Rahmen dieses Rechtsstreits zu prüfen. Zur vorliegenden Nichtigkeitsklage ist darauf hinzuweisen, daß die Reaktion der Kommission auf die Beschwerde nicht eindeutig war und Zweifel über ihre Rechtsnatur hervorrufen konnte. Die Klägerin konnte rechtliche Zweifel über den Entscheidungscharakter der Maßnahme der Kommission und folglich über den Rechtsbehelf haben, mit dem sie eine gerichtliche Überprüfung des Verhaltens der Kommission erreichen konnte. Der Schutz ihrer Rechte ist jedoch durch die Möglichkeit gewährleistet worden, vom Gericht die Frage prüfen zu lassen, ob die an sie gerichtete Mitteilung eine Entscheidung ist, gegen die Klage erhoben werden kann. Wenn eine solche Klage auch mangels einer anfechtbaren Entscheidung als unzulässig zurückgewiesen werden muß, hat das Gericht doch die Rechtsunsicherheit der Klägerin bei der Entscheidung über die Kosten zu berücksichtigen.

65 Der Antrag auf Aufhebung, so wie er in der Klageschrift gestellt wird, ist daher zurückzuweisen.

66 Die Klägerin hat im schriftlichen Verfahren erklärt, daß sie ihre Klageanträge anpassen werde und im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits die Aufhebung des von dem für Wettbewerbssachen zuständigen Mitglied der Kommission unterzeichneten Schreibens vom 28. Februar 1990 beantragen werde. Sie hat sich dafür auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes berufen, wonach eine Maßnahme, mit der die angefochtene Maßnahme im Laufe des Verfahrens ersetzt oder erweitert wird, als eine neue Tatsache anzusehen ist, die die Klägerin zur Anpassung ihrer Anträge und ihres Vorbringens berechtigt ( Urteil vom 3. März 1982 in der Rechtssache 14/81, Alpha Steel/Kommission, Slg. 1982, 749, 763; Urteil vom 24. September 1987 in den verbundenen Rechtssachen 351/85 und 360/85, Fabrique de fer de Charleroi und Dillinger Hüttenwerke/Kommission, Slg. 1987, 3639, 3672; Urteil vom 14. Juli 1988 in der Rechtssache 103/85, Stahlwerke Peine-Salzgitter/Kommission, Slg. 1988, 4131, 4149 ).

67 Die Klägerin hat dieses Vorbringen in der mündlichen Verhandlung wiederholt. Sie hat jedoch weder ausdrücklich erklärt, daß sie von den rechtlichen Möglichkeiten, die ihr ihrer Meinung nach zustehen, Gebrauch macht, noch hat sie ihre Anträge - wie vorher angekündigt - angepasst und die Aufhebung der ihres Erachtens in dem Schreiben vom 28. Februar 1990 enthaltenen Bestätigung beantragt. Die Verfahrensordnung enthält keine Vorschriften über die Durchführung der eventuellen Anpassung der Anträge einer Partei während des Verfahrens. Sie verlangt grundsätzlich, daß die Anträge in der Klageschrift oder in der Klagebeantwortung gestellt werden. Der Gerichtshof hat in den drei von der Klägerin angeführten Rechtssachen geänderte Anträge zugelassen, die in der Erwiderung der Kläger, also schriftlich in einem Schriftsatz, gestellt worden waren. In der vorliegenden Rechtssache, in der die zu einer eventuellen Anpassung der Anträge der Klägerin führende Maßnahme erst wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung erlassen wurde, kann nicht verlangt werden, daß eine solche Anpassung in einem Schriftsatz vorgenommen wird. Eine entsprechende mündliche Erklärung in der mündlichen Verhandlung wäre also grundsätzlich ausreichend. Der Streitgegenstand wird jedoch durch die Anträge - auch die mündlichen - der Parteien bestimmt. Sie müssen daher ausdrücklich und unmißverständlich erkennen lassen, was die Parteien beantragen. Handelt es sich um eine Nichtigkeitsklage, so ist insbesondere die Maßnahme, deren Aufhebung beantragt wird, klar zu bezeichnen. Das Gericht kann eine stillschweigende Bezugnahme nicht berücksichtigen, da es sonst mit seiner Entscheidung über die Anträge hinausgehen würde. Dies gilt sowohl für die Anträge in den Schriftsätzen der Parteien als auch für die Anträge, die in der mündlichen Verhandlung mündlich gestellt werden. Da die Klägerin in der Verhandlung nicht erklärt hat, sie beantrage nun die Aufhebung einer anderen Maßnahme als des mit ihren Schriftsätzen angefochtenen Schreibens vom 30. November 1988, ist festzustellen, daß sie ihre Anträge im Laufe des Verfahrens nicht geändert hat.

68 Diese Feststellung genügt zwar, um jeden Zweifel über den Inhalt der Anträge der Klägerin zu beseitigen; darüber hinaus ist jedoch durchaus der Hinweis angebracht, daß es die von der Klägerin in diesem Zusammenhang angeführte Rechtsprechung ihr im vorliegenden Fall selbst dann, wenn sie ihre ursprünglichen Anträge in der mündlichen Verhandlung geändert hätte, nicht hätte erlauben können, den Streitgegenstand auf einen Antrag auf Aufhebung des Schreibens vom 28. Februar 1990 zu erweitern. Die vom Gerichtshof insoweit aufgestellten Grundsätze betreffen nämlich zum einen den Fall, daß eine - ausdrückliche oder stillschweigende - individuelle Entscheidung durch eine andere Entscheidung mit gleichem Gegenstand ersetzt wird ( Urteile vom 3. März 1982 in der Rechtssache 14/81, Alpha Steel, a. a. O., und vom 14. Juli 1988 in der Rechtssache 103/85, Stahlwerke Peine-Salzgitter, a. a. O.), und zum anderen den Fall, daß die Geltung einer Vorschrift des abgeleiteten Rechts verlängert wird, ohne daß die in ihr enthaltene grundsätzliche Regelung, die den Kern des Streitgegenstands bildet, geändert wird ( Urteil vom 24. September 1987 in den verbundenen Rechtssachen 351/85 und 360/85, Fabrique de fer de Charleroi u. a., a. a. O.). Beiden Fällen ist gemeinsam, daß sie sich auf Klagen beziehen, die schon bei der Einreichung der Klageschrift gegen endgültige Maßnahmen gerichtet waren, die Rechtswirkungen entfalten und gegen die eine Nichtigkeitsklage zulässig ist. Die vom Gerichtshof zugelassene Erweiterung des Gegenstands der Klage betraf somit Maßnahmen, die ihrer Art und ihrem wesentlichen Gegenstand nach mit denen übereinstimmten, auf die sich die Klageschrift bezogen hatte.

69 Im vorliegenden Fall war jedoch das Schreiben vom 30. November 1988 lediglich vorläufiger Natur; es stellt keine endgültige Maßnahme dar. Es hat somit keine Rechtswirkungen entfaltet, die durch eine spätere Entscheidung hätten ersetzt oder erweitert werden können. Demzufolge kann eine später während des Verfahrens erlassene Maßnahme nicht als neue Tatsache angesehen werden, der die Klägerin ihre Anträge anpassen könnte, ohne daß der Streitgegenstand geändert würde. Einer solchen Änderung stehen Artikel 19 der Satzung des Gerichtshofes der EWG, der gemäß Artikel 46 Absatz 1 dieser Satzung für das Verfahren vor dem Gericht gilt, und Artikel 38 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes entgegen ( Urteil vom 25. September 1979 in der Rechtssache 232/78, Kommission/Frankreich, Slg. 1979, 2729, 2737 ).

70 Das Gericht hätte folglich die Nichtigkeitsklage der Klägerin auch dann als unzulässig abweisen müssen, wenn sie ihre Anträge angepasst hätte, um das Schreiben vom 28. Februar 1990 mit zu erfassen.

71 Da die vorliegende Klage unzulässig ist, kann dahingestellt bleiben, ob die Klage aufgrund der von der Kommission während des Verfahrens erlassenen Maßnahmen gegenstandslos geworden ist. Gemäß dem Urteil des Gerichtshofes vom 8. März 1972 in der Rechtssache 42/71 ( Nordgetreide/Kommission, Slg. 1972, 105, 108 ), in der die Beklagte - wie im vorliegenden Fall - beantragt hatte, die Hauptsache für erledigt zu erklären, da der Streitgegenstand weggefallen sei, genügt es nämlich, die Klage als unzulässig abzuweisen, ohne auf die Erledigung der Hauptsache einzugehen.

Zur Zulässigkeit des Antrags auf Schadensersatz

72 Die Klägerin macht zur Begründung ihres Antrags auf Schadensersatz geltend, daß die verspätete Entscheidung der Kommission über die Beschwerde und ihre grundsätzliche Weigerung, diese zu berücksichtigen, eine Sorgfaltsverletzung darstellten und ihr schweren Schaden zugefügt hätten, da sie während des gesamten fraglichen Zeitraums erfolglos verlangt habe, mit BMW-Fahrzeugen und -Ersatzteilen beliefert zu werden.

73 Nach Artikel 19 der Satzung des Gerichtshofes der EWG und Artikel 38 § 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung des Gerichtshofes muß die Klageschrift unter anderem den Streitgegenstand angeben und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten. Um diesen Erfordernissen zu genügen, muß eine Klage auf Ersatz der von einem Gemeinschaftsorgan verursachten Schäden Tatsachen anführen, anhand deren sich das dem Organ vom Kläger vorgeworfene Verhalten bestimmen lässt, die Gründe angeben, warum der Kläger der Auffassung ist, daß ein Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten und dem angeblich erlittenen Schaden besteht, sowie Art und Umfang dieses Schadens bezeichnen. Ein auf irgendeine Schadensersatzleistung gerichteter Antrag ermangelt dagegen der notwendigen Bestimmtheit und ist deshalb als unzulässig anzusehen ( Urteil vom 2. Dezember 1971 in der Rechtssache 5/71, Zuckerfabrik Schöppenstedt/Rat, Slg. 1971, 975, 984 ).

74 Ein derartiger Verstoß gegen Artikel 19 der Satzung und Artikel 38 § 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung des Gerichtshofes zählt zu den Unzulässigkeitsgründen, die das Gericht gemäß Artikel 92 § 2 der Verfahrensordnung jederzeit von Amts wegen prüfen kann ( Urteil vom 14. Dezember 1966 in der Rechtssache 3/66, Alfieri/Parlament, Slg. 1966, 653, 671 ).

75 Die Klägerin hat weder den von ihr angeblich erlittenen Schaden beziffert noch Tatsachen angeführt, anhand deren sich die Art und der Umfang des Schadens beurteilen ließen. Sie hat sich in ihren Schriftsätzen lediglich abstrakt und allgemein über einen "schweren Schaden" beklagt, der ihr dadurch zugefügt worden sei, daß sie von BMW nicht mehr beliefert worden sei. Sie hat weder über den Umsatz, den sie in der Zeit erzielt hat, in der ihre Vertragsbeziehungen bestanden, noch über die Auswirkungen, die die Kündigung des Vertragshändlervertrags auf ihre Geschäftstätigkeit gehabt hat, noch insbesondere über die Entwicklung ihres Umsatzes nach Erhebung ihrer Beschwerde bei der Kommission irgendwelche Angaben gemacht.

76 Zwar hat der Gerichtshof festgestellt, daß es unter besonderen Umständen nicht unerläßlich ist, in der Klageschrift den genauen Umfang des Schadens und die Höhe des beantragten Schadensersatzes anzugeben. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin jedoch das Vorliegen solcher Umstände weder nachgewiesen noch auch nur geltend gemacht.

77 Aus alledem folgt, daß der Schadensersatzantrag der Klägerin ebenfalls unzulässig ist. Die Klage ist somit insgesamt abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

78 Die Kommission hatte im schriftlichen Verfahren beantragt, das Gericht solle die Hauptsache für erledigt erklären und die Kosten gemäß Artikel 69 § 5 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes gegeneinander aufheben. In der mündlichen Verhandlung hat sie ausserdem hilfsweise für den Fall, daß das Gericht die Klage gemäß Artikel 92 § 2 der Verfahrensordnung als unzulässig abweist, beantragt, der Klägerin die Kosten des Verfahrens gemäß Artikel 69 § 2 aufzuerlegen. Da die Klage als unzulässig abgewiesen wird, ist zu prüfen, ob dem Antrag der Kommission, der Klägerin die Kosten aufzuerlegen, stattgegeben werden kann.

79 Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, daß der Umstand, daß die obsiegende Partei ihren entsprechenden Antrag erst in der mündlichen Verhandlung gestellt hat, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes einer Entscheidung gemäß ihrem Antrag nicht entgegensteht ( Urteil vom 29. März 1979 in der Rechtssache 113/77, NTN Toyo Bearing Co./Rat, Slg. 1979, 1185, 1210 ff., und die Schlussanträge des Generalanwalts Warner in dieser Rechtssache, 1274 ).

80 Es ist folglich von dem Grundsatz des Artikels 69 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes auszugehen, daß die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen ist. Nach Artikel 69 § 3 Absatz 1 kann das Gericht jedoch die Kosten ganz oder teilweise gegeneinander aufheben, wenn ein aussergewöhnlicher Grund gegeben ist. Die Kommission hat durch ihre mehrdeutige Abfassung des Schreibens vom 30. November 1988 zur Entstehung des Rechtsstreits beigetragen. Die Klägerin wiederum hat ihren Aufhebungsantrag auch noch aufrechterhalten, nachdem die Kommission die Rechtslage durch ihr Schreiben vom 26. Juli 1989 klargestellt hatte, und sie hat einen Schadensersatzantrag gestellt, der aus Gründen unzulässig ist, die nichts mit dem Verhalten der Kommission zu tun haben. In Anbetracht dieser Umstände sind der Kommission ihre eigenen Kosten sowie die Hälfte der Kosten der Klägerin aufzuerlegen. Die Klägerin trägt die andere Hälfte ihrer eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT ( Erste Kammer )

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2 ) Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten und die Hälfte der Kosten der Klägerin. Die Klägerin trägt die andere Hälfte ihrer eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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