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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 17.12.1991
Aktenzeichen: T-7/89
Rechtsgebiete: EWG, Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages


Vorschriften:

EWG Art. 85 Abs. 1
EWG Art. 190
Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages Art. 15
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Hat die Kommission - über das hinausgehend, was die Wahrung der Verteidigungsrechte erfordert - ein Verfahren zur Akteneinsicht in Wettbewerbssachen geschaffen und die entsprechenden Verfahrensregelungen in einem ihrer Berichte über die Wettbewerbspolitik aufgestellt und bekannt gemacht, so kann sie von den selbst auferlegten Regeln nicht abweichen und ist daher verpflichtet, den von einem Verfahren zur Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag betroffenen Unternehmen die Gesamtheit der belastenden und entlastenden Schriftstücke zugänglich zu machen, die sie im Laufe der Untersuchung gesammelt hat; hiervon ausgenommen sind nur Geschäftsgeheimnisse anderer Unternehmen, interne Schriftstücke der Kommission und andere vertrauliche Informationen.

2. Eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag liegt schon dann vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten. Dies ist dann der Fall, wenn es zwischen mehreren Unternehmen eine Willensübereinstimmung zur Erreichung von Preis- und Verkaufsmengenzielen gab.

3. Artikel 85 EWG-Vertrag ist auch auf ausser Kraft getretene Kartelle anwendbar, deren Wirkungen über das formelle Ausserkrafttreten hinaus fortbestehen.

4. Die Kriterien der Koordinierung und der Zusammenarbeit, anhand deren sich der Begriff der abgestimmten Verhaltensweise bestimmen lässt, sind im Sinne des Grundgedankens der Wettbewerbsvorschriften des EWG-Vertrags zu verstehen, wonach jeder Unternehmer selbständig zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Gemeinsamen Markt zu betreiben gedenkt. Dieses Selbständigkeitspostulat beseitigt zwar nicht das Recht der Unternehmen, sich dem festgestellten oder erwarteten Verhalten ihrer Konkurrenten mit wachem Sinn anzupassen; es steht jedoch streng jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen Unternehmen entgegen, die bezweckt oder bewirkt, entweder das Marktverhalten eines gegenwärtigen oder potentiellen Konkurrenten zu beeinflussen oder einen solchen Konkurrenten über das Marktverhalten ins Bild zu setzen, das man selbst an den Tag zu legen entschlossen ist oder in Erwägung zieht.

Die Teilnahme an Sitzungen, deren Zweck es ist, Preis- und Verkaufsmengenziele festzulegen, und in denen die Wettbewerber Informationen über die Preise, die sie zu praktizieren beabsichtigen, über ihre Rentabilitätsschwelle, über die von ihnen für notwendig gehaltenen Beschränkungen der Verkaufsmengen oder über ihre Verkaufszahlen austauschen, stellt eine abgestimmte Verhaltensweise dar, da die teilnehmenden Unternehmen die so weitergegebenen Informationen zwangsläufig bei der Festlegung ihres Marktverhaltens berücksichtigen.

5. Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag sieht keine spezifische Subsumtion für eine Zuwiderhandlung vor, die zwar komplex, aber doch einheitlich ist, weil sie aus einem kontinuierlichen Verhalten besteht, das durch eine einzige Zielsetzung gekennzeichnet ist und sowohl Einzelakte aufweist, die als "Vereinbarungen" anzusehen sind, als auch Einzelakte, die "abgestimmte Verhaltensweisen" dargestellt haben. Daher kann eine solche Zuwiderhandlung als "eine Vereinbarung und aufeinander abgestimmte Verhaltensweise" qualifiziert werden, ohne daß für jeden Einzelakt gleichzeitig und kumulativ der Nachweis erforderlich ist, daß er sowohl die Tatbestandsmerkmale einer Vereinbarung als auch die einer abgestimmten Verhaltensweise erfuellt.

6. Ein Unternehmen ist als an einer Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise, die geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, beteiligt anzusehen und verstösst damit gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag, wenn das Verhalten der beteiligten Unternehmen insgesamt, unabhängig von der Auswirkung des individuellen Beitrags dieses Unternehmens, zu einem solchen Ergebnis führen kann.

7. Die fehlende Bezugnahme in einer wettbewerbsrechtlichen Entscheidung auf den Bericht des Anhörungsbeauftragten stellt keinen Verstoß gegen Artikel 190 EWG-Vertrag dar, da dieser Bericht, dessen Übermittlung an den Beratenden Ausschuß für Kartell- und Monopolfragen oder an die Kommission nirgends vorgeschrieben ist, keine von der Kommission als Entscheidungsorgan obligatorisch einzuholende Stellungnahme darstellt.

8. Bei der Bemessung der wegen eines Verstosses gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrages zu verhängenden Geldbusse kann zu Lasten eines Unternehmens erschwerend berücksichtigt werden, daß die Kommission bereits in der Vergangenheit Verstösse dieses Unternehmens gegen die Wettbewerbsregeln festgestellt und insoweit gegebenenfalls eine Strafe verhängt hat. Demgegenüber stellt das Fehlen einer früheren Zuwiderhandlung keinen besonderen Umstand dar, den die Kommission als mildernd berücksichtigen müsste.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (ERSTE KAMMER) VOM 17. DEZEMBER 1991. - SA HERCULES CHEMICALS NV GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - WETTBEWERB - BEGRIFF DER VEREINBARUNG UND DER ABGESTIMMTEN VERHALTENSWEISE - KOLLEKTIVE VERANTWORTLICHKEIT. - RECHTSSACHE T-7/89.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Die vorliegende Rechtssache betrifft eine Entscheidung der Kommission, mit der fünfzehn Herstellern von Polypropylen wegen Verstosses gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag eine Geldbusse auferlegt wurde. Das von der angefochtenen Entscheidung (nachstehend: Entscheidung) erfasste Erzeugnis ist eines der wichtigsten thermoplastischen Polymere. Polypropylen wird von den Herstellern an die Verarbeiter zur Weiterverarbeitung zu Fertig- und Halbfertigerzeugnissen verkauft. Die wichtigsten Hersteller von Polypropylen verfügen über eine Palette von mehr als hundert verschiedenen Sorten für einen breiten Fächer von Verwendungszwecken. Die wichtigsten Polypropylengrundsorten sind Raffia, Homopolymer für Spritzguß, Kopolymer für Spritzguß, hochschlagfestes Kopolymer und Folien. Alle Unternehmen, an die die Entscheidung gerichtet ist, sind grosse Hersteller petrochemischer Erzeugnisse.

2 Der westeuropäische Polypropylenmarkt wird fast ausschließlich von europäischen Produktionsstätten beliefert. Vor 1977 wurde dieser Markt von zehn Herstellern beliefert, nämlich von den Unternehmen Montedison (die spätere Montepolimeri SpA und jetzige Montedipe SpA), Hoechst AG, Imperial Chemical Industries PLC und Shell International Chemical Company Ltd (den sogenannten "vier Grossen"), die zusammen 64 % des Marktes innehatten, Enichem Anic SpA in Italien, Rhône-Poulenc SA in Frankreich, Alcudia in Spanien, Chemische Werke Hüls und BASF AG in Deutschland sowie Chemie Linz AG in Österreich. Nach dem Auslaufen der Hauptpatente von Montedison traten 1977 in Westeuropa sieben neue Hersteller auf: Amoco und Hercules Chemicals NV in Belgien, ATO Chimie SA und Solvay & Cie SA in Frankreich, SIR in Italien, DSM NV in den Niederlanden und Taqsa in Spanien. Der norwegische Hersteller Saga Petrokjemi AS & Co. und die Petrofina SA nahmen ihre Tätigkeit Mitte 1978 bzw. im Jahre 1980 auf. Das Auftreten neuer Hersteller mit einer nominalen Kapazität von rund 480 000 t bewirkte ein erhebliches Anwachsen der Produktionskapazität in Westeuropa, die mehrere Jahre lang nicht durch einen entsprechenden Anstieg der Nachfrage ausgeglichen wurde. Dies hatte einen geringen Auslastungsgrad der Produktionskapazitäten zur Folge; zwischen 1977 und 1983 soll der Auslastungsgrad jedoch schrittweise von 60 % auf 90 % gestiegen sein. Nach der Entscheidung sollen sich Angebot und Nachfrage von 1982 an im grossen und ganzen im Gleichgewicht befunden haben. Während des grössten Teils des Untersuchungszeitraums (1977 bis 1983) sei der Polypropylenmarkt jedoch durch eine niedrige Rentabilität oder durch erhebliche Verluste gekennzeichnet gewesen, und zwar namentlich wegen der Bedeutung der fixen Kosten und des Anstiegs des Preises des Ausgangsstoffes Propylen. Nach Randnummer 8 der Entscheidung beliefen sich 1983 die europäischen Marktanteile der Montepolimeri SpA auf 18 %, der Imperial Chemical Industries, der Shell International Chemical Company Ltd und Hoechst AG auf jeweils 11 %, der Hercules Chemicals NV auf knapp 6 %, der ATO Chimie SA, der BASF AG, der DSM NV, der Chemischen Werke Hüls, der Chemie Linz AG, der Solvay & Cie. SA und der Saga Petrokjemi AS & Co. auf jeweils 3 bis 5 % und der Petrofina SA auf etwa 2 %. Der Polypropylenhandel zwischen Mitgliedstaaten sei groß gewesen, da jeder der damals in der Gemeinschaft niedergelassenen Hersteller in die meisten, wenn nicht in alle Mitgliedstaaten verkauft habe.

3 Die Klägerin gehört zu den Herstellern, die 1977 neu auf den Markt kamen. Sie war ein mittelgrosser Hersteller auf dem westeuropäischen Polypropylenmarkt mit einem Marktanteil zwischen 5 und etwa 6,8 %. Auf dem amerikanischen Markt ist sie der grösste Hersteller.

4 Am 13. und 14. Oktober 1983 führten Beamte der Kommission gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, 13, S. 204; nachstehend: Verordnung Nr. 17) gleichzeitig Nachprüfungen bei den folgenden, den Markt der Gemeinschaft beliefernden Herstellern von Polypropylen durch:

- ATO Chimie SA, jetzt Atochem (nachstehend: ATO);

- BASF AG (nachstehend: BASF);

- DSM NV (nachstehend: DSM);

- Hercules Chemicals NV (nachstehend: Hercules oder Klägerin);

- Hoechst AG (nachstehend: Hoechst);

- Chemische Werke Hüls (nachstehend: Hüls);

- Imperial Chemical Industries PLC (nachstehend: ICI);

- Montepolimeri SpA, jetzt Montedipe (nachstehend: Monte);

- Shell International Chemical Company Ltd (nachstehend: Shell);

- Solvay & Cie. SA (nachstehend: Solvay);

- BP Chimie (nachstehend: BP).

Keine Nachprüfungen erfolgten bei Rhône-Poulenc SA (nachstehend: Rhône-Poulenc) und bei der Enichem Anic SpA.

5 Im Anschluß an diese Nachprüfungen richtete die Kommission Auskunftsverlangen nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 (nachstehend: Auskunftsverlangen) nicht nur an die genannten, sondern auch an folgende Unternehmen:

- Amoco;

- Chemie Linz AG (nachstehend: Linz);

- Saga Petrokjemi AS & Co., jetzt Teil von Statoil (nachstehend: Statoil);

- Petrofina SA (nachstehend: Petrofina);

- Enichem Anic SpA (nachstehend: Anic).

Linz, ein österreichisches Unternehmen, bestritt die Zuständigkeit der Kommission und weigerte sich, dem Auskunftsverlangen nachzukommen. Gemäß Artikel 14 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 führten Kommissionsbeamte anschließend Nachprüfungen bei Anic und bei der Saga Petrochemicals UK Ltd, der englischen Tochter von Saga, sowie bei den Verkaufsgesellschaften von Linz im Vereinigten Königreich und in der Bundesrepublik Deutschland durch. An Rhône-Poulenc erging kein Auskunftsverlangen.

6 Anhand des im Rahmen dieser Nachprüfungen und Auskunftsverlangen entdeckten Beweismaterials gelangte die Kommission zu der vorläufigen Auffassung, die Hersteller hätten von 1977 bis 1983 unter Verstoß gegen Artikel 85 EWG-Vertrag durch eine Reihe von Preisinitiativen regelmässig Zielpreise festgesetzt und ein System jährlicher Mengenkontrollen entwickelt, um den verfügbaren Markt nach vereinbarten Prozentsätzen oder Mengen unter sich aufzuteilen. Am 30. April 1984 beschloß die Kommission deshalb, ein Verfahren gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 einzuleiten. Im Mai 1984 übermittelte sie den genannten Unternehmen mit Ausnahme von Anic und Rhône-Poulenc die schriftliche Mitteilung der Beschwerdepunkte. Alle Adressaten äusserten sich dazu schriftlich.

7 Am 24. Oktober 1984 traf der von der Kommission ernannte Anhörungsbeauftragte mit den Rechtsberatern der Adressaten der Beschwerdepunkte zusammen, um Vereinbarungen über den Ablauf der im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vorgesehenen Anhörung zu treffen, deren Beginn für den 12. November 1984 vorgesehen war. In dieser Sitzung teilte die Kommission den Unternehmen ausserdem zu den in den Antworten auf die Beschwerdepunkte vorgebrachten Argumenten mit, sie werde ihnen in Kürze ergänzende Unterlagen zu den bereits übermittelten Beweismitteln bezueglich der Durchsetzung der Preisinitiativen zuleiten. Demgemäß übersandte sie den Rechtsberatern der Unternehmen am 31. Oktober 1984 eine Reihe von Unterlagen, die Kopien der einschlägigen Preisinstruktionen der Hersteller für ihre Verkaufsstellen einschließlich der Tabellen enthielten, in denen diese Belege zusammengefasst waren. Um die Wahrung des Geschäftsgeheimnisses zu gewährleisten, verband die Kommission diese Übermittlung mit bestimmten Auflagen; insbesondere durften die übersandten Unterlagen nicht an die kaufmännischen Abteilungen der Unternehmen weitergegeben werden. Die Anwälte einiger Unternehmen lehnten diese Auflagen ab und schickten die Unterlagen vor der mündlichen Anhörung zurück.

8 Aufgrund der Angaben in den schriftlichen Antworten auf die Beschwerdepunkte beschloß die Kommission, das Verfahren auf Anic und Rhône-Poulenc auszudehnen. Demgemäß übersandte sie diesen Unternehmen am 25. Oktober 1984 eine Mitteilung der Beschwerdepunkte, die der den anderen fünfzehn Unternehmen übersandten Mitteilung ähnlich war.

9 Eine erste Reihe von Anhörungen fand vom 12. bis zum 20. November 1984 statt. In ihr wurden mit Ausnahme von Shell (die sich geweigert hatte, an einer Anhörung teilzunehmen) sowie Anic, ICI und Rhône-Poulenc (die sich nicht in der Lage sahen, ihre Unterlagen vorzubereiten) alle Unternehmen angehört.

10 Bei diesen Anhörungen weigerten sich mehrere Unternehmen, sich mit den Fragen auseinanderzusetzen, die in den ihnen am 31. Oktober 1984 übersandten Unterlagen angeschnitten worden waren, da die Kommission die gesamte Bewertung des Falles geändert habe; sie müssten zumindest Gelegenheit erhalten, sich hierzu schriftlich zu äussern. Andere machten geltend, sie hätten nicht genügend Zeit gehabt, die betreffenden Unterlagen vor der Anhörung zu prüfen. Die Anwälte von BASF, DSM, Hercules, Hoechst, ICI, Linz, Monte, Petrofina und Solvay übersandten der Kommission am 28. November 1984 ein gemeinsames Schreiben in diesem Sinne. In einem Schreiben vom 4. Dezember 1984 schloß sich Hüls dieser Linie an.

11 Daraufhin leitete die Kommission den Unternehmen am 29. März 1985 eine neue Serie von Dokumenten zu, die die Preisanweisungen der Unternehmen an ihre Verkaufsbüros wiedergaben, begleitet von Preistabellen, sowie eine Zusammenfassung der Beweise für alle Preisinitiativen, für die Unterlagen verfügbar waren. Die Unternehmen wurden aufgefordert, sich dazu schriftlich und in einer weiteren mündlichen Anhörung zu äussern. Die ursprünglichen Auflagen bezueglich der Weitergabe an die kaufmännischen Abteilungen hob die Kommission auf.

12 In einem weiteren Schreiben gleichen Datums ging die Kommission auf das Vorbringen der Anwälte ein, sie habe die Rechtsnatur des angeblichen Kartells nach Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag nicht eindeutig definiert. Sie forderte die Unternehmen auf, sich hierzu schriftlich und mündlich zu äussern.

13 Eine zweite Reihe von Anhörungen fand vom 8. bis zum 11. Juli 1985 und am 25. Juli 1985 statt. Dabei äusserten sich Anic, ICI und Rhône-Poulenc; die anderen Unternehmen (mit Ausnahme von Shell) nahmen zu den von der Kommission in den beiden Schreiben vom 29. März 1985 angesprochenen Fragen Stellung.

14 Der Entwurf der Niederschrift über die Anhörungen sowie alle anderen entscheidungserheblichen Unterlagen wurden den Mitgliedern des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen (nachstehend: Beratender Ausschuß) am 19. November 1985 übergeben und den Unternehmen am 25. November 1985 zugesandt. Der Beratende Ausschuß gab seine Stellungnahme in seiner 170. Sitzung vom 5. und 6. Dezember 1985 ab.

15 Am Ende dieses Verfahrens erließ die Kommission die streitige Entscheidung vom 23. April 1986. Der verfügende Teil dieser Entscheidung lautet wie folgt:

"Artikel 1

Anic SpA, ATO Chemie SA (heute Atochem), BASF AG, DSM NV, Hercules Chemicals NV, Hoechst AG, Chemische Werke Hüls (jetzt Hüls AG), ICI PLC, Chemische Werke Linz, Montepolimeri SpA (jetzt Montedipe), Petrofina SA, Rhône-Poulenc SA, Shell International Chemical Co. Ltd, Solvay & Cie und Saga Petrokjemi AG & Co. (jetzt Teil der Statoil) haben gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstossen, indem sie

- im Fall von Anic von etwa November 1977 bzw. 1978 bis weit ins Jahr 1982 oder Anfang 1983;

- im Fall von Rhône-Poulenc von etwa November 1977 bis Ende 1980;

- im Fall von Petrofina von 1980 bis mindestens November 1983;

- im Fall von Hoechst, ICI, Montepolimeri und Shell von etwa Mitte 1977 bis mindestens November 1983;

- im Fall von Hercules, Linz, Saga und Solvay von etwa November 1977 bis mindestens November 1983;

- im Fall von ATO von mindestens 1978 bis mindestens November 1983;

- im Fall von BASF, DSM und Hüls von einem Zeitpunkt zwischen 1977 und 1979 bis mindestens November 1983

an einer von Mitte 1977 stammenden Vereinbarung und abgestimmten Verhaltensweise beteiligt waren, durch die die Gemeinschaft mit Polypropylen beliefernden Hersteller:

a) miteinander Verbindung hatten und sich regelmässig (von Anfang 1981 an zweimal monatlich) in einer Reihe geheimer Sitzungen trafen, um ihre Geschäftspolitik zu erörtern und festzulegen;

b) von Zeit zu Zeit für den Absatz ihrer Erzeugnisse in jedem Mitgliedstaat der EWG Ziel- (oder Mindest-)preise festlegten;

c) verschiedene Maßnahmen trafen, um die Durchsetzung dieser Zielpreise zu erleichtern, (vor allem) unter anderem durch vorübergehende Absatzeinschränkungen, den Austausch von Einzelangaben über ihre Verkäufe, die Veranstaltung lokaler Sitzungen und ab Ende 1982 ein System der "Kundenführerschaft" zwecks Durchsetzung der Preiserhöhungen gegenüber Einzelkunden;

d) gleichzeitige Preiserhöhungen vornahmen, um die besagten Ziele durchzusetzen;

e) den Markt aufteilten, indem jedem Hersteller ein jährliches Absatzziel bzw. eine Quote (1979, 1980 und zumindest für einen Teil des Jahres 1983) zugeteilt wurde oder, falls es zu keiner endgültigen Vereinbarung für das ganze Jahr kam, die Hersteller aufgefordert wurden, ihre monatlichen Verkäufe unter Bezugnahme auf einen vorausgegangenen Zeitraum einzuschränken (1981, 1982).

Artikel 2

Die in Artikel 1 genannten Unternehmen sind verpflichtet, die festgestellten Zuwiderhandlungen unverzueglich abzustellen (falls sie es noch nicht getan haben) und in Zukunft bezueglich ihrer Polypropylengeschäfte von allen Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen, die dasselbe oder ähnliches bezwecken oder bewirken, Abstand zu nehmen. Dazu gehört der Austausch von Informationen, die normalerweise dem Geschäftsgeheimnis unterliegen und durch die die Teilnehmer direkt oder indirekt über Produktion, Absatz, Lagerhaltung, Verkaufspreise, Kosten oder Investitionspläne anderer Hersteller informiert oder aufgrund deren sie in die Lage versetzt werden, die Befolgung ausdrücklicher oder stillschweigender Preis- oder Marktaufteilungsabsprachen innerhalb der Gemeinschaft zu kontrollieren. Ein Verfahren zum Austausch allgemeiner Informationen, dem sich die Hersteller anschließen (wie Fides), muß unter Ausschluß sämtlicher Informationen geführt werden, aus denen sich das Marktverhalten einzelner Hersteller ableiten lässt. Die Unternehmen dürfen insbesondere untereinander keine zusätzlichen wettbewerbsrelevanten Informationen austauschen, die ein solches System nicht erfasst.

Artikel 3

Gegen die in dieser Entscheidung genannten Unternehmen werden wegen des in Artikel 1 festgestellten Verstosses folgende Geldbussen festgesetzt:

i) Anic SpA, eine Geldbusse von 750 000 ECU bzw. 1 103 692 500 LIT;

ii) Atochem, eine Geldbusse von 1 750 000 ECU bzw. 11 973 325 FF;

iii) BASF AG, eine Geldbusse von 2 500 000 ECU bzw. 5 362 225 DM;

iv) DSM NV, eine Geldbusse von 2 750 000 ECU bzw. 6 657 640 HFL;

v) Hercules Chemicals NV, eine Geldbusse von 2 750 000 ECU bzw. 120 569 620 BFR;

vi) Hoechst AG, eine Geldbusse von 9 000 000 ECU bzw. 19 304 010 DM;

vii) Hüls AG, eine Geldbusse von 2 750 000 ECU bzw.

5 898 447,50 DM;

viii) ICI PLC, eine Geldbusse von 10 000 000 ECU bzw. 6 447 970 UKL;

ix) Chemische Werke Linz, eine Geldbusse von 1 000 000 ECU bzw. 1 471 590 000 LIT;

x) Montedipe, eine Geldbusse von 11 000 000 ECU bzw. 16 187 490 000 LIT;

xi) Petrofina SA, eine Geldbusse von 600 000 ECU bzw. 26 306 100 BFR;

xii) Rhône-Poulenc SA, eine Geldbusse von 500 000 ECU bzw. 3 420 950 FF;

xiii) Shell International Chemical Co. Ltd, eine Geldbusse von 9 000 000 ECU bzw. 5 803 173 UKL;

xiv) Solvay & Cie, eine Geldbusse von 2 500 000 ECU bzw. 109 608 750 BFR;

xv) Statoil Den Norske Stats Oljeselskap AS (nunmehr einschließlich Saga Petrokjemi), eine Geldbusse von 1 000 000 ECU bzw. 644 797 UKL.

Artikel 4 und 5

(nicht wiedergegeben)"

16 Am 8. Juli 1986 wurde den Unternehmen die endgültige Niederschrift über die Anhörungen mit den von ihnen verlangten Berichtigungen, Zusätzen und Streichungen übermittelt.

Verfahren

17 Unter diesen Umständen hat die Klägerin mit Klageschrift, die am 31. Juli 1986 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, die vorliegende Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung erhoben. Dreizehn der vierzehn übrigen Adressaten dieser Entscheidung haben ebenfalls Nichtigkeitsklage erhoben (Rechtssachen T-1/89 bis T-4/89, T-6/89, T-8/89 bis T-15/89).

18 Das gesamte schriftliche Verfahren ist vor dem Gerichtshof abgelaufen.

19 Mit Beschluß vom 15. November 1989 hat der Gerichtshof diese und die dreizehn übrigen Rechtssachen gemäß Artikel 14 des Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (nachstehend: Beschluß des Rates vom 24. Oktober 1988) an das Gericht verwiesen.

20 Gemäß Artikel 2 Absatz 3 des Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 hat der Präsident des Gerichts einen Generalanwalt bestellt.

21 Mit Schreiben vom 3. Mai 1990 hat der Kanzler des Gerichts die Parteien zur Teilnahme an einer informellen Sitzung aufgefordert, um die Einzelheiten der Durchführung der mündlichen Verhandlung festzulegen. Diese Sitzung hat am 28. Juni 1990 stattgefunden.

22 Mit Schreiben vom 9. Juli 1990 hat der Kanzler des Gerichts die Parteien gebeten, sich zu einer eventuellen Verbindung der Rechtssachen T-1/89 bis T-4/89 und T-6/89 bis T-15/89 zu gemeinsamem mündlichen Verfahren zu äussern. Keine der Parteien hat hiergegen Einwände erhoben.

23 Mit Beschluß vom 25. September 1990 hat das Gericht die genannten Rechtssachen wegen des zwischen ihnen bestehenden Zusammenhangs nach Artikel 43 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, die gemäß Artikel 11 Absatz 3 des Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 für das Verfahren vor dem Gericht entsprechend galt, zu gemeinsamem mündlichen Verfahren verbunden.

24 Mit Beschluß vom 15. November 1990 hat das Gericht über die von den Klägerinnen in den Rechtssachen T-2/89, T-3/89, T-9/89, T-11/89, T-12/89 und T-13/89 gestellten Anträge auf vertrauliche Behandlung entschieden und ihnen teilweise stattgegeben.

25 Mit Schreiben, die zwischen dem 9. Oktober und dem 29. November 1990 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben die Parteien die ihnen vom Gericht mit Schreiben des Kanzlers vom 19. Juli 1990 gestellten Fragen beantwortet.

26 In Anbetracht der Antworten auf diese Fragen hat das Gericht auf Bericht des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.

27 Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung, die vom 10. bis 15. Dezember 1990 stattgefunden hat, mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

28 Der Generalanwalt hat seine Schlussanträge in der Sitzung vom 10. Juli 1991 vorgetragen.

Anträge der Parteien

29 Die Klägerin beantragt,

1) Artikel 1 und 3 der Entscheidung der Beklagten vom 23. April 1986 (IV/31.149 - Polypropylen) ganz oder teilweise für nichtig zu erklären, soweit sie die Klägerin betreffen;

2) hilfsweise, Artikel 3 der Entscheidung, soweit er die Klägerin betrifft, dahingehend zu ändern, daß die gegen die Klägerin verhängte Geldbusse aufgehoben oder erheblich herabgesetzt wird;

3) der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Kommission beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zur Begründetheit

30 Nach Auffassung des Gerichts sind zuerst die Rügen zu prüfen, mit denen die Klägerin eine Verletzung der Verteidigungsrechte geltend macht, weil die Kommission die Entscheidung auf Schriftstücke ohne Beweiswert gestützt (1), Schriftstücke, die in der Entscheidung gegen sie verwertet worden seien, ihr nicht übermittelt und die Übermittlung bestimmter Schriftstücke, um die die Klägerin sie ersucht habe (2), sogar abgelehnt habe; zweitens die Rügen bezueglich der Feststellung der Zuwiderhandlung, die sich zum einen auf die von der Kommission getroffenen Tatsachenfeststellungen (1) und zum anderen auf die Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag auf diese Tatsachen (2) beziehen, da die Kommission die Zuwiderhandlung nicht richtig qualifiziert (A), die wettbewerbsbeschränkende Wirkung (B) und die Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten nicht richtig gewürdigt habe (C) und die Klägerin einer kollektiven Verantwortlichkeit unterwerfe (D); drittens die Rügen der Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung; viertens die Rügen der Klägerin bezueglich der Begründung der Entscheidung, die unzureichend sei (1) und keine Bezugnahme auf den Bericht des Anhörungsbeauftragten enthalte (2); fünftens die Rügen bezueglich der Festsetzung der Geldbusse, die teilweise verjährt (1) und weder der Dauer (2) noch der Schwere (3) der behaupteten Zuwiderhandlung angemessen sei.

Zu den Verteidigungsrechten

1. Beweiswert bestimmter in der Entscheidung verwerteter

Schriftstücke

31 Nach Ansicht der Klägerin hat sich die Kommission, abgesehen von den Preisinstruktionen der Klägerin (Anlagen zum Schreiben der Kommission vom 29. März 1985, nachstehend: Schreiben vom 29. März 1985, Anl.) und einigen internen Schriftstücken von begrenztem Beweiswert, auf Schriftstücke gestützt, die nicht von Hercules stammten und nicht in ihrem Besitz gewesen seien. Dabei handele es sich um bisweilen unleserliche Schriftstücke, deren Sinn dunkel und mehrdeutig sei, deren Verfasser nicht bekannt sei und die Gerüchte aus zweiter oder dritter Hand wiedergäben. Da die Klägerin die Herkunft dieser Schriftstücke nicht kenne, sei sie nicht in der Lage gewesen, ihre Stichhaltigkeit oder den Zusammenhang zu überprüfen, in dem Hercules dort erwähnt werde.

32 Die Kommission, die ihre Entscheidungen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes auf überzeugende Gründe stützen müsse (Urteil vom 16. Dezember 1975 in den verbundenen Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Suiker Unie u. a./Kommission, Slg. 1975, 1663, Randnrn. 164 ff.), die auf schlüssigen, inhaltlich glaubwürdigen Beweisen beruhten, habe aber auch keine Untersuchungen angestellt und die von ihr verwerteten Schriftstücke nicht, wie erforderlich (Urteil vom 16. Dezember 1975 in den verbundenen Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, a. a. O., Randnrn. 396 ff.), einer kritischen Prüfung unterzogen. Dieser kritischen Prüfung hätte es um so mehr bedurft, als unter den gegebenen Umständen diejenigen, die die fraglichen Initiativen ins Leben gerufen und die Schriftstücke verfasst hätten, das grösste Interesse daran gehabt hätten, von der Position der in den betreffenden Sitzungen nicht anwesenden Hersteller ein falsches Bild zu liefern, um auf diese Weise die Anwesenden dazu zu bewegen, sich ihrem Standpunkt anzuschließen. Die Klägerin versucht anhand von Beispielen zu zeigen, daß selbst dann, wenn die Schriftstücke insgesamt genommen ein Beweis für den allgemeinen Inhalt der Erörterungen zwischen den Herstellern sein könnten, sich aus ihnen keine genauen Schlußfolgerungen hinsichtlich des Verhaltens dieses oder jenes Herstellers ziehen ließen, besonders wenn er an diesen Sitzungen nicht teilgenommen habe.

33 In ihrer Erwiderung trägt die Klägerin vor, die Kommission könne sich nicht dahinter verschanzen, daß die beschuldigten Unternehmen zu den Anhörungen Personen entsandt hätten, die keine unmittelbaren Zeugen der von der Kommission beanstandeten Handlungen gewesen seien. Es sei nämlich Sache der Kommission gewesen, von ihren Befugnissen Gebrauch zu machen, um die Zeugenaussagen dieser Personen zu erlangen, wenn dies ihrem Wunsch entsprochen hätte. Hercules hätte den Prüfern der Kommission die Befragung des Angestellten gestattet, der an den Sitzungen teilgenommen habe.

34 Die Kommission habe schließlich die in ihrem Besitz befindlichen Schriftstücke einseitig ausgewertet, da sie diese systematisch zuungunsten der Klägerin ausgelegt und bestimmte Erklärungen in diesen Schriftstücken ausgeklammert habe, die für die Klägerin hätten günstig sein können.

35 Die Kommission legt dar, daß die Klägerin belastende Schriftstücke, die zum Teil in ihren Geschäftsräumen gefunden worden seien oder die sie der Kommission übermittelt habe (z. B. die Anlagen 2, 23, 45 und 88 der Mitteilung der gemeinsamen Beschwerdepunkte, nachstehend: gem. Bpkte., Anl.), schweigend übergehe. Die Kommission habe Gründe dafür gehabt, die Beweise, insbesondere die von ICI stammenden Schriftstücke, aufgrund ihres Inhalts und der Tatsache, daß sie sich deckten, als klar und glaubwürdig anzusehen. So habe ICI in ihrer Antwort auf das Auskunftsverlangen (gem. Bpkte., Anl. 8) ihre internen Vermerke verdeutlicht und angegeben, unter welchen Umständen und von wem sie verfasst worden seien.

36 Die Klägerin habe ferner in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte erklärt, sie halte es für vernünftig, von der Richtigkeit der Sitzungslisten auszugehen, die ICI in ihrer Antwort an die Kommission angeführt habe. Ebenso behaupte die Klägerin zu Unrecht, daß es sich bei den Äusserungen in den Schriftstücken nur um Gerüchte aus zweiter und dritter Hand handele. Für die Kommission seien es Schriftstücke, die klar, schlüssig und lückenlos über einen langen Zeitraum die Existenz eines Kartells bewiesen.

37 Wenn man zugestehe, daß die Schriftstücke insgesamt richtig und glaubwürdig seien, könne man nicht ihre Glaubwürdigkeit in bezug auf einzelne Aspekte in Frage stellen, die bestimmte Hersteller im einzelnen beträfen. Die Kommission macht der Klägerin dagegen den Vorwurf, nicht genau angegeben zu haben, welche Beweise die Kommission nicht für "glaubwürdig" hätte halten dürfen. Hercules führe in diesem Zusammenhang nur ein einziges, genau bestimmtes Schriftstück an, den Bericht über eine Sitzung vom 1. Juni 1983 (gem. Bpkte., Anl. 40), lege es aber falsch aus und reisse es aus dem Zusammenhang, der zeige, daß auf die in diesem Schriftstück erwähnte Erklärung Preisinstruktionen gefolgt seien.

38 Im übrigen könne sich die Klägerin für ihre Behauptung, die Kommission müsse zur Glaubwürdigkeit der Erklärungen Dritter Anhörungen durchführen, nicht auf das Urteil vom 16. Dezember 1975 in den verbundenen Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73 (Suiker Unie, a. a. O., Randnr. 164) berufen. Davon abgesehen habe die Kommission, soweit erforderlich, Nachprüfungen angestellt, z. B. durch Befragung des Angestellten der Klägerin, der an den Sitzungen teilgenommen habe (Anlage 7 der Mitteilung der individuellen Beschwerdepunkte an die Klägerin, nachstehend: ind. Bpkte. Hercules, Anl.) und sich während des Verwaltungsverfahrens der Glaubwürdigkeit der Beweise vergewissert, die sie zugrundegelegt habe.

39 Überdies habe die Klägerin zu den Anhörungen vielleicht deshalb ihren Generaldirektor entsandt, weil sie es vorgezogen habe, entgegen der entsprechenden Aufforderung des Anhörungsbeauftragten niemanden zu schicken, der als unmittelbarer Zeuge zu den gegen die Unternehmen erhobenen Vorwürfe hätte aussagen können.

40 Die Beweisführung der Kommission sei keineswegs parteiisch und ungerecht gewesen. Wenn sie diesem oder jenem Standpunkt den Vorzug gegeben habe, so dehalb, weil das Gewicht der Beweise den Ausschlag für die eine oder die andere Richtung gegeben habe. Randnummer 78 letzter Absatz der Entscheidung zeige, daß sie ihr Vorgehen geändert habe, wenn es für ihren ursprünglichen Standpunkt keine hinreichenden Beweise gegeben habe.

41 Das Gericht weist zunächst darauf hin, daß die Identität der Verfasser der zumeist von ICI stammenden Sitzungsberichte bekannt ist, weil dieses Unternehmen sie in seiner Antwort auf das Auskunftsverlangen (gem. Bpkte., Anl. 8) namhaft gemacht hat.

42 Die Sitzungsberichte von ICI werden inhaltlich durch verschiedene Unterlagen bestätigt, so z. B. durch Sitzungsberichte eines leitenden Angestellten der Klägerin - wie dem über die Sitzung vom 13. Mai 1982 (ind. Bpkte. Hercules, Anl. 3), der den Bericht von ICI über die gleiche Sitzung (gem. Bpkte., Anl. 24) bestätigt - durch eine Reihe von Tabellen mit Zahlen über das Absatzvolumen einzelner Hersteller, durch Preisinstruktionen, die bezueglich der Höhe und des Inkrafttretens mit den in diesen Sitzungsberichten genannten Preiszielen übereinstimmen, und durch die Antworten der einzelnen Hersteller auf das Auskunftsverlangen, das die Kommission an sie richtete. Zudem sind eine Reihe von Schriftstücken, die in ihrer Gesamtheit den Inhalt der von ICI stammenden Sitzungsberichte bestätigen, gerade bei der Klägerin gefunden oder von ihr vorgelegt worden (gem. Bpkte., Anl. 2, 23, 45 und 88).

43 Die Kommission konnte deshalb zu Recht davon ausgehen, daß die bei ICI aufgefundenen Sitzungsberichte hinreichend objektiv den Inhalt der Sitzungen wiedergaben, die von verschiedenen Angestellten von ICI geleitet wurden, was diese um so mehr dazu zwang, die Angestellten von ICI, die an der einen oder anderen Sitzung nicht teilnahmen, über diese Sitzungen durch die Erstellung von Sitzungsberichten zutreffend zu unterrichten.

44 Unter diesen Umständen obliegt es der Klägerin, durch die Vorlage konkreter Beweismittel, z. B. der Aufzeichnungen ihres Angestellten von den Sitzungen, an denen er teilnahm, oder durch die Aussagen ihrer Angestellten, die an den Sitzungen als Zeugen teilnahmen, eine andere Erklärung für den Inhalt der Sitzungen zu geben, an denen sie beteiligt war. Es muß festgestellt werden, daß die Klägerin solche Angaben dem Gericht weder vorgetragen noch den Versuch hierzu gemacht hat.

45 Im übrigen ist die Frage, ob die Schriftstücke, die die Kommission gegen die Klägerin verwertet hat, nicht nur ein Beleg für den allgemeinen Inhalt der Erörterungen unter den Herstellern, sondern auch für das genaue Verhalten der Klägerin sind, oder die Frage, ob die Kommission diese Schriftstücke systematisch zuungunsten der Klägerin ausgelegt hat, nicht von der Frage zu trennen, ob die tatsächlichen Feststellungen der Kommission in der Entscheidung von den von ihr vorgelegten Beweisen getragen werden. Da es sich dabei um eine Frage der Begründetheit handelt, die mit der Feststellung der Zuwiderhandlung zusammenhängt, ist sie später mit den anderen, mit dieser Feststellung zusammenhängenden Fragen zu prüfen.

2. Keine Übermittlung oder Ablehnung der Übermittlung von Schriftstücken

46 Die Klägerin weist darauf hin, daß die Kommission den Adressaten nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte Akteneinsicht gewährt habe. Eine Reihe von Schriftstücken, die für Hercules günstig gewesen seien, habe jedoch in den Akten gefehlt. Sie habe die Kommission mit Schreiben vom 30. August 1984 vergeblich gebeten, Einsicht in diese Schriftstücke nehmen zu dürfen, die es ihr gestattet hätten, die besondere Stellung ihres Angestellten B. in den Sitzungen zu belegen. Die Kommission habe mit Schreiben vom 13. September 1984 ihren mit Schreiben vom 30. Juli 1984 gestellten Antrag ebenfalls zurückgewiesen, die Antworten der anderen Hersteller auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte einzusehen, die für sie günstige Anhaltspunkte hätten enthalten und sie in die Lage hätten versetzen können, Vorbereitungen für die Anhörungen zu treffen und eine eventuelle Klage ins Auge zu fassen.

47 Die Klägerin wendet sich gegen die von der Kommission für diese abschlägigen Antworten gegebene Begründung, daß sie alle Informationen, die erforderlich und hinreichend seien, um der Klägerin die Vorbereitung ihrer Verteidigung zu ermöglichen, in den Anlagen zur Mitteilung der Beschwerdepunkte übermittelt habe, und daß sie zur Berücksichtigung aller, auch der für die Klägerin günstigen Beweise, verpflichtet sei, so daß sie dieser die erbetenen Schriftstücke nicht habe zugänglich zu machen brauchen. Nach Ansicht der Klägerin verlangt die Wahrung des rechtlichen Gehörs nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil vom 13. Juli 1966 in den verbundenen Rechtssachen 56/64 und 58/64, Consten-Grundig/Kommission, Slg. 1966, 322; Urteil vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 48/69, ICI/Kommission, Slg. 1972, 619; Urteil vom 23. Oktober 1974 in der Rechtssache 17/74, Transocean Marine Paint Association/Kommission, Slg. 1974, 1063, und Urteil vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76, Hoffmann-La Roche/Kommission, Slg. 1979, 461), daß die betreffenden Unternehmen über die wesentlichen Tatsachen unterrichtet würden, auf die die Kommission ihre Vorwürfe stütze, und daß ihnen die Möglichkeit geboten werde, sich in zweckdienlicher Weise dazu zu äussern. Die Vorwürfe beruhten aber nicht nur auf den Schriftstücken in den Anlagen zu der Mitteilung der Beschwerdepunkte, sondern auch auf solchen, die der Verfasser dieser Mitteilung beiseite gelassen habe. So sei sie an dem Nachweis gehindert worden, daß die Teilnahme ihres Angestellten B. an einigen Sitzungen nicht den Schluß zulasse, daß sie sich an einer Zuwiderhandlung beteiligt habe. Es sei für ihre Verteidigung also notwendig, auf die Bedeutung aller im Besitz der Kommission befindlichen Informationen hinweisen zu können, die für sie günstig, von der Kommission aber vergessen oder unterbewertet worden seien.

48 Schließlich könne diese Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die Kommission im Verwaltungsverfahren nicht durch die Vorlage der betreffenden Schriftstücke im laufenden Verfahren vor dem Gemeinschaftsrichter geheilt werden.

49 In ihrer Erwiderung trägt Hercules ergänzend vor, daß die Kommission ihr nicht vorwerfen dürfe, daß die Klägerin kein einziges Schriftstück zur Untermauerung ihrer Darlegungen habe finden können, denn es sei ihr natürlich unmöglich gewesen, Schriftstücke zu bezeichnen, die ihr vielleicht verheimlicht worden seien. Wenn sie zu dem Schluß gelangt sei, daß verschiedene Schriftstücke, die für sie nützlich hätten sein können, aus den Akten entfernt worden seien, so könne die Kommission ihr auch daraus keinen Vorwurf machen, da sie die Zweifel der Klägerin in diesem Punkt leicht hätte beseitigen können, indem sie ihr die Schriftstücke der Untersuchung, die nicht in den Akten enthalten gewesen seien, zugänglich gemacht hätte.

50 Die Kommission entgegnet, daß sie nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil vom 17. Januar 1984 in den verbundenen Rechtssachen 43/82 und 63/82, VBVB und VBBB/Kommission, Slg. 1984, 19, Randnr. 25) nicht verpflichtet sei, den Beteiligten den gesamten Akteninhalt bekanntzumachen. Auf jeden Fall seien im vorliegenden Fall im Akteneinsichtsverfahren nur solche Schriftstücke nicht vorgelegt worden, die echte Geschäftsgeheimnisse enthalten hätten, sowie ihre internen Schriftstücke und die Antworten der anderen Hersteller auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte. Sie bestreite, den Zugang zu Schriftstücken verweigert zu haben, die nicht zu ihrer Beweisführung gepasst hätten. Die Klägerin könne kein Schriftstück nennen, um ihre Behauptung zu stützen, daß die Kommission die Schriftstücke, die ihre Auffassung am besten untermauert hätten, ausgewählt und die anderen nicht verwertet oder nicht zugänglich gemacht habe. Im übrigen sei sie nicht verpflichtet, die Antworten der anderen Hersteller auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte zugänglich zu machen.

51 Das Gericht weist darauf hin, daß der Klägerin zur Wahrung der Verteidigungsrechte Gelegenheit gegeben werden musste, zur Gesamtheit der Vorwürfe, die die Kommission in den an sie gerichteten Mitteilungen der Beschwerdepunkte erhoben hat, und zu den zur Stützung dieser Vorwürfe herangezogenen und von der Kommission in ihren Mitteilungen der Beschwerdepunkte erwähnten oder diesen als Anlagen beigefügten Beweismitteln in der von ihr für angemessen erachteten Weise Stellung zu nehmen (Urteil des Gerichtshofes vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, Randnr. 7).

52 Dagegen erfordert es die Wahrung der Verteidigungsrechte nicht, daß einem von einem Verfahren zur Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag betroffenen Unternehmen Gelegenheit gegeben wird, alle in den Akten der Kommission enthaltenen Schriftstücke zu kommentieren, da es keine Vorschrift gibt, die die Kommission dazu verpflichtet, den betroffenen Beteiligten den Inhalt ihrer Akten bekanntzugeben (Urteil des Gerichtshofes vom 17. Januar 1984 in den verbundenen Rechtssachen 43/82 und 63/82, a. a. O., Randnr. 25).

53 Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß die Kommission durch die Schaffung eines Verfahrens zur Akteneinsicht in Wettbewerbssachen sich selbst Regeln auferlegt hat, die über die vom Gerichtshof aufgestellten Anforderungen hinausgehen. In diesen im Zwölften Bericht über die Wettbewerbspolitik (S. 40 und 41) aufgestellten Regeln heisst es:

"[Die Kommission erteilt] den am Verfahren beteiligten Unternehmen Akteneinsicht. Um die Beteiligten über den Inhalt der Verfahrensakte zu informieren, wird ihnen zusammen mit den Beschwerdepunkten oder dem ihre Beschwerde ablehnenden Bescheid eine Liste aller Unterlagen übersandt, die zu dieser Akte gehören. Dabei gibt die Kommission an, in welche Unterlagen oder Teile von ihnen Einsicht gewährt werden kann. Die Unternehmen können die zugänglichen Unterlagen an Ort und Stelle einsehen. Wünscht ein Unternehmen nur wenige Geschäftsunterlagen einzusehen, so kann die Kommission ihm Abschriften übermitteln. Die nachstehenden Schriftstücke werden von der Kommission als vertraulich betrachtet und können folglich nicht eingesehen werden: Schriftstücke oder Teile davon, die Geschäftsgeheimnisse anderer Unternehmen enthalten; interne Schriftstücke der Kommission wie Vermerke, Entwürfe und sonstige Arbeitspapiere; andere vertrauliche Angaben, wie solche zur Person von Beschwerdeführern, die ihre Identität nicht gegenüber Dritten preisgeben möchten, oder Auskünfte, die der Kommission mit der ausdrücklichen Bitte um vertrauliche Behandlung übermittelt wurden."

Von Regeln, die sie sich auf diese Weise selbst gegeben hat, kann die Kommission nicht abweichen (Urteile des Gerichtshofes vom 5. Juni 1973 in der Rechtssache 81/72, Kommission/Rat, Slg. 1973, 575, Randnr. 9, und vom 30. Januar 1974 in der Rechtssache 148/73, Louwage/Kommission, Slg. 1974, 81).

54 Die Kommission ist folglich verpflichtet, den von einem Verfahren zur Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag betroffenen Unternehmen die Gesamtheit der belastenden und entlastenden Schriftstücke zugänglich zu machen, die sie im Laufe der Untersuchung gesammelt hat; hiervon ausgenommen sind nur Geschäftsgeheimnisse anderer Unternehmen, interne Schriftstücke der Kommission und andere vertrauliche Informationen.

55 Im vorliegenden Fall spricht nichts dafür, daß die Dienststellen der Kommission der Klägerin die Schriftstücke selektiv zugänglich gemacht hätten, um sie an dem Nachweis zu hindern, daß Hercules wegen der Stellung ihres Angestellten in den Sitzungen der Polypropylenhersteller nicht an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen war. Gegenüber dem Bestreiten der Kommission hat die Klägerin keinerlei Anhaltspunkte für ein unredliches Verhalten der Dienststellen der Kommission vorgetragen. Sie hätte z. B. vor Gericht den in ihrem Schreiben vom 30. August 1984 geäusserten Verdacht näher darlegen können, daß bestimmte von der Kommission bei ihr gefundene Schriftstücke nicht in die Akten aufgenommen worden seien, in die sie Einsicht erhalten habe.

56 Was insbesondere die Weigerung der Kommission betrifft, der Klägerin die Antworten der anderen Hersteller auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte zugänglich zu machen, bedarf es nach Auffassung des Gerichts keiner Prüfung, ob diese Weigerung eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darstellt. Eine solche Prüfung wäre nämlich nur dann erforderlich, wenn die Möglichkeit bestände, daß ohne diese Weigerung das Verwaltungsverfahren zu einem anderen Ergebnis geführt hätte (Urteil des Gerichtshofes vom 10. Juli 1980 in der Rechtssache 30/78, Distillers Company/Kommission, Slg. 1980, 2229, Randnr. 27, und Urteil vom 27. November 1990 in der Rechtssache T-7/90, Kobor/Kommission, Slg. 1990, II-721, Randnr. 30). Dies ist indessen vorliegend nicht der Fall. Nach der Verbindung der Rechtssachen zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung hat die Klägerin nämlich Zugang zu den Antworten der anderen Hersteller auf die Mitteilungen der Beschwerdepunkte gehabt und ihnen nichts entnehmen können, auf das sie sich in der mündlichen Verhandlung zu ihrer Entlastung hätte berufen können. Daraus ist zu schließen, daß diese Antworten kein Entlastungsmaterial enthielten und daß daher der Umstand, daß der Klägerin während des Verwaltungsverfahrens der Zugang zu ihnen versagt geblieben ist, das Ergebnis der Entscheidung nicht beeinflusst haben kann.

57 Die Rüge ist folglich zurückzuweisen.

Zur Feststellung der Zuwiderhandlung

58 Nach Randnummer 80 Absatz 1 der Entscheidung haben sich die Polypropylenhersteller, die die Gemeinschaft beliefern, seit 1977 an einer ganzen Reihe von Plänen, Absprachen und Maßnahmen beteiligt, die im Rahmen eines Systems regelmässiger Sitzungen und ständiger Kontakte beschlossen worden seien. Der allgemeine Plan der Hersteller sei es gewesen, sich über spezifische Angelegenheiten zu einigen (Entscheidung, Randnr. 80 Absatz 2).

59 Unter diesen Umständen ist zunächst zu prüfen, ob der Kommission rechtlich der Beweis für ihre tatsächlichen Feststellungen betreffend die Kontakte der Hersteller untereinander und die Sitzung eines Fachverbands der Kunden, der European Association for Textile Polyolefins (nachstehend: EATP) vom 22. November 1977 (A), das System der regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller (B), die Preisinitiativen (C), die Maßnahmen zur Förderung der Durchführung der Preisinitiativen (D) und die Festsetzung von Absatzzielen und Quoten (E) gelungen ist; dabei sind jeweils zunächst die angefochtene Handlung (a) und das Vorbringen der Parteien (b) darzulegen und sodann zu würdigen (c). Danach ist die Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag auf diese Tatsachen zu überprüfen.

1. Die tatsächlichen Feststellungen

A - Die Kontakte der Hersteller untereinander und die EATP-Sitzung vom 22. November 1977

a) Angefochtene Handlung

60 Die Entscheidung (Randnrn. 17 Absatz 4, 78 Absatz 3 und 104 Absatz 2) wirft der Klägerin vor, ebenso wie Hoechst, ICI, Linz, Saga und Solvay erklärt zu haben, die Ankündigung von Monte in einem Bericht der Fachpresse (European Chemical News, nachstehend: ECN) vom 18. November 1977, den Raffiapreis auf 1,30 DM/kg ab dem 1. Dezember anzuheben, zu unterstützen. Aus den bei dem EATP-Treffen vom 22. November 1977 abgegebenen verschiedenen Erklärungen ergebe sich laut Sitzungsprotokoll, daß der von Monte festgesetzte Preis von 1,30 DM/kg von den anderen Herstellern als allgemeiner "Zielpreis" angenommen worden sei.

61 Nach Randnummer 16 Absätze 1 und 2 der Entscheidung ist die Unterstützung unter dem Eindruck der Gespräche erklärt worden, die die Hersteller miteinander aufgenommen hätten, um einen Preisverfall bei Polypropylen und damit verbundene Verluste zu vermeiden. Als Folge dieser Gespräche hätten die Haupthersteller, Monte, Hoechst, ICI und Shell, eine "Mindestpreisvereinbarung" ("floor price agreement") getroffen, die am 1. August 1977 habe in Kraft treten sollen und deren Einzelheiten anderen Herstellern mitgeteilt worden seien, darunter auch Hercules, da der Marketingdirektor dieses Unternehmens vermerkt habe, daß die Mindestpreise für die Hauptsorten sich auf einen Raffia-Preis von 1,25 DM/kg stützten.

62 In Randnummer 16 Absätze 5 und 6 der Entscheidung heisst es darüber hinaus, daß ICI und Shell einräumten, daß es Kontakte mit anderen Herstellern gegeben habe, um zu prüfen, wie dem Preisverfall habe Einhalt geboten werden können. Die Kommission räumt jedoch ein, daß mit Ausnahme der "grossen Vier" (Hoechst, ICI, Monte und Shell), Hercules und Solvay die Identität der anderen seinerzeit an den Gesprächen beteiligten Hersteller nicht habe festgestellt werden können und Einzelheiten der Handhabung der "Mindestpreisvereinbarung" sich nicht hätten ermitteln lassen.

63 Nach Randnummer 17 Absatz 1 der Entscheidung begannen die regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller etwa zum Zeitpunkt der Ankündigung von Monte, ihre Preise zu erhöhen. ICI habe aber selbst eingeräumt, daß es schon davor zu Kontakten zwischen Herstellern gekommen sei, vermutlich auf telefonischem Wege und auf einer "Ad-hoc-Basis".

b) Vorbringen der Parteien

64 Nach Ansicht der Klägerin gibt es keinen Beweis, daß sie regelmässige Kontakte zu ihren Wettbewerbern ausserhalb der Herstellersitzungen gehabt habe. So stütze sich die Kommission für ihre Behauptung, die "grossen Hersteller" hätten eine Vereinbarung getroffen, auf den Vermerk über einen Telefonanruf (gem. Bpkte., Anl. 2), den der Marketingmanager der Klägerin wahrscheinlich Anfang 1977 erhalten habe. Dieses Schriftstück, das sie der Kommission freiwillig übermittelt habe, beweise höchstens - was sie im übrigen nie bestritten habe -, daß sie gelegentlich von anderen Herstellern telefonisch über den Inhalt von Sitzungen unterrichtet worden sei, die diese veranstaltet hätten. Weder dieses Schriftstück noch irgend ein anderes beweise aber, daß sie Kontakte mit anderen Herstellern gesucht habe, was auch niemals der Fall gewesen sei.

65 Im übrigen meine die Kommission, aus Schriftstücken, die nicht die Klägerin beträfen, herleiten zu können, daß bestimmte Hersteller sich über eine Preisinitiative für Dezember 1977 geeinigt hätten, und behaupte, daß die Klägerin an dieser Vereinbarung beteiligt gewesen sei, wobei sie sich allein auf die Erklärungen der Vertreter der Klägerin in den Sitzungen der EATP vom Mai und November 1977 (gem. Bpkte., Anl. 5 und 6) stütze. Die Erklärungen im Mai seien indessen vor dem ersten Beweis einer Vereinbarung der vier grossen Hersteller abgegeben worden und ihr Inhalt sei in keiner Weise zu beanstanden. Die Erklärungen vom November, die eine Unterstützung des Gedankens einer Erhöhung der Polypropylenpreise nach dem Anstieg der Produktionskosten zum Ausdruck gebracht hätten, seien kein Beweis für eine rechtswidrige Absprache. Es sei übrigens unwahrscheinlich, daß eine solche Absprache in einer EATP-Sitzung in Gegenwart der Abnehmer erwähnt worden sei. Die Erklärungen vom November könnten ebensogut die normale öffentliche Reaktion eines Herstellers auf die öffentlichen Aktionen seiner Wettbewerber sein, wie etwa die Ankündigung einer Preiserhöhung durch Monte in den ECN (gem. Bpkte., Anl. 3). Aus dem gleichen Grunde sei die von ihr auf einer EATP-Sitzung im Mai 1978 (gem. Bpkte., Anl. 7) vertretene Meinung, daß die Preise noch kein befriedigendes Niveau erreicht hätten, kein Beweis für ihre Beteiligung an Preisvereinbarungen, zumal diese Vereinbarungen nach Darstellung der Kommission auf Herstellersitzungen beschlossen worden seien, bei denen eine Teilnahme der Klägerin nicht bewiesen sei. Somit sprächen alle vorhandenen Beweise dafür, daß die Klägerin zwischen 1977 und einem bestimmten Zeitpunkt im Jahre 1979 nur gelegentlich und passiv Informationen über die Diskussionen erhalten habe, die zwischen den anderen Herstellern stattgefunden hätten.

66 Weiterhin verfüge die Kommission für diesen Zeitraum nicht über übereinstimmende Preisinstruktionen der Klägerin, die sich damit in der gleichen Situation befinde wie BP, die ebenfalls Kontakte mit anderen Herstellern gehabt habe, und wie Amoco, die sich abgesehen von diesen Kontakten auch in der EATP-Sitzung vom Mai 1978 geäussert habe. Ausserdem habe die Kommission eingeräumt, die Beteiligung der Klägerin an einer zentralen Vereinbarung in diesem Zeitraum nicht mit Sicherheit nachweisen zu können.

67 Die Kommission stützt ihre Beanstandungen zum einen auf die Kenntnis der Klägerin vom Abschluß einer Mindestpreisvereinbarung durch die "grossen Vier", wie aus einem Vermerk über ein Telefongespräch Mitte 1977 (gem. Bpkte., Anl. 2) hervorgehe, der die Einzelheiten dieser Vereinbarung beschreibe, und zum anderen auf drei Erklärungen der Klägerin in den EATP-Sitzungen vom Mai 1977 (gem. Bpkte., Anl. 5), vom November 1977 (gem. Bpkte., Anl. 6) und vom Mai 1978 (gem. Bpkte., Anl. 7). In der ersten Sitzung habe Hercules geäussert:

"Hercules is not happy with the current price levels, but feels it will be up to the traditional industry leaders to bring some order out of the present chaos."

("Hercules ist über das augenblickliche Preisniveau nicht glücklich, glaubt aber, daß es Aufgabe der traditionellen Marktführer des Sektors ist, etwas Ordnung in das derzeitige Chaos zu bringen.")

In der zweiten Sitzung habe die Klägerin erklärt:

"Since the first alternative dös not appear likely, I was happy to learn on Friday from Mrs T. of European Chemical News that Montedison had announced to her that they had made the first move in announcing the new European prices for their grades of polypropylene",

("Da die erste Alternative wenig wahrscheinlich ist, freute ich mich, als ich am Freitag von Frau T. von den European Chemical News erfuhr, daß Montedison ihr mitgeteilt habe, sie hätten den ersten Schritt getan und die neuen europäischen Preise für ihre verschiedenen Polypropylensorten bekanntgegeben")

und damit ihre Unterstützung für eine in der Fachpresse wiedergegebene Initiative von Monte zum Ausdruck gebracht (gem. Bpkte., Anl. 3, unter Bezugnahme auf einen früheren Artikel). Wahrscheinlich habe die Klägerin gewusst, daß diese Initiative das Ergebnis einer rechtswidrigen Absprache sei (gem. Bpkte., Anl. 2). In der dritten Sitzung habe sie erklärt:

"Although prices for polypropylene have increased significantly since the fourth quarter of last year, they are not yet at a satisfactory level. It may not have been realistic to think that an increase to 1.30 DM/kg could have been reached in one step, but the need to get to this minimum level has not and will not diminish."

("Obwohl die Polypropylenpreise seit dem vierten Quartal des letzten Jahres merklich gestiegen sind, ist das Niveau immer noch nicht zufriedenstellend. Vieleicht war es nicht realistisch anzunehmen, eine Preiserhöhung auf 1,30 DM/kg könne in einem Schritt erreicht werden, aber an der Notwendigkeit, dieses Mindestniveau zu erreichen, hat sich nichts geändert und wird sich nichts ändern.")

68 Zu den telefonischen Kontakten mit anderen Herstellern habe die Klägerin in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte selbst erklärt, daß Herr B. von Zeit zu Zeit angerufen und über den Inhalt der Sitzungen, an denen er nicht teilgenommen habe, unterrichtet worden sei.

69 Die Kommission habe zur Teilnahme der Klägerin an den Sitzungen der Hersteller vor 1979 - mit Ausnahme der EATP-Sitzungen - keine Feststellungen getroffen. Sie nehme daher mit Interesse die Erklärung der Klägerin in ihrer Erwiderung zur Kenntnis, daß sie über die Ergebnisse der Sitzungen "während des ersten Zeitraums, in dem Herr B. zunächst überhaupt nicht und später nur sehr selten an diesen Sitzungen teilgenommen hat", unterrichtet worden sei. Hercules beziehe sich dabei ganz offenkundig auf das Jahr 1978 und lasse erkennen, daß die Unterstützung der Preiserhöhungen auf den EATP-Sitzungen zumindest in Kenntnis der ihnen zugrunde liegenden Absprachen und in der Absicht, sich dieser anzuschließen, zum Ausdruck gebracht worden sei. FORTSETZUNG DER GRÜNDE UNTER DOK.NUM : 689A0007.1

70 Bezueglich der angeblichen Diskriminierung der Klägerin gegenüber BP und Amoco sei in Randnummer 78 der Entscheidung klar gesagt, daß Amoco und BP deshalb nicht zu den Adressaten der Entscheidung gehörten, weil "die Beweise... insgesamt gesehen nicht aus[reichen], um die beiden Unternehmen einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 zu überführen".

c) Würdigung durch das Gericht

71 Das Gericht stellt fest, daß die Klägerin sowohl in ihrer Antwort auf das Auskunftsverlangen (ind. Bpkte. Hercules, Anl. 1) als auch in der Klageschrift eingeräumt hat, gelegentlich von anderen Herstellern über ihre Diskussionen oder Sitzungen telefonisch unterrichtet worden zu sein, auch wenn sie bestreitet, solche Kontakte gesucht zu haben. Ausserdem hat sie eine zeitliche Begrenzung dieser Kontakte nicht dargetan.

72 Unter Berücksichtigung dieser Kontakte in den Jahren 1977 und 1978 und der Erklärungen der Klägerin in der EATP-Sitzung vom 27. Mai 1977 ist zu prüfen, ob die Äusserungen der Klägerin in der EATP-Sitzung vom 22. November 1977 Ausdruck einer Willensübereinstimmung mit anderen Herstellern über ein Preisziel von 1,30 DM/kg zum 1. Dezember 1977 waren, dessen Existenz durch die Erklärungen der Klägerin in der EATP-Sitzung vom 26. Mai 1978 bestätigt wird.

73 Nach Auffassung des Gerichts ist dies der Fall. In der EATP-Sitzung vom 27. Mai 1977 (gem. Bpkte., Anl. 5) machte nämlich die Klägerin den Vorschlag, die traditionellen Marktführer (die "grossen Vier") sollten Ordnung in das Marktchaos bringen. Mitte 1977 (gem. Bpkte., Anl. 2) erfuhr sie telefonisch, daß die "grossen Vier" eine Mindestpreisvereinbarung getroffen hatten (1,25 DM/kg). In der EATP-Sitzung vom 22. November 1977 (gem. Bpkte., Anl. 6) brachte sie in Kenntnis der Tatsache, daß eine Mindestpreisvereinbarung geschlossen worden war, an der Monte beteiligt war, öffentlich ihre Befriedigung über die Nachricht in den ECN zum Ausdruck, daß Monte durch Ankündigung neuer europäischer Polypropylenpreise (DM 1,30 DM/kg) den ersten Schritt getan habe. In der EATP-Sitzung vom 26. Mai 1978 (gem. Bpkte., Anl. 7) äusserte sie, die Preise seien - wenn auch in unzureichendem Masse - gestiegen, und es sei nicht realistisch gewesen anzunehmen, eine Preiserhöhung auf 1,30 DM/kg könne in einem Schritt erreicht werden.

74 Im übrigen unterscheidet sich der Fall Amoco von dem der Klägerin, weil es an einem Nachweis fehlt, daß dieses Unternehmen vor der EATP-Sitzung vom 26. Mai 1978 Kontakte mit anderen Polypropylenherstellern gehabt hat, und weil es weder an der EATP-Sitzung vom 27. Mai 1977 noch an der vom 22. November 1977 teilnahm, in der es zu einer Willensübereinstimmung der verschiedenen Polypropylenhersteller kam. BP nahm an keiner dieser Sitzungen teil.

75 Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, daß der Kommission rechtlich der Beweis gelungen ist, daß die Klägerin über das Ergebnis der Preisdiskussionen unterrichtet war und insbesondere in den Jahren 1977 und 1978, als eine solche Notwendigkeit sichtbar geworden war, in Kontakt zu anderen Herstellern stand, und daß die Erklärungen der Klägerin, wie sie sich aus dem Bericht über die EATP-Sitzung vom 22. November 1977 ergeben, Ausdruck einer Willensübereinstimmung zwischen der Klägerin und anderen Herstellern über die Festsetzung eines Preisziels von 1,30 DM/kg waren.

B - Das System der regelmässigen Sitzungen

a) Angefochtene Entscheidung

76 Nach Randnummer 18 Absatz 1 der Entscheidung haben im Jahr 1978 zwischen den für die Gesamtausrichtung der Polypropylenaktivitäten einiger Hersteller zuständigen Topmanagern ("Chefs") mindestens sechs Sitzungen stattgefunden. Dieses System sei schon bald durch Sitzungen leitender Angestellter einer niedrigeren Führungsebene mit gründlichen Vertriebskenntnissen ("Experten") ergänzt worden (hierzu wird auf die Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 Bezug genommen, gem. Bpkte., Anl. 8). Die Klägerin behaupte, bis Mitte 1982 nur unregelmässig an Sitzungen teilgenommen zu haben, gibt aber zu, ab Mai 1982 häufiger als vorher an Sitzungen teilgenommen zu haben (Entscheidung, Randnr. 18 Absatz 3).

77 Nach Randnummer 78 Absatz 9 der Entscheidung behauptete die Klägerin, der einzige amerikanische Hersteller, der in den Sitzungen vertreten gewesen sei, habe als "Beobachter" und dann auch nur unregelmässig teilgenommen. Sie gebe zu, an den Sitzungen ab Mai 1979 teilgenommen zu haben und über die Sitzungen unterrichtet worden zu sein, bei denen ihr Vertreter nicht anwesend gewesen sei. Ab Mitte 1982 habe der Vertreter der Klägerin trotz seiner Drohung, sich zurückzuziehen, weil die deutschen Hersteller ihn nicht "akzeptierten", an etwa 15 von 30 bekanntgeworden Plenarsitzungen, hierunter einigen "Chef"-Sitzungen, teilgenommen. Aus den ICI-Unterlagen gehe hervor, daß die Klägerin aktiv an den Diskussionen teilgenommen und sogar das Kundenführungssystem vorgeschlagen habe. Sie habe auch an lokalen Sitzungen teilgenommen, die zumindest Benelux erfasst hätten. Während der Vertreter der Klägerin eingehende Informationen über den monatlichen Absatz der anderen Hersteller erhalten habe, scheine er selbst den anderen keine Zahlen seines Unternehmens mitgeteilt zu haben.

78 Die Klägerin habe versucht, die Teilnahme ihres Vertreters durch die Wahl eines relativ jungen Angestellten als inoffiziell darzustellen (Entscheidung, Randnr. 78 Absatz 10). Die Unterlagen von Hercules bewiesen aber, daß dieser als Marketingmanager für Polypropylen eine verantwortungsvolle Stellung in der Gesellschaft innegehabt habe und daß seine Vorgesetzten bereits 1977, als die "floor-price"-Vereinbarung geschlossen worden sei, und später dann im Jahr 1981 mit anderen Herstellern bezueglich der Preisvereinbarungen Kontakte gehabt hätten. Es sei daher undenkbar, daß ihnen der eigentliche Zweck seiner Geschäftsreisen, die sie ab Mai 1979 genehmigt hätten, nicht bekannt gewesen sei.

79 Nach Randnummer 85 Absatz 3 der Entscheidung kann sich Hercules der Verantwortung für die Zuwiderhandlung nicht mit dem Argument entziehen, daß die Teilnahme ihres Vertreters inoffiziell gewesen sei und daß er gewisse Informationen den anderen Herstellern vorenthalten habe.

80 Laut Randnummer 21 der Entscheidung waren Zweck dieser regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller insbesondere die Festsetzung von Preiszielen und Verkaufsmengenzielen sowie die Kontrolle ihrer Einhaltung durch die Hersteller.

b) Vorbringen der Parteien

81 Die Klägerin trägt vor, die Kommission könne eine Zuwiderhandlung der Klägerin nicht daraus ableiten, daß einer ihrer Angestellten, Herr B., an einigen Sitzungen der Polypropylenhersteller teilgenommen habe, denn seine Teilnahme sei sporadisch, passiv, seinen Vorgesetzten unbekannt und inoffiziell gewesen und die Position dieses Angestellten innerhalb des Unternehmens sei nicht hoch genug gewesen, um für die Klägerin Verpflichtungen eingehen zu können.

82 Zunächst habe ihr Angesteller an 5 der insgesamt 24 in Tabelle 3 der Entscheidung für den Zeitraum vor Mai 1982 genannten Sitzungen sowie an 6 von insgesamt 16 "Chef"-Sitzungen und an 9 von insgesamt 15 "Experten"-Sitzungen zwischen Mai 1982 und Ende August 1983 teilgenommen, jedoch an keiner der drei Sitzungen, die nach dem 23. August 1983 stattgefunden hätten. Die Unregelmässigkeit ihrer Teilnahme werde ferner durch die Antworten von ICI (gem. Bpkte., Anl. 8) und von Monte (Anlage 3 der Mitteilung der individuellen Beschwerdepunkte an Monte, nachstehend: ind. Bpkte. Monte, Anl.) auf das Auskunftsverlangen bestätigt.

83 Sodann sei diese sporadische Teilnahme an den Sitzungen rein passiv gewesen, wie dies die Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen zeige und in der Entscheidung (Randnr. 78 Absatz 9) auch anerkannt werde, denn dort heisse es, daß der Angestellte der Klägerin "selber den anderen keine Zahlen seines Unternehmens mitgeteilt zu haben [scheint]". Das sei sehr wichtig, weil die Mitteilung dieser Zahlen unerläßlich für das Funktionieren des Kartells gewesen sei; der Austausch von Informationen über die erfolgten Verkäufe sei nämlich für die Hersteller das Mittel zur Kontrolle der Durchführung der Vereinbarungen gewesen.

84 Weiterhin sei die Teilnahme ihres Angestellten von seinen Vorgesetzten, denen sie nicht bekannt gewesen sei, nicht gebilligt worden und habe im Gegensatz zur Unternehmenspolitik gestanden. Zwar seien zu Beginn des Zeitraums, auf den sich die Vorwürfe der Kommission bezögen, einige ihrer leitenden Angestellten von anderen Herstellern angesprochen und über die Existenz von Herstellersitzungen und Preisabsprachen ins Bild gesetzt worden, dies bedeute aber nicht, daß ihre leitenden Angestellten gewusst hätten, daß einer der rangniedrigeren Angestellten an diesen Sitzungen teilgenommen habe. Nachdem dessen Vorgesetzte erfahren hätten, daß er ähnliche Informationen erhalten habe wie sie selbst und zu Sitzungen eingeladen worden sei, hätten sie ihn darauf hingewiesen, daß die Teilnahme an solchen Sitzungen der Unternehmenspolitik widerspreche. Hercules habe vernünftigerweise davon ausgehen können, daß diese Anweisungen befolgt worden seien. Da der betreffende Angestellte zur Durchführung seiner Aufgaben zahlreiche Reisen in viele europäische Städte habe unternehmen müssen und für diese Reisen weder die vorherige Genehmigung seiner Vorgesetzten noch eine Erklärung seinerseits erforderlich gewesen seien, habe nichts - insbesondere nicht die Reisebelege, die nur für die Reisekostenerstattung bestimmt gewesen seien - seinen Vorgesetzten, die ausserdem Ort und Zeit der Sitzungen nicht gekannt hätten, einen Hinweis darauf liefern können, daß er sich - übrigens nur sporadisch - zu diesen Sitzungen begeben habe. Entgegen der Behauptung der Kommission in ihrer Klagebeantwortung stehe diese Schlußfolgerung auch nicht im Widerspruch zu dem Bericht des Beraters der Hercules Incorporated (ind. Bpkte. Hercules, Anl. 6), der lediglich erklärt habe, daß die Rolle ihres Angestellten seinen Vorgesetzten "bekannt sein konnte", nicht aber, daß sie ihnen bekannt gewesen sei. Für diese Schlußfolgerung spreche hingegen, daß der Vorgesetzte dieses Angestellten diesen im Jahre 1981 über den Inhalt einer Sitzung informiert habe, die damals gerade stattgefunden habe (ind. Bpkte. Hercules, Anl. 18), was beweise, daß ihm die Teilnahme seines Untergebenen nicht bekannt gewesen sei. Motiv für die geheime Teilnahme ihres Angestellten sei wohl gewesen, sich Informationen zu verschaffen, um von seinen Vorgesetzten gut beurteilt zu werden.

85 Damit werde die bisher noch nicht entschiedene Rechtsfrage aufgeworfen, ob ein Unternehmen für Verstösse gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft verantwortlich gemacht werden könne, wenn es, um solche auszuschließen, vernünftige Vorkehrungen getroffen und ein ungehorsamer Angestellter trotz dieser Anstrengungen Initiativen im Widerspruch zu den Anweisungen seiner Vorgesetzten ergriffen habe.

86 Der Angestellte von Hercules sei ferner kein vollberechtigter Sitzungsteilnehmer gewesen, sondern habe nur als Beobachter teilgenommen. Den anderen Sitzungsteilnehmern sei dies bekannt gewesen, denn er habe ihnen seine Stellung als nichtoffizieller Beobachter mitgeteilt, wie dies der Bericht über die Sitzung vom März 1983 (ind. Bpkte. Hercules, Anl. 11) zeige, in dem es heisse: "B., marketing manager, attends unofficially". Diese inoffizielle Teilnahme habe die deutschen und niederländischen Hersteller irritiert, wie der Bericht über die Sitzung vom 2. Dezember 1982 (gem. Bpkte., Anl. 33) und der Vermerk über ein Telefongespräch zwischen diesem Angestellten und einem leitenden Angestellten von ICI vom 3. Dezember 1982 (gem. Bpkte., Anl. 88) zeigten.

87 Schließlich habe die Position ihres Angestellten innerhalb des Unternehmens ihm nicht erlaubt, Vereinbarungen über Zielpreise oder Produktions- bzw. Absatzbeschränkungen einzugehen. Dieser Angestellte sei nämlich trotz seiner Dienstbezeichnung kein leitender Angestellter und nicht für das Management zuständig gewesen und habe keine Befugnis gehabt, verbindlich für das Unternehmen zu handeln. Er habe insbesondere keine Weisungsbefugnis auf dem Gebiet der Produktionskontrolle oder der allgemeinen Verkaufspolitik gehabt und seine Entscheidungen über Preisinstruktionen an lokale Marketingmanager hätten der Genehmigung seiner Vorgesetzten bedurft.

88 Die Kommission macht geltend, daß für sie der Rhythmus der Teilnahme an den Sitzungen keine entscheidende Rolle gespielt habe, wenn sie zu der Überzeugung gelangt sei, daß ein Unternehmen einem gemeinsamen Plan zur Preis- und Absatzregelung zugestimmt habe (Entscheidung, Randnr. 83 Absatz 1). Dessen ungeachtet habe die Klägerin in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte eingeräumt, daß ihr Angesteller "sehr oft" zu den Sitzungen zwischen Februar 1982 und März 1983 gefahren sei. Im übrigen werde die Klägerin in dem Bericht über die Sitzung vom 1. Juni 1983 (gem. Bpkte., Anl. 40) zu den üblichen Teilnehmern gerechnet.

89 Dem passiven Charakter der Teilnahme der Klägerin widerspricht die Kommission mit dem Hinweis auf zwei sehr kurze Vermerke, in denen es heisse: "B. - Account leadership" (ind. Bpkte. Hercules, Anl. 10) und "B.: originator of 'account leadership' concept (not working)" ("B.: Urheber des Konzepts der 'Kundenführerschaft' [funktioniert nicht]") (ind. Bpkte. Hercules, Anl. 11). Dem sei zu entnehmen, daß das System der Kundenführerschaft auf den Angestellten der Klägerin zurückgehe. Aus dem Bericht über die Sitzung vom März 1982 (ind. Bpkte. Hercules, Anl. 43) ergebe sich auch, daß Herr B. die Berichtigung der ihm zugeteilten Quote verlangt habe. Ohne Bedeutung sei, daß der Angestellte der Klägerin in den Sitzungen seine Verkaufszahlen nicht mitgeteilt habe, weil er gewusst habe, daß die anderen Hersteller in der Lage gewesen seien, diese Zahlen mit Hilfe der Daten des Informationsaustauschsystems Fides zu ermitteln.

90 Dieser Angestellte, dem die Teilnahme an den Sitzungen angeblich verboten worden sei, habe zumindest zweimal, im Jahre 1977 (gem. Bpkte., Anl. 2) und am 29. Juli 1981 (ind. Bpkte. Hercules, Anl. 18), von seinen Vorgesetzten Informationen über die abgeschlossenen Preisvereinbarungen erhalten. Die Informationen, die der Angestellte am 29. Juli 1981 über die Sitzung vom 28. Juli erhalten habe, widerlegten nicht die Auffassung der Kommission, da er an dieser Sitzung nicht teilgenommen habe. Es sei also kaum wahrscheinlich, daß man in seinem Fall davon ausgegangen sei, er sei sich darüber im klaren, daß das Unternehmen diese Vereinbarungen mißbillige und ihm die Teilnahme an den Sitzungen verboten sei. Im übrigen gebe es für ein solches Verbot nicht die Spur eines schriftlichen Hinweises. Ebenso unwahrscheinlich sei es, daß die Vorgesetzten von Herrn B. nichts von seiner Teilnahme an den Sitzungen gewusst hätten. In einem Bericht, den ein Berater von Hercules Incorporated in den Wochen nach den Ermittlungen der Kommission erstellt habe (ind. Bpkte. Hercules, Anl. 6), heisse es im übrigen ausdrücklich: "It appears that Mr. B.' s non-participant observer role may have been known to several of his immediate superiors" ("Herrn B.' s Rolle als unbeteiligter Beobachter dürfte einigen seiner unmittelbaren Vorgesetzten bekannt gewesen sein"). Selbst wenn die Tätigkeiten von Herrn B. seinen Vorgesetzten nicht bekannt gewesen seien und einen Verstoß gegen die Disziplin dargestellt hätten - was nicht zutreffe -, erlaube dies der Klägerin nicht, sich ihrer Verantwortung zu entziehen.

91 Die Teilnahme des Angestellten der Klägerin an den Sitzungen sei nicht anders geartet gewesen als die der anderen Hersteller, wie seine aktive Beteiligung an den Diskussionen und die von ihm im Namen der Klägerin eingegangenen Verpflichtungen zeigten. Zu verweisen sei auf die Rolle, die er bei der Einführung des Systems der "Kundenführerschaft" gespielt habe, auf seine Zustimmung zu der der Klägerin zugeteilten Quote in der Sitzung vom 2. Dezember 1982 (gem. Bpkte., Anl. 33, Tabelle 2) und bei einem Telefongespräch vom 3. Dezember 1982 (gem. Bpkte., Anl. 88) und auf die Berichtigung dieser Quote in einer Sitzung vom März 1982.

92 Schließlich sei es müssig zu behaupten, daß der Angestellte der Klägerin keine Entscheidungsbefugnis innerhalb des Unternehmens gehabt habe, denn die Tatsache, daß die von der Klägerin nach den Sitzungen erteilten Preisinstruktionen die in den Sitzungen vereinbarten Preisziele nachvollzogen hätten, beweise klar das Gegenteil.

c) Würdigung durch das Gericht

93 Bezueglich des Beginns der Teilnahme der Klägerin an den Sitzungen der Hersteller stellt das Gericht fest, daß es in der Mitteilung der individuellen Beschwerdepunkte an die Klägerin heisst: "Mr F. B.,..., attended a number of 'Bosses' and 'Experts' meetings from 1979..." ("Herr F. B.,..., nahm ab 1979 an einer Reihe von 'Chef' - und 'Experten' -Sitzungen teil...").

94 Nach den Antworten von ICI, Monte und der Klägerin auf die Auskunftsverlangen (gem. Bpkte., Anl. 8; ind. Bpkte. Monte, Anl. 3, und ind. Bpkte. Hercules, Anl. 1) nahm die Klägerin in den Jahren 1979, 1980 und 1981 unregelmässig an den Sitzungen teil. Sie räumt selbst ein, 1979 an ein oder zwei Sitzungen, 1980 an einer und 1981 an zwei Sitzungen teilgenommen zu haben. Wie sich allerdings aus der Niederschrift über die Befragung des Angestellten B. der Klägerin durch die Vertreter der Kommission (ind. Bpkte. Hercules, Anl. 7, Beilage A) ergibt, hat dieser angegeben, möglicherweise 1979 und 1980 jeweils an zwei weiteren Sitzungen und 1981 an einer Sitzung teilgenommen zu haben. Weiter hat die Klägerin, wie ihre Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte zeigt, ab Februar 1982 häufig an den Sitzungen teilgenommen, was die Annahme zulässt, daß sie an den Sitzungen vom Februar, März und April 1982 (fünf Sitzungen) teilgenommen hat. Infolgedessen ist ihre Teilnahme an den Sitzungen in diesen Jahren nicht so unregelmässig gewesen, wie sie behauptet, weil sie nach ihren eigenen Angaben möglicherweise bis Mai 1982 nicht an fünf von 24, sondern an 15 von 29 Sitzungen teilgenommen hat (d. h. 24 Sitzungen, die in der Tabelle 3 der Entscheidung für den fraglichen Zeitraum angeführt sind und zu denen für diesen Zeitraum diejenigen hinzukommen, die zwar nicht in der Tabelle 3 der Entscheidung, wohl aber in der Niederschrift über die Befragung von Herrn B. genannt sind).

95 Es sind bei der Prüfung der Beteiligung der Klägerin an dem System regelmässiger Sitzungen der Polypropylenhersteller nicht nur die verhältnismässig unregelmässige Teilnahme der Klägerin an den Sitzungen in dieser Zeit, sondern auch die Kontakte zu berücksichtigen, die sie möglicherweise mit anderen Herstellern gehabt hat. Hierzu hat die Klägerin in ihrer Antwort auf das Auskunftsverlangen (ind. Bpkte. Hercules, Anl. 1) erklärt:

"Mr B. was informed on a number of occasions that meetings were scheduled to occur and was invited to attend. It dös not appear that Mr B. was informed in such conversations about any action which it was proposed to take at such meetings. Mr B. did not make any commitment with respect to prices, volumes, or related matters, and did not authorize anyone to represent or act on behalf of Hercules at such meetings. On a number of occasions, but not invariably, Mr B. was informed after meetings as to what had transpired. On such occasions Mr B. did not make any commitments or expreß any intention, to follow or support any price changes that may have been agreed upon at such meetings. On occasion, Mr B. may have made general statements indicating Hercules' desire for higher polypropylene prices."

"Herr B. wurde mehrfach auf anstehende Sitzungen hingewiesen und dazu eingeladen. Es hat nicht den Anschein, als sei er bei dieser Gelegenheit im vorhinein über Aktionen aufgeklärt worden, die in diesen Sitzungen vorgeschlagen werden sollten. Herr B. ging keinerlei Verpflichtung in bezug auf Preise, Mengen oder ähnliches ein und ermächtigte niemanden, Hercules in diesen Sitzungen zu vertreten oder in ihrem Namen zu handeln. Mehrfach, aber nicht immer wurde Herr B. nach den Sitzungen über deren Ausgang unterrichtet. Bei diesen Gelegenheiten ging Herr B. keine Verpflichtung ein und tat keine Absicht kund, etwa in diesen Sitzungen vereinbarte Preisänderungen zu befolgen oder zu unterstützen. Gelegentlich mag Herr B. allgemeine Erklärungen abgegeben haben, in denen der Wunsch von Hercules nach höheren Polypropylenpreisen zum Ausdruck kam."

96 Unter Berücksichtigung dieser Kontakte, durch die Herr B. die zahlreichen Informationen, die er bezueglich der geplanten Geschäftspolitik der Wettbewerber der Klägerin in den Sitzungen gesammelt hatte, vervollständigen konnte, ist festzustellen, daß seine verhältnismässig unregelmässige Teilnahme an den Sitzungen vor Mai 1982 nicht gegen die Beteiligung der Klägerin an dem System regelmässiger Sitzungen der Polypropylenhersteller in diesem Zeitraum spricht.

97 Die Klägerin nahm von Mai 1982 bis Ende August 1983 regelmässig an den Sitzungen teil, wie ihre Antwort auf das Auskunftsverlangen, ihre Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte sowie auch die Berichte über die Sitzungen vom 3. Mai und 1. Juni 1983 (gem. Bpkte., Anl. 38 und 40) belegen; in dem ersten Bericht wird "a fairly full attendance with only Hercules missing among usual participants" ("eine ziemlich vollständige Teilnahme, von den üblichen Teilnehmern fehlt nur Hercules") erwähnt und im zweiten heisst es: "usual participants except for Solvay and Hercules" ("Mit Ausnahme von Solvay und Hercules die üblichen Teilnehmer"). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß einige Sitzungsberichte, wie der über die Chefsitzung vom 21. September 1982 (gem. Bpkte., Anl. 30) belegen, daß die Klägerin in diesen Sitzungen anwesend war, obwohl sie nicht in der Antwort auf das Auskunftsverlangen aufgeführt sind. Infolgedessen ist diese Antwort als unvollständig zu betrachten.

98 Nach Auffassung des Gerichts hat die Kommission auf der Grundlage der Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen, das durch zahlreiche Sitzungsberichte bestätigt worden ist, zu Recht angenommen, daß Zweck der Sitzungen namentlich die Festsetzung von Preiszielen und von Verkaufsmengenzielen gewesen ist. So heisst es in dieser Antwort:

"' Target prices' for the basic grade of each principal category of polypropylene as proposed by producers from time to time since 1 January 1979 are set forth in Schedule..."

und

"A number of proposals for the volume of individual producers were discussed at meetings."

("Die 'Zielpreise' , die von den Herstellern seit dem 1. Januar 1979 regelmässig für die Grundsorte der wichtigsten Polypropylen-Kategorien vorgeschlagen worden sind, sind im Anhang aufgeführt..." und "Eine Reihe von Vorschlägen zum Verkaufsvolumen der einzelnen Hersteller wurde in Sitzungen erörtert.")

99 Darüber hinaus ergibt sich aus der Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen, in der von der Abhaltung von Sitzungen von "Experten" für den Vertrieb zusätzlich zu den "Chef"-Sitzungen von Ende 1978 oder Anfang 1979 an die Rede ist, daß die Gespräche über die Festsetzung von Preis- und Verkaufsmengenzielen immer konkreter und genauer wurden, während sich 1978 die "Chefs" auf die Entwicklung des Konzepts der Zielpreise selbst beschränkt hatten.

100 Über die vorstehend wiedergegebenen Abschnitte hinaus heisst es in der Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen: "Only 'Bosses' and 'Experts' meetings came to be held on a monthly basis" ("Nur die 'Chef' - und 'Experten' -Sitzungen wurden auf monatlicher Grundlage abgehalten"). Zu Recht hat die Kommission aus dieser Antwort sowie aus der Identität von Art und Zweck der Sitzungen geschlossen, daß diese Teil eines Systems regelmässiger Sitzungen waren.

101 Im übrigen ist festzustellen, daß der angeblich passive Charakter der Teilnahme des Angestellten der Klägerin an den Sitzungen durch mehrere Beweise widerlegt wird. Es handelt sich zunächst um zwei von der Kommission angeführte handschriftliche Vermerke, der zweite vom März 1983 (ind. Bpkte. Hercules, Anl. 10 und 11), in denen es heisst: "B.: Account leadership" und "B.: Originator of 'account leadership' concept (not working)" ("B.: Urheber des Konzepts der 'Kundenführerschaft' [funktioniert nicht]"), und denen sich entnehmen lässt, daß Herr B. das System der "Kundenführerschaft" vorgeschlagen hat. Sodann zeigt der Bericht über die Sitzung vom 2. Dezember 1982 (gem. Bpkte., Anl. 33) zusammen mit dem Vermerk über ein Telefongespräch der Klägerin vom folgenden Tag mit einem ICI-Angestellten (gem. Bpkte., Anl. 88), daß Herr B. ICI die Stellungnahmen von Amoco, BP und der Klägerin zu den ihnen in der Sitzung vom 2. Dezember 1982 zugeteilten Quoten übermittelt hat, auch wenn er Verkaufszahlen der Klägerin nicht mitgeteilt hat.

102 Die Behauptung der Klägerin, die Vorgesetzten von Herrn B. hätten von seiner Teilnahme an den Sitzungen nichts gewusst und ihm mitgeteilt, daß eine solche Teilnahme gegen die Unternehmenspolitik verstosse, ist aus folgenden Gründen unglaubwürdig. Die Klägerin hat keinerlei schriftlichen Beleg für das Verbot der Teilnahme an Sitzungen vorgelegt. Die Vorgesetzten dieses Angestellten hatten Kontakte zu anderen Sitzungsteilnehmern, was dadurch bewiesen wird, daß sie Herrn B. im Juni 1977 und am 29. Juli 1981 zum einen über den Inhalt eines Telefongesprächs (gem. Bpkte., Anl. 2) und zum anderen über das Ergebnis einer Sitzung, an der er nicht teilgenommen hatte (ind. Bpkte. Hercules, Anl. 18), unterrichteten. Der Bericht von Hercules Incorporated gibt zu verstehen, daß die Rolle von Herrn B. einigen seiner unmittelbaren Vorgesetzten bekannt gewesen sein dürfte (ind. Bpkte. Hercules, Anl. 6). Die Erklärung der Klägerin vor dem Gericht, daß die Entscheidungen von Herrn B. über Preisinstruktionen an lokale Manager der Genehmigung seiner Vorgesetzten bedurft hätten, zeigt schließlich, daß dieser seine Entscheidungen begründen, und seinen Vorgesetzten erläutern musste, auf welche Angaben er sich dabei stütze und woher diese stammten.

103 Die Art der Beteiligung des Angestellten der Klägerin an den Sitzungen, die in dem genannten Vermerk vom März 1983 von ICI als "inoffiziell" bezeichnet wurde, unterschied sich nicht von der anderer Teilnehmer, wie seine aktive Beteiligung an den Diskussionen sowie die Tatsache beweisen, daß die von der Klägerin im Anschluß an die Sitzungen erteilten Preisinstruktionen den in den Sitzungen festgelegten Zielpreisen bezueglich Höhe und Zeitpunkt ihres Inkrafttretens weitgehend entsprachen. Daß ICI die Teilnahme von Herrn B. an den Sitzungen als "inoffiziell" bezeichnet hat, kann diese Feststellungen nicht entkräften, denn dieser Hinweis kann kein Beleg dafür sein, daß den anderen Herstellern bekannt war, daß der Angestellte der Klägerin ohne Wissen und sogar gegen den Willen seiner Vorgesetzten anwesend war oder nicht die dafür erforderlichen Vollmachten besaß. Dieser Hinweis zeigt lediglich, daß Herr B. nicht wollte, daß seine Teilnahme an diesen Sitzungen nach aussen bekannt werde.

104 Bezueglich des Aufgabenbereichs dieses Angestellten innerhalb des Unternehmens ist festzustellen, daß die Übereinstimmung zahlreicher Preisinstruktionen der Klägerin mit den Ergebnissen der Sitzungen zeigt, daß Herr B. entweder die Befugnisse hatte, die Ergebnisse der Sitzungen, an denen er teilgenommen hatte, unmittelbar in der Preispolitik der Klägerin umzusetzen, also er die notwendige Vollmachtsstellung besaß, für die Gesellschaft Verpflichtungen einzugehen, oder, falls dies nicht der Fall war, daß er dazu einen Auftrag erhalten hatte.

105 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, daß der Kommission rechtlich erstens der Beweis gelungen ist, daß - wie sie zu Recht aus der Teilnahme der Klägerin an den Sitzungen und ihren Kontakten bezueglich dieser Sitzungen folgert - die Klägerin an den regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller von Anfang 1979 bis mindestens Ende August 1983 teilgenommen hat, zweitens, daß Zweck dieser Sitzungen namentlich die Festsetzung von Preis- und Verkaufsmengenzielen war, und drittens, daß der Teilnahme der Klägerin an diesen Sitzungen die Bedeutung zukommt, die ihr die Entscheidung beigemessen hat.

C - Die Preisinitiativen

a) Angefochtene Handlung

106 Nach den Randnummern 28 bis 51 der Entscheidung wurde ein System zur Festsetzung von Preiszielen mittels Preisinitiativen angewandt, von denen sechs hätten festgestellt werden können; die erste habe von Juli bis Dezember 1979 gedauert, die zweite von Januar bis Mai 1981, die dritte von August bis Dezember 1981, die vierte von Juni bis Juli 1982, die fünfte von September bis November 1982 und die sechste von Juli bis November 1983.

107 Zur ersten dieser Preisinitiativen führt die Kommission (Entscheidung, Randnr. 29) aus, es liege kein eingehendes Beweismaterial über irgendwelche Sitzungen oder Preisinitiativen im ersten Halbjahr 1979 vor. Aus einem Vermerk über eine Sitzung vom 26. und 27. September 1979 gehe allerdings hervor, daß eine Preisinitiative auf der Grundlage eines Raffia-Preises von 1,90 DM/kg ab 1. Juli und von 2,05 DM/kg ab 1. September geplant worden sei.

108 Wegen der Schwierigkeiten einer Preisanhebung hätten die Hersteller jedoch in ihrer Sitzung vom 26. und 27. September 1979 beschlossen, das Datum für die Erreichung des Preisziels um mehrere Monate auf den 1. Dezember 1979 zu verschieben, wobei die seinerzeit geltenden Preise im Oktober beibehalten werden sollten und die Möglichkeit für eine Zwischenerhöhung auf 1,90 oder 1,95 DM/kg im November bestanden habe (Entscheidung, Randnr. 31 Absätze 1 und 2).

109 Zu der zweiten Preisinitiative heisst es in der Entscheidung (Randnr. 32), obwohl für 1980 keine Sitzungsberichte sichergestellt worden seien, stehe es fest, daß in diesem Jahr mindestens sieben Herstellersitzungen stattgefunden hätten (hierfür wird auf Tabelle 3 im Anhang der Entscheidung verwiesen). Den Presseberichten vom Anfang des Jahres zufolge seien die Hersteller darauf aus gewesen, im Jahr 1980 einen starken Preisauftrieb zu begünstigen. Trotzdem seien die Preise in diesem Jahr drastisch auf 1,20 DM/kg und weniger gefallen, bevor sie sich etwa im September desselben Jahres wieder stabilisiert hätten. Von mehreren Herstellern (DSM, Hoechst, Linz, Monte, Saga und ICI) erteilte Preisinstruktionen wiesen darauf hin, daß zum Zweck der Wiederanhebung der Preise die Ziele für Dezember 1980/Januar 1981 für Raffia auf 1,50 DM/kg, für Homopolymer auf 1,70 DM/kg und für Kopolymer auf 1,95 bis 2,00 DM/kg festgelegt worden seien. Ein internes Schriftstück von Solvay enthalte eine Tabelle, in der die "erzielten Preise" für Oktober und November 1980 mit den sogenannten "Listenpreisen" für Januar 1981 in Höhe von 1,50/1,70/2,00 DM/kg verglichen würden. Ursprünglich sei geplant gewesen, diese Preise ab 1. Dezember 1980 anzuwenden (vom 13. bis 15. Oktober habe in Zuerich eine Sitzung stattgefunden), doch sei diese Preisinitiative auf den 1. Januar 1981 verschoben worden.

110 Nach Randnummer 33 der Entscheidung ist nicht bekannt, ob die Klägerin an den Sitzungen vom Januar 1981 teilgenommen habe, in denen beschlossen worden sei, eine im Dezember 1980 für den 1. Februar 1981 festgelegte Preisanhebung auf 1,75 DM/kg für Raffia in zwei Stufen vorzunehmen: Die ab 1. Februar geltenden Zielpreise von 1,75 DM/kg seien aufrechterhalten worden, und die Zielpreise von 2,00 DM/kg hätten "ausnahmslos" ab 1. März eingeführt werden müssen. Für sechs Hauptsorten sei eine Tabelle der Zielpreise in sechs nationalen Währungen aufgestellt worden, die am 1. Februar bzw. 1. März 1981 habe in Kraft treten sollen. Nach der Entscheidung war die Klägerin jedoch in der vorangegangenen Sitzung vom 16. Dezember 1980 anwesend.

111 In der Entscheidung (Randnr. 34) heisst es, daß die Absicht, die Preise ab 1. März auf 2,00 DM/kg anzuheben, jedoch anscheinend nicht zum Erfolg geführt habe. Die Hersteller hätten ihre Erwartungen ändern müssen und nun gehofft, bis März auf 1,75 DM/kg zu kommen. Am 25. März 1981 habe in Amsterdam eine "Experten"-Sitzung stattgefunden, über die Berichte nicht erhalten seien, doch hätten unmittelbar danach jedenfalls BASF, DSM, ICI, Monte und Shell Anweisungen zur Anhebung der Ziel- bzw. "Listenpreise" auf 2,15 DM/kg für Raffia mit Wirkung vom 1. Mai gegeben. Hoechst habe die gleichen Anweisungen für den 1. Mai, allerdings etwa vier Wochen später als die anderen, erteilt. Einige Hersteller hätten ihren Verkaufsabteilungen die flexible Anwendung von "Mindest"- bzw. "Tiefst"-Preisen erlaubt, die etwas unter den vereinbarten Preiszielen gelegen hätten. Anfang 1981 sei es zu einem starken Preisauftrieb gekommen, der jedoch trotz der Tatsache, daß die Hersteller die Preisanhebung ab 1. Mai entschieden unterstützt hätten, nicht angehalten habe. Gegen Mitte des Jahres hätten die Hersteller eine Stabilisierung der Preise oder sogar eine gewisse Abwärtsbewegung der Preise verhindert, als die Nachfrage im Sommer zurückgegangen sei.

112 Zur dritten Preisinitiative heisst es in der Entscheidung (Randnr. 35), daß Shell und ICI eine weitere Preisinitiative für September/Oktober 1981 bereits im Juni dieses Jahres vorgesehen hätten, als ein Abklingen des Preisanstiegs des ersten Quartals deutlich geworden sei. Shell, ICI und Monte hätten sich am 15. Juni 1981 getroffen, um in Gesprächen festzulegen, wie höhere Preise auf dem Markt hätten durchgesetzt werden können. Einige Tage nach dieser Sitzung hätten ICI und Shell ihre Verkaufsabteilungen angewiesen, den Markt für eine erhebliche Erhöhung im September auf der Grundlage einer Raffiapreisanhebung auf 2,30 DM/kg vorzubereiten. Solvay habe ebenfalls seine Verkaufsabteilungen in den Benelux-Ländern am 17. Juli 1981 an die Notwendigkeit erinnert, die Abnehmer über eine wesentliche Preiserhöhung mit Wirkung vom 1. September zu unterrichten, deren genauer Betrag in der letzten Juli-Woche habe beschlossen werden sollen, für die, nämlich zum 28. Juli 1981, eine "Experten"-Sitzung angesetzt worden sei. Die geplante Anhebung auf 2,30 DM/kg im September 1981 sei wahrscheinlich in dieser Sitzung revidiert und für August auf 2,00 DM/kg für Raffia zurückgenommen worden. Der September-Preis habe 2,20 DM/kg betragen. Ein bei der Klägerin gefundener handschriftlicher Vermerk vom 29. Juli 1981 (einen Tag nach der Sitzung, an der die Klägerin wahrscheinlich nicht teilgenommen habe) enthalte diese Preise als "offizielle" Preise für August und September und verweise in verschlüsselter Form auf die Informationsquelle. Weitere Sitzungen hätten am 4. August in Genf und am 21. August 1981 in Wien stattgefunden. Nach diesen Sitzungen hätten die Hersteller neue Anweisungen erteilt, ab 1. Oktober einen Preis von 2,30 DM/kg zu praktizieren. BASF, DSM, Hoechst, ICI, Monte und Shell hätten fast identische Preisinstruktionen erteilt, um diese Preise im September und Oktober durchzugeben.

113 Nach der Entscheidung (Randnr. 36) war es nun beabsichtigt, sich im September und Oktober 1981 auf ein "Grundpreis"-Niveau für Raffia von 2,20 bis 2,30 DM/kg zuzubewegen. In einem Schriftstück von Shell sei der Hinweis enthalten, daß ursprünglich eine weitere Erhöhung auf 2,50 DM/kg ab 1. November zur Debatte gestanden habe. Berichte der verschiedenen Hersteller zeigten, daß die Preise im September 1981 bis in den folgenden Monat hinein gestiegen seien und die Preise für Raffia etwa 2,00 bis 2,10 DM/kg erreicht hätten. In einem Vermerk der Klägerin stehe, daß das Preisziel von 2,30 DM/kg im Dezember auf einen etwas realistischeren Preis von 2,15 DM/kg zurückgeführt worden sei, daß aber "allgemeine Entschlossenheit die Preise auf 2,05 DM brachte und man noch nie so nah an die veröffentlichten (sic!) Zielpreise herangekommen ist". Ende 1981 habe die Fachpresse von Preisen auf dem Polypropylenmarkt gesprochen, die für Raffia bei 1,95 bis 2,10 DM/kg und somit etwa 20 Pfennig unter den Herstellerzielen gelegen hätten. Die Kapazitätsauslastung habe angeblich "gesunde" 80 % betragen.

114 Die vierte Preisinitiative (Juni/Juli 1982) habe im Kontext einer Rückkehr des Marktes zum Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage gestanden. Diese Initiative sei in der Herstellersitzung vom 13. Mai 1982 beschlossen worden, an der die Klägerin teilgenommen habe und in der eine ausführliche Tabelle der Preisziele zum 1. Juni für verschiedene Polypropylensorten in verschiedenen nationalen Währungen (2,00 DM/kg für Raffia) erarbeitet worden sei (Entscheidung, Randnrn. 37 bis 39 Absatz 1).

115 Auf die Sitzung vom 13. Mai 1982 seien Preisinstruktionen von ATO, BASF, Hoechst, Hercules, Hüls, ICI, Linz, Monte und Shell erfolgt, die, von einigen unerheblichen Ausnahmen abgesehen, den in dieser Sitzung festgelegten Zielpreisen entsprochen hätten (Entscheidung, Randnr. 39 Absatz 2). In der Sitzung vom 9. Juni 1982 hätten die Hersteller nur von bescheidenen Preisanhebungen berichten können.

116 Nach Randnummer 40 der Entscheidung nahm die Klägerin auch an der fünften Preisinitiative (September bis November 1982) teil, die in der Sitzung vom 20. und 21. Juli 1982 beschlossen worden sei und mit der ein Preis von 2,00 DM/kg zum 1. September und von 2,10 DM/kg zum 1. Oktober habe erreicht werden sollen, denn sie sei in den meisten, wenn nicht allen Sitzungen anwesend gewesen, die zwischen Juli und November 1982 stattgefunden hätten, als diese Initiative geplant und kontrolliert worden sei (Entscheidung, Randnr. 45). In der Sitzung vom 20. August 1982 sei die für den 1. September geplante Preisanhebung auf den 1. Oktober verschoben worden; dieser Beschluß sei in der Sitzung vom 2. September 1982 bestätigt worden (Entscheidung, Randnr. 41).

117 Nach den Sitzungen vom 20. August und 2. September 1982 hätten ATO, DSM, Hercules, Hoechst, Hüls, ICI, Linz, Monte und Shell Preisinstruktionen erteilt, die dem in diesen Sitzungen festgelegten Zielpreis entsprochen hätten (Entscheidung, Randnr. 43).

118 In der Sitzung vom 21. September 1982, an der die Klägerin teilgenommen habe, seien die Maßnahmen zur Erreichung des zuvor gesetzten Ziels geprüft worden, und die Unternehmen hätten generell einen Vorschlag zur Anhebung des Preises auf 2,10 DM/kg für November-Dezember 1982 unterstützt. Diese Anhebung sei in der Sitzung vom 6. Oktober 1982 bestätigt worden (Entscheidung, Randnr. 44).

119 Nach der Sitzung vom 6. Oktober 1982 hätten BASF, DSM, Hercules, Hoechst, Hüls, ICI, Linz, Monte, Shell und Saga Preisinstruktionen erteilt, um die beschlossene Anhebung durchzusetzen (Entscheidung, Randnr. 44 Absatz 2).

120 Wie ATO, BASF, DSM, Hoechst, Hüls, ICI, Linz, Monte und Saga habe auch die Klägerin der Kommission Preisinstruktionen vorgelegt, die sie ihren lokalen Verkaufsabteilungen für Oktober und November erteilt habe. Diese seien nicht nur in bezug auf Betrag und Zeit identisch, sondern entsprächen auch der Zielpreisliste, die dem Bericht von ICI über die "Experten"-Sitzung vom 2. September (gem. Bpkte., Anl. 29) beigefügt sei (Entscheidung, Randnr. 45 Absatz 2).

121 Die Sitzung vom Dezember 1982 habe zu einer Vereinbarung geführt, der zufolge der November/Dezember-Stand von 2,10 DM/kg bis Ende Januar 1983 habe erreicht werden müssen (Entscheidung, Randnr. 46 Absatz 2).

122 Nach Randnummer 47 der Entscheidung hat die Klägerin schließlich auch an der sechsten Preisinitiative (Juli bis November 1983) teilgenommen. In der Sitzung vom 3. Mai 1983 sei vereinbart worden, nach Möglichkeit im Juni 1983 das Preisziel 2,00 DM/kg zu erreichen. In der Sitzung vom 20. Mai 1983 sei die Erreichung des festgelegten Ziels jedoch auf September verschoben und ein Zwischenziel für den 1. Juli (1,85 DM/kg) festgelegt worden. In einer Sitzung vom 1. Juni 1983 hätten die anwesenden Hersteller sodann ihr Engagement zur Erhöhung auf 1,85 DM/kg bekräftigt. Bei dieser Gelegenheit sei vereinbart worden, daß Shell in den ECN öffentlich vorangehen werde.

123 Unmittelbar nach der Sitzung vom 20. Mai 1983 hätten ICI, DSM, BASF, Hoechst, Linz, Shell, Hercules, ATO, Petrofina und Solvay ihren Verkaufsabteilungen Anweisungen erteilt, ab 1. Juli eine Preistabelle anzuwenden, in der Raffia mit 1,85 DM/kg ausgezeichnet gewesen sei (Entscheidung, Randnr. 49). Bei ATO und Petrofina hätten nur bruchstückhafte Preisanweisungen gefunden werden können, die allerdings bestätigten, daß diese Hersteller - Petrofina und Solvay etwas später - die neuen Preise praktiziert hätten. Mit Ausnahme von Hüls, für die für Juli 1983 keine Preisinstruktionen vorlägen, hätten also alle Hersteller, die an den Sitzungen teilgenommen bzw. ihre Unterstützung für das neue Preisziel von 1,85 DM/kg zugesagt hätten, Instruktionen erteilt, damit die neuen Preise praktiziert würden.

124 Weitere Sitzungen fanden nach Randnummer 50 der Entscheidung am 16. Juni, 6. und 21. Juli, 10. und 23. August sowie 5., 15. und 29. September 1983 statt; an ihnen hätten die üblichen Teilnehmer, unter ihnen die Klägerin, teilgenommen. Ende Juli und Anfang August 1983 hätten BASF, DSM, Hercules, Hoechst, Hüls, ICI, Linz, Solvay, Monte und Saga ihren verschiedenen nationalen Verkaufsabteilungen Preisinstruktionen mit Wirkung vom 1. September (auf der Grundlage eines Raffia-Preises von 2,00 DM/kg) erteilt, während ein interner Vermerk von Shell vom 11. August über die Preise des Unternehmens im Vereinigten Königreich den Hinweis enthalte, daß die britische Tochter die ab 1. September geltenden Grundpreise "unterstützte", die den Preiszielen der anderen Hersteller entsprochen hätten. Ende des Monats habe Shell jedoch die britische Verkaufsabteilung angewiesen, mit der Erhöhung so lange zu warten, bis die anderen Hersteller die gewünschten Grundpreise aufgestellt hätten. Diese Instruktionen seien, abgesehen von einigen unerheblichen Ausnahmen, für jeden Typ und jede Währung identisch.

125 Die von den Herstellern erhaltenen Preisinstruktionen zeigten, daß später beschlossen worden sei, die Preisbewegung vom September aufrechtzuerhalten und für Raffia mit 2,10 DM/kg ab 1. Oktober und 2,25 DM/kg ab 1. November weitere Erhöhungen durchzuführen (Entscheidung, Randnr. 50, letzter Absatz). BASF, Hoechst, Hüls, ICI, Linz, Monte und Solvay hätten ihren Verkaufsabteilungen für die Monate Oktober und November identische Preise übermittelt, während die Klägerin zunächst etwas niedrigere Preise festgesetzt habe (Entscheidung, Randnr. 51 Absatz 1).

126 Die Zuwiderhandlung habe, wann immer die letzte Sitzung stattgefunden haben möge, bis zum November 1983 angedauert, da die Vereinbarung mindestens bis zu diesem Zeitpunkt ihre Wirkungen entfaltet habe; der November sei der letzte Monat, für den nachweislich Zielpreise vereinbart und Preisinstruktionen erteilt worden seien (Entscheidung, Randnr. 105 Absatz 4).

127 In Randnummer 76 Absatz 2 der Entscheidung wird im einzelnen auf die Rüge der Klägerin eingegangen, die Kommission habe die Preisinstruktionen verschiedener Hersteller zu Unrecht als gleichzeitig erteilt angesehen. Weiterhin wird dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten, das habe nachweisen sollen, daß zwischen ihren Preis-"Leitlinien" und den in den Sitzungen festgesetzten Zielpreisen keine Beziehung bestanden habe, jeglicher Beweiswert abgesprochen (Entscheidung, Randnr. 76 Absatz 3).

128 Nach Randnummer 77 Absatz 1 der Entscheidung haben einige Hersteller der Komission nicht sämtliche Preisinstruktionen wie angefordert zur Verfügung gestellt. So hätten für die Klägerin nur Schriftstücke für die Jahre 1982 und 1983 vorgelegen.

b) Vorbringen der Parteien

129 Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe zu Unrecht aus Dokumenten anderer Hersteller hergeleitet, daß die Klägerin das System der "Zielpreise" unterstützt habe. Selbst in den Fällen, in denen ihr Angesteller an bestimmten Sitzungen teilgenommen habe, in denen diese Preise erörtert worden seien, belegten weder die Berichte über diese Sitzungen noch irgendein anderer unmittelbarer Beweis, daß er diesen Preisen zugestimmt oder sich zu ihrer Anwendung verpflichtet habe. Die verfügbaren Beweise, insbesondere die Zeugenaussagen anderer Hersteller, daß Herr B. keine Verpflichtung eingegangen sei, sowie die Tatsache, daß er keine Befugnisse gehabt habe, für die Klägerin Verpflichtungen einzugehen, sprächen für das Gegenteil.

130 Die Kommission habe sich ebenfalls zu Unrecht auf den Wortgebrauch in betriebsinternen Preisinstruktionen des Unternehmens gestützt, der nur dem üblichen Wortgebrauch der Fachpresse entsprochen habe.

131 Statt die tatsächlichen Leistungen der beschuldigten Unternehmen auf dem Markt zu berücksichtigen, habe die Kommission ihre Entscheidung ganz auf eine Analyse der betriebsinternen Preisinstruktionen und auf die Annahme gegründet, daß diese Instruktionen zwangsläufig den Wettbewerb verfälschten. Diese Analyse der Kommission sei aber falsch. Das Preissystem der Klägerin habe nämlich aufgrund seiner Funktionsweise nicht im Rahmen einer Preisvereinbarung mit anderen Herstellern eingesetzt werden können. Zum einen hätten die den lokalen Verkaufsmanagern erteilten Richtlinien diesen grosse Freiheit gelassen, von den angegebenen Zielpreisen abzuweichen. Für einen grossen Teil des Zeitraums 1982 bis 1983 hätten diese Richtlinien sogar die Form durchschnittlicher Preisziele angenommen. Angesichts der Flexibilität dieses Preissystems gelte das Vorbringen der Kommission, die vereinbarten Preise hätten als Grundlage für die Verhandlungen mit den Abnehmern gedient, nicht für die Klägerin. Zum anderen seien die allgemeinen Leitlinien darauf ausgerichtet gewesen, die Produktion auf ihrem höchstmöglichen Stand zu halten und daher die Verkäufe selbst um den Preis einer Verringerung der Gewinnmargen zu maximieren.

132 Diese Politik der Produktions- und Absatz-"Maximierung" habe der Klägerin einen Beitritt zu dem vereinbarten System der "Zielpreise" unmöglich gemacht. Die Preise, die sie tatsächlich auf dem Markt verlangt habe, hätten den "Zielen", denen sie sich angeblich angeschlossen habe, nicht entsprochen. Dies ergebe sich insbesondere aus einer Studie über 850 individuelle Geschäfte der Klägerin in den Jahren 1982 und 1983 in vier Ländern, in denen ihre Tätigkeiten einen bedeutenden Umfang gehabt hätten (Bundesrepublik Deutschland, Vereinigtes Königreich, Frankreich und Italien). Ebensowenig habe die Kommission das Gutachten von Professor Albach von der Universität Bonn oder die Untersuchung der unabhängigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Coopers & Lybrand (nachstehend: Untersuchung von Coopers & Lybrand) berücksichtigt. Der blosse Vergleich der "Zielpreise" mit den in der Fachpresse von September 1981 bis Dezember 1983 genannten Preisen, auf den sich die Kommission beschränkt habe (Tabelle 9 der Entscheidung), könne allein kein stichhaltiger Beweis für eine rechtswidrige Beeinflussung des Marktes sein. Dieser Vergleich bestätige im Gegenteil das Vorbringen der Hersteller, daß die praktizierten Preise weit unter den angeblichen "Zielpreisen" gelegen und insbesondere bei anderen Sorten als Raffia, die von der Klägerin überwiegend verkauft worden seien, erheblich geschwankt hätten.

133 Ausserdem habe sie entgegen den Behauptungen der Kommission die Preisinstruktionen nicht selektiv interpretiert, da sie im Gegensatz zur Kommission, die einige der zahlreichen Instruktionen herausgegriffen habe, von der zuletzt erteilten Instruktion ausgegangen sei. Ebensowenig habe sie für andere Sorten als Raffia theoretische Zahlen anstelle der eigentlichen "Ziele" verwendet, wie die Kommission behaupte. In dem Vergleich, den sie durchgeführt habe, sei nämlich für jede Polypropylensorte das jeweilige "Ziel" in jeder Währung angegeben. Nur weil die Zahl der "Ziele" für andere Erzeugnisse als Raffia zu klein gewesen sei, habe sie zum Vergleich zusätzliche "theoretische Ziele" berechnet, dies aber auf völlig schlüssige Weise. Dagegen habe sich die Kommission bei ihrem Versuch, die Ähnlichkeit und Gleichzeitigkeit der Preisinstruktionen der verschiedenen Hersteller zu beweisen und in der Absicht, diese mit den Sitzungen der Hersteller in Verbindung zu bringen, fehlerhafter und wenig verläßlicher Methoden bedient.

134 Bei der Preisinitiative von August bis Dezember 1981 habe die Kommission als Preisinstruktion der Klägerin einen rein internen Vermerk zugrundegelegt (ind. Bpkte. Hercules, Anl. 18).

135 Bezueglich der Preisinitiative von Juni/Juli 1982 habe die Kommission ausser acht gelassen, daß zehn der siebzehn Preisinstruktionen der Klägerin dem angeblich festgesetzten Preisziel nicht entsprächen, habe bei den Preisinstruktionen der Klägerin für den Vergleich mit den Mindestpreisen anderer Hersteller die Listenpreise statt den unter dem der anderen Hersteller liegenden Mindestpreis der Klägerin herangezogen und zudem die Preisinstruktionen der Klägerin in DKR nicht berücksichtigt, die bei Homopolymer und Kopolymer unter den Preiszielen gelegen hätten.

136 Bezueglich der Preisinitiative von September bis November 1982 könne ihre Preisinstruktion vom 26. Juli 1982 nicht mit der späteren Sitzung vom 2. September 1982 in Verbindung gebracht werden. Ihre Preisinstruktion für Oktober 1982 sei am 20. Oktober und damit lange nach dem Inkrafttreten der neuen Preise der anderen Hersteller und nach der Veröffentlichung des beanstandeten Preisziels in den ECN erteilt worden. Auch hier habe die Kommission Listenpreise und Mindestpreise der Klägerin verwechselt und andere Preisinstruktionen unberücksichtigt gelassen, die die Klägerin ihr vorgelegt habe und die ihre Beweisführung nicht gestützt hätten.

137 Bei der Preisinitiative von Juli bis November 1983 habe sie ihre Preisinstruktion am 29. Juni erteilt, d. h. vier Wochen nach der Sitzung, in der nach Angaben der Kommission ein Preisziel festgesetzt worden sei, und viel später, als die anderen Hersteller ihre Preisinstruktionen erteilt hätten. Die Preisinstruktionen von Hercules unterschieden sich von denen der anderen und den angeblich für September und Oktober festgesetzten Preiszielen, weil sie ihre Preisinstruktionen nach einer unabhängigen Analyse des Marktverhaltens der anderen Hersteller später als diese erteilt habe.

138 Diese Darstellung werde dadurch bekräftigt, daß die Klägerin selbst nach Ansicht der anderen Hersteller an den Preisinitiativen nicht mitgewirkt und den Markt mit Preissenkungen durcheinandergebracht habe, wie dies insbesondere der Bericht über die Sitzung vom 2. Dezember 1982 belege (gem. Bpkte., Anl. 33). Dies zeige nicht nur, daß ihre internen Instruktionen den Preiszielen nicht entsprochen, sondern auch, wie geringen Einfluß die Instruktionen jedenfalls auf das tatsächliche Verhalten der Verkaufsmanager gehabt hätten.

139 Artikel 1 Buchstabe d der Entscheidung müsse daher im Sinne der Feststellung ausgelegt werden, daß die Klägerin zur Durchsetzung der besagten Ziele an ihre Verkaufsabteilungen zu richtende Preisinstruktionen vereinbart und solche tatsächlich erteilt habe, ohne daß auf deren Ergebnisse abgestellt werde.

140 Die Kommission legt dar, sie habe zu den in diesem Abschnitt vorgetragenen Argumenten bereits Stellung genommen; im übrigen äussere sich die Klägerin nicht dazu, daß Artikel 1 Buchstabe b der Entscheidung die Festsetzung von "Zielpreisen" und nicht deren Anwendung betreffe. FORTSETZUNG DER GRÜNDE UNTER DOK.NUM : 689A0007.2

141 Das einzige insoweit erhebliche Argument der Klägerin betreffe die Flexibilität ihres Preisfestsetzungssystems. Es sei aber zurückzuweisen, da die Kommission niemals behauptet habe, daß einheitliche Preise tatsächlich in Rechnung gestellt worden seien. Dagegen sei von Bedeutung, daß die Geschäftsleitung den "Preiszielen" entsprechende Instruktionen erteilt habe, die als Grundlage für die Verhandlungen mit den Abnehmern hätten dienen sollen. Die Verkaufsstellen der Klägerin seien zwar zur Einhaltung von Durchschnittspreisen für verschiedene Polypropylensorten aufgefordert worden, doch seien diese Durchschnittspreise auf der Grundlage der "Preisziele" berechnet und in den Preisinstruktionen Listenpreise und Mindestpreise einzeln angeführt worden.

142 Die Klägerin habe in den Sitzungen in keiner Weise eine abweichende Meinung kundgetan und die anderen Hersteller hätten die Anwesenheit ihres Vertreters nicht geduldet, wenn sie Gründe gehabt hätten, an seiner Zustimmung zu der Preisfestsetzung zu zweifeln, die das eigentliche Ziel dieser Sitzungen gewesen sei.

143 Die Fernschreiben der Klägerin an ihre Verkaufsstellen (Schreiben der Kommission vom 29. März 1985, Anl. Hercules E bis I) seien ganz eindeutig; in ihnen heisse es:

"Hence on for October exclusively quoting full list price without exception and lower our presence in the market."

("Von jetzt an für Oktober ausschließlich und ausnahmslos volle Listenpreise angeben und Marktpräsenz zurücknehmen.")

"Book soonest possible busineß at regular accounts which currently are at or practically at list prices. Initiate soonest list price negotiations on regular accounts which current too far away from list price. Thereby assuming competition going at similar list price levels."

("Möglichst bald Abschlüsse bei regelmässigen Kunden, die wir augenblicklich bei oder nahezu bei Listenpreisen haben. Bei regelmässigen Kunden, die augenblicklich zu weit von Listenpreisen weg sind, baldmöglichst Verhandlungen auf Listenpreisbasis aufnehmen. Davon ausgehen, daß Konkurrenz mit Listenpreisen in ähnlicher Höhe arbeitet.") (Anl. G 8, S. 1 und 2)

und

"Will not refuse further volume provided it is at above list prices... In case of serious enquiry/biz opportunity from a typical historical prime customer where list for competitive reasons not obtainable we ready to discuß but don' t assume flexibility before-hand."

("Werden keine Zusatzmengen ablehnen, falls sie über den Listenpreisen liegen... bei ernsthafter Nachfrage/Geschäftschance im Fall eines langjährigen Großkunden, bei dem aus Wettbewerbsgründen Listenpreis nicht möglich, Verhandlungsbereitschaft, aber nicht von vorneherein zeigen.") (Anl. G 9).

Diese beiden Fernschreiben seien im Zeitraum 1982 bis 1983 abgesandt worden, in dem nach Darstellung der Klägerin ihr System der Durchschnittspreise angewandt worden sei. Es sei daher klar, daß dieses System den Preiszielen nichts von ihrer Bedeutung genommen habe.

c) Würdigung durch das Gericht

144 Das Gericht stellt fest, daß die Berichte über die regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller zeigen, daß die Hersteller, die an diesen Sitzungen teilgenommen haben, dort die in der Entscheidung genannten Preisinitiativen vereinbart haben. So heisst es in dem Bericht über die Sitzung vom 13. Mai 1982 (gem. Bpkte., Anl. 24):

"Everyone felt that there was a very good opportunity to get a price rise through before the holidays + after some debate settled on DM 2.00 from 1st June (UK 14th June). Individual country figures are shown in the attached table."

("Alle glaubten, daß die Gelegenheit für die Durchsetzung einer Preiserhöhung vor den Ferien günstig war und einigten sich nach Diskussion auf 2,00 DM mit Wirkung vom 1. Juni [14. Juni für das Vereinigte Königreich]. Die Zahlen nach Ländern finden sich in der beigefügten Tabelle.")

145 Da bewiesen ist, daß die Klägerin an diesen Sitzungen teilgenommen hat, kann sie nicht behaupten, den dort beschlossenen, organisierten und kontrollierten Preisinitiativen nicht zugestimmt zu haben, ohne Anhaltspunkte für die Erhärtung dieser Behauptung vorzutragen. Fehlen nämlich solche Anhaltspunkte, so gibt es keinen Grund für die Annahme, daß die Klägerin diesen Initiativen im Unterschied zu den anderen Teilnehmern der Sitzungen nicht zugestimmt hat.

146 Die Klägerin bestreitet ihre Beteiligung an der einen oder anderen Preisinitiative nicht ausdrücklich, sondern macht geltend, sie habe sich niemals zur Einhaltung der Preisziele verpflichtet, wie dies erstens die Stellung ihres Angestellten sowohl in den Sitzungen als auch innerhalb des Unternehmens und zweitens ihre interne und externe Preispolitik bewiesen, die unabhängig von den angeblichen Preiszielen gewesen sei und von diesen nicht habe beeinflusst werden können.

147 Diesen beiden Argumenten lässt sich nichts entnehmen, was die Behauptung der Klägerin erhärten könnte, daß sie den vereinbarten Preisinitiativen nicht zugestimmt habe.

148 Bezueglich des ersten Arguments ist festzustellen, daß die Gründe, aus denen das Gericht die von der Klägerin auf die Stellung von Herrn B. innerhalb des Unternehmens gestützten Indizien nicht für geeignet gehalten hat, aufzuzeigen, daß ihr die Teilnahme an den Sitzungen nicht zum Vorwurf gemacht werden kann, es ebenfalls nicht zulassen, anhand dieser Indizien den Nachweis zu führen, daß die Klägerin den in diesen Sitzungen vereinbarten Preisinitiativen nicht zugestimmt hat.

149 Bezueglich des zweiten Arguments ist, soweit es die interne Preispolitik der Klägerin - d. h. ihre Preisinstruktionen für 1982 und 1983 und ihr Preisfestsetzungssystem - betrifft, darauf hinzuweisen, daß die im Verwaltungsverfahren erhobenen und in der Klageschrift angeführten Rügen der Klägerin bezueglich der Ähnlichkeit und Gleichzeitigkeit ihrer Preisinstruktionen im Vergleich zu denen der anderen Hersteller und zu den in den Sitzungen der Jahre 1982 und 1983 festgesetzten Preiszielen in der Entscheidung zum Teil berücksichtigt worden sind. In Tabelle 7 der Entscheidung sind nämlich Übereinstimmungen und Abweichungen dieser Instruktionen im Vergleich zu den Instruktionen der anderen Hersteller oder den in den Sitzungen festgesetzten Preiszielen festgehalten. Die Kommission hat daher die Lage der Klägerin zutreffend dargestellt. Die von der Kommission getroffene Auswahl unter den Preisinstruktionen der Klägerin hat ausserdem deren wirkliche Lage nicht verzerrt, sondern ist bedingt durch die in den Tabellen im Anhang der Entscheidung zusammengestellte Übersicht.

150 So ist die Kommission der Kritik an ihrer Analyse der Preise der Klägerin im September 1981 in Randnummer 35 Absatz 2 und in der Tabelle 7 F der Entscheidung mit dem ausdrücklichen Hinweis begegnet, daß die Klägerin der Kommission für diesen Zeitraum keine Preisinstruktionen vorgelegt habe, daß sie aber einen handschriftlichen Vermerk vom 29. Juli 1981 mit den Preiszielen besitze (ind. Bpkte. Hercules, Anl. 18).

151 Die Kritik der Klägerin bezueglich der Preisinitiative von September bis November 1982 trifft ebenfalls nicht zu, da die Preisinstruktion der Klägerin vom 26. (richtig: 27.) Juli 1982 (Schreiben vom 29. März 1985, Anl. Hercules G 2 bis G 6) nicht mit der Sitzung vom 2. September 1982 in Verbindung gebracht werden darf, sondern mit der vom 20. und 21. Juli 1982 (gem. Bpkte., Anl. 26), in der das Preisziel von 2,00 DM/kg zum 1. September festgelegt worden ist, wie die Kommission in einer in Tabelle 7 I wiedergegebenen Note festgehalten hat.

152 Das Gericht ist weiterhin der Auffassung, daß sich die Klägerin zur Erklärung ihrer Preisinstruktionen nicht auf die Veröffentlichung der Preise in den ECN berufen kann, da sich aus dem Bericht über die Sitzung vom 1. Juni 1983 (gem. Bpkte., Anl. 40) eindeutig ergibt, daß eine Preisinitiative seinerzeit in der Fachpresse angezeigt wurde, wenn sie beschlossen worden war. In diesem Bericht heisst es nämlich: "Shell was reported to have committed themselves to the move and would lead publicly in ENC" ("Es wurde gesagt, daß Shell sich zu diesem Schritt verpflichtet habe und in den ECN öffentlich vorangehen werde").

153 Bezueglich der Folgerungen, die die Klägerin aus der teilweise fehlenden Gleichzeitigkeit ihrer Preisinstruktionen für 1982 und 1983 ziehen will, ist festzustellen, daß die Länge des Zeitraums zwischen den Preisinstruktionen der Klägerin und denen anderer Hersteller sowie der Sitzung, in der das Preisziel festgesetzt wurde, die von der Kommission vorgebrachten Beweise im vorliegenden Fall ebenfalls nicht entkräften kann. Da die Klägerin in den Sitzungen in Erfahrung gebracht hatte, welche Preise ihre Wettbewerber ins Auge gefasst hatten, lässt die Länge dieses Zeitraums nicht den Schluß zu, daß die Klägerin ihre Instruktionen aufgrund einer selbständigen Markteinschätzung erteilt hat.

154 Zur Ähnlichkeit der Preisinstruktionen der Klägerin für 1982 und 1983 mit den Preiszielen und den Instruktionen ihrer Wettbewerber stellt das Gericht fest, daß die nur teilweise Durchführung der vereinbarten Preisinitiativen seitens der Klägerin nicht widerlegen kann, daß sie ihnen in den Sitzungen zugestimmt hat, zumal die Berichte über diese Sitzungen keinerlei Meinungsverschiedenheit zwischen der Klägerin und den anderen Teilnehmern über diese Initiativen erkennen lassen und die nur teilweise Durchführung die Kritik anderer Hersteller hervorgerufen hat, wie dies der Bericht über die Sitzung vom 2. Dezember 1982 (gem. Bpkte., Anl. 33) zeigt, der kritische Äusserungen der deutschen und niederländischen Hersteller über die Klägerin erwähnt, die nach Aussage der Klägerin gegen ihre Preispolitik gerichtet waren, wie sich aus der Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen (gem. Bpkte., Anl. 8) ergebe.

155 Auch die Flexibilität des Preisfestsetzungssystems der Klägerin ist nicht geeignet, die Feststellungen der Kommission zu widerlegen, da zwar die Preisinstruktionen an die Verkaufsstellen diesen grosse Freiheit ließen, die es ihnen möglicherweise sogar gestattete, diese Instruktionen als monatliche Durchschnittspreisziele zu betrachten, jedoch auch feststeht, daß die in den Sitzungen festgelegten Preisziele den Einschätzungen der Verkaufsstellen oder der Festsetzung monatlicher Durchschnittspreisziele und damit auch den Verhandlungen mit Kunden als Grundlage dienten, wie dies der Inhalt der von der Kommission angeführten Fernschreiben zeigt (Schreiben vom 29. März 1985, Anl. Hercules E bis I), die aus der Zeit stammen, in der das System der Durchschnittspreise der Klägerin funktionierte. Daß der Wortgebrauch dieser Fernschreiben dem der Fachpresse entspricht, kann diese Feststellung nicht entkräften.

156 Wegen dieser Flexibilität ihres Preisfestsetzungssystems kann die Klägerin der Kommission, auch wenn diese bei anderen Herstellern allein deren Mindestpreise zugrunde gelegt hat, nicht vorwerfen, bei ihrer Analyse der Preisinstruktionen der Klägerin bald von den Listenpreisen, bald von den Mindestpreisen ausgegangen zu sein, denn dieses System ließ den Verkaufsstellen einen erheblichen Ermessensspielraum.

157 Die Klägerin kann sich ferner nicht auf den rein internen Charakter ihrer Preisinstruktionen berufen, denn diese Instruktionen waren zwar insofern rein interner Natur, als sie vom Hauptsitz an die Verkaufsabteilungen gerichtet waren, wurden jedoch erteilt, um ausgeführt zu werden und somit unmittelbar oder mittelbar Aussenwirkungen zu erzeugen, wodurch sie ihren internen Charakter verlieren.

158 Zum zweiten Argument, soweit es die externe Preispolitik der Klägerin betrifft - d. h. die Preise, die sie auf dem Markt praktiziert hat -, ist darauf hinzuweisen, daß in der Entscheidung an keiner Stelle behauptet wird, daß die Klägerin Preise verlangt habe, die stets den in den Sitzungen festgesetzten Preiszielen entsprochen hätten; dies zeigt, daß die angefochtene Handlung auch nicht auf die Durchführung der Sitzungsergebnisse durch die Klägerin gestützt wird, um deren Beteiligung an der Festlegung der Zielpreise zu beweisen. Ein etwaiges Abweichen der von der Klägerin auf dem Markt tatsächlich erzielten Preise von den in den Sitzungen festgelegten Zielpreisen könnte daher, auch wenn es durch Tatsachen untermauert würde, die Beteiligung der Klägerin an der Festlegung der Zielpreise in den Sitzungen nicht in Frage stellen, sondern diente höchstens dem Nachweis, daß die Klägerin das Ergebnis dieser Sitzungen nicht in die Tat umgesetzt hat, wie auch hier die Kritik zeigt, der die Klägerin in den Sitzungen wegen ihrer Preispolitik ausgesetzt war.

159 Infolgedessen kann sich die Klägerin im vorliegenden Fall nicht auf ihre interne oder externe Preispolitik berufen, um darzutun, daß sie in den Sitzungen, an denen sie teilgenommen hat, den dort beschlossenen, organisierten und kontrollierten Preisinitiativen nicht zugestimmt habe.

160 Ebenfalls zu Recht hat die Kommission aus der Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen (gem. Bpkte., Anl. 8), in der es heisst: "' Target prices' for the basic grade of each principal category of polypropylene as proposed by producers from time to time since 1 January 1979 are set forth in Schedule..." ("Die 'Zielpreise' , die von den Herstellern seit dem 1. Januar 1979 regelmässig für die Grundsorte der wichtigsten Polypropylen-Kategorien vorgeschlagen worden sind, sind im Anhang aufgeführt...") abgeleitet, daß diese Initiativen Teil eines Systems zur Festsetzung von Preiszielen waren.

161 Folglich ist der Kommission rechtlich der Beweis gelungen, daß die Klägerin zu den Polypropylenherstellern gehörte, zwischen denen es zu Willensübereinstimmungen gekommen ist, die auf die in der Entscheidung genannten Preisinitiativen gerichtet waren, und daß diese Preisinitiativen Teil eines Systems waren.

D - Die Maßnahmen zur Förderung der Durchführung der

Preisinitiativen

a) Angefochtene Handlung

162 In der Entscheidung (Artikel 1 Buchstabe c und Randnr. 27; siehe auch Randnr. 42) wird der Klägerin vorgeworfen, sie habe mit den anderen Herstellern verschiedene Maßnahmen getroffen, um die Durchsetzung der Zielpreise zu erleichtern, wie vorübergehende Absatzeinschränkungen, Austausch von Einzelangaben über ihre Verkäufe, Veranstaltung lokaler Sitzungen und ab September 1982 ein System des "Kundenmanagements" zwecks Durchsetzung der Preiserhöhungen gegenüber Einzelkunden.

163 Im System des "Kundenmanagements", das später (seit Dezember 1982) in weiterentwickelter Form als "Kundenführung" (account leadership) bezeichnet worden sei, sei die Klägerin wie alle Hersteller für mindestens einen Großkunden zum Koordinator oder Führer ernannt worden mit dem Auftrag, dessen Geschäfte mit seinen Lieferanten heimlich zu koordinieren. In Anwendung dieses Systems seien in Belgien, Italien, Deutschland und im Vereinigten Königreich Kunden bestimmt worden, für die jeweils ein "Koordinator" ernannt worden sei. Im Dezember 1982 sei eine umfassendere Annahme dieses Systems vorgeschlagen worden, wonach für jeden Großkunden ein Kundenführer ernannt worden sei, der "die Preisbewegungen [habe] lenken, erörtern und organisieren" sollen. Andere Hersteller, die in regelmässigen Geschäftsbeziehungen zu dem Kunden gestanden hätten, seien als "Wettbewerber" bezeichnet worden und hätten mit dem Kundenführer bei der Preisfestsetzung für den betreffenden Kunden zusammenarbeiten sollen. Zum "Schutz" des Kundenführers und der Wettbewerber hätten andere Hersteller, an die sich die Kunden gewandt hätten, einen Preis fordern sollen, der über dem gewünschten Niveau gelegen habe. Entgegen den Behauptungen von ICI, das System sei nach nur wenigen Monaten, in denen es nur teilweise und ineffizient funktioniert habe, zusammengebrochen, werde aus dem Bericht über die Sitzung vom 3. Mai 1983 deutlich, daß zu dieser Zeit über Einzelkunden und Preisangebote jedes einzelnen Herstellers an sie sowie Lieferungen und Bestellungen eingehend diskutiert worden sei.

164 In der Entscheidung (Randnr. 20) wird der Klägerin vorgeworfen, sie habe auch an lokalen Sitzungen teilgenommen, die zumindest Benelux erfasst hätten (Randnr. 78 Absatz 9) und in denen die landesweite Durchführung der in den Vollsitzungen getroffenen Vereinbarungen erörtert worden sei.

b) Vorbringen der Parteien

165 Die Klägerin bestreitet, an einem Informationsaustausch über ihre Lieferungen teilgenommen zu haben; die Kommission habe dies in Randnummer 78 der Entscheidung ausdrücklich festgehalten. Die beharrliche Weigerung der Klägerin wie auch die von Amoco und BP, Zahlen für Marktanteile zu liefern, die zusammengenommen einen bedeutenden Marktanteil innerhalb der EWG dargestellt hätten, habe dazu geführt, daß das Vertrauen, das andere in das Ergebnis eines solchen bruchstückhaften Informationsaustausches hätten haben können, begrenzt gewesen sei.

166 Es gebe keinen Beweis, daß Hercules sich bereit erklärt habe, ihre Produktion zu verringern oder Verkäufe aus der EWG heraus zu verlagern, oder daß sie solche Maßnahmen durchgeführt habe. In der Mitteilung der Beschwerdepunkte habe die Kommission darauf hingewiesen, daß sich der Vertreter der Klägerin in einer Sitzung vom 21. September 1982 (gem. Bpkte., Anl. 30) bereit erklärt habe, die Produktion des Werkes zu unterbrechen, um eine Preisinitiative zu unterstützen. Diese Behauptung werde aber durch die Produktionsberichte dieses Werkes und die Tatsache widerlegt, daß der Vertreter der Klägerin keine Befugnis zur Kontrolle der Produktion dieses Werkes gehabt habe. Im übrigen werde der Bericht über die Sitzung vom 13. Mai 1982 (gem. Bpkte., Anl. 24) in diesem Punkt von dem von ihr selbst verfassten Bericht über diese Sitzung (ind. Bpkte. Hercules, Anl. 3) nicht bestätigt.

167 Ausserdem habe es keine Umleitung der Produktion von Hercules auf Überseemärkte gegeben, obwohl während des von der Kommission in Betracht gezogenen Zeitraums die Gewinnspannen bei Überseeverkäufen grösser gewesen seien als bei Verkäufen in der EWG. Im ürigen sei ihr Marktanteil in der Gemeinschaft gestiegen.

168 Die Kommission behaupte ihre Teilnahme an einem System des "account management" auf der Grundlage nicht identifizierter Schriftstücke, deren Herkunft nicht erklärt werde und deren Verläßlichkeit zweifelhaft sei. Dagegen habe ICI in ihrer Antwort auf das Auskunftsverlangen gerade bestätigt, daß die Klägerin für das Scheitern des Systems verantwortlich sei (gem. Bpkte., Anl. 8). Das System des "account management" gehe nicht auf sie zurück, sei vielmehr zum ersten Mal in einer lokalen Sitzung ins Gespräch gekommen, wie ihr Angesteller bei der Anhörung ausgesagt habe (ind. Bpkte. Hercules, Anl. 7).

169 Sie habe an der Ausarbeitung der Tabellen im Anhang der Berichte über die Sitzungen vom 2. September 1982 und 3. Mai 1983 (gem. Bpkte., Anl. 29 und 38) in keiner Weise mitgewirkt, was dadurch belegt werde, daß sie nicht als Kundenführer ihrer grössten Abnehmer im Vereinigten Königreich und in der Bundesrepublik Deutschland genannt sei. Daß sie in diesen Tabellen dagegen als Kundenführer eines anderen Kunden angeführt sei, beweise nichts, weil alle Hersteller gewusst hätten, daß sie sein grösster Lieferant gewesen sei.

170 Die Teilnahme ihres Angestellten an lokalen Sitzungen sei sporadisch und auf Belgien beschränkt gewesen und erlaube der Kommission nicht den Schluß, daß Hercules an der Durchführung der beanstandeten Vereinbarungen beteiligt gewesen sei.

171 Schließlich sei die Vorstellung, daß sie an einer Vereinbarung beteiligt gewesen sei, ohne an den Maßnahmen zur Förderung ihrer Durchführung mitzuwirken, wenig realistisch.

172 Die Kommission trägt vor, sie habe natürlich nicht behauptet, daß die Klägerin an einem Austausch der Absatzzahlen beteiligt gewesen sei, wie aus Randnummer 78 Absatz 9 der Entscheidung klar ersichtlich sei. Die Klägerin sei an einer Zuwiderhandlung beteiligt gewesen, zu der eine Vereinbarung über verschiedene Maßnahmen zur Förderung der Durchsetzung der Preisziele gehört habe. Die Kommission haber aber nie behauptet, daß diese Maßnahmen durchgeführt worden seien.

173 Sie habe auch nicht behauptet, daß die Klägerin mit einer Einschränkung ihrer Produktion einverstanden gewesen sei, und erst recht nicht, daß solche Einschränkungen tatsächlich vorgenommen worden seien. Die Berichte über bestimmte Sitzungen, etwa die vom 13. Mai 1982 (gem. Bpkte., Anl. 24) und die vom 21. September 1982 (gem. Bpkte., Anl. 30) zeigten indessen, daß dies einer der Punkte gewesen sei, über die eine allgemeine Einigung erzielt worden sei, und daß die Klägerin bereit gewesen sei, ihre Produktion zu reduzieren oder ihre Überschüsse nach Übersee umzuleiten.

174 Die Klägerin bestreite offensichtlich nicht, daß ein System der Kundenführung vereinbart worden sei, wie die Berichte über die Sitzungen vom 2. September und 2. Dezember 1982 und vom Frühjahr 1983 zeigten (gem. Bpkte., Anl. 29, 33 und 37). Was die Art ihrer Beteiligung an diesem System betreffe, so zeigten ihre Antwort auf das Auskunftsverlangen, das Protokoll über die Anhörung ihres Angestellten durch die Bediensteten der Kommission sowie zwei handschriftliche Vermerke (ind. Bpkte. Hercules, Anl. 1, 7, 10 und 11), daß Herr B. als erster ein solches System vorgeschlagen habe.

175 Ihr Hauptargument bezueglich der lokalen Sitzungen leite sie schließlich daraus ab, daß die Abhaltung solcher Sitzungen vereinbart worden sei; nur hilfsweise mache sie geltend, daß solche Sitzungen stattgefunden hätten und die Klägerin in ihrer Antwort auf das Auskunftsverlangen eingeräumt habe, gelegentlich daran teilgenommen zu haben.

c) Würdigung durch das Gericht

176 Das Gericht ist der Ansicht, daß Randnummer 27 der Entscheidung im Lichte der Randnummer 26 Absatz 2 so auszulegen ist, daß dort nicht jedem einzelnen Hersteller vorgeworfen wird, sich individuell verpflichtet zu haben, alle dort genannten Maßnahmen zu treffen, sondern daß jedem einzelnen dieser Hersteller der Vorwurf gemacht wird, in den Sitzungen zu verschiedenen Zeiten mit den anderen Herstellern einen Komplex von in der Entscheidung aufgeführten Maßnahmen vereinbart zu haben, mit denen insbesondere durch eine künstliche Verknappung des Polypropylenangebots günstige Voraussetzungen für eine Preisanhebung geschaffen werden sollten, wobei die Durchführung der einzelnen Maßnahmen einvernehmlich auf die verschiedenen Hersteller nach Maßgabe ihrer spezifischen Lage verteilt worden sei.

177 Festzustellen ist, daß sich die Klägerin durch die Teilnahme an den Sitzungen, in denen dieser Komplex von Maßnahmen beschlossen worden ist (insbesondere den Sitzungen vom 13. Mai, 2. und 21. September 1982; gem. Bpkte., Anl. 24, 29, 30), an diesen Maßnahmen beteiligt hat, da sie nichts zum Beweis des Gegenteils vorträgt. Die Vereinbarung des Systems der Kundenführerschaft ergibt sich aus folgender Stelle des Sitzungsberichts vom 2. September 1982:

"About the dangers of everyone quoting exactly DM 2.00 A.' s point was accepted but rather than go below DM 2.00 it was suggested & generally agreed that others than the major producers at individual accounts should quote a few pfs higher. Whilst customers tourism was clearly to be avoided for the next month or two it was accepted that it would be very difficult for companies to refuse to quote at all when, as was likely, customers tried to avoid paying higher prices to the regular suppliers. In such cases producers would quote but at above the minimum levels for October."

("Dem Hinweis von A. auf die Gefahren, die sich ergäben, wenn alle genau 2,00 DM verlangten, wurde zugestimmt, doch wurde vorgeschlagen und allgemein vereinbart, daß, statt unter 2,00 DM zu gehen, andere als die Hauptlieferanten eines bestimmten Kunden einige Pfennige mehr verlangen sollten. Während klargestellt wurde, daß das Abwandern von Kunden im nächsten oder in den nächsten beiden Monaten zu vermeiden sei, wurde akzeptiert, daß es für die Unternehmen sehr schwer sein würde, überhaupt keine Preise zu nennen, wenn die Kunden, womit zu rechnen sei, versuchen würden, den höheren Preisen der regelmässigen Lieferer auszuweichen. In solchen Fällen sollten die Hersteller ein Preisangebot machen, das allerdings über den Mindestpreisen für Oktober liegen sollte.")

Ebenso wurde in der Sitzung vom 21. September 1982, an der die Klägerin teilgenommen hat, folgendes erklärt: "In support of the move BASF, Hercules and Hoechst said they would be taking plant off line temporarily" ("BASF, Hercules und Hoechst sagten, daß sie diesen Schritt durch eine zeitweilige Unterbrechung der Produktion bestimmter Anlagen unterstützen würden"), und in der Sitzung vom 13. Mai 1982 versicherte Fina: "Plant will be shut down for 20 days in August" ("Der Betrieb bleibt im August für 20 Tage geschlossen").

178 Zur Kundenführerschaft stellt das Gericht fest, daß sich aus den Berichten über die Sitzungen vom 2. September 1982 (gem. Bpkte., Anl. 29), vom 2. Dezember 1982 (gem. Bpkte., Anl. 33), und vom Frühjahr 1983 (gem. Bpkte., Anl. 37), an denen die Klägerin teilgenommen hat, ergibt, daß in ihnen dieses System von den anwesenden Herstellern vereinbart wurde.

179 Im übrigen ergibt sich aus einem bei ICI gefundenen, nach Ansicht der Klägerin von etwa März 1983 stammenden Vermerk (ind. Bpkte. Hercules, Anl. 11), daß der Angestellte der Klägerin als "Originator of 'account leadership' concept (not working)" ("Urheber des Konzepts der 'Kundenführerschaft' [funktioniert nicht]") betrachtet wurde.

180 Im übrigen ist es unerheblich, daß die Klägerin nicht zum Kundenführer ihrer grössten Kunden bestimmt worden ist. Die entscheidende Frage ist nämlich nicht, ob es sich aus der Sicht des Lieferanten um einen wichtigen Kunden handelt, sondern ob der Lieferant, hier die Klägerin, aus der Sicht des Kunden wichtig ist. Die Klägerin hat weder behauptet noch bewiesen, daß sie tatsächlich der Hauptlieferant dieser "Großkunden" gewesen sei, ohne jedoch für diese als Kundenführer bestimmt worden zu sein.

181 Das Gericht stellt weiterhin zur Rüge der Produktionsbeschränkung und -umleitung auf überseeische Märkte fest, daß entgegen der Behauptung der Klägerin ihr eigener Bericht über die Sitzung vom 13. Mai 1982 (ind. Bpkte. Hercules, Anl. 3) den Bericht von ICI über die gleiche Sitzung (gem. Bpkte., Anl. 24) die Diskussionen zu diesem Punkt nicht widerlegt, sondern bestätigt, auch wenn im Bericht der Klägerin ihre eigenen Äusserungen nicht wiedergegeben sind. Im Bericht von ICI heisst es hierzu:

"Hercules - Export demand expected to continü strongly + would put any surplus overseas despite losing ground in W. Europe over last 2 months."

("Hercules - weiterhin starke Exportnachfrage erwartet + würde Überschuß in Übersee absetzen, obwohl in Westeuropa in den beiden letzten Monaten Terrain verlorengegangen ist.")

182 Die Klägerin bestreitet nicht, daß sie an lokalen Sitzungen teilgenommen hat und daß der Gegenstand dieser Sitzungen durch den Bericht über die Sitzung vom 12. August 1982 (gem. Bpkte., Anl. 27) belegt wird, dem zufolge diese Sitzungen dazu bestimmt waren, die örtlich beschränkte Anwendung einer besonderen Preisinitiative sicherzustellen.

183 Im übrigen ergibt sich aus Randnummer 78 Absatz 9 der Entscheidung ausdrücklich, daß der Klägerin nicht vorgeworfen worden ist, Informationen über ihren Absatz ausgetauscht zu haben.

184 Folglich ist der Kommission rechtlich der Beweis gelungen, daß die Klägerin zu den Polypropylenherstellern gehört, zwischen denen es zu Willensübereinstimmungen gekommen ist, die auf die Maßnahmen gerichtet waren, mit denen die Durchführung der in der Entscheidung genannten Preisinitiativen gefördert werden sollte.

E - Absatzziele und Quoten

a) Angefochtene Handlung

185 Nach Randnummer 31 Absatz 3 der Entscheidung wurde in der Sitzung vom 26. und 27. September 1979 "ein straffes Quotensystem als wesentlich erachtet"; in dem Bericht über diese Sitzung werde eine Regelung erwähnt, die in Zuerich vorgeschlagen bzw. vereinbart worden sei, um die monatlichen Verkäufe auf 80 % der in den ersten acht Monaten des Jahres getätigten durchschnittlichen Verkäufe zu beschränken.

186 In Randnummer 52 der Entscheidung heisst es ausserdem, es seien bereits vor August 1982 verschiedene Marktteilungssysteme angewandt worden. Während jeder Hersteller einen prozentualen Anteil an den voraussichtlichen Geschäftsabschlüssen erhalten habe, habe es in dieser Phase noch keine systematische Beschränkung der Gesamtproduktion im voraus gegeben. Marktschätzungen hätten also regelmässig revidiert und die Verkäufe jedes Herstellers in absoluten Tonnen-Zahlen entsprechend dem prozentualen Anteil angepasst werden müssen.

187 Für 1979 seien für jeden Hersteller Absatzziele (in Tonnen) aufgestellt worden, die zumindest teilweise auf den in den drei vorangegangenen Jahren erzielten Absatzergebnissen beruht hätten. Bei ICI sichergestellte Tabellen enthielten Angaben über das "revidierte Ziel" für jeden Hersteller für 1979 im Vergleich zu den tatsächlich in diesem Jahr in Westeuropa erzielten Absatzergebnissen (Entscheidung, Randnr. 54).

188 Ende Februar 1980 hätten die Hersteller für 1980 - wiederum in Tonnen ausgedrückte - Ziele auf der Grundlage eines voraussichtlichen Marktes von 1 390 000 Tonnen vereinbart. Nach Randnummer 55 der Entscheidung wurden bei ATO und ICI mehrere Tabellen sichergestellt, die die für jeden Hersteller für 1980 "vereinbarten Ziele" enthielten. Da sich diese ursprüngliche Marktschätzung als zu optimistisch herausgestellt habe, habe die Quote der Hersteller auf eine jährliche Gesamtnachfrage von nur 1 200 000 Tonnen nach unten revidiert werden müssen. Ausser im Falle von ICI und DSM hätten die Verkaufsergebnisse der einzelnen Hersteller weitgehend ihrem Ziel entsprochen.

189 Nach Randnummer 56 der Entscheidung war die Marktteilung für 1981 Gegenstand langer, komplizierter Verhandlungen. In den Sitzungen vom Januar 1981 sei vereinbart worden, daß jeder Hersteller als einstweilige Maßnahme zur Durchsetzung der Preisinitiative im Februar und März seine monatlichen Verkäufe auf ein Zwölftel von 85 % des Ziels von 1980 habe beschränken sollen. Um ein längerfristiges System vorzubereiten, habe jeder Hersteller in der Sitzung mitgeteilt, wieviel Tonnen er 1981 habe verkaufen wollen. Diese "Zielvorstellungen" sämtlicher Hersteller hätten die voraussichtliche Gesamtnachfrage weit überschritten. Obwohl Shell und ICI verschiedene Kompromißformeln vorgeschlagen hätten, habe keine endgültige Quotenvereinbarung für 1981 geschlossen werden können. Als Notbehelf hätten die Hersteller auf ihre Vorjahresquote zurückgegriffen und in der Sitzung über ihre tatsächlichen monatlichen Absatzergebnisse berichtet. So seien die tatsächlichen Verkäufe vor dem Hintergrund einer theoretischen Teilung des verfügbaren Marktes auf der Grundlage der Quoten von 1980 überwacht worden (Entscheidung, Randnr. 57).

190 Nach Randnummer 58 der Entscheidung unterbreiteten die Hersteller für 1982 komplizierte Quotenvorschläge, bei denen versucht worden sei, unterschiedliche Faktoren wie frühere Leistungen, Marktziele und vorhandene Kapazität in Einklang zu bringen. Der aufzuteilende Gesamtmarkt sei auf 1 450 000 Tonnen geschätzt worden. Einige Hersteller hätten ausgeklügelte Pläne für eine Marktteilung vorgelegt, während sich andere damit zufriedengegeben hätten, lediglich ihre Zielvorstellungen mitzuteilen. In der Sitzung vom 10. März 1982 hätten Monte und ICI versucht, eine Einigung zu erzielen. Wie 1981 sei es jedoch auch 1982 nicht zu einer endgültigen Vereinbarung gekommen, so daß im ersten Halbjahr die monatlichen Verkäufe der Hersteller in den Sitzungen mitgeteilt und anhand der Vorjahresanteile überwacht worden seien (Entscheidung, Randnr. 58, letzter Absatz). In der Sitzung vom August 1982 seien die Gespräche zur Erreichung einer Vereinbarung über die Quoten für 1983 fortgesetzt worden; ICI habe mit jedem Hersteller bilaterale Gespräche über das neue System geführt. Bis zur Einführung eines solchen Quotensystems hätten die Hersteller jedoch im zweiten Halbjahr 1982 versuchen sollen, ihre monatlichen Verkäufe auf dieselben prozentualen Anteile am Gesamtmarkt zu beschränken, die jeder von ihnen im ersten Halbjahr 1982 erreicht habe. So hätten sich 1982 die Marktanteile in einem relativen Gleichgewicht befunden und seien für die meisten Hersteller im Vergleich zum Vorjahr stabil geblieben (Entscheidung, Randnr. 59).

191 Nach Randnummer 60 der Entscheidung forderte ICI für 1983 die Hersteller auf, ihre Quotenvorstellungen mitzuteilen und Vorschläge für die prozentualen Zuteilungen an die anderen Hersteller zu unterbreiten. Monte, Anic, ATO, DSM, Linz, Saga und Solvay sowie die deutschen Hersteller (letztere durch BASF) hätten ausführliche Vorschläge gemacht. Die verschiedenen Vorschläge seien in einen Rechner eingegeben worden, um einen Durchschnitt zu ermitteln, der mit den durchschnittlichen Bestrebungen ("aspirations") der einzelnen Hersteller verglichen worden sei. Anhand dieser Vorarbeiten habe ICI Leitlinien für eine neue Rahmenvereinbarung für 1983 angeregt. Diese Vorschläge seien in den Sitzungen vom November und Dezember 1982 diskutiert worden. Ein zunächst auf das erste Quartal des Jahres beschränkter Vorschlag sei in der Sitzung vom 2. Dezember 1982 erörtert worden. Aus dem von ICI erstellten Bericht über diese Sitzung gehe hervor, daß ATO, DSM, Hüls, Hoechst, ICI, Monte und Solvay sowie die Klägerin die ihnen zugeteilte Quote als "akzeptabel" angesehen hätten (Entscheidung, Randnr. 63). Dies werde durch den Vermerk über ein Telefongespräch zwischen ICI und der Klägerin vom 3. Dezember 1982 bestätigt.

192 Nach Randnummer 63 Absatz 3 der Entscheidung bestätigt ein bei Shell gefundenes Schriftstück, daß eine Vereinbarung zustandegekommen sei, da sich dieses Unternehmen bemüht habe, seine Quote nicht zu überschreiten. Dieses Dokument bestätige auch, daß ein Mengenkontrollsystem im zweiten Quartal 1983 fortgesetzt worden sei, denn die nationalen Verkaufsunternehmen in der Shell-Gruppe seien angewiesen worden, ihre Verkäufe zu reduzieren, um ihre Marktanteile im zweiten Quartal bei 11 % zu halten. Das Bestehen dieser Vereinbarung werde durch den Bericht über die Sitzung vom 1. Juni 1983 bestätigt, der zwar keinen besonderen Hinweis auf Quoten enthalte, aber erwähne, daß die Experten Einzelheiten über die von ihnen im Vormonat verkauften Mengen ausgetauscht hätten, was darauf hindeuten würde, daß irgendeine Quotenregelung bestanden habe (Entscheidung, Randnr. 64).

193 Nach der Entscheidung (Randnrn. 66, letzter Absatz, 78 Absatz 9 und 109 Absatz 5) zeigen die Sitzungsberichte ab Juni 1982, daß es für jeden Hersteller üblich geworden sei, über seinen Vormonatsabsatz zu berichten, um diesen mit seinem Ziel zu vergleichen. Für Amoco, BP und die Klägerin habe allerdings nur eine globale Schätzung vorgelegen. BP und Amoco hätten an keinen Sitzungen teilgenommen, und die Klägerin habe es offensichtlich abgelehnt, ihre Zahlen mitzuteilen. Dafür habe die Klägerin den Vorteil gehabt, über die Einzelangaben der anderen Hersteller zu verfügen, und interne Dokumente bewiesen, daß sie genaue Informationen über die Lieferungen nach jedem Mitgliedstaat und die Marktanteile der anderen Hersteller für 1981 und 1982 besessen habe.

b) Vorbringen der Parteien

194 Die Klägerin weist zunächst darauf hin, daß sie in zahlreichen Schriftstücken wie Sitzungsberichten oder Zahlentabellen (gem. Bpkte., Anl. 25, 28, 31 bis 33, 59, 65, 69, 70 und 87) bei den Verkaufszahlen und den zugeteilten Zielen neben Amoco und/oder BP angeführt sei. Dies beweise, daß Hercules ihre Verkaufszahlen nicht mitgeteilt habe, die mithin von den anderen Herstellern anhand von Schätzungen hätten ermittelt werden müssen.

195 Die Zahlentabelle mit der Bezeichnung "Producers' Sales to West Europe" ("Verkäufe der Hersteller innerhalb Westeuropas") (gem. Bpkte., Anl. 55) und der Rubrik "agreed targets 1979" ("vereinbarte Ziele 1979") weise Fehler im Zusammenhang mit der Schätzung ihrer Verkaufszahlen auf, sei von einem unbekannten Verfasser erstellt und enthalte handgeschriebene Vermerke, die später hinzugefügt sein könnten. Im übrigen gebe der Bericht über die Sitzung vom Januar 1981 (gem. Bpkte., Anl. 17 ) selbst an, daß die dort für Hercules angeführten Zahlen Schätzungen anderer Hersteller seien.

196 Zahlreiche Schriftstücke beträfen sie nicht, weil es sich um interne Schriftstücke anderer Hersteller handele, die bisweilen zweiseitige Gespräche, an denen sie nicht beteiligt gewesen sei (gem. Bpkte., Anl. 62, 63, 67, 68 und 93), oder Quotenvorschläge anderer Hersteller wiedergäben (gem. Bpkte., Anl. 75 und 76).

197 Ihre Verkaufszahlen hätten stets die ihr angeblich zugeteilten Quoten bei weitem übertroffen (gem. Bpkte., Anl. 28, 32, 33, 59 und 65).

198 Ganz allgemein ließen sich die von der Kommission erhobenen Vorwürfe angesichts des bereits erbrachten Beweises, daß sie eine Beteiligung an dem Informationsaustausch über die Verkaufszahlen abgelehnt habe, nicht halten, da diese Informationen zum Abschluß und zur Durchführung der Quotenvereinbarungen notwendig gewesen seien. Die Kommission stütze sich auf Schriftstücke, die anscheinend Entwürfe oder Bemerkungen zu Marktaufteilungsplänen seien. Sie habe aber ausser acht gelassen, daß es unbestrittene Zeugenausagen und schriftliche Beweise (gem. Bpkte., Anl. 8) für die fehlende Beteiligung der Klägerin gebe und die Aufteilung der Quoten in den von der Kommission herangezogenen Schriftstücken nicht für die Klägerin allein, sondern für sie und für Amoco und/oder BP erfolgt sei; bei den letztgenannten Firmen habe die Kommission aber anerkannt, daß nicht genügend Beweise vorlägen, um ihnen eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 vorwerfen zu können.

199 In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin weiterhin geltend gemacht, daß in dem Bericht über die Sitzung vom 2. Dezember 1982 (gem. Bpkte., Anl. 33) neben den Namen von Amoco, Hercules und BP der Vermerk "amendé" ["abgeändert"] stehe, was besage, daß die Hersteller wiederum falsche Informationen über die Produktionskapazität dieser drei Unternehmen gehabt hätten; darüber hinaus sei die Anlage 43 der Mitteilung der individuellen Beschwerdepunkte an die Klägerin kein Beleg für die Behauptung, daß sie im März 1982 die ihr zugeteilte Quote habe berichtigen lassen, denn der dort angeführte Änderungswunsch (125 statt 100 Kilotonnen) beziehe sich nicht auf eine Quote, sondern auf die Nominalkapazität der Klägerin. Dieser Änderungswunsch habe die Klägerin im übrigen nicht verpflichtet, ihre Kapazität zu erhöhen oder zu verringern, sondern habe lediglich eine falsche Angabe betroffen, die bereits in zwei anderen Tabellen vom 8. und 9. Oktober 1980 (gem. Bpkte., Anl. 57 und 58) enthalten gewesen sei.

200 Die Kommission legt dar, die Klägerin sei gemeinsam mit anderen Herstellern an einer Vereinbarung zur Aufteilung des Marktes beteiligt gewesen, mit der insbesondere jedem eine Quote oder ein Verkaufsziel zugeteilt worden sei. Es komme nicht darauf an, ob die Klägerin ihre monatlichen Verkaufszahlen mitgeteilt habe oder nicht, weil sie an einer Gesamtvereinbarung mitgewirkt habe, bei der diese Zahlen lediglich einen Teilaspekt darstellten. Das Ausmaß der Beteiligung der Klägerin an einem solchen Gesamtplan werde in den Randnummern 52 (am Ende) und 53 Absatz 3 der Entscheidung festgehalten, wonach jedem beteiligten Hersteller eine Quote oder ein in Tonnen oder Prozenten ausgedrücktes Ziel zugeteilt worden sei. Bei der Erstellung eines Quotenplans hätten die Hersteller berücksichtigt werden müssen, die nicht an den Sitzungen und damit nicht an den einzelnen Diskussionspunkten teilgenommen hätten.

201 Im Jahre 1979 sei der Klägerin, die eingeräumt habe, in diesem Zeitraum an Sitzungen teilgenommen zu haben, eine eigene Quote zugeteilt worden, wie die Tabelle mit der Bezeichnung "Producers' Sales to West Europe" ("Verkäufe der Hersteller innerhalb Westeuropas") belege (gem. Bpkte., Anl. 55).

202 Für den Zeitraum 1980 bis 1982 seien die Zahlen für die Klägerin mit denen für BP und/oder Amoco in den einzelnen Tabellen zusammengefasst worden (gem. Bpkte., Anl. 17, 59, 62, 68 und 93).

203 Man habe weiterhin bei der Klägerin den Plan von Monte für ein Quotensystem für 1982 entdeckt, der auch bei ICI aufgefunden worden sei. Die Vertreter der Klägerin hätten angegeben, sie wüssten nicht, auf was sich die dort angegebene "Quote" beziehen könne (gem. Bpkte., Anl. 71).

204 In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission dargelegt, daß die Tabelle 2 im Anhang zum Bericht über die Sitzung vom 2. Dezember 1982 (gem. Bpkte., Anl. 33) mit der Bezeichnung "1983 Quarter 1 Proposal" ("Vorschlag 1. Quartal 1983") zwar eine gemeinsame Quote von 53 Kilotonnen für Amoco, BP und die Klägerin anführe, zugleich aber auch eine Aufteilung 21/21/11. Dies zeige, daß die Klägerin in den Sitzungen darauf geachtet habe, ihre eigenen Interessen zu wahren. Im übrigen fänden sich die in diesen Schriftstücken wiedergegebenen Zahlen auch in dem Vermerk über ein Telefongespräch vom 3. Dezember 1982 zwischen ICI und einem Angestellten der Klägerin (gem. Bpkte., Anl. 88). Der Bericht über eine Sitzung vom März 1982 (ind. Bpkte. Hercules, Anl. 43) zeige nach ihrer Auffassung die aktive Beteiligung der Klägerin an der Ausarbeitung der Quoten. Er belege, daß die Klägerin die Nominalkapazität, die ihr zugeteilt worden sei und die als Grundlage für die Errechnung der Quoten habe dienen sollen, habe berichtigen lassen, um eine höhere Quote zu erhalten.

205 Schließlich entlaste es die Klägerin ebenfalls nicht, daß sie den anderen Herstellern ihre Produktions- oder Verkaufszahlen nicht mitgeteilt habe, da sie durchaus gewusst habe, daß die anderen Hersteller in der Lage gewesen seien, diese Zahlen (wie auch die von Amoco und von BP) anhand der Fides-Daten zu ermitteln. So habe die Klägerin den Widerspruch, keine Informationen zu liefern, auflösen können, da sie gewusst habe, daß dies der zutreffenden Ermittlung einer realistischen Quote für sie nicht im Wege stehen werde. Wenn diese Ermittlung unzutreffend gewesen sei, habe die Klägerin sie berichtigen lassen, wie dies im März 1982 der Fall gewesen sei.

c) Würdigung durch das Gericht

206 Das Gericht erinnert daran, daß die Klägerin seit Anfang 1979 an den regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller teilgenommen hat, in denen die Verkaufsmengen der verschiedenen Hersteller diskutiert und Informationen hierüber ausgetauscht worden sind.

207 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß nach den Randnummern 66 letzter Absatz, 78 Absatz 9 und 109 Absatz 5 der Entscheidung die Klägerin zwar keine Zahlen über ihre Verkaufsmengen mitgeteilt hat, daß aber, wie die Kommission zugleich festgestellt hat, die Klägerin dank ihrer Teilnahme an den Sitzungen über ausführliche Informationen über die monatlichen Verkäufe der anderen Hersteller verfügte.

208 Unter diesen Umständen ist für die Prüfung der Beteiligung der Klägerin an dem System der Festlegung von Verkaufsmengenzielen zunächst die Funktionsweise des gesamten Systems zu untersuchen.

209 Die in den verschiedenen, von der Kommission für die Jahre 1979 und 1980 vorgelegten Schriftstücken benutzte Terminologie (wie "revised target" ["revidiertes Ziel"], "opening suggestions" ["Ausgangsvorschläge"], "proposed adjustments" ["vorgeschlagene Berichtigungen"] und "agreed targets" ["vereinbarte Ziele"]) lässt den Schluß zu, daß es zwischen den Herstellern zu Willensübereinstimmungen gekommen ist.

210 Für das Jahr 1979 ist auf der Grundlage des gesamten Berichts über die Sitzung vom 26. und 27. September 1979 (gem. Bpkte., Anl. 12) und der bei ICI sichergestellten, nichtdatierten Tabelle (gem. Bpkte., Anl. 55) mit der Bezeichnung "Producers' Sales to West Europe" ("Verkäufe der Hersteller innerhalb Westeuropa"), in der für alle westeuropäischen Polypropylenhersteller die Verkaufszahlen in Kilotonnen für 1976, 1977 und 1978 sowie unter den Rubriken "1979 actual" ("tatsächliche Zahlen 1979"), "revised target" und "79" weitere Zahlen genannt werden, festzustellen, daß in dieser Sitzung die Notwendigkeit anerkannt wurde, das für 1979 vereinbarte Quotensystem für die letzten drei Monate dieses Jahres zu verschärfen. Der Ausdruck "tight" ("strikt") in Verbindung mit der Begrenzung auf 80 % von einem Zwölftel der vorgesehenen jährlichen Verkäufe weist darauf hin, daß die für 1979 ursprünglich geplante Regelung für diese letzten drei Monate verschärft werden sollte. Diese Auslegung des Sitzungsberichts wird durch die genannte Tabelle bestätigt, denn diese enthält unter der Überschrift "79" in der letzten Spalte rechts von der Spalte mit der Überschrift "revised target" Zahlen, die den ursprünglich festgelegten Quoten entsprechen müssen. Diese müssen im Sinne einer Verschärfung revidiert worden sein, da sie auf der Grundlage einer zu optimistischen Marktschätzung festgelegt worden waren, wie dies auch 1980 der Fall war. Diese Feststellungen werden nicht dadurch entkräftet, daß in Randnummer 31 Absatz 3 der Entscheidung eine Regelung erwähnt wird, "die in Zuerich vorgeschlagen bzw. vereinbart wurde, um die monatlichen Verkäufe auf 80 % der in den ersten acht Monaten des Jahres getätigten durchschnittlichen Verkäufe zu beschränken". Dieser Hinweis ist in Verbindung mit Randnummer 54 der Entscheidung so zu verstehen, daß ursprünglich schon für die monatlichen Verkäufe der ersten acht Monate des Jahres 1979 Verkaufsmengenziele festgelegt worden waren.

211 Herr B. hat bei seiner Anhörung durch die Bediensteten der Kommission (ind. Bpkte. Hercules, Anl. 7, Anl. A) erklärt, er habe möglicherweise am 19. Juni 1979 an einer Sitzung in Zuerich teilgenommen. Im Bericht über die Sitzung vom 26. und 27. September 1979 (gem. Bpkte., Anl. 12) heisst es:

"Recognized that tight quota system (is) essential. Volume/go for 80 % scheme an(d) for recent Zurich note."

("Hat anerkannt, daß strenges Quotensystem wesentlich [ist]. Zur Menge: einverstanden mit 80 % Plan und letztem Vermerk Zuerich.")

212 Für das Jahr 1980 stellt das Gericht fest, daß die Festlegung von Verkaufsmengenzielen für das gesamte Jahr aus der bei ATO aufgefundenen Tabelle vom 26. Februar 1980 (gem. Bpkte., Anl. 60) hervorgeht, die eine Spalte "agreed targets 1980" ("vereinbarte Ziele 1980") enthält. Diese Schriftstücke werden bestätigt durch eine Tabelle vom 8. Oktober 1980 (gem. Bpkte., Anl. 57), in der in zwei Spalten die "1980 Nameplate Capacity" ("nominale Kapazität 1980") und die "1980 Quota" für die einzelnen Hersteller miteinander verglichen werden.

213 Für 1981 weist das Gericht darauf hin, daß den Herstellern vorgeworfen wird, daß sie an den Verhandlungen teilgenommen hätten, um zu einer Quotenvereinbarung für dieses Jahr zu kommen, sowie daß sie in diesem Rahmen ihre "Bestrebungen" mitgeteilt hätten und in Erwartung einer solchen Vereinbarung übereingekommen seien, ihre monatlichen Verkäufe während der Monate Februar und März 1981 vorübergehend auf ein Zwölftel von 85 % des für 1980 vereinbarten "Ziels" zu reduzieren, daß sie sich für den Rest des Jahres dieselbe theoretische Quote wie für das Vorjahr zugewiesen hätten, daß sie jeden Monat in den Sitzungen ihre Verkäufe bekanntgegeben hätten und daß sie schließlich überprüft hätten, ob ihre Verkäufe die zugeteilte theoretische Quote einhielten.

214 Daß zwischen den Herstellern Verhandlungen im Hinblick auf die Einführung einer Quotenregelung stattgefunden und daß die Hersteller in diesen Verhandlungen ihre "Bestrebungen" mitgeteilt haben, wird durch verschiedene Beweismittel belegt, wie Tabellen, die für jeden Hersteller dessen Zahlen für die Jahre 1979 und 1980 als "actual" und "targets" sowie seine "aspirations" für 1981 ausweisen (gem. Bpkte., Anl. 59 und 61), eine in italienischer Sprache abgefasste Tabelle (gem. Bpkte., Anl. 62), die für jeden Hersteller dessen Quote für 1980, die Vorschläge anderer Hersteller bezueglich der ihm für 1981 zuzuteilenden Quoten und seine eigenen "Bestrebungen" für 1981 ausweist, sowie einen internen Vermerk von ICI (gem. Bpkte., Anl.63) über den Verlauf dieser Verhandlungen, in dem es heisst:

"Taking the various alternatives discussed at yesterday' s meeting we would prefer to limit the volume to be shared to no more than the market is expected to reach in 1981, say 1.35 million tons. Although there has been no further discussion with Shell, the four majors could set the lead by accepting a reduction in their 1980 target market share of about 0.35 % provided the more ambitious smaller producers such as Solvay, Saga, DSM, Chemie Linz, Anic/SIR also tempered their demands. Provided the majors are in agreement the anomalies could probably be best handled by individual discussions at Senior level, if possible before the meeting in Zurich."

("Unter den verschiedenen in der gestrigen Sitzung erörterten Möglichkeiten bevorzugen wir diejenige, die aufzuteilende Menge auf das Volumen zu begrenzen, das der Markt 1981 voraussichtlich erreichen wird, also etwa 1,35 Millionen Tonnen. Obwohl keine weitere Diskussion mit Shell stattgefunden hat, könnten die vier Grossen die Richtung weisen, indem sie ihren Zielmarktanteil für 1980 um etwa 0,35 % reduzieren, sofern die ehrgeizigeren kleineren Hersteller wie Solvay, Saga, DSM, Chemie Linz, Anic/SIR ihre Forderungen ebenfalls zuegeln. Vorausgesetzt, die Grossen sind sich einig, könnten die Anomalien möglicherweise durch individuelle Diskussionen auf Chefebene möglichst vor der Sitzung in Zuerich bewältigt werden.")

Diesem Dokument ist ein bezifferter Kompromißvorschlag beigefügt, in dem das von jedem Hersteller erzielte Ergebnis mit 1980 verglichen wird ("% of 1980 target").

215 Die Annahme vorläufiger Maßnahmen in Form einer Reduzierung der monatlichen Verkäufe in den Monaten Februar und März 1981 auf ein Zwölftel von 85 % des für das Vorjahr vereinbarten Ziels ergibt sich aus dem Bericht über die Sitzungen vom Januar 1981, in dem es heisst:

"In the meantime (february-march) monthly volume would be restricted to 1/12 of 85 % of the 1980 target with a freeze on customers."

("In der Zwischenzeit [Februar/März] soll die monatliche Menge auf 1/12 von 85 % des Ziels 1980 mit einem Einfrieren der Kunden reduziert werden.") FORTSETZUNG DER GRÜNDE UNTER DOK.NUM : 689A0007.3

216 Die Tatsache, daß sich die Hersteller für den Rest des Jahres dieselbe theoretische Quote wie für das Vorjahr zugewiesen und durch den monatlichen Austausch ihrer Verkaufszahlen überprüft haben, ob die Verkäufe diese Quote einhielten, wird durch drei im Zusammenhang zu sehende Schriftstücke bewiesen. Es handelt sich erstens um eine Tabelle vom 21. Dezember 1981 (gem. Bpkte., Anl. 67), in der für jeden Hersteller die nach Monaten aufgeschlüsselten Verkäufe angegeben werden und deren letzten drei Spalten bezueglich der Monate November und Dezember sowie für das gesamte Jahr handschriftlich hinzugefügt worden sind. Zweitens handelt es sich um eine bei ICI gefundene, in italienischer Sprache abgefasste Tabelle ohne Datum mit der Bezeichnung "Scarti per società" ("Abweichungen, aufgeschlüsselt nach Gesellschaften") (gem. Bpkte., Anl. 65), in der für jeden Hersteller für die Zeit von Januar bis Dezember 1981 die Verkaufszahlen "actual" mit den Zahlen "theoretic[al]" ("theoretisch") verglichen werden. Es handelt sich drittens um eine bei ICI gefundene, nicht datierte Tabelle (gem. Bpkte., Anl. 68), in der für jeden Hersteller für die Zeit von Januar bis November 1981 die Verkaufszahlen und die Marktanteile mit denjenigen von 1979 und von 1980 verglichen werden, wobei eine Vorausberechnung für das Jahresende vorgenommen wird.

217 Die erste Tabelle zeigt, daß die Hersteller ihre monatlichen Verkaufszahlen ausgetauscht haben. Verbindet man sie mit den - in den beiden anderen, auf denselben Zeitraum bezogenen Tabellen angestellten - Vergleichen zwischen diesen Zahlen und denjenigen von 1980, so erhärtet ein solcher Austausch von Informationen, die ein unabhängiger Wirtschaftsteilnehmer streng als Betriebsgeheimnisse hütet, die Schlußfolgerungen, zu denen die Kommission in der Entscheidung gekommen ist.

218 Für 1982 weist das Gericht darauf hin, daß den Herstellern vorgeworfen wird, daß sie an den Verhandlungen im Hinblick auf den Abschluß einer Quotenvereinbarung für dieses Jahr teilgenommen hätten, daß sie in diesem Rahmen ihre Bestrebungen im Hinblick auf die Verkaufsmengen mitgeteilt hätten, daß sie in Ermangelung einer endgültigen Vereinbarung in den Sitzungen ihre monatlichen Verkaufszahlen für das erste Halbjahr mitgeteilt und mit dem im Vorjahr erzielten prozentualen Anteil verglichen hätten und daß sie sich während des zweiten Halbjahrs bemüht hätten, ihre monatlichen Verkäufe auf den prozentualen Anteil des Gesamtmarkts zu beschränken, den sie in der ersten Hälfte dieses Jahres erzielt hätten.

219 Daß zwischen den Herstellern Verhandlungen im Hinblick auf die Einführung einer Quotenregelung stattgefunden und daß die Hersteller in diesem Rahmen ihre Bestrebungen mitgeteilt haben, wird belegt erstens durch ein Schriftstück mit der Bezeichnung "Scheme for discussions 'quota system 1982' " ("Diskussionsschema für ein Quotensystem 1982") (gem. Bpkte., Anl. 69), in dem für alle Adressaten der Entscheidung, mit Ausnahme der Klägerin, die Menge, auf die jeder Anspruch zu haben glaubte, und ausserdem für einige (alle ausser Anic, Linz, Petrofina, Shell und Solvay) die Menge angegeben wird, die ihrer Ansicht nach den anderen Herstellern zugeteilt werden sollte; zweitens durch einen Vermerk von ICI mit der Bezeichnung "Polypropylene 1982, Guidelines" ("Polypropylen 1982, Leitlinien") (gem. Bpkte., Anl. 70, a), in dem ICI die laufenden Verhandlungen analysiert; drittens durch eine Tabelle vom 17. Februar 1982 (gem. Bpkte., Anl. 70, b), in der verschiedene Vorschläge zur Aufteilung der Verkäufe verglichen werden, von denen einer mit der Bezeichnung "ICI Original Scheme" ("ursprüngliches Schema ICI") in einer anderen, handgeschriebenen Tabelle von Monte in einer Spalte mit der Überschrift "Milliavacca 27/1/82" (es handelt sich um den Namen eines Angestellten von Monte) geringfügig angepasst worden ist (gem. Bpkte., Anl. 70, c); schließlich durch eine in italienischer Sprache abgefasste Tabelle (gem. Bpkte., Anl. 71), die einen komplexen Vorschlag darstellt (beschrieben in der Entscheidung, Randnr. 58 Absatz 2 am Ende).

220 Die für das erste Halbjahr getroffenen Maßnahmen werden durch den Bericht über die Sitzung vom 13. Mai 1982 (gem. Bpkte., Anl. 24) bewiesen, in dem es u. a. heisst:

"To support the move a number of other actions are needed a) limit sales volume to some agreed prop. of normal sales."

("Zur Unterstützung dieses Schritts ist eine Reihe weiterer Maßnahmen erforderlich a) Begrenzung des Verkaufsvolumens auf einen bestimmten, vereinbarten Teil der üblichen Verkäufe.")

Die Durchführung dieser Maßnahmen wird bewiesen durch den Bericht über die Sitzung vom 9. Juni 1982 (gem. Bpkte., Anl. 25), dem eine Tabelle beigefügt ist, in der für jeden Hersteller die Verkaufszahlen "actual" für die Monate Januar bis April 1982, verglichen mit einer als "theoretical based on 1981 av[erage] market share" ("theoretisch, gestützt auf den durchschnittlichen Marktanteil 1981") bezeichneten Zahl genannt wird, sowie durch den Bericht über die Sitzung vom 20. und 21. Juli 1982 (gem. Bpkte., Anl. 26) für den Zeitraum Januar bis Mai 1982 und durch den Bericht über die Sitzung vom 20. August 1982 (gem. Bpkte., Anl. 28) für den Zeitraum Januar bis Juli 1982.

221 Die für das zweite Halbjahr getroffenen Maßnahmen werden bewiesen durch den Bericht über die Sitzung vom 6. Oktober 1982 (gem. Bpkte., Anl. 31), in dem es zum einen heisst: "In October this would also mean restraining sales to the Jan/June achieved market share of a market estimated at 100 kt" ("Im Oktober würde dies auch eine Begrenzung der Verkäufe auf den Anteil bedeuten, der im Zeitraum Januar/Juni bei einem auf 100 kt geschätzten Markt erzielt wurde.") und zum anderen: "Performance against target in September was reviewed" ("Das Verhältnis zwischen erreichtem Ergebnis und Ziel im September wurde geprüft."). Diesem Bericht ist eine Tabelle mit der Bezeichnung "September provisional sales versus target (based on Jan-June market share applied to demand est[imated] at 120 kt)" ("voraussichtliche Verkäufe im September im Verhältnis zum Ziel [auf der Grundlage des Marktanteils Januar/Juni bei einer geschätzten Nachfrage von 120 kt"]) beigefügt. Die Aufrechterhaltung dieser Maßnahmen wird durch den Bericht über die Sitzung vom 2. Dezember 1982 (gem. Bpkte., Anl. 33) bestätigt, dem eine Tabelle beigefügt ist, in der für den November 1982 die Verkäufe "Actual" mit den Zahlen "Theoretical", berechnet auf der Basis "J-June % of 125 kt" ("J-Juni Prozentsatz von 125 kt"), verglichen werden.

222 Das Gericht stellt fest, daß die Kommission für das Jahr 1981 und für die beiden Halbjahre des Jahres 1982 aus der Tatsache, daß in den regelmässigen Sitzungen eine gegenseitige Überwachung der Durchführung eines Systems zur Begrenzung der monatlichen Verkäufe im Verhältnis zu einem vorausgegangenen Bezugszeitraum stattgefunden hat, zu Recht gefolgert hat, daß dieses System von den Teilnehmern an den Sitzungen angenommen worden war.

223 Für das Jahr 1983 stellt das Gericht fest, daß sich aus den von der Kommission vorgelegten Schriftstücken (gem. Bpkte., Anl. 33, 74 bis 87) ergibt, daß die Polypropylenhersteller Ende 1982 und Anfang 1983 eine Quotenregelung für das Jahr 1983 erörtert haben.

224 Zu der Frage, ob diese Verhandlungen für die ersten beiden Quartale des Jahres 1983 erfolgreich waren, wie in der Entscheidung behauptet wird (Randnrn. 63 Absatz 3 und 64), weist das Gericht darauf hin, daß sich aus dem Bericht über die Sitzung vom 1. Juni 1983 (gem. Bpkte., Anl. 40), an der die Klägerin nicht teilgenommen hat, ergibt, daß zehn Unternehmen in dieser Sitzung ihre Verkaufszahlen für den Monat Mai genannt haben. Ferner heisst es in dem Bericht über eine interne Sitzung der Shell-Gruppe vom 17. März 1983 (gem. Bpkte., Anl. 90):

"... and would lead to a market share of approaching 12 % and well above the agreed Shell target of 11 %. Accordingly the following reduced sales targets were set and agreed by the integrated companies".

("... und würde zu einem Marktanteil führen, der nahe bei 12 % und damit deutlich über dem vereinbarten Shell-Ziel von 11 % läge. Demgemäß wurden die folgenden reduzierten Verkaufsziele von den Unternehmen der Gruppe festgelegt und vereinbart.")

Nach Angabe der neuen Mengen heisst es weiter:

"This would be 11.2 Pct of a market of 395 kt. The situation will be monitored carefully and any change from this agreed plan would need to be discussed beforehand with the other PIMS members."

("Das wären 11,2 % eines Marktes von 395 kt. Die Lage wird aufmerksam beobachtet, und jede Abweichung von diesem vereinbarten Plan muß im voraus mit den anderen PIMS-Mitgliedern erörtert werden.")

225 Hierzu stellt das Gericht fest, daß die Kommission aus diesen beiden, im Zusammenhang miteinander gesehenen Schriftstücken zu Recht gefolgert hat, daß die Verhandlungen zwischen den Herstellern zur Einführung einer Quotenregelung geführt haben. So zeigt der interne Vermerk der Shell-Gruppe, daß dieses Unternehmen seine nationalen Verkaufsgesellschaften aufgefordert hat, ihre Verkäufe zu reduzieren, und zwar nicht, um das Gesamtverkaufsvolumen der Shell-Gruppe zu verringern, sondern um den Gesamtmarktanteil dieser Gruppe auf 11 % zu begrenzen. Eine solche Begrenzung auf einen bestimmten Marktanteil lässt sich nur im Rahmen einer Quotenregelung erklären. Darüber hinaus stellt der Bericht über die Sitzung vom 1. Juni 1983 einen zusätzlichen Anhaltspunkt für das Bestehen einer solchen Regelung dar, denn ein Austausch von Informationen über die monatlichen Verkäufe der einzelnen Hersteller dient in erster Linie der Kontrolle der Einhaltung der eingegangenen Verpflichtungen.

226 Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die Zahl von 11 % als Marktanteil für Shell nicht nur in dem internen Vermerk von Shell, sondern auch in zwei anderen Schriftstücken genannt wird, nämlich zum einen in einem internen Vermerk von ICI, in dem diese darauf hinweist, daß Shell diese Zahl für sich selbst, für Hoechst und für ICI vorschlägt (gem. Bpkte., Anl. 87), und zum anderen in dem von ICI verfassten Bericht über ein Treffen vom 29. November 1982 zwischen ICI und Shell, bei dem an diesen Vorschlag erinnert wurde (gem. Bpkte., Anl. 99).

227 Zudem ist die Kommission in Anbetracht des Umstands, daß mit den verschiedenen Maßnahmen zur Begrenzung der Verkaufsmengen dasselbe Ziel - Verringerung des von dem Überangebot ausgehenen Drucks auf die Preise - verfolgt wurde, zu Recht zu dem Schluß gelangt, daß diese Maßnahmen Teil eines Quotensystems waren.

228 Die Klägerin bestreitet ihre Mitwirkung an diesem System unter Hinweis auf die Randnummern 66 letzter Absatz, 78 Absatz 9 und 109 Absatz 5 der Entscheidung sowie auf die Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen (gem. Bpkte., Anl. 8), wonach die Klägerin "refused even to consider any quota system", "even when Hercules did attend meetings they would not report their figures" und "the sales volume (of Amoco/Hercules/BP) was calculated by deducting from known total sales for West Europe (derived from Fides data) the total sales made by other producers which had declared detail of their sales volume" ("es ablehnte, ein Quotensystem auch nur in Erwägung zu ziehen", "auch dann, wenn Hercules an Sitzungen teilnahm, ihre Zahlen nicht mitteilte" und "die Verkaufsmengen [von Amoco/Hercules/BP] errechnet wurden, indem man vom bekannten Gesamtumsatz in Westeuropa [ermittelt aufgrund der Fides-Daten] den Gesamtumsatz der anderen Hersteller abzog, die ihre Verkaufsmengen im einzelnen angegeben hatten"). Nach Ansicht der Klägerin werde dieser Sachverhalt dadurch bestätigt, daß die Tabelle mit der Bezeichnung "Producers' Sales to West Europe" ("Verkäufe der Hersteller innerhalb Westeuropa") (gem. Bpkte., Anl. 55) Fehler bei den Verkaufszahlen aufweise, daß nach dem Bericht über die Sitzungen vom Januar 1981 (gem. Bpkte., Anl. 17) die dort für die Klägerin genannten Zahlen auf Schätzungen beruhten, daß in den Schriftstücken ihre Zahlen gemeinsam mit denen von Amoco und BP angeführt würden und daß sie stets die angeblichen Quoten überschritten habe.

229 Das Gericht stellt fest, daß die Kommission diesen Sachverhalt nicht bestreitet, ihn aber nicht für ausreichend erachtet, um die Beteiligung der Klägerin an dem Quotensystem zu widerlegen, insbesondere wenn man berücksichtige, daß die Klägerin die Zahl ihrer Nominalkapazität in einer Sitzung vom März 1982 habe berichtigen lassen (ind. Bpkte. Hercules, Anl. 43) und daß in der Tabelle 2 mit der Bezeichnung "1983 Quarter 1 Proposal" ("Vorschlag 1. Quartal 1983") im Anhang des Berichts über die Sitzung vom 2. Dezember (gem. Bpkte., Anl. 33), an der die Klägerin teilgenommen habe, neben den Namen "Am./Herc./BP" der Vermerk stehe: "seems O.K. to Herc. on 20/20/13 split. Subsequently amended to 21/21/11." ("Hercules scheint einverstanden zu sein bei Aufteilung 20/20/13. Später abgeändert in 21/21/11"). Letzteres zeige die aktive Rolle der Klägerin bei den Quotenverhandlungen, zumal es in dem Vermerk vom 3. Dezember 1982 (gem. Bpkte., Anl. 88) über ein Telefongespräch zwischen einem durch seine Initialen ausgewiesenen Angestellten der Klägerin und ICI heisse:

"F. B. phoned to say he has spoken to Geneva and they are willing to play along with 21 kt for 1st quarter, so are Hercules provided BP accepts the balance proposed. As far as the total for the whole year is concerned, Amoco feel that their share is a bit low if their cop. line is included... F. B. also narked by German Dutch attitude to his presence. Quite prepared to stay away unleß he is accepted."

("F. B. erklärte telefonisch, er habe mit Genf gesprochen und sie seien bereit, bei 21 Kilotonnen für das 1. Quartal mitzumachen, ebenso Hercules, wenn BP mit der vorgeschlagenen Aufteilung einverstanden sei. Bei der Gesamtmenge für das ganze Jahr halte Amoco ihren Anteil für etwas zu niedrig, wenn ihr Kopolymerbereich dazu gehöre... F. B. ist verärgert wegen deutscher und niederländischer Reaktion auf seine Anwesenheit. Will in Zukunft wegbleiben, wenn er nicht akzeptiert wird.")

Weiterhin habe man bei der Klägerin einen Marktaufteilungsplan von Monte für 1982 gefunden (gem. Bpkte., Anl. 71), zu dem die Klägerin keine Erklärungen habe geben können.

230 Bezueglich der Zeit vor März 1982 stellt das Gericht fest, daß die Klägerin durch ihre Teilnahme an dem System regelmässiger Sitzungen der Polypropylenhersteller seit 1979 auch an den Verhandlungen beteiligt war, die zur Festsetzung von Verkaufsmengenzielen geführt haben, und sich widerspruchslos eine Quote hat zuteilen lassen, die auf der Grundlage der mit Hilfe des Informationsaustauschsystems Fides erhältlichen Zahlen berechnet worden war.

231 Bezueglich der Zeit nach März 1982 hat die Klägerin bei den Diskussionen über die Quoten eine aktivere Rolle gespielt, auch wenn sie in dem Schriftstück mit der Bezeichnung "Scheme for discussions 'quota system 1982' " (gem. Bpkte., Anl. 69) nicht genannt ist. In ihren Geschäftsräumen wurde nämlich ein Plan von Monte für eine Gesamtaufteilung des Marktes für das Jahr 1982 gefunden (gem. Bpkte., Anl. 71), den Hercules in einer Sitzung vom März 1982 wegen Fehlern bezueglich ihrer Nominalkapazität berichtigen ließ, was nur den Zweck haben konnte, eine günstigere Quote zu erhalten (ind. Bpkte. Hercules, Anl. 43); in den Sitzungen vom 13. Mai und vom 21. September 1982 (gem. Bpkte., Anl. 24 und 30) gab sie ferner Informationen über ihre zukünftige Produktion bekannt, und in der Sitzung vom 2. Dezember 1982 (gem. Bpkte., Anl. 33), an der sie teilnahm, erweckte sie den Eindruck, daß sie mit einer gemeinsamen Quote für sich, BP und Amoco einverstanden sein könnte (der Verfasser des Vermerks schreibt: "seems O.K." ["scheint einverstanden"]); schließlich nahm sie am Tag nach dieser Sitzung Kontakt mit ICI auf, um die Reaktionen von BP und Amoco auf die vorgeschlagene Quote mitzuteilen und ihre eigene Zustimmung zu bestätigen (gem. Bpkte., Anl. 88).

232 Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, daß der Kommission rechtlich der Beweis gelungen ist, daß die Klägerin an einem Quotensystem mitgewirkt hat, weil sie zwar nicht ausdrücklich der ihr von den anderen Herstellern für die Jahre 1979 und 1980 zugeteilten Quote oder der Begrenzung ihrer monatlichen Verkäufe für die Jahre 1981 und 1982 im Verhältnis zu einem vorausgegangenen Bezugszeitraum zugestimmt hat, jedoch Informationen über die von ihren Wettbewerbern für notwendig erachteten Beschränkungen der Verkaufsmengen, deren frühere Umsatzzahlen und die von ihnen angestrebten Verkaufsmengenziele gesammelt hat und durch ihre Anwesenheit in den Sitzungen und den Umstand, daß sie der ihr zugeteilten Quote nicht widersprochen hat, ihren Wettbewerbern den Eindruck vermittelt hat, daß sie diese Informationen und diese Quote bei der Festlegung ihrer zukünftigen Marktpolitik berücksichtigen werde, und damit die Willensübereinstimmungen zwischen den Sitzungsteilnehmern gefördert hat. Die Kommission hat ferner rechtlich hinreichend bewiesen, daß die Klägerin seit März 1982 aktiv an den Quotenverhandlungen teilgenommen hat und zu den Polypropylenherstellern gehörte, zwischen denen es zu Willensübereinstimmungen über die Festlegung von Verkaufsmengenzielen für die erste Hälfte des Jahres 1983 gekommen ist.

2. Die Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag

A - Rechtliche Qualifizierung

a) Angefochtene Handlung

233 Nach Randnummer 81 Absatz 1 der Entscheidung stellt die Gesamtheit der Regelungen und Absprachen, die im Rahmen eines regelmässigen, institutionalisierten Sitzungssystems beschlossen wurden, eine einzige fortdauernde "Vereinbarung" im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 dar.

234 Im vorliegenden Fall hätten die Hersteller dadurch, daß sie sich zu dem gemeinsamen Plan verbunden hätten, die Preise und den Absatz auf dem Polypropylenmarkt zu regeln, an einer umfassenden Rahmenvereinbarung teilgenommen, die in mehreren von Zeit zu Zeit abgesprochenen Einzelvereinbarungen ihren Niederschlag gefunden habe (Entscheidung, Randnr. 81 Absatz 3).

235 Bei der eingehenden Ausarbeitung des Gesamtplans sei es in vielen Bereichen zu einer ausdrücklichen Vereinbarung wie den einzelnen Preisinitiativen und jährlichen Quotensystemen gekommen (Entscheidung, Randnr. 82 Absatz 1). In einigen Fällen hätten die Hersteller möglicherweise keinen Konsens über ein endgültiges Schema - wie über die Quoten für 1981 und 1982 - erzielt. Doch die Verabschiedung von flankierenden Maßnahmen, einschließlich des Informationsaustauschs und der Überwachung der tatsächlichen monatlichen Verkäufe im Verhältnis zum Verkaufsergebnis in einigen vorausgegangenen Referenzperioden, sei nicht nur ein Zeichen für eine ausdrückliche Vereinbarung darüber, derartige Maßnahmen zu konzipieren und durchzuführen, sondern auch ein Zeichen für eine stillschweigende Vereinbarung darüber, die jeweilige Stellung der Hersteller nach Möglichkeit aufrechtzuerhalten.

236 Zu der Initiative vom Dezember 1977 wird in Randnummer 82 Absatz 3 der Entscheidung ausgeführt, daß Hersteller wie Hercules, Hoechst, ICI, Linz, Rhône-Poulenc, Saga und Solvay auf EATP-Sitzungen gegenüber Kunden die Notwendigkeit abgestimmter Preisanhebungsaktionen hervorgehoben hätten. Ausserdem hätten sich die Hersteller ausserhalb der EATP-Sitzungen über Preise abgesprochen. Angesichts dieser von den Herstellern zugegebenen Kontakte vertritt die Kommission die Auffassung, daß hinter dem Vorgehen eines oder mehrerer Hersteller, die sich wegen ungenügender Gewinne beschwert und gemeinsame Aktionen vorgeschlagen hätten, während die anderen hierzu ihre Unterstützung angeboten hätten, eine Preisvereinbarung gestanden habe. Zudem könne auch bei Fehlen weiterer Kontakte ein solches Vorgehen allein einen Hinweis dafür bieten, daß ein ausreichender Konsens für eine Vereinbarung im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 vorgelegen habe.

237 An der Schlußfolgerung, daß eine fortdauernde Vereinbarung vorliege, ändere auch die Tatsache nichts, daß einige Hersteller nicht notwendigerweise an jeder Sitzung teilgenommen hätten. Jede Initiative und die Erarbeitung und Durchführung eines jeden Plans erstreckten sich über mehrere Monate, so daß das gelegentliche Fernbleiben des einen oder anderen Herstellers wenig ausmache (Entscheidung, Randnr. 83 Absatz 1).

238 Das Funktionieren des Kartells auf der Grundlage eines gemeinsamen und ausführlichen Plans stelle eine Vereinbarung im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 dar (Entscheidung, Randnr. 86 Absatz 1).

239 Vereinbarung und aufeinander abgestimmte Verhaltensweise seien unterschiedliche Begriffe, doch gebe es Fälle, in denen Absprachen Elemente beider Formen verbotener Zusammenarbeit enthielten (Entscheidung, Randnr. 86 Absatz 2).

240 Eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise beziehe sich auf eine Form der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, die zwar nicht den Grad einer Vereinbarung im eigentlichen Sinne erreicht habe, aber dennoch bewusst die Risiken des Wettbewerbs ausschalte und durch eine praktische Zusammenarbeit ersetze (Entscheidung, Randnr. 86 Absatz 3).

241 In Randnummer 87 Absatz 1 der Entscheidung heisst es, das durch den Vertrag geschaffene getrennte Konzept der aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen solle verhindern, daß Unternehmen sich der Anwendung des Artikels 85 Absatz 1 entzögen, indem sie in einer wettbewerbswidrigen Weise ohne eine endgültige Vereinbarung absprächen, sich z. B. gegenseitig im voraus über ihr künftiges Verhalten in Kenntnis zu setzen, so daß jeder seine Geschäftspolitik in der Gewißheit regele, daß sich die Wettbewerber entsprechend verhielten (Urteil des Gerichtshofes vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 48/69, a. a. O.).

242 Der Gerichtshof habe im Urteil vom 16. Dezember 1975 in den verbundenen Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73 (a. a. O.) festgestellt, daß die in seiner Rechtsprechung niedergelegten Kriterien der Koordinierung und der Zusammenarbeit, die keineswegs die Ausarbeitung eines eigentlichen Plans voraussetzten, im Sinne des Grundgedankens der Wettbewerbsvorschriften des Vertrages zu verstehen seien, daß jeder Unternehmer selbständig zu bestimmen habe, welche Politik er auf dem Gemeinsamen Markt zu betreiben gedenke. Dieses Selbständigkeitspostulat beseitige nicht das Recht der Unternehmen, sich dem festgestellten oder erwarteten Verhalten ihrer Mitbewerber mit wachem Sinn anzupassen; es stehe jedoch streng jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen Unternehmen entgegen, die bezwecke oder bewirke, entweder das Marktverhalten eines gegenwärtigen oder potentiellen Mitbewerbers zu beeinflussen oder einen solchen Mitbewerber über das Marktverhalten ins Bild zu setzen, das man selbst an den Tag zu legen entschlossen sei oder in Erwägung ziehe (Entscheidung, Randnr. 87 Absatz 2). Ein Verhalten könne also als aufeinander abgestimmte Verhaltensweise unter Artikel 85 Absatz 1 fallen, auch wenn sich die Partner vorher nicht über einen gemeinsamen Plan für ihr Marktverhalten geeinigt hätten, sondern lediglich Absprachen träfen oder sich an Absprachen beteiligten, die die Koordinierung kommerziellen Verhaltens erleichterten (Entscheidung, Randnr. 87 Absatz 3 Satz 1).

243 Ausserdem wird in der Entscheidung (Randnr. 87 Absatz 3 Satz 3) darauf hingewiesen, daß es in einem komplexen Kartell möglich sei, daß einige Hersteller zeitweise einem von den anderen Herstellern vereinbarten besonderen Verhalten nicht uneingeschränkt zustimmten, aber dennoch die betreffende Regelung generell unterstützten und sich entsprechend verhielten. In mancher Hinsicht trügen die fortgesetzte Zusammenarbeit und Absprache der Hersteller bei der Durchführung der Gesamtvereinbarung Zuege einer aufeinander abgestimmten Verhaltensweise (Entscheidung Nr. 87 Absatz 4 Satz 2).

244 Die Bedeutung des Konzepts einer aufeinander abgestimmten Verhaltensweise ergebe sich also nicht so sehr aus der Unterscheidung zwischen dieser Verhaltensweise und einer Vereinbarung als vielmehr aus der Unterscheidung zwischen den Formen der Absprache, die unter Artikel 85 Absatz 1 fielen, und einem rein parallelen Verhalten ohne jedwedes Element der Absprache. Nichts hänge daher im vorliegenden Fall von der genauen Form ab, die die abgesprochenen Vereinbarungen angenommen hätten (Entscheidung, Randnr. 87 Absatz 5).

245 In der Entscheidung (Randnr. 88 Absätze 1 und 2) wird festgestellt, daß die meisten Hersteller, die während des Verwaltungsverfahrens behauptet hätten, daß ihr Verhalten in bezug auf die angeblichen Preisinitiativen nicht das Ergebnis irgendeiner Vereinbarung im Sinne des Artikels 85 gewesen sei (siehe Randnr. 84 der Entscheidung), ausserdem behaupteten, daß dieses Verhalten nicht die Grundlage sein könne, um eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise festzustellen, weil dieses Konzept irgendeinen offenen Akt am Markt voraussetze, der im vorliegenden Fall völlig fehle; Preislisten oder Zielpreise seien den Kunden nie mitgeteilt worden. In der Entscheidung wird dieses Vorbringen mit der Begründung zurückgewiesen, daß, wäre es im vorliegenden Fall notwendig, eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise zu beweisen, dieses Erfordernis für einige Schritte der Teilnehmer zur Verwirklichung ihrer gemeinsamen Zielsetzung tatsächlich gegeben sei. Die verschiedenen Preisinitiativen seien Gegenstand von Aufzeichnungen. Ausserdem sei unbestreitbar, daß die einzelnen Hersteller gleichzeitige Aktionen unternommen hätten, um die Preisinitiativen durchzuführen. Die von den Herstellern sowohl einzeln als auch gemeinsam getroffenen Maßnahmen ergäben sich aus Dokumenten: Sitzungsberichten, internen Vermerken, Anweisungen und Rundschreiben an Verkaufsabteilungen und Schreiben an Kunden. Dabei sei irrelevant, ob sie Preislisten veröffentlicht hätten. Die Preisinstruktionen als solche seien nicht nur das beste verfügbare Beweismittel für die von jedem Hersteller durchgeführte Aktion zur Verwirklichung des gemeinsamen Ziels, sondern erhärteten aufgrund ihres Inhalts und ihrer zeitlichen Abfolge den Beweis der Absprache.

b) Vorbringen der Parteien

246 Die Klägerin trägt vor, sie sei weder an einer Vereinbarung noch an einer abgestimmten Verhaltensweise beteiligt gewesen, und bemüht sich um den Nachweis, daß die Tatbestandsmerkmale der Vereinbarung und der abgestimmten Verhaltensweise in ihrem Fall nicht erfuellt seien.

247 Sie sei an keiner Vereinbarung beteiligt gewesen. Eine 247.1, die im Rahmen einer Vereinbarung Verpflichtungen eingehen wolle, müsse die Absicht haben, sich zu binden, ihre Zustimmung zu einer Bindung erklären und dazu befugt sein; schließlich müsse eine Willensübereinstimmung bestehen.

248 Sie habe auch an keiner abgestimmten Verhaltensweise mitgewirkt. Obwohl Angestellte des Unternehmens Kontakte zu Wettbewerbern gehabt hätten, hätten diese Kontakte weder das Marktverhalten eines Mitbewerbers beeinflusst noch die von der Klägerin beschlossene Vorgehensweise offengelegt noch einen solchen Zweck verfolgt. Ihr Verhalten habe nicht die Kriterien einer abgestimmten Verhaltensweise erfuellt, nämlich die einer "Praxis", einer Koordinierung und einer Zusammenarbeit (Urteil des Gerichtshofes vom 16. Dezember 1975 in den verbundenen Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, a. a. O., Randnrn. 173 und 174), da ein Parallelverhalten allein nicht als abgestimmte Verhaltensweise bewertet werden könne (Urteil des Gerichtshofes vom 14. Juli 1972 in der Rechtsache 48/69, a. a. O., Randnr. 66).

249 Schließlich müssten die Begriffe "Kooperation" und "Zusammenarbeit", um überhaupt einen Sinn zu haben, ein bestimmtes Maß an gegenseitigen Erwartungen bezueglich des Ergebnisses beinhalten, selbst wenn es trotz dieser Erwartungen nicht zu einer "Vereinbarung" komme (Urteil des Gerichtshofes vom 14. Juli 1972 in der Rechtsache 48/69, a. a. O., Randnr. 118). Im vorliegenden Fall stehe eindeutig fest, daß die anderen Hersteller angesichts des Verhaltens des Angestellten der Klägerin bei den Sitzungen und dem Marktverhalten von Hercules solche Erwartungen niemals gehegt und vernünftigerweise auch nicht hätten hegen können. Ebenso habe das Marktverhalten anderer Hersteller in keiner Weise erwarten lassen, daß die bei den Diskussionen festgesetzten Zielpreise tatsächlich hätten erreicht werden können. Herr B. habe u. a. aufgrund dieses von ihm beobachteten Phänomens jede Hoffnung aufgegeben, daß die anderen Hersteller ihr Verhalten mit dem von Hercules koordinieren würden.

250 Die Kommission verweist auf ihre bisherigen Ausführungen zur Teilnahme des Angestellten der Klägerin an den Sitzungen. Was jedoch die Beteiligung von Hercules an einer abgestimmten Verhaltensweise angehe, so könne die Klägerin noch so sehr betonen, daß sie den anderen Herstellern eine bestimmte Art von Informationen nicht oder selten mitgeteilt oder ihre Wettbewerber niemals ausdrücklich zu einem bestimmten Marktverhalten zu überreden versucht habe; solange die Beweise zeigten, daß sie an den Sitzungen und Kontakten, bei denen über Preise und Quoten gesprochen worden sei, beteiligt gewesen sei - was ihr Interesse an solchen Gesprächen und ihren Beitrag dazu beweise -, könne sie sich ihrer Verantwortung nicht entziehen.

251 Eine abgestimmte Verhaltensweise sei gegeben, wenn die Unabhängigkeit der Unternehmen voneinander durch eine Abstimmung eingeschränkt werden solle, selbst wenn sich auf dem Markt kein tatsächliches Verhalten feststellen lasse. Der Streit drehe sich in Wirklichkeit um den Begriff "Verhalten". Die Kommission widerspricht der Ansicht der Klägerin, daß dieser Begriff in dem engen Sinne von "Verhalten am Markt" zu verstehen sei. Der Begriff könne die blosse Beteiligung an Kontakten erfassen, sofern mit diesen eine Beschränkung der Selbständigkeit der Unternehmen bezweckt werde.

252 Verlangte man für eine abgestimmte Verhaltensweise beides, Abstimmung und Marktverhalten, so fiele ein ganzes Spektrum von Verhaltensweisen aus dem Anwendungsbereich des Artikels 85 heraus, die eine Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckten, aber nicht unbedingt bewirkten. Insoweit würde Artikel 85 unanwendbar. Ausserdem stehe diese Auffassung nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofes zum Begriff der abgestimmten Verhaltensweise (Urteil vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 48/69, a. a. O., Randnr. 66; Urteil vom 16. Dezember 1975 in den verbundenen Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, a. a. O., Randnr. 26; Urteil vom 14. Juli 1981 in der Rechtssache 172/80, Zuechner, Slg. 1981, 2021, Randnr. 14). Wenn in dieser Rechtsprechung immer von Verhaltensweisen am Markt die Rede sei, so handele es sich dabei nicht um ein Tatbestandsmerkmal der Zuwiderhandlung, wie die Klägerin meine, sondern um einen tatsächlichen Umstand, der den Schluß auf eine Abstimmung zulasse. Nach dieser Rechtsprechung sei ein tatsächliches Verhalten am Markt nicht erforderlich. Erforderlich sei nur die Fühlungnahme zwischen Wirtschaftsteilnehmern als wesentliches Merkmal für ihren Verzicht auf die notwendige Selbständigkeit.

253 Somit sei es für einen Verstoß gegen Artikel 85 nicht erforderlich, daß die Unternehmen in der Praxis auch durchgeführt hätten, worüber sie sich abgestimmt hätten. Der Tatbestand des Artikels 85 Absatz 1 sei in vollem Umfang erfuellt, wenn die Absicht, den mit Risiken verbundenen Wettbewerb durch eine Zusammenarbeit zu ersetzen, in einer Abstimmung zutage trete, auch wenn sich anschließend nicht unbedingt Verhaltensweisen am Markt feststellen ließen.

c) Würdigung durch das Gericht

254 Es ist festzustellen, daß die Kommission jeden der Klägerin zur Last gelegten tatsächlichen Einzelakt entweder unter den Begriff der Vereinbarung oder den der abgestimmten Verhaltensweise im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag subsumiert hat. Wie sich nämlich aus Randnummer 80 Absatz 2 in Verbindung mit den Randnummern 81 Absatz 3 und 82 Absatz 1 der Entscheidung ergibt, hat die Kommission jeden dieser verschiedenen Einzelakte in erster Linie als "Vereinbarung" gewertet.

255 Ebenso ergibt sich aus Randnummer 86 Absätze 2 und 3 in Verbindung mit Randnummer 87 Absätze 3 und 4 und Randnummer 88 der Entscheidung, daß die Kommission die Einzelakte der Zuwiderhandlung hilfsweise unter den Begriff der "abgestimmten Verhaltensweise" subsumiert hat, wenn sie entweder nicht den Schluß zuließen, daß sich die Partner vorher über einen gemeinsamen Plan für ihr Marktverhalten geeinigt hatten, sondern nur, daß sie Absprachen getroffen oder sich an Absprachen beteiligt hatten, die die Koordinierung ihrer Geschäftspolitik erleichterten, oder wenn sie wegen des komplexen Charakters des Kartells nicht die Feststellung erlaubten, daß einige Hersteller einem von den anderen Herstellern vereinbarten Verhalten uneingeschränkt zugestimmt hatten, sondern nur, daß diese die betreffende Regelung generell unterstützten und sich entsprechend verhielten. Daraus wird in der Entscheidung der Schluß gezogen, daß die fortgesetzte Zusammenarbeit und Kollusion der Hersteller bei der Durchführung der Gesamtvereinbarung in mancher Hinsicht Zuege einer aufeinander abgestimmten Vehaltensweise trügen.

256 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes liegt eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag schon dann vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten (siehe Urteil vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 41/69, ACF Chemiefarma/Kommission, Slg. 1970, 661, Randnr. 112, und Urteil vom 29. Oktober 1980 in den verbundenen Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, Heintz van Landewyck/Kommission, Slg. 1980, 3125, Randnr. 86). Das Gericht stellt deshalb fest, daß die Kommission die Willensübereinstimmungen zwischen der Klägerin und anderen Polypropylenherstellern, für die sie den Beweis erbracht hat und die auf Preisinitiativen, auf Maßnahmen zur Förderung der Durchführung der Preisinitiativen und auf Verkaufsmengenziele für das erste Halbjahr 1983 gerichtet waren, zu Recht als Vereinbarungen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag angesehen hat.

257 Da der Kommission rechtlich der Beweis gelungen ist, daß die Wirkungen der Preisinitiativen bis November 1983 angehalten haben, ist sie auch zu Recht davon ausgegangen, daß die Zuwiderhandlung mindestens bis November 1983 angedauert hat. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist Artikel 85 nämlich auch auf ausser Kraft getretene Kartelle anwendbar, deren Wirkungen über das formelle Ausserkrafttreten hinaus fortbestehen (Urteil vom 3. Juli 1985 in der Rechtssache 243/83, Binon, Slg. 1985, 2015, Randnr. 17).

258 Der Begriff der abgestimmten Verhaltensweise ist anhand der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu bestimmen. Hiernach sind die von ihr zuvor aufgestellten Kriterien der Koordinierung und der Zusammenarbeit im Sinne des Grundgedankens der Wettbewerbsvorschriften des Vertrages zu verstehen, wonach jeder Unternehmer selbständig zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Gemeinsamen Markt zu betreiben gedenkt. Dieses Selbständigkeitspostulat beseitigt zwar nicht das Recht der Unternehmen, sich dem festgestellten oder erwarteten Verhalten ihrer Konkurrenten mit wachem Sinn anzupassen; es steht jedoch streng jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen Unternehmen entgegen, die bezweckt oder bewirkt, entweder das Marktverhalten eines gegenwärtigen oder potentiellen Konkurrenten zu beeinflussen oder einen solchen Konkurrenten über das Marktverhalten ins Bild zu setzen, das man selbst an den Tag zu legen entschlossen ist oder in Erwägung zieht (Urteil vom 16. Dezember 1975 in den verbundenen Rechtssachen 40/78 bis 48/78, 50/78, 54/78 bis 56/78, 111/78, 113/78 und 114/73, a. a. O., Randnrn. 173 und 174).

259 Im vorliegenden Fall hat die Klägerin an Sitzungen teilgenommen, deren Zweck es war, Preis- und Verkaufsmengenziele festzulegen; in diesen Sitzungen tauschten die Wettbewerber Informationen über die Preise aus, die nach ihren Wünschen auf dem Markt praktiziert werden sollten, über die Preise, die sie zu praktizieren beabsichtigten, über ihre Rentabilitätsschwelle, über die von ihnen für notwendig gehaltenen Beschränkungen der Verkaufsmengen, über ihre Verkaufszahlen oder über die Identität ihrer Kunden. Durch ihre Teilnahme an diesen Sitzungen hat sich die Klägerin mit ihren Wettbewerbern an einer Abstimmung beteiligt, deren Zweck es war, deren Marktverhalten zu beeinflussen und offenzulegen, welches Marktverhalten die einzelnen Hersteller selbst in Erwägung zogen.

260 Damit hat die Klägerin nicht nur das Ziel verfolgt, im voraus die Ungewißheit über das künftige Verhalten ihrer Wettbewerber zu beseitigen, sondern sie musste bei der Festlegung der Politik, die sie auf dem Markt verfolgen wollte, zwangsläufig auch unmittelbar oder mittelbar die in diesen Sitzungen erhaltenen Informationen berücksichtigen. Auch ihre Wettbewerber mussten bei der Festlegung der Marktpolitik, die sie verfolgen wollten, zwangsläufig unmittelbar oder mittelbar die Informationen berücksichtigen, die ihnen die Klägerin über das Marktverhalten gegeben hatte, das sie selbst für sich beschlossen hatte oder in Erwägung zog.

261 Folglich hat die Kommission die regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller, an denen die Klägerin seit Anfang 1979 bis August 1983 teilgenommen hat, wegen ihres Zwecks sowie die Beteiligung der Klägerin an der Festlegung von Verkaufsmengenzielen für die Jahre 1979 bis 1982 zu Recht hilfsweise als abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag angesehen.

262 Zu der Frage, ob die Kommission zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, daß eine einzige, in Artikel 1 der Entscheidung als "eine Vereinbarung und aufeinander abgestimmte Verhaltensweise" bezeichnete Zuwiderhandlung vorliegt, weist das Gericht darauf hin, daß die verschiedenen abgestimmten Verhaltensweisen und Vereinbarungen, die von den Beteiligten eingehalten und abgeschlossen wurden, wegen ihres übereinstimmenden Zwecks Teil von Systemen regelmässiger Sitzungen zur Festsetzung von Preis- und Quotenzielen waren.

263 Diese Systeme waren wiederum Teil einer Reihe von Bemühungen der betroffenen Unternehmen, mit denen ein einziges wirtschaftliches Ziel verfolgt wurde, nämlich die normale Entwicklung der Preise auf dem Polypropylenmarkt zu verfälschen. Es wäre daher gekünstelt, dieses durch ein einziges Ziel gekennzeichnete kontinuierliche Verhalten zu zerlegen und aus ihm mehrere selbständige Zuwiderhandlungen zu konstruieren. Tatsächlich hat sich die Klägerin - jahrelang - an einem Komplex integrierter Systeme beteiligt, die eine einheitliche Zuwiderhandlung darstellen. Diese einheitliche Zuwiderhandlung hat sich nach und nach sowohl durch rechtswidrige Vereinbarungen als auch durch rechtswidrige abgestimmte Verhaltensweisen entwickelt.

264 Die Kommission hat diese einheitliche Zuwiderhandlung auch zu Recht als "eine Vereinbarung und aufeinander abgestimmte Verhaltensweise" qualifiziert, da diese Zuwiderhandlung sowohl Einzelakte aufwies, die als "Vereinbarungen" anzusehen sind, als auch Einzelakte, die "abgestimmte Verhaltensweisen" dargestellt haben. Angesichts einer komplexen Zuwiderhandlung ist die von der Kommission in Artikel 1 der Entscheidung vorgenommene doppelte Subsumtion nicht so zu verstehen, daß für jeden Einzelakt gleichzeitig und kumulativ der Nachweis erforderlich ist, daß er sowohl die Tatbestandsmerkmale einer Vereinbarung als auch die einer abgestimmten Verhaltensweise erfuellt. Sie bezieht sich vielmehr auf einen Komplex von Einzelakten, von denen einige als Vereinbarungen und andere als abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag anzusehen sind, der ja für diesen Typ einer komplexen Zuwiderhandlung keine spezifische Subsumtion vorschreibt.

265 Die von der Klägerin erhobene Rüge ist daher zurückzuweisen.

B - Wettbewerbsbeschränkende Wirkung

a) Angefochtene Handlung

266 In Randnummer 90 Absätze 1 und 2 der Entscheidung heisst es, daß es für die Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 nicht unbedingt notwendig sei, die wettbewerbsbeschränkende Wirkung der Vereinbarung nachzuweisen, da die Vereinbarung eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt habe. Im vorliegenden Fall zeige aber das Beweismaterial, daß sich die Vereinbarung auf die Wettbewerbsbedingungen tatsächlich spürbar ausgewirkt habe.

b) Vorbringen der Parteien

267 Die Klägerin macht geltend, die ihr zuzurechnenden Handlungen hätten allein den Wettbewerb nicht beeinträchtigen können. Die Kommission habe sich nämlich mit der Vermutung begnügt, der Wettbewerb sei erheblich verfälscht worden, ohne dabei die Beweise zu berücksichtigen, denen zufolge die angeblichen Preisinitiativen niemals auf dem Markt durchgesetzt worden und somit geringe oder keine Auswirkungen für die Abnehmer gehabt hätten. Selbst wenn man unterstelle, daß es parallele Preisinstruktionen gegeben habe, sei somit die Voraussetzung einer Auswirkung auf den Wettbewerb nicht erfuellt, da es keine ursächliche Verknüpfung zwischen den Sitzungen und den parallelen Preisinstruktionen auf der einen und einer Änderung der angewandten Preise auf der anderen Seite gebe (Urteile des Gerichtshofes vom 30. Juni 1966 in der Rechtssache 56/65, Maschinenbau Ulm, Slg. 1966, 282, und vom 13. Juli 1966 in den verbundenen Rechtsachen 56/64 und 58/64, a. a. O.).

268 Die Kommission erwidert, die Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung habe den Wettbewerb und insbesondere die Preise tatsächlich beeinträchtigt. Im übrigen müssten nicht die Tätigkeiten der Klägerin einen merklichen Einfluß auf den Wettbewerb gehabt haben, sondern die des Kartells insgesamt, zu denen die Klägerin einen nicht unerheblichen Beitrag geleistet habe.

c) Würdigung durch das Gericht

269 Das Gericht stellt fest, daß die Argumentation der Klägerin dahin geht, daß ihre Beteiligung an den regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller nicht unter Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag falle, da ihr wettbewerbsorientiertes Verhalten auf dem Markt zeige, daß diese Teilnahme eine Wettbewerbswidrigkeit weder bezweckt noch bewirkt habe.

270 Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verbietet als unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken, insbesondere die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise und sonstiger Geschäftsbedingungen und die Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen.

271 Das Gericht weist darauf hin, daß die Würdigung der von der Kommission vorgenommenen tatsächlichen Feststellungen ergeben hat, daß die regelmässigen Sitzungen, an denen die Klägerin mit Wettbewerbern teilgenommen hat, die Beschränkung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes namentlich durch die Festlegung von Preis- und Verkaufsmengenzielen bezweckten und daß ihre Teilnahme an diesen Sitzungen folglich eines wettbewerbswidrigen Zwecks im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag nicht entbehrte.

272 Im übrigen ist jedenfalls die Argumentation der Klägerin, der zufolge ihre Tätigkeiten den Markt nicht beeinflussen konnten, zurückzuweisen, da nicht entscheidend ist, ob der individuelle Tatbeitrag der Klägerin geignet war, den Markt zu beeinflussen, sondern ob die Zuwiderhandlung, an der sie beteiligt war, den Markt beeinflussen konnte. Hierzu ist darauf hinzuweisen, daß die Unternehmen, die an der in der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung beteiligt waren, praktisch den gesamten in Rede stehenden Markt innehaben, woraus sich eindeutig ergibt, daß die von ihnen gemeinsam begangene Zuwiderhandlung den Markt beeinflusst haben muß.

273 Die Rüge ist daher zurückzuweisen.

C - Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten

a) Angefochtene Handlung

274 In Randnummer 93 Absatz 1 der Entscheidung heisst es, daß die Vereinbarung zwischen den Herstellern geeignet gewesen sei, den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen.

275 Im vorliegenden Fall habe die Vereinbarung, die sich tatsächlich auf den gesamten Handel der Gemeinschaft (und anderer westeuropäischer Länder) mit einem wichtigen Industrieprodukt erstreckt habe, angesichts ihrer allumfassenden Natur zwangsläufig dazu führen müssen, daß sich die Handelsströme anders entwickelt hätten als ohne die Vereinbarung (Entscheidung, Randnr. 93 Absatz 3). Die vereinbarte Festsetzung von Preisen auf einem künstlichen Niveau statt Preisbildung am Markt habe die Wettbewerbsstruktur in der gesamten Gemeinschaft beeinträchtigt. Die Unternehmen hätten sich so der unmittelbaren Notwendigkeit entzogen, auf die Marktkräfte zu reagieren und sich mit dem Problem der Überkapazität, auf das sie sich beriefen, auseinanderzusetzen (Entscheidung, Randnr. 93 Absatz 4).

276 In Randnummer 94 der Entscheidung heisst es, daß durch die Festsetzung von Zielpreisen für jeden Mitgliedstaat mit Sicherheit sowohl die Handelsbedingungen als auch die Wirkungen der zwischen den Herstellern bestehenden Leistungsunterschiede auf die Preise verzerrt worden seien, auch wenn dabei den herrschenden lokalen Bedingungen, die im einzelnen in nationalen Sitzungen erörtert worden seien, habe Rechnung getragen werden müssen. Das System der Kundenführerschaft, bei der die Kunden bestimmten Herstellern zugewiesen worden seien, habe die negative Wirkung der Preisvereinbarungen noch erhöht. Obwohl die Hersteller Quoten und Mengenziele nicht nach Mitgliedstaaten oder Regionen festgelegt hätten, seien Quoten beziehungsweise Mengenziele als solche darauf angelegt, die Handlungsspielräume eines Herstellers einzuschränken.

b) Vorbringen der Parteien

277 Die Klägerin macht geltend, die ihr zuzurechnenden Handlungen hätten allein den Handel zwischen Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigen können (Urteile des Gerichtshofes in der Rechtsache 48/69, a. a. O., Randnr. 64, und vom 16. Dezember 1975 in den verbundenen Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, a. a. O., Randnrn. 172 und 173).

278 Die Kommission verweist hierzu auf ihre Ausführungen in der Entscheidung (Randnrn. 93 und 94).

c) Würdigung durch das Gericht

279 Es ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission entgegen der Ansicht der Klägerin nicht verpflichtet war, darzutun, daß sich die Beteiligung der Klägerin an einer Vereinbarung und einer abgestimmten Verhaltensweise spürbar auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten ausgewirkt hat. Nach Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag müssen nämlich die Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen lediglich geeignet sein, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Insoweit ist festzustellen, daß die beobachteten Wettbewerbsbeschränkungen geeignet waren, die Handelsströme aus der Richtung abzulenken, die sie andernfalls genommen hätten (Urteil des Gerichtshofes vom 29. Oktober 1980 in den verbundenen Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, a. a. O., Randnr. 172).

280 Folglich ist der Kommission in den Randnummern 93 und 94 der Entscheidung rechtlich der Beweis gelungen, daß die Zuwiderhandlung, an der die Klägerin beteiligt war, geeignet war, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, ohne daß sie darzutun brauchte, daß der individuelle Tatbeitrag der Klägerin diesen Handel beeinträchtigt hat.

281 Die Rüge der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

D - Kollektive Verantwortlichkeit

a) Angefochtene Handlung

282 In Randnummer 83 Absatz 1 der Entscheidung heisst es, die Tatsache, daß einige Hersteller nicht notwendigerweise an jeder Sitzung teilgenommen hätten, ändere nichts an der Schlußfolgerung, daß eine fortdauernde Vereinbarung vorliege. Jede Initiative und die Erarbeitung und Durchführung eines jeden Plans hätten sich über mehrere Monate erstreckt, so daß das gelegentliche Fernbleiben des einen oder anderen Herstellers wenig ausmache. In jedem Fall sei es allgemein üblich gewesen, daß die Abwesenden über die in den Sitzungen gefassten Beschlüsse unterrichtet worden seien. Alle Unternehmen, an die diese Entscheidung gerichtet sei, hätten sich an der Ausarbeitung von Gesamtplänen und an den ausführlichen Erörterungen beteiligt, und der Umfang ihrer Verantwortung werde nicht dadurch geschmälert, daß sie bei einer einzelnen Tagung nicht (oder - im Falle von Shell - nicht bei allen Vollsitzungen) anwesend gewesen seien.

283 Das Wesentliche des vorliegenden Falls sei das lange Zeit andauernde Zusammenwirken der Hersteller in Richtung auf ein gemeinsames Ziel, und jeder Teilnehmer sei verantwortlich, nicht nur für seine eigene unmittelbare Rolle, sondern auch für das Funktionieren der Vereinbarung insgesamt. Der Umfang der Beteiligung jedes Herstellers sei dadurch nicht auf den Zeitraum begrenzt, für den zufällig Preisinstruktionen von ihm vorgelegen hätten, sondern auf die gesamte Zeit, während deren er an dem gemeinsamen Unterfangen beteiligt gewesen sei (Entscheidung, Randnr. 83 Absatz 2).

284 Diese Erwägung gelte auch für Anic und für Rhône-Poulenc, die den Polypropylensektor verlassen hätten, bevor die Kommission ihre Untersuchungen aufgenommen habe. Bei diesen beiden Unternehmen hätten überhaupt keine Preisinstruktionen an die Verkaufsabteilungen gefunden werden können. Ihre Teilnahme an Sitzungen und ihre Beteiligung am Mengenziel und an den Quotenregelungen lasse sich jedoch aus den schriftlichen Unterlagen nachweisen. Die Vereinbarung müsse als Ganzes gesehen werden, und ihre Beteiligung sei nachgewiesen, auch wenn keine Preisinstruktionen von ihnen gefunden worden seien (Entscheidung, Randnr. 83 Absatz 3).

b) Vorbringen der Parteien

285 Nach Ansicht der Klägerin sind die Schlußfolgerungen, die die Kommission aus den vorhandenen Beweisen ziehe, weitgehend unzutreffend. Die Kommission könne nämlich nicht eine "Schuld aufgrund eines Zusammenschlusses" annehmen und müsse deshalb die Beteiligung der Klägerin an jeder der in Artikel 1 der Entscheidung genannten Zuwiderhandlungen nachweisen, wie der Gerichtshof in seinem Urteil ACNA festgestellt habe, in dem er die besondere Rolle dieses Unternehmens innerhalb des Kartells anerkannt und deshalb die gegen es verhängte Geldbusse herabgesetzt habe (Urteil vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 57/69, ACNA/Kommission, Slg. 1972, 933, Randnr. 75). Im übrigen könne die Kommission nicht einen neuen Tatbestand der Zuwiderhandlung nach Artikel 85 Absatz 1 schaffen, der in der blossen Kenntnis von Zuwiderhandlungen anderer bestehe. Sie müsse deshalb einen "konkreten" Tatbeitrag der Klägerin und nicht nur eine bloß "stillschweigende Duldung" der von anderen begangenen Zuwiderhandlungen nachweisen.

286 Die Kommission erwidert, die Entscheidung werfe nicht jedem Unternehmen die Beteiligung an jeder der in Artikel 1 genannten Zuwiderhandlungen vor. Nach der Entscheidung habe jedes Unternehmen, wie eine zutreffende Auslegung des Artikels 1 der Entscheidung in Verbindung mit den Randnummern 81 Absatz 3 und 83 ihrer Begründung ergebe, gegen Artikel 85 Absatz 1 verstossen, indem es an einer fortdauernden Vereinbarung und an einer abgestimmten Verhaltensweise teilgenommen habe, aufgrund deren die Hersteller im allgemeinen die in Artikel 1 beschriebenen Handlungen begangen hätten. Das Polypropylenkartell müsse nämlich als ein globaler "Rahmenvertrag" angesehen werden, der sich ergänzende Aspekte aufweise. Ein Unternehmen könne also nicht die Vereinbarungen in ihre verschiedenen Bestandteile zerlegen, um dann seine Beteiligung an einzelnen dieser Handlungen zu leugnen.

287 Zahlreiche Beweise zeigten, daß die verschiedenen Handlungen im Rahmen des Polypropylenkartells nur die Facetten ein und derselben Realität seien, die durch ein Geflecht von systematischen, regelmässigen und häufigen Sitzungen auf verschiedenen Ebenen miteinander verbunden seien. Da die Klägerin an der Rahmenvereinbarung beteiligt gewesen sei, könne sie sich ihrer Verantwortlichkeit nicht entziehen; vergebens versuche sie daher nachzuweisen, daß sie an diesem oder jenem Teil der Zuwiderhandlung in geringerem Umfang als andere Hersteller beteiligt gewesen sei. Jeder Teilnehmer sei also nicht nur für seine unmittelbare Rolle verantwortlich, sondern auch für das Funktionieren der Vereinbarung insgesamt. Der Hinweis der Klägerin auf die sogenannte Farbstoff-Rechtssache sei verfehlt, da es ein Unterschied sei, ob man sich wie im Fall von ACNA an bestimmten Initiativen überhaupt nicht beteilige oder ob man, wie die Klägerin, nur an bestimmten Teilen solcher Initiativen aktiv mitwirke.

288 Schließlich meine die Klägerin zu Unrecht, daß ihr in der Hauptsache vorgeworfen werde, von den Zuwiderhandlungen der anderen Kenntnis gehabt oder eine Haltung "stillschweigender Duldung" an den Tag gelegt zu haben. Hercules räume nämlich ein, daß einer ihrer Angestellten an den Sitzungen teilgenommen habe, in denen die Preise und Quoten diskutiert worden seien. Sie räume ausserdem ein, von ihren "Wettbewerbern" wichtige Informationen über diese erhalten zu haben, behaupte aber gleichzeitig, selbst wenige oder gar keine Informationen geliefert zu haben. Sie habe Preisinstruktionen erteilt, die mit dem Ergebnis der Sitzungen in Einklang gestanden hätten. Schließlich könne keines der Argumente, anhand deren sie aufzuzeigen versucht habe, daß sie weniger zu dem Quotensystem beigetragen habe als andere, ihren Teil der Verantwortung innerhalb des Gesamtplans nicht aus der Welt schaffen, da das Quotensystem nur eine Hilfsmaßnahme zur Stützung der Preisaktion gewesen sei.

c) Würdigung durch das Gericht

289 Das Gericht stellt fest, daß sich aus seiner Würdigung der tatsächlichen Feststellungen, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung getroffen hat, und der dort vorgenommenen Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag ergibt, daß der Kommission rechtlich der Beweis gelungen ist, daß die Klägerin sämtliche Tatbestandsmerkmale der ihr in der Entscheidung zur Last gelegten Zuwiderhandlung erfuellt hat, und daß die Kommission die Klägerin somit nicht für das Verhalten anderer Hersteller verantwortlich gemacht hat.

290 Randnummer 83 Absätze 2 und 3 der Entscheidung steht dieser Feststellung nicht entgegen, da dort in erster Linie die Feststellung der Zuwiderhandlung gegenüber Unternehmen gerechtfertigt werden soll, für die die Kommission keine Preisinstruktionen für die gesamte Dauer ihrer Beteiligung am System der regelmässigen Sitzungen gefunden hat.

291 Die Rüge ist daher zurückzuweisen.

3. Ergebnis

292 Aus alledem ergibt sich, daß sämtliche Rügen der Klägerin gegen die von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Feststellungen und gegen die dort vorgenommene Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag zurückzuweisen sind.

Der Grundsatz der Gleichbehandlung

293 Für die Klägerin ist die gelegentliche Teilnahme eines ihrer Angestellten an den Sitzungen kein hinreichender Beweis für die Feststellung, daß sie gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstossen habe, da Amoco und BP, die doch auch Kontakte mit anderen Herstellern gehabt hätten, einer Zuwiderhandlung nicht für schuldig befunden worden seien. Die eindeutig feststehende Weigerung dieser drei Unternehmen, die Marktaufteilungspläne zu unterstützen, hätte die Kommission zu dem Schluß führen müssen, daß keines der drei Preisvereinbarungen zugestimmt oder an ihnen mitgewirkt habe.

294 Die Kommission verweist darauf, daß Randnummer 78 der Entscheidung klar als Grund dafür, daß die Entscheidung nicht auch an Amoco und BP gerichtet worden sei, den Umstand anführe, daß "die Beweise... insgesamt gesehen nicht aus(reichen), um die beiden Unternehmen einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 zu überführen." Daß es keinerlei Beweis dafür gegeben habe, daß diese Unternehmen je an Sitzungen teilgenommen hätten, habe natürlich eine Rolle gespielt, weil es den Nachweis ihrer Beteiligung an dem Kartell erschwert habe. Der Klägerin werde aber nicht allein vorgeworfen, an Sitzungen teilgenommen oder über Sitzungen, an denen sie nicht teilgenommen habe, Informationen gesammelt zu haben, sondern ihr Verhalten insgesamt, wie es klar in den zahlreichen Beweisen für ihre Beteiligung an dem Kartell zum Ausdruck komme (insbesondere durch Erteilung von Preisinstruktionen zur Durchsetzung der bei den Sitzungen festgelegten Preisziele). Es sei also zwecklos, wenn daher die Klägerin sich, um ihre Verantwortlichkeit herunterzuspielen, auf die Male berufe, die ihr Angesteller an den Sitzungen nicht teilgenommen habe, insbesondere, da die Kommission dies auch gar nicht behauptet habe.

295 Das Gericht stellt fest, daß eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes voraussetzt, daß vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich behandelt worden sind. Im vorliegenden Fall war die Situation der Klägerin mit der von Amoco und BP nicht vergleichbar, da die Klägerin im Gegensatz zu diesen beiden Unternehmen an dem System der regelmässigen Sitzungen beteiligt war, in dessen Rahmen Preise und Verkaufsmengen festgesetzt und zahlreiche Informationen unter Wettbewerbern über ihr künftiges Verhalten ausgetauscht wurden. Folglich kann der Grundsatz der Gleichbehandlung nicht verletzt worden sein.

Zur Begründung

1. Unzureichende Begründung

296 Nach Auffassung der Klägerin ist jede Entscheidung, die unter Verstoß gegen die Begründungspflicht nach Artikel 190 EWG-Vertrag ergangen sei, aufzuheben. Die streitige Entscheidung sei nicht hinreichend begründet, weil die Kommission ihre Nachprüfungen nicht gründlicher durchgeführt und ihre Schlußfolgerungen auf unzulängliche Beweise gestützt habe. Die Unzulänglichkeit der Begründung beruhe namentlich darauf, daß erhebliche Tatsachen nicht ermittelt, daß etwaige Auswirkungen des angeblichen Verhaltens der Hersteller auf den Markt nicht untersucht worden seien und daß die Kommission es abgelehnt habe, Informationen von grösster Bedeutung zu berücksichtigen, und in unfairer und widersprüchlicher Weise nur die Beweise ausgewählt habe, die ihren Standpunkt zu untermauern schienen.

297 Die Kommission verweist darauf, daß dieses Vorbringen in der Klageschrift der Klägerin nicht begründet werde. Die wenigen Beispiele, auf die die Klägerin sich stütze, um die Unvollständigkeit der Ermittlungen der Kommission darzutun, seien nicht stichhaltig.

298 Das Gericht stellt fest, daß sich aus seiner Würdigung der tatsächlichen Feststellungen, die die Kommission zum Nachweis der Zuwiderhandlung getroffen hat, ergibt, daß die Kommission die erheblichen Tatsachen zutreffend ermittelt und durch ausreichende Beweise nachgewiesen sowie ihre Entscheidung rechtlich hinreichend begründet hat.

299 Die Rüge muß daher zurückgewiesen werden.

2. Keine Bezugnahme auf den Bericht des Anhörungsbeauftragten

300 Die Klägerin macht weiter geltend, daß sich aus dem Beschluß der Kommission, das Amt eines Anhörungsbeauftragten zu schaffen, sowie aus dem ihm übertragenen Mandat klar ergebe, daß die Kommission bei Erlaß ihrer Entscheidung die Stellungnahme des Beauftragten berücksichtigen müsse, selbst wenn sie nicht verpflichtet sei, ihr zu folgen. Im vorliegenden Fall enthalte die Entscheidung keinen Hinweis auf diese Stellungnahme und verstosse damit gegen Artikel 190 EWG-Vertrag.

301 Die Kommission trägt vor, der Bericht des Anhörungsbeauftragten sei keine obligatorische Stellungnahme im Sinne des Artikels 190 EWG-Vertrag, da diese Vorschrift nur die Stellungnahmen betreffe, die nach dem Vertrag oder nach dem von ihm abgeleiteten Gemeinschaftsrecht erforderlich seien. Die Stellungnahme des Anhörungsbeauftragten sei aber nur in dem von der Kommission festgelegten Mandat vorgesehen.

302 Das Gericht verweist zunächst auf die einschlägigen Bestimmungen über das Mandat des Anhörungsbeauftragten im Anhang des Dreizehnten Berichts über die Wettbewerbspolitik, die wie folgt lauten:

"Artikel 2

Der Anhörungsbeauftragte hat die Aufgabe, für einen geregelten Ablauf der Anhörung Sorge zu tragen und dadurch zur Objektivität sowohl der Anhörung als auch der späteren Entscheidung beizutragen. Er wacht insbesondere darüber, daß alle für die Beurteilung des Falles erheblichen Umstände tatsächlicher Art, gleichgültig, ob sie für die Beteiligten günstig oder ungünstig sind, bei der Ausarbeitung von Entwürfen zu kartellrechtlichen Entscheidungen der Kommission angemessen berücksichtigt werden. Bei der Ausübung seiner Tätigkeit achtet der Anhörungsbeauftragte darauf, daß die Rechte der Verteidigung gewahrt bleiben; er berücksichtigt dabei zugleich die Notwendigkeit, die Wettbewerbsregeln in Übereinstimmung mit den geltenden Vorschriften und den vom Gerichtshof entwickelten Rechtsgrundsätzen in wirksamer Weise anzuwenden.

Artikel 5

Der Anhörungsbeauftragte berichtet dem Generaldirektor für Wettbewerb über den Ablauf der Anhörung und über die Schlußfolgerungen, die er aus ihr zieht. Er äussert sich zu dem weiteren Verlauf des Verfahrens; dabei kann er die Einholung von weiteren Auskünften, den Verzicht auf bestimmte Beschwerdepunkte oder die Mitteilung zusätzlicher Beschwerdepunkte anregen.

Artikel 6

Zur Erfuellung der ihm in Artikel 2 übertragenen Aufgaben kann der Anhörungsbeauftragte seine Bemerkungen unmittelbar dem für Wettbewerbsfragen zuständigen Mitglied der Kommission vortragen, sobald diesem der für den Beratenden Ausschuß für Kartell- und Monopolfragen bestimmte Entscheidungsentwurf unterbreitet worden ist.

Artikel 7

Um zu gewährleisten, daß die Kommission über alle Umstände des jeweiligen Einzelfalles unterrichtet ist, bevor sie ihre Entscheidung trifft, kann das für Wettbewerbsfragen zuständige Mitglied der Kommission auf Antrag des Anhörungsbeauftragten anordnen, daß dessen abschließende Stellungnahme dem Entscheidungsentwurf beigefügt wird."

303 Schon aus dem Wortlaut der Bestimmungen über das Mandat des Anhörungsbeauftragten ergibt sich, daß der Bericht des Anhörungsbeauftragten weder dem Beratenden Ausschuß noch der Kommission übermittelt werden muß. So sieht keine Bestimmung die Zuleitung dieses Berichts an den Beratenden Ausschuß vor. Zwar muß der Anhörungsbeauftragte dem Generaldirektor für Wettbewerb berichten (Artikel 5) und kann seine Bemerkungen unmittelbar dem für Wettbewerbsfragen zuständigen Mitglied der Kommission vortragen (Artikel 6), das auf Antrag des Anhörungsbeauftragten anordnen kann, daß dessen abschließende Stellungnahme dem Entscheidungsentwurf beigefügt wird (Artikel 7), doch gibt es keine Bestimmung, die den Anhörungsbeauftragten, den Generaldirektor für Wettbewerb oder das für Wettbewerbsfragen zuständige Mitglied der Kommission verpflichtet, der Kommission den Bericht des Anhörungsbeauftragten zu übermitteln. Hieraus folgt, daß dieser Bericht keine Stellungnahme ist, die die Kommission einholen muß, wenn sie eine Entscheidung nach Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag erlässt.

304 Unter diesen Umständen ist dem Antrag der Klägerin in ihrer Erwiderung, die Stellungnahme des Anhörungsbeauftragten inhaltlich zu prüfen, nicht stattzugeben.

305 Die Rüge der Verletzung des Artikels 190 EWG-Vertrag ist daher zurückzuweisen.

Zur Geldbusse

306 Die Klägerin rügt, daß die Entscheidung Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 verletze, weil die Dauer und die Schwere der ihr zur Last gelegten Zuwiderhandlung nicht zutreffend gewürdigt worden seien.

1. Die Verjährung

307 Nach Auffassung der Klägerin gilt die in der Verordnung Nr. 2988/74 des Rates vom 26. November 1974 über die Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung im Verkehrs- und Wettbewerbsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. L 319, S. 1, nachstehend: Verordnung Nr. 2988/74) vorgesehene Verjährungsfrist. Die Kommission nehme eine ununterbrochene Folge von Handlungen seit der "Mindestpreisvereinbarung" von 1977 an. Obwohl die Klägerin darüber unterrichtet worden sei, habe sie bei dieser Vereinbarung nicht mitgewirkt, und ihr späteres Verhalten könne nicht als Teil eines seit 1977 andauernden gleichbleienden Verhaltens gewertet werden.

308 Die Kommission verweist erneut darauf, daß der Klägerin die Teilnahme an einer einheitlichen und fortdauernden Vereinbarung vorgeworfen werde, was einer Anwendung der Verjährungsvorschriften entgegenstehe.

309 Das Gericht stellt fest, daß nach Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2988/74 die fünfjährige Verjährungsfrist für die Befugnis der Kommission zur Festsetzung von Geldbussen bei dauernden oder fortgesetzten Zuwiderhandlungen erst mit dem Tag beginnt, an dem die Zuwiderhandlung beendet ist.

310 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der vom Gericht vorgenommenen Würdigung der Feststellung der Zuwiderhandlung, daß die Klägerin an einer einzigen Zuwiderhandlung beteiligt gewesen ist, die im November 1977 mit ihrer Zustimmung zu einer Vereinbarung zur Festsetzung eines Preiszieles zum 1. Dezember 1977 begonnen und bis November 1983 fortgedauert hat. Die Fortdauer der Zuwiderhandlung zwischen dem Abschluß dieser Vereinbarung und den ab 1979 festgestellten Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen wird durch die Kontakte bestätigt, die die Klägerin mit anderen Herstellern ohne Unterbrechung seit 1977 aufrechterhalten hat.

311 Deshalb kann die Klägerin sich gegenüber der Festsetzung der Geldbusse nicht auf Verjährung berufen.

2. Die Dauer der Zuwiderhandlung

312 Die Klägerin bringt vor, die Dauer der Zuwiderhandlung habe bei der Bemessung der Geldbusse offensichtlich eine wichtige Rolle gespielt, obwohl die Art der Bemessung der Geldbussen von der Kommission nicht erläutert worden sei. Eine Zuwiderhandlung der Klägerin vor 1979 habe aber nicht festgestellt werden können.

313 Die Kommission entgegnet, sie habe die Dauer der Zuwiderhandlung hinreichend nachgewiesen und in Randnummer 107 Absatz 3 der Entscheidung dargelegt, daß die gravierenden Aspekte der Zuwiderhandlung erst Anfang 1979 zum Tragen gekommen seien und dies bei der Festsetzung der Geldbusse berücksichtigt worden sei.

314 Das Gericht hat bereits festgestellt, daß die Kommission den Zeitraum, in dem die Klägerin gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstossen hat, zutreffend beurteilt hat.

315 Diese Rüge ist daher zurückzuweisen.

3. Die Schwere der Zuwiderhandlung

A - Die begrenzte Rolle der Klägerin

316 Die Klägerin bringt vor, die gegen sie festgesetzte Geldbusse sei im Hinblick auf ein ihr eventuell nachweisbares fahrlässiges Verhalten unverhältnismässig und müsse aufgehoben oder erheblich herabgesetzt werden, selbst wenn Artikel 1 der Entscheidung nicht oder nur teilweise aufgehoben werde.

317 Entgegen den Ausführungen der Kommission könne sie nicht stellvertretend für alle Tätigkeiten des Kartells insgesamt haftbar gemacht werden. Die Kommission könne daher nicht von der Prüfung absehen, ob die Klägerin an speziellen Einzelvereinbarungen beteiligt gewesen sei, denn selbst wenn diese im Rahmen eines allgemeinen Plans oder einer allgemeinen Vereinbarung, die gegen die Wettbewerbsregeln verstießen, durchgeführt worden seien, müsse jeder Teilnehmer nach seinen eigenen Tatbeiträgen beurteilt und verurteilt werden (Urteil des Gerichtshofes vom 14. Juli 1972 in der Rechtsaache 57/69, a. a. O., Randnr. 75). Deshalb könnten ihr auch nicht die Handlungen anderer Hersteller zugerechnet werden, die vor dem Zeitpunkt begangen worden seien, für den die Beteiligung eines ihrer Angestellten an den rechtswidrigen Vereinbarungen bewiesen sei.

318 Bei der Schwere der Zuwiderhandlung habe die Kommission zwischen den Herstellern, die nicht zu den "grossen Vier" gehört hätten, zu Unrecht nicht unterschieden. Da sich die Ansicht, daß jeder Hersteller rechtlich für alle verantwortlich sei, nicht vertreten lasse, hätte die Kommission die Handlungen jedes Unternehmens auf ihren Unrechtsgehalt hin untersuchen müssen, wie es der Gerichtshof in seinem Urteil vom 16. Dezember 1975 (verbundene Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Suiker Unie, a. a. O., Randnr. 622) vorgeschrieben habe.

319 Wäre die Kommission so vorgegangen, hätte sie die gegen die Klägerin verhängte Geldbusse gegenüber den Geldbussen der anderen Hersteller herabgesetzt, die im Unterschied zur Klägerin an den Sitzungen aktiver, häufiger und über einen längeren Zeitraum teilgenommen, sich an den lokalen Sitzungen aktiv beteiligt, ihren Wettbewerbern Informationen über ihre Verkäufe mitgeteilt und ihre Zustimmung zu den Zielpreisen oder Verkaufsquoten gegeben hätten.

320 Die Behandlung der Klägerin sei besonders ungerecht, wenn man sie mit der der Firmen Amoco und BP vergleiche, die sich ähnlich verhalten hätten und in der Vorstellung der anderen Hersteller als Nichtteilnehmer mit der Klägerin zusammengehört hätten.

321 Die Kommission legt dar, daß sie die Rolle der Klägerin bereits ausreichend untersucht und den besonderen Grad der Beteiligung der einzelnen Unternehmen ausdrücklich berücksichtigt habe, als sie die gegen jedes Unternehmen zu verhängende Geldbusse auf der Grundlage von Verhältnismässigkeitserwägungen festgesetzt habe (Entscheidung, Randnr. 109). Die Beteiligung der Klägerin an dem Kartell rechtfertige hinreichend die verhängte Geldbusse. Der Gerichtshof habe nämlich festgestellt, daß jede tatsächliche Beteiligung an einer Zuwiderhandlung - auch die passive Einwilligung, die eine Zuwiderhandlung erleichtere - für die Verhängung einer Geldbusse ausreiche (Urteile vom 1. Februar 1978 in der Rechtssaache 19/77, Miller International Schallplatten/Kommission, Slg. 1978, 131, und vom 12. Juli 1979 in den verbundenen Rechtssachen 32/78, 36/78 bis 82/78, BMW Belgium/Kommission, Slg. 1979, 2435).

322 Die Kommission erklärt, sie habe bereits zu dem Vorwurf der Diskriminierung der Klägerin gegenüber Amoco und BP Stellung genommen.

323 Das Gericht stellt fest, daß seine Würdigung der Feststellung der Zuwiderhandlung ergeben hat, daß die Kommission die Rolle, die die Klägerin bei der Zuwiderhandlung gespielt hat, zutreffend festgestellt hat, und daß die Kommission in Randnummer 109 der Entscheidung erklärt hat, sie habe diese Rolle bei der Bemessung der Geldbusse berücksichtigt.

324 Das Gericht stellt ferner fest, daß die Schwere, die die festgestellten Handlungen charakterisiert - insbesondere die Festsetzung von Zielpreisen und Verkaufsmengen -, zeigt, daß die Klägerin nicht leichtfertig oder auch nur fahrlässig, sondern vorsätzlich gehandelt hat.

325 Da im übrigen die Situation der Klägerin und die von Amoco und BP nicht vergleichbar waren, kann von einer Diskriminierung der Klägerin gegenüber diesen beiden Unternehmen nicht gesprochen werden.

326 Die Rüge ist daher zurückzuweisen.

B - Die Berücksichtigung der Verlustsituation auf dem Markt

327 Die Klägerin bringt vor, die fehlende Berücksichtigung der tatsächlichen Marktsituation und der wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Polypropylensektors stimme nicht mit anderen unlängst getroffenen Entscheidungen der Kommission überein, bei denen die Geldbussen weit niedriger gewesen seien (Entscheidung vom 6. August 1984, Zinc Producer Group, ABl. L 220, S. 27; Entscheidung vom 23. November 1984, Peroxyd-Produkte, ABl. L 35, S. 1).

328 Die Kommission macht geltend, sie habe, obwohl sie nicht verpflichtet sei, bei der Bemessung der Geldbussen wegen eines Verstosses gegen die Wettbewerbsregeln die ungünstigen wirtschaftlichen Bedingungen eines Sektors zu berücksichtigen, die den Unternehmen im Polypropylenbereich während eines sehr langen Zeitraums entstandenen erheblichen Verluste als mildernden Umstand bei der Bußgeldbemessung anerkannt (Entscheidung, Randnr. 108).

329 Sie habe im vorliegenden Fall bei der Festsetzung der Geldbussen in Übereinstimmung mit ihrer ständigen Praxis und mit den vom Gerichtshof entwickelten Grundsätzen für die Bußgeldfestsetzung gehandelt. Seit 1979 sei es ihre Praxis, die Beachtung des Wettbewerbsrechts durch die Festsetzung höherer Geldbussen zu erreichen - insbesondere bei solchen Zuwiderhandlungen, die offenkundig gegen das Wettbewerbsrecht verstießen, und bei besonders schwerwiegenden Verstössen wie im vorliegenden Fall -, um namentlich die abschreckende Wirkung der Geldbussen zu erhöhen. Der Gerichtshof habe dieser Praxis zugestimmt (Urteile vom 7. Juni 1983 in den verbundenen Rechtssachen 100/80 bis 103/80, Pioneer/Kommission, Slg. 1983, 1825, Randnrn. 106 und 109) und auch wiederholt anerkannt, daß die Festsetzung von Geldbussen die Würdigung eines komplexen Sachverhalts voraussetze (Urteil vom 7. Juni 1983 in den verbundenen Rechtssachen 100/80 bis 103/80, a. a. O., Randnr. 120, und vom 8. November 1983 in den verbundenen Rechtssachen 96/82 bis 102/82, 104/82, 105/82, 108/82 und 110/82, IAZ/Kommission, Slg. 1983, 3369, Randnr. 52).

330 Die Kommission sei besonders qualifiziert, eine solche Würdigung vorzunehmen, von der nur abgewichen werden könne, wenn in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht ein Irrtum von wesentlicher Bedeutung vorliege. Der Gerichtshof habe ebenfalls bestätigt, daß die Kommission die von ihr für notwendig gehaltenen Sanktionen von Fall zu Fall unterschiedlich bemessen könne, selbst wenn die betreffenden Fälle ähnliche Gegebenheiten aufwiesen (Urteile vom 12. Juli 1979 in den verbundenen Rechtssachen 32/78, 36/78 bis 82/78, a. a. O., Randnr. 53, und vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, a. a. O., Randnrn. 111 f.).

331 Das Gericht ist der Ansicht, daß zur Beurteilung dieser Rüge zunächst zu untersuchen ist, wie die Kommission den Betrag der gegen die Klägerin verhängten Geldbusse festgelegt hat.

332 Das Gericht stellt fest, daß die Kommission zum einen die Kriterien für die Bestimmung des allgemeinen Niveaus der gegen die Unternehmen, an die die Entscheidung gerichtet ist, verhängten Geldbussen (Entscheidung, Randnr. 108) und zum anderen die Kriterien für die gerechte Abstufung der gegen die einzelnen Unternehmen verhängten Geldbussen (Entscheidung, Randnr. 109) festgelegt hat.

333 Nach Auffassung des Gerichts rechtfertigen die in Randnummer 108 der Entscheidung aufgeführten Kriterien bei weitem das allgemeine Niveau der gegen die Unternehmen, an die die Entscheidung gerichtet ist, verhängten Geldbussen. Insoweit ist besonders die Offenkundigkeit der Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag und insbesondere seine Buchstaben a, b und c hervorzuheben, die den vorsätzlich und unter grösster Geheimhaltung handelnden Polypropylenherstellern nicht unbekannt war.

334 Das Gericht hält auch die in Randnummer 109 der Entscheidung genannten vier Kriterien für sachgerecht und genügend, um zu einer gerechten Zumessung der gegen die einzelnen Unternehmen verhängten Geldbussen zu gelangen.

335 In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß die Kommission weder individuell darzulegen noch zu erläutern brauchte, wie sie die erheblichen Verluste, die die verschiedenen Hersteller des Polypropylensektors ihren eigenen Angaben zufolge erlitten haben, berücksichtigt hat, da es sich dabei um einen der in Randnummer 108 der Entscheidung erwähnten Gesichtspunkte handelt, die bei der Festlegung des vom Gericht für gerechtfertigt befundenen allgemeinen Niveaus der Geldbussen herangezogen wurden.

336 Auch wenn die Kommission bei früheren Verfahren die Auffassung vertreten hat, daß angesichts der tatsächlichen Umstände die Krisensituation zu berücksichtigen sei, in der sich der betreffende Wirtschaftssektor befand, ist sie dadurch nicht gezwungen, eine solche Situation im vorliegenden Fall in gleicher Weise zu berücksichtigen, da ihr rechtlich der Beweis gelungen ist, daß die Unternehmen, an die die Entscheidung gerichtet ist, vorsätzlich und unter grösster Geheimhaltung einen besonders schweren Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag begangen haben.

337 Folglich ist die Rüge der Klägerin zurückzuweisen.

C - Die Berücksichtigung der Auswirkungen der Zuwiderhandlung

338 Die Klägerin beruft sich darauf, daß die Zuwiderhandlung keine Auswirkung auf den Markt gehabt habe. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil vom 16. Dezember 1975 in den verbundenen Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, a. a. O., Randnr. 612) sei aber bei der Höhe der Geldbussen der wirtschaftliche Zusammenhang zu berücksichtigen, in dem die Zuwiderhandlung stehe.

339 Die Kommission entgegnet, zum einen habe das Kartell tatsächliche Auswirkungen auf die Preise gehabt und zum anderen habe sie bei der Bemessung der Geldbussen berücksichtigt, daß die Preisinitiativen gewöhnlich ihr Ziel nicht ganz erreicht hätten (Entscheidung, Randnr. 108). Damit habe sie im übrigen mehr als ihre Pflicht getan, da nach Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag nicht nur Kartelle mit wettbewerbswidrigen Wirkungen, sondern schon solche mit wettbewerbswidrigem Zweck geahndet werden müssten.

340 Das Gericht stellt fest, daß die Kommission zwei Arten von Wirkungen der Zuwiderhandlung unterschieden hat. Die erste habe darin bestanden, daß sämtliche Hersteller, nachdem sie in den Sitzungen Zielpreise vereinbart hätten, ihre Verkaufsabteilung angewiesen hätten, dieses Preisniveau durchzusetzen; die Ziele hätten so als Unterlage für die Preisverhandlungen mit den Kunden gedient. Daraus hat die Kommission den Schluß gezogen, daß im vorliegenden Fall das Beweismaterial zeige, daß sich die Vereinbarung auf die Wettbewerbsbedingungen tatsächlich spürbar ausgewirkt habe (Entscheidung, Randnr. 74 Absatz 2 und Randnr. 90). Die zweite Art von Wirkungen der Zuwiderhandlung habe darin bestanden, daß die Entwicklung der Preise gegenüber Einzelkunden im Vergleich zu den im Laufe besonderer Preisinitiativen aufgestellten Zielpreisen mit der Darstellung übereinstimme, die hiervon in den bei ICI und anderen Herstellern über die Durchsetzung der Preisinitiativen gefundenen Schriftstücken gegeben werde (Entscheidung, Randnr. 74 Absatz 6).

341 Es ist darauf hinzuweisen, daß der Kommission rechtlich der Beweis für den Eintritt der Wirkungen der ersten Art aufgrund der zahlreichen von den einzelnen Herstellern erteilten Preisinstruktionen gelungen ist, die miteinander und mit den in den Sitzungen festgelegten Preiszielen übereinstimmen, die ihrerseits offenkundig dazu bestimmt waren, als Grundlage für die Preisverhandlungen mit den Kunden zu dienen.

342 Der Umstand, daß die Preisinstruktionen der Klägerin den in den Sitzungen festgesetzten Preiszielen nicht immer ganz genau entsprachen, kann diese Feststellung nicht entkräften, denn die von der Kommission für die Festlegung des allgemeinen Niveaus der Geldbussen berücksichtigten Auswirkungen sind nicht die, die sich aus dem tatsächlichen Verhalten, das ein Unternehmen an den Tag gelegt haben will, ergeben, sondern diejenigen, die sich aus der Zuwiderhandlung insgesamt ergeben, an der das Unternehmen mit anderen beteiligt war.

343 Zu den Wirkungen der zweiten Art ist zum einen darauf hinzuweisen, daß die Kommission keinen Anlaß hatte, an der Richtigkeit der von den Herstellern selbst in ihren Sitzungen vorgenommenen Analysen (siehe insbesondere die Berichte über die Sitzungen vom 21. September, 6. Oktober, 2. November und 2. Dezember 1982, gem. Bpkte., Anl. 30 bis 33) zu zweifeln, aus denen hervorgeht, daß die in den Sitzungen festgelegten Preisziele auf dem Markt weitgehend umgesetzt wurden. Wenn zum anderen die Untersuchung von Coopers & Lybrand sowie die von einigen Herstellern in Auftrag gegebenen wirtschaftswissenschaftlichen Untersuchungen ergeben sollten, daß die von den Herstellern selbst in ihren Sitzungen vorgenommenen Analysen unrichtig waren, so wäre diese Feststellung nicht geeignet, zu einer Herabsetzung der Geldbusse zu führen, da die Kommission in Randnummer 108 letzter Gedankenstrich der Entscheidung darauf hingewiesen hat, daß sie bei der Festsetzung der Geldbussen mildernd berücksichtigt habe, daß die Preisinitiativen im allgemeinen nicht ihr ganzes Ziel erreicht hätten und daß keine Maßnahmen vorgesehen gewesen seien, um die Befolgung der Quoten bzw. anderer Maßnahmen zu erzwingen.

344 Da die Begründung der Entscheidung bezueglich der Festsetzung der Geldbussen im Lichte der übrigen Begründung der Entscheidung zu sehen ist, ist davon auszugehen, daß die Kommission zu Recht die Wirkungen der ersten Art in vollem Umfang berücksichtigt und der begrenzten Natur der Wirkungen der zweiten Art Rechnung getragen hat. Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß die Klägerin nicht dargetan hat, inwieweit im Hinblick auf eine Milderung der Geldbussen nicht ausreichend berücksichtigt worden sein soll, daß diese Wirkungen der zweiten Art begrenzt waren.

345 Die Rüge ist folglich zurückzuweisen.

D - Fehlen früherer Verstösse

346 Die Klägerin macht geltend, sie sei niemals in ein anderes Verfahren wegen eines Wettbewerbsverstosses verwickelt gewesen. Hier handele es sich höchstens um den unglücklichen Einzelfall eines Angestellten, der sich unter Missachtung der Unternehmenspolitik zur Teilnahme an einigen Sitzungen habe verleiten lassen, wie die raschen und energischen Maßnahmen zeigten, die die Klägerin ergriffen habe, um bei den Nachprüfungen mitzuwirken und neue Zuwiderhandlungen dieser Art zu verhindern.

347 Nach Ansicht der Kommission stellt der Umstand, daß keine früheren Zuwiderhandlungen vorlägen, keinen Grund für eine Herabsetzung der Geldbussen dar, da die Klägerin nicht abstreiten könne, daß sie sich der Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens bewusst gewesen sei. Sie stelle es aber insoweit dem Gericht anheim, die gegen Wiederholungstäter festgesetzten Geldbussen zu erhöhen.

348 Das Gericht stellte fest, daß zu Lasten eines Unternehmens erschwerend berücksichtigt werden kann, daß die Kommission bereits in der Vergangenheit Verstösse dieses Unternehmens gegen die Wettbewerbsregeln festgestellt und insoweit gegebenenfalls eine Strafe verhängt hat. Demgegenüber stellt das Fehlen einer früheren Zuwiderhandlung keinen besonderen Umstand dar, den die Kommission als mildernd berücksichtigen müsste, zumal es sich im vorliegenden Fall um einen besonders offenkundigen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag handelt.

349 Die Rüge muß daher zurückgewiesen werden.

E - Berücksichtigung mildernder Umstände

350 Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe verschiedene mildernde Umstände ausser acht gelassen. Sie betont, daß sie die Zuwiderhandlung freiwillig abgestellt habe, und bestreitet die Behauptung der Kommission, daß die Zuwiderhandlung ohne deren Eingreifen fortgesetzt worden wäre. Diese Annahme sei zumindest in ihrem Fall unrichtig, weil die Teilnahme ihres Angestellten an den Sitzungen oder dessen Kontakte mit anderen Herstellern lediglich bis August 1983, d. h. für einen Zeitraum vor dem Eingreifen der Kommission, bewiesen seien.

351 Der sofortige Erlaß von Maßnahmen durch die Klägerin, um erneute Verstösse gegen die Unternehmenspolitik wie die Teilnahme eines ihrer Angestellten an Herstellersitzungen für die Zukunft zu verhindern, hätte im Interesse der Wettbewerbspolitik der Gemeinschaft Unterstützung verdient, wie dies in der Rechtssache Panasonic seitens der Kommission geschehen sei (Entscheidung vom 7. Dezember 1972, National Panasonic, ABl. L 354, S. 28). Die Kommission hätte in ihrer Entscheidung erklären müssen, warum sie den Maßnahmen der Klägerin im vorliegenden Fall nicht Rechnung getragen habe.

352 Die Kommission habe die ungewöhnliche Kooperationsbereitschaft der Klägerin bei den Nachprüfungen ebenfalls unberücksichtigt gelassen, z. B. die spontane Übermittlung entscheidender Schriftstücke an die Kommission (gem. Bpkte., Anl. 2 und ind. Bpkte. Hercules, Anl. 18). Diese aufrichtigen Kooperationsbemühungen hätten eine Belohnung und keine Herabwürdigung verdient. Wenn die Kommission vortrage, sie habe berücksichtigt, wie kooperativ sich einzelne Hersteller verhalten hätten, so habe sie jedenfalls nicht ausgeführt, um welche Hersteller es sich gehandelt und wie sie ihre Kooperation berücksichtigt habe.

353 Die Kommission weist zunächst darauf hin, daß die Klägerin nach den Randnummern 50 und 51 der Entscheidung an der Zuwiderhandlung zwischen Juni und November 1983 beteiligt gewesen sei, während die Inspektionen der Kommission am 13. und 14. Oktober dieses Jahres stattgefunden hätten.

354 Bezueglich der internen Ordnungsmaßnahmen der Klägerin nach Entdeckung der Zuwiderhandlung weist die Kommission darauf hin, daß nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil vom 10. Dezember 1985 in den verbundenen Rechtssachen 240/82 bis 242/82, 261/82, 262/82, 268/82 und 269/82, Stichting Sigarettenindustrie/Kommission, Slg. 1985, 3831, Randnrn. 97 und 98) die Bemühungen zur Änderung eines Verhaltens, um es mit dem Wettbewerbsrecht in Einklang zu bringen, die Rechtfertigung einer Geldbusse für eine Zuwiderhandlung nicht in Frage stellten.

355 Im übrigen habe sie bei der Bemessung der Geldbusse berücksichtigt, daß sich die Klägerin bei den Nachprüfungen kooperativ verhalten habe; es bedeute aber keine Herabsetzung dieser Kooperation, wenn sie feststelle, daß sich diese erst in einem ziemlich fortgeschrittenen Stadium der Nachprüfungen gezeigt habe, nachdem die Kommission bestimmtes Beweismaterial entdeckt habe. Eine wie auch immer geartete nachträgliche Zusammenarbeit ändere nichts an der Tatsache der Zuwiderhandlung.

356 Das Gericht stellt zunächst fest, daß die Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung entgegen ihrer Behauptung nicht im August 1983 beendet war, da sie am 30. September 1983 ihren Verkaufsabteilungen Preisinstruktionen erteilt hat, die ab November 1983, d. h. nach dem Eingreifen der Kommission, in Kraft treten sollten und bezueglich Raffia (2,25 DM/kg) und Homopolymer (2,35 DM/kg) mit denen von BASF, Hüls, ICI, Linz, Monte und Solvay sowie mit der von Hoechst (nur bezueglich Raffia) übereinstimmten (Entscheidung, Tabelle 7 N). Demnach hat die Klägerin die Zuwiderhandlung nicht freiwillig im August 1983 und auch nicht vor dem Eingreifen der Kommission abgestellt, denn die letzte von der Klägerin erteilte und von der Kommission beanstandete Preisinstruktion wurde zum Zeitpunkt der Nachprüfungen der Beamten der Kommission am 13. und 14. Oktober 1983 gerade durchgeführt. Mithin kann es sich hierbei nicht um einen mildernden Umstand handeln, den die Kommission bei der Bemessung der gegen die Klägerin zu verhängenden Geldbusse hätte berücksichtigen müssen.

357 Weiterhin ist zwar wichtig, daß die Klägerin Maßnahmen ergriffen hat, um neue Verstösse gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft seitens ihrer Angestellten zu verhindern, doch ändert dies nichts an der Tatsache der Zuwiderhandlung, die vorliegend festgestellt worden ist. Aufgrund dessen rechtfertigen, wie bereits festgestellt, die in Randnummer 108 der Entscheidung aufgeführten Kriterien das allgemeine Niveau der verhängten Geldbussen und die in Randummer 109 der Entscheidung genannten Kriterien sind für die gerechte Abstufung der gegen die einzelnen Unternehmen verhängten Geldbussen ausreichend und sachgerecht. Auch hier kann der Umstand, daß die Kommission es in einem früheren Verfahren wegen der Umstände des Falles für notwendig gehalten hat, die von dem betreffenden Unternehmen zur Verhinderung neuer Verstösse gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft getroffenen Maßnahmen zu berücksichtigen, sie nicht zwingen, ähnliche Maßnahmen im vorliegenden Fall in gleicher Weise zu berücksichtigen, da es sich nach Randnummer 108 der Entscheidung um einen besonders schweren, vorsätzlichen und unter grösster Geheimhaltung begangenen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag gehandelt hat.

358 Schließlich ist nach Auffassung des Gerichts die Rüge der Klägerin wegen der fehlenden Berücksichtigung ihrer Zusammenarbeit bei den Nachprüfungen zurückzuweisen. Eine Verdeutlichung, welche Unternehmen in Randnummer 109 letzter Absatz der Entscheidung gemeint sind, wäre zwar wünschenswert gewesen, doch hat die Kommission im Verfahren vor dem Gericht erklärt, dieser Absatz betreffe nur die Klägerin und ICI. Dieser Erklärung hat weder die Klägerin noch ein anderes Unternehmen, das die Entscheidung angefochten hat, widersprochen.

359 Hieraus folgt indessen nicht, daß die Kommission genau anzugeben hatte, inwieweit sie dieses zusätzliche Kriterium bei der Zumessung der gegen die einzelnen Unternehmen verhängenten Geldbussen berücksichtigt hat, um die Geldbusse gegen die Unternehmen, die bei den Nachprüfungen zur Zusammenarbeit bereit waren, herabzusetzen. Dieses Kriterium muß nämlich im Zusammenhang mit den übrigen in Randnummer 109 der Entscheidung angeführten Zumessungskriterien gesehen werden. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, daß die Anwendung dieser Kriterien ihr gegenüber zu einem ungerechten Ergebnis geführt habe, und auch das Gericht hat eine solche Feststellung nicht treffen können.

360 Aus alldem ergibt sich, daß die gegen die Klägerin verhängte Geldbusse der Dauer und der Schwere des zu Lasten der Klägerin festgestellten Verstosses gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln angemessen ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

361 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist und die Kommission beantragt hat, der Klägerin die Kosten aufzuerlegen, hat diese die Kosten zu tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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