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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 01.04.1993
Aktenzeichen: T-65/89
Rechtsgebiete: EWG, Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages


Vorschriften:

EWG Art. 86
Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages Art. 15 Abs. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Hat die Kommission ein Verfahren zur Akteneinsicht in Wettbewerbssachen geschaffen und die entsprechenden Regeln in einem ihrer Berichte über die Wettbewerbspolitik aufgestellt und bekanntgemacht, so ist sie verpflichtet, den von einem Verfahren zur Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages betroffenen Unternehmen die Gesamtheit der belastenden und entlastenden Schriftstücke zugänglich zu machen, die sie im Laufe der Untersuchung gesammelt hat; hiervon ausgenommen sind nur Geschäftsgeheimnisse anderer Unternehmen, interne Schriftstücke der Kommission und andere vertrauliche Informationen.

2. Bei Wettbewerbssachen soll das Verfahren der Akteneinsicht die Empfänger einer Mitteilung der Beschwerdepunkte in die Lage versetzen, die Beweisstücke in der Akte der Kommission zur Kenntnis zu nehmen, damit sie sinnvoll zu den Schlußfolgerungen Stellung nehmen können, zu denen die Kommission in ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte aufgrund dieser Beweisstücke gelangt ist. Die Akteneinsicht gehört somit zu den Verfahrensgarantien, die die Rechte der Verteidigung schützen und insbesondere eine effektive Ausübung des in Artikel 19 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17 und in Artikel 2 der Verordnung Nr. 99/63 vorgesehenen Anhörungsrechts sicherstellen sollen.

3. Ein Unternehmen in marktbeherrschender Stellung trägt eine besondere Verantwortung dafür, daß es einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt nicht beeinträchtigt. Ein solches Unternehmen, das Abnehmer, sei es auch auf deren Wunsch, durch die Verpflichtung oder Zusage, ihren gesamten Bedarf oder einen beträchtlichen Teil davon ausschließlich bei ihm zu beziehen, an sich bindet, nutzt eine beherrschende Stellung im Sinne von Artikel 86 des Vertrages mißbräuchlich aus, ohne daß es darauf ankäme, ob die fragliche Verpflichtung ohne weiteres oder gegen eine Rabattgewährung eingegangen worden ist. Wenn nämlich ein Wirtschaftsteilnehmer eine starke Marktstellung innehat, stellt der Abschluß von Alleinbezugsverträgen für einen erheblichen Teil der Umsätze eine nicht hinnehmbare Behinderung des Zugangs zu diesem Markt dar.

4. Zwar kann das Vorliegen einer beherrschenden Stellung einem Unternehmen, das sich in dieser Stellung befindet, nicht das Recht nehmen, seine eigenen geschäftlichen Interessen zu wahren, wenn diese bedroht sind, und es hat auch in angemessenem Umfang die Möglichkeit, so vorzugehen, wie es dies zum Schutz seiner Interessen für richtig hält; jedoch ist ein Verhalten des Unternehmens nicht zulässig, das auf eine Verstärkung dieser beherrschenden Stellung und ihren Mißbrauch abzielt.

5. Da der Begriff der mißbräuchlichen Ausnutzung ein objektiver Begriff ist, kann das Verhalten eines Unternehmens in beherrschender Stellung auch ohne jedes Verschulden als mißbräuchlich im Sinne von Artikel 86 des Vertrages betrachtet werden.

6. Die Gewährung einer Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages schließt eine Anwendung des Artikels 86 nicht aus.

7. Artikel 86 des Vertrages verbietet es einem beherrschenden Unternehmen, seine Stellung durch andere Mittel als solche eines Leistungswettbewerbs zu stärken. Einem Unternehmen in beherrschender Stellung steht es deshalb zwar frei, bei Lieferengpässen Kriterien für die vorrangige Erledigung von Aufträgen festzulegen; diese Kriterien müssen jedoch objektiv sein, dürfen in keiner Weise diskriminierend sein und müssen objektiv gerechtfertigt sein und den Regeln eines lauteren Wettbewerbs unter Wirtschaftsteilnehmern gehorchen.

Diesem Erfordernis genügt ein Kriterium nicht, das auf der Unterscheidung zwischen Kunden, die ihre Lieferungen ausschließlich von dem Unternehmen in beherrschender Stellung beziehen, und denen beruht, die auch mit Erzeugnissen handeln, die bei bestimmten Konkurrenten gekauft wurden.

8. Es stellt einen Mißbrauch im Sinne von Artikel 86 des Vertrages dar, wenn ein Lieferant, der eine marktbeherrschende Stellung hat und von dem der Kunde aus diesem Grund mehr oder weniger abhängig ist, einen wie auch immer gearteten Treuerabatt gewährt und dadurch versucht, seine Kunden über die Gewährung finanzieller Vorteile vom Bezug bei seinen Konkurrenten abzuhalten.

9. Für die Anwendbarkeit von Artikel 86 des Vertrages ist es notwendig und ausreichend, wenn das mißbräuchliche Verhalten geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen; es ist nicht erforderlich, das Vorliegen einer gegenwärtigen und tatsächlichen Auswirkung auf den zwischenstaatlichen Handel festzustellen. Die Voraussetzung der Beeinträchtigung des Handels ist nämlich als erfuellt anzusehen, wenn nachgewiesen ist, daß der innergemeinschaftliche Handel tatsächlich oder, zumindest potentiell, spürbar beeinträchtigt worden ist.

10. Der Umstand, daß eine Tochtergesellschaft eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, schließt noch nicht aus, daß ihr Verhalten der Muttergesellschaft zugerechnet werden kann; dies gilt insbesondere dann, wenn die Tochtergesellschaft, obwohl sie eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, ihr Marktverhalten nicht autonom bestimmt, sondern im wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt. Eine hundertprozentige Tochtergesellschaft befolgt grundsätzlich zwangsläufig die von der Muttergesellschaft festgelegte Politik.

11. Die Einstufung eines Verstosses gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrages als vorsätzlich setzt nicht voraus, daß sich das Unternehmen des Verstosses gegen ein durch diese Regeln festgelegtes Verbot bewusst gewesen ist; es genügt vielmehr, daß es sich nicht in Unkenntnis darüber befinden konnte, daß das ihm zur Last gelegte Verhalten eine Verfälschung des Wettbewerbs auf dem Gemeinsamen Markt bezweckte oder bewirken konnte.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (ZWEITE KAMMER) VOM 1. APRIL 1993. - BPB INDUSTRIES PLC UND BRITISH GYPSUM LTD GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - WETTBEWERB - MISSBRAUCH EINER BEHERRSCHENDEN STELLUNG - EXKLUSIVKAUFVERTRAG - TREUENACHLASS - BEEINTRAECHTIGUNG DES HANDELS ZWISCHEN MITGLIEDSTAATEN - ZURECHENBARKEIT DER ZUWIDERHANDLUNG. - RECHTSSACHE T-65/89.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Die vorliegende Rechtssache betrifft die Entscheidung 89/22/EWG der Kommission vom 5. Dezember 1988 betreffend ein Verfahren nach Artikel 86 EWG-Vertrag (IV/31.900, BPB Industries plc) (ABl. 1989, L 10, S. 50), mit der den Klägerinnen wegen Verstosses gegen Artikel 86 EWG-Vertrag Geldbussen auferlegt wurden.

2 BPB Industries plc (nachstehend: BPB) ist die britische Holdinggesellschaft eines Konzerns, der etwa die Hälfte der Produktionskapazität für Gipskartonplatten in der Gemeinschaft kontrolliert und dessen konsolidierter Nettojahresumsatz in dem Ende März 1987 abgelaufenen Geschäftsjahr 1,116 Milliarden ECU betrug. In Großbritannien ist BPB auf dem Markt für Baugips und Gipskartonplatten im wesentlichen durch eine hundertprozentige Tochtergesellschaft, die British Gypsum Ltd (nachstehend: BG), tätig. In Irland werden Gipserzeugnisse, insbesondere Baugips und Gipskartonplatten, von Gypsum Industries plc (nachstehend: GIL), der irischen Tochtergesellschaft von BPB, hergestellt, die den irischen Markt und über BG auch den nordirischen Markt beliefert.

3 In Großbritannien stellt BG in acht in den Midlands, in Südost- und in Nordengland ansässigen Fabriken Gipskartonplatten her. BPB beliefert den britischen Gipskartonplattenmarkt gewöhnlich von den Fabriken in Großbritannien aus, während ihre Fabriken in Irland den irischen und den nordirischen Markt beliefern.

4 Gipskartonplatten bestehen aus einem Gipsputzkern, der von zwei Kartonplatten ummantelt wird. Sie werden in verschiedene Grössen zugeschnitten und in der Regel in zwei Stärken geliefert. Verwendet werden sie bei Deckenkonstruktionen und zur Verkleidung der Mauern von Wohnhäusern sowie zum Einbau und zur Verkleidung von Innenwänden.

5 Die im Vereinigten Königreich und in Irland verwendeten Gipskartonplatten werden fast ausschließlich über Baustoffhändler vertrieben. Das System der Händler erlaubt es, den Bauunternehmen eine leistungsfähige Absatzkette zur Verfügung zu stellen. Ausserdem übernehmen die Händler das Kreditrisiko der Bauunternehmen. In dem betreffenden Zeitraum war im Baustoffhandel ein zunehmender Konzentrationsprozeß zu verzeichnen.

6 Bis 1982 gab es keine regelmässigen Einfuhren von Gipskartonplatten nach Großbritannien. In diesem Jahr begann die Lafarge UK Ltd (nachstehend: Lafarge), die zum französischen Konzern Lafarge Coppée gehört, in Frankreich hergestellte Gipskartonplatten einzuführen. Lafarge steigerte nach und nach ihre Einfuhren. Sie war indessen wegen Lieferschwierigkeiten aufgrund ihrer Abhängigkeit von ihrer Produktionsstätte in Frankreich nicht in der Lage, viele Kunden regelmässig zu beliefern.

7 Im Mai 1984 begann die Iberian Trading UK Ltd (nachstehend: Iberian) mit der Einfuhr von Gipskartonplatten, die in Spanien von Española de Placas de Yeso (nachstehend: EPYSA) hergestellt wurden. Ihre Preise lagen im allgemeinen um 5 % bis 7 % unter denen von BG, wobei jedoch auch grössere Preisunterschiede festzustellen waren. Iberian lieferte nur eine beschränkte Produktpalette von Standard-Gipskartonplatten mit den am häufigsten nachgefragten Abmessungen. Ausserdem hatte auch Iberian mehrfach Lieferschwierigkeiten.

8 1985 und 1986 lieferte BG ungefähr 96 % der im Vereinigten Königreich abgesetzten Gipskartonplatten; den Rest des Marktes teilten sich Lafarge und Iberian.

9 Am 17. Juni 1986 beantragte Iberian bei der Kommission gemäß Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204; im folgenden: Verordnung Nr. 17), die Feststellung von Verstössen von BPB gegen Artikel 86 EWG-Vertrag. Am 3. Dezember 1987 beschloß die Kommission, das Verfahren nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 einzuleiten.

10 Nachdem die Kommission den Unternehmen Gelegenheit gegeben hatte, sich zu den von ihr in Betracht gezogenen Beschwerdepunkten gemäß Artikel 19 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 und der Verordnung Nr. 99/63/EWG der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates (ABl. 1963, Nr. 127, S. 2268) zu äussern, und nach Anhörung des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen erließ sie am 5. Dezember 1988 die streitige Entscheidung, deren verfügender Teil wie folgt lautet:

"Artikel 1

Zwischen Juli 1985 und August 1986 hat British Gypsum Ltd gegen Artikel 86 verstossen, indem es seine beherrschende Stellung auf dem britischen Markt für Gipskartonplatten durch ein System von Zahlungen an Baustoffhändler, die sich bereit erklärten, Gipskartonplatten ausschließlich von British Gypsum Ltd zu beziehen, mißbräuchlich ausnützte.

Artikel 2

Im Juli und August 1985 hat British Gypsum Ltd gegen Artikel 86 verstossen, indem es eine Strategie verfolgte, wonach Kunden, die nicht mit eingeführten Gipskartonplatten handelten, durch die Gewährung von Lieferprioritäten für Baugipse bei Lieferengpässen bevorzugt wurden, welches einen Mißbrauch seiner beherrschenden Stellung auf dem britischen Gipskartonplattenmarkt darstellte.

Artikel 3

BPB Industries PLC hat gegen Artikel 86 verstossen, indem es über ihre Tochtergesellschaft British Gypsum Ltd ihre beherrschende Stellung auf dem Gipsplattenmarkt in Irland und Nordirland dadurch mißbrauchte, daß sie

° im Juni und Juli 1985 erfolgreich Druck auf eine Gruppe von Importeuren ausgeuebt hat, mit dem Ergebnis, daß sich diese verpflichteten, von der Einfuhr von Gipskartonplatten nach Nordirland abzusehen;

° Baustoffhändlern in Nordirland zwischen Juni und Dezember 1985 eine Reihe von Preisnachlässen auf BG-Erzeugnisse unter der Bedingung eingeräumt hat, daß sie keine importierten Gipskartonplatten vertreiben.

Artikel 4

Es werden folgende Geldbussen festgesetzt:

° gegen British Gypsum Ltd eine Geldbusse von 3 000 000 ECU wegen der in Artikel 1 genannten Verstösse gegen Artikel 86 EWG-Vertrag,

° gegen BPB Industries PLC eine Geldbusse von 150 000 ECU wegen der in Artikel 3 genannten Verstösse gegen Artikel 86 EWG-Vertrag.

..."

Verfahren

11 Unter diesen Umständen haben BPB und BG mit Klageschrift, die am 23. Februar 1989 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, die vorliegende Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung erhoben.

12 Das gesamte schriftliche Verfahren ist vor dem Gerichtshof abgelaufen. Mit Beschluß vom 4. Oktober 1989 hat der Gerichtshof das Königreich Spanien als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Beklagten zugelassen. Mit Beschluß vom 15. November 1989 hat der Gerichtshof die Rechtssache gemäß Artikel 14 des Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften an das Gericht verwiesen. Mit Beschluß vom 18. Januar 1990 hat das Gericht Iberian als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Beklagten zugelassen.

13 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Durch prozeßleitende Maßnahme hat das Gericht jedoch mit Schreiben des Kanzlers vom 8. November 1991 eine Reihe von Fragen an die Beklagte gerichtet, die diese in einem am 16. Dezember 1991 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Schreiben beantwortet hat.

14 Die Parteien und die Streithelfer haben in der Sitzung vom 23. Januar 1992 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Parteien

15 In ihrer Klageschrift beantragen die Klägerinnen,

° die Entscheidung der Beklagten vom 5. Dezember 1988, mit der wegen eines angeblichen Verstosses gegen Artikel 86 EWG-Vertrag die Klägerin BPB zur Zahlung einer Geldbusse von 150 000 ECU und die Klägerin BG zur Zahlung einer Geldbusse von 3 000 000 ECU verpflichtet wurde, für nichtig zu erklären;

° der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

16 In ihrer Erwiderung beantragen die Klägerinnen,

° die Entscheidung für nichtig zu erklären;

° hilfsweise, die gegen BPB und/oder die gegen BG verhängte Geldbusse herabzusetzen;

° der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

17 Die Beklagte beantragt,

° die Klage abzuweisen;

° den Klägerinnen die gesamten Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

18 Das Königreich Spanien als Streithelfer beantragt,

° die Klage von BG und BPB gegen die Entscheidung abzuweisen;

° die Entscheidung für gültig zu erklären;

° den Klägerinnen die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Streithelfers aufzuerlegen.

19 Die Streithelferin Iberian beantragt,

° die Klage der Klägerinnen gegen die Entscheidung 89/22/EWG abzuweisen;

° die Entscheidung für in jeder Hinsicht gültig zu erklären;

° den Klägerinnen die gesamten Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Streithelfer aufzuerlegen.

Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung der Entscheidung

20 Zur Stützung ihrer Anträge auf Nichtigerklärung der Entscheidung berufen sich die Klägerinnen auf zwei Gruppen von Klagegründen, mit denen sie zum einen die Verletzung der Verteidigungsrechte und zum anderen das Fehlen des Nachweises für die Zuwiderhandlung rügen.

Zur unterbliebenen Übermittlung von Schriftstücken und zur Wahrung der Verteidigungsrechte

Vorbringen der Parteien

21 Die Klägerinnen machen geltend, die Entscheidung müsse für nichtig erklärt werden, weil die Kommission ihnen nicht alle ihr vorliegenden relevanten Schriftstücke übermittelt habe und ihnen dadurch erhebliche Nachteile entstanden seien. Insbesondere seien BG bestimmte Schriftstücke nicht zugänglich gewesen, die anscheinend in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrer Lage und einigen der gegen sie erhobenen Vorwürfe gestanden hätten. Sie seien berechtigt, an der Irrelevanz einiger der zurückgehaltenen Schriftstücke zu zweifeln.

22 Die Klägerinnen nennen insbesondere Schriftstücke, die der Kommission bei Nachforschungen auf dem Betriebsgelände Dritter ausgehändigt worden seien. Es stelle eine massive Verletzung der Verteidigungsrechte dar, wenn ihnen Informationen vorenthalten würden, die in einem Schriftstück enthalten seien, das ein Dritter der Kommission aushändige. Da die zurückgehaltenen Schriftstücke ausserdem der Argumentation von BG hätten dienlich sein können, gebe es keinen Grund, sie ihr nicht zugänglich zu machen. Das Kriterium für die Nichtbekanntgabe eines Schriftstücks müsse sein vertraulicher Charakter und nicht seine etwaige Verwendung durch die Kommission sein. Daß sich die Kommission nicht auf ein Schriftstück stütze, bedeute nicht, daß es irrelevant sei oder daß die Kommission nicht durch seinen Inhalt beeinflusst worden sei, und stelle folglich keinen ausreichenden Grund dar, seine Übermittlung abzulehnen.

23 Es sei BG natürlich nicht möglich, die Schriftstücke zu bezeichnen, deren Übermittlung die Kommission abgelehnt habe und die sie nicht habe einsehen können. Die Kommission behaupte zu Unrecht, daß ihre Entscheidung ausschließlich auf Schriftstücke gestützt sei, die BG habe einsehen können. BG führt das Schreiben eines Händlers vom 23. Dezember 1985 an, auf das die Kommission in Randnummer 63 der Entscheidung den gegen sie erhobenen Vorwurf stütze, obwohl sie es nicht habe einsehen dürfen. Nach dem Urteil des Gerichtshofes vom 24. Juni 1986 in der Rechtssache 53/85 (AKZO Chemie/Kommission, Slg. 1986, 1965) sei die Kommission verpflichtet, einem Unternehmen vertrauliche Schriftstücke immer dann zugänglich zu machen, wenn sie dessen Interessen beeinträchtigen könnten; die Kommission hätte ihr daher zumindest eine Liste der in ihrem Besitz befindlichen Schriftstücke übermitteln müssen.

24 Ihre Vorbehalte gegenüber der Behauptung der Kommission, sie sei nicht durch nicht zugänglich gemachte Schriftstücke beeinflusst worden, seien berechtigt, weil die Kommission die von ihr später in der Entscheidung verwendete Aussage des Bausachverständigen May erst auf Drängen von BG zugänglich gemacht habe. BG müsse selbst entscheiden können, welche Schriftstücke ihre Interessen berührten.

25 BG weist darauf hin, daß die Kommission bei den in ihrem Schreiben vom 19. Februar 1988 beschriebenen Schriftstücken nicht zwischen den Schriftstücken, die ihr Dritte vertraulich übermittelt hätten, und denen, die Geschäftsgeheimnisse enthielten, unterschieden habe. Zu den in der Klagebeantwortung angeführten Schriftstücken vertritt BG die Auffassung, diese Information hätte ihr während des Verwaltungsverfahrens zugänglich gemacht werden müssen (Schlussanträge des Generalanwalts Warner zum Urteil des Gerichtshofes vom 10. Juli 1980 in der Rechtssache 30/78, Distillers Company/Kommission, Slg. 1980, 2229, 2267).

26 Die Kommission bringt vor, die Entscheidung sei ausschließlich auf Schriftstücke gestützt, die BG zugänglich gewesen seien. BG habe kein einziges Schriftstück namhaft gemacht, auf das sie sich bei der Entscheidungsfindung gestützt haben solle und das BG nicht habe einsehen können. Das Recht auf Einsicht in ihre Unterlagen erstrecke sich nicht auf alle Schriftstücke, die keine Geschäftsgeheimnisse enthielten. Sie verweist insoweit auf das Urteil des Gerichtshofes vom 17. Januar 1984 in den verbundenen Rechtssachen 43/82 und 63/82 (VBVB und VBBB/Kommission, Slg. 1984, 19, Randnr. 25) und vertritt die Auffassung, daß das von BG zitierte Urteil AKZO Chemie/Kommission eine andere Frage betreffe, nämlich die, ob die Kommission bestimmte Informationen an einen Beschwerdeführer weitergeben dürfe.

27 Im vorliegenden Fall habe sie den Klägerinnen sogar Einsicht in einige Schriftstücke gewährt, auf die sie sich nicht gestützt habe, und damit mehr getan, als ihrer Pflicht entsprochen habe. Sie habe BG lediglich die Einsichtnahme in die Schriftstücke verwehrt, die ihr von Dritten mit der Bitte um vertrauliche Behandlung überlassen worden seien, so z. B. den Jahresabschluß eines Unternehmens, Werbeschriften zweier Unternehmen, das Organigramm eines anderen Unternehmens sowie Schriftstücke, aus denen sie sich Aufschlüsse über mögliche Zuwiderhandlungen anderer Unternehmen als BPB gegen Artikel 85 erhofft habe. Diese Schriftstücke seien im übrigen in ihrem Schreiben vom 19. Februar 1988 in nicht vertraulicher Weise beschrieben worden. Aufgrund dieser Beschreibung habe BG erkennen können, daß sie keine Beziehung zu den von der Kommission getroffenen Feststellungen gehabt hätten.

28 Zu dem von BG angeführten Schreiben eines Händlers vom 23. Dezember 1985 weist die Kommission darauf hin, daß dieses Schreiben einem Schreiben von BG an die Kommission vom 30. September 1986 beigefügt gewesen sei und daß BG folglich Zugang zu jedem dieser beiden Schreiben gehabt habe. Der Bericht von Herrn May sei stets als BG zugänglich betrachtet worden, wie die Übersicht im Anhang der Mitteilung der Beschwerdepunkte und die der Klageschrift beigefügten Schriftstücke zeigten. Schließlich sei die von den Klägerinnen vorgeschlagene Unterscheidung von Geschäftsgeheimnissen und anderen Informationen nicht entscheidend für die Feststellung, ob ein Unternehmen zur Einsicht in Akten der Kommission berechtigt sei.

Würdigung durch das Gericht

29 Die Kommission hat sich, wie das Gericht in seinem Urteil vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache T-7/89 (Hercules Chemicals/Kommission, Slg. 1991, II-1711) festgestellt hat, in ihrem Zwölften Bericht über die Wettbewerbspolitik (S. 40 und 41) selbst eine Anzahl von Regeln für die Akteneinsicht in Wettbewerbssachen auferlegt. In diesen Regeln heisst es: "[Die Kommission erteilt] den am Verfahren beteiligten Unternehmen Akteneinsicht... Um die Parteien über den Inhalt der Verfahrensakte zu informieren, wird ihnen zusammen mit den Beschwerdepunkten oder dem ihre Beschwerde ablehnenden Bescheid eine Liste aller Unterlagen übersandt, die zu dieser Akte gehören. Dabei gibt die Kommission an, in welche Unterlagen oder Teile von ihnen Einsicht gewährt werden kann. Die Unternehmen können die zugänglichen Unterlagen an Ort und Stelle einsehen. Wünscht ein Unternehmen nur wenige Geschäftsunterlagen einzusehen, so kann die Kommission ihm Abschriften übermitteln. Die nachstehenden Schriftstücke werden von der Kommission als vertraulich betrachtet und können folglich nicht eingesehen werden: Schriftstücke oder Teile davon, die Geschäftsgeheimnisse anderer Unternehmen enthalten; interne Schriftstücke der Kommission wie Vermerke, Entwürfe und sonstige Arbeitspapiere; andere vertrauliche Angaben, wie solche zur Person von Beschwerdeführern, die ihre Identität nicht gegenüber Dritten preisgeben möchten, oder Auskünfte, die der Kommission mit der ausdrücklichen Bitte um vertrauliche Behandlung übermittelt wurden." Das Gericht hat hieraus abgeleitet, daß die Kommission "verpflichtet [ist], den von einem Verfahren zur Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag betroffenen Unternehmen die Gesamtheit der belastenden und entlastenden Schriftstücke zugänglich zu machen, die sie im Laufe der Untersuchung gesammelt hat; hiervon ausgenommen sind nur Geschäftsgeheimnisse anderer Unternehmen, interne Schriftstücke der Kommission und andere vertrauliche Informationen" (Randnrn. 53 und 54).

30 Das Gericht hat ferner in seinem Urteil vom 18. Dezember 1992 in den verbundenen Rechtssachen T-10/92, T-11/92, T-12/92 und T-15/92 (Cimenteries CBR u. a./Kommission, Slg. 1992, II-2667, Randnr. 38) entschieden: "Bei Wettbewerbssachen soll das Verfahren der Akteneinsicht die Empfänger einer Mitteilung der Beschwerdepunkte in die Lage versetzen, die Beweisstücke in der Akte der Kommission zur Kenntnis zu nehmen, damit sie sinnvoll zu den Schlußfolgerungen Stellung nehmen können, zu denen die Kommission in ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte aufgrund dieser Beweisstücke gelangt ist. Die Akteneinsicht gehört somit zu den Verfahrensgarantien, die die Rechte der Verteidigung schützen und insbesondere eine effektive Ausübung des in Artikel 19 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17 und in Artikel 2 der Verordnung Nr. 99/63 vorgesehenen Anhörungsrechts sicherstellen sollen. Hieraus folgt, daß das Recht auf Einsicht in die Akte der Kommission sicherstellen soll, daß sich die betroffenen Unternehmen wirkungsvoll gegen die ihnen gegenüber in der Mitteilung der Beschwerdepunkte erhobenen Beanstandungen verteidigen können."

31 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den tatsächlichen Feststellungen, daß die Kommission den klagenden Unternehmen die Einsicht in die von ihr erstellte Akte nicht versagt hat. Insbesondere ergibt sich aus den von den Klägerinnen selbst vorgelegten Schriftstücken, daß gemäß den vorerwähnten Verpflichtungen, die die Kommission in ihrem 1982 veröffentlichten Zwölften Bericht über die Wettbewerbspolitik übernommen hat, der Mitteilung der Beschwerdepunkte eine zusammenfassende Aufstellung sämtlicher 2 095 Schriftstücke beigefügt war, die zur Akte der Kommission gehörten. Aus dieser Aufstellung, die der dem Gericht eingereichten Klageschrift als Anlage 6 beigefügt war, ergibt sich, daß sie neben dem Zeitpunkt, zu dem jedes der Schriftstücke erstellt worden war, Informationen zweifacher Art enthielt. Erstens waren die betreffenden Schriftstücke darin ihrer Natur nach gegliedert. Zu diesem Zweck wurde den Klägerinnen eine Einteilung in fünfzehn Kategorien übermittelt. Die Aufstellung enthielt für jedes Schriftstück oder jede Gruppe von Schriftstücken die Angabe der Gliederungsziffer oder -ziffern der Kategorie, der sie angehörten. Zweitens war in der Aufstellung für jedes Schriftstück oder jede Gruppe von Schriftstücken angegeben, ob sie für die Klägerinnen zugänglich (A), teilweise zugänglich (B) oder nicht zugänglich (N) waren.

32 Wie sich aus der Aufstellung ergibt, sind sechs Kategorien von Unterlagen den Klägerinnen nicht zugänglich gemacht worden. Es handelt sich erstens um Unterlagen für den rein internen Gebrauch der Kommission (Schriftstücke 234, 235, 290 bis 318, 321, 324 bis 335, 337 bis 347, 367 bis 382, 1329 und 1330, 1535 bis 1539, 1543, 1580 bis 1589, 1594, 1880 bis 1882, 1907 bis 1971, 1985 bis 2049, 2054 bis 2095), zweitens um bestimmte Korrespondenzen mit dritten Unternehmen (Schriftstücke 240, 252, 253 bis 281, 322 und 323, 336, 348 bis 361, 363 bis 366, 385, 386 bis 395, 1323 bis 1328, 1529 und 1530, 1544 bis 1546, 1559, 1596 bis 1599, 1602 bis 1607, 1613 bis 1683, 1891 bis 1903, 1972 bis 1984), drittens um bestimmte Korrespondenzen mit den Mitgliedstaaten (Schriftstücke 282 bis 289, 1690, 1691), viertens um bestimmte veröffentlichte Studien und Informationen (Schriftstücke 1904, 2051 und 2052), fünftens um bestimmte Prüfungsberichte (Schriftstücke 399 bis 506) und schließlich sechstens um die Antwort auf ein Auskunftsverlangen nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 (Schriftstück 1699).

33 Aus dieser Prüfung ergibt sich, daß sich die Klägerinnen nicht mit Erfolg darüber beschweren können, daß die Kommission ihnen bestimmte rein interne Unterlagen nicht zugänglich gemacht habe, die, wie das Gericht bereits entschieden hat, nicht übermittelt zu werden brauchten. Das gleiche gilt für den Schriftverkehr mit den Mitgliedstaaten. Ebenso verhält es sich bei den veröffentlichten Studien und Informationen. Nichts anderes gilt für die Prüfungsberichte, die Antwort auf ein Auskunftsverlangen der Kommission und bestimmte Korrespondenzen mit dritten Unternehmen, in die die Kommission die Einsicht wegen ihres vertraulichen Charakters verweigern durfte. Ein Unternehmen, an das eine Mitteilung von Beschwerdepunkten gerichtet ist und das eine beherrschende Stellung auf dem Markt einnimmt, könnte dies nämlich dazu veranlassen, Vergeltungsmaßnahmen gegen ein Konkurrenzunternehmen, einen Lieferanten oder einen Kunden zu ergreifen, die an der Untersuchung der Kommission mitgewirkt haben. Schließlich können die Klägerinnen aus dem gleichen Grund auch nicht geltend machen, daß die der Kommission nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 eingereichte Beschwerde ihnen zu Unrecht nur teilweise zugänglich gemacht worden sei (Schriftstücke 1 bis 233). Folglich kann die Weigerung der Kommission, den Klägerinnen diese Unterlagen zu übermitteln, im vorliegenden Fall die Rechtmässigkeit der Entscheidung nicht beeinträchtigen.

34 Es ist ferner darauf hinzuweisen, daß die Kommission, die in diesem Punkt in der mündlichen Verhandlung keinen Widerspruch erfahren hat, in ihrer Gegenerwiderung festgestellt hat, daß das in Randnummer 63 der Entscheidung angeführte Schreiben eines Händlers einem anderen Schreiben beigefügt war, das BG selbst an die Kommission gerichtet hat. BG war also zum einen mit dem betreffenden Schreiben vertraut, und dieses Schriftstück 1312 war zum anderen nach Angaben der Kommission den Klägerinnen durchaus zugänglich, wie aus der bereits erwähnten Anlage 6 zur Klageschrift hervorgeht. Auch der Bericht von Herrn May ist den Klägerinnen auf jeden Fall zugänglich gemacht worden, so daß sie ihr Vorbringen zur Ordnungsmässigkeit des Verwaltungsverfahrens nicht darauf stützen können, daß ihnen zunächst die Einsicht in dieses Schriftstück versagt worden sei.

35 Aus alledem folgt, daß das Verwaltungsverfahren vor der Kommission unter Wahrung der Verteidigungsrechte abgelaufen ist und daß insbesondere die Klägerinnen, die Gegenteiliges im übrigen nur in zweifelnder und hypothetischer Form behauptet haben, durchaus in der Lage waren, alle Argumente und Mittel zu ihrer Verteidigung bei der Anhörung vor der Kommission vorzubringen. Ihre Behauptung, daß ihre Verteidigungsrechte beeinträchtigt worden seien, entbehrt daher der tatsächlichen Grundlage und ist somit zurückzuweisen.

Zum Nachweis der Zuwiderhandlung

36 Die Klägerinnen bringen zwei Klagegründe vor, mit denen sie das Nichtvorliegen einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 86 EWG-Vertrag geltend machen. Diese Klagegründe beziehen sich erstens auf den Mißbrauch einer beherrschenden Stellung ° deren Vorliegen nicht bestritten wird ° sowie zweitens auf die Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten.

I ° Mißbrauch einer beherrschenden Stellung

37 Der erste Klagegrund, wonach der Mißbrauch einer beherrschenden Stellung nicht nachgewiesen sei, gliedert sich in drei Teile. Er betrifft erstens die Alleinbezugsvereinbarungen und die Zahlungen zur Absatzförderung, zweitens die vorrangigen Gipslieferungen und drittens die in Irland und Nordirland angewandten besonderen Praktiken.

A ° Die Alleinbezugsvereinbarungen und die Zahlungen zur Absatzförderung

Angefochtene Handlung

38 Gemäß Artikel 1 der Entscheidung hat BG zwischen Juli 1985 und August 1986 gegen Artikel 86 EWG-Vertrag verstossen, indem sie ihre beherrschende Stellung auf dem britischen Markt für Gipskartonplatten durch ein System von Zahlungen an Baustoffhändler, die sich bereit erklärten, Gipskartonplatten ausschließlich von ihr zu beziehen, mißbräuchlich ausnützte.

39 Nach der Entscheidung (Randnrn. 58, 60 bis 64, 68 und 69) hat BG zwischen Januar und Juni 1985 ein Konzept ausgearbeitet, wonach Händler, die bereit waren, ihre Lieferungen ausschließlich von BG zu beziehen, regelmässig Zahlungen erhalten sollten. Diese Zahlungen hätten in Form regelmässiger Zuschüsse zu den Aufwendungen der Händler für Werbe- und Absatzförderungsmaßnahmen erfolgen sollen. Die Vereinbarungen hätten auf höchster Ebene ausgehandelt werden und nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollen. Als Gegenleistung für diese Absatzförderungszuschüsse hätten sich die Händler verpflichten müssen, ihre Waren ausschließlich von BG zu beziehen. Am 2. Juli 1985 oder kurz zuvor habe BG beschlossen, dieses System einem der grössten Kunden zu unterbreiten, der wegen der Konkurrenz durch andere Händler, die Gipskartonplatten von Lafarge und Iberian verkauften, zunehmend unter Druck geraten sei, seine Einkaufspolitik zu überdenken. Ab August 1985 seien monatliche Zahlungen in englischen Pfund erfolgt. Ähnliche Vereinbarungen seien in der Folge auch anderen Händlern, die alle, mit einer Ausnahme, Gipskartonplatten von Lafarge oder Iberian vertrieben hätten oder noch vertrieben, angeboten worden. Diese Händler hätten monatliche Zahlungen erhalten. Die Zahlungen, die mündlich oder schriftlich vereinbart worden seien, seien u. a. unter der Voraussetzung erfolgt, daß die Empfänger Gipskartonplatten ausschließlich von BG bezögen. Ab September 1986 habe BG ein Lagerförderungssystem (Super Stockist Scheme) eingeführt und die Zahlungen an die Händler auslaufen lassen.

40 In den Randnummern 123, 124 und 127 der Entscheidung wird festgestellt, daß BG als Reaktion auf die Wettbewerbssituation beschlossen habe, die "Treue" der Kunden zu belohnen, die ihren gesamten Bedarf an Gipskartonplatten bei ihr gedeckt hätten. Die der Absatzförderung dienenden Zahlungen, die sich an individuell ausgewählte Händler gerichtet hätten und nicht im Rahmen eines allgemeinen Konzepts auf der Grundlage objektiver Kriterien angeboten worden seien, hätten dazu beigetragen, die engen Geschäftsbeziehungen zwischen BG und den Begünstigten zu verstärken, und hätten den Ausschließlichkeitscharakter dieser Regelung verdeutlicht. Der Alleinbezug oder die "Kundentreue" sei ein Ziel an sich gewesen, mit der Absicht, die betreffenden Händler davon abzuhalten, importierte Gipskartonplatten zu erwerben und zu vertreiben.

41 Nach der Entscheidung (Randnrn. 128 und 129) waren die Zahlungen von BG ursächlich für die Entscheidung der Händler, den Vertrieb importierter Gipskartonplatten einzustellen. Durch die Alleinbezugsvereinbarungen hätten sich die Händler für die Zukunft an BG gebunden, was auf einen Mißbrauch der marktbeherrschenden Stellung von BG hinausgelaufen sei.

Vorbringen der Parteien

42 Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe zu Unrecht den Schluß gezogen, daß BG ein System von Zahlungen an Händler geschaffen habe, das u. a. den Alleinbezug bei ihr habe sicherstellen sollen. Die Liefervereinbarungen, die zwischen Juli 1985 und August 1986 gegolten hätten, hätten keinen Mißbrauch einer beherrschenden Stellung dargestellt. Die Klägerinnen tragen hierzu mehrere Argumente vor.

43 Erstens habe es sich um normale Kaufverträge gehandelt, die ad hoc mit einzelnen Kunden auf der Grundlage der im Baustoffhandel im Vereinigten Königreich üblichen Bedingungen ausgehandelt worden seien; sie seien eine Antwort auf die wachsende Nachfragemacht der Händler gewesen. Das System, das in einer Situation geringer Markentreue durchgeführt worden sei, habe das Angebot regelmässiger Zahlungen an die Händler in Form von Zuschüssen zu ihren Aufwendungen für Werbung und Verkaufsförderung umfasst, das von der Einhaltung einer Reihe von Bedingungen wie etwa der Lagerung eines grossen Sortiments von Gipskartonplatten und der Entfaltung absatzfördernder Tätigkeiten abhängig gewesen sei.

44 Zu Unrecht habe die Kommission aus den in Randnummer 58 der Entscheidung angeführten Schriftstücken geschlossen, daß Hauptzweck dieser Zahlungen gewesen sei, von den Händlern eine Alleinbezugsverpflichtung zu erhalten und damit den Markt gegen ausländischen Wettbewerb abzuschotten. Diese Schriftstücke bezögen sich lediglich auf Erörterungen von Plänen und möglichen Strategien, die als solche keine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln darstellen könnten. Der Hinweis auf die Ausschließlichkeit sei nur die Antwort auf die Vorschläge von Händlern für Alleinbezugsvereinbarungen gewesen. Das System sei somit eine Reaktion auf einzelne Kunden von BG gewesen, mit dem vor dem Hintergrund einer sich infolge der wachsenden Nachfragemacht dieser Kunden wandelnden Wettbewerbssituation deren Treue habe belohnt werden und vor allem eine enge Bindung zu treuen und geschätzten Kunden habe bewirkt werden sollen. Die Alleinbezugsverpflichtung sei keine unabdingbare Voraussetzung dafür gewesen, daß ein Händler Zuschüsse zur Absatzförderung habe erhalten können. Ein Unternehmen habe solche Zuschüsse erhalten, obwohl es weiterhin spanische Gipskartonplatten eingeführt habe. Aus den Akten gehe klar hervor, daß nicht alle ursprünglich vorgesehenen Bedingungen des Systems dann auch angewandt worden seien.

45 BG habe keine diskriminierende Unterscheidung zwischen Händlern, die eine Vereinbarung über Zuschüsse zur Absatzförderung abgeschlossen hätten, und anderen Händlern getroffen. Händler, die mit Iberian Umsätze getätigt hätten, hätten auch weiterhin mit BG Handel getrieben; die Zuschüsse zur Absatzförderung hätten nicht dazu geführt, daß die Beziehungen zu Händlern, die sie nicht akzeptiert hätten, abgebrochen worden seien. Das Verhalten von Händlern, die nach dem Empfang von Zahlungen zur Absatzförderung keine eingeführten Gipskartonplatten mehr bestellt hätten, könne auch von anderen Faktoren beeinflusst worden sein, wie etwa von den Lieferschwierigkeiten bei eingeführten Gipskartonplatten oder von der Qualität und den Beschränkungen bei Abmessungen und Arten eingeführter Gipskartonplatten.

46 Entgegen der Schlußfolgerung der Kommission in Randnummer 129 der Entscheidung hätten sich die Händler nicht für die Zukunft an BG gebunden. Sie hätten vielmehr ihre vertraglichen Abreden mit BG jederzeit kündigen oder Zuschüsse zur Absatzförderung ablehnen und weiterhin eingeführte Gipskartonplatten verkaufen können.

47 BG trage ferner als grösster Lieferant auf dem Markt für Gipskartonplatten im Vereinigten Königreich die Verantwortung dafür, daß die regelmässige und verläßliche Belieferung mit Gipskartonplatten sichergestellt bleibe. Die von BG angestrebte Treue der Händler sei unerläßlich gewesen, um die Kontinuität und Regelmässigkeit der Belieferung des gesamten Marktes zu den günstigsten Bedingungen zu sichern. Dies wäre unmöglich gewesen, wenn Iberian den grössten Kunden von BG die am stärksten nachgefragten Produkte mit geringem Nachlaß hätte anbieten können und BG lediglich die Erzeugnisse und Verkaufsstellen mit geringerer Rentabilität überlassen hätte. Das Verhalten von BG habe zur Verbesserung der Versorgung des britischen Marktes mit Gipskartonplatten beigetragen. Die Lieferungen spanischer Gipskartonplatten, die durch niedrige Preise, die Konzentrierung auf wenige, stark nachgefragte Abmessungen und mangelnde Regelmässigkeit gekennzeichnet gewesen seien, hätten eine Gefahr für die angemessene Versorgung des Marktes des Vereinigten Königreiches insgesamt dargestellt.

48 Unter Berufung auf das Urteil des Gerichtshofes vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76 (Hoffmann-La Roche/Kommission, Slg. 1979, 461) führen die Klägerinnen aus, die Vereinbarungen mit den Händlern zur Absatzförderung erfuellten die Voraussetzungen für eine Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag. Das Fehlen einer Anmeldung stehe einer Freistellung nicht entgegen, da, wie der Gerichtshof in dem Urteil vom 18. März 1970 in der Rechtssache 43/69 (Bilger, Slg. 1970, 127) entschieden habe, ein Vertrag zwischen einem Erzeuger und einem im selben Mitgliedstaat ansässigen Einzelhändler, in dem dieser sich verpflichte, ausschließlich von dem genannten Erzeuger zu beziehen, von der Anmeldung befreit sei. Die Kommission habe mit ihrer Erklärung, daß keine Freistellung möglich sei, voreilig gehandelt.

49 Die Klägerinnen entgegnen auf das Vorbringen der Kommission, daß die Händler am Aufbau eines ausreichenden Lagerbestands an konkurrierenden Erzeugnissen gehindert worden seien, dies wäre nur richtig, wenn BG von den Händlern verlangt hätte, einen ungewöhnlich grossen Bestand an Gipskartonplatten zu lagern, und damit den verfügbaren Lagerraum für die gängigsten Abmessungen, auf die sich die Einfuhren beschränkt hätten, verringert hätte. Dies sei aber nicht geschehen.

50 Der Standpunkt der Kommission, daß eine Alleinbezugsverpflichtung gegeben sei, sobald ein Unternehmen bereit sei, mit Dritten keinen Handel mehr zu treiben, auch wenn sich diese Bereitschaft auf eine beschränkte Menge ihres Bedarfs beziehe, stelle den Versuch dar, die Grundlage der Entscheidung abzuändern. Eine solch weite Auslegung des Begriffes des Alleinbezugs finde weder rechtlich noch in der Praxis eine Stütze. Es entspreche gängiger Handelspraxis, langfristige Geschäftsbeziehungen mit bestimmten Lieferanten zu begründen, und es sei typisch für den Wettbewerb, daß ein Vertrag mit einem Lieferanten jedem anderen Lieferanten die Möglichkeit nehme, diesen Vertrag abzuschließen. Alleinbezug oder Quasi-Alleinbezug bedeute, daß ein Händler seinen Bedarf ganz oder fast ganz bei einem bestimmten Lieferanten zu decken habe. Es sei daher falsch, wenn die Kommission behaupte, daß die Förderung der Kundentreue oder enge Geschäftsbeziehungen mit Händlern in der Praxis auf eine Vereinbarung zwischen BG und ihrer Kundschaft hinausgelaufen seien, mit der sich diese verpflichtet habe, einen bestimmten Anteil ihres Bedarfs bei BG zu decken.

51 Daß mit dem System keine Bindung der Händler bezweckt worden sei, zeige sich auch daran, daß BG Kunden, die eingeführte Gipskartonplatten gekauft hätten, nicht diskriminiert habe. Die Zuschüsse zur Absatzförderung hätten keine Auswirkungen auf die Rabattvereinbarungen gehabt. Da es ihr Zweck gewesen sei, die Händler für deren Bemühungen bei der Absatzförderung zu belohnen, könnten diese Zuschüsse nicht als gleichbedeutend mit der Gewährung vorteilhafterer Bedingungen für diese Händler betrachtet werden.

52 Unzutreffend sei ferner die Behauptung, das System der Zuschüsse zur Absatzförderung sei eine Reaktion auf die drohenden Einfuhren gewesen oder habe Iberian von Einfuhren abhalten oder schwächen sollen. Zweck des Systems sei es gewesen, angesichts fehlender Markentreue die Marktposition der Gipserzeugnisse gegenüber anderen Erzeugnissen, nicht aber gegenüber eingeführten Gipskartonplatten als solchen zu verbessern. Da die Zahlung von Zuschüssen zur Absatzförderung davon abhängig gemacht worden sei, daß die Händler Gipskartonplatten ausschließlich von BG bezögen, sei es von geringer Bedeutung, daß nach der Zahlung von Zuschüssen zur Absatzförderung Anweisungen ergangen seien, keine eingeführten Gipskartonplatten mehr zu bestellen.

53 Die Kommission weist zuerst darauf hin, daß sie den Versuch von BG als Unternehmen in marktbeherrschender Stellung, sich die Treue der Händler zu sichern, um den Absatz bestimmter konkurrierender Erzeugnisse zu verhindern, in der Entscheidung als Mißbrauch einer beherrschenden Stellung eingestuft habe. Es sei ohne Bedeutung, daß Zahlungen zur Absatzförderung gängige Praxis seien. Auch eine gängige Praxis könne mißbräuchlich sein, wenn sie von einem Unternehmen in beherrschender Stellung verfolgt werde.

54 Zum Zweck des Systems vertritt die Kommission die Auffassung, daß eine Vereinbarung, die ein Angebot oder eine Nachfrage in bestimmtem Umfang einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern vorbehalten solle, den Wettbewerb ohne Rücksicht auf den Prozentsatz des gesamten Bedarfs des von der Vereinbarung erfassten Käufers oder Verkäufers beschränke. Die beschränkende Wirkung des Alleinbezugs bestehe nicht in der möglicherweise völligen Abschottung der Nachfrage des Unternehmens, sondern in der Aufgabe der freien Wahl der Vertragspartner durch das Unternehmen bezueglich der von der Loyalitäts- oder Treuevereinbarung erfassten Mengen, wobei es keine Rolle spiele, ob diese Mengen 80 %, 60 % oder 30 % des Warenbedarfs des Käufers darstellten. Insoweit habe BG eine Verbindung mit ihren Kunden angestrebt, die mit einem Ausschluß importierter Gipskartonplatten verbunden gewesen sei; die ° wenn auch relative ° Treue sei als Voraussetzung für den Erhalt der Zuschüsse einem Alleinbezug gleichgekommen. Es sei unwesentlich, daß Absatzförderungsvereinbarungen auch andere Zwecke verfolgen könnten als nur Alleinbezug oder Kundentreue; es sei auch sinnlos, die Frage aufzuwerfen, ob dies der Haupt- oder nur ein Nebenzweck gewesen sei, da es für die Feststellung eines Mißbrauchs ausreiche, daß der Alleinbezug einer der Zwecke der Vereinbarung gewesen sei. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission darauf hingewiesen, daß der Gedanke von Loyalitätszahlungen erstmals in einem internen Vermerk vom 16. Januar 1985 geäussert worden sei. In diesem Vermerk ° und im Vermerk vom 1. Mai 1985 ° sei erste Voraussetzung für den Erhalt der Zahlungen die ausschließliche Belieferung durch BG gewesen. In dem Bericht über die Sitzung, in der die Frage der Einfuhren erörtert worden sei, habe der Vorsitzende, als der Gedanke geäussert worden sei, nur gesagt: "Look into ways of getting exclusivity" ("Suchen Sie nach Wegen, Alleinbezug zu bekommen").

55 Zu der Frage, ob BG Händler, die zur Erlangung von Zahlungen zur Absatzförderung eine Vereinbarung unterzeichnet hätten, und solche Händler, die dies nicht getan hätten, unterschiedlich behandelt habe, weist die Kommission darauf hin, daß dies unerheblich sei, da in der Entscheidung von einem Mißbrauch seitens BG durch eine unterschiedliche Behandlung ihrer Kunden keine Rede sei.

56 Zu den zukünftigen Auswirkungen der Zahlungen zur Absatzförderung vertritt die Kommission die Auffassung, daß die Vereinbarungen Loyalität in der Vergangenheit belohnt hätten und daß die Händler sich die angebotenen Zahlungen hätten verdienen müssen. Die Möglichkeit, diese Vereinbarungen jederzeit zu kündigen, beseitige ihre mißbräuchliche Natur nicht. Die Behauptung der Klägerinnen, die Händler selbst hätten Zahlungen zur Absatzförderung erbeten, werde durch die durchgeführte Untersuchung widerlegt, die gezeigt habe, daß BG ein System von Zahlungen erörtert und vorgesehen habe, zu dessen Voraussetzungen der Alleinbezug gehört habe. Ein Unternehmen in marktbeherrschender Stellung begehe nicht nur dann den Versuch, einen Konkurrenten auszuschließen, wenn es Alleinbezugsvereinbarungen durchsetze, sondern auch dann, wenn es sich zur Mitwirkung an solchen Vereinbarungen bereit erkläre, nachdem es von seinen Kunden darauf angesprochen worden sei.

57 Zur Berufung auf die Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag weist die Kommission darauf hin, daß die Entscheidung nicht auf Artikel 85, sondern auf Artikel 86 des Vertrages gestützt sei. Auf jeden Fall seien aber die Voraussetzungen für eine Freistellung, die übrigens von den Klägerinnen nie beantragt worden sei, offensichtlich nicht gegeben.

58 Das Verhalten von Iberian habe BG ohne Rücksicht auf die Umstände, unter denen Iberian mit Gipskartonplatten auf den Markt gekommen sei, nicht dazu berechtigt, sich selbst durch Alleinbezugsregelungen zur Garantin für die Stetigkeit und die Verläßlichkeit der Versorgung mit Gipskartonplatten aufzuschwingen, die angeblich durch die Marktstrategie von Iberian gefährdet gewesen sei.

59 Das Vorbringen der Klägerinnen, das System der Zahlungen zur Absatzförderung komme den Gipserzeugnissen zugute und nicht den Produkten von BG, müsse zurückgewiesen werden. Zunächst sei auf der Grundlage der der Klageschrift beigefügten Erklärung von Herrn Clark zu bezweifeln, daß die Markentreue bei Gipserzeugnissen so beschränkt sei, wie die Klägerinnen behaupteten. Ausserdem könnten die beiden Zwecke des Systems zur Sicherung der Kundentreue, nämlich das Bestreben, deren Alleinbelieferung sicherzustellen, und die Absicht, Einfuhren von Gipskartonplatten zu verhindern, nicht voneinander getrennt werden. Loyalität führe unabhängig von den zugrundeliegenden Absichten oder Motiven zum Ausschluß.

60 Die spanische Regierung vertritt unter Hinweis u. a. auf Randnummer 59 der Entscheidung die Auffassung, daß die internen Unterlagen von BG, die der Kommission zugänglich gewesen seien, die Absicht von BG belegten, ihre Kunden durch Zahlungen als Gegenleistung für eine Alleinbezugsverpflichtung an sich zu binden, um auf diese Weise den an die Importeure verlorenen Marktanteil zurückzuerlangen. Selbst ohne diese Beweise würde dieses Ziel aus dem Zusammenhang hervorgehen, in dem sich die Verhaltensweisen von BG entwickelt hätten. Insoweit müsse darauf hingewiesen werden, daß diese Loyalitätszahlungen eine durch Artikel 86 Buchstabe c EWG-Vertrag ausdrücklich verbotene Verhaltensweise darstellten, wie der Gerichtshof im Urteil Hoffmann-La Roche hervorgehoben habe.

61 Die Streithelferin Iberian erklärt, Loyalitätszahlungen eines marktbeherrschenden Lieferanten an seine Kunden hätten eine Ausschlußwirkung, wie sie selbst erfahren habe, als sie festgestellt habe, daß ihr der Zugang zu neuen Kunden versperrt gewesen sei. In der mündlichen Verhandlung hat sie weiter vorgetragen, sie habe infolge der Verhaltensweisen von BG den Handel mit Gipskartonplatten im Vereinigten Königreich und in Irland völlig aufgeben müssen.

Würdigung durch das Gericht

Tatsächliche Feststellungen

62 Nach den tatsächlichen Feststellungen und insbesondere nach dem genannten, von den Klägerinnen selbst als Anlage 13 der Klageschrift vorgelegten Vermerk vom 16. Januar 1985 und dem von den Klägerinnen als Anlage 14 der Klageschrift vorgelegten Protokoll der Sitzung des Senior Management Committee (Ausschuß höherer Führungskräfte) von BG, auf das in Randnummer 58 der Entscheidung Bezug genommen wird, fanden zu Beginn des Jahres 1985 bei BG Erörterungen über die angesichts der Konkurrenz durch eingeführte französische und spanische Gipskartonplatten zu verfolgende Strategie statt. Auf der Sitzung des Senior Management Committee forderte der Geschäftsführer den Marketingleiter auf, "to give adequate consideration in formulating the marketing strategy of how to reward loyalty to those merchants who remained exclusively with" BG ("bei der Festlegung der Absatzstrategien angemessen zu berücksichtigen, wie die Loyalität der Händler belohnt werden kann, die weiterhin ausschließlich von BG beziehen"). Gleichzeitig hielt es der Marketingleiter für angebracht, Händler zu unterstützen, die zur Zusammenarbeit mit BG bereit waren. Dies geht aus dem genannten Vermerk hervor, in dem es heisst: "The merchant should buy his plasterboard, and accessories if appropriate, from us exclusively." ("Der Händler sollte seine Gipskartonplatten und gegebenenfalls sein Zubehör ausschließlich von uns beziehen.") In einem von den Klägerinnen als Anlage 15 der Klageschrift vorgelegten Vermerk vom 1. Mai 1985, auf den in Randnummer 59 der Entscheidung Bezug genommen wird, legte der Marketingleiter von BG unter Hinweis auf Erörterungen während des Executive Meeting (Sitzung der Geschäftsleitung) die Bedingungen dar, die diese ausgehandelt sehen wollte. Die erste dieser Bedingungen war der Alleinbezug, d. h., daß sich der Händler verpflichten musste, alle Gipskartonplatten und verwandten Produkte ausschließlich von BG zu beziehen. Laut diesem Vermerk sollte damit der Verlust von noch mehr Kunden verhindert und zugleich die Zurückgewinnung des Marktanteils, den BG an ihre Konkurrenten verloren hatte, ermöglicht werden.

63 Zwar behauptet BG, die in Randnummer 58 der Entscheidung angeführten Unterlagen seien lediglich die Grundlage für Erörterungen über mögliche Pläne und Strategien gewesen, doch geht aus den Akten hervor, daß BG ° die das auch nicht ernsthaft bestreitet ° ab Juli 1985 die in den Monaten zuvor beschlossene Absatzstrategie durchgeführt und individuelle mündliche und schriftliche Verträge insbesondere mit Händlern getroffen hat, die Gipskartonplatten von Lafarge oder Iberian vertrieben oder vertrieben hatten. Wie sich sowohl aus Randnummer 68 der Entscheidung ergibt, deren Richtigkeit nicht bestritten worden ist und wonach BG während des Verfahrens vor der Kommission Abschriften von Schreiben vorgelegt hat, in denen monatliche Zahlungen angeboten und akzeptiert wurden, als auch aus dem vorstehend genannten, als Anlage A der Gegenerwiderung vorgelegten Schreiben eines Händlers vom 23. Dezember 1985, in dem dieser Händler BG sein Einverständnis mit monatlichen Zahlungen zur Absatzförderung von 500 GBP als Gegenleistung für die Verpflichtung zum Alleinbezug bei BG erklärte, verpflichteten sich diese Händler unter anderem dazu, Gipskartonplatten ausschließlich von BG zu beziehen, während BG sich verpflichtete, ihnen regelmässig Zuschüsse zur Absatzförderung zu zahlen. Ab September 1986 ließ BG die Zahlungen zur Absatzförderung auslaufen, da sie ein Lagerförderungssystem (Super Stockist Scheme) einführte.

64 Vor diesem Hintergrund ist zu prüfen, ob die fraglichen Verträge einen Mißbrauch der marktbeherrschenden Stellung von BG darstellten.

Mißbräuchlicher Charakter der Alleinbezugsverpflichtungen

65 Das Gericht ist zunächst der Auffassung, daß die Klägerinnen zu Recht auf dem Standpunkt stehen, daß die Zahlung von Zuschüssen zur Absatzförderung an Käufer im Rahmen einer geschäftlichen Zusammenarbeit zwischen einem Lieferanten und seinen Abnehmern eine übliche Praxis darstellt. Bei einer normalen, durch Wettbewerb gekennzeichneten Marktsituation werden solche Vereinbarungen im Interesse beider Parteien getroffen. Der Lieferant möchte damit seinen Absatz sichern, indem er die Nachfrage an sich bindet, während der Abnehmer auf die Sicherheit der Belieferung und damit verbundene Geschäftsvorteile bauen kann.

66 Bei einer derartigen geschäftlichen Zusammenarbeit ist es nicht unüblich, daß der Empfänger dieser Zahlungen oder Vorteile seinem Lieferanten gegenüber eine Alleinbezugsverpflichtung eingeht. Solche Alleinbezugsverpflichtungen können grundsätzlich nicht untersagt werden. Die Beurteilung der Wirkungen solcher Verpflichtungen auf das Funktionieren des betreffenden Marktes hängt, wie das Gericht in seinem Urteil vom 2. Juli 1992 in der Rechtssache T-61/89 (Dansk Pelsdyravlerforening/Kommission, Slg. 1992, II-1931) entschieden hat, von den besonderen Eigenarten dieses Marktes ab. Die Auswirkungen solcher Verpflichtungen auf den Markt müssen grundsätzlich, wie der Gerichtshof im Urteil vom 28. Februar 1991 in der Rechtssache C-234/89 (Delimitis, Slg. 1991, I-935) entschieden hat, in ihrem Gesamtzusammenhang geprüft werden.

67 Diese Erwägungen, die für eine normale, durch Wettbewerb gekennzeichnete Marktsituation gelten, können indessen nicht ohne Einschränkung auf einen Markt übertragen werden, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der beherrschenden Stellung eines Wirtschaftsteilnehmers bereits eingeschränkt ist. Ein Unternehmen in beherrschender Stellung trägt nämlich eine besondere Verantwortung dafür, daß es einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt nicht beeinträchtigt (Urteil des Gerichtshofes vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, Randnr. 57).

68 Bezueglich der Natur der streitigen Verpflichtung weist das Gericht darauf hin, daß nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ein Unternehmen, das eine beherrschende Stellung einnimmt und Abnehmer, sei es auch auf deren Wunsch, durch die Verpflichtung oder Zusage, ihren gesamten Bedarf oder einen beträchtlichen Teil davon ausschließlich bei ihm zu beziehen, an sich bindet, seine Stellung im Sinne des Artikels 86 EWG-Vertrag mißbräuchlich ausnutzt, ohne daß es darauf ankäme, ob die fragliche Verpflichtung ohne weiteres oder gegen eine Rabattgewährung eingegangen worden ist (Urteil Hoffmann-La Roche, a. a. O., Randnr. 89; Urteil des Gerichtshofes vom 3. Juli 1991 in der Rechtssache C-62/86, AKZO/Kommission, Slg. 1991, I-3359, Randnr. 149). Dies ist deshalb gerechtfertigt, weil dann, wenn ein Wirtschaftsteilnehmer wie im vorliegenden Fall eine starke Marktstellung innehat, der Abschluß von Alleinbezugsverträgen für einen erheblichen Teil der Umsätze eine nicht hinnehmbare Behinderung des Zugangs zu diesem Markt darstellt. Selbst wenn die Zuschüsse zur Absatzförderung eine Reaktion auf Anfragen und die wachsende Nachfragemacht der Händler gewesen sein sollten, rechtfertigt dies auf keinen Fall die Aufnahme einer Ausschließlichkeitsklausel in die betreffenden Lieferverträge. Die Klägerinnen können daher nicht geltend machen, die Kommission habe die mißbräuchliche Natur der betreffenden Verhaltensweise nicht nachgewiesen. Einer Entscheidung des Streites der Parteien über den Begriff des Alleinbezugs bedarf es nicht, weil die tatsächlichen Feststellungen zweifelsfrei ergeben haben, daß sich die streitige Vertragsbestimmung auf den gesamten oder nahezu gesamten Bedarf der Kunden bezog.

69 Zwar kann das Vorliegen einer beherrschenden Stellung einem Unternehmen, das sich in dieser Stellung befindet, nicht das Recht nehmen, seine eigenen geschäftlichen Interessen zu wahren, wenn diese bedroht sind, und es hat auch in angemessenem Umfang die Möglichkeit, so vorzugehen, wie es dies zum Schutz seiner Interessen für richtig hält; jedoch ist ein derartiges Verhalten nicht zulässig, wenn es auf eine Verstärkung dieser beherrschenden Stellung und ihren Mißbrauch abzielt (Urteil des Gerichtshofes vom 14. Februar 1978 in der Rechtssache 27/76, United Brands/Kommission, Slg. 1978, 207). Folglich ist weder dem Vorbringen, wonach BG verpflichtet gewesen sei, die Kontinuität und Regelmässigkeit der Belieferungen zu sichern, noch dem Hinweis auf die Handelspraktiken von Iberian zu folgen (Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 1991 in der Rechtssache T-30/89, Hilti/Kommission, Slg. 1991, II-1439, Randnr. 118, und Urteil des Gerichtshofes vom 11. November 1986 in der Rechtssache 226/84, British Leyland/Kommission, Slg. 1986, 3263). FORTSETZUNG DER GRÜNDE UNTER DOK.NUM : 689A0065.1

70 Der Begriff der mißbräuchlichen Ausnutzung ist im übrigen ein objektiver Begriff (Urteil Hoffmann-La Roche, a. a. O., Randnr. 91), so daß das Verhalten eines Unternehmens in beherrschender Stellung auch ohne jedes Verschulden als mißbräuchlich im Sinne des Artikels 86 EWG-Vertrag betrachtet werden kann. Demnach ist das Vorbringen der Klägerinnen, daß BG nie beabsichtigt habe, Iberian zu entmutigen oder zu schwächen, ohne Einfluß auf die rechtliche Würdigung des Sachverhalts.

71 Selbst wenn man dem Vorbringen der Klägerinnen folgt, daß dieses System auch dazu gedient haben könnte, die Vermarktung von Gipsprodukten allgemein zu fördern, ist doch festzustellen, daß es auf Zahlungen hinausläuft, die strikt von der ausschließlichen Loyalität gegenüber BG abhängig und folglich mißbräuchlich sind, gleichgültig, ob das Argument einer fehlenden Markentreue zutrifft.

72 Die Klägerinnen können auch die Lieferschwierigkeiten ihrer Konkurrenten nicht als Rechtfertigung für die auf ihr Betreiben zustande gekommenen Alleinbezugsverpflichtungen anführen, weil sie vernünftigerweise nicht behaupten können, daß ihre Kunden selbst nicht in der Lage gewesen wären, aus diesen Schwierigkeiten die Konsequenzen für ihre Geschäftspolitik zu ziehen.

73 Auch das Vorbringen, die Händler hätten jederzeit ihre vertraglichen Beziehungen zu BG beenden können, geht fehl, da das Recht zur Kündigung eines Vertrages seiner effektiven Durchführung nicht entgegensteht, solange von der Kündigungsmöglichkeit kein Gebrauch gemacht worden ist. Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß ein Unternehmen in beherrschender Stellung in der Lage ist, seinen Kunden nicht nur den Abschluß solcher Verträge, sondern auch deren Weiterführung aufzuzwingen, so daß die rechtliche Möglichkeit der Kündigung in Wirklichkeit illusorisch ist.

74 Zu dem Vorbringen, daß BG die Händler nicht unterschiedlich behandelt habe, genügt die Feststellung, daß die Entscheidung einen solchen Vorwurf nicht enthält und damit dieses Vorbringen unerheblich ist.

75 Schließlich ist zu dem Vorbringen über die Anwendung des Artikels 85 Absatz 3 EWG-Vertrag darauf hinzuweisen, daß die Entscheidung nicht die Anwendung des Artikels 85 EWG-Vertrag, sondern die des Artikels 86 betrifft und daß die Gewährung einer Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages ohnehin eine Anwendung des Artikels 86 nicht ausschließt (Urteil des Gerichts vom 10. Juli 1990 in der Rechtssache T-51/89, Tetra Pak/Kommission, Slg. 1990, II-309).

76 Aus alledem folgt, daß der Vorwurf der Klägerinnen, die Kommission habe das System der Zahlungen an die Händler, das u. a. deren Alleinbelieferung habe sicherstellen sollen, zu Unrecht als Mißbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne des Artikels 86 EWG-Vertrag angesehen, unbegründet ist.

77 Der Klagegrund, mit dem der Mißbrauch einer beherrschenden Stellung bestritten wird, ist daher in seinem ersten Teil zurückzuweisen.

B ° Die vorrangigen Gipslieferungen

Angefochtene Handlung

78 Gemäß Artikel 2 der Entscheidung hat BG im Juli und August 1985 "gegen Artikel 86 verstossen, indem es eine Strategie verfolgte, wonach Kunden, die nicht mit eingeführten Gipskartonplatten handelten, durch die Gewährung von Lieferprioritäten für Baugipse bei Lieferengpässen bevorzugt wurden, welches einen Mißbrauch seiner beherrschenden Stellung auf dem britischen Markt für Gipskartonplatten darstellte".

79 Nach den Randnummern 81 bis 85 und 141 bis 147 der Entscheidung hat BG im Juli 1985 ein System vorrangiger Gipslieferungen für sogenannte "loyale" Kunden, d. h. solche, die nicht mit eingeführten Gipskartonplatten handelten, entworfen und durchgeführt. In einem Vermerk von BG vom 29. Juli 1985, der der Klageschrift als Anlage 20 beigefügt und auszugsweise in Randnummer 81 der Entscheidung wiedergegeben ist, heisst es:

"In an effort to try to control the situation and also to create a position whereby we can help those loyal merchants who have not regularly bought and stocked imported plasterboard, arrangements have been made for us to accomodate a small number of priority requests. Any priority deliveries will be arranged largely at the expense of stockists of imported material and the Sales Offices have been provided with a list of customers who we know carry stocks and deal in either French or Spanish plasterboard." ("Um zu versuchen, die Lage in den Griff zu bekommen, und darüber hinaus die Voraussetzungen zu schaffen, die es ermöglichen, den loyalen Händlern zu helfen, die nicht regelmässig importierte Gipskartonplatten gekauft und gelagert haben, haben wir Vorkehrungen getroffen, um eine geringe Zahl von Aufträgen vorrangig ausführen zu können. Alle vorrangigen Lieferungen werden weitgehend auf Kosten der Händler ausgeführt, die importierte Ware führen. Die Verkaufsstellen haben eine Liste von Kunden erhalten, von denen wir wissen, daß sie französische und spanische Gipskartonplatten lagern und verkaufen.")

80 Nach der Entscheidung bezweckte und bewirkte diese Verhaltensweise die Verdrängung der Konkurrenten von BG, die eingeführte Gipskartonplatten auf den Markt brachten, vom Markt.

81 Die Kommission geht in der Entscheidung davon aus, daß diese Verhaltensweise, die einigen "nicht loyalen" Kunden von BG einzeln mitgeteilt und in einer Presseerklärung eines BG-Vertreters dargelegt worden sei, einen Mißbrauch einer beherrschenden Stellung darstelle, da das Kriterium für die Auswahl der Händler, die eine vorrangige Belieferung hätten in Anspruch nehmen können, nicht objektiv, sondern dazu bestimmt gewesen sei, die Händler zu belohnen, die ausschließlich Gipskartonplatten von BG verkauft hätten.

Vorbringen der Parteien

82 Die Klägerinnen halten den Standpunkt der Kommission, daß BG mit der Festlegung und Durchführung einer Politik vorrangiger Erledigung von Gipsaufträgen der Kunden, die keine importierten Gipskartonplatten führten, ihre beherrschende Stellung mißbräuchlich ausgenutzt habe, für unzutreffend. Die Kommission habe nämlich nicht nachgewiesen, daß BG eine beherrschende Stellung auf dem Gipsmarkt einnehme. Sie habe daher nicht behaupten dürfen, daß BG den Gipsmarkt benutze, um ihre beherrschende Stellung auf dem Markt für Gipskartonplatten zu mißbrauchen.

83 Die Kommission habe nicht nachgewiesen, daß BG ein System vorrangiger Lieferungen geschaffen habe oder daß die Händler, die mit eingeführten Gipskartonplatten gehandelt hätten, wegen ihrer Einfuhren Verzögerungen in der Belieferung durch BG hätten hinnehmen müssen. Die von ihnen praktizierte zeitweilige Bevorzugung ihrer loyalen Kunden sei auch in keiner Weise mißbräuchlich gewesen. Im übrigen sei die Feststellung in Randnummer 81 der Entscheidung, daß die Anweisung erteilt worden sei, "für den Fall, daß Prioritäten bei der Auftragserfuellung gesetzt werden müssten,... den Auftrag eines Händlers auf der Liste zurückzustellen", unzutreffend.

84 Im Juli 1985 sei das Lieferziel von drei Tagen nicht erreichbar gewesen, so daß allen Kunden, also auch denen, die möglicherweise spanische Gipskartonplatten gekauft hätten, eine Lieferzeit von vier Tagen genannt worden sei. Die Vertreter seien angewiesen worden, für den Fall, daß zwei Händler, von denen der eine spanische Gipskartonplatten und der andere Gipskartonplatten von BG kaufe, vorrangige Belieferung verlangen sollten und die Produktion nur für eine Lieferung ausreiche, den Kunden zu wählen, der umfassende Geschäftsbeziehungen zu BG unterhalte.

85 Damit sei keineswegs beabsichtigt worden, Gipslieferungen für loyale Kunden zu beschleunigen. In der Praxis sei während des betreffenden Zeitraums der normale Bedarf der Kunden befriedigt worden. Kein Kunde habe unnötige oder ungerechtfertigte Verzögerungen hinnehmen müssen, gleichgültig, ob er Gipskartonplatten ausschließlich bei BG gekauft habe oder nicht. Selbst in Zeiten der Gipsknappheit sei die vorrangige Belieferung innerhalb von einem Tag nicht von grossem Vorteil. Die von der Kommission geforderte Gleichbehandlung der Kunden sei bei Lieferengpässen unrealistisch, und es müssten auf jeden Fall Prioritäten festgelegt werden.

86 In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen die Umstände dargelegt, unter denen sich die Ausführung einer vorrangigen Gipsbestellung eines Kunden, der in der Vergangenheit BG gegenüber nicht "loyal" gewesen sei, verzögert habe. Die betreffende Bestellung sei mit einer Verzögerung von nur einem Tag ausgeliefert worden. Für die "loyalen" Kunden habe sich somit nur ein hypothetischer und ganz geringfügiger Vorteil ergeben.

87 Die Kommission macht geltend, entgegen der Behauptung der Klägerinnen habe der festgestellte Mißbrauch nichts mit ihrer Stellung auf dem Gipsmarkt zu tun. Ausserdem habe sie nie behauptet, daß BG eine beherrschende Stellung auf diesem Markt gehabt habe. Die vorrangige Belieferung mit Gips sei nur einer der Vorteile gewesen, die BG ihren Kunden gewährt habe, um sich die Alleinbelieferung mit Gipskartonplatten zu sichern.

88 Zwar seien die zusätzlichen Verzögerungen für untreue Kunden nicht über einen Tag hinausgegangen. Dies sei auch der Grund gewesen, weshalb für diesen Mißbrauch keine Geldbusse verhängt worden sei. Trotzdem habe sich BG als Unternehmen in beherrschender Stellung durch den Versuch, die Loyalität der Händler sicherzustellen, eines Mißbrauchs schuldig gemacht. Garantie für diese Loyalität sei die bei Lieferengpässen wertvolle vorrangige Belieferung gewesen. Ein beherrschendes Unternehmen müsse aber die Gleichbehandlung der Kunden zur Grundregel seines Verhaltens machen. Kundentreue könne eine Nichtbeachtung dieser Regel nicht rechtfertigen, da dies offenkundig auf die Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen hinauslaufe.

89 BG habe ihre Finanzkraft eingesetzt, um ihren treuen Kunden günstigere Konditionen einzuräumen und damit einen Konkurrenten zu verdrängen. Solch günstigere Konditionen könnten in einem Rabatt bestehen, aber auch in der unmittelbaren oder mittelbaren Gewährung anderer Vorteile, um sich die Alleinbelieferung mit Gipskartonplatten zu sichern. Die Einräumung eines Vorrangs für Gipslieferungen sei ein solcher Vorteil gewesen.

90 Nach Auffassung der spanischen Regierung ist die Behauptung der Klägerin, die Kommission habe nicht nachgewiesen, daß BG eine beherrschende Stellung auf dem Gipsmarkt einnehme, schwer verständlich. Der Entscheidung sei zu entnehmen, daß sich sowohl die beherrschende Stellung von BG als auch der Mißbrauch dieser Stellung auf den Markt für Gipskartonplatten bezögen. Darüber hinaus bedeute der Umstand, daß die Bevorzugung regelmässiger Kunden in Zeiten der Verknappung gängige Praxis sei, nicht, daß dies kein Mißbrauch sein könne, wenn sie wie im vorliegenden Fall eingesetzt werde, um die Wirkung anderer Maßnahmen zu verstärken, die ein fest umrissenes Ziel, nämlich die Behinderung der Einfuhren, gehabt hätten.

91 Iberian macht geltend, ein System vorrangiger Belieferungen habe seiner Natur nach Ausschlußwirkung. Bei dem wirtschaftlichen und psychologischen Einfluß, den ein beherrschendes Unternehmen ausübe, könne sich jeder Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln auf Unternehmen, die mit ihm in Wettbewerb träten, äusserst nachteilig auswirken. Auch wenn die Lieferfristen einen Tag nie überschritten oder die Lieferengpässe nicht lange angehalten hätten, habe dies die Verdrängungswirkung des Verhaltens der Klägerinnen nicht verringert.

Würdigung durch das Gericht

92 Die erzeugnisbezogene Analyse des relevanten Marktes ist in den Randnummern 13 bis 20 und 106 bis 109 der Entscheidung zu finden. Randnummer 106 lautet: "Im vorliegenden Fall geht es um das Geschäftsgebaren des Unternehmens BPB in seiner Eigenschaft als Lieferant von Gipskartonplatten und um die Auswirkungen seines Verhaltens auf den Wettbewerb und den Handel bei Gipskartonplatten, insbesondere gegenüber konkurrierenden Gipskartonplattenlieferungen. Gipskartonplatten sind folglich als die relevanten Erzeugnisse anzusehen." Die Kommission steht daher zu Recht auf dem Standpunkt, daß die Frage, ob BG eine beherrschende Stellung auf dem Gipsmarkt einnimmt, für die Entscheidung des vorliegenden Falles unerheblich ist.

93 Die Verhaltensweisen auf dem Gipsmarkt können nur dann eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf dem Markt für Gipskartonplatten bezwecken und bewirken, wenn andere Wirtschaftsteilnehmer als BG selbst, insbesondere den behaupteten Verhaltensweisen zum Opfer gefallene Händler, auf beiden Märkten tätig sind ° was nicht bestritten wird ° und wenn die Funktionsweise des Gipsmarktes bestimmte Besonderheiten aufweist. Hierzu wird in den Randnummern 143 und 146 der Entscheidung festgestellt, daß die gerügte Verhaltensweise um so wirkungsvoller sei, als die Substitutionsmöglichkeiten der Käufer bei ihrer Bedarfsdeckung auf dem Gipsmarkt wegen der technischen Eigenschaften des Erzeugnisses gering seien, die bekanntlich die Austauschbarkeit und die Möglichkeit des Lieferantenwechsels einschränkten und die Kunden auf dem Gipsmarkt von ihrem Lieferanten abhängig machten. Im übrigen kann der angebliche Irrtum in Randnummer 81 der Entscheidung, selbst wenn er vorliegen sollte, keinen Einfluß auf die Argumentation der Kommission gehabt haben. Demzufolge konnten die Händler den ihnen von ihrem Lieferanten BG auferlegten Lieferzeiten für Gips nicht unter für sie gleichwertigen Bedingungen ausweichen. Folglich hatte diese Verhaltensweise, da sie diejenigen Gipskäufer benachteiligte, die sich BG gegenüber auf dem Markt für Gipskartonplatten nicht "loyal" verhielten, durchaus den Zweck, das Funktionieren dieses Marktes zu beeinträchtigen.

94 In bezug auf die Mißbräuchlichkeit der beanstandeten Verhaltensweise tragen die Klägerinnen zwar zu Recht vor, daß es einem Unternehmen in beherrschender Stellung freisteht und auch üblicher Geschäftspolitik entspricht, bei Lieferengpässen Kriterien für die vorrangige Erledigung von Aufträgen festzulegen; diese Kriterien müssen jedoch objektiv sein und dürfen in keiner Weise diskriminierend sein. Sie müssen objektiv gerechtfertigt sein und den Regeln eines lauteren Wettbewerbs unter Wirtschaftsteilnehmern gehorchen. Artikel 86 EWG-Vertrag verbietet es einem beherrschenden Unternehmen nämlich, seine Stellung durch andere Mittel als solche eines Leistungswettbewerbs zu stärken (Urteil vom 3. Juli 1991, AKZO/Kommission, a. a. O., Randnrn. 69 und 70). Diesem Erfordernis genügt das im vorliegenden Fall von BG gewählte Kriterium nicht, das auf der Unterscheidung zwischen Kunden, die mit eingeführten und von bestimmten Konkurrenten erzeugten Gipskartonplatten handelten, und "loyalen" Kunden beruhte, die ihre Lieferungen von BG bezogen. Ein solches Kriterium, das zur Erbringung gleichwertiger Leistungen bei unterschiedlichen Bedingungen führt, hat wegen des mit ihm verfolgten diskriminierenden Zweckes und der sich daraus möglicherweise ergebenden Verdrängungswirkung für sich genommen wettbewerbswidrigen Charakter. Dieses Ergebnis wird weder dadurch in Frage gestellt, daß der Mißbrauch nur während eines begrenzten Zeitraums im Sommer 1985 stattfand, noch dadurch, daß die Verzögerung bei der Belieferung bestimmter Kunden im Vergleich zu "loyalen" Kunden angeblich nicht mehr als einen Tag betragen haben konnte. Darüber hinaus sind diese Faktoren von der Kommission berücksichtigt worden, die BG insoweit keine Geldbusse auferlegt hat.

95 Ausserdem kann bei Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung auf einem Markt, dessen Wettbewerbsstruktur schon allein dadurch geschwächt ist, jede zusätzliche Beschränkung dieser Wettbewerbsstruktur eine mißbräuchliche Ausnutzung der so erlangten beherrschenden Stellung darstellen (Urteil Hoffmann-La Roche, a. a. O.).

96 Demnach ist der Versuch von BG, ihre Konkurrenten durch die vorrangige Erfuellung der Gipsaufträge von Kunden, die nicht mit eingeführten Gipskartonplatten handelten, zu verdrängen, dessen Vorliegen nach den insbesondere in den Randnummern 84 und 145 der Entscheidung enthaltenen Feststellungen, deren Richtigkeit nicht bestritten worden ist, nicht ernsthaft in Abrede gestellt werden kann, im Sinne von Artikel 86 des Vertrages als mißbräuchliche Ausnutzung ihrer beherrschenden Stellung auf dem Markt für Gipskartonplatten anzusehen.

97 Hieraus folgt, daß auch der zweite Teil des Klagegrundes, mit dem die Klägerinnen bestreiten, ihre beherrschende Stellung mißbraucht zu haben, in der von ihnen geltend gemachten Form zurückzuweisen ist.

98 Allerdings stellt das Gericht, das gegebenenfalls eine hinreichend offenbare Verkennung der Pflichten der Kommission nach Artikel 190 des Vertrages von Amts wegen aufgreifen kann (Urteil Dansk Pelsdyravlerforening/Kommission, a. a. O.), fest, daß in Artikel 2 des verfügenden Teils der Entscheidung auf Verhaltensweisen im Juli und im August 1985 Bezug genommen wird, während in der Begründung der Entscheidung, insbesondere in Randnummer 141 und noch deutlicher in Randnummer 169, wo die Kommission die Gründe dafür darlegt, daß sie für diese Zuwiderhandlung keine Geldbusse verhängt hat, lediglich auf Verhaltensweisen im August 1985 abgestellt wird. Da die Verhaltensweisen indessen unstreitig nur einen kurzen Zeitraum betrafen, hätte die Kommission um so genauer den Zeitraum festlegen müssen, in dem diese den Wettbewerb auf dem relevanten Markt verfälschen konnten. Darüber hinaus hat die Kommission in Beantwortung der Fragen des Gerichts, um den Widerspruch zwischen Artikel 2 des verfügenden Teils und Randnummer 169 der Gründe der Entscheidung auszuräumen, ausdrücklich anerkannt, daß die Entscheidung Verhaltensweisen betreffe, die im Juli 1985 "geplant" worden seien. Ein Verstoß gegen Artikel 86 kann aber nur dann geahndet werden, wenn sein Vorliegen ordnungsgemäß festgestellt worden ist. Die Entscheidung ist daher in diesem Punkt unzureichend begründet und ausserdem mit einem Rechtsirrtum behaftet, so daß das Gericht Artikel 2 der Entscheidung für nichtig zu erklären hat, allerdings nur insoweit, als dort auf eine Verhaltensweise im Juli 1985 abgestellt wird.

C ° Die in Irland und Nordirland angewandten Praktiken

Angefochtene Handlung

99 In Artikel 3 der Entscheidung stellt die Kommission fest, daß BPB über ihre Tochtergesellschaft BG ihre beherrschende Stellung auf dem Markt für Gipskartonplatten in Irland und Nordirland dadurch mißbraucht habe, daß sie im Juni und Juli 1985 Druck auf eine Gruppe von Importeuren ausgeuebt habe, woraufhin diese von der Einfuhr von Gipskartonplatten nach Nordirland abgesehen hätten, sowie dadurch, daß sie Händlern in Nordirland zwischen Juni und Dezember 1985 Preisnachlässe unter der Bedingung eingeräumt habe, daß sie keine importierten Gipskartonplatten vertrieben.

100 Laut der Entscheidung (Randnrn. 4 und 86) stellt BPB durch ihre Tochtergesellschaft GIL als einziges Unternehmen auf der irischen Insel Gipskartonplatten her. Nach ihren eigenen Schätzungen belaufe sich ihr Marktanteil in Irland auf 93 % und in Nordirland auf 90 %. In Nordirland vertreibe BG aus Irland eingeführte Gipskartonplatten, wo sie von GIL gefertigt würden.

101 Die Verhaltensweisen in Irland und Nordirland werden in den Randnummern 86 bis 103 der Entscheidung dargestellt und in den Randnummern 148 bis 152 unter dem Blickwinkel von Artikel 86 des Vertrages gewürdigt.

102 In Randnummer 88 der Entscheidung wird ein interner Bericht von BG angeführt, wonach Händler BG gebeten hätten, sie gegen Importe zu schützen. Nach diesem Bericht war die von BG auf diese Bitten hin ergriffene Maßnahme erfolgreich, so daß dem betreffenden Importeur der Zugang zu den Händlern versperrt worden sei.

103 In den Randnummern 91 und 92 der Entscheidung wird ferner ein BG-Vermerk vom 14. Juni 1985 angeführt, wonach ein Konsortium grosser nordirischer Händler gemeinsam eine Vertretung für die Einfuhr spanischer Gipskartonplatten gegründet habe. BG habe diesen Händlern mitgeteilt, daß sie den nordirischen Markt als ihren eigenen betrachte und beabsichtige, einen grösstmöglichen Marktanteil zu behalten. Nach dem Vermerk sollte Händlern, die Gipskartonplatten einführten, jeglicher Rabatt von BG versagt bleiben; dafür schlug BG vor, den anderen nordirischen Händlern einen Rabatt auf Gips und einen erhöhten Preisnachlaß auf Gipskartonplatten der gleichen Grössen wie die importierten Platten anzubieten. Voraussetzung für die Gewährung dieser Preisnachlässe sollte u. a. sein, daß BG als Alleinlieferant anerkannt werde. Zusätzlich sollten loyale Händler in Spitzenzeiten bevorzugt beliefert werden. BG habe allen nordirischen Händlern am 17. Juni 1985 schriftlich mitgeteilt, daß diese Maßnahmen durchgeführt würden.

104 Nach Randnummer 94 der Entscheidung wurden in einem internen BG-Vermerk zur Vorbereitung einer Zusammenkunft mit den Importeuren, die am 2. Juli 1985 in der Hauptverwaltung von BG stattfand, für den Fall, daß sie bereit wären, einen Verzicht auf weitere Einfuhren zu vereinbaren, Vorschläge unterbreitet. In dieser Zusammenkunft ° der am 15. Juli 1985 in Belfast eine weitere gefolgt sei (Randnr. 95) ° soll BG Druck auf die Importeure ausgeuebt haben, um von diesen die Zusage zu erhalten, keine Gipskartonplatten mehr einzuführen.

105 In der Entscheidung (Randnr. 97) heisst es, daß nach einem Vermerk zur Tagesordnung der Sitzung des geschäftsführenden Vorstandes von BPB eine Gruppe von Händlern Gipskartonplatten über Belfast eingeführt und BG als Reaktion treuen Kunden Preisnachlässe gewährt habe. Nach dem Vermerk hatte dies "zur Folge, daß die Händlergruppe mit uns in Verhandlungen eintrat; es scheint, als wären sie nach unseren Gesprächen nunmehr bereit, das Importgeschäft aufzugeben".

106 Nach Randnummer 98 der Entscheidung sicherte BG am 7. August 1985 den Händlern in Nordirland, die einen bestimmten Jahresumsatz mit BG getätigt hatten, unter der Voraussetzung, daß sie den Absatz von BG-Produkten förderten und BG als Alleinlieferanten anerkannten, die Anwendung von Mengenrabatten zu. Dieser Preisnachlaß sei Ende 1985 nicht mehr gewährt worden, da BG festgestellt habe, daß er von den Begünstigten im Preiswettbewerb mit anderen Händlern eingesetzt worden sei.

107 In der Entscheidung wird weiterhin (Randnr. 100) festgestellt, daß BG auf einer Zusammenkunft am 12. September 1985 mit den Händlern, die Gipskartonplatten importiert hätten, vereinbart habe, ihnen nachträglich drei Viertel der den loyalen Händlern vorbehaltenen Preisnachlässe bis zu dem Zeitpunkt zu zahlen, in dem sie sich zum Verzicht auf weitere Einfuhren entschlossen hätten. Dies sei "in Anbetracht" der Stornierung der Einfuhren geschehen.

108 Nach Randnummer 148 der Entscheidung entzog BG den Händlern in Nordirland, von denen sie wusste, daß sie beabsichtigten, spanische Gipskartonplatten einzuführen, den ihnen gewährten Rabatt, um diese Händler mit einer Sanktion zu belegen. Auch durch die zusätzlichen Preisnachlässe, die allen Händlern unter der Bedingung angeboten worden seien, daß sie ihre Waren ausschließlich von BG beziehen und keine importierten Erzeugnisse vertreiben würden, hätten die Importeure benachteiligt werden sollen. Dieser Druck sei durch andere Anreize zur Einstellung der Importe, wie z. B. die geheime Gewährung eines Mengenrabatts oder die Zusage eines Geldbetrags bei Einstellung der Importe, verstärkt worden.

109 Laut der Entscheidung (Randnrn. 149 bis 151) stellen sämtliche oben genannten Maßnahmen insofern eine mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung dar, als mit ihnen bezweckt worden sei, die Importe zu beenden, was auch gelungen sei, und als sie die Ausschließlichkeitsbindungen zwischen BG und den Händlern verstärkt hätten.

Vorbringen der Parteien

110 Die Klägerinnen bringen vor, das Verhalten von BG in Nordirland könne keine mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung gewesen sein. In der Entscheidung sei die Marktlage in Nordirland mißverstanden worden. Die Einführung von Preisnachlässen sei kein Versuch gewesen, der Konkurrenz durch importierte Gipskartonplatten entgegenzuwirken, sondern eine Reaktion auf die Drohung einer Gruppe von vier nordirischen Händlern, eingeführte spanische Gipskartonplatten zu Lockpreisen zu vermarkten. BG habe ihre berechtigten Interessen und die ihrer Kunden verteidigen wollen und durch ihre Maßnahmen zur Aufrechterhaltung und Stärkung des Wettbewerbs beigetragen.

111 Hierzu vertritt BG die Auffassung, auch ein beherrschendes Unternehmen sei berechtigt, sich gegen Handlungen zur Wehr zu setzen, die den Markt nachhaltig aus dem Gleichgewicht brächten. Es könne unmöglich einen Leistungswettbewerb gegen Lockpreise skrupelloser Händler geben, die zum Nachteil ihrer Konkurrenten eine billige Lieferquelle entdeckt hätten.

112 Auf die Ausführungen der spanischen Regierung entgegnen die Klägerinnen, daß EPYSA der Kommission nach einer Dumpingbeschwerde von GIL Preisverpflichtungen angeboten habe, die die Kommission durch den Beschluß 85/209/EWG vom 26. März 1985 über die Annahme einer Verpflichtung im Rahmen des Antidumpingverfahrens betreffend die Einfuhren von Gipsplatten mit Ursprung in Spanien in die Republik Irland und Nordirland und über die Einstellung des Verfahrens (ABl. L 89, S. 65) angenommen habe. Die spanische Regierung behaupte mithin zu Unrecht, daß diese Beschwerde zu den Akten gelegt worden sei. BG habe auf diese neue Lage auf dem Markt durch den Vorschlag reagiert, die Preisnachlässe für die vier Händler zu verringern und den anderen Händlern höhere Nachlässe zu gewähren. Diese Reaktion könne nicht als mißbräuchlich betrachtet werden.

113 Die Kommission vertritt hinsichtlich der Bedingungen des Preisnachlaßsystems, dessen Anwendung von der Verpflichtung abhängig gewesen sei, ausschließlich BG-Erzeugnisse zu beziehen, den Standpunkt, daß sich ein beherrschendes Unternehmen auf den Leistungswettbewerb beschränken müsse. Die Klägerinnen hätten eingeräumt, daß die durchgeführten Maßnahmen es Importeuren von Gipskartonplatten erschwert hätten, in den Markt einzudringen.

114 In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission vorgetragen, daß die Maßnahmen von BG den Zweck gehabt hätten, die fraglichen vier Händler daran zu hindern, durch ihre Einfuhren die Stellung von BG zu attackieren, und daß das von den Klägerinnen angeführte Dumpingverfahren zu Beginn des Jahres 1985 stattgefunden habe, also vor dem Zeitraum, in dem der Mißbrauch festgestellt worden sei.

115 Die spanische Regierung legt dar, es sei entgegen den Behauptungen der Klägerinnen nicht nachgewiesen, daß die Einfuhrpreise unlauteren Wettbewerb dargestellt hätten. Davon abgesehen sei es nicht zulässig, unter dem Vorwand der Verhinderung einer angeblich ungerechten Situation einen Rechtsbruch zu begehen. Die Dumpingbeschwerde von GIL sei von der Kommission zu den Akten gelegt worden. Der Zusammenschluß der irischen Händler in einer Gruppe zwecks gemeinsamer Vermarktung der spanischen Einfuhren sei der einzige Weg gewesen, um dem von BPB ausgeuebten Druck zu begegnen.

116 Iberian legt dar, die Verdrängungswirkung des Verhaltens der Klägerinnen auf dem nordirischen Markt liege klar zutage. Die Preisnachlässe für die nordirischen Händler hätten unvermeidlich zur Folge gehabt, daß Absatzmöglichkeiten beseitigt und damit neue Konkurrenten faktisch ausgeschlossen worden seien.

Würdigung durch das Gericht

117 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß zwar eine beherrschende Stellung einem Unternehmen, das sich in dieser Stellung befindet, nicht das Recht nehmen kann, seine eigenen geschäftlichen Interessen zu wahren, wenn diese bedroht sind, und daß man ihm in angemessenem Umfang die Möglichkeit einräumen muß, so vorzugehen, wie es dies zum Schutz dieser Interessen für richtig hält; jedoch ist ein derartiges Verhalten nicht zulässig, wenn es gerade auf eine Verstärkung dieser beherrschenden Stellung und ihren Mißbrauch abzielt (Urteil United Brands/Kommission, a. a. O.).

118 Ein Unternehmen in beherrschender Stellung darf aus eigener Initiative keine Maßnahmen ergreifen, die als Repressalien gegenüber Handelspraktiken dienen sollen, die es für rechtswidrig oder unlauter hält. Es kommt folglich nicht darauf an, ob die in der Entscheidung erwähnten Maßnahmen als Reaktion auf die Lockpreise bestimmter Konkurrenten ergriffen wurden oder ob sie, wie die Klägerinnen unter Hinweis insbesondere auf die Anlagen 22 und 23 der Klageschrift behaupten, den "Lockpreisen" zuvorkommen sollten, die bestimmte Händler bei eingeführten Erzeugnissen anwenden wollten. Entscheidend ist allein die Frage, ob die streitige Verhaltensweise durch die Verwendung von Mitteln, die von den Mitteln eines normalen Produktwettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Wirtschaftsteilnehmer abweichen, die Struktur eines Marktes, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt war, beeinflussen sollte oder zu beeinflussen geeignet war (Urteil Michelin/Kommission, a. a. O.).

119 Insoweit geht aus den dem Gericht vorgelegten und in diesem Punkt nicht bestrittenen Unterlagen, die vorstehend bei der Wiedergabe der Entscheidung herangezogen wurden, mit hinreichender Deutlichkeit hervor, daß BG beschloß, den Preisnachlaß von 4 % für nordirische Händler zurückzunehmen, als sie erfuhr, daß diese Gipskartonplatten aus Spanien einführen wollten. Gleichzeitig beschloß sie, den Händlern, die bereit waren, ausschließlich von ihr hergestellte Erzeugnisse zu beziehen, einen Preisnachlaß von 5 % zu gewähren. Eine solche Verhaltensweise hatte aufgrund ihrer diskriminierenden Natur eindeutig den Zweck, die Händler, die Gipskartonplatten einführen wollten, mit einer Sanktion zu belegen, sie von Einfuhren abzuhalten und damit die Stellung von BG auf dem Markt für Gipskartonplatten weiter zu verstärken.

120 Darüber hinaus stellt es, wie der Gerichtshof bereits entschieden hat (Urteil Michelin/Kommission, a. a. O.) einen Mißbrauch im Sinne von Artikel 86 des Vertrages dar, wenn ein Lieferant, der eine marktbeherrschende Stellung hat und von dem der Kunde aus diesem Grund mehr oder weniger abhängig ist, einen wie auch immer gearteten Treuerabatt gewährt und dadurch versucht, seine Kunden über die Gewährung finanzieller Vorteile vom Bezug bei seinen Konkurrenten abzuhalten. Im vorliegenden Fall sollten die zwischen Juni und Dezember 1985 gewährten Preisnachlässe für nordirische Baustoffhändler diese davon abhalten, ihren Bedarf bei konkurrierenden Herstellern zu decken, denn es gibt ausreichende Nachweise dafür, daß diese, vom Alleinbezug abhängigen Preisnachlässe zwangsläufig dazu führten, daß die Empfänger nicht mit eingeführten Gipskartonplatten handelten. In dieser Hinsicht ist von geringer Bedeutung, ob, wie die Klägerinnen behaupten, die Alleinbelieferungsklausel, von der die Gewährung der streitigen Preisnachlässe abhing, lediglich eine von mehreren Bedingungen war, an die die Händler gebunden waren.

121 Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, daß auch der dritte Teil des Klagegrundes, mit dem der fehlende Nachweis des in der Entscheidung festgestellten Mißbrauchs einer beherrschenden Stellung gerügt wird, zurückzuweisen ist.

122 Nach alledem ist zum einen der Klagegrund, mit dem der fehlende Nachweis des mißbräuchlichen Charakters der beanstandeten Verhaltensweisen gerügt wird, zurückzuweisen und zum anderen Artikel 2 der Entscheidung insoweit für nichtig zu erklären, als er sich auf Verhaltensweisen im Juli 1985 bezieht.

II ° Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten

123 Der zweite Klagegrund, mit dem der fehlende Nachweis einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 86 des Vertrages gerügt wird, betrifft die Auswirkungen der Verhaltensweisen von BG auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten.

Angefochtene Handlung

124 Die Auswirkungen der vorstehend dargestellten Verhaltensweisen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten werden in den Randnummern 153 bis 159 der Entscheidung untersucht. Zum Mißbrauch der beherrschenden Stellung von BG auf dem Markt von Großbritannien wird in Randnummer 153 der Entscheidung festgestellt, daß BG der einzige inländische Hersteller gewesen sei und nur mit Importeuren in Wettbewerb gestanden habe. Die Maßnahmen von BG seien folglich geeignet gewesen, die Einfuhren aus anderen Mitgliedstaaten, insbesondere aus Frankreich und seit seinem am 1. Januar 1986 erfolgten Beitritt zur Gemeinschaft auch aus Spanien, wesentlich zu beeinträchtigen.

125 Nach der Entscheidung (Randnrn. 154 bis 157) hatten die Maßnahmen von BG, durch die ihre Kunden beim Bezug von Gipskartonplatten an sie gebunden und dazu veranlasst werden sollten, nicht mit importierten Gipskartonplatten zu handeln, zur Folge, daß sowohl Lafarge als auch Iberian keine Geschäfte mehr mit den Händlern tätigen konnten. Wenn der zwischenstaatliche Handel bereits durch andere Faktoren begrenzt werde, könnten Maßnahmen, die geeignet seien, diesen Handel weiter einzuschränken, dennoch in den Anwendungsbereich der Wettbewerbsregeln des Vertrages fallen. Dies müsse insbesondere für den Fall gelten, daß die Ausschaltung dieses Handels zur Stärkung einer monopolähnlichen Stellung in einem Mitgliedstaat führe. Im vorliegenden Fall sei es wichtig gewesen, den innergemeinschaftlichen Handel zu schützen, weil er nicht nur einen wirksamen Wettbewerb ermögliche, sondern womöglich auch der Gründung neuer Produktionsstätten in Großbritannien Vorschub leiste. Die Maßnahmen von BG seien auch geeignet gewesen, Iberian auszuschalten oder zu schwächen und die beherrschende Stellung von BG auf dem britischen Markt zu stärken, vor allem gegenüber Lafarge und möglichen anderen Importeuren.

126 In den Randnummern 158 und 159 der Entscheidung wird zu den Maßnahmen von BG in Nordirland ausgeführt, daß die Ausschaltung des Wettbewerbs des Händlerkonsortiums, das spanische Gipskartonplatten eingeführt habe, geeignet gewesen sei, das Monopol von BG und deren Marktmacht wiederherzustellen, zumal von diesen Maßnahmen auch die Gipskartonplatten von EPYSA, die sich in Irland im freien Verkehr befunden hätten, und alle anderen Importe von Gipskartonplatten, gleichgültig, aus welchem Mitgliedstaat, betroffen gewesen seien. Da BG der einzige Lieferant von Gipskartonplatten in Nordirland gewesen sei und fast alle dort von BG gelieferten Gipskartonplatten in Irland hergestellt und von dort eingeführt worden seien, hätten die Maßnahmen zur Verhinderung der Einfuhr spanischer Gipskartonplatten zu Handelsströmen geführt, die es ohne sie nicht gegeben hätte. Sie hätten somit den Handel zwischen Mitgliedstaaten unmittelbar beeinflusst.

Vorbringen der Parteien

127 Die Klägerinnen machen geltend, daß die Verhaltensweisen, die nach Angabe der Kommission die Kunden beim Bezug von Gipskartonplatten gebunden hätten, nicht geeignet gewesen seien, den Handel zu beeinträchtigen, selbst wenn man ihr Vorliegen unterstelle. Allein der Handel zwischen dem Vereinigten Königreich, dem Königreich Spanien und Frankreich hätte beeinflusst werden können. Ein Grossteil der Geschäftspraktiken, die in der Entscheidung als Zuwiderhandlungen gegen Artikel 86 des Vertrages angesehen würden, sei vor dem Beitritt des Königreichs Spanien zur Gemeinschaft erfolgt. Was den Handel mit Frankreich anlange, so habe Lafarge sein geplantes Umsatzvolumen im Vereinigten Königreich erreicht und keine weiteren Kunden gesucht. Der Markt für Gipskartonplatten im Vereinigten Königreich und in Irland sei so strukturiert und geartet gewesen, daß das Verhalten von BG den internationalen Handel nicht habe beeinträchtigen können und auch tatsächlich nicht beeinträchtigt habe. Angesichts der Kosten des Seetransports von Gipskartonplatten und der Vorteile der Errichtung von Produktionsstätten in der Nähe des Verwendungsorts sei es wirtschaftlich nicht möglich, die Märkte in Großbritannien und Irland in grossem Umfang und auf längere Zeit aus dem Ausland zu versorgen, wie die Kommission im übrigen auch bei der Anhörung eingeräumt habe. Ausserdem bestehe auf dem Markt für Gipskartonplatten ein besonderes Bedürfnis nach Regelmässigkeit der Belieferung und nach dem Angebot einer umfangreichen Produktpalette, das von Lieferanten, die weder im Vereinigten Königreich noch in Irland Produktionsstätten besässen, nicht befriedigt werden könne. Im Hinblick insbesondere auf Nordirland bestreiten die Klägerinnen, daß die normalen Handelsströme zwischen Irland und Nordirland durch die behaupteten Verhaltensweisen von BG beeinflusst worden seien, und verweisen insoweit auf das Urteil des Gerichtshofes vom 31. Mai 1979 in der Rechtssache 22/78 (Hugin/Kommission, Slg. 1979, 1869).

128 Schließlich seien die nach Nordirland eingeführten Gipskartonplatten zu Schleuderpreisen verkauft worden, wie die von der Gemeinschaft getroffenen Antidumpingmaßnahmen gezeigt hätten. Bezueglich der Durchführung der BG-Politik der vorrangigen Gipsbelieferung führt BG aus, die Kommission habe unberücksichtigt gelassen, was ihr Marketingleiter, J. H. Garner, bei der Anhörung ausgesagt habe. Das theoretische Vorbringen der Kommission sei auf den Sachverhalt des vorliegenden Falles nicht sinnvoll anwendbar. Andere Konkurrenten als Iberian und Lafarge habe es nicht gegeben, und selbst diese seien nur in einem sehr beschränkten Sinn Konkurrenten gewesen. Redland und Knauf als echte Konkurrenten seien nicht am Zugang zum Markt des Vereinigten Königreichs gehindert worden. Ausserdem seien die spanischen Einfuhren nach Nordirland durch Ulster Partitions Ltd fortgeführt worden.

129 Die Kommission tritt der Behauptung der Klägerinnen entgegen, wonach das Verhalten von BG den Handel zwischen Mitgliedstaaten nicht habe beeinträchtigen können. Iberian und Lafarge hätten tatsächlich Gipskartonplatten eingeführt und ihre Importe seien nicht gering gewesen. Darüber hinaus habe nach den Maßnahmen von BG ein drittes Unternehmen mit der Einfuhr von Gipskartonplatten nach Nordirland begonnen, was zeige, daß dieses Geschäft wirtschaftlich tragfähig gewesen sei. Die Beseitigung des bestehenden innergemeinschaftlichen Handels habe zur Verstärkung einer monopolähnlichen Stellung in einem Mitgliedstaat geführt und sich damit auf die Wettbewerbsstruktur innerhalb der Gemeinschaft ausgewirkt. Es sei wichtig gewesen, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu schützen, um einen wirklichen Wettbewerb gegenüber BG zu ermöglichen und um womöglich der Gründung neuer Produktionsstätten in Großbritannien Vorschub zu leisten. Das mißbräuchliche Verhalten von BG, das darin bestanden habe, Kunden bei der Belieferung mit Gipskartonplatten an sich zu binden, und das durch Einfuhren aus Frankreich und Spanien ausgelöst worden sei, habe bedeutet, daß BG-Kunden keine eingeführten Gipskartonplatten aus anderen Mitgliedstaaten hätten kaufen können.

130 Zum Vorbringen von BG bezueglich der spanischen Einfuhren zu einem Zeitpunkt, als Spanien noch nicht Mitglied der Gemeinschaft gewesen sei, weist die Kommission darauf hin, daß sie dem bei der Festsetzung der Geldbusse Rechnung getragen habe.

131 Zur Lage in Nordirland vertritt die Kommission die Auffassung, daß sich die vorliegenden Umstände von denen in der Rechtssache Hugin/Kommission (a. a. O.) unterschieden, weil im vorliegenden Fall tatsächlich Handel mit Gipskartonplatten zwischen dem Vereinigten Königreich und Irland einerseits und anderen Mitgliedstaaten andererseits bestanden habe. Die Handelsströme, auf die sich BG beziehe, seien diejenigen, die ohne das mißbräuchliche Verhalten bestanden hätten. Diese Handelsströme hätten Einfuhren aus Spanien und Irland eingeschlossen. Das mißbräuchliche Verhalten sei daher geeignet gewesen, den Handel zwischen Mitgliedstaaten unmittelbar zu beeinträchtigen.

132 Zur Frage, ob die Gipskartonplatten aus Spanien nach Irland und Nordirland zum Marktpreis eingeführt worden seien, verweist die Kommission auf die Entscheidung. Die Tätigkeiten von Redland und Knauf bestätigten ihre Einschätzung; Redland habe schon vor der Errichtung einer Produktionsstätte in Großbritannien allein durch ihre Einfuhren einen Marktanteil von 5 % erlangt.

133 Die spanische Regierung hält das Vorbringen der Klägerinnen, daß die Geschäftspraktiken, die die Kommission als Verstoß gegen Artikel 86 des Vertrages betrachte, dem Beitritt des Königreichs Spanien zur Gemeinschaft vorausgegangen seien und daß die Tätigkeiten von BG den internationalen Handel nicht spürbar hätten beeinträchtigen können, für unzutreffend. Nach Artikel 1 der Entscheidung seien die betreffenden Verhaltensweisen bis August 1986 fortgeführt worden; zu diesem Zeitpunkt sei das Königreich Spanien bereits Mitglied der Gemeinschaft gewesen. Ferner sei EPYSA nicht als einziges Unternehmen geschädigt worden, sondern auch das französische Unternehmen Lafarge und das britische Unternehmen Iberian. Die Versuche, in Großbritannien und Irland in den Markt einzudringen, zeigten im übrigen, daß ein zwischenstaatlicher Handel möglich gewesen sei. Das Verhalten der Klägerinnen sei mithin geeignet gewesen, unmittelbar oder mittelbar, gegenwärtig oder zukünftig die Einfuhrströme zwischen Mitgliedstaaten zu beeinflussen und so die vom Vertrag gewollte gegenseitige wirtschaftliche Durchdringung zu beeinträchtigen.

Würdigung durch das Gericht

134 Zur Voraussetzung der Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten ist vorab darauf hinzuweisen, daß es für die Anwendbarkeit des Artikels 86 notwendig und ausreichend ist, wenn das mißbräuchliche Verhalten geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Es ist insoweit nicht erforderlich, das Vorliegen einer gegenwärtigen und tatsächlichen Auswirkung auf den zwischenstaatlichen Handel festzustellen. Die Voraussetzung der Beeinträchtigung des Handels ist nämlich als erfuellt anzusehen, wenn nachgewiesen ist, daß der innergemeinschaftliche Handel tatsächlich oder, zumindest potentiell, spürbar beeinträchtigt worden ist (vgl. insbesondere Urteil Michelin/Kommission des Gerichtshofes, a. a. O., Randnr. 104, und Urteil des Gerichtshofes vom 23. April 1991 in der Rechtssache C-41/90, Höfner und Elser, Slg. 1991, I-1979, Randnr. 32).

135 Im vorliegenden Fall wurde durch die streitigen Maßnahmen der aktuelle oder potentielle Handel zwischen Frankreich und Spanien einerseits und dem Vereinigten Königreich andererseits unmittelbar beeinträchtigt und damit der Markt des Vereinigten Königreichs abgeschottet. Die Handelsströme zwischen Irland und Nordirland wurden ebenfalls beeinträchtigt. Die bevorzugte Behandlung von Kunden, die nicht mit eingeführten Gipskartonplatten handelten, behinderte die Vermarktung eingeführter Gipskartonplatten im Vereinigten Königreich. Schließlich hatten die Verhaltensweisen auf der irischen Insel, wie die Kommission dargelegt hat, den Zweck, durch die Behinderung der Einfuhren die bestehenden Handelsstrukturen aufrechtzuerhalten, da alle in Nordirland vermarkteten Erzeugnisse aus Einfuhren von in Irland von GIL hergestellten Produkten stammten. Diese Verhaltensweisen führten daher zu anderen Handelsströmen, als es sie auf einem dem Wettbewerb offenstehenden Markt gegeben hätte.

136 Zum Vorbringen der Klägerinnen, daß es wirtschaftlich nicht möglich sei, das Gebiet des Vereinigten Königreichs in grossem Umfang und über längere Zeit zu beliefern, und daß die Voraussetzungen für einen Handel zwischen Mitgliedstaaten weder aktuell noch potentiell vorgelegen hätten, ist festzustellen, daß zur Zeit der beanstandeten Verhaltensweisen tatsächlich Einfuhren aus Spanien und Frankreich in das Gebiet des Vereinigten Königreichs stattgefunden haben. Nach der ° nicht bestrittenen ° Darstellung in den Randnummern 32 und 36 der Entscheidung erreichten diese Einfuhren 1985 bei Lafarge 3,3 Millionen m2 und bei Iberian 1,8 Millionen m2. Diese Einfuhren wurden durch die beanstandeten Maßnahmen unmittelbar beeinträchtigt. Es bedarf daher keiner Klärung der Frage, ob, wie die Klägerinnen behaupten, Lafarge ihre Absatzziele in Großbritannien als erreicht betrachtete und nicht darauf aus war, ihre Verkäufe dort auszuweiten.

137 Zum Vorbringen, daß die in Artikel 2 ° bezogen auf August 1985 ° und Artikel 3 der Entscheidung aufgeführten Verhaltensweisen dem Beitritt Spaniens zur Gemeinschaft vorausgegangen seien, ist zunächst darauf hinzuweisen, daß nach Ansicht des Gerichtshofes (Urteil vom 16. März 1974 in den Rechtssachen 6/73 und 7/73, Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents/Kommission, Slg. 1974, 223) der Umstand, daß die beanstandeten Verhaltensweisen den Handel mit einem oder mehreren Drittstaaten in Frage stellen, für sich allein die Möglichkeit nicht ausschließen kann, daß die Beeinträchtigung des Handels als Voraussetzung einer Anwendung der Artikel 85 oder 86 als erfuellt angesehen werden kann. Ausserdem haben die Maßnahmen von BG in Großbritannien im vorliegenden Fall nicht allein spanische Einfuhren beeinträchtigt, sondern auch die Vermarktung in Drittstaaten hergestellter Gipskartonplatten, die sich in anderen Mitgliedstaaten im freien Verkehr befanden, im Vereinigten Königreich erschwert.

138 Schließlich ist zu den in Artikel 1 der Entscheidung angeführten Verhaltensweisen festzustellen, daß sie zum Teil auf die Zeit nach dem 1. Januar 1986 entfallen, an dem das Königreich Spanien Mitglied der Gemeinschaft wurde, und daß die dort genannte Alleinbezugsverpflichtung ebenfalls geeignet war, einem Importeur den Zugang zum britischen Markt zu erschweren und daher zumindest potentiell die innergemeinschaftlichen Handelsströme zu beeinträchtigen. Angesichts der starken Stellung der Klägerinnen auf dem britischen und dem Weltmarkt muß diese Beeinträchtigung als hinreichend bedeutsam angesehen werden.

139 Nach alledem waren die Maßnahmen und Verhaltensweisen von BG geeignet, den innergemeinschaftlichen Handel tatsächlich oder potentiell in hinreichend bedeutsamer Weise zu beeinflussen. Der Klagegrund des fehlenden Einflusses der beanstandeten Verhaltensweisen auf diesen Handel ist daher zurückzuweisen.

Zu den die Zurechenbarkeit des Verstosses und die Höhe der Geldbussen betreffenden Anträgen

140 Wie vorstehend ausgeführt (Randnr. 10 dieses Urteils), wird in Artikel 4 der Entscheidung gegen BG eine Geldbusse von 3 Millionen ECU wegen der in Artikel 1 der Entscheidung genannten Alleinbezugsvereinbarungen und gegen BPB eine Geldbusse von 150 000 ECU wegen der in Artikel 3 genannten Verhaltensweisen in Irland und Nordirland festgesetzt. Keine Geldbusse wurde wegen der vorrangigen Gipslieferungen festgesetzt, die Gegenstand von Artikel 2 der Entscheidung sind. Die Klägerinnen treten sowohl der Festsetzung einer Geldbusse gegen BPB wegen der Verhaltensweisen in Irland als auch der Höhe der verhängten Geldbussen entgegen.

Zur Festsetzung einer Geldbusse gegen BPB

Angefochtene Handlung

141 In der Entscheidung (Randnr. 165) heisst es: "Nach Auffassung der Kommission sollte der Mißbrauch der marktbeherrschenden Stellung von BPB in Nordirland (die sich auf die gesamte irische Insel erstreckt) ebenfalls Gegenstand einer Geldbusse sein."

Vorbringen der Parteien

142 Die Klägerinnen sind der Auffassung, daß die Entscheidung, soweit sie sich auf die gegen BPB verhängte Geldbusse beziehe, wegen unzureichender Begründung für nichtig erklärt werden müsse. Es gebe keinen Grund, BPB für die Verhaltensweisen von BG in Nordirland verantwortlich zu machen. Die Entscheidung enthalte insoweit keinerlei Begründung. Die Randnummern 87 bis 103, in denen die Ereignisse in Nordirland dargestellt seien, und die Randnummern 141 bis 152, in denen die rechtlichen Schlußfolgerungen untersucht würden, die die Kommission aus ihnen ziehe, bezögen sich im Gegenteil ausschließlich auf Handlungen von BG. Die einzigen ° und im übrigen falschen ° Hinweise auf BPB in der Entscheidung seien die Routineberichte des geschäftsführenden Vorstands von BPB. Aus diesen Berichten gehe aber hervor, daß BPB erst nachträglich und ganz allgemein informiert worden sei und an der Ausführung der in diesen Berichten erwähnten Verhaltensweisen nicht mitgewirkt habe. Daher sei kein Grund ersichtlich, der die Festsetzung einer Geldbusse gegen BPB rechtfertige.

143 Die Entscheidung beziehe sich nur darauf, was in Nordirland, und nicht darauf, was auf der ganzen irischen Insel geschehen sei; es sei unerheblich, daß die Gipskartonplatten in Irland von GIL ° einem anderen Konzernunternehmen ° hergestellt worden seien. Entscheidend sei der Verkauf der Gipskartonplatten durch BG. Das System der Preisnachlässe in Nordirland sei von BG und nicht von BPB durchgeführt worden. BG tätige ihre Geschäfte aber völlig eigenständig.

144 In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen dargelegt, die Entscheidung müsse deshalb für nichtig erklärt werden, weil für die Zurechnung der Verantwortung für den Mißbrauch der beherrschenden Stellung in Nordirland auf BPB statt auf BG jede Begründung fehle. Erst in ihren Schriftsätzen an das Gericht habe die Kommission die Gründe hierfür erläutert. Die Muttergesellschaft für die Tätigkeiten ihrer Tochtergesellschaft haftbar zu machen, nur weil sie von deren Tätigkeiten unterrichtet gewesen sei, entbehre jeder Grundlage. Im Gegensatz zu dem Sachverhalt, der dem Urteil des Gerichtshofes vom 25. Oktober 1983 in der Rechtssache 107/82 (AEG/Kommission, Slg. 1983, 3151) zugrunde gelegen habe, sei die im vorliegenden Fall von den Tochtergesellschaften von BPB verfolgte Handelspolitik nicht von der Muttergesellschaft festgelegt worden. Wenn die Argumentation der Kommission richtig sei, dann sei es unverständlich, wieso die Geldbussen für die Handlungen von BG in Großbritannien nicht gegen BPB festgesetzt worden seien.

145 Nach Auffassung der Kommission ist die Behauptung von BPB, es gebe keinen vernünftigen Grund, ihr die Handlungen ihrer Tochtergesellschaft BG auf dem Markt von Nordirland zuzurechnen, zurückzuweisen. BPB habe in Irland eine beherrschende Stellung auf dem Markt für Gipskartonplatten, die sie durch die Verhaltensweisen ihrer hundertprozentigen Tochtergesellschaft BG mißbraucht habe. BPB und BG müssten daher bezueglich der Verhaltensweisen in Nordirland als ein und dasselbe Unternehmen angesehen werden. Der geschäftsführende Vorstand von BPB sei ständig über die von BG in Nordirland zur Bekämpfung der Importe getroffenen Maßnahmen auf dem laufenden gehalten worden.

146 Auf Fragen des Gerichts hat die Kommission ausgeführt, BG sei zwar für die auf dem britischen Markt festgestellten Verhaltensweisen der richtige Adressat der Entscheidung gewesen, nicht aber für die Verhaltensweisen auf dem irischen Markt. Dort habe nämlich die Existenz zweier Tochtergesellschaften von BPB berücksichtigt werden müssen, die sich als Holdinggesellschaft unmittelbar um den irischen Markt gekümmert habe, wie den Randnummern 90, 97 und 102 der Entscheidung zu entnehmen sei. Die Kommission sei daher davon ausgegangen, daß die Muttergesellschaft für diesen Markt selbst Adressat der Entscheidung sein müsse.

147 Die spanische Regierung legt dar, BG sei eine hundertprozentige Tochtergesellschaft von BPB und sei daher für die Handlungen von BG in Nordirland verantwortlich. Der Umstand, daß die Tochtergesellschaft eigene Rechtspersönlichkeit besitze, schließe noch nicht aus, daß ihr Verhalten der Muttergesellschaft zugerechnet werden könne (Urteil des Gerichtshofes vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 48/69, ICI/Kommission, Slg. 1972, 619). Das Verhalten von BG und BPB sei durch einheitliches Tätigwerden gekennzeichnet gewesen, so daß die beiden Unternehmen als eine wirtschaftliche Einheit betrachtet werden müssten. Die beanstandete Verhaltensweise müsse ihnen daher gemeinsam zugerechnet werden.

Würdigung durch das Gericht

148 Bei der Prüfung der Rechtmässigkeit der Entscheidung, soweit darin BPB die Verantwortung für das Verhalten von BG auf dem irischen Markt auferlegt wird, hat das Gericht festzustellen, ob das Vorbringen der Kommission zutrifft, daß sie die Zurechnung des Verhaltens von BG auf diesem Markt auf BPB in der Entscheidung hinreichend begründet habe.

149 Das Verhalten einer Tochtergesellschaft kann der Muttergesellschaft zugerechnet werden, wenn die Tochtergesellschaft ihr Vorgehen auf dem Markt nicht autonom bestimmt, sondern im wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt (Urteil ICI/Kommission, a. a. O., Randnr. 133). Eine hundertprozentige Tochtergesellschaft befolgt grundsätzlich zwangsläufig die von der Muttergesellschaft festgelegte Politik (Urteil AEG/Kommission, a. a. O., Randnr. 50).

150 Im vorliegenden Fall ist BPB eine Holdinggesellschaft, die in Großbritannien durch die von ihr zu 100 % beherrschte BG tätig wird. In Großbritannien vertreibt BG die von ihr hergestellten Erzeugnisse selbst. In Irland werden Gipserzeugnisse von GIL, einer weiteren hundertprozentigen Tochtergesellschaft von BPB, hergestellt. In Nordirland werden die Erzeugnisse des Konzerns von BG verkauft. Auch wenn zum maßgeblichen Zeitpunkt ein geringer Teil dieser Erzeugnisse aus der Produktion von BG selbst stammte, handelte es sich im wesentlichen um Einfuhren von BG aus Irland, die die betreffenden Erzeugnisse bei GIL kaufte.

151 Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß anders als beim britischen Markt die ° im übrigen unbestrittene ° beherrschende Stellung von BPB auf dem Markt der gesamten irischen Insel auf zwei Tochtergesellschaften beruht, von denen die eine in Nordirland für den Vertrieb der Erzeugnisse sorgt, die die andere herstellt, während diese sowohl die Produktion als auch den Vertrieb ihrer eigenen Erzeugnisse in Irland übernimmt. Demnach können anders als beim britischen Markt weder die beherrschende Stellung noch deren Mißbrauch auf dem Markt der gesamten irischen Insel speziell der einen oder der anderen BPB-Tochtergesellschaft zugerechnet werden, vor allem weil der gesamte BPB-Konzern von den Verhaltensweisen von BG in Nordirland profitierte, da die Tochtergesellschaft GIL ihre Gipskartonplattenlieferungen an die andere Tochtergesellschaft BG in einem Umfang erhöhte, der unmittelbar von der Wirksamkeit der mißbräuchlichen Verhaltensweise der letztgenannten in Nordirland abhängig war.

152 In diesem Zusammenhang ist ferner darauf hinzuweisen, daß, wie auch die in der mündlichen Verhandlung erfolgten Klarstellungen bestätigen, BPB und BG eine wirtschaftliche Einheit bilden und daß, wie die Randnummern 90, 97 und 102 der Entscheidung zeigen, sich der geschäftsführende Vorstand von BPB regelmässig über die Verhaltensweisen der Tochtergesellschaften auf dem irischen Markt informierte, während die Entscheidung keinen Hinweis auf ein solches Interesse bezueglich des britischen Marktes enthält.

153 Angesichts der söben dargestellten Besonderheiten, die im übrigen durch die streitigen Geschäftspraktiken aufrechterhalten werden sollten, können sich die Klägerinnen nicht darauf berufen, daß die Kommission unter den vorliegenden Umständen BPB zu Unrecht die Verhaltensweisen von BG in Nordirland zugerechnet und ihr deshalb die streitige Geldbusse auferlegt habe. An diesem Ergebnis kann weder die geschäftliche Autonomie von BG noch ° aus den oben genannten Gründen (siehe Randnrn. 151 und 152) ° die Tatsache etwas ändern, daß im Falle des britischen Marktes anders verfahren wurde und die mißbräuchlichen Verhaltensweisen als Zuwiderhandlung von BG behandelt wurden.

154 Zu dem Vorbringen, die Kommission habe in der Begründung der Entscheidung nicht den Grund dafür dargelegt, daß die Geldbussen für die Verhaltensweisen von BG auf dem britischen Markt nicht gegen BPB festgesetzt worden seien, ist zu sagen, daß die Kommission diese Geldbussen zwar auch der Muttergesellschaft hätte auferlegen können, da BPB und BG eine wirtschaftliche Einheit bilden, daß aber die Entscheidung die Besonderheiten von jedem der beiden Märkte rechtlich hinreichend darlegt, so daß die gewählte Lösung in beiden Fällen gerechtfertigt ist. Insoweit konnte die Kommission in rechtlich zulässiger Weise und ohne gegen Artikel 190 EWG-Vertrag zu verstossen im Verlauf des Rechtsstreits und insbesondere bei der Beantwortung schriftlicher und mündlicher Fragen des Gerichts klarstellen, auf welche Tatsachen sich die Begründung der Entscheidung stützt. Auf jeden Fall hat die angeblich unzureichende Begründung im vorliegenden Fall weder die Klägerinnen an der Darlegung ihrer Standpunkte gehindert noch das Gericht bei der Ausübung seiner Rechtmässigkeitskontrolle behindert.

155 Demnach ist der Klagegrund, wonach die Kommission wegen der Verhaltensweisen von BG in Nordirland zu Unrecht eine Geldbusse gegen BPB verhängt habe, zurückzuweisen.

Zur Höhe der festgesetzten Geldbussen

Angefochtene Handlung

156 Die Erwägungen, die die Kommission bei der Festlegung der Höhe der gegen BG und BPB verhängten Geldbussen angestellt hat, sind in den Randnummern 162 bis 174 der Entscheidung enthalten. Nach der Entscheidung stellt das System, mit dem BG bestimmte Händler in Großbritannien an sich band, einen schwerwiegenden Mißbrauch ihrer beherrschenden Stellung dar, insbesondere weil die meisten Zahlungen nach dem gleichen Schema, das BG grossen Kunden von Iberian angeboten habe, und als Gegenleistung für eine Alleinbezugsvereinbarung erfolgt seien.

157 Laut der Entscheidung sind diese Mißbräuche vorsätzlich begangen worden. In Großbritannien habe BG mit den von ihr getroffenen Maßnahmen bewusst darauf hingearbeitet, Kunden an sich zu binden. Das Vorgehen von BG in Nordirland sei eigens darauf abgestellt gewesen, die Einfuhren einer Gruppe von Händlern zu unterbinden und angesichts der Konkurrenz durch Einfuhren Händler an sich zu binden (Randnr. 170). Bei der Festsetzung der Geldbusse hat die Kommission berücksichtigt, daß die Alleinbezugsvereinbarungen vor dem Beitritt des Königreichs Spanien zur Gemeinschaft eingeführt und nach dem Beitritt dieses Mitgliedstaats nur noch sieben Monate beibehalten wurden (Randnr. 173).

158 Nach der Entscheidung sollte der in Nordirland erfolgte Mißbrauch der marktbeherrschenden Stellung von BPB auf der gesamten irischen Insel ebenfalls Gegenstand einer Geldbusse sein (Randnr. 165).

Vorbringen der Parteien

159 Zur Vorsätzlichkeit der Verhaltensweisen vertreten die Klägerinnen die Auffassung, die behaupteten Mißbräuche seien weder speziell auf eine Bindung der Kunden an BG noch auf eine Beendigung der Einfuhren nach Nordirland gerichtet gewesen. Ferner sei BPB in keiner Weise an der Lieferung von Gipskartonplatten in Irland und Nordirland beteiligt gewesen. Ihre Kenntnis von den Maßnahmen von BG in Nordirland habe sich auf Andeutungen in Routineberichten von BG an den geschäftsführenden Vorstand von BPB beschränkt. In ihrer Erwiderung haben die Klägerinnen der Klarheit halber bestätigt, daß sie hilfsweise eine Herabsetzung der Geldbussen beantragten.

160 Die Kommission weist vorab darauf hin, daß die Klägerinnen in ihrer Klageschrift nicht ausdrücklich die Herabsetzung der Geldbusse beantragt hätten. Für sie besteht hinsichtlich der Frage, ob die beanstandeten Maßnahmen vorsätzlich durchgeführt worden seien, kein Zweifel daran, daß die Alleinbezugsvereinbarungen in Großbritannien und die Maßnahmen zur Abwehr der Einfuhren vorsätzlich getroffen worden seien. Sie erinnert zugleich daran, daß wegen der vorrangigen Gipsbelieferung keine Geldbusse verhängt worden sei.

161 Auf Fragen des Gerichts hat die Kommission dargelegt, daß im verfügenden Teil der Entscheidung der Umstand berücksichtigt worden sei, daß die Zuwiderhandlung von BG viel länger gedauert habe als die Zuwiderhandlung, deren sich BPB schuldig gemacht habe. Darüber hinaus hätten die Verhaltensweisen auf dem Markt von Nordirland nur beschränkte Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Handel gehabt. Ferner habe die Zuwiderhandlung von BG den britischen Markt und damit einen weit grösseren als den irischen Markt betroffen.

Würdigung durch das Gericht

162 Vorab ist festzustellen, daß die Klägerinnen in ihrer Klageschrift zwar nicht ausdrücklich vorgebracht haben, daß ihre Anträge auf Nichtigerklärung der Entscheidung so zu verstehen seien, daß mit ihnen hilfsweise die Herabsetzung der festgesetzten Geldbussen begehrt werde. Sie haben jedoch in ihrer Klageschrift ausgeführt, daß "die festgesetzten Geldbussen überhöht sind". Die Anträge auf Nichtigerklärung der Entscheidung durch das Gericht sind daher unter den gegebenen Umständen dahin zu verstehen, daß sie auch auf Herabsetzung der festgesetzten Geldbussen gerichtet sind. Das Vorbringen der Kommission, die Klägerinnen hätten die Herabsetzung der Geldbussen nicht ausdrücklich beantragt, ist daher zurückzuweisen.

163 Gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 kann die Kommission eine Geldbusse nur wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger Verstösse gegen Artikel 86 des Vertrages festsetzen.

164 Aus den gesamten vorstehenden Feststellungen des Gerichts ergibt sich, daß in der Entscheidung rechtlich der Beweis gelungen ist, daß BG zwischen Juli 1985 und August 1986 dadurch gegen Artikel 86 des Vertrages verstossen hat, daß sie ihre beherrschende Stellung auf dem britischen Markt für Gipskartonplatten mißbräuchlich ausgenutzt hat, und daß BPB dadurch gegen Artikel 86 des Vertragees verstossen hat, daß sie über ihre Tochtergesellschaft BG ihre beherrschende Stellung auf dem irischen Markt für Gipskartonplatten mißbräuchlich ausgenutzt hat.

165 Hinsichtlich der Frage, ob diese Verstösse vorsätzlich oder fahrlässig begangen worden sind, ist auf die ständige Rechtsprechung hinzuweisen (vgl. u. a. Urteil des Gerichtshofes vom 8. Februar 1990 in der Rechtssache C-279/87, Tipp-Ex/Kommission, Slg. 1990, I-261), nach der die Einstufung eines Verstosses als vorsätzlich nicht voraussetzt, daß sich das Unternehmen des Verstosses gegen ein durch die für Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln des Vertrages festgelegtes Verbot bewusst gewesen ist; es genügt vielmehr, daß es sich nicht in Unkenntnis darüber befinden konnte, daß das ihm zur Last gelegte Verhalten eine Verfälschung des Wettbewerbs auf dem Gemeinsamen Markt bezweckte oder bewirken konnte.

166 Schon aus dem Wesen der in der Entscheidung angeführten Verhaltensweisen, für die ja gerade die Verpflichtung kennzeichnend war, nicht mit anderen als den von den Klägerinnen hergestellten Gipskartonplatten zu handeln, ergibt sich, daß sich die Klägerinnen nicht in Unkenntnis darüber befinden konnten, daß derartige Verhaltensweisen gegen Artikel 86 des Vertrages verstießen. Solche Verhaltensweisen sind daher im Rahmen der Anwendung der Verordnung Nr. 17 als vorsätzlich einzustufen.

167 Aus den vorstehenden Erwägungen (siehe Randnrn. 151 bis 156) ergibt sich ferner, daß BPB entgegen der anderslautenden Behauptung der Klägerinnen sehr wohl an den beanstandeten Verhaltensweisen in Nordirland beteiligt war, über die sie regelmässig informiert wurde und die auf Sitzungen ihres geschäftsführenden Vorstands behandelt wurden.

168 Die Klägerinnen beantragen für den Fall, daß die festgesetzten Geldbussen nicht aufgehoben werden, ihre Herabsetzung. Aus den Gründen der Entscheidung und den weiteren Einzelheiten, die in der mündlichen Verhandlung zutage getreten sind, ergibt sich insoweit, daß die Kommission die Schwere und die Dauer der Mißbräuche, den Gesamtumsatz der Unternehmen, die jeweilige Grösse der betroffenen Märkte, den Umstand, daß das Königreich Spanien noch nicht Mitglied der Gemeinschaft war, als das System der Zahlungen zur Absatzförderung und das in Nordirland angewandte Rabattsystem geschaffen wurden, und schließlich die Tatsache berücksichtigt hat, daß das System der Zahlungen zur Absatzförderung nach dem Beitritt des Königreichs Spanien zur Gemeinschaft nur noch sieben Monate beibehalten wurde. Die Kommission hat daher hinreichend dargetan, daß die verhängten Sanktionen den begangenen Verstössen angemessen waren, so daß auch die Anträge auf Herabsetzung der Geldbussen zurückzuweisen sind. Die teilweise Nichtigerklärung des Artikels 2 der Entscheidung schließlich betrifft einen Vorwurf, in bezug auf den keine Geldbusse festgesetzt worden ist.

169 Nach alledem sind die festgesetzten Geldbussen grundsätzlich und der Höhe nach gerechtfertigt und die zur Zahlung Verpflichteten zutreffend bestimmt worden. Die Anträge der Klägerinnen auf Nichtigerklärung oder Abänderung des Artikels 4 der Entscheidung sind daher zurückzuweisen.

170 Demnach ist Artikel 2 des verfügenden Teils der Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit er sich auf Juli 1985 bezieht, und die Klage ist im übrigen abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

171 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission beantragt hat, die Klägerinnen zur Tragung der Kosten zu verurteilen, sind ihnen angesichts der Umstände des vorliegenden Falles die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferin Iberian aufzuerlegen.

172 Gemäß Artikel 87 § 4 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Das Königreich Spanien hat daher seine eigenen Kosten zu tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Artikel 2 der Entscheidung 89/22/EWG der Kommission vom 5. Dezember 1988 betreffend ein Verfahren nach Artikel 86 EWG-Vertrag (IV/31.900, BPB Industries Plc) wird für nichtig erklärt, soweit er sich auf Juli 1985 bezieht.

2) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3) Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferin Iberian.

4) Das Königreich Spanien trägt seine eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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