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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 09.07.1992
Aktenzeichen: T-66/89
Rechtsgebiete: EWG


Vorschriften:

EWG Art. 85 Abs. 1
EWG Art. 85 Abs. 3
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Der Umfang eines Rechtsstreits über die Vereinbarkeit einer Reihe von angemeldeten Vereinbarungen mit den Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrags wird nicht dadurch geändert, daß während des Verfahrens der Verzicht auf die Anwendung eines Teils dieser Vereinbarungen erklärt wird, wenn dieser Verzicht der Kommission nicht mitgeteilt und seine tatsächliche Durchführung nicht nachgewiesen worden ist.

2. Eine Vereinbarung, ein Beschluß von Unternehmensvereinigungen oder ein abgestimmtes Verhalten können den Handel zwischen Mitgliedstaaten nur dann im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag beeinträchtigen, wenn sich anhand einer Gesamtheit objektiver rechtlicher oder tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen lässt, daß sie den Warenverkehr zwischen Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell in einem der Erreichung der Ziele eines einheitlichen zwischenstaatlichen Marktes nachteiligen Sinne beeinflussen können.

Ein auf das Gebiet eines einzigen Mitgliedstaats beschränktes wettbewerbswidriges Verhalten kann Auswirkungen auf die Handelsströme und den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes haben.

3. Wie sich aus den Artikeln 6 und 19 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 in Verbindung mit den Artikeln 2 und 4 der Verordnung Nr. 99/63 ergibt, besteht die Verpflichtung der Kommission, die von ihr gegenüber den beteiligten Unternehmen und Unternehmensvereinigungen geltend gemachten Beschwerdepunkte mitzuteilen und in ihren Entscheidungen nur die Beschwerdepunkte in Betracht zu ziehen, zu denen sich die Betroffenen äussern konnten, auch im Falle einer Entscheidung, mit der eine Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag verweigert wird. Allerdings bezieht sich diese Verpflichtung im wesentlichen auf die Angabe der Gründe, die die Kommission zur Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 veranlassen, sei es, daß sie anordnet, eine Zuwiderhandlung abzustellen, oder den Unternehmen eine Geldbusse auferlegt, sei es, daß sie ihnen ein Negativattest oder die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 verweigert.

4. In der Mitteilung der Beschwerdepunkte, die die Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sicherstellen soll, müssen klar, und sei es auch in gedrängter Form, die wesentlichen Tatsachen angeführt werden, auf die sich die Kommission in diesem Verfahrensstadium stützt. Gleichwohl braucht die spätere Entscheidung nicht notwendig ein Abbild der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu sein.

5. Im Falle eines Antrags auf Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag ist es Sache des antragstellenden Unternehmens, zu beweisen, daß es jede der vier in dieser Bestimmung aufgestellten Voraussetzungen erfuellt. Wegen des kumulativen Charakters dieser Voraussetzungen kann die Kommission jederzeit und bis zum Erlaß der Entscheidung feststellen, daß irgendeine dieser Voraussetzungen nicht erfuellt ist.

6. Im Falle eines Antrags auf Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag ist es in erster Linie Sache der betroffenen Unternehmen, der Kommission Beweismaterial für die wirtschaftliche Rechtfertigung einer Freistellung vorzulegen und ihr, wenn sie Einwände erhebt, Alternativen zu unterbreiten. Die Kommission kann ihrerseits zwar den Unternehmen Hinweise für mögliche Alternativlösungen geben, sie ist jedoch von Rechts wegen nicht verpflichtet, dies zu tun oder gar Vorschläge anzunehmen, die sie für unvereinbar mit den Voraussetzungen des Artikels 85 Absatz 3 hält.

7. Die Kommission hat zwar gemäß Artikel 190 EWG-Vertrag die tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte sowie die Erwägungen aufzuführen, die sie zum Erlaß einer Wettbewerbsentscheidung veranlasst haben, sie braucht jedoch nicht auf alle tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte einzugehen, die die Beteiligten im Verwaltungsverfahren angesprochen haben. Die Begründung einer beschwerenden Entscheidung muß es dem Gemeinschaftsrichter ermöglichen, deren Rechtmässigkeit zu überprüfen, und dem Betroffenen die nötigen Hinweise geben, aus denen er erkennen kann, ob die Entscheidung materiell rechtmässig ist oder nicht.

8. Nationale Rechtsprechungspraktiken können, selbst wenn sie allen Mitgliedstaaten gemeinsam wären, der Anwendung der Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrags nicht vorgehen.

9. Beruht die Weigerung, für ein System der Buchpreisbindung eine Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag zu gewähren, nicht auf dem Umstand, daß die Voraussetzung der Förderung des technischen ör wirtschaftlichen Fortschritts nicht erfuellt ist, so braucht das Gericht, das über die Rechtmässigkeit dieser Weigerung zu befinden hat, nicht zu prüfen, ob eventuell nachgewiesene Vorteile dieses Systems auf innerstaatlicher Ebene sich auch auf den innergemeinschaftlichen Handel erstrecken.

10. Nach Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag kann für ein Preisbindungssystem, das den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes beschränkt, eine Freistellung nicht mit der Begründung gewährt werden, daß es fortbestehen müsse, um seine positiven Wirkungen auf einem Inlandsmarkt zu entfalten. Eine derartige Situation würde schon als solche zu einer Aufteilung des Gemeinsamen Marktes führen und wäre daher geeignet, der vom Vertrag gewollten wirtschaftlichen Durchdringung entgegenzuwirken.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (ZWEITE KAMMER) VOM 9. JULI 1992. - PUBLISHERS ASSOCIATION GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - WETTBEWERB - PREISBINDUNGSSYSTEM FUER BUECHER - MITTEILUNG DER BESCHWERDEPUNKTE - VERSTOSS GEGEN ARTIKEL 85 ABSATZ 1 - ABLEHNUNG EINES ANTRAGS AUF FREISTELLUNG GEMAESS ARTIKEL 85 ABSATZ 3 - NICHTFREISTELLBARKEIT VON WETTBEWERBSEINSCHRAENKUNGEN. - RECHTSSACHE T-66/89.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

Gegenstand des Rechtsstreits

1 Die vorliegende Rechtssache betrifft eine Entscheidung der Kommission, mit der im Rahmen eines Verfahrens nach Artikel 85 EWG-Vertrag zum einen festgestellt wurde, daß eine Reihe von Vereinbarungen und damit zusammenhängenden Regelungen einen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 darstellten, und zum anderen ein Antrag auf Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 zurückgewiesen wurde.

2 Die angefochtene Entscheidung bezieht sich auf zwei Vereinbarungen, die im Rahmen der Klägerin geschlossen wurden, die die Mehrheit (70 bis 80 %) der im Vereinigten Königreich niedergelassenen Verleger vertritt. Die an der ersten dieser beiden Vereinbarungen beteiligten Verleger sind Mitglieder der Klägerin, die an der zweiten Vereinbarung beteiligten nicht. Nach Angaben der Klägerin sind ihre Mitglieder nicht verpflichtet, der Vereinbarung beizutreten.

3 Die Vereinbarung zwischen den Mitgliedern der Klägerin und die Vereinbarung zwischen Nichtmitgliedern enthalten im wesentlichen dieselben Bestimmungen. Der einzige Unterschied zwischen ihnen betrifft das jeweils zur Durchsetzung der Vereinbarung vorgesehene Verfahren.

Der Inhalt der Vereinbarungen "Net Book Agreements"

4 Die 1957 unter der Bezeichnung "Net Book Agreements" (im folgenden: NBA) geschlossenen Vereinbarungen sehen einheitliche Standardbedingungen für den Verkauf von Büchern mit gebundenem Preis, sogenannten "net books", vor. Nach diesen Standardverkaufsbedingungen ist es grundsätzlich untersagt, ein Buch mit gebundenem Preis zu einem niedrigeren als dem vom Verleger vorgeschriebenen Preis zu verkaufen oder zum Verkauf anzubieten oder zu erlauben, daß ein solches Buch zu einem solchen Preis verkauft wird. Die Ausnahmen von diesem Verbot (Bücher vom Lager oder aus zweiter Hand) sind in den Standardverkaufsbedingungen ausdrücklich geregelt, die es unter anderem zulassen, ein Buch mit gebundenem Preis mit einem Nachlaß an Bibliotheken, nichtgewerbliche Buchhändler (book agents) und Grossabnehmer zu verkaufen, wenn diese über eine entsprechende, vorher von der Klägerin erteilte Erlaubnis verfügen. Die Höhe und die Einzelheiten der Gewährung des Nachlasses werden in dieser Erlaubnis festgelegt.

5 Diese Bedingungen gelten für alle Verkäufe, die im Vereinigten Königreich oder in Irland von einem Grossisten oder einem Einzelhändler getätigt werden, wenn der Verleger, der das betreffende Buch veröffentlicht oder vertreibt, beschließt, dieses Buch zu einem gebundenen Einzelhandelspreis in den Verkehr zu bringen. Dagegen gelten die Standardverkaufsbedingungen nicht für Direktverkäufe eines Verlegers an einen nichtgewerblichen Kunden.

6 Die Vereinbarungen sehen ferner ein Verfahren zu ihrer Durchführung vor. Die beteiligten Unternehmen haben den Rat der Klägerin als Bevollmächtigten benannt, der die Informationen über Vertragsbrüche von Buchhändlern und allgemein jede Verletzung der für "net books" geltenden Vertriebsbedingungen sammelt. Die Parteien verpflichten sich, wenn der Rat sie hierzu auffordert, ihre vertraglichen Rechte und ihre Rechte nach dem Restrictive Trade Practices Act 1956 und dem Resale Prices Act 1976 (siehe unten) geltend zu machen, sofern die Klägerin ihnen die dadurch entstehenden Kosten erstattet. Das Verfahren nach der Vereinbarung zwischen Nichtmitgliedern der Klägerin weist insofern einen Unterschied auf, als es eine Kostenerstattung durch die Klägerin im Falle der Verfolgung von Verstössen nicht vorsieht.

7 Gemäß der Klausel iv der Vereinbarungen erließ der Rat der Klägerin eine Regelung in Form von Standardbedingungen, die es den Buchhändlern gestattet, Bibliotheken, nichtgewerblichen Buchhändlern (book agents) und Grossabnehmern Nachlässe zu gewähren. Die Erlaubnis wird den Bibliotheken, nichtgewerblichen Buchhändlern oder Grossabnehmern jeweils einzeln erteilt.

8 Bibliotheken wird die Erlaubnis unter zwei gleichzeitig zu erfuellenden Bedingungen gewährt: kostenloser Zugang der Öffentlichkeit zu der Bibliothek und eine jährliche Bestellung von Büchern mit gebundenem Preis im Werte von über 100 UKL. Der Nachlaß darf 10 % nicht übersteigen, und die Bibliothek darf Bücher, auf deren Preis ihr ein Nachlaß gewährt worden ist, nicht weiterverkaufen.

9 Als nichtgewerbliche Buchhändler gelten Händler, deren Haupttätigkeit nicht der Verkauf von Büchern ist, wie etwa Schuldirektoren. Der einem nichtgewerblichen Händler gewährte Nachlaß darf 50 % des Einzelhandelsnachlasses nicht überschreiten, den der Verleger dem Buchhändler gewährt. Der nichtgewerbliche Buchhändler selbst ist verpflichtet, die betreffenden Bücher zum gebundenen Preis zu verkaufen.

10 Die Erlaubnis, einen Mengenrabatt zu gewähren, gilt nur für eine einzige Bestellung. Der erlaubte Nachlaß hängt vom Wert der Bestellung ab und liegt zwischen 5 und 10 %. Die Bücher dürfen vom Käufer nicht verkauft und für sie darf keinerlei Gegenleistung gewährt werden, sondern sie müssen für eine Spende, die im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Käufers steht, oder für philanthropische Zwecke bestimmt sein.

11 Im Zusammenhang mit der Durchführung der Vereinbarungen veröffentlichte die Klägerin eine "Code of Allowances" genannte Regelung über den Verkauf neuer, durchgesehener und verbesserter oder preisgünstiger Ausgaben von Büchern mit gebundenem Preis oder Remittenden. Ferner erließ die Klägerin Regelungen für Buchklubs und Regeln für den landesweiten jährlichen Ausverkauf von Büchern.

12 Der von der Klägerin in der Form eines Memorandums veröffentlichte "Code of Allowances" spiegelt die allgemeine Handelspraxis im Bereich der Nachlässe auf Bücher mit gebundenem Preis wieder. Nachlässe, Neuausgaben, preisgünstige Ausgaben und Remittenden sind gewöhnlich Gegenstand einer vorherigen Bekanntmachung des Verlegers in der Fachpresse. Nachlässe oder andere Vergünstigungen ° finanzieller Art oder in Form von Sachleistungen ° werden häufig nach Maßgabe der Lagerzeit gewährt. Der Code gilt nur für den Inlandsmarkt.

13 Die für Buchklubs bestimmten Ausgaben unterliegen besonderen Regeln ("Book Club Regulations"), die für Geschäfte der Buchklubs im Gebiet des Vereinigten Königreichs gelten. Danach können die Verleger Sonderrechte nur den Buchklubs gewähren, die bei der Klägerin nach Unterzeichnung und Anerkennung dieser Regelung registriert worden sind. Die Regelung enthält unter anderem Bestimmungen über die Mitgliedschaft in den Buchklubs, legt die Bedingungen fest, zu denen die Buchklubs Bücher anbieten und verkaufen dürfen, und sieht bestimmte Beschränkungen für die Werbung vor. Überschüssige Restauflagen dürfen von einem Buchklub nur mit Zustimmung des Verlegers, der die Lizenz erteilt hat, verbilligt verkauft werden. Nach Angaben der Klägerin gilt die Regelung für Buchklubs ausschließlich für das Vereinigte Königreich.

14 Seit 1955 gestattet die Klägerin die Abhaltung eines landesweiten jährlichen Ausverkaufs von Büchern. Dies gibt den Buchhändlern und den Verlegern in den von der Klägerin gezogenen Grenzen und zu den von ihr festgelegten Bedingungen Gelegenheit, schwer absetzbare Bücher unter dem gebundenen Preis zu verkaufen und so die Ergänzung des Lagers zu finanzieren.

15 Schließlich gibt die Klägerin ein Buchhändlerjahrbuch ("Directory of Booksellers") heraus, das alle zwei Monate auf den neuesten Stand gebracht wird und in dem die Buchhändler aufgeführt sind, die bestimmten Anforderungen genügen und sich verpflichtet haben, die Standardbedingungen für den Verkauf von Büchern mit gebundenem Preis einzuhalten.

16 Keine dieser Vereinbarungen sieht Sanktionen für den Fall vor, daß Unternehmen, die diese Vereinbarungen unterzeichnet haben, deren Bestimmungen nicht einhalten. Die Einhaltung der Standardverkaufsbedingungen durch die Buchhändler wird gegebenenfalls mittels richterlicher Anordnung erreicht. Der Erlaß einer solchen Maßnahme setzt in Irland und im Vereinigten Königreich im allgemeinen voraus, daß der Verleger eine vertragliche Beziehung zum Buchhändler nachweist. Im Vereinigten Königreich kann sich der Verleger jedoch auch auf Section 26 des Resale Prices Act 1976 berufen, die es ihm erlaubt, die Einhaltung von Bedingungen hinsichtlich eines Wiederverkaufspreises durchzusetzen, ohne daß er eine vertragliche Beziehung nachweist, sofern diese Bedingungen dem betreffenden Buchhändler beim Kauf des fraglichen Buches zur Kenntnis gebracht worden sind.

Unstreitige statistische Angaben

17 Wie sich aus den von der Klägerin nicht bestrittenen Zahlen in der angefochtenen Entscheidung ergibt, gehört die britische Verlagsindustrie zu den grössten weltweit und in der Gemeinschaft. Jährlich werden etwa 40 000 neue Bücher veröffentlicht, von denen 80 % von den Mitgliedern der Klägerin herausgegeben werden. Etwa 65 % der britischen Buchproduktion werden auf dem britischen Markt verkauft, der Rest wird ausgeführt. Etwa 25 % der Ausfuhren gehen in andere Mitgliedstaaten, 4,5 % nach Irland. Etwa 80 % der Einfuhren nach Irland stammen aus dem Vereinigten Königreich; diese Einfuhren stellen mehr als 50 % der gesamten Buchverkäufe dar.

18 Unstreitig ist auch, daß etwa 75 % der Bücher, die im Vereinigten Königreich verkauft oder von britischen Verlagen nach Irland ausgeführt werden, als Bücher mit gebundenem Preis verkauft werden.

Beurteilung der Gültigkeit der NBA durch die staatlichen Gerichte

19 Der Restrictive Practices Court (das im Vereinigten Königreich in Wettbewerbssachen zuständige Gericht) hat die Gültigkeit der NBA im Hinblick auf das britische Recht mehrfach geprüft und sie erstmals 1962 bejaht. Das Gericht hat bezueglich der Vereinbarung zwischen den Mitgliedern der Klägerin entschieden, i) daß die Aufhebung der NBA der Allgemeinheit besondere Vorteile oder Vergünstigungen nehmen würde, da sie zu einem Preisanstieg, einem Rückgang der Zahl der Buchhandlungen mit Lagerhaltung und einem Rückgang der Zahl und der Vielfalt der veröffentlichten Titel führen würde, ii) daß der Allgemeinheit kein spürbarer Schaden durch die Aufrechterhaltung der NBA im Vergleich zu den Nachteilen entstehe, die sich aus deren Aufhebung ergeben würden und iii) daß die NBA somit dem Allgemeininteresse nicht zuwiderliefen.

20 1964 entschied der Restrictive Practices Court im Rahmen eines summarischen Verfahrens aus denselben Gründen wie den in der Entscheidung von 1962 angeführten, daß die Vereinbarung zwischen "Nichtmitgliedern" nicht dem Allgemeininteresse zuwiderlaufe.

21 1968 prüfte der Restrictive Practices Court die Gültigkeit der NBA erneut im Hinblick auf die neuen Vorschriften des Resale Prices Act 1964. Mit derselben Begründung wie in seiner Entscheidung von 1962 gewährte das Gericht eine Freistellung von dem im Resale Prices Act 1964 aufgestellten allgemeinen Verbot der Preisbindung.

Das Verwaltungsverfahren vor der Kommission

22 Nachdem das Vereinigte Königreich der Gemeinschaft beigetreten war, meldete die Klägerin die NBA und die "Book Club Regulations" gemäß den Artikeln 5 und 25 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204) in ihrer geänderten und ergänzten Fassung am 12. Juni 1973, getrennt bei der Kommission an, um eine Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag zu erhalten. Diese Anmeldungen wurden unter den Aktenzeichen IV/27.393 und IV/27.394 registriert.

23 1978 übermittelte die Klägerin der Kommission ein Exemplar des Buches mit dem Titel Books are different (938 Seiten), das neben der Entscheidung des Restrictive Practices Court 1962 alle Schriftsätze, einschlägigen Unterlagen und einen wesentlichen Teil der Niederschrift der mündlichen Verhandlung im Verfahren vor diesem Gericht enthält.

24 Im selben Jahr legte die Klägerin der Kommission auch aktuelles Beweismaterial vor, das aus zwei Bänden mit statistischen und erläuternden Angaben, den Niederschriften der Aussagen von Zeugen, die in einer von der Kommission am 21. April 1978 durchgeführten Anhörung gehört worden waren, und aus den späteren schriftlichen Erklärungen des Präsidenten der Booksellers Association of Great Britain and Ireland und des Präsidenten der Klägerin bestanden.

25 1985 legte die Klägerin der Kommission auf deren Verlangen weiteres Beweismaterial vor.

26 Am 23. September 1986 übermittelte die Klägerin der Kommission die 1985 erfolgten Änderungen einiger Bestimmungen der "Book Club Regulations" zu.

27 Am 28. Oktober 1986 beschloß die Kommission, gemäß Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag wegen der genannten Vorgänge das Verfahren nach der Verordnung Nr. 17 einzuleiten, und teilte der Klägerin am 16. Oktober 1986 die hinsichtlich der NBA festgestellten Beschwerdepunkte mit.

28 In der Mitteilung der Beschwerdepunkte stellte die Kommission auch fest, daß sie beabsichtige, die für die NBA beantragte Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag zu verweigern.

29 Im Februar 1987 leitete die Klägerin der Kommission in Beantwortung der Beschwerdepunkte ein "Memorandum" mit einer Reihe von Anlagen zu. In diesem Schriftstück wies die Klägerin auf den Kontrast hin, den sie zwischen der in der Mitteilung der Beschwerdepunkte eingenommenen Haltung und dem Inhalt der Mitteilung der Kommission an den Rat betreffend den Buchhandel festgestellt habe. Sie führte ferner aus, falls die NBA die Ursache für eines der von der Kommission angesprochenen Probleme seien, sei die pragmatischste Lösung, Artikel 85 Absatz 3 anzuwenden, dessen Tatbestandsmerkmale eindeutig erfuellt seien.

30 Am 14. und 15. Oktober 1987 hatten die Vertreter der Klägerin Gelegenheit, der Kommission gemäß Artikel 19 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 und der Verordnung Nr. 99/63/EWG der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17 (ABl. 1963, Nr. 127, S. 2268) mündlich ihre Auffassung zu den gegen sie in Betracht gezogenen Beschwerdepunkten zur Kenntnis zu bringen.

31 Nach Anhörung des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen erließ die Kommission am 12. Dezember 1988 die Entscheidung 89/44/EWG betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag (ABl. 1989, L 22, S. 12, im folgenden: Entscheidung), deren Tenor wie folgt lautet:

"Artikel 1

Die folgenden Vereinbarungen, Beschlüsse und Bestimmungen stellen eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag dar, soweit sie den Buchhandel mit anderen Mitgliedstaaten betreffen:

a) die Netto-Buch-Vereinbarungen von 1957, die im Rahmen der Publishers' Association zwischen den in den Anhängen I und II dieser Entscheidung erwähnten Unternehmen geschlossen wurden, zusammen mit

b) den Beschlüssen der Publishers' Association über Preisnachlässe für Büchereien und 'book agents' sowie Mengenrabatte,

c) dem sogenannten 'Code of Allowances' , der von der Publishers' Association erstellt und veröffentlicht wurde,

d) dem Buchclub-Reglement der Publishers' Association,

e) dem Beschluß der Publishers' Association über die Bedingungen für den alljährlichen nationalen Ausverkauf von Büchern,

f) dem Beschluß der Publishers' Association über die Bedingungen für die Aufnahme in das Buchhändlerverzeichnis.

Artikel 2

Der Antrag auf Abgabe einer Freistellungserklärung nach Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages für die in Artikel 1 genannten Vereinbarungen, Durchführungsbestimmungen und sonstigen Bestimmungen wird abgelehnt.

Artikel 3

Die Publishers' Association trifft alle nötigen Maßnahmen, um die in Artikel 1 festgestellte Zuwiderhandlung unverzueglich abzustellen.

Artikel 4

(1) Die Publishers' Association hat die in den Anhängen I und II dieser Entscheidung genannten Unternehmen, die im Vereinigten Königreich niedergelassenen Buchclubs und die im Buchhändlerverzeichnis aufgeführten Buchhändler schriftlich von dieser Entscheidung zu unterrichten und ihnen mitzuteilen, daß die Zuwiderhandlung abgestellt worden ist und welche praktischen Folgen sich daraus für den Handel mit Büchern zwischen dem Vereinigten Königreich und den anderen Mitgliedstaaten ergeben.

(2) Innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntgabe dieser Entscheidung hat die Publishers' Association einen Entwurf einer diesbezueglichen Mitteilung der Kommission zur Billigung vorzulegen.

Artikel 5 (nicht wiedergegeben)"

Verfahren und Anträge der Parteien

32 Unter diesen Umständen hat die Klägerin mit Klageschrift, die am 27. Februar 1989 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingereicht worden ist, gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag Klage auf Aufhebung der Entscheidung erhoben.

33 Mit besonderem Schriftsatz, der ebenfalls am 27. Februar 1989 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingereicht worden ist, hat die Klägerin gemäß den Artikeln 185 und 186 EWG-Vertrag und Artikel 83 der zu dieser Zeit anwendbaren Verfahrensordnung des Gerichtshofes einen Antrag auf Aussetzung des Vollzugs dieser Entscheidung in ihrer Gesamtheit bis zum Erlaß des Endurteils gestellt.

34 Mit Beschluß vom 13. Juni 1989 in der Rechtssache 56/89 R (Publishers Association/Kommission, Slg. 1989, 1693) hat der Präsident des Gerichtshofes den Vollzug der Artikel 2 bis 4 der Entscheidung ausgesetzt und den Antrag im übrigen zurückgewiesen.

35 Mit Beschluß vom 15. November 1989 hat der Gerichtshof die Rechtssache gemäß Artikel 14 des Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften an das Gericht verwiesen.

36 Das schriftliche Verfahren ist danach ordnungsgemäß vor dem Gericht abgelaufen.

37 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Zweite Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen und die Kommission um die Vorlage bestimmter Unterlagen zu bitten.

38 Die Parteien haben in der Sitzung vom 8. Oktober 1991 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

39 Die Klägerin beantragt,

° Artikel 1 der Entscheidung als Konsequenz der Aufhebung von Artikel 2 der Entscheidung aufzuheben,

° hilfsweise, Artikel 1 insoweit aufzuheben, als in ihm festgestellt wird, daß die Anwendung der NBA und der damit zusammenhängenden Dokumente, Regelungen und Entscheidungen auf Bücher, die aus anderen Mitgliedstaaten, in denen sie veröffentlicht worden sind, in das Vereinigte Königreich und nach Irland eingeführt werden (also hinsichtlich eines der Aspekte, unter denen die NBA "den Buchhandel mit anderen Mitgliedstaaten betreffen"), eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag darstellt,

° die Artikel 2, 3 und 4 der Entscheidung aufzuheben,

° der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

40 Die Beklagte beantragt,

° die Klage als unbegründet abzuweisen,

° der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Begründetheit

41 Die Klägerin führt in ihrer Klageschrift in erster Linie die Klagegründe und Argumente gegen Artikel 2 des Tenors der angefochtenen Entscheidung an, mit dem es die Kommission abgelehnt hat, eine Freistellungserklärung gemäß Artikel 85 Absatz 3 für die NBA abzugeben. Auf diesen Punkt bezieht sich auch der wesentliche Teil des Vorbringens der Klägerin. In zweiter Linie führt die Klägerin die Klagegründe und Argumente für ihren Antrag auf völlige oder ° hilfsweise ° teilweise Aufhebung von Artikel 1 des Tenors der Entscheidung an, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 festgestellt wird.

42 Nach gefestigter Rechtsprechung des Gerichtshofes kann die in Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag vorgesehene individuelle Freistellung bestimmter Vereinbarungen ° anders als die für bestimmte Kategorien von Vereinbarungen vorgesehene Freistellung ° nur Vereinbarungen gewährt werden, die unter das Verbot von Artikel 85 Absatz 1 fallen, aber die Tatbestandsmerkmale des Absatzes 3 erfuellen. Aus Gründen der Logik ist daher zunächst der hilfsweise geltend gemachte Klagegrund des Fehlens einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag zu prüfen; sodann sind die Klagegründe zu prüfen, die die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 betreffen. Nach Maßgabe der Entscheidung des Gerichts über diese Klagegründe ist schließlich gegebenenfalls der Klagegrund zu prüfen, mit dem die Klägerin geltend macht, daß die Aufhebung des Artikels 2 der Entscheidung durch das Gericht notwendig die Aufhebung des Artikels 1 nach sich ziehen müsse.

Zum Klagegrund des Fehlens einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag

Die Entscheidung

43 Die in den Randnummern 44 bis 68 der Entscheidung vorgenommene rechtliche Würdigung kommt zu dem Ergebnis, daß die streitigen Vereinbarungen und die hierzu erlassenen Durchführungsbestimmungen und sonstigen Bestimmungen unter das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 EWG-Vertrag fielen.

44 Zuvor werden erstens die an den Vereinbarungen beteiligten Parteien als Unternehmen, die Klägerin als Vereinigung von Unternehmen, die NBA als Vereinbarung zwischen Unternehmen und die hierzu erlassenen Bestimmungen als Beschluß einer Unternehmensvereinigung qualifiziert. Als Beschlüsse von Unternehmensvereinbarungen werden auch der "Code of Allowances" und das "Directory of Booksellers" qualifiziert.

45 Zweitens wird in der Entscheidung ausgeführt, daß die Bedingungen für die Anwendung des gebundenen Weiterverkaufspreises, wie sie in den Vereinbarungen und in den Durchführungsbestimmungen vorgesehen seien, die Einschränkung des Wettbewerbs zwischen den Wirtschaftsteilnehmern auf den einzelnen Stufen der Herstellung und des Absatzes von Büchern im Gemeinsamen Markt bezweckten oder bewirkten. Die Verleger seien fast völlig daran gehindert, diese Bedingungen, insbesondere im Hinblick auf etwaige Ausnahmen hiervon, dem "Handelspotential" der betroffenen Bücher anzupassen. Die Tatsache, daß die Verleger frei entscheiden könnten, ob sie ein Buch zu gebundenem Preis verkauften oder nicht, schließe nicht aus, daß die Vereinbarungen und die Durchführungsbestimmungen wettbewerbsbeschränkend seien. Wolle nämlich ein Verleger einen gebundenen Preis für ein Buch festlegen, sei er gezwungen, Weiterverkäufern hinsichtlich von Nachlässen nahezu einheitliche Bedingungen ° das heisst dieselben Bedingungen, wie sie die anderen an den Vereinbarungen beteiligten Parteien gewährten ° vorzuschreiben. Für die Buchhändler beschränkten diese Bedingungen die Freiheit, zur Steigerung ihres Absatzes durch eine Politik individueller Nachlässe vom gebundenen Weiterverkaufspreis abzuweichen. Damit hätten die Buchhändler einen geringeren Freiraum, als sie ihn möglicherweise von einem einzelnen Verleger erlangt hätten.

46 Die übrigen mit den Vereinbarungen zusammenhängenden Bestimmungen werden in der Entscheidung im wesentlichen wie folgt rechtlich gewürdigt. Der "Code of Allowances" sei ein Instrument, um die negativen Wirkungen der Beibehaltung des Systems gebundener Preise zu begrenzen. Seine Veröffentlichung und Anwendung solle die Buchhändler (oder die Verleger) daran hindern, die Wettbewerbsmöglichkeiten zu nutzen, die andernfalls unter bestimmten Umständen im Falle neuer und billiger Auflagen bestuenden. Die Bestimmungen für die Buchklubs schränkten die Möglichkeiten eines Preiswettbewerbs zwischen Buchklubs und Buchhändlern dadurch ein, daß die Klubs Fristen einzuhalten hätten, bevor sie Angebote machten, und daß der verbilligte Verkauf von Buchklub-Auflagen nur mit Zustimmung des Verlegers erfolgen dürfe. Der Umstand, daß die Buchklubs bei der Klägerin eingetragen seien und die betreffenden Bestimmungen also unterzeichnet und gebilligt haben müssten, bestätige, daß diese Bestimmungen ein Instrument der Vereinbarungen seien und deren Zielsetzungen verstärkten. Die Bedingungen für den jährlichen Ausverkauf von Büchern müssten von den beteiligten Verlegern, Grossisten und Weiterverkäufern eingehalten werden und bezweckten und bewirkten eine Kanalisierung der Wege, auf denen Verleger und insbesondere Buchhändler eventuell die negativen Wirkungen der Vereinbarungen ausschalten wollten. Auch die Bedingungen für die Aufnahme in das "Directory of Booksellers" hätten wettbewerbsbeschränkende Wirkungen, da dieses Verzeichnis als ein Leitfaden lauterer Buchhändler bestimmt sei und auch so angesehen werde und da der Umstand, darin nicht aufgeführt zu sein, für einen Buchhändler einen Wettbewerbsnachteil darstelle. Besonders benachteiligt würden Buchhändler, die keine preisgebundenen Bücher verkauften. Schließlich habe auch der in den Vereinbarungen vorgesehene Durchsetzungsmechanismus wettbewerbsbeschränkende Wirkungen, da der Klägerin, die eine wirksamere Überwachung der Einhaltung der Vereinbarungen und Bestimmungen sichere, eine zentrale Rolle zugewiesen werde.

47 Die Vereinbarungen und die hierzu erlassenen Durchführungsbestimmungen und sonstigen Bestimmungen beschränkten den Wettbewerb spürbar, da den Vereinbarungen eine grosse Zahl von Vertretern der britischen Verlagsindustrie, und zwar Mitglieder und Nichtmitglieder der Klägerin, beigetreten seien, so daß ein sehr grosser Teil der im Vereinigten Königreich und in Irland verkauften Bücher solche mit gebundenem Preis seien. Ferner hätten die Vereinbarungen und Bestimmungen für die Verleger das Marktverhalten der anderen Verleger und der Buchhändler transparenter und vorhersehbarer gemacht (und machten dies noch immer), was die etwaige Gewährung von Preisnachlässen in Abweichung vom Grundsatz der Preisbindung sowie den Zeitpunkt betreffe, ab dem andere Auflagen von preisgebundenen Büchern auf dem Markt angeboten werden könnten oder ab dem der Nettopreis gesenkt oder aufgehoben werden könne.

48 Drittens wird in der Entscheidung die Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten gewürdigt. Die Vereinbarungen und Bestimmungen beeinträchtigten den Handel zwischen Mitgliedstaaten tatsächlich und potentiell in spürbarem Masse. Im einzelnen unterlägen den Vereinbarungen und Bestimmungen: a) alle Ausfuhren von Büchern mit gebundenem Preis aus dem Vereinigten Königreich nach Irland, die den Grossteil der irischen Bucheinfuhren ausmachten; b) alle Wiedereinfuhren von Büchern mit gebundenem Preis aus Irland in das Vereinigte Königreich; c) alle Ausfuhren von Büchern mit gebundenem Preis durch Buchhändler aus dem Vereinigten Königreich und aus Irland, soweit es sich um Verkäufe an Käufer aus anderen Ländern handele, die nicht Buchhändler seien; d) die Verkäufe von wieder eingeführten Büchern aus anderen Mitgliedstaaten durch im Vereinigten Königreich und Irland niedergelassene Buchhändler, für die bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen ein Nettopreis verlangt werden müsse, und e) der Verkauf der meisten in das Vereinigte Königreich und nach Irland eingeführten Bücher aus anderen Mitgliedstaaten.

Vorbringen der Parteien

49 Die Klägerin macht geltend, daß mit Artikel 1 des Tenors der Entscheidung Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag falsch angewandt werde; die Entscheidung sei daher nicht angemessen und unrichtig begründet. Artikel 1 der Entscheidung sei, soweit er die Bucheinfuhren aus anderen Mitgliedstaaten in das Vereinigte Königreich und nach Irland betreffe, aus folgenden Gründen für nichtig zu erklären: a) Wenn dem Antrag der Klägerin auf Nichtigerklärung von Artikel 2 stattgegeben werde, müsse die Kommission bei der erneuten Prüfung der Frage einer Freistellung der NBA wissen, inwieweit die NBA unter Artikel 85 Absatz 1 fielen; b) wenn der Antrag auf Nichtigerklärung von Artikel 2 der Entscheidung zurückgewiesen werde, sei es sehr wichtig, zu wissen, welche Maßnahmen noch getroffen werden müssten, damit die NBA nicht mehr "den Buchhandel zwischen Mitgliedstaaten betreffen".

50 Die in Randnummer 66 der Entscheidung enthaltene Behauptung, Bücher, die in das Vereinigte Königreich und nach Irland aus anderen Mitgliedstaaten eingeführt würden, wo diese Bücher veröffentlicht worden seien, würden auch zum grössten Teil als Bücher mit gebundenem Preis im Sinne der Vereinbarungen deklariert, betreffe den Fall, daß ein Buch in einem anderen Mitgliedstaat veröffentlicht worden sei und Exemplare dieses Buches von einem Verleger des Vereinigten Königreichs oder einem Alleinvertriebshändler in das Vereinigte Königreich eingeführt würden, um dort verkauft zu werden. In diesem Fall stehe es dem Verleger im Vereinigten Königreich oder dem Alleinvertreiber frei, das Buch im Vereinigten Königreich nach den Bedingungen der NBA als "net book" zu verkaufen; diese Möglichkeit werde in der Praxis häufig genutzt. Der Umstand, daß die Verleger oder die Alleinimporteure sich dafür entscheiden könnten, die in den NBA vorgesehenen Standardverkaufsbedingungen auf in anderen Mitgliedstaaten veröffentlichte und von dort eingeführte Bücher anzuwenden, lasse nicht den Schluß zu, daß die NBA den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigten oder beeinträchtigen könnten. Erst nachdem der Handel zwischen Mitgliedstaaten stattgefunden habe, könne ein Buch den Bedingungen der NBA unterworfen werden. Diese verlangten keineswegs ° weder bei der Einfuhr noch zu irgendeinem anderen Zeitpunkt °, daß der Verkauf zu diesen Bedingungen erfolge. Dieser Aspekt unterscheide die vorliegende Rechtssache von der Rechtssache 229/83 (Urteil des Gerichtshofes vom 10. Januar 1985, Leclerc, Slg. 1985, 1), in der die beanstandete Regelung die obligatorische Festsetzung eines Mindestpreises für eingeführte Bücher bei der Einfuhr vorgesehen habe.

51 Die Kommission weist zunächst darauf hin, daß der von der Klägerin angeführte Klagegrund von äusserst beschränkter Reichweite sei. Die Rüge der Klägerin betreffe nur einen Aspekt des Buchhandels zwischen Mitgliedstaaten (Randnr. 66 der Entscheidung), nämlich die Einfuhr von Büchern aus "anderen Mitgliedstaaten", wo sie veröffentlicht worden seien, in das Vereinigte Königreich und nach Irland. Die Klägerin ziehe damit die Richtigkeit der Feststellung der Kommission nicht in Zweifel, daß Artikel 85 Absatz 1 anwendbar sei, was die übrigen Aspekte des Buchhandels zwischen Mitgliedstaaten angehe. Diese in den Randnummern 63 bis 65 der Entscheidung dargelegten Aspekte machten jedoch einen erheblichen Teil des Handels zwischen Mitgliedstaaten aus.

52 Zur Kritik der Klägerin an Randnummer 66 der Entscheidung führt die Kommission erstens aus, wenn der Verleger oder der Alleinvertriebshändler einmal erklärt habe, daß ein in einem anderen Mitgliedstaat veröffentlichtes Buch im Vereinigten Königreich und in Irland als Buch mit gebundenem Preis auf den Markt gebracht werden müsse, beeinflussten die NBA die Bedingungen jedes weiteren Handels mit diesem Buch zwischen Mitgliedstaaten (insbesondere mit Irland). Zweitens stelle die Anwendung der NBA auf eingeführte Bücher nach Auffassung der Klägerin selbst eine dem Verleger gebotene Möglichkeit zur Absatzsteigerung dar; wenn diese Behauptung zutreffe, könne die Klägerin nicht zugleich in Abrede stellen, daß die Anwendung dieses Systems eine spürbare Wirkung auf das Volumen des Handels zwischen Mitgliedstaaten haben könne. Drittens und allgemein müssten die NBA, welche Wirkungen auch immer sie auf den Buchverkauf im Vereinigten Königreich hätten, diese Wirkungen sowohl für den Verkauf eingeführter Bücher als auch den von Büchern einheimischer Produktion haben.

Würdigung durch das Gericht

53 Vorab ist darauf hinzuweisen, daß die Klägerin in der Erwiderung und in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, sie verzichte auf die Anwendung des "Code of Allowances" und des "Directory of Booksellers". Diese Erklärung vermag den Umfang des Rechtsstreits nicht zu ändern, da die Klägerin der Kommission, wie diese zu Recht ausgeführt hat, ihre Entscheidung, diese beiden Regelungen zurückzuziehen, nicht mitgeteilt und auch den Beweis für die Durchführung dieser Entscheidung nicht erbracht hat (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 30. Januar 1985 in der Rechtssache 35/85, BAT/Kommission, Slg. 1985, 363, Randnr. 22).

54 In der Sache stellt das Gericht fest, daß sich der von der Klägerin geltend gemachte Klagegrund gegenüber der in der Entscheidung getroffenen und vorstehend wiedergegebenen rechtlichen Würdigung, daß alle Voraussetzungen für die Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag auf die strittigen Vereinbarungen und Regelungen erfuellt seien, darauf beschränkt, einen isolierten Aspekt des Tatbestandsmerkmals der Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels mit Büchern, nämlich die Einfuhren in das Vereinigte Königreich und nach Irland, zu beanstanden.

55 Das Tatbestandsmerkmal der Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels ist nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes erfuellt, wenn sich anhand einer Gesamtheit objektiver rechtlicher oder tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen lässt, daß eine Vereinbarung, ein Beschluß von Unternehmensvereinigungen oder ein abgestimmtes Verhalten den Warenverkehr zwischen Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell in einem der Erreichung der Ziele eines einheitlichen zwischenstaatlichen Marktes nachteiligen Sinne beeinflussen können (vgl. Urteile vom 9. Juli 1969 in der Rechtssache 5/69, Völk, Slg. 1969, 295, vom 29. Oktober 1980 in den verbundenen Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, Van Landewyck/Kommission, Slg. 1980, 3125, vom 7. Juni 1983 in den verbundenen Rechtssachen 100/80 bis 103/80, Musique Diffusion française/Kommission, Slg. 1983, 1825, und vom 11. Juli 1985 in der Rechtssache 42/84, Remia/Kommission, Slg. 1985, 2545).

56 Im vorliegenden Fall betrifft die Kritik der Klägerin nur die Einfuhren in das Vereinigte Königreich und nach Irland aus anderen Mitgliedstaaten (Randnr. 66 der Entscheidung), während die Würdigung der Kommission auf einer Gesamtheit objektiver rechtlicher oder tatsächlicher Umstände beruht, die in Randnummer 48 dieses Urteils unter den Buchstaben a bis d aufgeführt sind. Diese Umstände, deren Richtigkeit und Begründetheit nicht bestritten sind, betreffen die Ausfuhren und Wiedereinfuhren zwischen dem Vereinigten Königreich und den anderen Mitgliedstaaten. Im Falle Irlands machen die Einfuhren von Büchern aus dem Vereinigten Königreich, wie bereits erwähnt, etwa 80 % der Gesamteinfuhren aus. Etwa 75 % der von britischen Verlegern nach Irland ausgeführten Bücher werden als Bücher mit gebundenem Preis auf den Markt gebracht. Der Umstand, daß nur ein sehr geringer Teil, nämlich 1,2 % der Gesamtbuchproduktion des Vereinigten Königreichs, nach Irland ausgeführt wird, ist ohne Bedeutung, da nur die Wirkungen auf den irischen Markt zu berücksichtigen sind. Auf diesem Markt machen jedoch die Bucheinfuhren aus dem Vereinigten Königreich mehr als 50 % des Gesamtabsatzes aus. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ausgeführt, wenn die Anwendung der NBA auf den britischen Markt beschränkt würde, würde das System nicht zusammenbrechen, aber alle Nachteile einer solchen Beschränkung würden in Irland spürbar werden. Diese Erklärung der Klägerin bestätigt die in der Entscheidung getroffene Feststellung zum Ausmaß der Wirkungen des Systems der NBA auf den Buchmarkt in Irland.

57 Hierzu ist darauf hinzuweisen, daß ein auf das Gebiet eines einzigen Mitgliedstaats beschränktes wettbewerbswidriges Verhalten Auswirkungen auf die Handelsströme und den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes haben kann (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, 3522, und vom 11. Juli 1989 in der Rechtssache 246/86, Belasco u. a./Kommission, Slg. 1989, 2117, 2191). Unter diesen Umständen und unter Berücksichtigung der übrigen nicht bestrittenen Feststellungen, wie sie insbesondere in Randnummer 48 dieses Urteils wiedergegeben sind, ist festzustellen, daß die Kommission den Sachverhalt richtig gewürdigt hat, indem sie zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die Vereinbarungen und die hierzu erlassenen Durchführungsbestimmungen und sonstigen Bestimmungen den Handel zwischen Mitgliedstaaten tatsächlich und potentiell in spürbarem Masse beeinträchtigen.

58 Das Argument der Klägerin, die Bestimmungen der NBA fänden erst Anwendung, wenn der Handelsverkehr zwischen Mitgliedstaaten bereits stattgefunden habe, ist nicht begründet. Wenn nämlich der Verleger oder der Alleinimporteur beschließt, die von den NBA vorgesehenen Standardverkaufsbedingungen auf einen eingeführten Titel anzuwenden, ist dieser Beschluß für den gesamten weiteren Handelsverkehr entscheidend, nämlich für a) die Einfuhr neuer Partien dieses Titels, b) die Ausfuhr eines ursprünglich in das Vereinigte Königreich eingeführten und als "net book" verkauften Titels aus dem Vereinigten Königreich nach Irland und c) die Direkteinfuhr eines Titels aus anderen Mitgliedstaaten nach Irland, wenn dieser Titel zuvor in das Vereinigte Königreich eingeführt und dort als "net book" verkauft wurde.

59 Folglich ist der Klagegrund, die strittigen Vereinbarungen beeinträchtigten den Handel zwischen Mitgliedstaaten nicht spürbar, zurückzuweisen.

Zu den Klagegründen, die die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag betreffen

60 Die Klägerin führt gegen Artikel 2 des Tenors der Entscheidung zwei Klagegründe an. Mit dem ersten macht sie eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften geltend. Mit dem zweiten rügt sie eine unangemessene und unrichtige Begründung der Entscheidung und allgemein eine unrichtige Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag durch die Kommission, was die Unerläßlichkeit der durch die NBA und die hierzu erlassenen Bestimmungen geschaffenen Beschränkungen angeht.

Zum Klagegrund einer Divergenz zwischen den mitgeteilten und den in der Entscheidung in Betracht gezogenen Beschwerdepunkten

Vorbringen der Parteien

61 Mit diesem Klagegrund macht die Klägerin geltend, die Kommission habe eine wesentliche Formvorschrift verletzt, da die in der Entscheidung angeführten Gründe für die Verweigerung der beantragten Freistellung nicht dieselben seien, die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte in Betracht gezogen worden seien. In dieser Mitteilung habe sich die Kommission vor allem auf die Behauptung gestützt, daß die NBA für einen grossen Teil des Gesamtbuchabsatzes den Wettbewerb zwischen den Buchhändlern ausschalteten (Randnr. 66), während sie in der Entscheidung geltend mache, daß die NBA nicht unerläßlich seien, um die damit angestrebten Vorteile zu erreichen.

62 Die Klägerin führt aus, sie habe ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren auf die Frage der Ausschaltung des Wettbewerbs konzentriert, weil dieser Punkt der einzige gewesen sei, zu dem die Mitteilung der Beschwerdepunkte konkrete Argumente gegen die Gewährung einer Freistellung enthalten habe. Ausserdem habe die Kommission eine von dieser Mitteilung grundlegend verschiedene Entscheidung erlassen, ohne den Parteien auch nur den geringsten schriftlichen Hinweis auf die Formulierung ihrer neuen Argumentation oder die Möglichkeit zu geben, dazu Stellung zu nehmen. Wenn die Kommission ihr diese Möglichkeit gegeben hätte, hätte die Klägerin sie auf ihre Fehler bei der Sachverhaltsfeststellung und den angeführten Gründen aufmerksam machen sowie auf die der Kommission bereits vorliegenden Beweise Bezug nehmen und neue Beweise vorlegen können.

63 Die Kommission bestreitet nicht, daß die Frage der Ausschaltung des Wettbewerbs in der Mitteilung der Beschwerdepunkte ausführlicher geprüft worden sei als die übrigen Tatbestandsmerkmale des Artikels 85 Absatz 3. In den Randnummern 71 und 72 der Mitteilung habe sie jedoch klar, wenn auch knapp, ausgeführt, daß die Klägerin dartun müsse, daß die von den NBA vorgesehenen Beschränkungen unerläßlich seien, soweit sie die (Wieder-)Einfuhren und die (Wieder-)Ausfuhren beträfen. Zum Begriff des "Beschwerdepunkts" im Sinne von Artikel 4 der Verordnung Nr. 99/63 gehöre es, daß dann, wenn die Definition der streitigen Fragen und die Beweislast wie im vorliegenden Fall dem Anmelder obliege, die in diesem Artikel vorgesehene Mitteilung der Beschwerdepunkte in allgemeinerer Form abgefasst sein könne. Der Klägerin sei bewusst gewesen, welche Bedeutung im Rahmen des Verwaltungsverfahrens der Frage zukomme, ob die betreffenden Bestimmungen unerläßlich seien. Dies werde insbesondere dadurch bestätigt, daß der Vertreter der Klägerin bei der Anhörung die vier Argumente detailliert vorgetragen habe, die nach Ansicht der Klägerin für die Unerläßlichkeit der durch die NBA geschaffenen Beschränkungen sprächen.

Würdigung durch das Gericht

64 Wie sich aus den Artikeln 6 und 19 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 in Verbindung mit den Artikeln 2 und 4 der Verordnung Nr. 99/63 ergibt, bestehen die Verpflichtung der Kommission, die von ihr gegenüber den beteiligten Unternehmen und Unternehmensvereinigungen geltend gemachten Beschwerdepunkte mitzuteilen, und die Verpflichtung, in ihren Entscheidungen nur die Beschwerdepunkte in Betracht zu ziehen, zu denen sich die Betroffenen äussern konnten, auch im Fall einer Entscheidung über einen Antrag auf Anwendung von Artikel 85 Absatz 3. Allerdings bezieht sich die Verpflichtung der Kommission, die von ihr gegenüber einem Unternehmen geltend gemachten Beschwerdepunkte mitzuteilen und in ihrer Entscheidung nur diese Beschwerdepunkte in Betracht zu ziehen, im wesentlichen auf die Angabe der Gründe, die sie zur Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 veranlassen, sei es, daß sie anordnet, eine Zuwiderhandlung abzustellen, oder den Unternehmen eine Geldbusse auferlegt, sei es, daß sie ihnen ein Negativattest oder die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 verweigert (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 23. Oktober 1974 in der Rechtssache 17/74, Transocean Marine Paint/Kommission, Slg. 1974, 1063, Randnrn. 11 bis 13).

65 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes müssen in der Mitteilung der Beschwerdepunkte, die die Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sicherstellen soll, klar, und sei es auch in gedrängter Form, die wesentlichen Tatsachen angeführt werden, auf die sich die Kommission in diesem Verfahrensstadium stützt. Gleichwohl braucht die spätere Entscheidung nicht notwendig ein Abbild der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu sein (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 29. Oktober 1980, Van Landewyck/Kommission, a. a. O., vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française/Kommission, a. a. O., und vom 8. November 1983 in den verbundenen Rechtssachen 96/82 bis 102/82, 104/82, 105/82, 108/82 und 110/82, IAZ/Kommission, Slg. 1983, 3369, sowie Beschluß vom 18. Juni 1986 in den verbundenen Rechtssachen 142/84 und 156/84, BAT/Kommission, Slg. 1986, 1899).

66 Das Gericht stellt im vorliegenden Fall fest, daß die Mitteilung der Beschwerdepunkte zum einen eine ausführliche Darlegung der Gründe enthält, die die Kommission zur Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 veranlasst haben (Nrn. 42 bis 63), und zum anderen der Frage der Anwendbarkeit von Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag einen eigenen Abschnitt widmet (Nrn. 64 bis 72). Daraus ergibt sich, daß die Kommission zwar den Schwerpunkt auf die Tatsachen gelegt hat, die die vierte Voraussetzung für die Gewährung einer Freistellung betreffen, die Voraussetzung also, daß die Beschränkungen keine Ausschaltung des Wettbewerbs für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren bewirken dürfen, daß sie aber in den Nummern 71 und 72 der Mitteilung darauf hingewiesen hat, daß die Klägerin nicht angegeben habe, aus welchen Gründen die Anwendung der NBA zur Erreichung der angeblichen Vorteile im Bereich der (Wieder-)Einfuhr und (Wieder-)Ausfuhr unerläßlich sein solle.

67 In der Mitteilung der Beschwerdepunkte heisst es insoweit:

Was schließlich die Voraussetzung angeht, daß die Vereinbarungen für die Erzielung von Verbesserungen unerläßlich sein müssen, haben die Beteiligten geltend gemacht, daß ohne eine einheitliche Anwendung der Standardbedingungen durch die Verleger, die ein Buch mit gebundenem Preis veröffentlichen wollen, nichts den Buchhändlern den Schutz sichern könne, den sie dank des Systems der Buchpreisbindung genössen, und daß sich dies folglich zum Nachteil der Allgemeinheit auswirke. Die Parteien haben jedoch nicht angegeben und für die Kommission ist nicht erkennbar, welcher Zusammenhang zwischen den behaupteten Verbesserungen und der Anwendung der Vereinbarungen und der hierzu erlassenen Bestimmungen und Regelungen auf die (Wieder-)Einfuhren und (Wieder-)Ausfuhren bestehen und inwiefern diese Anwendung zur Erreichung dieser Ziele unerläßlich sein soll.

68 Unter diesen Umständen ist festzustellen, daß die Kommission in ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte klar angegeben hat, daß die Klägerin die Unerläßlichkeit der von den NBA und den hierzu erlassenen Regelungen vorgesehenen Beschränkungen dartun müsse, soweit sie die (Wieder-)Einfuhren und (Wieder-)Ausfuhren beträfen. Damit ist der Klägerin, deren Sache es im übrigen in erster Linie war, der Kommission Beweismaterial für die wirtschaftliche Rechtfertigung einer Freistellung vorzulegen (Urteile des Gerichtshofes vom 17. Januar 1984 in den verbundenen Rechtssachen 43/82 und 63/82, VBVB und VBBB/Kommission, Slg. 1984, 19, und vom 11. Juli 1985, Remia/Kommission, a. a. O.), das der Kommission die Feststellung erlaubte, daß die strittigen Vereinbarungen alle Tatbestandsmerkmale des Artikels 85 Absatz 3 EWG-Vertrag erfuellten, wirksam Gelegenheit gegeben worden, sich zur Unerläßlichkeit der sich aus diesen Vereinbarungen ergebenden Wettbewerbsbeschränkungen zu äussern. Diese Feststellung wird dadurch bestätigt, daß die Klägerin Gelegenheit hatte, sich in ihrer schriftlichen Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte besonders zu diesem Punkt zu äussern und später in der Anhörung ausführlich die vier Argumente vorzutragen, die aus ihrer Sicht für die Unerläßlichkeit der durch die NBA geschaffenen Beschränkungen sprachen.

69 Jedenfalls darf nicht ausser acht gelassen werden, daß es im Falle eines Antrags auf Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag Sache des antragstellenden Unternehmens ist, zu beweisen, daß es jede der vier in dieser Bestimmung aufgestellten Voraussetzungen erfuellt und daß es in dem Einreichungsformblatt A/B gemäß dem Ergänzenden Vermerk im Anhang zur Verordnung Nr. 27 der Kommission vom 3. Mai 1962, Erste Ausführungsverordnung zur Verordnung Nr. 17 (ABl. 1962, Nr. 35, S. 1118), zu jeder dieser Voraussetzungen Stellung nehmen muß. Es ist ferner darauf hinzuweisen, daß die Kommission wegen des kumulativen Charakters dieser Voraussetzungen jederzeit und bis zum Erlaß der Entscheidung feststellen kann, daß irgendeine dieser Voraussetzungen nicht erfuellt ist.

70 Folglich ist dieser Klagegrund als nicht stichhaltig zurückzuweisen.

Zu der Rüge, daß die Entscheidung hinsichtlich der Würdigung der Frage, ob die sich aus den NBA ergebenden Wettbewerbsbeschränkungen unerläßlich sind, unrichtig begründet sei

71 Im Rahmen dieses Klagegrunds führt die Klägerin mehrere Argumente dafür an, daß die in der Entscheidung erfolgte Verneinung der Unerläßlichkeit der sich aus den NBA ergebenden Wettbewerbsbeschränkungen auf eine unangemessene, unrichtige und unzureichende Begründung gestützt sei, die die vorgelegten Beweise verkenne, und daß mit der Entscheidung allgemein Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag falsch angewendet werde.

72 In den Randnummern 71 bis 86 der Entscheidung wird die Frage geprüft, ob ein kollektives System gebundener Preise im Buchhandel zur Erreichung der von der Klägerin angeführten Ziele unerläßlich ist. Die Kommission erwähnt die mit dem System der NBA verfolgten Ziele ° einen Rückgang der Lagerhaltung zu verhindern, der zu kleineren Auflagen, zu einem Preisanstieg für Bücher und zum Verschwinden der Titel mit geringer Auflage führen würde °, enthält sich jedoch einer Stellungnahme zu der Frage, ob diese Ziele tatsächlich erreicht werden und ob das Vertriebssystem das am besten geeignete System ist, um diese Ziele im nationalen Rahmen zu erreichen. Dagegen wird in der Entscheidung hervorgehoben, daß es in diesem Verfahren darum gehe, über ein Preisbindungssystem zu befinden, daß sich auf Ausfuhren in andere Mitgliedstaaten, insbesondere nach Irland, ebenso wie auf Einfuhren und (Wieder-)Einfuhren aus anderen Mitgliedstaaten einschließlich Irlands erstrecke und damit den sich aus dem innergemeinschaftlichen Handel ergebenden Preiswettbewerb verhindere (Randnr. 75). Zur Erreichung dieser Ziele habe die Klägerin ein kollektives System geschaffen, das allen Buchhändlern für ein bestimmtes Buch denselben Preis vorschreibe, so daß es für diesen Titel keinen Preiswettbewerb gebe (Randnr. 73, dritter Absatz). In diesem Stadium ergibt sich aus der Entscheidung, daß sie auf das Ausmaß der vom System der NBA vorgesehenen Beschränkungen, wie sie in den Randnummern 50 bis 59 der Entscheidung beschrieben werden, verweist. In der Entscheidung heisst es, angesichts der Natur der vom System der NBA vorgesehenen Beschränkungen und ihrer Wirkungen auf den innergemeinschaftlichen Handel müsse die Klägerin dartun, daß die Ziele der Vereinbarungen nur durch ein kollektives System und nicht durch ein individuelles System vertikaler Weiterverkaufspreisvereinbarungen zu erreichen seien (Randnr. 74).

73 Nach Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag kann eine Freistellung nur gewährt werden, wenn die Vereinbarung nicht bewirkt, daß den beteiligten Unternehmen Wettbewerbsbeschränkungen auferlegt werden, die für die Verwirklichung der in diesem Absatz angesprochenen Ziele des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts und der gerechten Verteilung des Gewinns nicht unerläßlich sind.

74 Wie der Gerichtshof entschieden hat, ist es im Falle eines Antrags auf Freistellung gemäß Artikel 85 Absatz 3 in erster Linie Sache der betroffenen Unternehmen, der Kommission Beweismaterial für die wirtschaftliche Rechtfertigung einer Freistellung vorzulegen und ihr, wenn sie Einwände erhebt, Alternativen zu unterbreiten. Die Kommission kann ihrerseits zwar den Unternehmen Hinweise für mögliche Alternativlösungen geben, sie ist jedoch von Rechts wegen nicht verpflichtet, dies zu tun oder gar Vorschläge anzunehmen, die sie für unvereinbar mit den Voraussetzungen des Artikels 85 Absatz 3 hält (Urteile des Gerichtshofes vom 17. Januar 1984, VBVB und VBBB/Kommission, a. a. O., und vom 11. Juli 1985, Remia/Kommission, a. a. O.).

75 Ferner hat die Kommission nach ständiger Rechtsprechung gemäß Artikel 190 EWG-Vertrag die tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte sowie die Erwägungen aufzuführen, die sie zum Erlaß einer Wettbewerbsentscheidung veranlasst haben, sie braucht jedoch nicht auf alle tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte einzugehen, die die Beteiligten im Verwaltungsverfahren angesprochen haben. Die Begründung einer beschwerenden Entscheidung muß es dem Gemeinschaftsrichter ermöglichen, deren Rechtmässigkeit zu überprüfen, und dem Betroffenen die notwendigen Hinweise geben, aus denen er erkennen kann, ob die Entscheidung materiell rechtmässig ist oder nicht (siehe Urteile des Gerichtshofes vom 8. November 1983, IAZ u. a./Kommission, a. a. O., Randnr. 37, vom 9. November 1983, Michelin/Kommission, a. a. O., Randnr. 14, vom 17. Januar 1984, VBVB und VBBB/Kommission, a. a. O., Randnr. 22, und vom 11. Juli 1985, Remia/Kommission, a. a. O., Randnr. 26). FORTSETZUNG DER GRÜNDE UNTER DOK.NUM : 689A0066.1

76 Anhand dieser von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze ist zu prüfen, ob die Entscheidung auf eine unrichtige Tatsachenfeststellung gestützt oder ob sie mit einem Rechtsanwendungsfehler oder einem offenkundigen Fehler in der rechtlichen Würdigung des Sachverhalts behaftet ist. Hierzu sind erstens die allgemeinen Rügen der Klägerin zu prüfen, zweitens ist auf die Rüge der unrichtigen Darstellung des Vorbringens der Klägerin einzugehen, und drittens ist zu prüfen, ob die Antwort der Kommission auf die vier von der Klägerin bei der Anhörung vorgetragenen spezifischen Argumente rechtsfehlerfrei begründet ist.

Zu den allgemeinen Rügen

i) Nichtbeachtung oder unrichtige Würdigung der vorgelegten Beweise

77 Die Klägerin macht geltend, daß die Kommission nach dem Grundsatz einer geordneten Verwaltung die in der Entscheidung des Restrictive Practices Court of the United Kingdom von 1962 getroffenen Tatsachenfeststellungen nicht habe ausser acht lassen dürfen, auch wenn sie durch dieses Urteil in der Ausübung ihrer Befugnisse nicht gebunden sei. Die Feststellung des britischen Gerichts, daß die NBA unerläßlich seien, gelte sowohl für den zwischenstaatlichen Handel als auch für den Verkauf von Büchern inländischer Produktion im Inland. Diese Feststellungen des staatlichen Gerichts hätten bis zum Erlaß der Entscheidung sowohl für den britischen wie für den irischen Markt ihre volle Gültigkeit behalten. Die Klägerin habe der Kommission eine Vielzahl von Beweisen vorgelegt, aus denen sich ergebe, daß sich die Lage seit der Entscheidung des Restrictive Practices Court nicht spürbar verändert habe. Zu dem die Ausfuhren betreffenden Aspekt macht die Klägerin geltend, die Kommission habe einem einzelnen Punkt im Urteil des Restrictive Practices Court übermässige Bedeutung zugemessen, wonach das Gericht nicht davon überzeugt sei, daß die Mißbilligung der Vereinbarung wahrscheinlich zu einem Rückgang der Gewinne aus dem Ausfuhrhandel führen würde, der im Verhältnis zum gesamten Buchhandelsgeschäft erheblich wäre. All dies zeige, daß die Kommission in ihrer Entscheidung hinsichtlich der Frage, ob die Wettbewerbsbeschränkungen unerläßlich seien, zu dem genau entgegengesetzten Schluß wie der Restrictive Practices Court gekommen sei.

78 Die Kommission stellt nicht in Abrede, daß die Klägerin schon vor der Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte eine Vielzahl von Beweisen vorgelegt habe. Zur Frage der Berücksichtigung des Urteils des staatlichen Gerichts führt die Kommission aus, ihre Unabhängigkeit in der Ausübung ihrer Befugnisse und der Erfuellung ihrer Verpflichtungen aus dem Vertrag würde untergraben, wenn die blosse Existenz einer Entscheidung eines staatlichen Gerichts sie hinsichtlich der dort getroffenen Tatsachenfeststellungen bände oder sie, wie die Klägerin meine, zwänge, darzutun und nachzuweisen, daß nach dem Erlaß dieser Entscheidung eine wesentliche Veränderung der Umstände eingetreten sei. Ein ähnliches Vorbringen habe der Gerichtshof im Urteil vom 17. Januar 1984 (VBVB und VBBB/Kommission, a. a. O., Randnr. 40) zurückgewiesen. Im übrigen betreffe die Entscheidung des Restrictive Practices Court von 1962 nicht einmal die spezifische Frage, um die es im vorliegenden Rechtsstreit gehe, nämlich die Frage, ob die von den NBA vorgesehenen Beschränkungen der Ein- und Ausfuhren zwischen Mitgliedstaaten gerechtfertigt seien. Soweit in der Entscheidung die Frage der Ausfuhren kurz geprüft werde, werde das von der Klägerin zur Rechtfertigung der vorgesehenen Beschränkungen angeführte Argument des Allgemeininteresses zurückgewiesen. Die übrigen vorgelegten Beweise schließlich bezögen sich hauptsächlich auf den Verkauf von im Vereinigten Königreich veröffentlichten Büchern im Inland.

79 Zu dieser Rüge ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die Kommission, wie sich aus Randnummer 43 der Entscheidung ergibt, die Entscheidung des britischen Gerichts nicht ausser acht gelassen hat. Wie die Kommission jedoch zu Recht ausgeführt hat, hat sich das staatliche Gericht, dessen Entscheidung übrigens vor dem Beitritt des Vereinigten Königreichs und Irlands zu den Europäischen Gemeinschaften ergangen ist, nicht unmittelbar zur Frage der Unerläßlichkeit der sich aus den NBA ergebenden Wettbewerbsbeschränkungen im Gemeinsamen Markt geäussert. Soweit das britische Gericht die Frage des Aussenhandels mittelbar angesprochen hat, hat es festgestellt, daß die Klägerin nicht nachgewiesen habe, daß die Aufhebung der NBA zu einem erheblichen Rückgang der Ausfuhren führen würde. Daher ist das Gericht der Ansicht, daß die Entscheidung nicht deshalb unzureichend begründet ist, weil in ihr die 1962 vom Restrictive Practices Court getroffenen Feststellungen und die von der Klägerin vorgelegten Beweise dafür, daß sich die Lage des Buchmarkts seit 1962 nicht wesentlich verändert habe, nicht ausdrücklich zurückgewiesen worden sind. Ohnehin können nach dem Urteil des Gerichtshofes vom 17. Januar 1984 (VBVB und VBBB/Kommission, a. a. O., Randnr. 40) nationale Praktiken in der Rechtsprechung, selbst wenn sie allen Mitgliedstaaten gemeinsam wären, der Anwendung der Wettbewerbsregeln des Vertrages nicht vorgehen.

ii) Unterscheidung zwischen den innerstaatlichen und den innergemeinschaftlichen Wirkungen der NBA

80 Anläßlich einer Bemerkung der Kommission in der Klagebeantwortung, wonach die Entscheidung die Gültigkeit des Systems der NBA im innerstaatlichen Rahmen nicht in Frage stelle, ist es zwischen den Parteien zu einer Auseinandersetzung darüber gekommen, ob zwischen den positiven Wirkungen der Anwendung des Systems auf den britischen und den irischen Inlandsmarkt einerseits und seinen Wirkungen auf den innergemeinschaftlichen Handel andererseits unterschieden werden kann. Nach Ansicht der Klägerin ist der Versuch der Kommission, zwischen den Wirkungen der Anwendung der NBA auf die Inlandsverkäufe einerseits und auf die Ausfuhren und Einfuhren andererseits zu unterscheiden, rechtsfehlerhaft. Sie habe immer die Auffassung vertreten, daß die NBA mit ihren Standardverkaufsbedingungen Vorteile für alle Bücher biete, die die Verleger als "net books" verkaufen wollten (ob diese aus einheimischer Produktion stammten oder in das Vereinigte Königreich oder nach Irland eingeführt und dort verkauft würden), und daß die Anwendung dieser Vereinbarung für die Erzielung dieser Vorteile unerläßlich sei. Die im Verwaltungsverfahren vorgelegten Beweise beträfen im übrigen sowohl den Verkauf von Büchern einheimischer Produktion im Inland als auch die Ein- und Ausfuhren.

81 Die Kommission entgegnet, daß die von der Klägerin in der Erwiderung geäusserte Kritik eine Frage betreffe, zu der sie sich in der Entscheidung nicht geäussert habe und die sich im vorliegenden Fall nicht stelle. Sie habe in ihrer Klagebeantwortung darauf aufmerksam machen wollen, daß die Klägerin nicht zwischen den rein inländischen Wirkungen der NBA einerseits und den Wirkungen auf den innergemeinschaftlichen Handel andererseits unterscheide. Das gesamte Vorbringen der Klägerin zeige, daß diese nicht einmal die Möglichkeit einräume, daß für diese beiden Sachverhalte unterschiedliche Erwägungen gelten könnten. Obwohl dieser Umstand der Entscheidung keineswegs zugrunde liege, habe es die Kommission für angezeigt gehalten, darauf hinzuweisen, daß der Gedankengang der Klägerin auf einer unrichtigen Hypothese beruhe.

82 Diese Auseinandersetzung, die in der mündlichen Verhandlung fortgesetzt worden ist, hat sich auch auf die Frage erstreckt, inwieweit die Anwendung der NBA ohne grössere Probleme auf das Gebiet des Vereinigten Königreichs beschränkt werden könnte. Die Kommission hat hierzu geltend gemacht, daß die Aufhebung der NBA insoweit, als sie den Handel mit den anderen Mitgliedstaaten beeinträchtige, keine Auswirkung auf die Anwendung des Systems im Inland habe. Die Klägerin hat ihre Auffassung endgültig in der mündlichen Verhandlung festgelegt, als sie, wie bereits erwähnt, eingeräumt hat, daß die Begrenzung der Anwendung der NBA auf den britischen Markt nicht zum Zusammenbruch des Systems führen würde, daß aber alle Nachteile auf dem irischen Buchmarkt spürbar werden würden.

83 Das Gericht ist der Ansicht, daß es auf den Beweis, daß die dem System der NBA auf innerstaatlicher Ebene innewohnenden Vorteile sich auch auf den innergemeinschaftlichen Handel erstrecken, eventuell dann ankommen könnte, wenn die Weigerung der Kommission, der Klägerin die beantragte Freistellung zu gewähren, auf dem Umstand beruhte, daß die Voraussetzung der Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts nicht erfuellt ist. Um diese Voraussetzung geht es aber im vorliegenden Fall nicht, denn der Grund für die Ablehnung des Antrags der Klägerin ist ausschließlich, daß die Kommission die sich aus der Anwendung der NBA ergebenden Wettbewerbsbeschränkungen nicht für unerläßlich hält. Daher ist die Prüfung der Vorteile der NBA auf dem Inlandsmarkt, selbst wenn sie nachgewiesen wären, für das Gericht nicht erforderlich, um die Rechtmässigkeit der von der Kommission erlassenen ablehnenden Entscheidung zu prüfen.

84 Auch das Argument der Klägerin, daß das System der NBA zusammenbrechen würde, wenn sein Anwendungsbereich auf den Inlandsmarkt beschränkt würde, ist nicht erheblich. Nach Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag kann nämlich für ein Preisbindungssystem, daß den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes beschränkt, eine Freistellung nicht mit der Begründung gewährt werden, daß es fortbestehen müsse, um seine positiven Wirkungen auf einem Inlandsmarkt zu entfalten. Wie das Gericht bereits ausgeführt hat (siehe Randnr. 57 dieses Urteils), würde eine derartige Situation schon als solche zu einer Aufteilung des Gemeinsamen Marktes führen und wäre daher geeignet, der vom Vertrag gewollten wirtschaftlichen Durchdringung entgegenzuwirken. Ausserdem kann sich die Klägerin als eine Vereinigung, in der die im Vereinigten Königreich niedergelassenen Verleger zusammengeschlossen sind, nicht auf eventuelle nachteilige Wirkungen auf den irischen Markt berufen, selbst wenn dieser Markt zu demselben Sprachraum gehört.

iii) Gemeinsamkeiten zwischen den NBA und der Rechtssache VBBB/VBVB (niederländische Bücher)

85 Die Klägerin rügt, daß es die Kommission unterlassen habe, die NBA anhand der ihr eigenen Vorteile zu prüfen, und sich darauf beschränkt habe, ihre Entscheidung unter Bezugnahme auf die Entscheidung 82/123/EWG vom 25. November 1981 (IV/428 ° VBBB/VBVB, ABl. 1982, L 54, S. 36) zu begründen, in der das für den Verkauf von Büchern eingeführte kollektive Preisbindungssystem ein anderes gewesen sei. Diese Gleichstellung zwischen den NBA und der Rechtssache VBBB/VBVB stelle angesichts der Unterschiede zwischen diesen Vereinbarungen einen schweren Begründungsfehler dar.

86 Die Kommission weist diese Rüge mit der Begründung zurück, sie habe sich mit der Bezugnahme auf ihre Entscheidung in der Rechtssache VBBB/VBVB nicht endgültig zur Frage der Unerläßlichkeit der NBA geäussert. Aus diesem Grund habe sie übrigens die vier spezifischen Argumente der Klägerin zu dieser Frage geprüft. In Randnummer 75 der Entscheidung werde nur auf den allgemeineren Grundsatz hingewiesen, daß die mit nationalen Preisfestsetzungsmechanismen verfolgten Ziele die Anwendung derselben oder ähnlicher Beschränkungen auf den Handel mit Büchern zwischen Mitgliedstaaten nicht ohne weiteres unerläßlich machten. Die Rechtssache VBBB/VBVB mache die Gründe deutlich, aus denen dies so sein müsse.

87 Das Gericht ist der Ansicht, daß die von der Klägerin erhobene Rüge auf einer unrichtigen Auslegung der Entscheidung (Randnr. 75 Absatz 1 am Ende) beruht. Mit der Bezugnahme auf ihre Entscheidung VBBB/VBVB (a. a. O.) hat die Kommission die Würdigung der Frage der Unerläßlichkeit des Verkaufssystems für Bücher niederländischer Sprache nicht auf das System der NBA übertragen, sondern lediglich einen Hinweis auf einen in dieser Sache aufgestellten Grundsatz gegeben. Nach diesem Grundsatz macht ein Mechanismus kollektiver Einhaltung von Verkaufspreisen, der Vorteile für einen Inlandsmarkt bietet, die Anwendung derselben Beschränkungen auf den Handel mit Büchern zwischen Mitgliedstaaten nicht ohne weiteres unerläßlich. Zu Recht wollte die Kommission daher, wie sie in ihren Schriftsätzen dargelegt hat, in diesem Abschnitt der Entscheidung lediglich auf diesen Grundsatz hinweisen, bevor sie die vier spezifischen Argumente prüfte, die die Klägerin vorgetragen hatte, um die Unerläßlichkeit der sich aus den betreffenden Vereinbarungen ergebenden Wettbewerbsbeschränkungen darzutun.

iv) Fehlen eines alternativen Lösungsvorschlags

88 Die Klägerin macht geltend, obwohl die Kommission die Möglichkeit einer individuellen Anwendung gebundener Preise als eine gegenüber den NBA weniger restriktive Alternativlösung anspreche, lege sie sich nicht in der Frage fest, ob sie eine solche Alternative genehmigen würde. Sie schweige auch völlig zu der Frage, ob eine individuelle Anwendung gebundener Preise dieselben Vorteile wie die NBA bieten könnte.

89 Die Kommission weist diese Rüge mit der Begründung zurück, Gegenstand ihrer Entscheidung sei nicht die Entscheidung über Vertriebssysteme gewesen, die von der Klägerin nicht angemeldet worden seien, wie etwa individuelle Verkaufspreisbindungssysteme. Ihre Entscheidung betreffe nur die Frage, ob Systeme wie das der NBA, wenn sie denn tatsächlich die ihnen von den daran Beteiligten zugeschriebenen positiven Wirkungen hätten, kollektiver und nicht individueller Natur sein müssten.

90 Das Gericht weist darauf hin, daß diese Rüge in zweifacher Hinsicht unbegründet ist. Erstens äussert sich die Kommission in der Entscheidung nicht zur Vereinbarkeit individueller Systeme gebundener Verkaufspreise mit den Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft, sondern zu der Frage, ob für den Fall, daß das System der NBA die von der Klägerin behaupteten Vorteile böte, ein solches System kollektiver und nicht individueller Natur sein müsste. Zweitens war die Kommission, wie das Gericht bereits ausgeführt hat (siehe Randnr. 74 dieses Urteils), nicht verpflichtet, der Klägerin ein Alternativsystem mit denselben Vorteilen wie die NBA vorzuschlagen.

Angeblich unrichtige Darstellung des Vorbringens der Klägerin

91 Die Klägerin macht geltend, das zentrale Element ihres Vorbringens sei die Notwendigkeit einer kollektiven Anwendung der Standardbedingungen gewesen, also der Umstand, daß die von den NBA gebotenen Vorteile ohne diese Vereinbarung nur durch die individuelle Anwendung eines Preisbindungssystems durch den einzelnen Verleger nicht erreicht werden könnten. Die Kommission stelle jedoch in Randnummer 71 der Entscheidung zu Unrecht fest, daß die geltend gemachten Argumente nicht so sehr die Notwendigkeit einer gemeinsamen Anwendung von Standardbedingungen betroffen hätten. Entgegen dieser Feststellung ergebe sich aus mehreren Abschnitten des Werkes Books are different eindeutig, daß die Notwendigkeit einer kollektiven Anwendung der Standardbedingungen als entscheidender Faktor herausgestellt worden sei. In Randnummer 72 der Entscheidung habe es die Kommission unterlassen, den vom Vertreter der Klägerin bei der Anhörung vorgetragenen Hinweis auf die Feststellung des Restrictive Practices Court zu erwähnen, daß ein individuelles System der Weiterverkaufspreisbindung nach einer Aufhebung der NBA nicht lange fortbestehen könnte. Schließlich würden in Randnummer 73 der Entscheidung die Ziele der NBA in irreführender Weise dargestellt, da dort nicht berücksichtigt werde, daß die NBA nur auf die Bücher Anwendung fänden, deren Veröffentlichung als "net books" die Verleger individuell und autonom beschlossen hätten. Keinesfalls würden sie durch die NBA hierzu verpflichtet.

92 Die Kommission führt aus, die von der Klägerin bei der Anmeldung der NBA und im Verwaltungsverfahren zur Unerläßlichkeit der Vereinbarung vorgetragenen Argumente seien sämtlich auf eine allgemeine Rechtfertigung der NBA im Lichte ihrer Ziele gerichtet gewesen. Sie hätten sich nicht auf die spezifische Frage bezogen, ob die Anwendung der NBA insoweit, als sie die Ausfuhren und die (Wieder-)Einfuhren zwischen Mitgliedstaaten beträfen, für die Erreichung dieser Ziele unerläßlich seien. Auf diese Frage habe die Kommission die Klägerin in Nr. 72 der Mitteilung der Beschwerdepunkte hinweisen wollen.

93 Das Gericht weist erstens zu den in Randnummer 71 der Entscheidung wiedergegebenen Argumenten der Klägerin darauf hin, daß in der Entscheidung entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht gesagt wird, daß diese keine Argumente zur Notwendigkeit der Anwendung eines kollektiven Systems vorgetragen habe. Insoweit heisst es in der Entscheidung, daß die Argumente nicht so sehr die Notwendigkeit einer gemeinsamen Anwendung von Standardbedingungen im Fall gebundener Buchpreise, sondern vielmehr die Frage betroffen hätten, ob gebundene Preise als solche zur Erreichung der behaupteten Ziele unerläßlich seien. Nach Ansicht des Gerichts ergibt sich jedoch aus Randnummer 71 der Entscheidung eindeutig, daß die Kommission zwar der Auffassung war, daß die von der Klägerin vorgetragenen Argumente vor allem die Frage betrafen, ob gebundene Buchpreise als solche unerläßlich sind, daß sie aber keineswegs ausgeschlossen hat, daß einige Argumente der Klägerin die Notwendigkeit einer gemeinsamen Anwendung der einheitlichen Standardbedingungen in einem System der Buchpreisbindung betrafen. Die Rüge, in Randnummer 71 der Entscheidung werde der Sinn des Vorbringens der Klägerin verzerrt, geht daher in tatsächlicher Hinsicht fehl.

94 Was zweitens das in Randnummer 72 der Entscheidung wiedergegebene Vorbringen und das Argument der Klägerin angeht, die Kommission habe es unterlassen, in der Entscheidung die vom Vertreter der Klägerin bei der Anhörung abgegebene einleitende Erklärung zu der Entscheidung des staatlichen Gerichts zu erwähnen, kann eine solche Unterlassung nach Auffassung des Gerichts nicht als wesentlich angesehen werden. Ohnehin war die Kommission, die das Urteil des Restrictive Practices Court im übrigen berücksichtigt hat, nach der angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofes (siehe Randnr. 75 dieses Urteils) nicht verpflichtet, in ihrer Entscheidung alle tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte zu erörtern, die die Klägerin im Verwaltungsverfahren aufgeworfen hatte.

95 Was drittens das in Randnummer 73 der Entscheidung wiedergegebene Vorbringen angeht, ist festzustellen, daß die Ansicht der Klägerin, in der Entscheidung würden die Tatsachen in irreführender Weise dargestellt, ebenfalls auf einer unrichtigen Auslegung der Entscheidung beruht. Wenn die Kommission nämlich an dieser Stelle der Entscheidung zu dem Schluß kommt, daß die Klägerin zur Erreichung der behaupteten Ziele ein einheitliches System von Einzelhandelsverkaufspreisen für Bücher vorschreibe, so beruht diese Schlußfolgerung nicht auf dem Umstand, daß jeder Verleger verpflichtet wäre, einen Titel als "net book" auf den Markt zu bringen. Diese Frage war Gegenstand einer eingehenden Prüfung in den Randnummern 52 und 53 der Entscheidung. Hieraus ergibt sich, daß die Kommission die Freiheit der Verleger, ein Buch mit gebundenem Preis zu veröffentlichen, berücksichtigt hat, daß sie aber zu Recht die Auffassung vertreten hat, daß, wenn ein Buch als "net book" auf den Markt gebracht wird, die beteiligten Wirtschaftsteilnehmer keinerlei Spielraum mehr für die Anwendung individueller Verkaufsbedingungen haben.

Die vier Argumente der Klägerin für die Unerläßlichkeit der NBA

i) Praktische Schwierigkeiten für die Verleger

96 Bei der Anhörung hat die Klägerin vier spezifische Argumente für die Unerläßlichkeit der Vereinbarungen vorgetragen. Das erste Argument ging in seiner ursprünglichen, vom Vertreter der Klägerin vorgetragenen Fassung dahin, daß es den Verlegern in der Praxis nicht möglich sei, ihre Verkaufsbedingungen jedem Buchhändler individuell zu übermitteln. Diese Übermittlung müsse an jeden Vertragspartner erfolgen und erlaube es im Vereinigten Königreich im übrigen, gegen einen Unterabnehmer, also einen Käufer, der keine unmittelbare vertragliche Beziehung zum Verleger habe, gerichtlich vorzugehen, da der Resale Prices Act 1976 dieses Recht den Verlegern einräume, die ihren Unterabnehmern ihre Verkaufsbedingungen übermittelt hätten. Im schriftlichen und im mündlichen Verfahren vor dem Gericht hat die Klägerin als einen weiteren Aspekt dieses Arguments den Verwaltungsaufwand angeführt, der sich für die Verleger aus der Formulierung eigener Standardverkaufsbedingungen und ihrer Übermittlung an den einzelnen Buchhändler ergeben würde. Die mit den NBA eingerichtete Organisation nehme diese Funktionen wahr und erfuelle eine Aufgabe, die anders für den einzelnen Verleger nicht zu bewältigen wäre.

97 Die Kommission entgegnet, daß die blosse Formulierung von Verkaufsbedingungen nicht mit einem sehr hohen Verwaltungsaufwand verbunden sei. Diese Aufgabe müsse von jedem Wirtschaftsteilnehmer erfuellt werden, der seine Verkaufsbedingungen festlegen wolle. Zudem sei es möglich, daß viele Verleger keine neuen eigenen Bedingungen ausarbeiten wollten, sondern einfach von den derzeitigen Standardbedingungen der Klägerin ausgingen und sie später nach Maßgabe ihrer eigenen Einschätzung ihrer wirtschaftlichen Interessen änderten. Hinsichtlich der Übermittlung der gewählten Verkaufsbedingungen sei zwischen zwei Sachverhalten zu unterscheiden. Der erste sei die Übermittlung an Parteien, zu denen der Verleger eine unmittelbare vertragliche Beziehung habe. In diesem Fall sei keinerlei spürbarer zusätzlicher Aufwand für den Verleger erkennbar. Der zweite Sachverhalt sei die Übermittlung an Personen, zu denen der Verleger keine unmittelbare vertragliche Beziehung habe. Dieser Sachverhalt begegne nur im Vereinigten Königreich, wo die Übermittlung gemäß dem Resale Prices Act 1976 eine Voraussetzung dafür sei, gegenüber Unterabnehmern die Einhaltung der vom ursprünglichen Verkäufer festgelegten Bedingungen für den Weiterverkaufspreis durchzusetzen. Der blosse Umstand, daß solche Übermittlungen verwaltungstechnisch gesehen für die Verleger leichter zu bewerkstelligen seien, wenn sie nicht individuell, sondern über ein kollektives System vorgenommen würden, reiche weder für sich gesehen noch in Verbindung mit anderen Faktoren aus, um die Einführung eines einheitlichen und sehr umfassenden kollektiven Systems der Verkaufspreisbindung zu rechtfertigen.

98 Das Gericht stellt fest, daß dieses Argument in seiner ursprünglichen Formulierung in der Entscheidung zu Recht zurückgewiesen worden ist. Zwar kann ein kollektives Übermittlungssystem den Verwaltungsaufwand für die Verleger verringern, doch rechtfertigt dieser Umstand nicht die Einführung eines Systems, das, wie in der Entscheidung (Randnr. 78) hervorgehoben wird, durch die Festlegung einheitlicher Verkaufsbedingungen, die den freien Wettbewerb im Gemeinsamen Markt beschränken, weit über das hinausgeht, was zur Einführung eines solchen Systems unbedingt erforderlich ist. Die praktischen Erleichterungen, die ein kollektives Übermittlungssystem bietet, rechtfertigen nicht die Einführung eines kollektiven Preisbindungssystems. Soweit sich das Argument auf die Rechtswirkungen des Resale Prices Act 1976 bezieht, hat die Kommission in der Entscheidung im übrigen zu Recht die Ansicht vertreten, daß die Klägerin sich nicht auf die innerstaatlichen Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats berufen kann, um die Unerläßlichkeit einer Vereinbarung auf innergemeinschaftlicher Ebene zu begründen (vgl. zuletzt Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 1991 in der Rechtssache T-30/89, Hilti/Kommission, Slg. 1991, II-1439).

99 Auch der andere Aspekt dieses Arguments, der den Aufwand betrifft, den die Verpflichtung jedes einzelnen Verlegers zur individuellen Formulierung eigener Standardbedingungen bedeuten würde, ist nicht stichhaltig. Wie die Kommission in ihren Schriftsätzen ausgeführt hat, könnten sich die Verleger auf die von ihrer Vereinigung vorgeschlagenen Standardverkaufsbedingungen beziehen, sofern sie diese nicht etwa einheitlich anwendeten, sondern sie ihren Geschäftsinteressen und ihrer jeweiligen Situation anpassten, so daß jeder Wirtschaftsteilnehmer seine Entscheidungsfreiheit behielte.

100 Folglich ist das Vorbringen der Klägerin, die Formulierung individueller Verkaufsbedingungen und ihre Übermittlung an die Buchhändler sei für die Verleger mit einem hohen Verwaltungsaufwand verbunden, nicht begründet, da keineswegs bewiesen ist, daß ein solcher Aufwand über das hinausgeht, was im Geschäftsleben allgemein üblich ist.

ii) Praktische Schwierigkeiten für die Buchhändler

101 Auch das zweite spezifische Argument der Klägerin betrifft einen erhöhten Verwaltungsaufwand, der diesmal die Buchhändler treffen soll. Für die Buchhändler, insbesondere solche, die eine Vielzahl von Titeln auf Lager hielten, sei es unmöglich, je nach Verleger unterschiedliche Verkaufsbedingungen zu beachten, die für jedes einzelne Buch unterschiedliche Ausnahmen vorsähen. Zahlreiche Buchhändler verkauften gemäß den in den Standardverkaufsbedingungen vorgesehenen Ausnahmen ständig "net books" mit Preisnachlaß. Wenn der einzelne Verleger seine eigenen Verkaufsbedigungen anwenden würde, müsste er auch eigene Ausnahmen vorsehen, was jeden Buchhändler, in eine unerträgliche Lage brächte, der mehrere Bestellungen von Büchern verschiedener Verleger zu bearbeiten habe.

102 Zudem habe die Kommission über die administrative Infrastruktur der Buchhändler mit Lagerhaltung nur spekulieren können, da sie diese Frage im Verwaltungsverfahren nicht untersucht habe. Die Klägerin widerspricht auch den Zahlen, die die Kommission dem Fishwick-Bericht entnommen habe, in dem es heisse, daß 20 Verleger etwa 50 % des Inlandsabsatzes auf sich vereinigten, und ersucht das Gericht, diese Zahlen zu überprüfen, falls es dieser Frage Bedeutung beimesse. Ferner bildeten die Verkäufe an Bibliotheken einen wesentlichen Teil der Geschäftstätigkeit vieler Buchhändler mit Lagerhaltung, so daß diese Händler ohne die NBA auch prüfen müssten, ob Personen, die einen Nachlaß verlangten, hierauf tatsächlich Anspruch hätten.

103 Die Kommission hebt zunächst hervor, gewöhnlich sei es Sache desjenigen, der eine Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 beantrage, die Argumente und Beweise dafür vorzutragen, daß sein Antrag die entsprechenden Voraussetzungen erfuelle. Was die Buchhändler mit Lagerhaltung angehe, ließen die ihr vorliegenden Beweismittel nicht den Schluß zu, daß die zusätzliche Arbeit angesichts der administrativen Infrastruktur, über die diese Buchhändler verfügten, übermässig sei. Wie im übrigen der Fishwick-Bericht bestätige, entfielen auf zwölf Verleger zwei Drittel des gesamten Inlandsabsatzes und zwei Drittel aller Ausfuhren.

104 Zu den verschiedenen Kategorien von Sonderverkäufen, für die Sonderbedingungen gelten, führt die Kommission aus, diese Bedingungen könnten zwar je nach Verleger verschieden sein, doch erscheine der Verwaltungsaufwand für die Buchhändler, die in nennenswertem Umfang solche Verkäufe veranstalteten, nicht als übermässig.

105 Das Gericht weist vorab darauf hin, daß dieses Argument, so wie es im Verwaltungsverfahren vorgetragen und später im schriftlichen Verfahren entwickelt worden ist, im wesentlichen den britischen Markt und nicht die Anwendbarkeit des Systems im Rahmen des innergemeinschaftlichen Handels betrifft und daher nicht erheblich ist. Demnach hat die Kommission sich in der Entscheidung zu Recht darauf beschränkt, das Argument so zu beantworten, wie die Klägerin es formuliert hatte, deren Sache es war, die Erfuellung der Voraussetzungen des Artikels 85 Absatz 3 EWG-Vertrag nachzuweisen (siehe Randnr. 74 dieses Urteils). Jedenfalls hat die Kommission, was die Begründung für die Zurückweisung dieses Arguments angeht, dadurch, daß in den ersten drei Absätzen der Randnummer 80 der Entscheidung hervorgehoben wird, daß der Grossteil der verkauften Bücher von einer kleinen Zahl von Verlegern veröffentlicht wird, hinreichend dargelegt, aus welchen Gründen sie nicht der Ansicht ist, daß die Aufhebung der NBA zu einem übermässigen Verwaltungsaufwand für die Buchhändler führen würde. Im schriftlichen Verfahren hat die Kommission im übrigen ihr Vorbringen dadurch ergänzt, daß sie zu Recht auf die modernen Hilfsmittel für die administrative Infrastruktur (Datenverarbeitung usw.) hingewiesen hat, über die Buchhändler mit Lagerhaltung heute verfügen und die ihre Arbeitslast erheblich verringern.

106 Im übrigen wäre das Argument der Klägerin, wie diese selbst auch einräumt, vor allem insoweit erheblich, als es sich auf die einheitlichen Bedingungen für die Gewährung von Nachlässen bezieht, da für jeden Titel, ob in einem kollektiven oder einem individuellen Preisbindungssystems, fast immer ein unterschiedlicher Verkaufspreis gilt. Ohne daß über die Rechtmässigkeit eines Systems einheitlicher Bedingungen für die Gewährung von Nachlässen im Hinblick auf die Wettbewerbsregeln des Gemeinschaftsrechts entschieden zu werden braucht, ist darauf hinzuweisen, daß die Klägerin in keiner Weise dargelegt hat, warum die Verleger unabhängig vom Bestehen eines ° kollektiven oder individuellen ° Preisbindungssystems keine einheitlichen Bedingungen für die Gewährung von Nachlässen anwenden könnten. Schließlich sind auch die besonderen Käuferkategorien (Buchklubs, Bibliotheken, nichtgewerbliche Buchhändler, Grossabnehmer), denen allein im Rahmen des streitigen Systems ein Nachlaß gewährt werden kann, nicht so zahlreich, daß die Festlegung der ihnen gewährten Nachlässe den Buchhändlern eine nicht zu bewältigende Arbeitslast aufbürden würde. Aus diesen Gründen hat die Kommission das zweite spezifische Argument der Klägerin zu Recht als nicht begründet zurückgewiesen.

iii) Gewißheit der Buchhändler über das Verhalten ihrer Konkurrenten

107 Das dritte Argument der Klägerin geht dahin, daß die NBA den Buchhändlern Gewißheit über das Verhalten ihrer Konkurrenten verschafften. Für die Buchhändler sei es wichtig, die Gewißheit zu haben, daß ihre Konkurrenten einen bestimmten Titel nicht zu einem Preis unter dem gebundenen Preis kauften oder verkauften. Diese Gewißheit könne es in einem individuellen Preisbindungssystem nicht geben, da ein einzelner Verleger nicht in der Lage sei, die strikte Einhaltung seiner Bedingungen durch sämtliche Buchhändler des Landes zu kontrollieren oder durchzusetzen.

108 Im übrigen sei der Umstand, daß Fälle von Verletzungen der Standardbedingungen durch Buchhändler relativ selten seien und daß die Überwachung und Durchsetzung der Beachtung dieser Bedingungen mit einer relativ kleinen Organisation geleistet werden könnten, der Einfachheit und Wirksamkeit der NBA zu verdanken. Es sei daher ganz irreführend, diesen Umstand als Argument dafür anzuführen, daß die Einhaltung individueller Bedingungen ohne die NBA genauso gut überwacht werden könnte; dies sei tatsächlich nicht möglich.

109 Nach Ansicht der Kommission besteht dieses Argument aus zwei Teilen: Der erste Teil betreffe die dem Buchhändler durch das streitige System gegebene Gewißheit, daß seine Konkurrenten denselben Bedingungen unterworfen seien wie er; der zweite Teil betreffe die Gewißheit für den Buchhändler, daß diese Bedingungen beachtet würden. Die Klägerin habe nicht dargetan, daß es einem einzelnen Verleger nicht möglich sei, eine "strikte" Beachtung seiner Bedingungen durch alle Buchhändler des Landes zu überwachen oder sogar durchzusetzen.

110 In Randnummer 36 der Entscheidung werde zudem darauf hingewiesen, daß der Klägerin nach ihrem eigenen Vorbringen nur wenige Verletzungen der Standardbedingungen mitgeteilt und tatsächlich festgestellt worden seien. Der wichtigste Umstand aber sei, daß die Überwachung der Einhaltung der NBA hauptsächlich von den Beschwerden der Buchhändler oder von den Feststellungen der Vertreter des betroffenen Verlegers bei ihren Besuchen bei den Buchhändlern abhänge. Daher sei kein Grund für die Annahme erkennbar, daß die Feststellung von Verstössen materiell sehr viel schwieriger werden würde.

111 Das Gericht weist darauf hin, daß dieses Argument in Randnummer 84 der Entscheidung mit der Begründung zurückgewiesen worden ist, es laufe darauf hinaus, daß nach Ansicht der Klägerin Buchhändler gegenüber den einzelnen Mitgliedern der Klägerin, wenn diese im Rahmen eines individuellen Systems der Buchpreisbindung arbeiteten, nicht dasselbe Vertrauen haben könnten wie im Fall einer kollektiven Vereinbarung. Der Kommission sei ganz unverständlich, aus welchem Grund die Vereinigung den einzelnen Verlegern, was deren Verhalten gegenüber den Buchhändlern angehe, derart misstraue, zumal die meisten Verleger jetzt Mitglieder der Vereinigung seien.

112 Nach Ansicht des Gerichts ist diese Antwort rechtlich hinreichend begründet, denn sowohl im Rahmen einer kollektiven als auch in dem einer individuellen Preisbindungsvereinbarung obliegt es derselben Person, dem Verleger, zum einen im Verhältnis zu den Buchhändlern dieselben Verkaufsbedingungen sicherzustellen und zum anderen für die Beachtung dieser Bedingungen beim Weiterverkauf zu sorgen. Selbst wenn unterstellt wird, daß ein kollektives Preisbindungssystem das Vertrauen der Buchhändler subjektiv stärken kann, genügt dieser Umstand allein nicht, um eine Vereinbarung zu rechtfertigen, die durch die verbindliche Festlegung einheitlicher Verkaufspreise für Bücher den freien Wettbewerb im Gemeinsamen Markt übermässig beschränkt. Demnach ist die Antwort der Kommission auf das dritte Argument der Klägerin nicht mit einem Begründungsfehler behaftet.

iv) Notwendigkeit, der Klägerin die Überwachung und Durchsetzung der Einhaltung der Standardbedingungen zu übertragen

113 Die Klägerin ist der Ansicht, daß nur sie praktisch in der Lage sei, die Kontrolle der Einhaltung der Standardbedingungen im Preisbereich zu überwachen und sicherzustellen. Die Kommission habe die Richtigkeit ihres Arguments nicht bestritten, sondern versuche lediglich, dessen Erheblichkeit in Abrede zu stellen. Dieses Argument sei jedoch nicht weniger erheblich als die bereits geprüften, denn es stelle einen weiteren Grund dafür dar, daß die mit der Preisbindung für Bücher verbundenen Vorteile ohne die NBA nicht erreicht werden könnten. Die Zurückweisung dieses Arguments als unerheblich stelle somit einen schweren Begründungsfehler dar.

114 Die Kommission entgegnet über ihr in Randnummer 110 dieses Urteils wiedergegebenes Vorbringen hinaus, daß dieses vierte Argument in der Entscheidung deshalb als nicht erheblich zurückgewiesen worden sei, weil die Klägerin nicht dargelegt habe, warum eine kollektive Vereinbarung über Standardverkaufsbedingungen unerläßlich dafür sei, daß die Klägerin im Namen der Gesamtheit der Verleger handeln könne.

115 Das Gericht ist der Ansicht, daß die Kommission dieses spezifische Argument, mit dem die Klägerin geltend macht, es sei notwendig, die Überwachung und Durchsetzung der Einhaltung der Standardbedingungen einer für die Gesamtheit der Verleger handelnden Vereinigung übertragen, zu Recht mit der Begründung als nicht erheblich angesehen hat, daß es nicht die Notwendigkeit einer kollektiven Vereinbarung über Standardverkaufsbedingungen erkläre (Randnr. 85 der Entscheidung). Ohne daß über die Rechtmässigkeit eines Systems, durch das einer Vereinigung die Überwachung und Anwendung einheitlicher Standardverkaufsbedingungen übertragen wird, im Hinblick auf das Gemeinschaftsrecht entschieden zu werden braucht, ist darauf hinzuweisen, daß die Klägerin keinen stichhaltigen Grund dafür angeführt hat, daß ein solches Überwachungssystem nicht unabhängig vom Bestehen einer kollektiven oder individuellen Preisbindungsvereinbarung eingeführt werden könnte. Ferner hat die Kommission zu Recht die Ansicht vertreten, daß auch im Rahmen eines kollektiven Preisbindungssystem die Überwachung der Einhaltung der Vereinbarung vor allem von den Beschwerden der Buchhändler oder den Feststellungen der Vertreter der betroffenen Verlege abhängt (siehe Randnr. 110 dieses Urteils).

116 Aus alldem ergibt sich, daß die Klägerin nicht nachgewiesen hat, daß die sich aus den NBA ergebenden Wettbewerbsbeschränkungen nicht über das unbedingt Erforderliche hinausgehen, und daß sie daher nicht mit Erfolg geltend machen kann, daß die Kommission ihren Freistellungsantrag mit der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht abgelehnt habe (vgl. insbesondere Urteile des Gerichtshofes vom 8. Juni 1982 in der Rechtssache 258/78, Nungesser/Kommission, Slg. 1982, 2015, Randnr. 77, und vom 27. Januar 1987 in der Rechtssache 45/85, Verband der Sachversicherer/Kommission, Slg. 1987, 405, Randnr. 58. Daher ist festzustellen, daß sich die Kommission bei der Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag nicht auf unrichtige Sachverhaltsfeststellungen gestützt und weder einen Rechtsfehler noch einen offenkundigen Beurteilungsfehler begangen hat. Der vorliegende Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

117 Da der Antrag auf Nichtigerklärung von Artikel 2 der Entscheidung zurückzuweisen ist, braucht der Klagegrund, mit dem die Klägerin geltend macht, daß die Nichtigerklärung von Artikel 2 der Entscheidung durch das Gericht die Nichtigerklärung ihres Artikels 1 nach sich ziehen müsse, nicht geprüft zu werden. Da die gegen die Artikel 1 und 2 der Entscheidung gerichteten Anträge der Klägerin vom Gericht zurückgewiesen worden sind, müssen auch die gegen die Artikel 3 und 4 der Entscheidung gerichteten Anträge zurückgewiesen werden.

118 Demgemäß ist die Klage abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

119 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung vor dem Gerichtshof aufzuerlegen.

Kosten

119 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung vor dem Gerichtshof aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung vor dem Gerichtshof.

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung vor dem Gerichtshof.

Ende der Entscheidung

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