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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 10.07.1991
Aktenzeichen: T-69/89
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Der Inhalt der der Kommission nach Artikel 10 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17 obliegenden Verpflichtungen, dem Beratenden Ausschuß für Kartell- und Monopolfragen eine Darstellung des Sachverhalts unter Angabe der wichtigsten Schriftstücke sowie einen vorläufigen Entscheidungsvorschlag für jeden zu behandelnden Fall vorzulegen, und die Frage, ob es sich um wesentliche Verpflichtungen handelt, sind in jedem Einzelfall aufgrund des Zwecks der Vorlage der Schriftstücke zu prüfen, der darin besteht, es dem Ausschuß zu ermöglichen, seine beratende Funktion in voller Kenntnis der Umstände auszuüben. Der Ausschuß muß über die wichtigsten tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten des Verfahrens zur Anwendung der Artikel 85 und 86 EWG-Vertrag, mit dem er befasst ist, informiert sein und insbesondere - gemäß dem allgemeinen Grundsatz, daß die in einem Verfahren zur Feststellung einer Zuwiderhandlung beschuldigten Unternehmen einen Anspruch auf Anhörung haben - in aller Objektivität über den Standpunkt und die wesentlichen Argumente dieser Unternehmen unterrichtet sein, wie sie in deren Erklärungen zu allen von der Kommission im Anschluß an die Untersuchung gegen sie erhobenen Beschwerdepunkten zum Ausdruck gekommen sind.

Zwar gehört die Niederschrift über die Anhörung der Unternehmen grundsätzlich zu den wichtigsten Schriftstücken im Sinne des Artikels 10 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17 und muß dem Ausschuß somit bei seiner Einladung übermittelt werden. Diese Übermittlung stellt jedoch nur dann eine wesentliche Förmlichkeit dar, wenn sie im gegebenen Fall erforderlich ist, damit der Beratende Ausschuß seine Stellungnahme in voller Kenntnis der Umstände abgeben kann, das heisst ohne durch Ungenauigkeiten oder Auslassungen in einem wesentlichen Punkt irregeführt zu werden. Dies ist nicht der Fall, wenn die Niederschrift über die Anhörung keine wichtigen neuen Informationen enthält, die in den der Einladung des Beratenden Ausschusses beigefügten schriftlichen Antworten des betroffenen Unternehmens auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht enthalten sind.

2. Die in Artikel 10 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17 festgesetzte Frist von vierzehn Tagen für die Einladung des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen ist eingehalten, wenn die Anhörung in einer bestimmten Sache frühestens am vierzehnten Tag nach Absendung der Einladung an den Beratenden Ausschuß im Rahmen einer gemeinsamen Sitzung dieses Ausschusses und der Kommission stattfindet.

Diese Frist von vierzehn Tagen ist eine rein interne Verfahrensregel, deren Nichteinhaltung nur dann zur Rechtswidrigkeit der endgültigen Entscheidung der Kommission führen kann, wenn der Ausschuß nicht genügend Zeit hatte, um von den wesentlichen Einzelheiten der Sache Kenntnis zu nehmen und in voller Kenntnis der Umstände zu entscheiden, und seine verspätete Einladung deshalb nachteilige Folgen für das betroffene Unternehmen haben konnte.

3. Der Markt der wöchentlichen Fernsehprogrammvorschauen und derjenige der Fernsehzeitschriften, in denen sie veröffentlicht werden, stellen im Hinblick auf die Anwendung des Artikels 86 EWG-Vertrag Teilmärkte des allgemeinen Marktes der Information über die Fernsehprogramme dar. Auf ihnen wird ein Erzeugnis, die Information über die wöchentlichen Programme, angeboten, nach dem eine besondere Nachfrage sowohl seitens Dritter, die einen umfassenden Fernsehprogrammführer veröffentlichen und vertreiben möchten, als auch seitens der Fernsehzuschauer besteht.

4. Nach der Systematik des Vertrages ist Artikel 36, wenn es darum geht, den Umfang des Schutzes zu ermitteln, den er dem gewerblichen und kommerziellen Eigentum gewähren will, aus der Sicht der Ziele und der Tätigkeit der Gemeinschaft, wie sie in den Artikeln 2 und 3 EWG-Vertrag definiert sind, auszulegen. Dabei sind insbesondere die Erfordernisse zu berücksichtigen, die mit der Schaffung des in Artikel 3 Buchstabe f genannten Systems des freien Wettbewerbs innerhalb der Gemeinschaft verbunden sind und ihren Ausdruck unter anderem in den durch die Artikel 85 und 96 EWG-Vertrag aufgestellten Verboten finden.

5. Wenn auch der Schutz des spezifischen Gegenstands des Urheberrechts dessen Inhaber grundsätzlich das vom EWG-Vertrag nicht berührte Recht verleiht, sich die ausschließliche Befugnis zur Vervielfältigung des geschützten Werkes vorzubehalten, und wenn auch die Ausübung dieses ausschließlichen Rechts als solche nicht mißbräuchlich ist, so gilt dies doch dann nicht, wenn sich aus den Umständen des Einzelfalls ergibt, daß mit den Bedingungen und Modalitäten der Ausübung dieses ausschließlichen Rechts in Wirklichkeit ein Ziel verfolgt wird, das in offensichtlichem Widerspruch zu den Zwecken des Artikels 86 EWG-Vertrag steht. In einem solchen Fall entspricht nämlich die Ausübung des Urheberrechts nicht mehr der wesentlichen Funktion dieses Rechts im Sinne des Artikels 36 EWG-Vertrag, die darin besteht, den Schutz der Rechte an dem geistigen Werk und die Vergütung der schöpferischen Arbeit unter Beachtung der Zwecke insbesondere des Artikels 86 sicherzustellen.

Dies ist der Fall, wenn eine Sendeanstalt das ihr nach dem nationalen Recht zustehende Urheberrecht an ihren wöchentlichen Fernsehprogrammvorschauen in der Weise ausübt, daß sie sich deren ausschließliche Veröffentlichung vorbehält und dadurch verhindert, daß ein neues Erzeugnis, das die Programme aller Sender, die die Fernsehzuschauer empfangen können, zusammenfasst und nach dem eine potentielle Nachfrage der Verbraucher besteht, auf den abgeleiteten Markt der Fernsehzeitschriften kommt, auf dem sie ein Monopol besitzt.

6. Bei der Auslegung und Anwendung der in Artikel 86 EWG-Vertrag enthaltenen Voraussetzung betreffend die Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten muß man von dem Zweck dieser Voraussetzung ausgehen, auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts von dem des innerstaatlichen Rechts abzugrenzen. Unter den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen so alle Übungen, die geeignet sind, die Freiheit des Handels zwischen Mitgliedstaaten in einer Weise zu gefährden, die der Verwirklichung der Ziele eines einheitlichen Marktes zwischen den Mitgliedstaaten nachteilig sein kann, indem insbesondere die nationalen Märkte abgeschottet werden oder die Wettbewerbsstruktur im Gemeinsamen Markt verändert wird. Für die Anwendbarkeit des Artikels 86 reicht es somit aus, daß das mißbräuchliche Verhalten geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, ohne daß es erforderlich wäre, das Vorliegen einer gegenwärtigen und tatsächlichen Auswirkung auf den zwischenstaatlichen Handel festzustellen.

7. Die der Kommission durch Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 eingeräumte Befugnis, die betroffenen Unternehmen zu verpflichten, die festgestellte Zuwiderhandlung abzustellen, umfasst das Recht der Kommission, diesen aufzugeben, bestimmte Handlungen vorzunehmen oder zu unterlassen, um die Zuwiderhandlung abzustellen. Unter diesem Blickwinkel bestimmen sich die diesen Unternehmen auferlegten Verpflichtungen unter Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalls nach den Erfordernissen der Wiederherstellung der Legalität.

8. Ein Mitgliedstaat kann sich nicht nach Artikel 234 EWG-Vertrag auf eine vor Inkrafttreten des EWG-Vertrags geschlossene Übereinkunft berufen, um Beschränkungen des Handels zwischen den Mitgliedstaaten zu rechtfertigen. Denn diese Vorschrift, mit der bezweckt ist, sicherzustellen, daß die Geltung des EWG-Vertrags weder der gebotenen Achtung der Rechte, die dritten Ländern aufgrund einer früher mit einem Mitgliedstaat geschlossenen Übereinkunft zustehen, noch der Einhaltung der sich aus der Übereinkunft ergebenden Verpflichtungen durch diesen Mitgliedstaat entgegensteht, bezieht sich nur auf die Rechte und Pflichten im Verhältnis zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (ZWEITE KAMMER) VOM 10. JULI 1991. - RADIO TELEFIS EIREANN GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - WETTBEWERB - MISSBRAUCH EINER BEHERRSCHENDEN STELLUNG - URHEBERRECHT - PRAKTIKEN ZUR VERHINDERUNG DER VEROEFFENTLICHUNG UND DES VERKAUFS VON UMFASSENDEN WOECHENTLICHEN FERNSEHPROGRAMMFUEHRERN. - RECHTSSACHE T-69/89.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt und Verfahren

1 Radio Telefis Eireann (RTE) hat mit Klageschrift, die am 10. März 1989 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, die Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 21. Dezember 1988 (im folgenden: Entscheidung) beantragt, in der festgestellt wurde, daß die Praxis und Politik von RTE in der entscheidungserheblichen Zeit hinsichtlich ihrer wöchentlichen Vorausschauen über Fernseh- und Hörfunkprogramme (1), die in Irland und Nordirland empfangen werden können, Zuwiderhandlungen gegen Artikel 86 EWG-Vertrag darstellen, insoweit sie die Veröffentlichung und den Verkauf von umfassenden wöchentlichen Fernsehprogrammführern in diesem Gebiet verhindern. Die vorliegende Klage steht in Zusammenhang mit den Nichtigkeitsklagen, die die übrigen Adressatinnen dieser Entscheidung, nämlich die British Broadcasting Corporation and BBC Enterprises Limited (im folgenden: BBC) und die Independent Television Publications Ltd (im folgenden: ITP) parallel gegen diese Entscheidung erhoben haben (Rechtssachen T-70/89 und T-76/89).

2 Der Hintergrund der Entscheidung lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die meisten Haushalte in Irland und 30 bis 40 % der Haushalte in Nordirland können mindestens sechs Sender empfangen: RTE 1 und RTE 2, die von der Klägerin beschickt werden, die ein gesetzliches Monopol für die landesweite Veranstaltung von Hörfunk- und Fernsehsendungen auf Hertzschen Wellen in Irland innehat, BBC 1 und BBC 2, beschickt von der BBC, sowie ITV und Channel 4, die in der entscheidungserheblichen Zeit von den Fernsehgesellschaften beschickt wurden, die von der Independent Broadcasting Authority (im folgenden: IBA) eine Konzession für die Durchführung von Sendungen für das Privatfernsehen erhalten hatten. Im Vereinigten Königreich bestand ein Duopol der BBC und der IBA für die landesweite Veranstaltung von Fernsehsendungen auf Hertzschen Wellen. Ausserdem empfingen viele Zuschauer in Großbritannien und Irland, sei es direkt, sei es über Kabelgesellschaften, mehrere Satellitenfernsehprogramme. In Nordirland gab es jedoch kein Kabelfernsehen.

In der entscheidungserheblichen Zeit gab es in Irland und Nordirland wegen der Politik der Adressatinnen der Entscheidung hinsichtlich der Verbreitung von Informationen über die Programme der sechs genannten Sender keinen umfassenden wöchentlichen Fernsehprogrammführer. Jede Adressatin veröffentlichte einen Fernsehprogrammführer, der ausschließlich ihre eigenen Programme enthielt, und widersetzte sich ihrer Wiedergabe durch Dritte unter Berufung auf den urheberrechtlichen Schutz ihrer wöchentlichen Programmvorschauen nach dem United Kingdom Copyright Act 1956 (Urheberrechtsgesetz des Vereinigten Königreichs) und dem Irish Copyright Act 1963 (Irisches Urheberrechtsgesetz).

Diese Programmvorschauen geben den Inhalt der Programme, den Sendekanal sowie das Datum, die Zeit und den Titel der Sendungen wieder. Sie durchlaufen mehrere Entwurfsstadien, in denen sie zunehmend genauer werden. Das endgültige Wochenprogramm wird etwa zwei Wochen vor der Sendung festgelegt. In diesem Augenblick werden die Programmvorschauen, wie es in der Entscheidung (Randnr. 7) heisst, zu vermarktbaren Produkten.

3 Was insbesondere den vorliegenden Fall betrifft, ist festzustellen, daß die Klägerin sich das ausschließliche Recht der Veröffentlichung der Wochenprogramme von RTE 1 und RTE 2 im RTE Guide, ihrer eigenen Zeitschrift für die Präsentation ihrer Programme, vorbehalten hat.

4 Die Klägerin ist eine öffentliche Anstalt (statutory authority), die durch den Broadcasting Authority Act 1960 und den Broadcasting Authority (Amendment) Act 1976 errichtet wurde. Sie hat insbesondere die Aufgabe, als öffentliche Dienststelle landesweit Hörfunk- und Fernsehsendungen zu veranstalten, wofür sie ein gesetzliches Monopol innehat. Im Rahmen ihrer Aufgabe hat die RTE insbesondere für die Pflege der irischen Sprache und Kultur Sorge zu tragen. Nach Section 17 (a) des Broadcasting Authority Act 1960 in der Fassung von Section 13 (a) des Broadcasting Authority (Amendment) Act 1976 soll die Klägerin namentlich "für die Interessen und Sorgen der gesamten Gemeinschaft aufgeschlossen sein, die Notwendigkeit beachten, daß auf der ganzen Insel Irland Verständnis und Friede herrschen sollen, dafür sorgen, daß die Programme die verschiedenen Elemente widerspiegeln, die die Kultur des Volkes der ganzen Insel Irland ausmachen, und besonders den Faktoren, die die Besonderheit dieser Kultur ausmachen, sowie vor allem der irischen Sprache Rechnung tragen".

5 Bei ihrer Finanzierung hat die Klägerin nach Section 24 des genannten Gesetzes von 1960 "ihre Angelegenheiten so zu führen, daß sichergestellt ist, daß ihre Einnahmen zum frühestmöglichen Zeitpunkt eine zumindest ausreichende Höhe erreichen und von da an behalten", daß ihr Jahresabschluß ausgeglichen ist und daß angemessene Rückstellungen für ihre Immobilieninvestitionen und die Entwicklung ihrer Betriebseinrichtung gebildet werden können. Die Klägerin bezieht ihre Einnahmen aus drei Quellen: Lizenzgebühren, Werbung und Veröffentlichungen.

6 Nach Section 16 (2) (j) des Gesetzes von 1960 ist die Klägerin vorbehaltlich der Zustimmung des zuständigen Ministers befugt, "Zeitschriften, Bücher, Papiere und andere Druckwerke entgeltlich oder unentgeltlich herzustellen, zu veröffentlichen und zu vertreiben, die [ihr] der Verwirklichung ihrer Zwecke förderlich oder ihnen zugehörig zu sein scheinen". So wurde die Klägerin im Jahre 1961 ermächtigt, eine Fernsehprogrammzeitschrift, den RTE Guide, herauszugeben. Durch diese Zeitschrift sollen die Programme der Klägerin einschließlich der Kulturprogramme und der den Interessen von Minderheiten Rechnung tragenden Programme bekanntgemacht und gefördert werden. Nach den Angaben der Klägerin brachte die Zeitschrift in den ersten 20 Jahren ihres Bestehens Verluste. Jetzt dagegen stelle sie "eine wichtige Einnahmequelle" für RTE-Vorhaben dar; die Klägerin führe den entsprechenden Gewinn dem Budget für die Produktion von Hörfunk- und Fernsehprogrammen zu. So habe der Gesamtumsatz (Verkäufe und Werbung) aus der Veröffentlichung und dem Verkauf der Zeitschrift beispielsweise 1985 3,9 Millionen IRL überstiegen.

7 1988 wurde der RTE Guide jede Woche in ungefähr 123 000 Exemplaren in Irland für 0,40 IRL und in 6 500 Exemplaren in Nordirland für 0,50 UKL verkauft. Diese Zahlen bedeuten nach dem Vorbringen der Klägerin, daß in Irland nur 11,5 % der Haushalte oder Einrichtungen, die Fernsehgeräte besitzen, das heisst 3,7 % der Fernsehzuschauer, den RTE Guide kauften.

8 Zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung veröffentlichte der RTE Guide nur die Fernsehprogrammvorschauen von RTE 1 und RTE 2, die durch Darstellerlisten und vergleichende Übersichten ergänzt wurden. Er enthielt auch kurze Kommentare oder Artikel auf irisch oder auf englisch zu bestimmten Programmen, Beiträge zu Schwerpunktthemen, Hintergrundinformationen, Leserbriefe sowie Werbung in beträchtlichem Umfang.

9 Dritten gegenüber praktizierte die Klägerin in der entscheidungserheblichen Zeit folgende Politik hinsichtlich der Information über ihre Programme: Sie verteilte die Programme ihrer Sendungen auf Anfrage kostenlos an Tageszeitungen oder Zeitschriften; gleichzeitig erteilte sie dabei eine unentgeltliche Lizenz, in der die Bedingungen festgesetzt waren, unter denen diese Informationen abgedruckt werden durften. Tageszeitungen konnten so unter Beachtung bestimmter, das Format dieser Veröffentlichung betreffender Bedingungen die Programme des jeweiligen Tages sowie am Vorabend von Feiertagen die Programme von zwei Tagen veröffentlichen. Wochenzeitungen und Sonntagszeitungen wurde es darüber hinaus gestattet, die "Höhepunkte" der Fernsehprogramme der Woche zu veröffentlichen. Die Klägerin wachte über die strenge Einhaltung der in der Lizenz genannten Bedingungen und ging gegen Veröffentlichungen, die diese Bedingungen nicht erfuellten, gegebenenfalls gerichtlich vor.

10 Der Verlag Magill TV Guide Ltd. (im folgenden: Firma Magill), eine Gesellschaft irischen Rechts, ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der Magill Publications Holding Ltd. Er wurde zu dem Zweck gegründet, in Irland und Nordirland eine Wochenzeitschrift, den Magill TV Guide, zu veröffentlichen, die Informationen über die von den Zuschauern in diesem Gebiet zu empfangenden Fernsehprogramme enthalten sollte. Nach den Angaben der Beteiligten wurde mit der Veröffentlichung im Mai 1985 begonnen. Ursprünglich habe sich die Zeitschrift darauf beschränkt, Informationen über die Wochenendprogramme von RTE, BBC, ITV und Channel 4 sowie über Höhepunkte ihrer wöchentlichen Programme zu geben. Am 28. Mai 1986 wurde eine Nummer des Magill TV Guide veröffentlicht, in der die wöchentlichen Programme aller in Irland zu empfangenden Fernsehsender - einschließlich RTE 1 und RTE 2 - ganz wiedergegeben waren. Daraufhin verpflichtete ein irisches Gericht auf Antrag von RTE, BBC und ITP die Firma Magill durch einstweilige Anordnung, die Veröffentlichung der wöchentlichen Programme dieser drei Gesellschaften einzustellen. Aufgrund dieser Anordnung gab die Firma Magill ihre verlegerische Tätigkeit auf. Die Hauptsache wurde teilweise vom High Court geprüft, der in einem am 26. Juli 1989 von Richter Lardner erlassenen Urteil zum Umfang des Urheberrechts an den Programmvorschauen nach irischem Recht Stellung nahm. In dem Urteil heisst es dazu: "Ich bin der Überzeugung, daß jedes Wochenprogramm das Ergebnis einer erheblichen vorherigen Überlegung und Arbeit sowie von Können und Urteilsvermögen ist. Es ist eine Schöpfung der RTE... Aufgrund der vorgebrachten Beweise bin ich davon überzeugt, daß die wöchentlichen Programmvorschauen von RTE, wie sie im RTE Guide veröffentlicht werden, literarische Werke und Zusammenstellungen im Sinne der Sections 2 und 8 des Copyright Act 1963 sind, daß RTE nachgewiesen hat, daß sie urheberrechtlichen Schutz für diese Programmvorschauen genießt und daß die Beklagten dadurch, daß sie ihren Fernsehprogrammführer für die Woche vom 31. Mai bis zum 6. Juni 1986 veröffentlicht haben, das Urheberrecht von RTE verletzt haben, indem sie einen wesentlichen Teil des geschützten Werkes vervielfältigt haben" (Irish Law Reports Monthly 1990, 534, 541).

11 Bereits am 4. April 1986 hatte die Firma Magill, da sie vollständige wöchentliche Programmvorschauen veröffentlichen wollte, eine Beschwerde nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962 Nr. 13, S. 204), bei der Kommission eingereicht, um feststellen zu lassen, daß ITP, BBC und RTE ihre beherrschende Stellung mißbrauchten, indem sie es ablehnten, Lizenzen für die Veröffentlichung ihrer wöchentlichen Programmvorschauen zu erteilen. Am 16. Dezember 1987 beschloß die Kommission, ein Verfahren einzuleiten; am 4. März 1988 übersandte sie der Klägerin eine Mitteilung der Beschwerdepunkte. Nach Abschluß dieses Verfahrens erließ sie am 21. Dezember 1988 die Entscheidung, die Gegenstand der vorliegenden Klage ist.

12 In der Entscheidung werden die relevanten Produkte gegenüber den drei genannten Unternehmen wie folgt umschrieben: Es handelt sich um die wöchentlichen Programmvorschauen von ITP, BBC und RTE sowie die Fernsehprogrammführer, in denen diese veröffentlicht werden (Randnr. 20 Absatz 1 der Entscheidung). Eine Programmvorschau enthält nach der Umschreibung durch die Kommission "eine Liste der Sendungen, die von oder im Auftrag einer Sendeanstalt in einem bestimmten Zeitraum ausgestrahlt werden. Sie umfasst zumindest die folgenden Informationen: den Titel jeder Sendung, den Sendekanal, das Datum und die Zeit der Sendung" (Randnr. 7 der Entscheidung).

Die Kommission stellt fest, aufgrund des faktischen Monopols der Sendeanstalten für ihre wöchentlichen Programmvorschauen seien Dritte, die an der Veröffentlichung eines wöchentlichen Fernsehprogrammführers interessiert seien, "in einer Situation wirtschaftlicher Abhängigkeit, die für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung charakteristisch" sei. Darüber hinaus werde dieses Monopol insofern zu einem rechtlichen Monopol verstärkt, als diese Anstalten den Schutz des Urheberrechts für ihre jeweiligen Programmvorschauen in Anspruch nähmen. Das Ergebnis ist nach Auffassung der Kommission, daß "einem Wettbewerb durch Dritte auf diesen Märkten keine Existenzmöglichkeit eingeräumt wird". Die Kommission leitet daraus her, daß "ITP, BBC und RTE eine beherrschende Stellung im Sinne des Artikels 86 einnehmen" (Randnr. 22 der Entscheidung).

13 Um das Vorliegen eines Mißbrauchs darzutun, stützt sich die Entscheidung namentlich auf Artikel 86 Absatz 2 Buchstabe b EWG-Vertrag, wonach es einen Mißbrauch darstellt, wenn ein Unternehmen, das eine beherrschende Stellung einnimmt, die Erzeugung oder den Absatz zum Schaden der Verbraucher einschränkt (Randnr. 23 Absatz 1 der Entscheidung). Die Kommission ist insbesondere der Auffassung, daß auf dem Markt eine "wesentliche potentielle Nachfrage... nach umfassenden Fernsehprogrammführern" (Randnr. 23 Absatz 4) bestehe. Sie stellt fest, daß die Klägerin ihre beherrschende Stellung dadurch mißbrauche, daß sie sie dazu benutze, "die Einführung eines neuen Produkts auf den Markt, nämlich eines umfassenden wöchentlichen Fernsehprogrammführers, zu verhindern". Sie fügt hinzu, der Mißbrauch beruhe zusätzlich auch darauf, daß die Klägerin mit Hilfe der ihr vorgeworfenen Politik hinsichtlich der Information über ihre Programme auch den abgeleiteten Markt der wöchentlichen Führer für diese Programme für sich behalte (Randnr. 23 der Entscheidung).

Die Kommission wendet sich daher gegen das Vorbringen, die beanstandeten Handlungen seien durch den Urheberrechtsschutz gerechtfertigt, und erklärt, daß im vorliegenden Fall ITP, BBC und RTE "das Urheberrecht als Mittel des Mißbrauchs einsetzen, in einer Art, die nicht vom spezifischen Gegenstand dieses Immaterialgüterrechts erfasst wird" (Randnr. 23 vorletzter Absatz).

14 Bezueglich der Maßnahmen zur Abstellung der Zuwiderhandlung bestimmt Artikel 2 der Entscheidung: "ITP, BBC und RTE stellen die in Artikel 1 genannten Zuwiderhandlungen unverzueglich ab, indem sie sich gegenseitig und Dritten auf Anfrage ihre jeweiligen wöchentlichen Programmvorschauen auf nichtdiskriminierender Basis zur Verfügung stellen und die Wiedergabe durch Dritte gestatten. Diese Forderung erstreckt sich nicht auf die in der vorliegenden Entscheidung umschriebenen Zusatzinformationen zu den Vorschauen. Wenn sie sich dafür entscheiden, diese Programme aufgrund von Lizenzen zur Verfügung zu stellen und wiedergeben zu lassen, so müssen die von ITP, BBC und RTE geforderten Lizenzgebühren angemessen sein. ITP, BBC und RTE können in ihre Lizenzen, die sie Dritten erteilen, Bedingungen aufnehmen, die sie für erforderlich halten, um eine umfassende und hochwertige Berichterstattung über alle ihre Programme einschließlich derjenigen für Minderheiten und/oder der Regionalprogramme sowie der Programme von kultureller, historischer oder erzieherischer Bedeutung sicherzustellen. Den Adressaten wird deshalb aufgegeben, der Kommission innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntgabe dieser Entscheidung Vorschläge über die Bedingungen, zu denen Dritten die Veröffentlichung der wöchentlichen Programmvorschauen, die Gegenstand dieser Entscheidung sind, gestattet werden soll, zur Zustimmung zu unterbreiten."

15 Parallel zur vorliegenden Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung hat die Klägerin mit Schriftsatz vom selben Tag, das heisst vom 10. März 1989, die Aussetzung des Vollzugs des Artikels 2 der Entscheidung beantragt. Der Präsident des Gerichtshofes hat durch Beschluß vom 11. Mai 1989 folgendes angeordnet: "Der Vollzug von Artikel 2 der [angefochtenen] Entscheidung..., soweit diese Bestimmung die Antragstellerinnen verpflichtet, unverzueglich die von der Kommission festgestellte Zuwiderhandlung abzustellen, indem sie sich gegenseitig und Dritten auf Anfrage und auf einer nichtdiskriminierenden Basis ihre jeweiligen vorausschauenden wöchentlichen Programmlisten zur Verfügung stellen und die Veröffentlichung durch diese gestatten, wird ausgesetzt." Im übrigen ist der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen worden (verbundene Rechtssachen 76/89, 77/89 und 91/89 R, Slg. 1989, 1141, Randnr. 20).

Im Rahmen der vorliegenden Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung hat der Gerichtshof durch Beschluß vom 6. Juli 1989 die Firma Magill als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen. Das schriftliche Verfahren hat teilweise vor dem Gerichtshof stattgefunden, der die vorliegende Rechtssache durch Beschluß vom 15. November 1989 gemäß Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 des Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften an das Gericht verwiesen hat. Das Gericht hat auf Bericht des Berichterstatters nach Ablauf des schriftlichen Verfahrens beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.

Anträge der Parteien

16 Die Klägerin beantragt,

- die Entscheidung für nichtig zu erklären,

- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Die Kommission als Beklagte beantragt,

- die Klage abzuweisen,

- der Klägerin die Kosten der Kommission aufzuerlegen.

Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung insgesamt

17 Zur Begründung ihres Antrags, die Entscheidung insoweit für nichtig zu erklären, als sie das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 86 EWG-Vertrag feststellt, beruft sich die Klägerin auf Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung des Artikels 86 EWG-Vertrag im Zusammenhang mit dem Urheberrecht sowie Verstoß gegen Artikel 90 Absatz 2 EWG-Vertrag.

1. Verletzung wesentlicher Formvorschriften

- Vorbringen der Parteien

18 Die Klägerin führt aus, die Kommission habe unter Verstoß gegen die Formvorschriften des Artikels 10 der Verordnung Nr. 17 nicht den Beratenden Ausschuß angehört. Dieser Klagegrund gliedert sich in zwei Teile. Erstens macht die Klägerin geltend, es gebe "Anzeichen dafür", daß die der Einladung des Beratenden Ausschusses beigefügten Schriftstücke unvollständig gewesen seien. Gefehlt hätten "die genehmigte Niederschrift über die Anhörung" sowie der Entscheidungsvorschlag. Zweitens trägt die Klägerin vor, die Sitzung des Beratenden Ausschusses, die fünf Tage gedauert habe, habe am 28. November 1988 begonnen, das heisst entgegen Artikel 10 weniger als vierzehn Tage nach Absendung der Einladung.

19 Die Klägerin führt aus, die genannten Formvorschriften seien wesentlicher Natur. Aus Artikel 10 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17 in Verbindung mit Artikel 9 Absatz 4 der Verordnung Nr. 99/63/EWG der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates (ABl. Nr. 127, S. 2268) ergebe sich, daß die Niederschrift über die Anhörung dem Beratenden Ausschuß zur Verfügung gestellt werden müsse. Artikel 9 Absatz 4 der Verordnung Nr. 99/63 schreibt, wie die Klägerin darlegt, vor, daß über die wesentlichen Erklärungen jeder angehörten Person im Verwaltungsverfahren eine Niederschrift anzufertigen ist, die verlesen und von der angehörten Person genehmigt wird. Artikel 10 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17 bestimmt: "Die Anhörung [des Beratenden Ausschusses] erfolgt in einer gemeinsamen Sitzung, zu der die Kommission einlädt; diese Sitzung findet frühestens vierzehn Tage nach Absendung der Einladung statt. Der Einladung sind eine Darstellung des Sachverhalts unter Angabe der wichtigsten Schriftstücke sowie ein vorläufiger Entscheidungsvorschlag für jeden zu behandelnden Fall beizufügen."

20 Die Kommission vertritt dagegen die Auffassung, ihre Verfahrensweise habe im Einklang mit den von der Klägerin genannten Rechtsvorschriften gestanden. Der Beratende Ausschuß sei am 2. Dezember 1988, also vierzehn Tage nach Absendung der Einladung, zusammengetreten. Den Mitgliedern des Ausschusses hätten die Beschwerde, das Schreiben über die Einleitung des Verfahrens, die Mitteilung der Beschwerdepunkte, die Antworten auf diese und ein Entscheidungsvorschlag vorgelegen. Dem Ausschuß sei mitgeteilt worden, daß die Niederschrift über die Anhörung vom 15. und 16. September 1988 aufgrund der unterschiedlichen Erklärungen der Beteiligten dazu noch nicht fertiggestellt sei. Die Mitglieder des Ausschusses hätten keine weiteren Schriftstücke angefordert. Die Kommission weist insoweit darauf hin, daß dem Ausschuß bei seiner Anhörung nicht notwendigerweise die endgültige Niederschrift über die Anhörung vorliegen müsse.

- Rechtliche Würdigung

21 Zum ersten Teil des Klagegrundes, der die Unvollständigkeit der der Einladung des Beratenden Ausschusses beigefügten Schriftstücke betrifft, ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission nach Artikel 10 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17 verpflichtet ist, "eine Darstellung des Sachverhalts unter Angabe der wichtigsten Schriftstücke sowie ein[en] vorläufige[n] Entscheidungsvorschlag für jeden zu behandelnden Fall" vorzulegen. Der Inhalt der sich aus dieser Vorschrift ergebenden Verpflichtungen und die Frage, ob es sich um wesentliche Verpflichtungen handelt, sind in jedem Einzelfall aufgrund des Zwecks der Vorlage der Schriftstücke zu prüfen, der darin besteht, es dem Ausschuß zu ermöglichen, seine beratenden Funktionen in voller Kenntnis der Umstände auszuüben. Der Ausschuß muß über die wichtigsten tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten des Verfahrens zur Anwendung der Artikel 85 und 86, mit dem er befasst ist, informiert sein. Obwohl die Anhörung im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten erfolgt und nicht bezweckt, ein kontradiktorisches Verfahren gegenüber den betroffenen Unternehmen durchzuführen, muß der Ausschuß insbesondere - gemäß dem allgemeinen Grundsatz, daß die in einem Verfahren zur Feststellung einer Zuwiderhandlung beschuldigten Unternehmen einen Anspruch auf Anhörung haben - in aller Objektivität über den Standpunkt und die wesentlichen Argumente dieser Unternehmen unterrichtet sein, wie sie in deren Erklärungen zu allen von der Kommission im Anschluß an die Untersuchung gegen sie erhobenen Beschwerdepunkten zum Ausdruck gekommen sind.

22 Deshalb gehört die Niederschrift über die Anhörung grundsätzlich zu den wichtigsten Schriftstücken im Sinne des Artikels 10 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17 und muß dem Ausschuß somit bei seiner Einladung übermittelt werden. Dazu ist festzustellen, daß der Beratende Ausschuß eingeladen wird, nachdem die Unternehmen die Möglichkeit gehabt haben, schriftlich durch ihre Antworten auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte und sodann gegebenenfalls mündlich in der mündlichen Phase der Anhörung ihre Auffassung zu den gegen sie erhobenen Beschwerdepunkten geltend zu machen. Denn nach Artikel 1 der Verordnung Nr. 99/63 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17 nimmt die Kommission eine Anhörung vor, bevor sie den Beratenden Ausschuß für Kartell- und Monopolfragen anhört. Ausserdem heisst es in Artikel 9 Absatz 4 dieser Verordnung zur mündlichen Phase der Anhörung, daß über die wesentlichen Erklärungen jeder angehörten Person eine Niederschrift angefertigt wird, die verlesen und von dieser Person genehmigt wird.

23 Die Übersendung der Niederschrift über die Anhörung stellt jedoch nur dann eine wesentliche Förmlichkeit dar, wenn sie im gegebenen Fall erforderlich ist, damit der Beratende Ausschuß seine Stellungnahme in voller Kenntnis der Umstände abgeben kann, das heisst ohne durch Ungenauigkeiten oder Auslassungen in einem wesentlichen Punkt irregeführt zu werden. Dies ist nicht der Fall, wenn die Niederschrift über die Anhörung keine wichtigen neuen Informationen enthält, die in den der Einladung des Beratenden Ausschusses beigefügten schriftlichen Antworten des betroffenen Unternehmens auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht enthalten sind. In einem solchen Fall beeinträchtigt nämlich der Umstand, daß die Kommission dem Beratenden Ausschuß die Niederschrift über die Anhörung bei dessen Einladung nicht übersendet, nicht die Verteidigungsrechte des betroffenen Unternehmens und hat auch keine Auswirkungen auf den Ausgang des Anhörungsverfahrens. Deshalb ist eine solche Unterlassung nicht geeignet, das gesamte Verwaltungsverfahren ungültig zu machen und dadurch die Rechtmässigkeit der endgültigen Entscheidung in Frage zu stellen.

24 Im vorliegenden Fall behauptet die Klägerin nicht, daß die Nichtübermittlung der von ihr genehmigten Niederschrift über die Anhörung geeignet gewesen sei, den Ausschuß in irgendeinem wesentlichen Punkt irrezuleiten. Sie bringt keinerlei Argument dafür vor und macht insbesondere keinerlei Angaben über eine eventuelle Abweichung zwischen ihren schriftlichen Antworten auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, die dem Ausschuß übermittelt worden sind, und ihren mündlichen Erklärungen bei der Anhörung. Ausserdem ergibt sich aus der Prüfung der Akten nichts, was Zweifel daran begründen könnte, daß der Beratende Ausschuß in seiner Sitzung über alle erforderlichen Informationen verfügte, ohne daß es notwendig gewesen wäre, ihm die endgültige Niederschrift über die Anhörung zu übermitteln. Angesichts der Tatsache, daß nicht einmal behauptet worden ist und daß auch in den Akten nichts darauf hindeutet, daß die Niederschrift über die Anhörung irgendeine wichtige neue Information enthalten hätte, die in den der Einladung des Beratenden Ausschusses beigefügten Schriftstücken nicht enthalten war, stellt das Gericht unter den Umständen des vorliegenden Falles fest, daß die Tatsache, daß die Kommission dem Beratenden Ausschuß diese Niederschrift nicht übermittelt hat, den Ausschuß nicht an einer Entscheidung aufgrund einer hinreichend vollständigen Akte hindern und die Rechte der Klägerin nicht beeinträchtigen konnte. Deshalb besteht im vorliegenden Fall kein Grund zu der Annahme, daß die mangelnde Übermittlung der endgültigen Niederschrift über die Anhörung bei der Einladung des Beratenden Ausschusses eine Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift darstellt, die die Gültigkeit der endgültigen Entscheidung der Kommission beeinträchtigt.

25 Diese Untersuchung liegt auf der Linie der Urteile des Gerichtshofes in den "Chinin"- und den "Farbstoffe"-Sachen. Der Gerichtshof hat nämlich hinsichtlich der Bedeutung der Niederschrift über die Anhörung der Beteiligten entschieden, daß der Umstand, daß die Kommission oder der Beratende Ausschuß sich auf eine nicht endgültige Niederschrift über die Anhörung stützten, in der die von dem betroffenen Unternehmen vorgeschlagenen Änderungen nicht berücksichtigt waren, "nur dann einen Fehler des Verwaltungsverfahrens darstellen [könnte], der die Rechtswidrigkeit der es abschließenden Entscheidung nach sich ziehen könnte, wenn die Fassung dieses Protokolls in einem wesentlichen Punkt irreführend gewesen wäre" (Urteil vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 44/69, Buchler/Kommission, Slg. 1970, 733, Randnr. 17; siehe auch die Urteile vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 51/69, Bayer/Kommission, Slg. 1972, 745, Randnr. 17, und in der Rechtssache 48/69, ICI/Kommission, Slg. 1972, 619, Randnr. 31). Unter diesem Blickwinkel stellt allein die Übermittlung derjenigen in der endgültigen Niederschrift über die Anhörung enthaltenen Informationen an den Beratenden Ausschuß, die geeignet sind, diesen über einen wesentlichen Punkt aufzuklären, eine wesentliche Förmlichkeit dar, deren Nichtbeachtung die Nichtigerklärung der endgültigen Entscheidung der Kommission rechtfertigen würde. Die Nichtübermittlung der Niederschrift über die Anhörung an den Beratenden Ausschuß ist jedoch nur dann geeignet, diesen irrezuführen, wenn die Niederschrift wichtige neue Informationen enthält, die in den vorliegenden Schriftstücken - darunter der Antwort der betroffenen Unternehmen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte -, die dem Beratenden Ausschuß bei seiner Einladung übermittelt wurden, nicht enthalten sind. Dies ist hier nicht der Fall.

26 Der zweite Teil des Klagegrundes, mit dem die Verletzung wesentlicher Formvorschriften gerügt wird, betrifft die Frist von vierzehn Tagen, die nach Artikel 10 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17 zwischen der Absendung der Einladung an den Beratenden Ausschuß und der gemeinsamen Sitzung liegen muß. Dazu ist zunächst zu bemerken, daß die in Artikel 10 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17 festgesetzte Frist von vierzehn Tagen eingehalten ist, wenn die Anhörung in einer bestimmten Sache frühestens am vierzehnten Tag nach Absendung der Einladung an den Beratenden Ausschuß im Rahmen einer gemeinsamen Sitzung dieses Ausschusses und der Kommission stattfindet. Im vorliegenden Fall führt die Klägerin jedoch nichts an, was ihr Vorbringen untermauern könnte, daß die Kommission die genannte Vierzehntagefrist nicht eingehalten habe. Die Kommission kann somit nicht als verpflichtet angesehen werden, Beweise zu erbringen, um vage Behauptungen der Klägerin, für die keine detaillierten Argumente vorgetragen werden, zu widerlegen (siehe Urteil des Gerichtshofes vom 7. April 1965 in der Rechtssache 11/64, Weighardt/Kommission, Slg. 1965, 386, 405).

27 Darüber hinaus ist jedenfalls darauf hinzuweisen, daß die genannte Frist von vierzehn Tagen eine rein interne Verfahrensregel ist. Zwar ist es nicht ausgeschlossen, daß die Nichteinhaltung dieser Frist in bestimmten besonderen Situationen den Ausgang des Anhörungsverfahrens beeinflussen und sich gegebenenfalls auf bestimmte Aspekte der endgültigen Entscheidung der Kommission gegenüber dem betroffenen Unternehmen auswirken kann. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Ausschuß nicht genügend Zeit hatte, um von den wesentlichen Einzelheiten der Sache Kenntnis zu nehmen und in voller Kenntnis der Umstände zu entscheiden. Denn in derartigen Fällen kann die verspätete Einladung des Ausschusses nachteilige Folgen für das betroffene Unternehmen haben und damit das gesamte Verfahren fehlerhaft machen. Umgekehrt ist die Nichteinhaltung dieser Frist allein aber nicht geeignet, zur Rechtswidrigkeit der endgültigen Entscheidung der Kommission zu führen, wenn die Einladung gleichwohl auf eine Art und Weise übersandt worden ist, die es dem Ausschuß ermöglicht hat, seine Stellungnahme in voller Kenntnis der Umstände abzugeben. Denn in diesem Fall war der Ausschuß in der Lage, die rechtliche Situation des Unternehmens genau zu prüfen, und die blosse Nichteinhaltung der Vierzehntagefrist kann dann keine nachteiligen Folgen für dieses Unternehmen haben. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes kann die Nichteinhaltung einer solchen internen Verfahrensregel nur dann zur Rechtswidrigkeit der endgültigen Entscheidung führen, wenn sie wesentlicher Natur ist und für die rechtliche und tatsächliche Situation des Beteiligten, der einen Verfahrensfehler geltend macht, nachteilige Folgen hat. Dabei ist zu beachten, daß der Gerichtshof in seinem Urteil Bayer entschieden hat, daß sich die Nichteinhaltung der Frist, die in jenem Fall zugunsten der Klägerin selbst für ihre Stellungnahme zum Entwurf der Niederschrift über die Anhörung gesetzt worden war, nur dann auf die Rechtmässigkeit der Entscheidung auswirken konnte, wenn sich aufgrund dieses Verfahrensfehlers in wesentlichen Punkten ein falsches Bild ergäbe (Urteil in der Rechtssache 51/69, a. a. O., Randnrn. 16 und 17; siehe auch Urteile des Gerichtshofes vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 41/69, ACF Chemiefarma/Kommission, Slg. 1970, 661, Randnrn. 48 bis 52, und vom 10. Dezember 1987 in der Rechtssache 277/84, Jänsch/Kommission, Slg. 1987, S. 4923, Randnr. 11).

28 Aus allen diesen Gründen sind beide Teile des ersten Klagegrundes zurückzuweisen.

2. Verletzung des Artikels 86 EWG-Vertrag

- Vorbringen der Beteiligten

29 Dieser Klagegrund umfasst vier Teile. Die Klägerin macht einen Verstoß gegen Artikel 86 sowohl hinsichtlich seiner Anwendungsvoraussetzungen, soweit sie die Bedeutung des relevanten Marktes und die Auswirkung auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten betreffen, als auch hinsichtlich der Begriffe der beherrschenden Stellung und des Mißbrauchs im Sinne dieses Artikels geltend.

30 Die Klägerin bestreitet erstens die Feststellung der Kommission, es liege eine beherrschende Stellung vor. Dazu wendet sie sich zunächst gegen die in der Entscheidung enthaltene Umschreibung der relevanten Erzeugnisse. Entgegen dem Vorbringen der Kommission handele es sich dabei nicht nur um die wöchentlichen Programmvorschauen der fraglichen Firmen und die Fernsehzeitschriften, in denen diese veröffentlicht würden. Vielmehr gehöre dazu jede Information über die Programme, die der Öffentlichkeit täglich oder wöchentlich gegeben würden, denn es bestehe ein starkes Maß an Austauschbarkeit zwischen den verschiedenen Formen der Information über die Programme. Die Klägerin stützt sich insoweit auf eine Marktstudie, wonach nur 19 % der Fernsehzuschauer den RTE Guide benutzen, während die Mehrheit der Benutzer im wesentlichen die Tageszeitungen lesen, um sich über die Fernsehprogramme zu informieren. Diese Tatsachen zeigten, daß die Information über die Programme des jeweiligen Tages für die Zuschauer die Information über die wöchentlichen Fernsehprogramme ersetzen könne.

31 Für die Bestimmung ihrer Stellung auf dem Markt der Informationen über ihre Fernsehprogramme stützt sich die Klägerin auf das Urteil des Gerichtshofes vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76 (Hoffmann-La Roche/Kommission, Slg. 1979, 461, Randnr. 38). Aus diesem Urteil ergebe sich, daß das wirkliche Kriterium für eine beherrschende Stellung darin bestehe, ob sie bei der Veröffentlichung ihrer wöchentlichen Programmvorschauen die Möglichkeit gehabt habe, sich ihren Wettbewerbern, ihren Abnehmern und letztlich den Verbrauchern gegenüber in einem nennenswerten Umfang unabhängig zu verhalten. Dies sei nicht der Fall, denn zwei Faktoren schränkten jede Möglichkeit eines unabhängigen Verhaltens der Klägerin erheblich ein. Es handele sich zum einen um die Konkurrenz durch die Tageszeitungen, die die Hauptinformationsquelle für Fernsehprogramme darstellten, und zum anderen um die starke Konkurrenz von BBC und ITV sowohl hinsichtlich des Verkaufs ihrer jeweiligen Fernsehprogrammführer als auch hinsichtlich der Einschaltquoten bei Fernsehsendungen. Die Klägerin führt dazu aus, sie sei auf den RTE Guide angewiesen, um im Umfeld eines in Irland herrschenden sehr lebhaften Wettbewerbs mit BBC und ITV, die englischsprachige Programme von hohem Niveau ausstrahlten und ebenfalls einen eigenen wöchentlichen Fernsehprogrammführer herausgäben, Werbung für ihre Sendungen und insbesondere für die ihre Sendungen tragenden Persönlichkeiten machen zu können. Was die Tageszeitungen angeht, weist die Klägerin darauf hin, daß sie ihre wöchentlichen Programmvorschauen der gesamten Presse auf Anfrage kostenlos zur Verfügung stelle, verbunden mit der Genehmigung, täglich eine umfassende Übersicht über ihre in Irland und Nordirland am selben Tag und unter besonderen Umständen am nächsten Tag zu empfangenden Hörfunk- und Fernsehprogramme zu veröffentlichen.

32 Im Anschluß an die Beschreibung ihrer Stellung auf dem Markt wendet sich die Klägerin gegen die Gründe, die die Kommission gleichwohl zur Feststellung einer beherrschenden Stellung bewogen haben. Entgegen dem Vorbringen der Kommission beweise der Umstand allein, daß jede Sendeanstalt die einzige Informationsquelle für ihre eigenen Programme darstelle, noch nicht das Vorliegen einer beherrschenden Stellung im Sinne des Artikels 86. Die Klägerin führt zur Begründung dieses Vorbringens aus, wenn das von der Kommission angewandte Kriterium zuträfe, nähmen alle Unternehmen - mit Ausnahme der "Hersteller undifferenzierter Waren" - auf dem Markt für ihre eigenen Erzeugnisse eine beherrschende Stellung im Sinne des Artikels 86 ein. Im vorliegenden Fall seien Dritte, die eine Wochenzeitschrift herausgeben wollten, dafür nicht auf die Genehmigung zur Veröffentlichung ihrer wöchentlichen Programmvorschauen angewiesen, denn der Erfolg einer Wochenzeitschrift hänge nicht davon ab, ob sie wöchentliche Fernsehprogramme enthalte; dies würde zwar die Auflage der Zeitschrift steigern, sei aber für ihre Existenzfähigkeit nicht notwendig.

33 Der zweite Teil des Klagegrundes der Verletzung des Artikels 86 betrifft die Bedeutung des relevanten Marktes. Die Klägerin führt entgegen dem Vorbringen der Kommission aus, der aus Irland und Nordirland bestehende räumliche Markt sei kein wesentlicher Teil des Gemeinsamen Marktes im Sinne des Artikels 86. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes sei der Umfang des Verbrauchs des fraglichen Erzeugnisses in einem bestimmten Gebiet entscheidend dafür, ob dieses Gebiet ein wesentlicher Teil des Gemeinsamen Marktes sei (Urteil vom 16. Dezember 1975 in den verbundenen Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Suiker Unie u. a./Kommission, Slg. 1975, 1663). Dazu führt die Klägerin aus, die Bedeutung des Marktes der Fernsehprogrammführer in einem bestimmten Gebiet hänge von der Anzahl der Personen ab, die in diesem Gebiet die Fernsehgebühr zahlten. Da in dem fraglichen räumlichen Markt ungefähr eine Million Haushalte im Vergleich zu 120 Millionen Gebührenpflichtigen in der gesamten Gemeinschaft die Gebühr zahlten, stellten Irland und Nordirland weniger als 1 % des Gemeinsamen Marktes der relevanten Erzeugnisse dar. Artikel 86 sei somit nicht anwendbar.

34 Im Rahmen des dritten Teils des die Verletzung des Artikels 86 betreffenden Klagegrundes bestreitet die Klägerin, daß ihre Politik hinsichtlich der Informationen über ihre Programme im Sinne des Artikels 86 mißbräuchlich sei. Sie führt im wesentlichen aus, durch das ihr in der Entscheidung vorgeworfene Verhalten habe sie lediglich den besonderen Gegenstand ihres Urheberrechts an ihren eigenen Programmvorschauen schützen wollen; dies könne kein Mißbrauch im Sinne des Artikels 86 sein.

35 Die Klägerin trägt unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofes vom 5. Oktober 1988 in der Rechtssache 238/87 (Volvo, Slg. 1988, 6211) vor, das ihr vorgeworfene Verhalten unterliege dem Schutz, den das Gemeinschaftsrecht der eigentlichen Substanz ihres Urheberrechts an ihren Programmvorschauen gewähre. Der vorliegende Rechtsstreit sei nur dadurch besonders gekennzeichnet, daß es der Firma Magill wegen der Weigerung der Klägerin, ihr eine Lizenz für die Veröffentlichung ihrer urheberrechtlich geschützten Programmvorschauen zu erteilen, unmöglich sei, ein Erzeugnis herzustellen, für das ihrer Meinung nach ein Markt bestehe. Der Gerichtshof habe jedoch die Rechtmässigkeit einer solchen Weigerung anerkannt, indem er in Randnr. 8 des genannten Urteils, das sich zwar auf Geschmacksmuster beziehe, aber auf das Gebiet des Urheberrechts übertragbar sei, entschieden habe, daß "die Befugnis des Inhabers eines geschützten Musters, Dritte an der Herstellung und dem Verkauf oder der Einfuhr der das Muster verkörpernden Erzeugnisse ohne seine Zustimmung zu hindern, gerade die Substanz seines ausschließlichen Rechts darstellt. Daraus folgt, daß... die Weigerung, eine solche Lizenz zu erteilen, als solche keinen Mißbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen kann." Deshalb ist die Klägerin der Auffassung, daß die Mißbilligung ihrer Politik bezueglich ihrer Programmvorschauen ihr unter Verletzung des Gemeinschaftsrechts die eigentliche Substanz ihres Urheberrechts entziehen würde.

36 Zu der vom Gerichtshof im Urteil Volvo erwähnten Möglichkeit der im Sinne von Artikel 86 mißbräuchlichen Ausnutzung eines Urheberrechts durch seinen Inhaber führt die Klägerin aus, im vorliegenden Fall habe die Kommission kein derartiges Verhalten festgestellt. Die streitigen Verhaltensweisen seien in der erlassenen Entscheidung als mißbräuchlich angesehen worden, weil sie zum einen angeblich verhinderten, daß "eine wesentliche potentielle Nachfrage auf dem Markt nach umfassenden Fernsehprogrammführern" befriedigt werde, und weil sie zum anderen angeblich bezweckten, die Stellung des RTE Guide auf dem Markt zu schützen.

37 Dazu trägt die Klägerin vor, die Kommission habe nicht bewiesen, daß es eine Nachfrage der Verbraucher nach einem umfassenden Programmführer gebe. Darüber hinaus rechtfertigten es die söben aufgeführten Umstände ohnehin nicht, die eigentliche Substanz des Urheberrechts an den Programmvorschauen zu beeinträchtigen, aufgrund dessen ihr allein die Entscheidung darüber zustehe, ob die Programme veröffentlicht würden oder nicht, und, falls ja, von wem, in welcher Form usw. Die Weigerung, eine Lizenz zu erteilen, könne somit keineswegs als mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung angesehen werden, selbst wenn eine starke Nachfrage nach dem Erzeugnis bestuende, das aufgrund der Lizenz hätte hergestellt werden können. Ausserdem könne ihr Verhalten im vorliegenden Fall insofern nicht als mißbräuchlich angesehen werden, als sie die Veröffentlichung von vollständigen Übersichten über das Fernsehprogramm des Tages gestatte und fördere.

38 Im gleichen Zusammenhang wendet sich die Klägerin gegen das Vorbringen der Kommission, sie versuche, ihre Hörfunk- und Fernsehkonzession dahin auszudehnen, daß sie ein Monopol auf dem damit zusammenhängenden Markt der Veröffentlichungen einschließe. Ihr Urheberrecht an ihren Programmvorschauen und die Art und Weise, wie sie es ausübe, hätten mit ihrer Sendekonzession absolut nichts zu tun. Nach Auffassung der Klägerin genügt der urheberrechtliche Schutz der Programmvorschauen als literarische Werke und Zusammenstellungen im Sinne der Sections 2 und 8 des Irish Copyright Act von 1963 für sich genommen zur Rechtfertigung des beanstandeten Verhaltens, unabhängig von allen Erwägungen bezueglich ihres gesetzliches Monopols für die landesweite Veranstaltung von Hörfunk- und Fernsehsendungen. Zur Begründung ihres Vorbringens weist die Klägerin darauf hin, daß Richter Lardner im Urteil des irischen High Court vom 26. Juli 1989 (RTE/Magill, siehe oben Randnr. 10) ausgeführt habe, daß jede Wochenprogrammvorschau als Schöpfung von RTE anzusehen sei, da sie das Ergebnis einer erheblichen vorherigen Überlegung und Arbeit sowie von Können und Urteilsvermögen sei. Deshalb sei ihr Widerstand gegen jede Veröffentlichung ihrer Wochenprogrammvorschauen durch Dritte die unmittelbare Konsequenz des ausschließlichen Rechts, die geschützte Schöpfung im Hinblick auf Herstellung und Erstverkauf von Handelsprodukten zu verwerten, was den spezifischen Gegenstand des Rechts darstelle. Die Klägerin verweist insoweit auf Randnr. 11 des Urteils des Gerichtshofes vom 3. März 1988 in der Rechtssache 434/85 (Allen & Hanburys, Slg. 1988, 1245).

39 Mit dem vierten Teil des die Verletzung des Artikels 86 betreffenden Klagegrundes macht die Klägerin geltend, die beanstandete Verhaltensweise habe sich nicht spürbar auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten ausgewirkt. Die Klägerin stellt fest, daß das einzige Gebiet eines anderen Mitgliedstaats, in dem ihre Sendungen empfangen werden könnten, Nordirland, oder genauer: ein Teil von Nordirland, sei. Der Absatz des RTE Guide in einem anderen Mitgliedstaat habe deshalb nur marginale Bedeutung. Mengenmässig mache er weniger als 5 % des Absatzes in Irland aus, während der "Fernsehmarkt" im Vereinigten Königreich nach den in Randnr. 6 der angefochtenen Entscheidung angegebenen Zahlen mehr als 20mal grösser sei als der in Irland. Die Klägerin legt ausserdem dar, daß der Markt von Nordirland weniger als 1,6 % des britischen Fernsehmarktes und weniger als 0,3 % des gemeinschaftlichen Fernsehmarktes ausmache. Aufgrund all dieser Gegebenheiten sei das beanstandete Verhalten nicht geeignet, sich auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten spürbar auszuwirken, da der Markt der Information über die Programme der Klägerin ausschließlich den irischen Markt sowie einen unbedeutenden Markt in einem kleinen Grenzgebiet eines anderen Mitgliedstaats umfasse. Sie beruft sich zur Begründung ihres Vorbringens auf das vorgenannte Urteil vom 26. Juli 1989, in dem der High Court die Auffassung vertreten habe, daß die Firma Magill und die anderen beklagten Unternehmen insbesondere nicht bewiesen hätten, daß die der Klägerin vorgeworfene Politik geeignet sei, sich spürbar auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten auszuwirken.

40 Die Kommission wendet sich gegen das gesamte Vorbringen der Klägerin zur angeblichen Verletzung des Artikels 86.

41 Was den ersten Teil des Klagegrundes angeht, der sich auf das Vorliegen einer beherrschenden Stellung bezieht, wiederholt die Kommission die Argumente, mit denen sie die Entscheidung begründet hat. Sie trägt im wesentlichen vor, daß jede der Klägerinnen eine beherrschende Stellung auf zwei engen Märkten innehabe. Der erste Markt betreffe ihre eigenen Programmvorschauen für die darauffolgende Woche, für den sie ein Monopol innehabe. Der zweite sei der Markt der wöchentlichen Fernsehzeitschriften, der einen vom allgemeinen Markt der täglichen und wöchentlichen Veröffentlichungen getrennten Teilmarkt darstelle, denn er allein biete ein Erzeugnis - hier: vollständige Informationen über die wöchentlichen Programme der Klägerin - an, nach dem eine besondere Nachfrage bestehe. Im entscheidungserheblichen Zeitraum seien Irland und das Vereinigte Königreich die einzigen Mitgliedstaaten gewesen, in denen es keinen umfassenden wöchentlichen Fernsehprogrammführer gegeben habe, der mit dem RTE Guide hätte konkurrieren können; dieser habe somit eine Monopolstellung eingenommen.

42 Zum zweiten Teil des die Verletzung von Artikel 86 betreffenden Klagegrundes vertritt die Kommission im Gegensatz zur Klägerin den Standpunkt, daß der relevante räumliche Markt einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes ausmache. Sie wendet sich zunächst gegen das von der Klägerin vorgeschlagene Kriterium, wonach auf den betroffenen Markt in Irland und Nordirland weniger als 1 % der Gebührenpflichtigen der Gemeinschaft entfielen, mit der Begründung, dieses Kriterium beruhe auf der falschen Annahme, daß es einen einheitlichen Hörfunk- und Fernsehmarkt gebe, was derzeit kaum der Fall sei. Insoweit weist sie darauf hin, daß eine der Ursachen für das begrenzte Volumen des Handels mit Fernsehdienstleistungen darin bestehe, daß es keine umfassenden Fernsehprogrammführer gebe. Die Kommission hebt weiter die Bedeutung der irischen kulturellen Identität hervor und führt aus, daß die 3,7 Millionen Bürger Irlands durchaus einen wesentlichen Markt bildeten. Ausserdem müsse ein Markt, der das Gebiet eines Mitgliedstaats und einen Teil des Gebiets eines anderen Mitgliedstaats umfasse, rechtlich als wesentlicher Teil des Gemeinsamen Marktes angesehen werden. Im übrigen führt die Kommission zum relevanten räumlichen Markt noch aus, der Umstand, daß sich der in Irland und in Nordirland begangene Mißbrauch gegenüber der Firma Magill nur in Irland - das heisst in einem genau umrissenen Gebiet - auswirke, spreche dafür, daß dieses Gebiet der relevante räumliche Markt sei.

43 Im Hinblick auf den dritten Teil des Klagegrundes bemüht sich die Kommission, die Mißbräuchlichkeit des beanstandeten Verhaltens darzutun; dabei legt sie ihrer Argumentation die - in der mündlichen Verhandlung von ihr ausdrücklich akzeptierte - Prämisse zugrunde, daß die Programmvorschauen nach dem innerstaatlichen Recht Urheberrechtsschutz genießen. Sie führt erstens aus, selbst unter diesen Umständen fielen die Politik und die Verhaltensweisen der Klägerin, die Gegenstand des Rechtsstreits seien, nicht unter den Schutz des Urheberrechts, wie dieses im Gemeinschaftsrecht anerkannt sei.

44 In diesem Zusammenhang weist die Kommission zunächst allgemein darauf hin, daß ein nationales Recht, das ein Urheberrecht an Programmvorschauen anerkenne, nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei. Nach ständiger Rechtsprechung unterliege die Fernsehindustrie dem Gemeinschaftsrecht (siehe insbesondere Urteil des Gerichtshofes vom 6. Oktober 1982 in der Rechtssache 262/81, Coditel, Slg. 1982, 3381). Nationale Rechtsvorschriften, die ein Urheberrecht an Programmvorschauen vorsähen, ermöglichten es den Sendeanstalten, ein rechtmässiges gesetzliches Monopol für die Ausstrahlung von Hörfunk- und Fernsehsendungen auf einer bestimmten Frequenz dazu zu benutzen, ein rechtswidriges Monopol auf dem damit zusammenhängenden nachgelagerten Markt der Veröffentlichung dieser Wochenprogramme aufrechtzuerhalten und auf diese Weise das Auftreten eines neuartigen Konkurrenzprodukts in Form eines umfassenden Fernsehprogrammführers zu verhindern. Ausserdem bilde der urheberrechtliche Schutz der Programmvorschauen ein Hindernis für die Verwirklichung des auf Artikel 59 EWG-Vertrag gegründeten einheitlichen Marktes der Hörfunk- und Fernsehdienstleistungen. Wenn es keinen einheitlichen Markt der Information über die Programme gebe, sei nämlich das Recht der Verbraucher auf ein "Fernsehen ohne Grenzen" beeinträchtigt, denn die Fernsehzuschauer, die wenig Neigung hätten, eine Vielzahl von Zeitschriften zu kaufen, die jeweils nur die Programme eines einzigen Senders enthielten, seien auch weniger geneigt, Sendungen - insbesondere in einer fremden Sprache - anzusehen, über die sie nur wenige Informationen besässen.

45 Um den in der vorstehenden Randnummer genannten Konflikt zwischen dem Urheberrecht und den Vorschriften - unter anderem - über den freien Wettbewerb zu lösen, müsse nach ständiger Rechtsprechung in jedem Einzelfall der "spezifische Gegenstand" des Immaterialgüterrechts ermittelt werden, der allein einen besonderen Schutz in der Gemeinschaftsrechtsordnung verdiene und deshalb Einschränkungen der Gemeinschaftsvorschriften rechtfertige. Zu diesem Zweck stellt die Kommission zunächst Überlegungen zur Rechtmässigkeit und zu den unausgesprochenen Gründen der - ihrer Meinung nach ungewöhnlichen - Aufrechterhaltung eines Urheberrechts an den Programmvorschauen an. Im vorliegenden Fall müsse der "Wert" oder die "Fundiertheit" des Urheberrechts an den Wochenprogrammen mit Blick auf die diesem Recht normalerweise zugeschriebenen Zwecke untersucht werden. Dabei seien unter anderem die Natur des geschützten Gutes unter seinen technischen, kulturellen oder innovativen Aspekten sowie die Zwecke und die Rechtfertigung des Urheberrechts an den Programmvorschauen nach nationalem Recht zu berücksichtigen (siehe insbesondere die Urteile des Gerichtshofes vom 8. Juni 1982 in der Rechtssache 258/78, Nungesser/Kommission, Slg. 1982, 2015, vom 6. Oktober 1982 in der Rechtssache 262/81, Coditel, a. a. O., vom 30. Juni 1988 in der Rechtssache 35/87, Thetford, Slg. 1988, 3585, Randnrn. 17 bis 21, und vom 17. Mai 1988 in der Rechtssache 158/86, Warner Brothers, Slg. 1988, 2605, Randnrn. 10 bis 16). FORTSETZUNG DER GRÜNDE UNTER DOK.NUM : 689A0069.1

46 Die Kommission vertritt in Anwendung dieser Kriterien die Auffassung, im vorliegenden Fall seien die Programmvorschauen selbst weder geheim noch innovativ, noch forschungsbezogen. Sie stellten vielmehr einfache tatsächliche Informationen dar und könnten folglich nicht unter das Urheberrecht fallen. Die schöpferische Anstrengung, die für ihre Aufstellung erforderlich sei, werde nämlich durch die Höhe der Einschaltquote für die Sendungen direkt belohnt. Die Beeinträchtigung des Urheberrechts an den Programmvorschauen durch die Entscheidung betreffe keinesfalls die Sendetätigkeit, die etwas anderes sei als eine verlegerische Betätigung. Die Kommission bemerkt unter Hinweis auf die Schlussanträge des Generalanwalts Mischo in der vorgenannten Rechtssache Thetford, daß die Aufrechterhaltung des Urheberrechts an den Programmvorschauen nur mit dem Bestreben erklärt werden könne, zugunsten seines Inhabers "ein Monopol zu schaffen".

47 Nachdem die Kommission, wie söben ausgeführt, dargelegt hat, daß der Schutz der Programmvorschauen durch das Urheberrecht nicht der wesentlichen Funktion dieses Rechts entspreche, hebt sie zweitens hervor, daß die Politik der Klägerin hinsichtlich der Information über ihre wöchentlichen Programmvorschauen mißbräuchlich sei. Diese Mißbräuchlichkeit bestehe insbesondere in der willkürlichen, das heisst ohne Rechtfertigung durch Erfordernisse der Geheimhaltung, der Forschung oder der Entwicklung oder durch andere objektiv nachprüfbare Erwägungen ausgesprochenen Weigerung, es der Firma Magill und anderen "potentiellen neuen Konkurrenten" auf dem Markt für Fernsehwochenzeitschriften zu gestatten, die betreffenden Informationen zu veröffentlichen, und dies mit dem alleinigen Ziel, das Auftreten jeglichen Konkurrenzerzeugnisses zu verhindern.

48 Dazu führt die Kommission in ihren Erklärungen aus, die Lizenzpolitik der Klägerin diskriminiere "das Auftreten eines neuen Erzeugnisses in der Form eines Führers für mehrere Sender, der in Wettbewerb zu [dem] hauseigenen Programmführer [jeder der fraglichen Anstalten] treten würde"; anders ausgedrückt diskriminiere diese Politik "die Firma Magill und andere potentielle neue Konkurrenten auf dem Markt, die umfassende wöchentliche Programmführer anbieten". Hätten die Sendeanstalten aus irgendeinem Grund beschlossen, die Informationen über die vorgesehenen Programme an niemanden weiterzugeben, so würde die Prüfung möglicherweise anders ausfallen; sie stellten sie jedoch zwei Gruppen von Wirtschaftsteilnehmern zur Verfügung, nämlich ihren hauseigenen Zeitschriften und Tageszeitungen, die diesen Zeitschriften keine Konkurrenz machten. Diese Faktoren zeigten, daß die Weigerung, die Veröffentlichung durch andere Unternehmen zu gestatten, willkürlich und diskriminierend sei.

49 Darüber hinaus verweist die Kommission zur Begründung ihres Vorbringens auf die Urteile des Gerichtshofes vom 5. Oktober 1988 in der Rechtssache 238/87 (Volvo, a. a. O., Randnr. 9) und in der Rechtssache 53/87 (Renault, Slg. 1988, 6039, Randnr. 16). Sie zitiert insbesondere Randnr. 9 des Urteils Volvo, wo es heisst, daß "die Ausübung des ausschließlichen Rechts durch den Inhaber eines Musters für Kraftfahrzeugkarosserieteile gemäß Artikel 86 verboten sein kann, wenn sie bei einem Unternehmen, das eine beherrschende Stellung einnimmt, zu bestimmten mißbräuchlichen Verhaltensweisen führt, etwa der willkürlichen Weigerung, unabhängige Reparaturwerkstätten mit Ersatzteilen zu beliefern, der Festsetzung unangemessener Ersatzteilpreise oder der Entscheidung, für ein bestimmtes Modell keine Ersatzteile mehr herzustellen, obwohl noch viele Fahrzeuge dieses Modells verkehren, sofern diese Verhaltensweisen geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen". Nach Auffassung der Kommission entspricht das der Klägerin vorgeworfene Verhalten der vom Gerichtshof in den vorgenannten Urteilen erwähnten willkürlichen Weigerung des Inhabers eines Musters, unabhängige Reparaturwerkstätten, die für die Fortführung ihrer Tätigkeit von einer solchen Belieferung abhängig sind, mit Ersatzteilen zu beliefern. Die Klägerin habe nämlich durch die Weigerung, unter anderem der Firma Magill die Veröffentlichung ihrer wöchentlichen Programmvorschauen zu gestatten, deren Tätigkeit der Herausgabe von umfassenden Fernsehzeitschriften behindert.

Die Kommission ist in diesem Zusammenhang weiterhin der Auffassung, daß das der Klägerin vorgeworfene Verhalten sich von dem unterscheide, das der Gerichtshof im Urteil Volvo für rechtmässig gehalten habe. Danach stelle es für sich genommen keinen Mißbrauch dar, wenn sich ein Kraftfahrzeughersteller, der Inhaber eines Geschmacksmusterrechts sei, die Herstellung aller Ersatzteile für seine Fahrzeuge vorbehalte (Randnr. 11 des Urteils). Die Kommission hebt hervor, daß in jenem Fall der Ersatzteilmarkt zum Haupttätigkeitsbereich der Firma Volvo gehört habe. Die Klägerin dagegen habe eine beherrschende Stellung auf einem Markt (dem Markt der Information über ihre Programme), der Teil ihres Haupttätigkeitsbereichs, der Veranstaltung von Hörfunk- und Fernsehsendungen, sei, dazu ausgenutzt, Vorteile auf dem Markt des Verlagswesens zu erlangen, das einen nachgelagerten gesonderten Wirtschaftssektor darstelle. Darüber hinaus bilde der Schaden, den die Verbraucher erlitten, die trotz starker Nachfrage nicht über ein neues Erzeugnis, nämlich eine umfassende Fernsehzeitschrift, verfügen könnten, einen erschwerenden Umstand, der die Politik der Klägerin hinsichtlich der Information über ihre wöchentlichen Programmvorschauen mißbräuchlich mache. In der Rechtssache Volvo dagegen hätten die Verbraucher sich die Ersatzteile beschaffen können, und es sei ein Wettbewerb möglich gewesen zwischen den unabhängigen Reparaturwerkstätten oder sogar zwischen den verschiedenen Herstellern selbst, da die Kunden sich für andere Marken hätten entscheiden können, wenn die Ersatzteile zu teuer oder auf dem Markt zu schwer erhältlich geworden seien.

50 Die Kommission bemerkt weiterhin, daß ihre Analyse bezueglich der mißbräuchlichen Ausnutzung des Urheberrechts auch für andere Situationen als die des vorliegenden Falles Gültigkeit besitze, zum Beispiel für den Bereich der EDV-Software.

51 Zum vierten, die Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten betreffenden Teil des Klagegrundes, mit dem die Verletzung von Artikel 86 gerügt wird, trägt die Kommission vor, die Auswirkung auf den Handel zwischen Irland und dem Vereinigten Königreich sei - unter anderem - am potentiellen Umfang des Handels mit umfassenden Programmführern zu messen. Sie führt insbesondere aus, wenn die Firma Magill einen umfassenden Fernsehprogrammführer in Irland herausgeben würde, so gäbe es selbstverständlich eine Nachfrage nach dieser Zeitschrift in Nordirland, wo die Zuschauer dieselben Programme empfangen könnten wie in Irland. Da die Fernsehprogrammführer die meistverkauften Zeitschriften seien, stehe eindeutig fest, daß eine spürbare Auswirkung auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten vorliege. Dafür spreche auch die Tatsache, daß nach den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung im Verfahren der einstweiligen Anordnung ungefähr zwanzig Unternehmen eine umfassende Zeitschrift in Irland zu veröffentlichen wünschten.

52 Die Streithelferin Magill trägt vor, der High Court habe nun festgestellt, daß nach irischem Recht ein Urheberrecht an den Programmvorschauen bestehe und daß sie dieses verletzt habe. Folglich hänge der Ausgang des Verfahrens zwischen ihr und der Klägerin, der BBC und der ITP vor dem irischen Gericht davon ab, in welchem Sinn der Gemeinschaftsrichter die Frage der Vereinbarkeit der in der Entscheidung der Kommission gerügten Verhaltensweisen mit dem Gemeinschaftsrecht beantworte. Infolge der einstweiligen Anordnungen von 1986 sowie wegen der Kosten der Verfahren vor dem nationalen Gericht habe sie ihre Geschäftstätigkeit aufgeben müssen und sei als Konkurrentin von RTE, BBC und ITP vom Markt verdrängt worden.

53 Im übrigen unterstützt die Firma Magill alle Erklärungen der Kommission. Sie wendet sich gegen die Auslegung der Klägerin, die Entscheidung schreibe die Erteilung von Zwangslizenzen vor. Sie hebt die Bedeutung der Zustimmung des Inhabers des Urheberrechts hervor und führt aus, wenn keinem Dritten eine Lizenz erteilt worden wäre, könnte die Klägerin wirklich behaupten, daß sie nichts anderes tü, als das ihr zustehende ausschließliche Recht zu ihrem Vorteil zu nutzen. Sobald die Klägerin aber Lizenzen für die Wiedergabe der Informationen über ihre täglichen Programme erteile, dürfe sie ihr Urheberrecht nicht dazu benutzen, die Veröffentlichung ihrer wöchentlichen Programmvorschauen durch Dritte zu verhindern.

54 Die Firma Magill meint weiterhin, das beanstandete Verhalten sei gerade deshalb mißbräuchlich im Sinne von Artikel 86, weil es von den drei nationalen Fernsehanstalten gemeinschaftlich in gleicher Weise ausgedacht worden sei, um allen konkurrierenden Medien im gesamten Gebiet zweier Mitgliedstaaten ohne objektive Rechtfertigung ein gemeinsames System aufzuzwingen und auf diese Weise einen Marktanteil zu schützen, den sie sich für ihre eigenen drei Veröffentlichungen angeeignet hätten. Die Firma Magill vertritt die Auffassung, daß dieses gemeinsame System auf einer stillschweigenden Vereinbarung beruhe.

55 Die Klägerin entgegnet, die Kommission mache vor dem Gericht neue Tatsachen und Argumente geltend, die weder in der Mitteilung der Beschwerdepunkte noch in der Entscheidung enthalten seien. Sie verletze damit den Anspruch auf rechtliches Gehör sowohl im Verwaltungsverfahren als auch vor dem Gericht (Urteile des Gerichtshofes vom 4. Juli 1963 in der Rechtssache 24/62, Deutschland/Kommission, Slg. 1963, 143, und vom 15. März 1967 in den verbundenen Rechtssachen 8/66 bis 11/66, Cimenteries CBR/Kommission, Slg. 1967, 100).

Insbesondere sei das Vorbringen der Beklagten, mit dem diese die Vereinbarkeit der ein Urheberrecht für Programmvorschauen vorsehenden nationalen Rechtsvorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht in Frage stelle, im Stadium des Gerichtsverfahrens unzulässig, da es neu sei. In diesem Zusammenhang vertritt die Klägerin die Auffassung, das Argument, das Urheberrecht an den Programmvorschauen stelle ein "Urheberrecht an Tatsachen und Ideen" dar, sei unzulässig. Dasselbe gelte für das Vorbringen der Kommission über den willkürlichen und diskriminierenden Charakter des beanstandeten Verhaltens; dieses Vorbringen sei ebenfalls weder in der Mitteilung der Beschwerdepunkte noch in der Entscheidung enthalten. Unter diesem letzten Gesichtspunkt führt die Klägerin aus, daß die in Randnr. 23 der Entscheidung dargelegten Gründe - unterstellt, sie wären stichhaltig - nicht hinfällig würden, wenn sie niemals Dritten eine Lizenz gewährt hätte. Dies zeige, daß die Entscheidung nicht auf die Feststellung einer Diskriminierung gegründet sei. Daraus folge, daß die Entscheidung nicht mit dem Vorliegen einer Diskriminierung begründet werden könne, da diese nicht die Grundlage der Entscheidung bilde. Ausserdem wendet sich die Klägerin gegen die Zulässigkeit der nur von der Firma Magill aufgestellten Behauptung, es liege eine stillschweigende Vereinbarung zwischen der BBC, ITP und der Klägerin vor. Mit diesem Vorbringen werde eine Verletzung des Artikels 85 Absatz 1 EWG-Vertrag geltend gemacht; es sei somit unzulässig.

56 Zur Sache führt die Klägerin aus, hinsichtlich der angeblichen Mißbräuchlichkeit ihrer Lizenzpolitik setze sich die Kommission nicht mit der Tatsache auseinander, daß die Weigerung, die Wiedergabe der Programmvorschauen zu gestatten, schwerlich als Mißbrauch angesehen werden könne, weil dies für den Rechtsinhaber den Verlust der Substanz seines ausschließlichen Rechts bedeuten würde. Die Natur und der relative Wert des urheberrechtlich geschützten Gutes seien für die Beurteilung des Umfangs dieses Rechts unerheblich. Der wesentliche Gegenstand und die Rechtfertigung des Urheberrechts seien nämlich dieselben, ob die geschützten Erzeugnisse nun innovativ seien, unter das "Betriebsgeheimnis" fielen oder sich auf eine Forschungstätigkeit bezögen oder aber ob nichts von alledem der Fall sei. So mache das Urheberrecht Irlands und des Vereinigten Königreichs keinen Unterschied zwischen - wie die Kommission es ausdrücke - "banalen" und anderen Werken; diese Unterscheidung sei im übrigen eine Frage der rein subjektiven Bewertung.

57 Weiterhin weist die Klägerin das Vorbringen der Kommission zurück, sie betreibe eine "diskriminierende Lizenzpolitik", indem sie die Lizenz für die Veröffentlichung der geschützten Angaben bestimmten Gruppen von Dritten vorbehalte und von der Lizenzgewährung diejenigen ausschließe, die eine umfassende wöchentliche Fernsehzeitschrift herausgeben wollten. Sie führt aus, das Wesen einer Diskriminierung bestehe darin, daß objektiv gleiche Sachverhalte ungleich behandelt würden, und macht geltend, daß ihre Politik nicht diskriminierend sei, da sie ja bereit sei, jeder Zeitung oder Zeitschrift unter den bisher angewandten Bedingungen Lizenzen zu erteilen. Desgleichen wendet sie sich gegen das Vorbringen der Streithelferin, das beanstandete Verhalten gehe über den spezifischen Gegenstand des Urheberrechts hinaus, weil sie zunächst ihre Programmvorschauen Dritten zur Verfügung gestellt, dann aber deren Recht, sie zu veröffentlichen, einschränkenden Bedingungen unterworfen habe. Sie trägt dazu vor, wenn der Inhaber eines Urheberrechts eine liberale Politik verfolge und, wenngleich unter bestimmten Bedingungen, Lizenzen erteile, übernehme er dadurch keine Verpflichtung zur Erteilung von Lizenzen ohne Einschränkungen.

58 Im Gegensatz zur Klägerin ist die Kommission der Auffassung, die rechtlichen und tatsächlichen Argumente, die sie im vorliegenden Verfahren vorbringe, gingen lediglich dahin, die der Begründung der Entscheidung zugrunde liegenden Erwägungen ausführlicher darzulegen, zu verdeutlichen und zu verstärken, und stimmten daher mit diesen durchaus überein. Auch wenn es anders wäre, würde dies entgegen dem Vorbringen der Klägerin keineswegs deren Anspruch auf rechtliches Gehör vor dem Gericht oder im Verwaltungsverfahren beeinträchtigen, sondern allenfalls dazu führen, daß die Begründung der Entscheidung unzureichend oder unrichtig wäre, was hier aber nicht der Fall sei. Die Kommission weist darauf hin, daß der Gerichtshof entschieden habe, daß nicht für jeden Teil der Entscheidung eine "selbständige und erschöpfende Begründung" nötig sei, wenn "eine ausreichende Begründung... sich aus dem Zusammenhang aller zur Gesamtentscheidung herangezogenen Feststellungen ergeben [kann]" (Urteil vom 20. März 1957 in der Rechtssache 2/56, Geitling/Hohe Behörde, Slg. 1957, 11, 37). Im vorliegenden Fall seien die der Entscheidung zugrunde liegenden wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Punkte zwar knapp, aber doch klar dargelegt worden.

59 Die Kommission trägt insbesondere vor, der Umstand, daß in der Entscheidung davon ausgegangen werde, daß die in Rede stehenden Angaben urheberrechtlich geschützt seien, sei voll und ganz damit vereinbar, daß im gerichtlichen Verfahren geltend gemacht werde, daß ein solches Urheberrecht für die Zusammenstellung banaler Angaben nicht bestehen sollte.

Zu der Feststellung, daß das Verhalten der Klägerin mißbräuchlich sei, führt die Kommission aus, die Qualifizierung dieses Verhaltens als willkürlich und diskriminierend bringe keinen neuen Gedanken zum Ausdruck, selbst wenn diese Begriffe im Verwaltungsverfahren nicht verwendet worden seien. Sie beschrieben den Mißbrauch, der darin bestehe, daß die Klägerin durch ihre Lizenzpolitik das Auftreten eines neuen Erzeugnisses in der Form eines Führers für mehrere Sender, der in Wettbewerb zu ihrem hauseigenen Programmführer treten würde, diskriminiere, zugleich aber die Veröffentlichung ihrer Programme in den Tageszeitungen fördere.

- Rechtliche Würdigung

60 Angesichts der vorgenannten Argumente der Beteiligten muß sich die Prüfung der Stichhaltigkeit des Klagegrundes der Verletzung des Artikels 86 durch das Gericht auf fünf Punkte erstrecken. Erstens ist die Umschreibung des Marktes der relevanten Erzeugnisse zu prüfen und zweitens die Stellung der Klägerin auf diesem Markt zu bestimmen. Drittens muß sich das Gericht mit der Frage des Umfangs des relevanten räumlichen Marktes befassen. Viertens muß es untersuchen, ob das beanstandete Verhalten mißbräuchlich war. Fünftens muß es feststellen, welche Auswirkungen das beanstandete Verhalten auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten hatte.

- Umschreibung der relevanten Erzeugnisse

61 Zur Bestimmung des Marktes der relevanten Erzeugnisse - nach der Entscheidung sind dies die wöchentlichen Programmvorschauen der Klägerin und die Fernsehprogrammführer, in denen diese veröffentlicht werden - stellt das Gericht fest, daß für die so umschriebenen Erzeugnisse entgegen dem Vorbringen der Klägerin besondere Märkte bestehen, die nicht mit dem Markt der Information über die Fernsehprogramme im allgemeinen gleichgesetzt werden können.

62 Der Markt der wöchentlichen Programmvorschauen und derjenige der Fernsehzeitschriften, in denen sie veröffentlicht werden, stellen nämlich Teilmärkte des allgemeinen Marktes der Information über die Fernsehprogramme dar. Auf ihnen wird ein Erzeugnis, die Information über die wöchentlichen Programme, angeboten, nach dem eine besondere Nachfrage sowohl seitens Dritter, die einen umfassenden Fernsehprogrammführer veröffentlichen und vertreiben möchten, als auch seitens der Fernsehzuschauer besteht. Den ersteren ist es unmöglich, einen solchen Führer herauszugeben, wenn sie nicht über sämtliche wöchentlichen Programmvorschauen der Sender verfügen, die auf dem relevanten räumlichen Markt empfangen werden können. Was die letzteren betrifft, so ist festzustellen, daß, wie die Kommission in der Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, die zur Zeit des Erlasses der Entscheidung auf dem Markt verfügbaren Informationen über die Programme, nämlich die in bestimmten Tages- und Sonntagszeitungen veröffentlichten vollständigen Programmvorschauen für einen Zeitraum von 24 Stunden oder von 48 Stunden am Wochenende oder am Vortag von Feiertagen sowie die Fernsehrubriken bestimmter Zeitschriften, die zusätzlich über die Höhepunkte der wöchentlichen Programme berichten, eine vorherige Information der Fernsehzuschauer über alle wöchentlichen Programme kaum ersetzen können. Denn nur wöchentliche Fernsehprogrammführer, die umfassende Programmvorschauen für die kommende Woche enthalten, gestatten es den Verbrauchern, im voraus zu entscheiden, welche Sendungen sie ansehen wollen, und gegebenenfalls ihre Freizeitaktivitäten der Woche dementsprechend zu planen.

Diese geringe Austauschbarkeit der Informationen über die wöchentlichen Programme wird insbesondere durch den Erfolg bestätigt, den die spezialisierten Fernsehzeitschriften, die es als einzige auf dem Markt der wöchentlichen Führer in Irland und im Vereinigten Königreich gab, und in der übrigen Gemeinschaft die umfassenden Fernsehprogrammführer, die in den anderen Mitgliedstaaten auf dem Markt erhältlich waren, in der entscheidungserheblichen Zeit hatten. Dies zeigt deutlich, daß unabhängig davon, welche anderen Informationsquellen auf dem Markt verfügbar sind, eine besondere, ständige und regelmässige potentielle Nachfrage der - im vorliegenden Fall irischen und nordirischen - Fernsehzuschauer nach Fernsehzeitschriften besteht, die umfassende Fernsehprogrammvorschauen für die kommende Woche enthalten.

- Vorliegen einer beherrschenden Stellung

63 Zur Stellung der Klägerin auf dem relevanten Markt stellt das Gericht fest, daß diese aufgrund ihres Urheberrechts an ihren Programmvorschauen das ausschließliche Recht hatte, diese Vorschauen zu vervielfältigen und auf den Markt zu bringen. Dies ermöglichte es ihr, sich in der entscheidungserheblichen Zeit das Monopol für die Veröffentlichung ihrer wöchentlichen Programmvorschauen in einer auf ihre eigenen Programme spezialisierten Zeitschrift, dem RTE Guide, zu sichern. Daraus folgt, daß die Klägerin im fraglichen Zeitraum sowohl auf dem Markt ihrer wöchentlichen Programmvorschauen als auch auf dem Markt der Zeitschriften, in denen diese in Irland und Nordirland veröffentlicht wurden, offensichtlich eine beherrschende Stellung einnahm. Dritte wie die Firma Magill, die eine umfassende Fernsehzeitschrift herausgeben wollten, befanden sich in einer Stellung wirtschaftlicher Abhängigkeit von der Klägerin, die auf diese Weise die Möglichkeit hatte, sich jeglichem wirksamen Wettbewerb auf dem Markt der Information über ihre wöchentlichen Programme zu widersetzen (Urteil des Gerichtshofes vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, Randnr. 30).

- Umfang des relevanten räumlichen Marktes

64 Zum Umfang des relevanten räumlichen Marktes stellt das Gericht fest, daß der räumliche Markt, der Irland und Nordirland, das heisst das Gebiet eines Mitgliedstaats und einen Teil des Gebiets eines anderen Mitgliedstaats, umfasst, unbestreitbar einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes ausmacht, ohne daß es nötig wäre, den auf Irland und Nordirland entfallenden Anteil des Gemeinschaftsmarktes der Fernsehzeitschriften zu berücksichtigen (siehe u. a. Urteil des Gerichtshofes vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, Michelin, a. a. O., Randnr. 28).

- Vorliegen eines Mißbrauchs

65 Im Anschluß an die Feststellung, daß die Klägerin in der entscheidungserheblichen Zeit eine beherrschende Stellung in einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes innehatte, ist zu prüfen, ob ihre Politik hinsichtlich der Verbreitung der Informationen über ihre wöchentlichen Programme, die auf die Verwertung ihres Urheberrechts an den Programmvorschauen gegründet war, mißbräuchlich im Sinne des Artikels 86 war. Dazu ist Artikel 86 im Zusammenhang mit dem Urheberrecht an den Programmvorschauen auszulegen.

66 Mangels einer Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften oder einer Vereinheitlichung im Rahmen der Gemeinschaft ist die Festsetzung der Voraussetzungen und der Modalitäten des Urheberrechtsschutzes Sache der Mitgliedstaaten. Diese Zuständigkeitsverteilung im Bereich der Immaterialgüterrechte hat der Gerichtshof im Urteil vom 14. September 1982 in der Rechtssache 144/81 (Keurkoop, Slg. 1982, 2853, Randnr. 18) ausdrücklich anerkannt und namentlich in den Urteilen vom 5. Oktober 1988 in der Rechtssache 53/87 (Renault, a. a. O., Randnr. 10) und in der Rechtssache 238/87 (Volvo, a. a. O., Randnr. 7) bekräftigt.

67 Der Zusammenhang zwischen den nationalen Rechtsvorschriften über das geistige Eigentum und den allgemeinen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts ist ausdrücklich in Artikel 36 EWG-Vertrag geregelt, der die Möglichkeit vorsieht, zum Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums von den Vorschriften über den freien Warenverkehr abzuweichen. Diese Abweichung wird jedoch ausdrücklich unter bestimmte Vorbehalte gestellt. So wird der von den nationalen Rechtsvorschriften gewährte Schutz der Immaterialgüterrechte im Gemeinschaftsrecht nur unter den in Artikel 36 Satz 2 aufgeführten Voraussetzungen anerkannt. Danach dürfen sich aus dem Schutz des geistigen Eigentums ergebende Beschränkungen des freien Warenverkehrs "weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen". Auf diese Weise unterstreicht Artikel 36, daß die Erfordernisse des freien Warenverkehrs und die den Immaterialgüterrechten gebührende Achtung so aufeinander abgestimmt werden müssen, daß die rechtmässige Ausübung dieser Rechte, die allein im Sinne dieses Artikels gerechtfertigt ist, geschützt und jede mißbräuchliche Ausübung, die geeignet ist, den Markt künstlich abzuschotten oder die Wettbewerbsordnung in der Gemeinschaft zu beeinträchtigen, ausgeschlossen ist. Die Ausübung der durch das nationale Recht eingeräumten Immaterialgüterrechte ist daher so weit einzuschränken, wie die genannte Abstimmung es erfordert (Urteil vom 14. September 1982 in der Rechtssache 144/81, Keurkoop, a. a. O., Randnr. 24).

68 Nach der Systematik des Vertrages ist Artikel 36, wie der Gerichtshof im Urteil vom 9. Februar 1982 in der Rechtssache 270/80 (Polydor, Slg. 1982, 329, Randnr. 16) ausgeführt hat, "aus der Sicht der Ziele und der Tätigkeit der Gemeinschaft, wie sie in den Artikeln 2 und 3 EWG-Vertrag definiert sind", auszulegen. Dabei sind insbesondere die Erfordernisse zu berücksichtigen, die mit der Schaffung des in Artikel 3 Buchstabe f genannten Systems des freien Wettbewerbs innerhalb der Gemeinschaft verbunden sind und ihren Ausdruck unter anderem in den durch die Artikel 85 und 86 EWG-Vertrag aufgestellten Verboten finden.

69 Insoweit folgt aus Artikel 36, wie ihn der Gerichtshof im Lichte der mit den Artikeln 85 und 86 verfolgten Ziele sowie der Vorschriften über den freien Waren- oder den freien Dienstleistungsverkehr ausgelegt hat, daß nur diejenigen Beschränkungen des freien Wettbewerbs, Warenverkehrs oder Dienstleistungsverkehrs gemeinschaftsrechtlich zulässig sind, die sich aus dem Schutz der eigentlichen Substanz des Immaterialgüterrechts ergeben. Der Gerichtshof hat im Urteil vom 8. Juni 1971 in der Rechtssache 78/70 (Deutsche Grammophon, Slg. 1971, 487, Randnr. 11) bezueglich eines dem Urheberrecht verwandten Rechts folgendes entschieden: "Artikel 36 lässt zwar Verbote oder Beschränkungen des freien Warenverkehrs zu, die zum Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind, erlaubt aber solche Beschränkungen der Freiheit des Handels nur, soweit sie zur Wahrung der Rechte berechtigt sind, die den spezifischen Gegenstand dieses Eigentums ausmachen" (siehe auch die Urteile vom 18. März 1980 in der Rechtssache 62/79, Coditel, Slg. 1980, 881, Randnr. 14, vom 22. Januar 1981 in der Rechtssache 58/80, Dansk Supermarked, Slg. 1981, 181, Randnr. 11, vom 6. Oktober 1982 in der Rechtssache 262/81, Coditel, a. a. O., Randnr. 12; zu den anderen Immaterialgüterrechten als dem Urheberrecht siehe die Urteile vom 31. Oktober 1974 in der Rechtssache 16/74, Centrafarm, Slg. 1974, 1183, vom 23. Mai 1978 in der Rechtssache 102/77, Hoffmann-La Roche, Slg. 1978, 1139, Randnr. 8, vom 25. Februar 1986 in der Rechtssache 193/83, Windsurfing International/Kommission, Slg. 1986, 611, Randnr. 45, vom 5. Oktober 1988 in der Rechtssache 53/87, Renault, a. a. O., Randnr. 11, und in der Rechtssache 238/87, Volvo, a. a. O., Randnr. 8, sowie vom 17. Oktober 1990 in der Rechtssache C-10/89, Hag GF, Slg. 1990, I-3711, Randnr. 12).

70 Unstreitig verleiht der Schutz des spezifischen Gegenstands des Urheberrechts dessen Inhaber grundsätzlich das Recht, sich die ausschließliche Befugnis zur Vervielfältigung des geschützten Werkes vorzubehalten. Der Gerichtshof hat dies im Urteil vom 17. Mai 1988 in der Rechtssache 158/86 (Warner Brothers, a. a. O., Randnr. 13) ausdrücklich festgestellt, in dem er folgendes entschieden hat: "Die beiden grundlegenden Rechte des Urhebers, das ausschließliche Recht der Aufführung und das ausschließliche Recht der Vervielfältigung, werden von den Bestimmungen des EWG-Vertrages nicht berührt" (siehe auch Urteil vom 24. Januar 1989 in der Rechtssache 341/87, EMI Electrola, Slg. 1989, 79, Randnrn. 7 und 14).

71 Wenn auch die Ausübung des ausschließlichen Rechts der Vervielfältigung des geschützten Werkes als solche gewiß nicht mißbräuchlich ist, so gilt dies doch dann nicht, wenn sich aus den Umständen des Einzelfalls ergibt, daß mit den Bedingungen und Modalitäten der Ausübung dieses Rechts in Wirklichkeit ein Ziel verfolgt wird, das in offensichtlichem Widerspruch zu den Zwecken des Artikels 86 steht. In einem solchen Fall entspricht nämlich die Ausübung des Urheberrechts nicht mehr der wesentlichen Funktion dieses Rechts im Sinne des Artikels 36 EWG-Vertrag, der darin besteht, den Schutz der Rechte an dem geistigen Werk und die Vergütung der schöpferischen Tätigkeit unter Beachtung der Zwecke insbesondere des Artikels 86 sicherzustellen (siehe - mit Bezug auf das Patentrecht - die Urteile des Gerichtshofes vom 14. Juli 1981 in der Rechtssache 187/80, Merck, Slg. 1981, 2063, Randnr. 10, und vom 9. Juli 1985 in der Rechtssache 19/84, Pharmon, Slg. 1985, 2281, Randnr. 26, und - mit Bezug auf das Urheberrecht - Urteil vom 17. Mai 1988 in der Rechtssache 158/86, Warner Brothers, a. a. O., Randnr. 15). In diesem Fall bewirkt der Vorrang des Gemeinschaftsrechts, insbesondere bei so grundlegenden Prinzipien wie denjenigen des freien Warenverkehrs und des freien Wettbewerbs, daß dieses einer den genannten Prinzipien zuwiderlaufenden Inanspruchnahme einer nationalen Vorschrift über das geistige Eigentum vorgeht.

72 Diese Analyse wird durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes bestätigt, der in seinen vorgenannten Urteilen vom 5. Oktober 1988 in der Rechtssache Volvo, auf das sich die Kommission beruft, und in der Rechtssache Renault entschieden hat, daß die Ausübung eines ausschließlichen Rechts, das grundsätzlich zur Substanz des fraglichen Immaterialgüterrechts gehört, gleichwohl gemäß Artikel 86 verboten sein kann, wenn sie bei dem Unternehmen, das eine beherrschende Stellung einnimmt, zu bestimmten mißbräuchlichen Verhaltensweisen führt. Die dem Gerichtshof in diesen beiden Vorabentscheidungsverfahren gestellten Fragen betrafen die Rechtmässigkeit des Verhaltens zweier Kraftfahrzeughersteller, die sich unter Berufung auf ihr eingetragenes Geschmacksmusterrecht an den Ersatzteilen das ausschließliche Recht der Herstellung und des Vertriebs der Ersatzteile für die von ihnen hergestellten Kraftfahrzeuge vorbehielten. Als Beispiele für mißbräuchliche Verhaltensweisen im Sinne von Artikel 86 hat der Gerichtshof dabei genannt: die willkürliche Weigerung, unabhängige Reparaturwerkstätten mit diesen Ersatzteilen zu beliefern, die Festsetzung unangemessener Ersatzteilpreise und die Entscheidung, für ein bestimmtes Modell keine Ersatzteile mehr herzustellen, obwohl noch viele Fahrzeuge dieses Modells verkehren (Rechtssache 238/87, Volvo, a. a. O., Randnr. 9, und Rechtssache 53/87, Renault, a. a. O., Randnr. 18).

73 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, daß die Klägerin dadurch, daß sie sich die ausschließliche Befugnis zur Veröffentlichung ihrer wöchentlichen Fernsehprogrammvorschauen vorbehielt, verhinderte, daß ein neues Erzeugnis, nämlich eine umfassende Fernsehzeitschrift, die mit ihrer eigenen Zeitschrift, dem RTE Guide, in Wettbewerb hätte treten können, auf den Markt kommt. Sie übte ihr Urheberrecht an ihren Programmvorschauen, die im Rahmen ihrer Sendetätigkeit erstellt wurden, auf diese Weise aus, um sich ein Monopol auf dem abgeleiteten Markt der wöchentlichen Fernsehprogrammführer zu sichern. Insoweit erscheint bedeutsam, daß die Klägerin im übrigen die Veröffentlichung ihrer täglichen Programmvorschauen und die Berichterstattung über die Höhepunkte ihrer wöchentlichen Programme in der Presse Irlands und des Vereinigten Königreichs unentgeltlich gestattete. Ausserdem genehmigte sie auch die Veröffentlichung ihrer wöchentlichen Programmvorschauen in den anderen Mitgliedstaaten, ohne Lizenzgebühren zu verlangen.

Ein derartiges Verhalten - das darin besteht, daß die Klägerin mit dem alleinigen Ziel, ihr Monopol aufrechtzuerhalten, die Herstellung und den Vertrieb eines neuen Erzeugnisses, nach dem eine potentielle Nachfrage der Verbraucher besteht, auf dem abgeleiteten Markt der Fernsehprogrammführer verhindert und dadurch jeden Wettbewerb auf diesem Markt ausschließt - geht offensichtlich über das hinaus, was zur Verwirklichung der wesentlichen Funktion des Urheberrechts, wie sie im Gemeinschaftsrecht anerkannt ist, unerläßlich ist. Die Weigerung der Klägerin, Dritten die Veröffentlichung ihrer wöchentlichen Programmvorschauen zu gestatten, war im vorliegenden Fall willkürlich, da sie weder durch die besondere Notwendigkeiten des Hörfunk- und Fernsehsektors, den das vorliegende Verfahren nicht betrifft, noch durch die besonderen Erfordernisse der Herausgabe von Fernsehzeitschriften gerechtfertigt war. Die Klägerin hatte somit die Möglichkeit, sich den Bedingungen eines Marktes für Fernsehzeitschriften, der dem Wettbewerb offensteht, anzupassen, um die wirtschaftliche Lebensfähigkeit ihrer Wochenzeitschrift, des RTE Guide, sicherzustellen. Unter diesen Umständen können die beanstandeten Handlungen im Gemeinschaftsrecht nicht durch den aus dem Urheberrecht an den Programmvorschauen resultierenden Schutz gedeckt sein.

74 Zur Untermauerung dieser Feststellung ist noch darauf hinzuweisen, daß sich die Weigerung der Klägerin, Dritten die Veröffentlichung ihrer wöchentlichen Programmvorschauen zu gestatten, entgegen ihrem Vorbringen von der in den vorgenannten Urteilen vom 5. Oktober 1988 untersuchten Weigerung der Firmen Volvo und Renault, Dritten Lizenzen für die Herstellung und den Vertrieb von Ersatzteilen zu erteilen, unterscheidet. Denn im vorliegenden Fall bezweckte und bewirkte die Klägerin mit der ausschließlichen Vervielfältigung ihrer Programmvorschauen durch sie selbst, jeden potentiellen Wettbewerb auf dem abgeleiteten Markt der Information über die wöchentlichen Programme ihrer Sender auszuschließen, um das Monopol aufrechtzuerhalten, das sie auf diesem Markt durch die Veröffentlichung des RTE Guide innehatte. Von der Warte der dritten Unternehmen aus, die an der Veröffentlichung einer Fernsehzeitschrift interessiert waren, kam die Weigerung der Klägerin, auf Anfrage jedem Dritten ohne Diskriminierung die Veröffentlichung ihrer Programmvorschauen zu gestatten, wie die Kommission zu Recht bemerkt, der willkürlichen Weigerung eines Kraftfahrzeugherstellers gleich, eine unabhängige, auf dem abgeleiteten Markt der Instandhaltung und der Reparatur von Kraftfahrzeugen tätige Reparaturwerkstatt mit - im Rahmen seiner Haupttätigkeit, der Produktion von Kraftfahrzeugen, hergestellten - Ersatzteilen zu beliefern. Ausserdem stellte das der Klägerin vorgeworfene Verhalten ein grundlegendes Hindernis für das Auftreten einer bestimmten Art von Erzeugnissen, der umfassenden Fernsehzeitschriften, auf dem Markt dar. Es wies deshalb, insofern es unter diesem Gesichtspunkt insbesondere durch eine mangelnde Berücksichtigung der Bedürfnisse der Verbraucher gekennzeichnet war, auch eine gewisse Ähnlichkeit mit dem - vom Gerichtshof in den vorgenannten Urteilen ins Auge gefassten - Fall der Entscheidung eines Kraftfahrzeugherstellers auf, für bestimmte Modelle keine Ersatzteile mehr herzustellen, obwohl noch eine Nachfrage auf dem Markt besteht (Rechtssachen 238/87, Volvo, a. a. O., Randnr. 9, und 53/87, Renault, a. a. O., Randnr. 18). Aus diesem Vergleich geht somit hervor, daß die der Klägerin vorgeworfenen Handlungen nach den Kriterien, die in der von den Beteiligten angeführten Rechtsprechung entwickelt worden sind, nicht zur eigentlichen Substanz des Urheberrechts gehören.

75 Aufgrund dieser Erwägungen stellt das Gericht fest, daß das beanstandete Verhalten, obwohl die Programmvorschauen in der entscheidungserheblichen Zeit durch das Urheberrecht geschützt waren, wie es in dem für die Ausgestaltung dieses Schutzes weiterhin maßgeblichen nationalem Recht niedergelegt ist, im Rahmen der notwendigen Abstimmung der Immaterialgüterrechte und der im EWG-Vertrag verankerten grundlegenden Prinzipien des freien Warenverkehrs und des freien Wettbewerbs nicht unter diesen Schutz fallen konnte. Denn mit diesem Verhalten wurden Ziele verfolgt, die zu denen des Artikels 86 in einem offensichtlichen Widerspruch stehen.

- Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten

76 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß man bei der Auslegung und Anwendung der für die Anwendbarkeit des Artikels 86 geltenden Voraussetzung, daß das mißbräuchliche Verhalten geeignet sein muß, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, "von dem Zweck dieser Voraussetzung ausgehen [muß],... auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts von dem des innerstaatlichen Rechts abzugrenzen. Unter den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen so alle Kartelle und alle Übungen, die geeignet sind, die Freiheit des Handels zwischen Mitgliedstaaten in einer Weise zu gefährden, die der Verwirklichung der Ziele eines einheitlichen Marktes zwischen den Mitgliedstaaten nachteilig sein kann, indem insbesondere die nationalen Märkte abgeschottet werden oder die Wettbewerbsstruktur im Gemeinsamen Markt verändert wird" (Urteil des Gerichtshofes vom 31. Mai 1979 in der Rechtssache 22/78, Hugin/Kommission, Slg. 1979, 1869, Randnr. 17; siehe auch die Urteile vom 6. März 1974 in den verbundenen Rechtssachen 6/73 und 7/73, Commercial Solvents/Kommission, Slg. 1974, 223, Randnr. 32, vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76, Hoffmann-La Roche, a. a. O., Randnr. 125, und vom 14. Februar 1978 in der Rechtssache 27/76, United Brands/Kommission, Slg. 1978, 207, Randnr. 201). Für die Anwendbarkeit des Artikels 86 reicht es nämlich aus, daß das mißbräuchliche Verhalten geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Es ist somit nicht erforderlich, das Vorliegen einer gegenwärtigen und tatsächlichen Auswirkung auf den zwischenstaatlichen Handel festzustellen (siehe unter anderem die Urteile des Gerichtshofes vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, Michelin, a. a. O., Randnr. 104, und vom 23. April 1991 in der Rechtssache C-41/90, Höfner und Elser, Slg. 1991, I-1979, Randnr. 32).

77 Im vorliegenden Fall stellt das Gericht fest, daß das beanstandete Verhalten die Struktur des Wettbewerbs auf dem Markt der Fernsehprogrammführer in Irland und Nordirland verändert und so die potentiellen Handelsströme zwischen Irland und dem Vereinigten Königreich beeinträchtigt hat.

Die Weigerung der Klägerin, interessierten Dritten die Veröffentlichung ihrer wöchentlichen Programmvorschauen zu gestatten, hatte in dem aus Irland und Nordirland bestehenden Gebiet entscheidende Auswirkungen auf die Struktur des Wettbewerbs im Bereich der Fernsehzeitschriften. Die Klägerin verdrängte durch ihre Lizenzpolitik, durch die sie unter anderem die Firma Magill an der Herausgabe einer umfassenden Fernsehzeitschrift hinderte, die sowohl in Irland als auch in Nordirland vertrieben werden sollte, nicht nur ein Konkurrenzunternehmen vom Markt der Fernsehprogrammführer, sondern sie schloß auch jeden potentiellen Wettbewerb auf diesem Markt aus; dies hatte zur Folge, daß die Abschottung der beiden Märkte, von denen Irland den einen und Nordirland den anderen bildete, aufrechterhalten blieb. Unter diesen Umständen ist unbestreitbar, daß das fragliche Verhalten geeignet war, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

Darüber hinaus wird die spürbare Auswirkung der beanstandeten Politik auf die potentiellen Handelsströme zwischen Irland und dem Vereinigten Königreich eindeutig durch den Umstand bewiesen, daß eine spezifische Nachfrage nach einer umfassenden Fernsehzeitschrift von der Art des Magill TV Guide besteht; von einer solchen Nachfrage zeugt der Erfolg, den die auf die Programme eines einzigen Fernsehsenders spezialisierten Fernsehzeitschriften mangels eines allgemeinen Fernsehprogrammführers in der entscheidungserheblichen Zeit auf dem relevanten räumlichen Markt hatten. Insoweit ist daran zu erinnern, daß die Politik der Klägerin hinsichtlich der Information über die wöchentlichen Programme die Produktion und den Vertrieb umfassender Fernsehzeitschriften, die für alle Fernsehzuschauer Irlands und Nordirlands bestimmt gewesen wären, verhindert hat. Denn das relevante geographische Gebiet, in dem ein einheitlicher Markt für Fernsehdienstleistungen schon verwirklicht ist, stellt in Korrelation dazu einen einheitlichen Markt der Information über die Fernsehprogramme dar, zumal der Handel durch die gemeinsame Sprache sehr erleichtert wird.

78 Aus allen diesen Gründen ist der auf die Verletzung des Artikels 86 gestützte Klagegrund als nicht stichhaltig zurückzuweisen.

3. Verletzung des Artikels 90 Absatz 2 EWG-Vertrag

- Vorbringen der Parteien

79 Die Klägerin führt unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofes vom 30. April 1974 in der Rechtssache 155/73 (Sacchi, Slg. 1974, 409) aus, sie sei ein Unternehmen, das im Sinne des Artikels 90 Absatz 2 EWG-Vertrag mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sei. Nach dieser Vorschrift könne Artikel 86 nicht auf sie angewandt werden, denn dies würde ein ernsthaftes Hindernis für die Erfuellung ihrer Aufgabe bedeuten, die darin bestehe, unter besonderer Berücksichtigung der irischen Sprache und Kultur landesweit Hörfunk- und Fernsehsendungen zu veranstalten.

80 Die Klägerin trägt insbesondere vor, daß sie bei der Erfuellung ihrer Aufgabe, die irische Sprache und Kultur zu fördern, aus historischen Gründen erhebliche Hindernisse zu überwinden habe. Diese Schwierigkeiten würden verstärkt durch die Konkurrenz zahlreicher Fernsehsender, die Sendungen in englischer Sprache ausstrahlten und in Irland empfangen werden könnten. Insofern sei die Veröffentlichung des RTE Guide, der im Wettbewerb mit umfassenden wöchentlichen Fernsehzeitschriften nicht lebensfähig wäre, für die Förderung und die Veröffentlichung ihrer Programme unerläßlich. Ausserdem bilde die Veröffentlichung des RTE Guide auch eine wichtige Einnahmequelle.

81 Die Kommission entgegnet, selbst wenn die Klägerin ein Unternehmen sei, das mit Dienstleistungen von allgemeinem Interesse betraut sei, müsse sie doch im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit gemäß Artikel 90 Absatz 2 die Wettbewerbsregeln einhalten, "sofern diese mit der Erfuellung [ihrer] Aufgaben... nicht nachweislich unvereinbar" seien (Urteil vom 30. April 1974 in der Rechtssache 155/73, Sacchi, a. a. O.). Die Kommission stellt dazu fest, daß der Broadcasting Authority Act von 1960, durch den die Klägerin gegründet wurde, dieser weder vorschreibe noch gestatte, sich die Veröffentlichung einer Zeitschrift vorzubehalten, die ihre wöchentlichen Programmvorschauen enthalte. Die in Artikel 90 Absatz 2 vorgesehene Voraussetzung für die Freistellung von den Wettbewerbsregeln sei somit nicht erfuellt.

- Rechtliche Würdigung

82 Wie die Kommission zu Recht bemerkt, gelten für ein Unternehmen, das wie die Klägerin als öffentliche Dienststelle mit der landesweiten Veranstaltung von Hörfunk- und Fernsehsendungen betraut ist, gemäß Artikel 90 Absatz 2 die Wettbewerbsregeln, es sei denn, daß deren Anwendung mit der Erfuellung ihrer Aufgabe nachweislich unvereinbar ist (Urteile des Gerichtshofes vom 30. April 1974 in der Rechtssache 155/73, Sacchi, a. a. O., Randnr. 15, vom 3. Oktober 1985 in der Rechtssache 311/84, CBEM/CLT und IPB (Telemarketing), Slg. 1985, 3261, Randnrn. 17 und 19, vom 11. April 1989 in der Rechtssache 66/86, Ahmed Säed Flugreisen u. a., Slg. 1989, 803, Randnr. 56, und vom 23. April 1991 in der Rechtssache C-41/90, Höfner und Elser, a. a. O., Randnr. 24).

83 Im vorliegenden Fall hat die Klägerin nicht dargetan, daß das sich aus Artikel 86 ergebende Verbot, sich die ausschließliche Veröffentlichung ihrer wöchentlichen Programmvorschauen vorzubehalten, in irgendeiner Weise die Erfuellung ihrer Aufgabe als Sendeanstalt beeinträchtigt. Es ist festzustellen, daß die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Anstalt, die landesweit Hörfunk- und Fernsehsendungen zu veranstalten hat, ermächtigt worden ist, den RTE Guide herauszugeben, um dadurch zum einen ihre Programme - insbesondere ihre Kulturprogramme und ihre Programme in irischer Sprache - bekanntzumachen und zu fördern und zum anderen zu ihrer Selbstfinanzierung beizutragen. Es ist schwer vorstellbar, inwiefern die Veröffentlichung von umfassenden Fernsehzeitschriften durch Dritte und die entsprechende Anpassung der Klägerin an die Erfordernisse des Marktes die von ihr genannten Ziele einer öffentlichen Dienststelle und insbesondere die Förderung von Programmen von hohem kulturellem Niveau, Programmen für Minderheiten oder Programmen in irischer Sprache beeinträchtigen könnte. Vielmehr beruht es ausschließlich auf wirtschaftlichen Gründen, daß die Klägerin sich die Veröffentlichung von Informationen über ihre Wochenprogramme vorbehält; letzteres trägt somit keineswegs zur Erfuellung der der Klägerin zugewiesenen kulturellen, gesellschaftlichen und erzieherischen Aufgaben bei. Unter diesen Umständen ist Artikel 86, dessen Verbot mit der Erfuellung der der Klägerin übertragenen Aufgabe einer öffentlichen Dienststelle nicht unvereinbar ist, auf das beanstandete Verhalten anwendbar.

84 Folglich ist der auf die Verletzung des Artikels 90 Absatz 2 EWG-Vertrag gestützte Klagegrund zurückzuweisen.

85 Nach alledem ist der Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung insgesamt zurückzuweisen.

Hilfsantrag auf Nichtigerklärung des Artikels 2 der Entscheidung

86 Die Klägerin bringt fünf Gründe für ihren Hilfsantrag vor, die Entscheidung teilweise, nämlich insoweit, als Artikel 2 eine zwangsweise Lizenzvergabe vorschreibt, für nichtig zu erklären. Sie führt zunächst aus, Artikel 2 sei überfluessig und widersprüchlich. Weiterhin rügt sie die Verletzung des Artikels 3 der Verordnung Nr. 17 sowie die Verletzung der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst von 1886, revidiert in Brüssel im Jahr 1948 und in Paris im Jahr 1971 (im folgenden: Berner Übereinkunft). Schließlich vertritt sie die Auffassung, daß die fragliche Vorschrift den Verhältnismässigkeitsgrundsatz verletze.

1. Überfluessigkeit des Artikels 2 der Entscheidung

87 Die Klägerin führt aus, die in Artikel 2 der Entscheidung ausgesprochene Anordnung, Dritten auf Anfrage ihre jeweiligen wöchentlichen Programmvorschauen auf nichtdiskriminierender Basis zur Verfügung zu stellen, sei überfluessig, denn sie stelle ihre wöchentlichen Programmvorschauen schon unter den genannten Bedingungen zur Verfügung.

88 Die Kommission trägt vor, dieser Einwand sei unredlich. Sie führt aus, die Klägerin diskriminiere durch ihre Lizenzpolitik diejenigen, die wie die Beschwerdeführerin eine Wochenzeitschrift veröffentlichten.

89 Dazu genügt es, festzustellen, daß Artikel 2 der Entscheidung die Klägerin nicht nur verpflichtet, Dritten ihre wöchentlichen Programmvorschauen auf nichtdiskriminierende Weise zur Verfügung zu stellen, was tatsächlich der Praxis der Klägerin zur Zeit des Erlasses der Entscheidung entsprach. Diese Vorschrift verpflichtet sie vielmehr darüber hinaus, es Dritten auf Anfrage auf nichtdiskriminierender Basis zu gestatten, diese Vorschauen, gegebenenfalls aufgrund von Lizenzen, zu veröffentlichen.

90 Das Vorbringen, Artikel 2 der Entscheidung sei überfluessig, ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

2. Widersprüchlichkeit des Artikels 2 der Entscheidung

91 Die Klägerin macht geltend, Artikel 2 der Entscheidung sei widersprüchlich, da er sie einerseits verpflichte, die Zuwiderhandlung unverzueglich abzustellen, indem sie die Veröffentlichung ihrer wöchentlichen Programmvorschauen gestatte, und ihr andererseits aufgebe, der Kommission innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntgabe der Entscheidung Vorschläge über die Bedingungen, zu denen Dritten die Veröffentlichung der wöchentlichen Programmvorschauen gestattet werden solle, zur Zustimmung zu unterbreiten.

92 Die Kommission wendet gegen diese Kritik ein, Artikel 2 Satz 1 eröffne den Adressaten eine Möglichkeit, ihre Zuwiderhandlung dadurch abzustellen, daß sie die Informationen kostenlos und ohne Diskriminierung zur Verfügung stellten. Die letzten drei Sätze beschrieben die alternative Vorgehensweise, die darin bestehe, eine Lizenzpolitik zu von der Kommission für akzeptabel gehaltenen Bedingungen zu verfolgen.

93 Dazu stellt das Gericht fest, daß der von der Klägerin behauptete Widerspruch nur scheinbar besteht. Eindeutig gibt Artikel 2 der Klägerin sowie ITP und der BBC auf, sofort die Veröffentlichung ihrer Programmvorschauen durch Dritte zu gestatten. Er macht jedoch ferner deutlich, daß diese Gestattung in Form einer Lizenz erteilt werden kann, die mit bestimmten qualitativen Bedingungen verbunden ist, und er sieht insoweit vor, daß den betroffenen Unternehmen, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wollen, eine Frist von zwei Monaten für die Ausarbeitung eines der Kommission zur Zustimmung zu unterbreitenden Vorschlags gewährt wird. Entgegen dem äusseren Anschein steht die so beschriebene Wahlmöglichkeit nicht im Widerspruch zu der Anordnung, die Zuwiderhandlung unverzueglich abzustellen: Diese Anordnung ist nicht mit einem Zwangsgeld bewehrt, sondern mit ihr wird lediglich festgelegt, wie die Verpflichtung, die Zuwiderhandlung abzustellen, unter Berücksichtigung der mit der Ausarbeitung eines solchen Lizenzsystems verbundenen Erfordernisse erfuellt werden kann.

94 Demnach kann dem Vorbringen, Artikel 2 der Entscheidung sei widersprüchlich, nicht gefolgt werden.

3. Verletzung des Artikels 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 des Rates

- Vorbringen der Parteien

95 Die Klägerin wendet sich hilfsweise gegen die ihr durch Artikel 2 der Entscheidung auferlegte Verpflichtung, Dritten die Veröffentlichung ihrer wöchentlichen Programmvorschauen zu gestatten. Sie ist der Auffassung, daß die Kommission gegen Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 verstossen habe, der folgendes bestimmt: "Stellt die Kommission auf Antrag oder von Amts wegen eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 oder 86 des Vertrages fest, so kann sie die beteiligten Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung verpflichten, die festgestellte Zuwiderhandlung abzustellen." Diese Vorschrift ermächtige die Kommission lediglich, den Unternehmen aufzugeben, die Zuwiderhandlung abzustellen. Die Kommission habe sich nicht darauf beschränkt, sie zu verpflichten, die festgestellte Zuwiderhandlung abzustellen, sondern sie habe genau festgelegt, wie dies zu geschehen habe, indem sie die Gewährung von "Zwangslizenzen für die geschützten Werke" vorgeschrieben habe. Die von der Kommission gewählte Lösung entziehe dem Inhaber eines Immaterialgüterrechts die eigentliche Substanz dieses Rechts.

96 Die Kommission ist dagegen der Auffassung, daß mit Artikel 2 der Entscheidung nicht die ihr in Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 eingeräumten Befugnisse überschritten worden seien. Sie weist darauf hin, daß Artikel 2 zwei Möglichkeiten vorschlage, die Zuwiderhandlung abzustellen. Entweder könnten - was sie selbst vorziehe - die streitigen Programmvorschauen Dritten auf Anfrage und auf nichtdiskriminierender Basis zur Veröffentlichung übermittelt werden, oder es könnten Lizenzen zu Bedingungen erteilt werden, die den legitimen Anliegen der Beteiligten entsprächen. Die Entscheidung schreibe somit entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht nur eine einzige Lösung vor, sondern schlage in flexibler Weise gemäß der ständigen Rechtsprechung und Praxis (siehe Urteil des Gerichtshofes vom 6. März 1974, Commercial Solvents, a. a. O.) bestimmte Verhaltensweisen vor, durch die die Zuwiderhandlung abgestellt werden solle.

- Rechtliche Würdigung

97 Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 ist im Hinblick darauf auszulegen, ob die Kommission berechtigt ist, die Klägerin zu verpflichten, die Veröffentlichung ihrer wöchentlichen Programmvorschauen durch Dritte, gegebenenfalls aufgrund von Lizenzen, zu gestatten. Nach ständiger Rechtsprechung umfasst die der Kommission in Artikel 3 eingeräumte Befugnis, die betroffenen Unternehmen zu verpflichten, die festgestellte Zuwiderhandlung abzustellen, das Recht, diesen Unternehmen aufzugeben, bestimmte Handlungen vorzunehmen oder zu unterlassen, um die Zuwiderhandlung abzustellen. Unter diesem Blickwinkel bestimmen sich die den Unternehmen auferlegten Verpflichtungen unter Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalls nach den Erfordernissen der Wiederherstellung der Legalität. Wie der Gerichtshof im Urteil vom 6. März 1974 in den verbundenen Rechtssachen 6/73 und 7/73 (Commercial Solvents, a. a. O., Randnr. 45) entschieden hat, muß "[d]ie Anwendung [des Artikels 3 der Verordnung Nr. 17]... der Natur der festgestellten Zuwiderhandlung angepasst sein und kann deshalb sowohl die Anordnung [der] Vornahme bestimmter Tätigkeiten oder Leistungen, die unrechtmässig unterblieben sind, beinhalten als auch das Verbot, bestimmte Tätigkeiten, Praktiken oder Zustände, die dem Vertrag widersprechen, fortzuführen oder fortdauern zu lassen. Zu diesem Zweck kann die Kommission erforderlichenfalls den beteiligten Unternehmen aufgeben, ihr Vorschläge zu machen, wie der dem Vertrag entsprechende Zustand wiederhergestellt werden kann." Ausserdem hat der Gerichtshof in einem Beschluß vom 17. Januar 1980 ausdrücklich festgestellt, daß die Kommission in der Lage sein muß, die ihr in Artikel 3 Absatz 1 verliehene Entscheidungsbefugnis "auf die wirksamste und den Umständen des Einzelfalls am ehesten angemessene Weise" auszuüben (Rechtssache 792/79 R, Camera Care/Kommission, Slg. 1980, 119, Randnr. 17).

98 Im vorliegenden Fall stellt das Gericht fest, daß die im Rahmen der Prüfung des ersten Klagegrundes festgestellten Umstände, aufgrund deren hier eine Zuwiderhandlung vorliegt, die in Artikel 2 der Entscheidung auferlegten Maßnahmen rechtfertigen. Die Anordnung, daß die Klägerin ITP, der BBC und Dritten auf Anfrage ihre Programmvorschauen auf nichtdiskriminierender Basis zur Veröffentlichung zur Verfügung zu stellen hat, ist, wie die Kommission in der angefochtenen Entscheidung dargetan hat, angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falles, wie sie das Gericht bei der Prüfung der Tatbestandsmerkmale der Zuwiderhandlung festgestellt hat, das einzige Mittel, um diese Zuwiderhandlung abzustellen. Somit hat die Kommission nicht dadurch, daß sie der Klägerin aufgab, Dritten auf Anfrage die Veröffentlichung ihrer wöchentlichen Programmvorschauen auf nichtdiskriminierender Basis zu gestatten, der Klägerin die Möglichkeit der Wahl zwischen den verschiedenen Maßnahmen genommen, die geeignet sind, die Zuwiderhandlung abzustellen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß die der Klägerin auferlegte Verpflichtung, die Veröffentlichung ihrer Programme durch Dritte - gegebenenfalls gegen eine angemessene Lizenzgebühr - zu gestatten, mit der der Klägerin in Artikel 2 der Entscheidung zu Recht eingeräumten Möglichkeit verbunden worden ist, in die erteilten Lizenzen Bedingungen aufzunehmen, die erforderlich sind, um "eine umfassende und hochwertige Berichterstattung über alle ihre Programme einschließlich derjenigen für Minderheiten und/oder der Regionalprogramme sowie der Programme von kultureller, historischer oder erzieherischer Bedeutung sicherzustellen". Unter diesem Gesichtspunkt verpflichtete die Kommission die Klägerin in Artikel 2, ihr Vorschläge für solche Bedingungen zur Zustimmung zu unterbreiten. Alle der Klägerin in Artikel 2 der Entscheidung auferlegten Verpflichtungen sind somit im Hinblick auf ihren in Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 umschriebenen Zweck, die Abstellung der Zuwiderhandlung, gerechtfertigt. Somit hat die Kommission bei der Anwendung dieser Vorschrift die Grenzen ihres Ermessens nicht überschritten.

99 Aus allen diesen Gründen ist das Vorbringen, Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 sei verletzt worden, als unbegründet zurückzuweisen.

4. Verletzung der Berner Übereinkunft

- Vorbringen der Parteien

100 Die Klägerin macht weiter hilfsweise geltend, selbst wenn Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 es der Kommission gestatte, gegebenenfalls die Erteilung von Zwangslizenzen vorzuschreiben, so sei dies doch mit der Berner Übereinkunft unvereinbar. Da alle Mitgliedstaaten der Gemeinschaft Parteien der Berner Übereinkunft seien, sei diese gemäß Artikel 234 EWG-Vertrag als Teil des Gemeinschaftsrechts und Ausdruck seiner wesentlichen Prinzipien anzusehen.

Nach Artikel 9 Absatz 1 der Berner Übereinkunft genössen die Urheber von Werken der Literatur und Kunst das ausschließliche Recht der Vervielfältigung der geschützten Werke. Der aufgrund der Revision durch die Pariser Fassung von 1971 eingefügte Artikel 9 Absatz 2 ermächtige die Unterzeichnerstaaten, die Vervielfältigung von Werken der Literatur und Kunst in gewissen Sonderfällen unter der Voraussetzung zu gestatten, daß eine solche Vervielfältigung weder die normale Auswertung des Werkes beeinträchtige noch die berechtigten Interessen des Urhebers unzumutbar verletze.

Die Klägerin leitet daraus her, daß Artikel 2 der Entscheidung mit der Berner Übereinkunft unvereinbar sei, da er die normale Auswertung ihres Urheberrechts an den Programmvorschauen beeinträchtige und ihre berechtigten Interessen erheblich verletze.

101 Die Kommission vertritt dagegen die Auffassung, daß die Berner Übereinkunft auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar sei. Die Gemeinschaft sei nämlich nicht Partei der Übereinkunft, und nach ständiger Rechtsprechung gehe "der EWG -Vertrag... auf den von ihm geregelten Gebieten den vor seinem Inkrafttreten zwischen den Mitgliedstaaten geschlossenen Übereinkünften vor" (Urteil des Gerichtshofes vom 27. Februar 1962 in der Rechtssache 10/61, Kommission/Italien, Slg. 1962, 3). Ausserdem sei die Übereinkunft ohnehin nicht anwendbar, da für Programmvorschauen kein Urheberrecht im Sinne dieser Übereinkunft bestehen könne. Hilfsweise macht die Kommission geltend, selbst wenn die Entscheidung doch urheberrechtlich geschützte Informationen betreffen sollte, zeige der Umstand, daß die Informationen kostenlos bestimmten Dritten zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt worden seien, daß die zwangsweise Erteilung von Lizenzen gegen eine angemessene Gebühr die berechtigten Interessen der Klägerin nicht beeinträchtigen und demzufolge mit der Übereinkunft in Einklang stehen würde.

- Rechtliche Würdigung

102 An erster Stelle sind denknotwendig das Problem der Anwendbarkeit der Berner Übereinkunft auf den vorliegenden Fall und das Vorbringen der Kommission zu prüfen, daß das Gemeinschaftsrecht den Bestimmungen dieser Übereinkunft vorgehe. Dazu stellt das Gericht zunächst fest, daß die Gemeinschaft - auf die beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts keine Zuständigkeit im Bereich der Immaterialgüterrechte übertragen worden ist - nicht Partei der von allen ihren Mitgliedstaaten ratifizierten Berner Übereinkunft von 1886 ist. Was die von den Mitgliedstaaten geschlossenen Übereinkünfte betrifft, so regelt der EWG-Vertrag in Artikel 234 das Verhältnis zwischen den Vertragsvorschriften und den von den Mitgliedstaaten vor Inkrafttreten des Vertrages geschlossenen völkerrechtlichen Übereinkünften. Dort heisst es: "Die Rechte und Pflichten aus Übereinkünften, die vor Inkrafttreten dieses Vertrages zwischen einem oder mehreren Mitgliedstaaten einerseits und einem oder mehreren dritten Ländern andererseits geschlossen wurden, werden durch diesen Vertrag nicht berührt." Der Gerichtshof hat diese Vorschrift dahin ausgelegt, daß sie sich nur auf die Verpflichtungen bezieht, die die Mitgliedstaaten gegenüber Drittstaaten eingegangen sind. Wie er in seinem Urteil vom 11. März 1986 in der Rechtssache 121/85 (Conegate, Slg. 1986, 1007, Randnr. 25) entschieden hat, ist mit Artikel 234 EWG-Vertrag bezweckt, daß die Geltung des EWG-Vertrags weder der gebotenen Achtung der Rechte, die dritten Ländern aufgrund einer früher mit einem Mitgliedstaat geschlossenen Übereinkunft zustehen, noch der Einhaltung der sich aus der Übereinkunft ergebenden Verpflichtungen durch diesen Mitgliedstaat entgegensteht; ein Mitgliedstaat kann sich also im Rahmen seiner Beziehungen zu anderen Mitgliedstaaten nicht auf vor Inkrafttreten des EWG-Vertrags geschlossene Übereinkünfte berufen, um Beschränkungen des innergemeinschaftlichen Handels zu rechtfertigen (siehe auch die Urteile vom 27. Februar 1962 in der Rechtssache 10/61, Kommission/Italien, a. a. O., hier S. 23, und vom 14. Oktober 1980 in der Rechtssache 812/79, Burgoa, Slg. 1980, 2787, Randnr. 8).

103 Im vorliegenden Fall, der Irland und das Vereinigte Königreich betrifft, ist Artikel 234 EWG-Vertrag gemäß Artikel 5 der Beitrittsakte auf die Übereinkünfte anwendbar, die vor dem Beitritt dieser beiden Staaten zur Gemeinschaft, das heisst vor dem 1. Januar 1973, geschlossen wurden. Daraus folgt, daß die Vertragsvorschriften in den innergemeinschaftlichen Beziehungen durch die Berner Übereinkunft, die von Irland und dem Vereinigten Königreich vor dem 1. Januar 1973 ratifiziert wurde, nicht berührt werden können. Die Klägerin kann sich somit nicht zur Rechtfertigung von Einschränkungen des Systems des freien Wettbewerbs, wie es in der Gemeinschaft gemäß dem Vertrag und insbesondere seinem Artikel 86 errichtet und durchgeführt worden ist, auf die Berner Übereinkunft berufen. Das Vorbringen, Artikel 2 der Entscheidung widerspreche Artikel 9 Absatz 1 der Berner Übereinkunft, ist deshalb zurückzuweisen, ohne daß es in materiell-rechtlicher Hinsicht geprüft zu werden brauchte.

Gleiches gilt auch für Artikel 9 Absatz 2. Insoweit genügt es, festzustellen, daß dieser durch die Pariser Fassung von 1971 eingefügt wurde, deren Partei das Vereinigte Königreich seit dem 2. Januar 1990 ist und die Irland nicht ratifiziert hat. Für das Vereinigte Königreich ist die Pariser Fassung - insbesondere Artikel 9 Absatz 2 der Übereinkunft - somit nach dem Beitritt zur Gemeinschaft ratifiziert worden und kann deshalb eine Vorschrift des EWG-Vertrags nicht berühren. Die Mitgliedstaaten können nämlich die Vertragsvorschriften nicht durch den Abschluß einer völkerrechtlichen Vereinbarung oder Übereinkunft ausschalten. Sie müssen sich dazu des in Artikel 236 EWG-Vertrag vorgesehenen Verfahrens bedienen. Artikel 9 Absatz 2 der Berner Übereinkunft kann somit nicht herangezogen werden, um die Zuständigkeit zu begrenzen, die der Vertrag der Gemeinschaft für die Durchführung der in ihm enthaltenen Wettbewerbsregeln, insbesondere des Artikels 86 und seiner Durchführungsvorschriften wie Artikel 3 der Verordnung Nr. 17, übertragen hat.

104 Das Vorbringen, die Berner Übereinkunft sei verletzt worden, ist deshalb auf jeden Fall als nicht stichhaltig zurückzuweisen.

5. Verletzung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes

105 Die Klägerin vertritt den Standpunkt, daß die ihr durch die Entscheidung auferlegten Verpflichtungen unverhältnismässig und unangemessen seien. Sie trägt vor, nach Artikel 2 der Entscheidung sei sie verpflichtet, eine Vielzahl von Lizenzen zu erteilen und die Einhaltung der Lizenzbedingungen zu kontrollieren. Diese Kontrolle würde für eine relativ kleine Anstalt wie RTE eine unverhältnismässige finanzielle und personelle Belastung bedeuten und im übrigen die Zensur zahlreicher Veröffentlichungen erfordern, was zu allerlei Rechtsstreitigkeiten führen würde.

106 Die Kommission ist der Meinung, daß die Entscheidung dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz entspreche. Sie erinnert insoweit daran, daß dieser Grundsatz nach ständiger Rechtsprechung bedeute, daß die den Wirtschaftsteilnehmern auferlegten Belastungen nicht die Grenzen dessen überschreiten dürften, was "zur Erreichung des angestrebten Ziels angemessen und erforderlich" sei.

107 Dieses Vorbringen überschneidet sich in Wirklichkeit mit der bereits geprüften Rüge einer Verletzung des Artikels 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17. Der Verhältnismässigkeitsgrundsatz ist nämlich implizit in dieser Vorschrift enthalten, die die Kommission ermächtigt, den betroffenen Unternehmen mit dem alleinigen Ziel, die Zuwiderhandlung abzustellen, Verpflichtungen aufzuerlegen. Wie die Kommission zu Recht vorträgt, bedeutet der Verhältnismässigkeitsgrundsatz im vorliegenden Fall, daß die Belastungen, die den Unternehmen auferlegt werden, damit sie eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht abstellen, nicht die Grenzen dessen überschreiten dürfen, was zur Erreichung des angestrebten Ziels, der Wiederherstellung der Legalität im Hinblick auf die verletzten Vorschriften, angemessen und erforderlich ist [zum Verhältnismässigkeitsgrundsatz siehe insbesondere Urteil vom 24. September 1985 in der Rechtssache 181/84, Man (Sugar), Slg. 1985, 2889, Randnr. 20].

108 Unter diesen Umständen genügt es, darauf hinzuweisen, daß die an die Klägerin gerichtete Anordnung, Dritten auf Anfrage, gegebenenfalls aufgrund einer mit bestimmten Bedingungen verbundenen Lizenz, auf nichtdiskriminierender Basis die Veröffentlichung ihrer wöchentlichen Programmvorschauen zu gestatten, nach den Feststellungen, die das Gericht im Rahmen der Prüfung der Rüge der Verletzung von Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 getroffen hat, eine angemessene und erforderliche Maßnahme zur Abstellung der Zuwiderhandlung darstellt. Unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falles ist diese Anordnung somit nicht unverhältnismässig oder unangemessen.

109 Das Vorbringen, der Verhältnismässigkeitsgrundsatz sei verletzt worden, ist deshalb als unbegründet zurückzuweisen.

110 Da die Hilfsanträge auf Nichtigerklärung des Artikels 2 der Entscheidung zurückzuweisen sind, ist demnach die Klage insgesamt abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

111 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, die nach Artikel 11 Absatz 3 des vorgenannten Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 für das Verfahren vor dem Gericht entsprechend gilt, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem gesamten Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten einschließlich der Kosten der Streithelferin aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferin.

Ende der Entscheidung

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