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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 27.11.1990
Aktenzeichen: T-7/90
Rechtsgebiete: Regelung zur Sicherung der Beamten der Europäischen Gemeinschaften bei Unfällen und Berufskrankheiten


Vorschriften:

Regelung zur Sicherung der Beamten der Europäischen Gemeinschaften bei Unfällen und Berufskrankheiten Art. 21
Regelung zur Sicherung der Beamten der Europäischen Gemeinschaften bei Unfällen und Berufskrankheiten Art. 23
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Im Rahmen einer Klage gegen eine Entscheidung der Anstellungsbehörde über die Anwendung der Regelung zur Sicherung der Beamten bei Unfällen und Berufskrankheiten kann sich die Kontrolle des Gerichts nicht auf rein ärztliche Beurteilungen des in Artikel 23 dieser Regelung vorgesehenen Ärzteausschusses erstrecken, die als endgültig anzusehen sind, wenn sie unter ordnungsgemässen Voraussetzungen erfolgt sind.

2. Das Vorverfahren soll eine einverständliche Beilegung des zwischen den Beamten oder sonstigen Bediensteten und der Verwaltung entstandenen Streits ermöglichen. Dieses Verfahren kann seinen Zweck nur erfuellen, wenn die Anstellungsbehörde von den Rügen der Betroffenen gegen die angegriffene Entscheidung hinreichend genau Kenntnis nehmen kann.

Eine Rüge, die in der Verwaltungsbeschwerde nicht angeführt wurde, obwohl der Betroffene in der Lage war, sie in seiner Beschwerde geltend zu machen, ist für unzulässig zu erklären.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (DRITTE KAMMER) VOM 27. NOVEMBER 1990. - DOROTHEA KOBOR GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - BEAMTE - AERZTEAUSSCHUSS - FESTSETZUNG DES IM FALLE DAUERNDER INVALIDITAET ANWENDBAREN SATZES. - RECHTSSACHE T-7/90.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt und Verfahren

1 Die Klägerin ist Beamtin der Kommission der Europäischen Gemeinschaften. Sie hatte am 7. Juni 1986 in Budapest einen Reitunfall und bestreitet nun den Grad dauernder Teilinvalidität, den die Kommission für sie nach dem Verfahren der Artikel 16 bis 23 der Regelung zur Sicherung der Beamten der Europäischen Gemeinschaften bei Unfällen und Berufskrankheiten ( im weiteren : Regelung ) festgesetzt hatte.

2 Das erste, vom behandelnden Arzt der Klägerin, Dr. Kayser, am 16. Juni 1986 ausgestellte Attest enthielt folgende Diagnose : Fraktur des Wirbels L 1 und Fraktur des linken äusseren Knöchels.

3 Nach einer Röntgenuntersuchung am 12. November 1986 stellte Dr. Kayser am 18. November 1986 ein neues Attest aus. Darin wurde die Entdeckung einer "früheren Fraktur des oberen Randes des linken Pfannendachs, die meines Erachtens sicher im Zusammenhang mit dem Unfall vom 7. Juni 1986 steht", festgestellt.

4 Am 5. Juni 1987 stellte Dr. Kayser ein Attest über die Konsolidierung der Folgen des Unfalls und die sich aus diesem ergebende dauernde Teilinvalidität aus. Er sah 25 % für die Fraktur des Wirbels L 1, 10 % für die Fraktur des linken äusseren Knöchels und 10 % für die Fraktur des oberen Randes des linken Pfannendachs vor.

5 Nach einer Untersuchung der Klägerin am 26. Februar 1988 erstellte der von der Kommission bestellte Arzt Dr. De Meersman einen vom 29. Februar 1988 datierten Bericht, in dem er einen Grad dauernder Teilinvalidität von 14 %, davon 12 % für die Fraktur des Wirbels L 1 und 2 % für die Fraktur des Knöchels annahm.

6 Auf der Grundlage dieses Berichts und gemäß ihren Schlußfolgerungen teilte die Kommission der Klägerin am 7. Juli 1988 gemäß Artikel 21 Absatz 1 der Regelung ihren Entscheidungsentwurf mit.

7 Am 20. Juli 1988 beantragte die Klägerin die Einholung eines Gutachtens des Ärzteausschusses gemäß den Artikeln 21 und 23 der Regelung.

8 Am 13. Januar 1989 untersuchte der Ärzteausschuß, der sich aus Dr. De Meersman, Dr. Kayser und Professor Van der Ghinst - der einvernehmlich von den beiden zuvor genannten Ärzten benannt worden war - zusammensetzte, die Klägerin und begutachtete ihre Röntgenunterlagen.

9 Auf dieser Grundlage erstellte der Ärzteausschuß ein vom 17. Januar 1989 datiertes und von den drei Ärzten unterzeichnetes Gutachten, in dem er mehrheitlich feststellte, daß die Teilinvalidität aufgrund des Unfalls insgesamt 14 % betrage.

10 Am 10. März 1989 traf die Kommission die mit dieser Klage beanstandete Entscheidung, mit der sie auf der Grundlage des Gutachtens des Ärzteausschusses ihren Entscheidungsentwurf vom 7. Juli 1988 bestätigte.

11 Mit Schreiben vom 27. April 1989, eingegangen am 3. Mai 1989, reichte die Klägerin gegen die Entscheidung der Kommission vom 10. März 1989 eine Beschwerde ein, der sie eine Stellungnahme von Dr. Kayser vom 18. April 1989 beifügte; darin führte dieser aus, daß die Benennung von Professor Van der Ghinst von Dr. De Meersman vorgeschlagen worden sei, daß der Grad von 14 % nur für die Fraktur des Wirbels L 1 festgestellt worden sei, daß sein Gutachten vom 5. Juni 1987 bei den Erörterungen des Ärzteausschusses nicht berücksichtigt worden sei und daß das Gutachten schließlich um die Tatsache zu ergänzen sei, daß die Klägerin nach dem 1. Januar 1988 gezwungen gewesen sei, mindestens siebenmal ihre Vollzeitarbeit für jeweils 10 Tage zu unterbrechen. Der Beschwerde wurde auch ein zusätzliches, vom 24. April 1989 datiertes Gutachten des Facharztes Dr. Hedrich beigefügt, in dem das Attest von Dr. Kayser vom 18. November 1986 bestätigt wurde.

12 Mit Schreiben vom 27. Juni 1989, dessen Kopie Dr. De Meersman zuging, forderte die Kommission Professor Van der Ghinst auf, zu erläutern, ob der Grad von 14 % dauernder Teilinvalidität ausschließlich die Verletzungen des Wirbels L 1 betreffe oder ob er gleichzeitig diese Verletzungen und die des Knöchels umfasse.

13 Mit Schreiben vom 3. bzw. 18. Juli 1989 erläuterten Dr. De Meersman und Professor Van der Ghinst, daß sich der Grad von 14 % aus 12 % für die Fraktur des Wirbels L 1 und 2 % für den Knöchel zusammensetze.

14 Mit Schreiben vom 7. November 1989, zugestellt am 10. November 1989, wies die Kommission die Beschwerde der Klägerin zurück.

15 Daraufhin hat die Klägerin mit am 7. Februar 1990 bei der Kanzlei eingegangener Klageschrift beim Gericht die vorliegende Klage erhoben.

Anträge der Parteien

16 Die Klägerin beantragt,

- festzustellen, daß die Klage form - und fristgerecht eingereicht worden ist;

- vor jeder Fortsetzung des Verfahrens der Kommission aufzugeben, die Schreiben vom 3. und vom 18. Juli 1989 zu den Akten zu geben, auf die sie in der streitigen Entscheidung Bezug nimmt;

- festzustellen, daß die Klage begründet ist;

- dementsprechend den Grad dauernder Teilinvalidität auf mindestens 45 %, nämlich 25 % für die Fraktur L 1, 10 % für die Knöchelfraktur und 10 % für die Fraktur des oberen Randes des linken Pfannendachs festzusetzen;

- festzustellen, daß die Kommission für die Beträge, die über den ( schon berücksichtigten ) Grad von 14 % Teilinvalidität hinausgehen, der Klägerin Verzugszinsen oder Schadensersatz in Höhe von 9 % ab dem 5. Juni 1987 bzw. ab dem 6. Juni 1988 bis zur Zahlung schuldet;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen;

hilfsweise,

- einen einer ausländischen medizinischen Fakultät angehörenden Sachverständigen zu benennen mit dem Auftrag, die medizinischen Unterlagen einzusehen und Frau Kobor zu untersuchen sowie den Grad ihrer dauernden Teilinvalidität infolge ihres Unfalls vom 7. Juni 1986 festzusetzen und den Zeitpunkt der Konsolidierung der erlittenen Verletzungen festzusetzen;

- in diesem Fall die Entscheidung über die Kosten auszusetzen.

Die Kommission beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- über die Kosten nach Rechtslage zu entscheiden.

Begründetheit

17 Die Klägerin beruft sich für die Änderung der angefochtenen Entscheidung im wesentlichen auf fünf Klagegründe.

Zur Zusammensetzung des Ärzteausschusses

18 Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, daß sie den Klagegrund der nicht ordnungsgemässen Zusammensetzung des Ärzteausschusses fallenlasse.

Zur Berücksichtigung der Fraktur des oberen Randes des linken Pfannendachs

19 Die Klägerin macht geltend, der Ärzteausschuß habe es unterlassen, die Folgen der Fraktur des lateralen Pfannendachs der linken Hüfte, die nach dem von Dr. Kayser am 5. Juni 1987 ausgestellten Attest mit Gewißheit mit ihrem Unfall vom 7. Juni 1986 in Zusammenhang gebracht werden müsse, zu berücksichtigen. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ausgeführt, sie beanstande insoweit, daß in dem Gutachten des Ärzteausschusses diese Folgen nicht beachtet worden seien oder daß zumindest die Weigerung, sie zu berücksichtigen, nicht begründet worden sei, obwohl Dr. Kayser der Auffassung gewesen sei, daß sie einen Grad dauernder Teilinvalidität von 10 % begründeten.

20 Die Kommission führt aus, weder in dem Bericht von Dr. De Meersman noch in dem Gutachten des Ärzteausschusses sei die Fraktur des lateralen Pfannendachs der linken Hüfte festgestellt worden, auch wenn beide Schmerzen in der linken Hüfte erwähnten, die sie einer Verdickung des linken Pfannendachwulstes bzw. einer osteophytischen Arthrose und einer Ovalisierung des Oberschenkelknochenkopfes, der einen Beginn einer Koxarthrose bedeute, zugeordnet und als nicht im Zusammenhang mit dem Unfall der Klägerin stehend angenommen hätten. Die Kommission führt aus, die Beurteilungen hinsichtlich der Schmerzen in der linken Hüfte stellten ärztliche Beurteilungen dar, die nach ständiger Rechtsprechung als endgültig anzusehen seien, da sie unter ordnungsgemässen Voraussetzungen erfolgt seien ( siehe zuletzt die Urteile des Gerichtshofes vom 19. Januar 1988 in der Rechtssache 2/87, Biedermann/Rechnungshof, Slg. 1988, 143, Randnr. 8, und des Gerichts vom 21. Juni 1990 in der Rechtssache T-31/89, Sabbatucci/Parlament, Slg. 1990, II-265, Randnr. 32 ).

21 Es ist festzustellen, daß die Kommission zu Recht darauf hinweist, daß der Ärzteausschuß in Kenntnis aller Umstände zu der Auffassung gelangt sei, daß die Schmerzen der Klägerin in der linken Hüfte nicht auf den Unfall vom 7. Juni 1986, sondern auf eine osteophytische Arthrose und auf eine Ovalisierung des Oberschenkelknochenkopfes, der den Beginn einer Koxarthrose bedeute, zurückzuführen seien. Indem er diese Schmerzen auf eine andere Ursache als den Unfall der Klägerin zurückführte, hat der Ärzteausschuß sein Gutachten rechtlich hinreichend begründet.

22 Ausserdem ist darauf hinzuweisen, daß diese Zuordnung eine rein ärztliche Beurteilung darstellt, auf die sich die Kontrolle des Gerichts nicht erstrecken kann, da sie unter ordnungsgemässen Voraussetzungen zustande gekommen ist ( Urteil vom 19. Januar 1988 in der Rechtssache 2/87, Biedermann, und vom 21. Juni 1990 in der Rechtssache T-31/89, Sabbatucci, a. a. O.). Der Klagegrund ist demgemäß zurückzuweisen.

Zur Berücksichtigung bereits bestehender körperlicher Schäden der Klägerin

23 Die Klägerin macht geltend, die Arbeiten des Ärzteausschusses und der Kommission seien insoweit nicht ordnungsgemäß verlaufen, als der Bericht von Dr. De Meersman vom 29. Februar 1988, auf den der Entscheidungsentwurf der Kommission vom 7. Juli 1988 gestützt worden sei, zu Unrecht auf bereits bestehende körperliche Schäden der Klägerin Bezug nehme, aufgrund deren für die Klägerin nur ein Grad dauernder Teilinvalidität von 14 % festgesetzt worden sei. Weiter schließt sie aus der Tatsache, daß der von der Mehrheit des Ärzteausschusses angenommene Invaliditätsgrad ebenfalls 14 % beträgt, daß Dr. De Meersman nicht eingeräumt habe, daß er sich mit dem Hinweis auf bereits bestehende körperliche Schäden geirrt habe. Die Klägerin weist schließlich darauf hin, daß die Kommission in ihrer bestätigenden Entscheidung vom 10. März 1989 festgestellt habe, daß der unveränderte Entscheidungsentwurf vom 7. Juli 1988 nun die endgültige Entscheidung der Anstellungsbehörde darstelle.

24 In der mündlichen Verhandlung ist die Klägerin der Aufforderung des Gerichts, die Passagen des Berichts von Dr. De Meersman anzugeben, in denen er frühere Verletzungen berücksichtigt habe, nicht nachgekommen. Sie hat sich darauf beschränkt, folgende Passage des Entscheidungsentwurfs der Kommission vom 7. Juli 1988 zu zitieren :

"Der vom Organ bestellte Arzt hat im Anschluß an das über ihren Zustand erstellte ärztliche Gutachten vom 19. Februar 1988 ( sic ) festgestellt, daß bereits vor dem Unfall ein ärztlicher Befund vorlag. Nach den geltenden Regeln wird bei bereits bestehenden Schäden an Körperteilen oder Organen nur der Unterschied zwischen dem Zustand vor dem Unfall und dem Zustand nach dem Unfall im Hinblick auf eine Entschädigung berücksichtigt. Deshalb kann nach Meinung des Arztes für die Unfallschäden, die am 26. Februar 1988 als konsolidiert angesehen wurden, eine Entschädigung auf der Grundlage einer dauernden Teilinvalidität von 14 % ( vierzehn ) gewährt werden."

Die Klägerin schließt hieraus, daß zwischen der Kommission und Dr. De Meersman zwischen dem 29. Februar 1988 und dem 7. Juli 1988 informelle Kontakte stattgefunden haben müssten. Ausserdem könne daraus, daß in dem Entscheidungsentwurf die Regelungen über die Entschädigung bei bereits bestehenden Schäden an Körperteilen erwähnt würden, geschlossen werden, daß diese Regelungen tatsächlich angewandt worden seien.

25 Der Klagegrund der Klägerin betrifft demgemäß nur die Formulierung des ersten Absatzes des Entscheidungsentwurfs der Kommission, die durch die endgültige Entscheidung bestätigt wurde.

26 Die Kommission hat sowohl in ihrer Gegenerwiderung als auch in der mündlichen Verhandlung den Formulierungsfehler in der zitierten Passage ihres Entscheidungsentwurfs eingeräumt. Sie ist jedoch der Auffassung, dieser Fehler sei nicht erheblich, da weder in dem Bericht von Dr. De Meersman noch in dem Gutachten des Ärzteausschusses irgendein krankhafter Zustand der bei dem Unfall verletzten Körperteile erwähnt worden sei. Die Kommission schließt hieraus, die Klägerin mache zu Unrecht geltend, daß der für sie festgesetzte Invaliditätsgrad von 14 % unter Berücksichtigung bereits bestehender körperlicher Schäden berechnet worden sei.

27 Es ist darauf hinzuweisen, daß die streitige Entscheidung ausschließlich auf dem Gutachten des Ärzteausschusses, dessen Schlußfolgerungen sie wörtlich übernimmt, beruht, selbst wenn in ihr förmlich der mit einem Fehler behaftete Entscheidungsentwurf der Kommission bestätigt wurde. Die Prüfung durch das Gericht muß sich folglich auf die Frage beschränken, ob die Schlußfolgerungen des Ärzteausschusses unter ordnungsgemässen Voraussetzungen erfolgt sind.

28 Hierzu ist erstens festzustellen, daß die Klägerin weder behauptet noch bewiesen hat, daß der der Kommission in ihrem Entscheidungsentwurf unterlaufene Formulierungsfehler die ärztlichen Beurteilungen des Ärzteausschusses, auf die die streitige Entscheidung gestützt ist, beeinflussen konnte.

29 Zweitens ist festzustellen, daß der Kommission der Formulierungsfehler in ihrem Entscheidungsentwurf nach der Erstellung des Berichts von Dr. De Meersman und vor der Erstellung des Gutachtens des Ärzteausschusses unterlaufen ist. In diesem Gutachten wurden die in dem ersten Bericht enthaltenen Beurteilungen insoweit bestätigt, als in ihnen in keiner Weise bereits bestehende Schäden der bei dem Unfall verletzten Körperteile berücksichtigt wurden. Hieraus folgt, daß der Inhalt des Gutachtens des Ärzteausschusses und somit auch deren auf dieses Gutachten gestützte endgültige Entscheidung nicht durch den Fehler der Kommission beeinflusst worden sind.

30 Aus dem Vorstehenden folgt, daß die angefochtene Entscheidung auch dann nicht anders hätte lauten können, wenn der Kommission dieser Fehler nicht unterlaufen wäre. Das Gericht untersucht Verfahrensfehler jedoch nur, wenn eine Möglichkeit besteht, daß das Verwaltungsverfahren ohne diese Verfahrensfehler zu einem anderen Ergebnis geführt hätte ( Urteil vom 10. Juli 1980 in der Rechtssache 30/78, Distillers, Slg. 1980, 2229, Randnr. 26 ). Der Klagegrund ist demgemäß zurückzuweisen.

Zu der bei der Festsetzung des Grades der dauernden Teilinvalidität angewandten Tabelle

31 Die Klägerin macht geltend, das Gutachten des Ärzteausschusses sei insoweit unzureichend begründet, als in ihm nicht die Tabelle genannt werde, die bei der Festsetzung des Grades ihrer dauernden Teilinvalidität angewandt worden sei; weder habe die in Artikel 12 Absatz 2 der Regelung genannte Tabelle angewandt werden können, da die Verletzungen der Klägerin in dieser nicht aufgeführt seien, noch sei eine analoge Anwendung dieser Tabelle im vorliegenden Fall möglich gewesen. Die Klägerin beanstandet das Gutachten des Ärzteausschusses ausserdem deshalb, weil in ihm ohne jede Begründung die offizielle belgische Tabelle der Invaliditätssätze und nicht die Tabelle Padovani über die Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten angewandt worden sei, die bekanntlich regelmässig im Großherzogtum Luxemburg, Wohn - und Dienstort der Klägerin, verwendet werde.

32 Die Kommission macht geltend, dieser Klagegrund sei unzulässig, da er nicht im Vorverfahren vorgebracht worden sei.

33 Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, daß der geltend gemachte Begründungsfehler in der Verwaltungsbeschwerde nicht habe vorgebracht werden können, da er sich erst aus dem Schreiben der Kommission vom 7. November 1989, mit der diese Beschwerde zurückgewiesen worden sei, ergeben habe. Dieses Schriftstück sei nämlich das erste, aus dem sich ergebe, daß der Ärzteausschuß nicht näher genannte nationale Tabellen angewandt habe, da die Folgen der Verletzung der Klägerin in der Gemeinschaftstabelle nicht aufgeführt seien.

34 Es ergibt sich aus ständiger Rechtsprechung, daß das Vorverfahren eine einverständliche Beilegung des zwischen den Beamten oder sonstigen Bediensteten und der Verwaltung entstandenen Streits ermöglichen soll. Dieses Verfahren kann seinen Zweck nur erfuellen, wenn die Anstellungsbehörde von den Rügen der Betroffenen gegen die angegriffene Entscheidung hinreichend genau Kenntnis nehmen kann ( siehe zuletzt das Urteil des Gerichts vom 29. März 1990 in der Rechtssache T-57/89, Alexandrakis/Kommission, Slg. 1990, II-143, Randnr. 8 ).

35 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, daß die Klägerin angesichts des Entscheidungsentwurfs der Kommission vom 7. Juli 1988 und des Berichts von Dr. De Meersman vom 29. Februar 1988 sowie der Entscheidung der Kommission vom 10. März 1989 und des Gutachtens des Ärzteausschusses vom 17. Januar 1989 erkennen musste, daß ihre bleibenden Folgen ihrer Verletzung nicht in der Gemeinschaftstabelle aufgeführt waren und daß ihr Invaliditätsgrad in diesem Fall gemäß Absatz 3 der auf diese Tabelle folgenden Bestimmungen sinngemäß nach der Gemeinschaftstabelle festgestellt werden musste. Hieraus folgt, daß die Klägerin in der Lage war, in ihrer Verwaltungsbeschwerde die Rüge hinsichtlich der fehlenden Begründung der Anwendung dieses Absatzes 3 geltend zu machen.

36 Demgemäß ist, ohne daß die Begründetheit dieses Klagegrundes zu untersuchen wäre, festzustellen, daß der Klagegrund, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, in ihrer Beschwerde nicht angeführt worden und demgemäß für unzulässig zu erklären ist.

Zur Aufgliederung des für die Klägerin festgesetzten Grades dauernder Teilinvalidität von 14 %

37 Die Klägerin hält es für fraglich, ob von einem mehrheitlich erstatteten Gutachten des Ärzteausschusses gesprochen werden könne, da das Gutachten in einem grundlegenden Punkt nicht eindeutig sei. Da in diesem Gutachten nämlich keine Aufgliederung des Grades der dauernden Teilinvalidität für die Fraktur des Wirbels L 1 und die Fraktur des Knöchels vorgenommen worden sei, sei es insoweit nicht eindeutig, als Professor Van der Ghinst gemäß dem Schreiben von Dr. Kayser vom 18. April 1989 vorgeschlagen habe, eine dauernde Teilinvalidität von 14 bis 15 % für die Fraktur des Wirbels L 1 festzusetzen, und nicht damit einverstanden gewesen sei, eine dauernde Teilinvalidität für die Fraktur des Knöchels anzunehmen, während Dr. De Meersman in seinem Bericht vom 29. Februar 1988 einen Satz von 12 % für die Fraktur des Wirbels L 1 und von 2 % für den Knöchel angenommen habe. Die Klägerin wirft der Kommission weiter vor, Erläuterungen zu diesem Punkt nur von Professor Van der Ghinst und von Dr. De Meersman verlangt zu haben, ohne die Stellungnahme von Dr. Kayser einzuholen. Die Klägerin sieht hierin eine Unregelmässigkeit der Arbeit des Ärzteausschusses.

38 Die Kommission macht geltend, die Schreiben von Dr. De Meersman und Professor Van der Ghinst vom 3. und vom 18. Juli 1989 machten die Argumentation der Klägerin hinfällig. Aus diesen Schreiben ergebe sich zudem, daß die auf den Unfall vom 7. Juni 1986 zurückzuführende Invalidität insgesamt die Anerkennung eines Grades von 14 % rechtfertige, der sich in 12 % für die Fraktur des Wirbels L 1 und 2 % für den Knöchel aufgliedere. Die Kommission fügt hinzu, sie habe keinen Grund gehabt, im Juni 1989 dem behandelnden Arzt die Fragen vorzulegen, die sie den anderen Ärzten in ihrem Schreiben vom 27. Juni 1989 gestellt habe, da der behandelnde Arzt schon zuvor in seinem Schreiben vom 18. April 1989 geantwortet habe, daß seines Erachtens der von dem Ärzteausschuß anerkannte Grad dauernder Teilinvalidität von 14 % nur die Verletzungen des Rückgrats betreffe.

39 Es ist festzustellen, daß der von der Klägerin aufgeworfene Streitpunkt nur im Hinblick auf die Frage erheblich ist, ob das Gutachten des Ärzteausschusses tatsächlich mehrheitlich erstattet worden ist.

40 Hierzu ist auf folgende Feststellung dieses Gutachtens zu verweisen :

"Der Ärzteausschuß entscheidet nach Befragung, körperlicher Untersuchung und Begutachtung der Röntgenunterlagen mehrheitlich, daß die auf den Unfall vom 7. Juni 1986 zurückzuführende Invalidität insgesamt die Anerkennung eines Satzes von vierzehn Prozent ( 14 %) rechtfertigt."

41 Die drei Ärzte, aus denen sich der Ärzteausschuß zusammensetzte, haben - wie sich aus ihren drei Unterschriften unter diesem Gutachten ergibt - einstimmig festgestellt, daß das Gutachten mit der Mehrheit seiner Mitglieder angenommen worden sei. Eine solche Feststellung kann nicht durch ein späteres Schreiben eines der Mitglieder des Ärzteausschusses in Frage gestellt werden. Der Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

42 Die Klage ist demgemäß abzuweisen; über den von der Klägerin gestellten Hilfsantrag und den Antrag auf Verzugszinsen ist nicht zu entscheiden.

Kostenentscheidung:

Kosten

43 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung, die gemäß Artikel 11 Absatz 3 des Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 für das Gericht entsprechend gilt, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Gemäß Artikel 70 der Verfahrensordnung tragen jedoch die Organe in Rechtsstreitigkeiten mit Bediensteten der Gemeinschaften ihre Kosten selbst. Ferner kann das Gericht gemäß Artikel 69 § 3 Satz 1 die Kosten ganz oder teilweise gegeneinander aufheben, wenn ein aussergewöhnlicher Grund gegeben ist. Es ist festzustellen, daß die Kommission durch die fehlerhafte Abfassung ihres Entscheidungsentwurfs vom 7. Juli 1988 und die unangemessene Abfassung der angefochtenen Entscheidung zur Entstehung des Rechtsstreits beigetragen hat. In Anbetracht dieser Umstände ist das Gericht der Auffassung, daß der Kommission neben ihren eigenen Kosten die Hälfte der der Klägerin entstandenen Kosten aufzuerlegen ist. Die andere Hälfte ihrer Kosten hat die Klägerin selbst zu tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT ( Dritte Kammer )

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Klage wird abgewiesen.

2 ) Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten und die Hälfte der der Klägerin entstandenen Kosten. Die Klägerin trägt die andere Hälfte ihrer Kosten.

Ende der Entscheidung

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