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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 14.05.1997
Aktenzeichen: T-70/92
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

6 Es ist Sache der Partei, die sich auf die Verspätung einer Klage in Anbetracht der in Artikel 173 letzter Absatz des Vertrages und Artikel 101 f. der Verfahrensordnung des Gerichts vorgesehenen Fristen beruft, das Datum zu beweisen, an dem die Entscheidung mitgeteilt wurde.

7 Die Kommission kann Beschwerden, die verschiedene - in demselben tatsächlichen Kontext stehende - Vereinbarungen und Verhaltensweisen betreffen, getrennt behandeln, sofern sie in ihrer Entscheidung über eine der Beschwerden diejenigen Aspekte der verschiedenen Vereinbarungen und Verhaltensweisen, die Gegenstand der anderen Beschwerden sind, berücksichtigt, die sich auf die Rechtmässigkeit des von der Beschwerde, über die sie entscheidet, erfassten Verhaltens auswirken können.

8 Die Kommission hat, wenn sie eine gemäß Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung Nr. 17 eingelegte Beschwerde zurückweist, die Gründe anzugeben, aus denen sie bei aufmerksamer Prüfung der ihr vom Beschwerdeführer mitgeteilten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte nicht veranlasst worden ist, ein Verfahren zur Feststellung eines Verstosses gegen Artikel 85 des Vertrages einzuleiten. Dabei kann die Kommission - im Bereich der in Anhang II des Vertrages genannten landwirtschaftlichen Erzeugnisse - darlegen, weshalb sie der Auffassung ist, daß Artikel 2 der Verordnung Nr. 26 Anwendung finde, so daß sie sich nicht für verpflichtet halte, aufgrund einer aufmerksamen Prüfung der Beschwerde das vom Beschwerdeführer gewünschte Verfahren einzuleiten. Die Pflicht der Kommission, die Zurückweisung einer Beschwerde gegenüber dem Beschwerdeführer zu begründen, impliziert jedoch nicht, daß sie automatisch verpflichtet wäre, eine an den Beschwerdeführer gerichtete förmliche Entscheidung gemäß Artikel 2 der Verordnung Nr. 26 zu erlassen.

9 Gelangt die Kommission, gestützt auf Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 26, zu der Auffassung, Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages gelte für die Regelung einer landwirtschaftlichen Erzeugergenossenschaft nicht, da diese zur Verwirklichung der Ziele des Artikels 39 des Vertrages notwendig sei, und geht die Tragweite ihrer Entscheidung erheblich über die ihrer früheren Entscheidungen auf diesem Gebiet hinaus, so muß sie ihren Gedankengang besonders ausführlich darlegen. Dies gilt um so mehr, als Artikel 2 der Verordnung Nr. 26, bei dem es sich um eine Ausnahme von der allgemein geltenden Regel des Artikels 85 Absatz 1 des Vertrages handelt, eng auszulegen ist.

Dies trifft zu, wenn die Kommission diese Ausnahme auf die Regelung einer Genossenschaft von Blumen- und Zierpflanzenzuechtern anwendet, die auf Transaktionen zwischen Dritten, nämlich zwischen unabhängigen Großhändlern, die auf ihrem Gelände niedergelassen sind, und Lieferanten, die keine Mitglieder sind, Gebühren erhebt. Zum einen hat die Kommission nämlich zuvor niemals festgestellt, daß eine Vereinbarung zwischen den Mitgliedern einer Genossenschaft, die den freien Zugang der Nichtmitglieder zu den Vertriebskanälen der landwirtschaftlichen Erzeuger berührt, zur Verwirklichung der Ziele des Artikels 39 des Vertrages notwendig sei. Zum anderen ist die Kommission in ihrer früheren Entscheidungspraxis im allgemeinen zu dem Ergebnis gelangt, daß Vereinbarungen, die nicht zu den Mitteln gehören, die in der Verordnung über die gemeinsame Marktorganisation zur Verwirklichung der Ziele des Artikels 39 vorgesehen sind, nicht im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 26 notwendig seien. Die gemeinsame Marktorganisation für lebende Pflanzen und Waren des Blumenhandels, die durch die Verordnung Nr. 234/68 des Rates errichtet wurde, sieht für landwirtschaftliche Genossenschaften die Möglichkeit, Dritten eine solche Abgabe aufzuerlegen, nicht vor. Dasselbe gilt für die Gemeinschaftsmaßnahmen, die in anderen landwirtschaftlichen Sektoren anwendbar sind.

Zudem findet Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 26 nur Anwendung, wenn die betreffende Vereinbarung zur Verwirklichung aller Ziele des Artikels 39 beiträgt. Folglich muß aus der Begründung der Kommission deutlich werden, in welcher Weise die betreffende Vereinbarung jedem der Ziele des Artikels 39 gerecht wird. Bei einem Konflikt zwischen diesen zuweilen divergierenden Zielen muß aus der Begründung der Kommission zumindest hervorgehen, wie sie diese Ziele miteinander in Einklang bringen konnte, so daß die Anwendung von Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 26 möglich war.

10 Die von einer Genossenschaft von Blumen- und Zierpflanzenzuechtern durch die den Mitgliedern auferlegte Pflicht, im Wege der Versteigerung zu verkaufen, bewirkte Konzentration des Angebots trägt insbesondere zur Verbesserung der Vertriebsstrukturen bei, indem sie es einer grossen Zahl von kleinen Erzeugern ermöglicht, über die regionale Ebene hinaus am Wirtschaftsprozeß teilzunehmen, wodurch bestimmte Ziele des Artikels 39 des Vertrages erreicht werden.

Doch kann eine von dieser Genossenschaft auf die Lieferungen, die nicht zu ihren Mitgliedern gehörende Erzeuger an unabhängige Käufer ausführen, erhobene Gebühr nachteilige Auswirkungen auf diese Erzeuger haben, die nicht Mitglieder sind, deren Interessen aber durch Artikel 39 des Vertrages ebenfalls erfasst werden. Insbesondere hat eine solche Gebühr normalerweise eine Erhöhung der bei solchen Geschäftsabschlüssen vereinbarten Preise zur Folge; zumindest stellt sie ein bedeutendes Hindernis für die Freiheit der anderen landwirtschaftlichen Erzeuger dar, Waren über die fraglichen Vertriebskanäle abzusetzen.

Folglich kann diese Benutzungsgebühr, auch wenn das System einer solchen Genossenschaft bestimmten Zielen des Artikels 39 des Vertrages entspricht, diesen Zielen in mancher Hinsicht zuwiderlaufen, insbesondere dadurch, daß sie die Erhöhung des Pro-Kopf-Einkommens der Erzeuger, die nicht Mitglieder sind, erschwert, daß sie die Sicherheit der Versorgung durch diese anderen Erzeuger beeinträchtigt und daß sie eine aus der Sicht der Verbraucher günstige Preisentwicklung verhindert.

Soweit die Benutzungsgebühr für die Genossenschaft zudem ein wesentliches Mittel darstellt, mit dem ihre Mitglieder, insbesondere die bedeutendsten, davon abgehalten werden sollen, diese zu verlassen, um unmittelbar an die Abnehmer zu verkaufen, falls solche unmittelbaren Verkäufe an die betreffenden Abnehmer für bestimmte Erzeuger weniger kostspielig oder effizienter wären als das System der Genossenschaft, könnte die Benutzungsgebühr auch unter diesem Gesichtspunkt negative Auswirkungen auf die Rationalisierung der Landwirtschaft, die Erhöhung des Pro-Kopf-Einkommens der landwirtschaftlichen Erzeuger und die Verbraucherpreise haben. Eine Bestimmung, die die Freiheit eines Mitglieds einer landwirtschaftlichen Genossenschaft, diese zu verlassen, im Ergebnis übermässig einschränken würde, wäre deshalb mit den Zielen des Artikels 39 des Vertrages kaum zu vereinbaren.

Wenn im übrigen eine solche Benutzungsgebühr nicht in angemessener Weise als Gegenleistung für einen Dienst oder einen sonstigen Vorteil erhoben würde, dessen Wert die Höhe dieser Gebühr rechtfertigen könnte, so würde sie bestimmte landwirtschaftliche Erzeuger zugunsten der Mitglieder der Genossenschaft benachteiligen und eine verschleierte Wettbewerbsbeschränkung ohne ausreichende objektive Rechtfertigung darstellen. Da Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 eng auszulegen ist kann eine Gebühr, die solche Wirkungen hat, nur als im Sinne dieser Vorschrift zur Verwirklichung der Ziele des Artikels 39 des Vertrages "notwendig" angesehen werden, wenn sie den Grundsatz der Verhältnismässigkeit wahrt.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Zweite erweiterte Kammer) vom 14. Mai 1997. - Florimex BV und Vereniging van Groothandelaren in Bloemkwekerijprodukten gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Wettbewerb - An das Postfach des Rechtsanwalts der Beschwerdeführer zugestellte Entscheidung über die Zurückweisung einer Beschwerde - Berechnung der Klagefrist - Vereinbarkeit einer Gebühr, die bei externen Lieferanten auf Waren des Blumenhandels erhoben wird, mit denen sie auf dem Gelände einer Versteigerungsgenossenschaft niedergelassene Großhändler beliefern, mit Artikel 2 der Verordnung Nr. 26 - Begründung. - Verbundene Rechtssachen T-70/92 und T-71/92.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

A - Die Verfahrensbeteiligten

Die VBA

1 Die Coöperatieve Vereniging De Verenigde Blömenveilingen Aalsmeer BA (im folgenden: VBA) ist eine Genossenschaft niederländischen Rechts, in der Zuechter von Blumen und anderen Zierpflanzen zusammengeschlossen sind. Sie vertritt mehr als 3 000 Unternehmen, bei denen es sich zum weit überwiegenden Teil um niederländische und zu einem kleinen Teil um belgische Unternehmen handelt.

2 Die VBA hält auf ihrem Gelände in Aalsmeer Versteigerungen von Waren des Blumenhandels, insbesondere frischen Schnittblumen, Zimmer- und Gartenpflanzen, ab. Diese Waren unterliegen den Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 234/68 des Rates vom 27. Februar 1968 über die Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für lebende Pflanzen und Waren des Blumenhandels (ABl. L 55, S. 1).

3 Die VBA, die im Jahr 1991 einen Gesamtumsatz von etwas mehr als 2,2 Milliarden HFL erzielte, ist eines der bedeutendsten Unternehmen dieser Art auf der Welt. Die von ihr angebotenen Waren und Dienstleistungen sind auf die Ausfuhr ausgerichtet; von den Schnittblumen werden etwa 90 % und von sämtlichen Waren des Blumenhandels etwa 77 % ausgeführt.

4 Die Einrichtungen der VBA in Aalsmeer dienen in erster Linie der Abwicklung der Versteigerungen selbst (Anlieferung, Verkauf, Auslieferung), aber ein Teil ihres Geländes ist der Vermietung von "Geschäftsräumen" vorbehalten, die für den Blumengroßhandel, insbesondere für das Sortieren und Verpacken solcher Waren, bestimmt sind. Die VBA vermietet nach ihren Angaben Geschäftsräume mit einer Fläche von 285 000 m2 (einschließlich der Zufahrtswege) an ungefähr 320 Mieter. Bei diesen Mietern handelt es sich vor allem um Großhändler, die Schnittblumen vertreiben, und, in geringerem Umfang, um Unternehmen, die mit Zimmerpflanzen handeln. Die Präsenz dieser Käufer auf dem Gelände stellt, insbesondere angesichts der Ausrichtung der Versteigerungen auf den Export und angesichts der Verderblichkeit der Erzeugnisse, einen bedeutenden Faktor für die Schnelligkeit der von der VBA ausgeführten Lieferungen dar.

Die Florimex BV

5 Die Florimex BV ist ein Blumenhandelsunternehmen, dessen Sitz sich in Aalsmeer in der Nähe des Komplexes der VBA befindet. Sie führt Waren des Blumenhandels aus Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (z. B. Italien und Spanien) und Drittländern (insbesondere Kenia) ein und verkauft sie hauptsächlich an Großhändler mit Sitz in den Niederlanden weiter. Die Florimex-Gruppe, die weltweit tätig ist, ist eines der grössten Unternehmen dieses Sektors.

Die VGB

6 Die Vereniging van Groothandelaren in Blömkwekerijprodukten (im folgenden: VGB) ist eine Vereinigung, in der zahlreiche niederländische Blumengroßhändler, darunter die Florimex BV, sowie Großhändler mit Sitz auf dem Gelände der VBA zusammengeschlossen sind. Sie soll u. a. die Interessen des Blumengroßhandels in den Niederlanden vertreten und gegenüber den öffentlichen Stellen und den Versteigerungsunternehmen als Gesprächspartner auftreten.

B - Die Anlieferung zu den von der VBA abgehaltenen Versteigerungen

7 Nach Artikel 17 der Satzung der VBA sind ihre Mitglieder verpflichtet, alle in ihren Betrieben gezuechteten verbrauchsgeeigneten Erzeugnisse über die VBA zu verkaufen. Für die von der VBA erbrachten Dienstleistungen wird den Mitgliedern eine Gebühr oder Provision ("Versteigerungsgebühr") in Rechnung gestellt. 1991 betrug diese Gebühr 5,7 % des Verkaufserlöses. Bestimmte andere Lieferanten von niederländischen und ausländischen Erzeugnissen können ihre Waren gemäß den von der VBA festgelegten Bestimmungen ebenfalls auf deren Versteigerungen verkaufen, wobei sie verschiedene Gebühren zu entrichten haben, die im allgemeinen, je nach der Gruppe, zu der der betreffende Lieferant gehört, zwischen 7,2 % und 8,7 % des Verkaufserlöses schwanken. Doch können, wenn man von den Erzeugnissen der wenigen belgischen Mitglieder der VBA absieht, Erzeugnisse, die nicht aus den Niederlanden stammen, nur dann über die VBA verkauft werden, wenn die Sorten, die Mengen und das Anlieferungsschema in einem "Rahmenvertrag" mit der VBA für einen bestimmten Einfuhrzeitraum genau festgelegt werden. Die VBA schließt "Rahmenverträge" nur für Sorten und Mengen ab, die eine "interessante" Ergänzung des niederländischen Angebots darstellen.

C - Die unmittelbare Belieferung der auf dem Gelände der VBA niedergelassenen Händler: Die Situation vor dem 1. Mai 1988

8 Bis zum 1. Mai 1988 enthielt die Versteigerungsordnung der VBA Bestimmungen, durch die die Nutzung ihrer Räumlichkeiten für die Lieferung, den Kauf und Verkauf von Waren des Blumenhandels, die sie nicht selbst versteigerte, verhindert werden konnte. Danach galt insbesondere folgendes:

1. Nach Artikel 5 Nummer 10 der Versteigerungsordnung durften Erzeugnisse, die nicht über die VBA gekauft worden waren, auf dem Gelände und in den Gebäuden der VBA nur gegen Entrichtung einer Gebühr vorrätig gehalten werden;

2. nach Artikel 5 Nummer 11 war es untersagt, auf dem Gelände und in den Gebäuden der VBA ohne Zustimmung der Geschäftsführung mit Erzeugnissen, die nicht über die VBA gekauft worden waren, zu handeln oder solche Erzeugnisse auszuliefern.

9 In der Praxis wurde die Zustimmung der VBA für Geschäftstätigkeiten auf ihrem Gelände, die nicht von ihr versteigerte Erzeugnisse betrafen, nur im Rahmen bestimmter Verträge mit der Bezeichnung "handelsovereenkomsten" (Handelsverträge) oder gegen Entrichtung einer Gebühr von 10 % erteilt.

Die Handelsverträge

10 Mit den Handelsverträgen vom "Typ A bis E" gab die VBA bestimmten Händlern die Möglichkeit, einige bei anderen niederländischen Versteigerungen erworbene Waren des Blumenhandels gegen Entrichtung einer Gebühr in Höhe von 2,5 % des Verkaufspreises an bei ihr zugelassene Käufer zu verkaufen und zu liefern.

11 Ausserdem gab die VBA bestimmten Händlern mit den Handelsverträgen vom Typ F die Möglichkeit, Schnittblumen ausländischen Ursprungs gegen Entrichtung einer Gebühr von 5 % an bei ihr zugelassene Käufer zu verkaufen. In diesen Verträgen wurden die Mengen der zu verkaufenden Erzeugnisse, die Sorten und der Verkaufszeitraum genau bestimmt. Auch mussten die Erzeugnisse nach diesen Verträgen vom Mieter selbst eingeführt werden.

12 Ausserdem hatte ein auf dem Gelände der VBA niedergelassener Händler, wenn er selbst Erzeugnisse ausländischen Ursprungs einführte, die nicht in den Anwendungsbereich des Handelsvertrags vom Typ F fielen, die Möglichkeit, die Ware gegen Entrichtung einer Gebühr von 0,25 HFL pro Kollo auf das Gelände der VBA zu bringen (im folgenden: 0,25 HFL-Regelung). Hierfür war jedoch Bedingung, daß die Erzeugnisse nicht an andere Käufer der VBA weiterverkauft wurden.

Die Gebühr von 10 %

13 Abgesehen von den oben erwähnten Ausnahmen ergab sich aus Artikel 5 Nummern 10 und 11 der Versteigerungsordnung (siehe oben, Randnr. 8), daß sich die auf dem Gelände der VBA durchgeführten Geschäftstätigkeiten nur auf Erzeugnisse beziehen durften, die über die VBA erworben worden waren.

14 Doch konnte die VBA einem auf ihrem Gelände niedergelassenen Händler den Kauf von Erzeugnissen gestatten, die nicht über sie erworben wurden, sofern er eine Gebühr in Höhe von 10 % des Warenwerts zahlte, die zur "Verhinderung des nicht bestimmungsgemässen Gebrauchs der VBA-Einrichtungen" gedacht war. Diese Gebühr (im folgenden: 10 %-Regelung) wurde vom Käufer entrichtet.

D - Die Entscheidung von 1988

15 Im Jahr 1982 stellte die Florimex BV bei der Kommission gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), den Antrag, eine Zuwiderhandlung gegen die Artikel 85 und 86 EWG-Vertrag festzustellen, die die VBA insbesondere hinsichtlich der unmittelbaren Belieferung der auf ihrem Gelände niedergelassenen Händler begangen habe.

16 Am 5. November 1984 beantragte die VBA bei der Kommission ein Negativattest gemäß Artikel 2 der Verordnung Nr. 17 oder eine für sie günstige Entscheidung gemäß Artikel 2 der Verordnung Nr. 26 des Rates vom 4. April 1962 zur Anwendung bestimmter Wettbewerbsregeln auf die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse und den Handel mit diesen Erzeugnissen (ABl. 1962, Nr. 30, S. 993) oder, hilfsweise, eine Freistellungsentscheidung gemäß Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages. Dieser Antrag bezog sich u. a. auf ihre Satzung, die Versteigerungsordnung, die Handelsverträge vom Typ A bis F, die allgemeinen Mietbedingungen für die Geschäftsräume und die Gebührenordnung.

17 Am 26. Juli 1988 erließ die Kommission die Entscheidung 88/491/EWG betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag (IV/31.379 - Blömenveilingen Aalsmeer) (ABl. L 262, S. 27; im folgenden: Entscheidung von 1988). Diese Entscheidung betraf ausschließlich Artikel 5 Nummern 10 und 11 der Versteigerungsordnung, die Handelsverträge, und die Gebühren zur Verhinderung des nicht bestimmungsgemässen Gebrauchs der VBA-Einrichtungen, nämlich die 0,25 HFL-Regelung und die 10 %-Regelung, und zwar jeweils in der bis zum 1. Mai 1988 geltenden Fassung (vgl. Randnrn. 3 und 21 der Entscheidung). In dieser Entscheidung stellte die Kommission u. a. fest,

1. daß die folgenden Bestimmungen den Wettbewerb im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages einschränkten:

- Artikel 5 Nummern 10 und 11 der Versteigerungsordnung (Randnrn. 101 bis 111);

- die 10 %-Regelung (Randnrn. 112 bis 118); - die Handelsverträge (Randnrn. 119 bis 122); - die 0,25 HFL-Regelung (Randnr. 123);

2. daß diese Bestimmungen den Wettbewerb einschränkten und den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar beeinträchtigten (Randnrn. 124 bis 134);

3. daß Artikel 2 der Verordnung Nr. 26 nicht anwendbar sei (Randnrn. 135 bis 153);

4. daß die Voraussetzungen des Artikels 85 Absatz 3 nicht erfuellt seien (Randnrn. 156 bis 159);

5. daß die Untersagung der fraglichen Bestimmungen keine Enteignung darstelle (Randnrn. 160 bis 163).

18 Demgemäß hat die Kommission im verfügenden Teil der Entscheidung folgendes ausgeführt:

"Artikel 1

Die bei der Kommission angemeldeten, von der VBA geschlossenen Vereinbarungen, wonach die auf dem Gelände der VBA niedergelassenen Händler und deren Lieferanten zumindest bis zum 1. Mai 1988 verpflichtet waren, auf dem Gelände der VBA Waren des Blumenhandels, die nicht über die VBA gekauft wurden,

a) nur mit Zustimmung der VBA und unter den von dieser festgelegten Bedingungen zu handeln und/oder ausliefern zu lassen,

b) nur gegen Entrichtung einer von der VBA bestimmten Gebühr vorrätig zu halten,

stellen Zuwiderhandlungen gegen Artikel 85 Absatz 1 des EWG-Vertrages dar.

Die von der VBA den auf ihrem Gelände niedergelassenen Händlern auferlegten Gebühren zur Verhinderung des nicht-bestimmungsgemässen Gebrauchs der VBA-Einrichtungen (10 %-Abgabe und 0,25 hfl-Gebühr) sowie die zwischen der VBA und diesen Händlern geschlossenen Handelsverträge stellen in der bei der Kommission angemeldeten Form ebenfalls Zuwiderhandlungen dar.

Artikel 2

Eine Freistellung gemäß Artikel 85 Absatz 3 des EWG-Vertrages für die in Artikel 1 genannten Vereinbarungen wird versagt.

Artikel 3

Die VBA ist gehalten, keine Maßnahmen zu ergreifen, die demselben Zweck dienen oder dieselbe Wirkung wie die in Artikel 1 genannten Zuwiderhandlungen erzielen.

..."

E - Die neue Regelung der VBA über die unmittelbare Belieferung der auf ihrem Gelände niedergelassenen Händler

19 Mit Wirkung vom 1. Mai 1988 hat die VBA die Bezugsverpflichtungen und die sich aus Artikel 5 Nummern 10 und 11 der Versteigerungsordnung ergebenden Einschränkungen hinsichtlich der freien Verfügung über die Waren sowie die 10 %-Regelung und die 0,25 HFL-Regelung förmlich aufgehoben und zugleich eine "Benutzungsgebühr" ("facilitaire heffing") eingeführt. Die VBA hat auch geänderte Fassungen der Handelsverträge eingeführt.

Die Benutzungsgebühr

20 In seiner aktuellen Fassung bestimmt Artikel 4 Nummer 15 der Versteigerungsordnung, daß auf die Anlieferung von Erzeugnissen auf dem Versteigerungsgelände eine Benutzungsgebühr erhoben werden kann. Gemäß dieser Vorschrift erließ die VBA mit Wirkung vom 1. Mai 1988 eine Benutzungsgebührenregelung, die später, u. a. im September 1988 und Februar 1990, nach Erörterung mit der Kommission geändert wurde. Diese Regelung gilt für die unmittelbare Belieferung der auf dem Gelände der VBA niedergelassenen Händler, wenn die betreffenden Waren ohne Inanspruchnahme der Dienstleistungen der VBA abgesetzt werden.

21 Die Regelung, wie sie im Jahr 1991 in Kraft war, umfasst folgende Elemente:

a) Schuldner der Gebühr ist der Lieferant, d. h. die Person, die die Erzeugnisse selbst auf das Versteigerungsgelände bringt, oder das Unternehmen, in dessen Auftrag dies geschieht. Die Erzeugnisse werden kontrolliert, wenn sie auf das Versteigerungsgelände gebracht werden. Der Lieferant ist verpflichtet, die Zahl und die Art der auf das Gelände gebrachten Erzeugnisse anzugeben, nicht aber ihre Bestimmung.

b) Die Gebühr wird auf der Grundlage der Zahl der angelieferten Stengel (Schnittblumen) oder Pflanzen erhoben.

c) Ab 1. Mai 1991 wurde die Gebühr, die jedes Jahr überprüft wird, für die Zeit vom 1. Juli bis zum 30. Juni des darauffolgenden Jahres auf nachstehende Beträge festgesetzt:

- 0,3 Cent pro Stengel für eingeführtes Schnittgrün und Gartennarzissen ohne Blätter;

- 1,3 Cent pro Stengel für Schnittblumen (1,8 Cent für bestimmte Blumen);

- 3,5 Cent pro Pflanze (11,5 Cent für bestimmte Pflanzen);

- 14,2 Cent pro Zweig für Cymbidium;

- 62,5 Cent für Pflanzen in einem Topf mit einem Maß von mehr als 20.

d) Die erwähnten Gebühren werden von der VBA auf der Grundlage der Jahresdurchschnittspreise festgelegt, die im vorangegangenen Jahr für die betreffenden Warengruppen erzielt wurden. Nach Angaben der VBA wird ein Koeffizient von etwa 4,3 % des Jahresdurchschnittspreises der betreffenden Warengruppe angewandt.

e) Nach den von der VBA mit Wirkung von Februar 1990 eingeführten "Durchführungsbestimmungen zur Benutzungsgebühr" (siehe unten, Randnr. 34) können die Lieferanten anstelle der oben unter den Buchstaben b bis d beschriebenen Regelung eine Gebühr von 5 % entrichten. Diese Gebühr umfasst auch die Einziehung der Forderungen durch die VBA.

f) Die VBA hat sich gegenüber der Kommission verpflichtet, die insoweit erhaltenen Informationen nur für administrative Zwecke zu verwenden.

g) Ein Mieter von Geschäftsräumen, der Waren auf das Gelände der VBA verbringt, ist von der Benutzungsgebühr befreit, wenn er die betreffenden Erzeugnisse bei einer anderen Blumenversteigerung in der Gemeinschaft gekauft oder sie für eigene Rechnung in die Niederlande eingeführt hat, sofern er sie nicht an Händler auf dem Versteigerungsgelände weiterverkauft.

Die Handelsverträge

22 Durch Rundschreiben vom 29. April 1988 hob die VBA mit Wirkung vom 1. Mai 1988 die Beschränkungen auf, die bis dahin in den Handelsverträgen vorgesehen waren, und zwar insbesondere diejenigen, die die Bezugsquellen betrafen. In der Folge wurden die Bestimmungen der Handelsverträge, die bis dahin zwei unterschiedliche Sätze, nämlich 2,5 % (Typ A bis E) und 5 % (Typ F) des Warenwerts, vorgesehen hatten, mit Wirkung vom 1. Januar 1989 auf der Grundlage eines einheitlichen Satzes von 3 % harmonisiert.

23 Seitdem bestehen drei Typen von Handelsverträgen mit der Bezeichnung "Vertrag I, II und III", mit denen Situationen, die sich geringfügig voneinander unterscheiden, erfasst werden (je nachdem, ob der Lieferant Geschäftsräume von der VBA mietet oder ob er bereits an einem früheren Handelsvertrag beteiligt war), doch sind die Konditionen dieser Handelsverträge im übrigen beinahe identisch. Alle diese Verträge sehen eine Gebühr von 3 % des Bruttowerts der Waren vor, die an die Kunden auf dem Gelände der VBA geliefert werden (im folgenden: 3 %-Regelung). Nach Darstellung der VBA handelt es sich dabei zum grossen Teil um Waren, die in den Niederlanden nicht in ausreichendem Masse erzeugt werden, wie z. B. Orchideen, Proteasen und Lilien. Die VBA sorgt für das Inkasso.

F - Die das Handelszentrum Cultra betreffenden Verträge

24 Da sich die VBA bemüht, die durchschnittliche Grösse der Versteigerungslose zu erhöhen, sind die kleinen Händler (es handelt sich im allgemeinen um Einzelhändler) in der Praxis von den Versteigerungen ausgeschlossen. Doch haben diese kleinen Händler die Möglichkeit, Käufe im Großhandelszentrum "Cultra" auf dem Gelände der VBA zu tätigen, das sechs "Cash-and-carry"-Geschäfte umfasst. In zwei dieser Geschäfte wird der Großhandel mit Schnitt- und Trockenblumen, in zwei weiteren der Großhandel mit Zimmerpflanzen und in jeweils einem der Großhandel mit Gartenpflanzen und Hydrokulturpflanzen betrieben. Mit Ausnahme des Unternehmens, das Hydrokulturpflanzen verkauft, sind diese Großhändler vertraglich verpflichtet, ihre Waren über die VBA zu beziehen.

G - Der Ablauf des Verwaltungsverfahrens in der Zeit vom Erlaß der Entscheidung von 1988 bis zur Übersendung des Schreibens vom 4. März 1991

25 Am 19. Juli 1988 meldete die VBA bei der Kommission die mit Wirkung vom 1. Mai 1988 festgelegten Änderungen ihrer Regelung, insbesondere die neue Benutzungsgebühr (siehe oben, Randnr. 19), an, nicht aber die neuen Handelsverträge. Diese Anmeldung wurde unter der Nr. IV/32.750 - Blömenveilingen Aalsmeer II - registriert.

26 Mit Schreiben von Ende Juli 1988 teilte das für Wettbewerbsfragen zuständige Kommissionsmitglied der VBA mit, daß ihre Regelung vorbehaltlich einer förmlichen Anmeldung bestimmter, damals von der VBA vorgeschlagener zusätzlicher Änderungen Gegenstand einer etwaigen Freistellung gemäß Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages sein könne.

27 Am 15. August 1988 wurden zusätzliche Änderungen der Regelung der VBA bei der Kommission im Rahmen des Verfahrens Nr. IV/32.750 - Blömenveilingen Aalsmeer II - angemeldet.

28 Die das Handelszentrum Cultra betreffenden Verträge (im folgenden: Cultra-Verträge) wurden ebenfalls am 15. August 1988 bei der Kommission angemeldet. Diese Anmeldung wurde unter der Nr. IV/32.835 - Cultra - registriert.

29 Mit Schreiben vom 18. Mai, 11. Oktober und 29. November 1988 reichte die Florimex BV bei der Kommission förmlich eine Beschwerde gegen die Benutzungsgebühr ein, die unter der Nr. IV/32.751 registriert wurde, wobei sie u. a. geltend machte, daß die Benutzungsgebühr dasselbe Ziel oder dieselbe Wirkung habe wie die von der Kommission in der Entscheidung von 1988 untersagte 10 %-Regelung und daß der Satz der Benutzungsgebühr für bestimmte Erzeugnisse sogar noch höher sei.

30 Die VGB reichte mit Schreiben vom 15. November 1988 eine ähnliche Beschwerde ein, die unter der Nr. IV/32.990 registriert wurde.

31 Mit Schreiben vom 21. Dezember 1988 teilte die Kommission der Florimex BV und der VGB mit, daß sie in den Sachen IV/32.750 - Blömenveilingen Aalsmeer II - und IV/32.835 - Cultra - Verfahren eingeleitet habe mit den rechtlichen Folgen, die sich aus Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 ergäben. In diesen Schreiben stellte sich die Kommission insbesondere auf den Standpunkt, daß die Benutzungsgebühr im Vergleich zu den Gebühren, die die Mitglieder und die anderen Lieferanten schuldeten, die ihre Waren über die Versteigerungen der VBA verkauften, nicht diskriminierend sei. Zu den Cultra-Verträgen vertrat die Kommission die Auffassung, daß sie keine spürbaren Auswirkungen auf den Wettbewerb oder den Handel zwischen Mitgliedstaaten hätten.

32 Am 4. April 1989 veröffentlichte die Kommission die Mitteilung 89/C 83/03 gemäß Artikel 19 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates und aufgrund von Artikel 2 der Verordnung Nr. 26 des Rates in den Sachen IV/32.750 - Blömenveilingen Aalsmeer II - und IV/32.835 - Cultra (ABl. C 83, S. 3; im folgenden: Mitteilung vom 4. April 1989). In dieser Mitteilung gab die Kommission ihre Absicht bekannt, die Regelung der VBA in bezug auf folgende Punkte positiv zu beurteilen: a) die Beschickung der Versteigerungen durch die Mitglieder der VBA und andere Lieferanten; b) die Versteigerungsbedingungen einschließlich bestimmter Regeln der VBA über Qualitätsnormen und Mindestpreise; c) die im Falle der unmittelbaren Belieferung der auf dem Gelände der VBA niedergelassenen Händler zu entrichtende Benutzungsgebühr; d) die Cultra-Verträge.

33 Mit Schreiben vom 3. Mai 1989 gaben die Florimex BV und die VGB ihre Erklärungen zur Mitteilung vom 4. April 1989 ab und beantworteten zugleich die Schreiben der Kommission vom 21. Dezember 1988. In ihren Schreiben wandten sie sich gegen die Absicht der Kommission, die Benutzungsgebühr und die Cultra-Verträge positiv zu beurteilen, und reichten hinsichtlich der Handelsverträge förmliche Beschwerden ein. Mit Schreiben vom 23. Mai und 14. Juni 1989 an die Kommission führte die Florimex BV ihre Beschwerden näher aus.

34 Am 7. Februar 1990 meldete die VBA bei der Kommission ihre ergänzende Regelung bezueglich der "Durchführungsbestimmungen zur Benutzungsgebühr" an, die dem Lieferanten die Möglichkeit gab, die Benutzungsgebühr durch Zahlung eines Pauschalsatzes von 5 % des Warenwerts mit Inkasso durch die VBA zu entrichten (siehe oben, Randnr. 21 Buchstabe e). Am selben Tag meldete die VBA die neuen Handelsverträge bei der Kommission an. Diese Anmeldungen wurden unter der Nr. IV/33.624 - Blömenveilingen Aalsmeer III - registriert.

35 Mit Schreiben vom 24. Oktober 1990 teilte die Kommission den Klägerinnen ihre Absicht mit, in der Sache Nr. IV/32.750 - Blömenveilingen Aalsmeer II - u. a. hinsichtlich der Versteigerungspflicht der Mitglieder der VBA und der Benutzungsgebühr eine für die VBA günstige Entscheidung zu erlassen. Sie führte auch aus, daß die die Cultra-Verträge betreffende Akte Nr. IV/32.835 daher ohne förmliche Entscheidung geschlossen werde. Weiter gab die Kommission ihre Absicht bekannt, die Akte bezueglich der neuen Handelsverträge und der am 7. Februar 1990 angemeldeten "Durchführungsbestimmungen zur Benutzungsgebühr" (IV/33.624) ohne förmliche Entscheidung zu schließen, sofern sich die VBA hinsichtlich dieser "Durchführungsbestimmungen" verpflichte, die erhaltenen Auskünfte ausschließlich für die buchhalterische Abwicklung der von ihr erbrachten Dienstleistungen und keinesfalls für eigene finanzielle Zwecke zu verwenden.

36 Die Klägerinnen wiederholten ihr Vorbringen in zwei Schreiben vom 26. November und 17. Dezember 1990 sowie bei einem Gespräch, das sie am 27. November 1990 mit Bediensteten der zuständigen Dienststellen der Kommission führten. Sie baten die Kommission insbesondere, die bei ihr eingereichten Beschwerden in förmlicher Weise zu behandeln.

H - Das Schreiben gemäß Artikel 6 vom 4. März 1991 und die streitige Entscheidung vom 2. Juli 1992

37 Mit Schreiben vom 4. März 1991 (im folgenden: Schreiben gemäß Artikel 6) teilte die Kommission den Klägerinnen gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63/EWG der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze (1) und (2) der Verordnung Nr. 17 (ABl. 1963, Nr. 127, S. 2268) mit, daß die von der Kommission ermittelten Umstände es nicht rechtfertigten, ihren Beschwerden bezueglich der von der VBA verlangten Benutzungsgebühr stattzugeben.

38 Die tatsächlichen und rechtlichen Überlegungen, die die Kommission zu dieser Schlußfolgerung veranlassten, sind im einzelnen in einem dem Schreiben gemäß Artikel 6 beigefügten Dokument dargelegt. Am 4. März 1991 übersandte die Kommission dieses Dokument auch der VBA mit dem Hinweis, daß es sich dabei um den Vorentwurf einer Entscheidung handele, die sie gemäß Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 26 erlassen wolle.

39 Im Teil "Rechtliche Würdigung" dieses Dokuments stellte die Kommission erstens fest, daß die Bestimmungen über die Beschickung der Versteigerungen und die Regeln über die unmittelbare Belieferung der auf dem Gelände der VBA niedergelassenen Händler zu einem Komplex von Beschlüssen und Vereinbarungen bezueglich des Angebots von Waren des Blumenhandels auf dem Gelände der VBA gehörten, die unter Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages fielen. Zweitens stellte sie fest, daß diese Beschlüsse und Vereinbarungen im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 26 zur Verwirklichung der Ziele des Artikels 39 des Vertrages notwendig seien.

40 Zur Anwendung von Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 26 in bezug auf die Beschickung der Versteigerungen stellte die Kommission in Nummer II 2 a des dem Schreiben vom 4. März 1991 beigefügten Dokuments u. a. fest:

"Kern der Regeln über die Beschickung der Versteigerungen ist die den Mitgliedern der VBA auferlegte Versteigerungspflicht, die ihre Grundlage in Artikel 17 der Satzung der VBA findet. Diese Versteigerungspflicht stellt ein wesentliches Element der genossenschaftlichen Organisationsform der VBA dar, die zur Verwirklichung der in Artikel 39 genannten Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik notwendig ist.

Die Bedeutung, die den Erzeugergemeinschaften und ihren Vereinigungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik zukommt, geht aus der Verordnung (EWG) Nr. 1360/78 des Rates vom 19. Juni 1978 hervor. Die Ziele des Artikels 39 Absatz 1 können nicht erreicht werden, wenn man nicht die strukturellen Mängel beseitigt, die sich nachteilig auf die Produktion von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und insbesondere auf die erste Stufe des Vertriebs dieser Erzeugnisse auswirken. Dieser Lage kann dadurch abgeholfen werden, daß sich selbständige Landwirte auf genossenschaftlicher Grundlage mit dem Ziel zusammenschließen, durch gemeinsame Maßnahmen, die u. a. auf die Konzentration des Angebots gerichtet sind, in den Wirtschaftsprozeß einzugreifen (fünfte und sechste Begründungserwägung der Verordnung [EWG] Nr. 1360/78).

Dieser allgemein geltende Grundsatz muß auch im vorliegenden Fall Anwendung finden. Zwar geht aus einer Analyse der Zusammensetzung des Mitgliederbestands der VBA hervor, daß eine kleine Gruppe schon für sich genommen ein relativ grosses ökonomisches Gewicht besitzt, doch handelt es sich bei der grossen Mehrheit der in der VBA zusammengeschlossenen Erzeuger um Landwirte, die nur aufgrund einer Bündelung des Angebots in der Lage sind, über die regionale Ebene hinaus am Wirtschaftsprozeß teilzunehmen.

Grundsätzlich können Genossenschaften ihre Aufgabe, die Vertriebsstrukturen zu verbessern, nur erfuellen, wenn das Angebot aller Mitglieder zusammengefasst wird. Daher ist in den Maßnahmen, die die Gemeinschaft zur Förderung der Schaffung genossenschaftlicher Strukturen ergriffen hat, festgelegt, daß die Satzungen der zu unterstützenden Erzeugergemeinschaften entweder einheitliche Anlieferungs- und Vermarktungsregeln enthalten oder vorsehen müssen, daß die gesamte für die Vermarktung bestimmte Produktion durch die Erzeugergemeinschaft abgesetzt wird (Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung [EWG] Nr. 1360/78; Artikel 13 der Verordnung [EWG] Nr. 1035/72)."

41 Zur Anwendung von Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 26 in bezug auf die unmittelbare Belieferung der auf dem Gelände der VBA niedergelassenen Händler führte die Kommission in Nummer II 2 b dieses Dokuments folgendes aus:

"Die Benutzungsgebühren stellen einen wesentlichen Bestandteil des Vertriebssystems der VBA dar, ohne den ihre Wettbewerbsfähigkeit und damit auch ihr Fortbestehen gefährdet würden. Folglich sind sie auch zur Verwirklichung der Ziele des Artikels 39 notwendig.

Will die VBA, die auf die Ausfuhr spezialisiert ist, in der Lage sein, ihr Ziel als Unternehmen zu erreichen, will sie, mit anderen Worten, in der Lage sein, sich als bedeutende Bezugsquelle für den internationalen Blumenhandel zu entwickeln und zu behaupten, dann ist es wegen der Verderblichkeit und Empfindlichkeit der vertriebenen Erzeugnisse ("Waren des Blumenhandels") erforderlich, daß sich die Ausfuhrhändler, geographisch gesehen, in ihrer Nähe befinden. Die von der VBA im eigenen Interesse angestrebte geographische Bündelung der Nachfrage auf ihrem Gelände ist nicht allein Folge des Umstands, daß dort ein komplettes Sortiment von Erzeugnissen angeboten wird, sondern auch und vor allem Folge des Umstands, daß diese Händler dort über Dienste und Einrichtungen verfügen können, die ihnen die Ausübung der Handelstätigkeit erleichtern.

Die geographische Bündelung des Angebots und der Nachfrage auf dem Gelände der VBA stellt einen wirtschaftlichen Vorteil dar, der das Ergebnis bedeutender materieller und immaterieller Anstrengungen der VBA ist.

Könnten die Händler von diesem Vorteil gratis profitieren, so würde das Fortbestehen der VBA gefährdet, weil die daraus folgende diskriminierende Behandlung der mit der VBA verbundenen Lieferanten die Amortisierung der für die VBA unvermeidlichen Kosten und die Deckung der laufenden Betriebskosten verhindern würde."

42 Zur Frage, ob sich die VBA durch die Benutzungsgebühr einen nicht gerechtfertigten Vorteil verschafft, der wettbewerbsbeschränkende Wirkungen hat, führte die Kommission dann aus, daß es nicht erforderlich sei, die Gebührensätze auf der Grundlage einer betriebswirtschaftlichen Aufteilung der verschiedenen Kosten mit mathematischer Genauigkeit zu berechnen, sondern daß es ausreiche, die Sätze der Gebühren zu vergleichen, die den Lieferanten jeweils in Rechnung gestellt würden (Nr. II 2 b Absätze 5 und 6 des dem Schreiben vom 4. März 1991 beigefügten Dokuments). Die Kommission kam zu folgendem Ergebnis:

"Aus einem Vergleich der Versteigerungsgebühren und der Benutzungsgebühren... geht hervor, daß eine weitgehende Gleichbehandlung aller Lieferanten gewährleistet ist. Zwar wird ein nicht genau zu bestimmender Teil der Versteigerungsgebühren durch die Vergütung gebildet, die als Gegenleistung für die mit der Versteigerung erbrachte Dienstleistung zu zahlen ist, doch stehen dieser Dienstleistung, soweit im vorliegenden Fall ein Vergleich mit den Benutzungsgebühren hinsichtlich der Höhe möglich ist, Lieferverpflichtungen gegenüber. Die Händler, die mit der VBA Handelsverträge geschlossen haben, übernehmen auch diese Lieferverpflichtungen. Folglich haben die Regeln über die Benutzungsgebühren keine Wirkungen, die mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar wären" (a. a. O., Nr. II 2 b Abs. 7).

43 Schließlich vertrat die Kommission die Auffassung, daß die Wirkung der Benutzungsgebühr der des Mindestversteigerungspreises entspreche. Sie führte dazu aus: "Je niedriger der tatsächlich erzielte Preis ist, desto höher wird die Belastung. Hierdurch wird der Anreiz zu Anlieferungen in Zeiten eines Angebotsüberschusses vermindert, was sicher erwünscht ist" (a. a. O., Nr. II 2 b Abs. 6).

44 Auf das Schreiben gemäß Artikel 6 antworteten die Klägerinnen mit einem Schreiben vom 17. April 1991, in dem sie ihre Beschwerden hinsichtlich der Benutzungsgebühr, der Cultra-Verträge und der Handelsverträge aufrechterhielten. Sie machten auch geltend, daß die Kommission in diesem Schreiben weder auf die Cultra-Verträge noch auf die neuen Handelsverträge eingegangen sei, so daß ein Schreiben gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 in dieser Hinsicht fehle.

45 Unter dem Datum vom 2. Juli 1992 übersandte die Kommission dem Rechtsanwalt der Klägerinnen ein Einschreiben mit Empfangsbestätigung, das die Nummer SG (92) D/8782 trug und mit dem der Anwalt über die endgültige Zurückweisung der Beschwerden der Klägerinnen bezueglich der Benutzungsgebühr unterrichtet wurde. Dieses Schreiben wurde am 13. Juli 1992 vom Schalter des Postamts abgeholt, in dem der Anwalt der Klägerinnen sein Postfach hatte.

46 In diesem Schreiben vom 2. Juli 1992 (im folgenden: streitige Entscheidung) legte die Kommission dar, daß die darin gegebene Begründung eine Ergänzung und Erläuterung derjenigen Begründung darstelle, die in ihrem Schreiben gemäß Artikel 6, auf das sie Bezug nehme, enthalten sei. Die Kommission führte weiter aus:

"Ausgangspunkt für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung der Kommission ist die Gesamtheit der Beschlüsse und Vereinbarungen, die sich auf das Angebot von Waren des Blumenhandels auf dem Gelände der VBA beziehen. Die Bestimmungen über die unmittelbare Belieferung der auf diesem Gelände niedergelassenen Händler bilden nur einen Teil dieses Komplexes. Nach Auffassung der Kommission ist dieser Komplex von Beschlüssen und Vereinbarungen grundsätzlich für die Verwirklichung der Ziele erforderlich, die in Artikel 39 EWG-Vertrag genannt werden. Der Umstand, daß die Kommission dies bis jetzt noch nicht in einer förmlichen Entscheidung gemäß Artikel 2 der Verordnung Nr. 26 festgestellt hat, tut der positiven Haltung, die die Kommission in dieser Hinsicht einnimmt, keinen Abbruch."

47 Die Kommission ging danach auf bestimmte zusätzliche Argumente der Klägerinnen ein und führte zum Abschluß aus:

"Die Kommission stellt nicht in Abrede, daß andere Bestimmungen über die unmittelbare Belieferung der auf einem Versteigerungsgelände niedergelassenen Händler denkbar sind. Die Regelung der Versteigerung Westland stellt hierfür ein gutes Beispiel dar. Doch ist es nicht Sache der Kommission, die Vor- und Nachteile solcher Regelungen gegeneinander abzuwägen. Die betroffenen Händler selbst müssten die ersten sein, die die gebotenen kommerziellen Schlußfolgerungen aus den bestehenden Unterschieden ziehen."

I - Der Schriftverkehr nach der streitigen Entscheidung

48 Mit Schreiben vom 5. August 1992 unterrichtete die Kommission die Klägerinnen darüber, daß sie ihre Untersuchung bezueglich der Handelsverträge und der Cultra-Verträge abgeschlossen habe. Sie forderte die Klägerinnen auf, ihr innerhalb einer Frist von vier Wochen mitzuteilen, ob sie ihre Beschwerden hinsichtlich dieser Handelsverträge und der Cultra-Verträge aufrechterhalten wollten.

49 Am 22. Dezember 1992 beantwortete der Anwalt der Klägerinnen das Schreiben vom 5. August 1992. Er legte dar, daß es ihm aufgrund widriger Umstände nicht möglich gewesen sei, früher zu reagieren, und betonte, daß die Klägerinnen ihre Beschwerden aufrechterhalten wollten.

50 Da sich der Gesundheitszustand des Anwalts der Klägerinnen stark verschlechtert hatte, beauftragten die Klägerinnen am 3. November 1993 einen anderen Anwalt. Dieser bat die Kommission mit Schreiben vom 9. Dezember 1993, zu dem Schreiben vom 22. Dezember 1992 Stellung zu nehmen.

51 Das Schreiben vom 9. Dezember 1993 beantwortete die Kommission mit einem Schreiben vom 20. Dezember 1993, in dem sie u. a. ausführte, daß eine vorläufige Prüfung des Schreibens vom 22. Dezember 1992, die von Amts wegen vorgenommen worden sei, keine Veranlassung zum Tätigwerden gemäß Artikel 85 Absatz 1 oder Artikel 86 des Vertrages gegeben habe. Dieses Schreiben vom 20. Dezember 1993 ist Gegenstand der Klage in der Rechtssache T-77/94 (VGB u. a./Kommission).

Verfahren

52 Am 21. September 1992 haben die Florimex BV und die VGB gegen die streitige Entscheidung die Klagen T-70/92 und T-71/92 erhoben.

53 Mit Schriftsatz, der am 16. Oktober 1992 in beiden Rechtssachen eingereicht wurde, hat die Kommission eine Einrede der Unzulässigkeit im Sinne von Artikel 114 § 1 der Verfahrensordnung erhoben.

54 Durch Beschluß des Präsidenten der Ersten Kammer des Gerichts vom 14. Juni 1993 sind die Rechtssachen T-70/92 und T-71/92 zu gemeinsamem schriftlichem und mündlichem Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

55 Durch Beschluß des Gerichts (Erste Kammer) vom 6. Juli 1993 ist die Entscheidung über die Einrede der Unzulässigkeit dem Endurteil vorbehalten worden.

56 Durch Beschluß des Präsidenten der Ersten Kammer des Gerichts vom 13. Juli 1993 ist die VBA in den verbundenen Rechtssachen T-70/92 und T-71/92 als Streithelferin zugelassen worden.

57 Durch Entscheidung des Gerichts vom 19. September 1995, die am 1. Oktober 1995 in Kraft trat, ist der Berichterstatter der Zweiten Kammer zugeteilt worden, der die Rechtssachen folglich zugewiesen worden sind.

58 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Zweite erweiterte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Im Rahmen prozeßleitender Maßnahmen ist die Kommission aufgefordert worden, bestimmte Fragen vor der mündlichen Verhandlung schriftlich zu beantworten. Sie hat ihre Antwort am 3. April 1996 eingereicht.

59 Die mündliche Verhandlung in den vorliegenden Rechtssachen, der sich die mündliche Verhandlung in der Rechtssache T-77/94 anschloß, hat am 5. Juni 1996 stattgefunden. In dieser Sitzung war das Gericht mit dem Präsidenten H. Kirschner sowie den Richtern B. Vesterdorf, C. W. Bellamy, A. Kalogeropoulos und A. Potocki besetzt.

60 Nach dem am 6. Februar 1997 erfolgten Ableben des Richters H. Kirschner ist das vorliegende Urteil gemäß Artikel 32 § 1 der Verfahrensordnung von den drei Richtern, deren Unterschrift es trägt, beraten worden.

Anträge der Verfahrensbeteiligten

61 In ihren Klageschriften beantragen die Klägerinnen, die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären. In ihrer Erwiderung beantragen sie die Zurückweisung der Einrede der Unzulässigkeit und die Verurteilung der Kommission zur Tragung der Kosten.

62 Die Kommission beantragt,

- die Klagen für unzulässig zu erklären;

- hilfsweise, die Klagen als unbegründet abzuweisen;

- die Klägerinnen gesamtschuldnerisch zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

63 Die VBA als Streithelferin unterstützt die Anträge der Kommission und beantragt, den Klägerinnen gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens einschließlich der ihr entstandenen Kosten aufzuerlegen.

64 In ihren Erklärungen zum Streithilfeschriftsatz erhalten die Klägerinnen ihre Anträge aufrecht und beantragen die Verurteilung der VBA zur Tragung der Kosten.

Zulässigkeit

Zusammenfassung des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten

65 Es steht fest, daß es sich bei der streitigen Entscheidung um ein Schreiben mit der Angabe "Einschreiben mit Empfangsbestätigung" handelt, das das Datum des 2. Juli 1992 trägt und zu Händen des Rechtsanwalts der Klägerinnen an das Postfach seiner Kanzlei gerichtet wurde. Ein Dokument des Postamts, bei dem das Schreiben vom 2. Juli 1992 abgeholt wurde, ist zu den Akten gegeben worden. Auf der Vorderseite dieses Dokuments befindet sich folgende "Eingangsbenachrichtigung": "Sie können während der Öffnungszeiten des Postamts die unten bezeichneten Postsendungen abholen." Nach dieser Benachrichtigung, die einen Stempel vom 9. Juli 1992 trägt, folgt der Hinweis auf eine Sendung aus Brüssel. Auf der Rückseite dieses Dokuments befindet sich u. a. eine Empfangserklärung mit einer Unterschrift und einem Stempel vom 13. Juli 1992. Es steht fest, daß diese Eingangsbenachrichtigung von der Post in das Postfach des Anwalts der Klägerinnen gelegt wurde und daß die streitige Entscheidung am Montag, dem 13. Juli 1992, auf Vorlage dieser Benachrichtigung am Postschalter ausgehändigt wurde.

66 Unter diesen Umständen macht die Kommission geltend, daß die am 21. September 1992 eingereichten Klagen nach Ablauf der in Artikel 173 letzter Absatz des Vertrages vorgesehenen Frist von zwei Monaten erhoben worden seien.

67 Diese Frist sei nämlich zu dem Zeitpunkt in Lauf gesetzt worden, zu dem der Adressat in der Lage gewesen sei, von der Entscheidung Kenntnis zu nehmen (Urteil des Gerichtshofes vom 21. Februar 1973 in der Rechtssache 6/72, Europemballage und Continental Can/Kommission, Slg. 1973, 215, Randnr. 10; Urteil des Gerichts vom 29. Mai 1991 in der Rechtssache T-12/90, Bayer/Kommission, Slg. 1991, II-219, Randnr. 19, insoweit bestätigt durch Urteil des Gerichtshofes vom 15. Dezember 1994 in der Rechtssache C-195/91 P, Bayer/Kommission, Slg. 1994, I-5619, Randnr. 21). Nach Auffassung der Kommission ist der Adressat im vorliegenden Fall am Donnerstag, dem 9. Juli 1992, oder spätestens am Freitag, dem 10. Juli, dem Tag nach der Einlegung der Eingangsbenachrichtigung in sein Postfach, in der Lage gewesen, von der betreffenden Sendung Kenntnis zu nehmen, und die Klageschriften hätten deshalb unter Berücksichtigung der Entfernungsfrist spätestens am 16. September 1992 um 24 Uhr eingereicht werden müssen. Es könne angenommen werden, daß die Benachrichtigung entsprechend dem Stempelaufdruck am Donnerstag, dem 9. Juli 1992, in das Postfach gelegt worden sei. Es sei nicht unangemessen, vom Inhaber eines Postfachs eine tägliche Leerung, auch während der Ferien, zu erwarten, und jede Verzögerung gehe auf seine Gefahr. Würde das Vorbringen der Klägerinnen akzeptiert, so wäre es nach Auffassung der Kommission möglich, die Klagefrist dadurch zu umgehen, daß man sich auf anderem Wege Kenntnis vom Text des Rechtsakts verschaffe.

68 Die Kommission trägt weiter vor, daß die Zustellung an den Anwalt der Klägerinnen, bei der sie ebenso verfahren sei wie bei der Übersendung des gesamten Schriftverkehrs mit den Klägerinnen, eine wirksame Zustellung darstelle, da diese Art der Zustellung ständige Praxis der Kommission sei. Die Übersendung an das Postfach des Adressaten statt an sein Büro sei ebenfalls wirksam.

69 Die VBA unterstützt das Vorbringen der Kommission.

70 Nach Auffassung der Klägerinnen ist die Klagefrist frühestens am Montag, dem 13. Juli 1992, in Lauf gesetzt worden, d. h. an dem Tag, an dem der Angestellte ihres Anwalts die Sendung am Postschalter abgeholt und die Empfangsbestätigung unterzeichnet habe. Es sei im übrigen nicht bewiesen, daß die Eingangsbenachrichtigung am Donnerstag, dem 9. Juli 1992, in das Postfach gelegt worden sei, sondern nur, daß die Postsendung an diesem Tag in Amsterdam eingetroffen sei; als einziges Datum stehe aufgrund der Unterzeichnung der Empfangsbestätigung das Datum der Abholung der Sendung fest, nämlich Montag, der 13. Juli 1992. Im übrigen sei es Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Zustellung, daß sie an den Sitz des betroffenen Unternehmens (Urteil des Gerichtshofes vom 26. November 1985 in der Rechtssache 42/85, Cockerill-Sambre/Kommission, Slg. 1985, 3749) und nicht an den Anwalt dieses Unternehmens erfolge. Daraus ergebe sich, daß es nur auf die Kenntnisnahme durch die Klägerinnen selbst, die nicht vor dem 15. Juli 1992 möglich gewesen sei, ankomme.

Würdigung durch das Gericht

71 Artikel 173 letzter Absatz des Vertrages bestimmt: "Die in diesem Artikel vorgesehenen Klagen sind binnen zwei Monaten zu erheben; diese Frist läuft je nach Lage des Falles von der Bekanntgabe der betreffenden Handlung, ihrer Mitteilung an den Kläger oder in Ermangelung dessen von dem Zeitpunkt an, zu dem der Kläger von dieser Handlung Kenntnis erlangt hat."

72 Nach Anlage II der Verfahrensordnung des Gerichtshofes und nach Artikel 102 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts (im folgenden: Verfahrensordnung) verlängert sich die in Artikel 173 letzter Absatz des Vertrages vorgesehene Frist von zwei Monaten für eine Partei, die in den Niederlanden ansässig ist, um sechs Tage. Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag oder Sonntag, so endet die Frist mit Ablauf des nächstfolgenden Werktags (Artikel 101 § 2 der Verfahrensordnung). Die Fristen beginnen am Tag nach der Bekanntgabe (Artikel 102 § 1 und Artikel 101 § 1 Buchstabe a der Verfahrensordnung).

73 Die Klageschriften sind am Montag, dem 21. September 1992, eingereicht worden. Folglich sind die Klagen zulässig, wenn das Ende der Klagefrist entweder auf diesen Tag oder auf Sonntag, den 20. September 1992, oder Samstag, den 19. September 1992, gefallen ist. Dies setzt voraus, daß das Ereignis, das die Frist in Lauf gesetzt hat, frühestens am 13. Juli 1992 eingetreten ist.

74 Nach ständiger Rechtsprechung ist es Sache der Partei, die sich auf die Verspätung einer Klage beruft, das Datum zu beweisen, an dem die Entscheidung mitgeteilt wurde (Urteil des Gerichts vom 9. Juni 1994 in der Rechtssache T-94/92, X/Kommission, Slg. ÖD 1994, II-481, Randnr. 22).

75 Im vorliegenden Fall ist erwiesen, daß der Angestellte des Anwalts der Klägerinnen am Montag, dem 13. Juli 1992, die Eingangsbenachrichtigung mit dem Hinweis auf eine Sendung "aus Brüssel" im Postfach seines Arbeitgebers vorgefunden, diese Benachrichtigung am Postschalter vorgelegt und das Schreiben der Kommission vom 2. Juli 1992 eigenhändig entgegengenommen hat.

76 Dagegen kann das Gericht nur feststellen, daß hinsichtlich des Zeitpunkts, zu dem die Eingangsbenachrichtigung in das Postfach des Anwalts der Klägerinnen gelegt wurde, keinerlei Beweis erbracht worden ist. Da die Kommission somit nicht in der Lage war, die tatsächliche Grundlage ihres Vorbringens zu beweisen, wonach die Klagefrist am 9. oder 10. Juli 1992 in Lauf gesetzt wurde, brauchen die rechtlichen Konsequenzen, die sie daraus ziehen will, nicht geprüft zu werden.

77 Folglich sind die Klagen zulässig.

Begründetheit

78 Die Klägerinnen machen eine Reihe von Klagegründen geltend, die sie auf einen Verfahrensfehler, eine unzureichende Begründung, einen Rechtsfehler und/oder einen offensichtlichen Beurteilungsfehler stützen. Diese Klagegründe sind in folgende vier Rubriken einzuteilen: 1. Klagegründe, mit denen ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird, da die Benutzungsgebühr zu Unrecht getrennt behandelt worden sei; 2. Klagegründe, die aus einem Verstoß gegen Artikel 19 der Verordnung Nr. 17 und aus dem Fehlen einer förmlichen Entscheidung gemäß Artikel 2 der Verordnung Nr. 26 hergeleitet werden; 3. Klagegründe, mit denen geltend gemacht wird, daß Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 26 unanwendbar und die Begründung insoweit unzureichend sei; 4. Klagegründe, mit denen eine Ungleichbehandlung der Drittlieferanten und der an den Handelsverträgen beteiligten Lieferanten hinsichtlich der Sätze der Benutzungsgebühr und der in den Handelsverträgen vorgesehenen Gebühr geltend gemacht wird.

1. Zu den Klagegründen, mit denen ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird, da die Benutzungsgebühr zu Unrecht getrennt behandelt worden sei

Zusammenfassung des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten

79 Die Klägerinnen tragen vor, daß die Kommission einen sie beschwerenden Verfahrensfehler begangen habe, indem sie nicht eine einzige Entscheidung in bezug auf alle von ihnen eingereichten Beschwerden erlassen habe. Ausserdem habe dieser Fehler der Kommission zu einer unzureichenden Begründung und/oder einem Beurteilungsfehler geführt.

80 Die Klägerinnen führen aus, daß sie nicht nur gegen die Benutzungsgebühr, sondern auch, insbesondere in ihren Schreiben vom 3. Mai 1989, hinsichtlich der Handelsverträge und der Cultra-Verträge Beschwerden eingelegt hätten. Die Kommission habe diese verschiedenen Beschwerden im übrigen in einer einzigen Akte zusammengefasst und versprochen, das Verfahren durch eine förmliche Entscheidung abzuschließen, damit die Klägerinnen beim Gericht Klage erheben könnten. Ausserdem hätten die Klägerinnen während des gesamten Verwaltungsverfahrens vorgetragen, daß die verschiedenen Aspekte der Regelung der VBA unter Berücksichtigung des zwischen ihnen bestehenden Zusammenhangs geprüft werden müssten, wie dies die Kommission in der Entscheidung von 1988 getan habe.

81 Trotz dieser Erwägungen befasse sich das Schreiben gemäß Artikel 6 nur mit der Benutzungsgebühr und nicht mit den Handelsverträgen oder Cultra-Verträgen. Die Klägerinnen seien daher in ihren prozessualen Rechten verletzt, weil die ihnen gebotenen Möglichkeiten zur Anrufung des Gerichts aufgrund des Umstands, daß die streitige Entscheidung nur einen Teil ihrer Rügen betreffe, beschränkt seien. Weiter führen die Klägerinnen aus, daß sie im Fall der förmlichen Zurückweisung der anderen Teile ihrer Beschwerden gezwungen wären, eine zweite Klage beim Gericht zu erheben.

82 Ausserdem habe die Kommission einen Beurteilungsfehler begangen, weil sie die Vereinbarkeit der Benutzungsgebühr mit Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages nicht im Kontext der anderen Regelungen der VBA, insbesondere der Handelsverträge und der Cultra-Verträge, beurteilt habe, und sie habe ihre Entscheidung, die Benutzungsgebühr isoliert statt im Zusammenhang mit den Handelsverträgen und den Cultra-Verträgen zu prüfen, nicht begründet.

83 Die Kommission macht geltend, daß sie nicht verpflichtet gewesen sei, alle Beschwerden gleichzeitig im Rahmen ein und desselben Verfahrens zu behandeln (Urteil des Gerichtshofes vom 29. Oktober 1980 in den Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, Van Landewyck/Kommission, Slg. 1980, 3125, Randnrn. 31 ff.), zumal sie im vorliegenden Fall sowohl eine Anmeldung als auch eine Beschwerde erhalten habe, die zudem mehrfach geändert oder erweitert worden seien.

84 Die Kommission weist insbesondere darauf hin, daß die Beschwerde bezueglich der Handelsverträge nach der Beschwerde gegen die Benutzungsgebühr eingereicht worden sei und daß diese Verträge erst am 7. Februar 1990, d. h. nach der Veröffentlichung der Mitteilung vom 4. April 1989, angemeldet worden seien. Sie habe die Handelsverträge nicht endgültig im Rahmen des Beschwerdeverfahrens beurteilen wollen, solange sie diese Verträge nicht endgültig im Rahmen des Anmeldeverfahrens beurteilt habe. In ihrem Schreiben vom 24. Oktober 1990 habe sie für die Handelsverträge ein Einstellungsschreiben (comfort letter) in Aussicht gestellt und zum anderen darauf hingewiesen, daß die Benutzungsgebühr im Rahmen einer förmlichen Entscheidung, die sich auf andere Aspekte der Regelung der VBA beziehe, behandelt werde.

85 Zu dem Umstand, daß die Beschwerde bezueglich der Benutzungsgebühr und die Beschwerde hinsichtlich der Cultra-Verträge getrennt behandelt wurden, trägt die Kommission vor, daß keine unmittelbare inhaltliche Verbindung zwischen den beiden Beschwerden bestehe, insbesondere deshalb, weil die Anmeldung der Benutzungsgebühr im Rahmen der Verordnung Nr. 26 und die Anmeldung der Cultra-Verträge im Rahmen der Verordnung Nr. 17 beurteilt werden müsse. In dem Schreiben der Kommission vom 24. Oktober 1990 sei angegeben worden, daß die beiden Beschwerden in verfahrensmässiger Hinsicht getrennt behandelt würden.

86 Als sich herausgestellt habe, daß es noch nicht möglich sei, eine positive Entscheidung gemäß Artikel 2 der Verordnung Nr. 26 zu erlassen, habe die Kommission am 4. März 1991 das Schreiben gemäß Artikel 6 übersandt, das nur die Benutzungsgebühr betroffen habe. Nachdem die Klägerinnen in ihrem Schreiben vom 17. April 1991 auf der Behandlung ihrer anderen Beschwerden bestanden hätten, habe sich die Kommission dafür entschieden, die Beschwerde bezueglich der Benutzungsgebühr endgültig zu behandeln statt zu warten, bis das Verfahren hinsichtlich der Beschwerden wegen der Cultra-Verträge und der Handelsverträge das Endstadium erreicht habe. Hätte sie nicht so gehandelt, so hätten die Klägerinnen nicht im Juli 1992 eine endgültige Entscheidung bezueglich der Benutzungsgebühr erhalten können.

87 Jedenfalls sei das Vorbringen der Klägerinnen, wonach die Kommission eine unzureichende Begründung gegeben und/oder einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe, indem sie die Benutzungsgebühr getrennt geprüft habe, in tatsächlicher Hinsicht nicht begründet, wie aus dem dem Schreiben gemäß Artikel 6 beigefügten Dokument hervorgehe.

88 Die VBA unterstützt den Standpunkt der Kommission.

Würdigung durch das Gericht

89 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, daß sich die Kommission in der Lage gesehen hat, in ihrem Schreiben vom 24. Oktober 1990 eine erste Stellungnahme zur Gesamtheit der verschiedenen Beschwerden der Klägerinnen abzugeben. Das Schreiben gemäß Artikel 6 vom 4. März 1991 und die streitige Entscheidung vom 2. Juli 1992 beziehen sich jedoch nur auf die Benutzungsgebühr. Zudem hatte der Umstand, daß die Kommission das die Handelsverträge und die Cultra-Verträge betreffende Schreiben vom 5. August 1992 erst nach dem Schreiben vom 2. Juli 1992 übersandt hat, die unvermeidliche Folge, daß die Klägerinnen gezwungen waren, in Anbetracht der Fristen des Artikels 173 letzter Absatz des Vertrages zwei unterschiedliche Klagen einzureichen.

90 Die Art und Weise, in der das Verwaltungsverfahren abgelaufen ist, hat folglich zu Verzögerungen und Nachteilen geführt. Das Gericht ist jedoch der Auffassung, daß diese Umstände die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung nicht rechtfertigen.

91 Die streitige Entscheidung bezieht sich nämlich nur auf die Rechtmässigkeit der Benutzungsgebühr und insbesondere auf die Frage, ob diese Gebühr im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 26 "zur Verwirklichung der Ziele des Artikels 39 des Vertrags notwendig" ist. Dagegen hat sich die Kommission hinsichtlich der Handelsverträge und der Cultra-Verträge nicht auf diese Vorschrift berufen. Folglich kann das Fehlen einer Entscheidung über diese anderen Beschwerden für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens nur insoweit maßgebend sein, als die Kommission in der streitigen Entscheidung möglicherweise die Aspekte der Handelsverträge oder der Cultra-Verträge nicht berücksichtigt hat, die sich im Hinblick auf Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 26 auf die Rechtmässigkeit der Benutzungsgebühr auswirken können.

92 Was die Handelsverträge anbelangt, so besteht der einzige von den Klägerinnen geltend gemachte Umstand, der sich im Hinblick auf Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 26 auf die Rechtmässigkeit der Benutzungsgebühr auswirken kann, darin, daß der für diese Handelsverträge vorgesehene Satz von 3 % zu einer Diskriminierung der Lieferanten führe, die den höheren Satz der Benutzungsgebühr zahlen müssten (siehe unten, Randnrn. 188 ff.). Doch ist die Kommission in Nummer II 2 b Absatz 7 der rechtlichen Beurteilung, die in dem dem Schreiben gemäß Artikel 6 beigefügten Dokument enthalten ist, auf diesen Gesichtspunkt mit der Feststellung eingegangen, daß die Lieferanten, die mit der VBA Handelsverträge geschlossen hätten, auch Lieferverpflichtungen übernommen hätten, so daß keine Ungleichbehandlung vorliege (siehe oben, Randnr. 42).

93 Die Kommission hat es also nicht versäumt, das Vorbringen der Klägerinnen zu den Beziehungen zwischen den Handelsverträgen und der Benutzungsgebühr in der streitigen Entscheidung zu berücksichtigen, und die Klägerinnen haben ihre Auffassung zu dieser Frage im Rahmen der vorliegenden Klagen darlegen können (siehe unten, Randnrn. 188 ff.).

94 Was die Cultra-Verträge angeht, so wird durch den Akteninhalt nicht belegt, daß die von der Kommission im Rahmen des Artikels 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 26 vorgenommene Beurteilung der Rechtmässigkeit der Benutzungsgebühr eventuell in signifikanter Weise durch das Bestehen dieser Verträge beeinflusst worden ist, die einen anderen Aspekt der Geschäftstätigkeit der VBA betreffen (siehe oben, Randnr. 24). Im übrigen hat die Florimex BV in ihrer Klageschrift (S. 3) selbst vorgetragen, daß die Regelung hinsichtlich der Cultra-Verträge für die vorliegende Klage nur von marginalem Interesse sei.

95 Folglich ist der Klagegrund, mit dem ein angeblicher Verfahrensfehler geltend gemacht wird, weil die Benutzungsgebühr zu Unrecht getrennt behandelt worden sei, zurückzuweisen.

2. Zu dem Klagegrund, der aus einem Verstoß gegen Artikel 19 der Verordnung Nr. 17 und aus dem Fehlen einer förmlichen Entscheidung gemäß Artikel 2 der Verordnung Nr. 26 hergeleitet wird

Zusammenfassung des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten

96 Die Klägerinnen tragen vor, die Mitteilung vom 4. April 1989 betreffe weder die ergänzende Regelung der VBA über die Durchführungsbestimmungen zur Benutzungsgebühr noch die neuen Handelsverträge, die erst im Februar 1990 angemeldet worden seien. Im vorliegenden Fall habe die Kommission also eine positive Entscheidung über Aspekte der Regelung der VBA erlassen, hinsichtlich deren sie die betroffenen Dritten nicht gemäß Artikel 19 der Verordnung Nr. 17 zur Äusserung aufgefordert habe. In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen ausserdem geltend gemacht, daß die Kommission unter den gegebenen Umständen verpflichtet gewesen sei, eine förmliche Entscheidung gemäß Artikel 2 der Verordnung Nr. 26 zu erlassen.

97 Nach Auffassung der Kommission ist die Mitteilung gemäß Artikel 19 Teil des Verwaltungsverfahrens, das einer Anmeldung folge, und nicht desjenigen, das auf die Zurückweisung einer Beschwerde gerichtet sei. Im übrigen sei eine förmliche Entscheidung gemäß Artikel 2 der Verordnung Nr. 26 im vorliegenden Fall nicht erforderlich gewesen.

98 Die VBA hat zu diesem Aspekt der Klage keine Erklärungen abgegeben.

Würdigung durch das Gericht

99 In Artikel 19 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 heisst es:

"Will die Kommission ein Negativattest nach Artikel 2 erteilen oder eine Erklärung nach Artikel 85 (3) des Vertrages abgeben, so veröffentlicht sie den wesentlichen Inhalt des Antrags oder der Anmeldung mit der Aufforderung an alle betroffenen Dritten, der Kommission innerhalb einer von ihr auf mindestens einen Monat festzusetzenden Frist Bemerkungen mitzuteilen..."

100 Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung Nr. 26 sieht vor, daß die Entscheidungen gemäß Artikel 2 Absatz 1 von der Kommission "nach Anhörung... der beteiligten Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen sowie jeder anderen natürlichen oder juristischen Person, deren Anhörung sie für erforderlich hält", getroffen werden. Nach dem Schreiben, das die Kommission gemäß Artikel 6 an die VBA gerichtet hat, legt sie diese Vorschrift dahin aus, daß sie ihr die Verpflichtung auferlegt, eine Veröffentlichung vorzunehmen, die der in Artikel 19 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 vorgesehenen entspricht.

101 Schon aus dem Wortlaut dieser Vorschrift geht hervor, daß weder Artikel 19 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 noch Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung Nr. 26 eine vorherige Veröffentlichung für den Fall vorschreiben, daß die Kommission beabsichtigt, eine gemäß Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung Nr. 17 eingelegte Beschwerde zurückzuweisen.

102 Selbst wenn man, insbesondere in Anbetracht des Umstands, daß in dem dem Schreiben gemäß Artikel 6 beigefügten Dokument ausgeführt wird, daß "Gegenstand des Verfahrens... bei der Kommission angemeldete Beschlüsse [sind], mit denen die unmittelbare Belieferung der auf dem Gelände der VBA niedergelassenen Händler geregelt wird", davon ausgehen würde, daß die streitige Entscheidung eine im Anschluß an die Anmeldung der VBA getroffene positive Entscheidung gemäß Artikel 2 der Verordnung Nr. 26 darstellt, so wäre doch festzustellen, daß der wesentliche Teil der Regeln über die Benutzungsgebühr im Amtsblatt in der Mitteilung vom 4. April 1989 veröffentlicht wurde (siehe oben, Randnr. 32).

103 Daß in dieser Mitteilung die nach ihrer Veröffentlichung erlassenen "Durchführungsbestimmungen" (siehe oben, Randnr. 34) nicht erwähnt wurden, ist unerheblich, weil diese Bestimmungen nicht die Substanz der fraglichen Regeln geändert, sondern nur bestimmte Modifikationen, u. a. die Einführung eines Pauschalsatzes von 5 %, angebracht haben, mit denen den Erklärungen Dritter entsprochen werden sollte.

104 Der Umstand, daß sich diese Mitteilung nicht mit den Handelsverträgen befasste, ist ebenfalls unerheblich, da die streitige Entscheidung die Beschwerden der Klägerinnen hinsichtlich der Benutzungsgebühr und nicht ihre Beschwerden hinsichtlich der Handelsverträge betrifft, die Gegenstand des Schreibens vom 5. August 1992 sind (siehe oben, Randnr. 48).

105 Folglich hat jedenfalls kein Veröffentlichungsmangel vorgelegen, der die Interessen der Klägerinnen im Rahmen der vorliegenden Klagen beeinträchtigen könnte.

106 Schließlich ist das Gericht der Auffassung, daß die Kommission nicht verpflichtet war, die Beschwerden der Klägerinnen gegen die Benutzungsgebühr nur auf dem Wege einer die gesamte Regelung der VBA betreffenden förmlichen Entscheidung gemäß Artikel 2 der Verordnung Nr. 26 zurückzuweisen. Die Kommission hat nämlich, wenn sie eine gemäß Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung Nr. 17 eingelegte Beschwerde zurückweist, die Gründe anzugeben, aus denen sie bei aufmerksamer Prüfung der ihr vom Beschwerdeführer mitgeteilten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte nicht veranlasst worden ist, ein Verfahren zur Feststellung eines Verstosses gegen Artikel 85 des Vertrages einzuleiten. Dabei kann die Kommission - im Bereich der in Anhang II des Vertrages genannten landwirtschaftlichen Erzeugnisse - darlegen, weshalb sie der Auffassung ist, daß Artikel 2 der Verordnung Nr. 26 Anwendung finde, so daß sie sich nicht für verpflichtet halte, aufgrund einer aufmerksamen Prüfung der Beschwerde das vom Beschwerdeführer gewünschte Verfahren einzuleiten. Die Pflicht der Kommission, die Zurückweisung einer Beschwerde gegenüber dem Beschwerdeführer zu begründen, impliziert jedoch nicht, daß sie automatisch verpflichtet wäre, eine an den Beschwerdeführer gerichtete förmliche Entscheidung gemäß Artikel 2 der Verordnung Nr. 26 zu erlassen (vgl. in Analogie hierzu Urteil des Gerichts vom 9. Januar 1996 in der Rechtssache T-575/93, Kölmann/Kommission, Slg. 1996, II-1, Randnrn. 38 bis 44).

107 Folglich ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.

3. Zu den Klagegründen, mit denen geltend gemacht wird, daß Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 26 unanwendbar und die Begründung insoweit unzureichend sei

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

108 Das Vorbringen der Klägerinnen bezieht sich sowohl auf die Begründung als auch auf die Richtigkeit der in der streitigen Entscheidung enthaltenen Beurteilung, wonach die Benutzungsgebühr ein wesentliches Element eines Komplexes von Vereinbarungen darstelle, die im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 26 zur Verwirklichung der Ziele des Vertrages notwendig seien.

109 Die Klägerinnen tragen zunächst vor, daß die Kommission nicht in ausreichend begründeter Weise dargelegt habe, welcher Unterschied zwischen der Benutzungsgebühr und der in der Entscheidung von 1988 untersagten 10 %-Regelung bestehe. Durch die 10 %-Regelung habe die Wahlfreiheit der auf dem Gelände der VBA niedergelassenen Händler eingeschränkt werden sollen, und die Benutzungsgebühr verfolge das gleiche Ziel und habe die gleiche Wirkung, da die seit 1988 eingetretenen Änderungen ohne Bedeutung seien. Dies gelte um so mehr, als die Benutzungsgebühr für bestimmte Erzeugnisse mit einer sehr grossen Zahl von Stengeln, u. a. für Xerophyllum tenax und für Narzissen, weit höher sei als die alte Gebühr von 10 %. In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen ergänzend vorgetragen, daß eine Gebühr von 5 % die Belieferung der auf dem Gelände der VBA niedergelassenen Käufer mit Erzeugnissen von Drittlieferanten verhindere, weil die Gewinnspanne in diesem Sektor des Blumenhandels bei etwa 1 % liege.

110 Weiter führen die Klägerinnen aus, die Kommission habe ihre Feststellung, daß die Erhebung der Benutzungsgebühr im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 26 zur Verwirklichung der Ziele des Artikels 39 des Vertrages notwendig sei, nicht ordnungsgemäß begründet. Sie weisen u. a. darauf hin, daß die Haltung, die die Kommission in der streitigen Entscheidung eingenommen habe, dem Standpunkt widerspreche, den sie in der Entscheidung von 1988 (Randnrn. 135 bis 152) vertreten habe, und daß die VBA das einzige Versteigerungsunternehmen sei, das eine solche Gebühr erhebe.

111 Nach Auffassung der Klägerinnen könnte ein solcher Meinungswandel nur gerechtfertigt werden, wenn die Vereinbarung zur Verwirklichung aller Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik erforderlich wäre (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Mai 1975 in der Rechtssache 71/74, Frubo/Kommission, Slg. 1975, 563) und wenn die Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages diese Verwirklichung gefährden würde (Begründungserwägungen der Verordnung Nr. 26). In der streitigen Entscheidung werde aber nicht erläutert, auf welche Weise jedes der in Artikel 39 Absatz 1 Buchstaben a bis e genannten Ziele erreicht werde.

112 Insbesondere werde die Behauptung, daß die Benutzungsgebühr zur Verwirklichung aller Ziele des Artikels 39 des Vertrages, insbesondere zur Gewährleistung einer angemessenen Lebenshaltung für die Landwirte, zur Stabilisierung der Märkte und zur Sicherung angemessener Preise für die Verbraucher, erforderlich sei, weder näher untermauert, noch sei sie als wahrscheinlich zutreffend anzusehen, und die Kommission habe diese Haltung in der Entscheidung von 1988 nicht eingenommen.

113 Nach Auffassung der Klägerinnen verfälscht die Benutzungsgebühr jedenfalls den Wettbewerb, weil sie keine wirkliche Gegenleistung für die Benutzung der Einrichtungen darstelle. Externe Unternehmen wie die Florimex BV müssten nämlich selbst einen grossen Teil der Dienstleistungen (Inkasso, Verpackung, Auspacken, Sortieren etc.) übernehmen, die die VBA ihren Mitgliedern erbringe, und die "Benutzungsgebühr" sei keine Gebühr für eine Benutzung. Denn die Klägerinnen nutzten die Einrichtungen der VBA nur, um auf deren Gelände die Waren des Blumenhandels zu befördern, die sie an die dort niedergelassenen Händler verkauften.

114 Soweit die Benutzungsgebühr mit der Bündelung der Nachfrage gerechtfertigt werde, fehle die tatsächliche Grundlage. Die logistischen und technischen Maßnahmen, die den Mietern zugute kämen, umfassten nicht mehr als eine Organisation, die einem Lastwagen die Anfahrt bis zu ihren Geschäftsräumen ermögliche, und damit eine Dienstleistung, die sie als Gegenleistung für ihre hohen Mieten erwarten dürften. Jedenfalls gebe es für das Vorbringen der VBA zu ihren kommerziellen, finanziellen und intellektuellen Anstrengungen keine Grundlage, und die geltend gemachten Leistungen seien nicht festgestellt. Das "besondere Vertriebssystem" der VBA sei mit dem zahlreicher anderer Versteigerungsunternehmen vergleichbar.

115 Die Existenz der VBA wäre ohne die Gebühr nicht gefährdet, und diese Gebühr führe zu einer Ungleichbehandlung statt zu einer Gleichbehandlung der VBA-Mitglieder und der anderen Lieferanten. Der Vergleich, den die Kommission zwischen der Benutzungsgebühr und den von den Mitgliedern der VBA gezahlten Gebühren gezogen habe, sei nämlich unzutreffend, weil den anderen Gebühren als Gegenleistung die Dienstleistungen der VBA gegenüberstuenden.

116 Im übrigen habe die Kommission in der streitigen Entscheidung nicht in ausreichendem Masse dargelegt, weshalb bestimmte Teilaspekte der Benutzungsgebühr, auf die sie u. a. in ihrem Schreiben vom 17. April 1991 hingewiesen hätten, nämlich die Anwendung der Gebühr a) auf Erzeugnisse, die nicht innerhalb der Europäischen Gemeinschaft angebaut würden, b) auf Erzeugnisse, die so viele Stengel hätten, daß die Gebühr nicht berechnet werden könne, oder c) auf Erzeugnisse, die praktisch nicht über die VBA vertrieben würden, den Zielen des Artikels 39 des Vertrages entsprächen.

117 Zudem sei es nicht gerechtfertigt, auf eingeführte Erzeugnisse eine Gebühr zu erheben, die die gleiche Wirkung habe wie der Mindestversteigerungspreis, da es sich nicht um Waren handele, die über die VBA vertrieben würden, und da bereits bei der Einfuhr dieser Waren erhebliche Kosten anfielen.

118 Die Kommission führt zunächst aus, daß die Gründe, aus denen sie nicht gegen die Benutzungsgebühr vorgegangen sei, in ihrem Schreiben gemäß Artikel 6 und in der streitigen Entscheidung klar dargelegt worden seien: Die für die Benutzungsgebühr geltenden Regeln seien Bestandteil der Gesamtregelung der VBA über die unmittelbaren Lieferungen, aber diese Regelung, die in den Geltungsbereich von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages falle, erfuelle auch die Voraussetzungen von Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 26, so daß Artikel 85 Absatz 1 keine Anwendung finde.

119 Auf das Vorbringen, daß zwischen der Entscheidung von 1988 und der streitigen Entscheidung Divergenzen bestuenden, für die keine Begründung gegeben worden sei, erwidert die Kommission, daß es zwischen der Benutzungsgebühr und der früheren 10 %-Regelung wesentliche Unterschiede gebe; insbesondere sei die 10 %-Regelung für die auf dem Gelände der VBA niedergelassenen Mieter mit einer ausschließlichen Bezugsverpflichtung verbunden gewesen, die nunmehr aufgehoben sei. Die Entscheidung von 1988 habe sich auf die vertikale Integration der Mieter der VBA innerhalb des von ihr betriebenen Verkaufssystems bezogen; hiervon unterscheide sich der gegenwärtige wirtschaftliche und rechtliche Kontext völlig. Die Klägerinnen hätten auch nicht dargetan, daß die Benutzungsgebühr zu einer Situation geführt habe, die mit einer ausschließlichen Bezugsverpflichtung gleichgesetzt werden könne, denn den Lieferanten und Käufern stehe es frei, sich anderen Kunden oder anderen Bezugsquellen zuzuwenden, wenn die von der VBA gebotenen Konditionen nicht interessant seien. Ausserdem hätten die Klägerinnen jetzt die Möglichkeit, einen Pauschalsatz von 5 % zu zahlen.

FORTSETZUNG DER GRÜNDE UNTER DOK.NUM: 692A0070.1

120 Zu der Frage, ob die Voraussetzungen des Artikels 2 der Verordnung Nr. 26 erfuellt sind, vertritt die Kommission die Auffassung, daß dazu eine ausreichende Begründung in dem dem Schreiben gemäß Artikel 6 beigefügten Dokument gegeben worden sei. Auch sei die Haltung der Kommission hinsichtlich der "Teilaspekte", auf die die Klägerinnen verwiesen, in der streitigen Entscheidung ausreichend begründet worden. Jedenfalls brauche die Kommission im Fall der Zurückweisung einer Beschwerde nicht auf alle Argumente einzugehen (Urteil des Gerichts vom 29. Juni 1993 in der Rechtssache T-7/92, Asia Motor France u. a./Kommission, Slg. 1993, II-669, Randnr. 31).

121 Die Kommission vertritt insbesondere die Auffassung, daß die Benutzungsgebühr nur gewährleisten solle, daß das Fortbestehen der VBA nicht dadurch gefährdet werde, daß Lieferanten gratis von ihren Anstrengungen profitierten. Die Wirkung der Benutzungsgebühr entspreche der des Mindestversteigerungspreises, und sie führe somit zu einer ausgewogenen Behandlung aller Lieferanten. Die Voraussetzungen von Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 26 seien also erfuellt.

122 In ihrer Gegenerwiderung führt die Kommission aus, die Ziele des Artikels 39 erforderten es, daß alle Lieferanten zu den Investitionen der VBA beitrügen; würden die Lasten nämlich nur auf die Mitglieder abgewälzt, so könnten diese veranlasst werden, ihre Mitgliedschaft zu beenden. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission ergänzend vorgetragen, daß die VBA ein Fundament benötige, um als Genossenschaft wirksam handeln zu können. Gäbe es keine Gebühr, so bestuende die Gefahr, daß bestimmte Mitglieder, insbesondere die grössten, die Genossenschaft verließen, um die auf dem Gelände der VBA niedergelassenen Großhändler unmittelbar zu beliefern, ohne eine Provision zu zahlen und ohne die Waren über den Verkauf mittels der "Versteigerungsuhr" abzusetzen.

123 Die Benutzungsgebühr solle also die Genossenschaft selbst und die Rolle des Verkaufs mittels der "Versteigerungsuhr" bei der Preisbildung schützen. Daß die Importeure ebenfalls zur Deckung der Kosten der VBA beitrügen, sei normal, denn die Bündelung der Nachfrage auf dem Gelände der VBA ermögliche es ihnen, erhebliche Skalenerträge zu erzielen. Im übrigen könne nicht davon ausgegangen werden, daß der Preis des bedeutenden wirtschaftlichen Vorteils, den die Bündelung der Nachfrage darstelle, bereits Teil der von den Mietern gezahlten Miete sei; folglich müssten die Lieferanten, die nicht Mieter seien, hierfür eine separate Vergütung entrichten.

124 Die Kommission betont, daß die Florimex BV nicht schwerer belastet werde als andere Lieferanten und daß sie die Möglichkeit habe, sich bei Erzeugnissen mit vielen Stengeln für einen Pauschalsatz von 5 % zu entscheiden. Auch treffe es nicht zu, daß die Gebühr den Wettbewerb zugunsten der VBA und zu Lasten der Mitglieder der VGB verfälsche. Mit der Bemessung dieser Gebühr nach der Zahl der Stengel habe man die Vertraulichkeit der Preise schützen wollen; jedenfalls habe sich die VBA verpflichtet, die erhaltenen Informationen nur für administrative Zwecke zu verwenden.

125 Im übrigen komme es nicht auf die finanzielle Belastung an, die die Benutzungsgebühr für bestimmte Gruppen von Waren des Blumenhandels, wie etwa für Schnittgrün, darstelle, sondern auf die Feststellung, ob der Beitrag zur Finanzierung der Investitionen gleichmässig auf die verschiedenen Lieferanten verteilt sei. Nach Auffassung der Kommission ist dies der Fall.

126 Die VBA trägt zunächst vor, daß es die Benutzungsgebühr im Gegensatz zu der in der Entscheidung von 1988 untersagten Regelung den auf dem Gelände der VBA niedergelassenen Unternehmen ermöglicht habe, mit Erzeugnissen zu handeln, die nicht über die VBA bezogen worden seien. Die Benutzungsgebühr werde seit September 1988 nur von den Lieferanten erhoben, während die Käufer insoweit keine Auskünfte mehr zu erteilen hätten. Da die Lieferanten auch die Bestimmung der Erzeugnisse nicht mehr angeben müssten, könne die VBA folglich nicht mehr über wettbewerbsrelevante Informationen verfügen, und sie habe sich im übrigen gegenüber der Kommission ausdrücklich verpflichtet, die erhaltenen Informationen nicht für kommerzielle Zwecke zu verwenden. Zudem habe der Lieferant jetzt die Wahl zwischen der Gebühr pro Einheit und einem Pauschalsatz von 5 % des Warenwerts.

127 Die VBA trägt vor, daß die Entscheidung von 1988 nicht jede Form einer Gebühr auf die Lieferung von Erzeugnissen verboten habe und daß sich ein solches Verbot nicht aus Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages ergebe. Vielmehr sei in der Entscheidung von 1988, auch wenn der Satz von 10 % dort als zu hoch angesehen worden sei, der Grundsatz einer Gebühr akzeptiert worden, weil sie einen Ausgleich für eine Nutzungsüberlassung der VBA darstelle und weil die auf dem Gelände der VBA niedergelassenen Unternehmen an einem Vertriebssystem teilnähmen, das grundsätzlich positiv zu beurteilen sei (Randnrn. 148 und 163).

128 Was die Rechtfertigung der Benutzungsgebühr anbelange, so gehe das Vertriebssystem, das jedem Verkäufer zugute komme, über logistische und technische Maßnahmen hinaus und umfasse alle kommerziellen, intellektuellen und finanziellen Anstrengungen der VBA. In der Entscheidung von 1988 habe die Kommission den Grundsatz akzeptiert, daß die Erhebung einer Gebühr gerechtfertigt sei, um die Rolle des Verkaufs mittels der "Versteigerungsuhr" bei der Preisbildung (Randnrn. 147 und 148) und um das wirtschaftliche Interesse der VBA und die Einführung eines besonderen Vertriebssystems durch die VBA (Randnr. 163) zu schützen. Die VBA betont, daß die Benutzungsgebühr nicht nur von den externen Lieferanten erhoben werde, sondern auch von den Verkäufern, die auf ihrem Gelände niedergelassen seien und Erzeugnisse lieferten, die nicht über ihr System bezogen worden seien.

129 In der mündlichen Verhandlung hat die VBA u. a. vorgetragen, daß die Aufhebung der Gebühr eine Bedrohung für die Existenz der Genossenschaft darstelle, weil bestimmte Mitglieder daran denken könnten, Erzeugnisse auf dem Gelände der VBA zu liefern, ohne sie über den Verkauf mittels der "Versteigerungsuhr" abzusetzen. Da 80 % der Beförderung von Erzeugnissen auf dem Gelände der VBA von 20 % der Mitglieder vorgenommen würden, hänge die Wirksamkeit des Systems von der Bereitschaft ihrer grössten Mitglieder ab, in diesem Rahmen zu bleiben. Zu dem Umstand, daß eine solche Gebühr von anderen Versteigerungsunternehmen nicht gefordert werde, hat die VBA in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, daß ihre Situation anders sei, weil ihr Gelände in der Nähe des Flughafens Schiphol liege, was ihr grosse Anziehungskraft für Dritte verleihe. Ausserdem sei die von der VBA vermietete Fläche viel grösser.

130 Was die Höhe der Benutzungsgebühr anbelange, so belaufe sich der gegenwärtige Satz im Durchschnitt auf etwa 4,5 % des Wertes in jeder Warengruppe, auch wenn diese Benutzungsgebühr für bestimmte Erzeugnisse je nach Saison und Marktpreis höher oder niedriger sei. Für die von den Klägerinnen genannten spezifischen Erzeugnisse (Xerophyllum tenax und Tazetten) sei ein besonders niedriger Tarif vorgesehen, und es sei möglich, für einen Pauschalsatz von 5 % zu optieren. Die Regelung sei also so objektiv wie möglich, und ihre Vereinbarkeit mit dem Wettbewerbsrecht könne nicht auf der Grundlage ihrer Auswirkungen auf diese spezifischen Erzeugnisse, die in diesem Rahmen von einem einzigen Händler verkauft würden, beurteilt werden.

131 Ein Vergleich mit den Gebühren, die von den Mitgliedern und anderen Lieferanten, die ihre Waren versteigern ließen, entrichtet würden, zeige, daß die Benutzungsgebühr nicht unangemessen hoch sei und daß sich die VBA damit keinen Wettbewerbsvorteil zu Lasten der konkurrierenden Lieferanten verschaffe. Sie sei keinesfalls verpflichtet, konkurrierende Lieferungen zu gestatten, denen die Dienstleistungen, insbesondere die grössenbedingten Einsparungen bei den Beförderungskosten, die sie dank der Bündelung der Nachfrage im weiten Sinne "anbiete", zugute kämen, ohne eine angemessene Vergütung zu verlangen, um ihre Interessen wie auch die Rolle des Verkaufs mittels der "Versteigerungsuhr" bei der Preisbildung zu schützen.

132 Schließlich hat sich die VBA in der mündlichen Verhandlung auf die Urteile des Gerichtshofes vom 15. Dezember 1994 in der Rechtssache C-250/92 (DLG, Slg. 1994, I-5641, Randnr. 35) und vom 12. Dezember 1995 in der Rechtssache C-399/93 (Oude Luttikhuis u. a., Slg. 1995, I-4515, Randnr. 14) berufen und geltend gemacht, daß die Benutzungsgebühr eine Beschränkung darstelle, die zur Gewährleistung des ordnungsgemässen Funktionierens der Genossenschaft erforderlich sei, und daher nicht unter Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages falle. Ausserdem hat sie vorgetragen, daß Artikel 2 Absatz 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 26, wie ihn der Gerichtshof in dem erwähnten Urteil Oude Luttikhuis u. a. ausgelegt habe, im vorliegenden Fall Anwendung finde.

Würdigung durch das Gericht

Rechtlicher Rahmen der Klagen

133 Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages bestimmt:

"Mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken."

134 Nach Artikel 1 der Verordnung Nr. 26 findet Artikel 85 Absatz 1 vorbehaltlich des Artikels 2 auf alle in Artikel 85 Absatz 1 genannten Vereinbarungen, Beschlüsse und Verhaltensweisen bezueglich der Produktion der in Anhang II des Vertrages aufgeführten landwirtschaftlichen Erzeugnisse und des Handels mit diesen Anwendung.

135 In Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 26 heisst es:

"Artikel 85 (1) des Vertrags gilt nicht für die... Vereinbarungen, Beschlüsse und Verhaltensweisen, die... zur Verwirklichung der Ziele des Artikels 39 des Vertrags notwendig sind."

136 Artikel 39 Absatz 1 des Vertrages bestimmt:

"(1) Ziel der gemeinsamen Agrarpolitik ist es:

a) die Produktivität der Landwirtschaft durch Förderung des technischen Fortschritts, Rationalisierung der landwirtschaftlichen Erzeugung und den bestmöglichen Einsatz der Produktionsfaktoren, insbesondere der Arbeitskräfte, zu steigern;

b) auf diese Weise der landwirtschaftlichen Bevölkerung, insbesondere durch Erhöhung des Pro-Kopf-Einkommens der in der Landwirtschaft tätigen Personen, eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten;

c) die Märkte zu stabilisieren;

d) die Versorgung sicherzustellen;

e) für die Belieferung der Verbraucher zu angemessenen Preisen Sorge zu tragen."

137 Es steht fest, daß die Kommission, wie sie auch in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, in dem dem Schreiben gemäß Artikel 6 beigefügten Dokument, das Teil der Begründung der streitigen Entscheidung ist, festgestellt hat, daß die Benutzungsgebühr nur deshalb nicht unter Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages falle, weil sie "einen wesentlichen Bestandteil des Vertriebssystems der VBA" darstelle, der im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 26 "zur Verwirklichung der Ziele des Artikels 39 notwendig" sei.

138 Das Gericht hat sich daher nicht zu den Argumenten zu äussern, die die VBA in der mündlichen Verhandlung zur Nichtanwendung von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages oder zur etwaigen Anwendung von Artikel 2 Absatz 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 26 vorgetragen hat, sondern nur zur Rechtmässigkeit der Schlußfolgerung, zu der die Kommission in der streitigen Entscheidung gelangt ist, wonach die Benutzungsgebühr unter Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 26 fällt.

Zur Begründung der streitigen Entscheidung

a) Vorbemerkungen

139 Nach ständiger Rechtsprechung braucht die Kommission zwar nicht auf alle tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte einzugehen, die die betroffenen Unternehmen vorgetragen haben, doch muß die Begründung jeder beschwerenden Entscheidung dem Gericht die Ausübung seiner Kontrolle hinsichtlich der Rechtmässigkeit der Handlung ermöglichen und sowohl den Mitgliedstaaten als auch den beteiligten Bürgern die Unterrichtung darüber ermöglichen, in welcher Weise die Kommission den Vertrag angewandt hat (vgl. z. B. Urteil des Gerichtshofes vom 17. Januar 1995 in der Rechtssache C-360/92 P, Publishers Association/Kommission, Slg. 1995, I-23, Randnr. 39).

140 Die Klägerinnen machen zunächst geltend, daß die Benutzungsgebühr eine Fortsetzung der früheren Gebühr von 10 % in anderer Form darstelle; diese Gebühr von 10 % habe den Voraussetzungen von Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 26 nicht entsprochen, wie die Kommission in den Randnummern 137 bis 153 der Entscheidung von 1988 festgestellt habe. Die Begründung der streitigen Entscheidung sei somit mangelhaft, da die Kommission nicht dargelegt habe, warum dieselbe Schlußfolgerung im vorliegenden Fall nicht geboten sei.

141 Das Gericht weist darauf hin, daß die frühere 10 %-Regelung den auf dem Gelände der VBA niedergelassenen Händlern im Rahmen der damals geltenden Gesamtregelung der VBA auferlegt wurde, die es diesen Händlern untersagte, ohne vorherige Zustimmung der VBA Waren von Drittlieferanten zu beziehen, und die den "nicht bestimmungsgemässen Gebrauch der VBA-Einrichtungen" verhindern sollte (vgl. oben, Randnrn. 13 und 14 sowie Randnrn. 48, 49, 56 und 112 ff. der Entscheidung von 1988). Die frühere 10 %-Regelung war also mit einer ausschließlichen Bezugsverpflichtung verbunden, die den auf dem Gelände der VBA niedergelassenen Händlern auferlegt wurde. Ausserdem ermöglichte es das Verfahren zur Erhebung dieser Abgabe der VBA, genaue Informationen über die sonstigen Bezugsquellen ihrer Mieter zu erlangen (vgl. Randnr. 118 der Entscheidung von 1988).

142 Dagegen hängt die Benutzungsgebühr, um die es im vorliegenden Fall geht, nicht mit einer den Händlern auf dem Gelände der VBA auferlegten ausschließlichen Bezugsverpflichtung zusammen, da diese Verpflichtung aufgrund der Entscheidung von 1988 aufgehoben wurde (siehe oben, Randnr. 19). Ausserdem hat nunmehr der Drittlieferant und nicht der Käufer die Benutzungsgebühr zu entrichten, deren Satz nach einer Methode berechnet wird, die sich deutlich von der im Rahmen der 10 %-Regelung angewandten Methode unterscheidet. Schließlich hat sich die VBA verpflichtet, die auf diese Weise erlangten Informationen nur noch für administrative Zwecke zu verwenden (siehe oben, Randnr. 21).

143 Folglich rechtfertigt die blosse Tatsache, daß die Kommission in der Entscheidung von 1988 zu dem Schluß gelangt ist, daß die frühere 10 %-Regelung nicht die Voraussetzungen von Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 26 erfuelle, für sich allein nicht die gleiche Schlußfolgerung hinsichtlich der Benutzungsgebühr.

144 Diese Überlegung wird im übrigen durch die Randnummer 148 der Entscheidung von 1988 bestätigt, in der die Kommission ausgeführt hat, daß diese Entscheidung nicht "unter allen Umständen auf die vollständige Freiheit der Anlieferung bei den VBA-Mietern abzielt" und daß sie nicht "verkennt..., daß die VBA-Mieter Teil eines besonderen, grundsätzlich zu begrüssenden Vertriebssystems sind".

145 Somit ist die Begründung der streitigen Entscheidung nicht schon deshalb mangelhaft, weil die Kommission den Unterschied zwischen der Benutzungsgebühr und der früheren 10 %-Regelung darin nicht ausdrücklich erläutert hat.

146 Auch wenn die Benutzungsgebühr nicht in demselben tatsächlichen und rechtlichen Kontext steht wie die frühere 10 %-Regelung, so betrifft der vorliegende Fall doch die Regelung einer landwirtschaftlichen Genossenschaft, die eine Gebühr auf Transaktionen zwischen zwei Gruppen von Dritten erhebt, nämlich zwischen unabhängigen Großhändlern, die auf dem Gelände der VBA niedergelassen sind, und Lieferanten, die diese Abnehmer entweder mit Erzeugnissen anderer landwirtschaftlicher Erzeuger aus der Gemeinschaft oder mit Erzeugnissen aus Drittländern, die sich in der Gemeinschaft im freien Verkehr befinden, beliefern wollen. Eine solche Gebühr geht über die internen Beziehungen zwischen den Mitgliedern der Genossenschaft hinaus und stellt ihrem Wesen nach ein Hemmnis für den Handel zwischen den unabhängigen Großhändlern und den Blumenzuechtern dar, die nicht Mitglieder der betreffenden Genossenschaft sind.

147 Bisher hat die Kommission in keinem Fall festgestellt, daß eine Vereinbarung zwischen den Mitgliedern einer Genossenschaft, die den freien Zugang der Nichtmitglieder zu den Vertriebskanälen der landwirtschaftlichen Erzeuger berührt, zur Verwirklichung der Ziele des Artikels 39 des Vertrages notwendig sei.

148 Ausserdem ist die Kommission in ihrer früheren Entscheidungspraxis im allgemeinen zu dem Ergebnis gelangt, daß Vereinbarungen, die nicht zu den Mitteln gehören, die in der Verordnung über die gemeinsame Marktorganisation zur Verwirklichung der Ziele des Artikels 39 vorgesehen sind, nicht im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 26 notwendig seien, wie Generalanwalt Tesauro in seinen Schlussanträgen in der erwähnten Rechtssache Oude Luttikhuis u. a. (Slg. 1995, I-4473, I-4480) ausgeführt hat.

149 Die gemeinsame Marktorganisation für lebende Pflanzen und Waren des Blumenhandels, die durch die Verordnung Nr. 234/68 vom 27. Februar 1968 errichtet wurde, sieht für landwirtschaftliche Genossenschaften die Möglichkeit, Dritten eine solche Abgabe aufzuerlegen, nicht vor. Dasselbe gilt für die Gemeinschaftsmaßnahmen, die in den anderen landwirtschaftlichen Sektoren, die in dem dem Schreiben gemäß Artikel 6 beigefügten Dokument erwähnt wurden (siehe oben, Randnr. 40), anwendbar sind. Weder die Verordnung (EWG) Nr. 1035/72 des Rates vom 18. Mai 1972 über eine gemeinsame Marktorganisation für Obst und Gemüse (ABl. L 118, S. 1) noch die Verordnung (EWG) Nr. 1360/78 des Rates vom 19. Juni 1978 betreffend die Erzeugergemeinschaften und ihre Vereinigungen (ABl. L 166, S. 1) sehen nämlich ein Gebührensystem wie das hier eingeführte vor.

150 Ausserdem hat die Kommission auf eine Frage des Gerichts erklärt, ihr sei nicht bekannt, ob es eine der Benutzungsgebühr entsprechende Gebühr in anderen landwirtschaftlichen Sektoren - sei es in den Niederlanden oder in anderen Ländern der Gemeinschaft - gebe.

151 Unter diesen Umständen ist das Gericht der Auffassung, daß die Kommission ihren Gedankengang besonders ausführlich darlegen musste, da die Tragweite ihrer Entscheidung erheblich über die der früheren Entscheidungen hinausgeht (Urteil des Gerichtshofes vom 26. November 1975 in der Rechtssache 73/74, Papiers Peints/Kommission, Slg. 1975, 1491, Randnrn. 31 bis 33).

152 Dies gilt um so mehr, als Artikel 2 der Verordnung Nr. 26, bei dem es sich um eine Ausnahme von der allgemein geltenden Regel des Artikels 85 Absatz 1 des Vertrages handelt, eng auszulegen ist (erwähntes Urteil Oude Luttikhuis u. a., Randnrn. 23 ff.).

153 Schließlich entspricht es, wie die Klägerinnen geltend gemacht haben, ständiger Rechtsprechung, daß Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 26 nur Anwendung findet, wenn die betreffende Vereinbarung zur Verwirklichung aller Ziele des Artikels 39 beiträgt (erwähnte Urteile Frubo/Kommission, Randnrn. 22 bis 27, und Oude Luttikhuis u. a., Randnr. 25). Folglich muß aus der Begründung der Kommission deutlich werden, in welcher Weise die betreffende Vereinbarung jedem der Ziele des Artikels 39 gerecht wird. Bei einem Konflikt zwischen diesen zuweilen divergierenden Zielen muß aus der Begründung der Kommission zumindest hervorgehen, wie sie diese Ziele miteinander in Einklang bringen konnte, so daß die Anwendung von Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 26 möglich war.

154 Im Lichte dieser Vorbemerkungen ist die Begründung der streitigen Entscheidung hinsichtlich der drei Hauptargumente zu prüfen, mit denen die Benutzungsgebühr im Hinblick auf Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 26 gerechtfertigt werden sollte: die Notwendigkeit, den Fortbestand der VBA zu sichern; das Bestehen einer Gegenleistung für die Erhebung der Benutzungsgebühr; die der Wirkung eines Mindestversteigerungspreises entsprechende Wirkung, die die Benutzungsgebühr haben soll.

b) Zur Begründung der streitigen Entscheidung, soweit es um den Fortbestand der VBA geht

155 Um darzutun, daß das System der VBA einschließlich der Benutzungsgebühr zur Verwirklichung der Ziele des Artikels 39 des Vertrages notwendig ist, trägt die Kommission in erster Linie vor, daß der Fortbestand der VBA ohne die Benutzungsgebühr bedroht wäre. Sie führt erstens aus, daß die genossenschaftliche Form, in der die VBA organisiert sei und die auf der Verpflichtung ihrer Mitglieder beruhe, ihre Waren im Wege der Versteigerung abzusetzen, zur Verwirklichung der Ziele des Artikels 39 des Vertrages notwendig sei, da es die daraus folgende Konzentration des Angebots ermögliche, die verderblichen Waren des Blumenhandels in effizienter Weise zu vertreiben. Zweitens führt sie aus, daß die Benutzungsgebühr ein wesentliches Element des Vertriebssystems der VBA sei, ohne das bestimmte ihrer Mitglieder, insbesondere diejenigen, die aufgrund ihrer Bedeutung einen wesentlichen Teil ihrer Grundlage darstellten, versucht wären, sie zu verlassen, um ihre Erzeugnisse unmittelbar an die auf ihrem Gelände niedergelassenen Abnehmer zu liefern, ohne sie im Wege der Versteigerung abzusetzen und ohne Gebühren zu zahlen. In diesem Fall würden die Amortisierung der Investitionskosten und die Deckung der laufenden Kosten der VBA unmöglich, was zur Folge hätte, daß ihr Fortbestand und infolgedessen die Verwirklichung der Ziele des Artikels 39 gefährdet würden.

156 Was das erste dieser Argumente anbelangt, so haben die Klägerinnen nicht bestritten, daß die genossenschaftliche Form der VBA grundsätzlich den Zielen des Artikels 39 des Vertrages entspricht, insbesondere weil sie durch das Mittel der Versteigerungen die Konzentration des Angebots ihrer Mitglieder und den effizienten Vertrieb ihrer oft leichtverderblichen Erzeugnisse ermöglicht. Ausserdem stehen sowohl der nationale Gesetzgeber als auch die Gemeinschaftsbehörden der Rechtsform der Genossenschaft wohlwollend gegenüber, da sie zur Modernisierung und Rationalisierung des Agrarsektors und zur Leistungsfähigkeit der Unternehmen beiträgt (erwähntes Urteil Oude Luttikhuis u. a., Randnr. 12).

157 Die Klägerinnen wenden sich jedoch gegen das zweite Argument der Kommission und tragen dazu vor, daß der Fortbestand der VBA nicht vom Bestehen der Benutzungsgebühr abhänge und daß ein Vertriebssystem, das vom Bestehen der Benutzungsgebühr abhänge, nicht allen Zielen des Artikels 39 des Vertrages entspreche, wie dies die Rechtsprechung des Gerichtshofes verlange.

158 Zu der damit aufgeworfenen ersten Frage, ob nämlich der Fortbestand der VBA ohne die Benutzungsgebühr bedroht wäre, stellt das Gericht fest, daß es sich im vorliegenden Fall um eine Genossenschaft von erheblichem ökonomischem Gewicht handelt, die im Jahr 1992 etwa 44 % der Versteigerungen von Waren des Blumenhandels in den Niederlanden durchführte und einen Umsatz von 2,2 Milliarden HFL erzielte. Das Gericht stellt ausserdem fest, daß weder in der Begründung der streitigen Entscheidung noch in den Schriftsätzen der Kommission oder der VBA auf konkrete Umstände hingewiesen wird, mit denen das tatsächliche Vorliegen der behaupteten Bedrohung nachgewiesen werden könnte.

159 Da es sich jedoch um eine Behauptung handelt, die ihrem Wesen nach einem unmittelbaren Beweis nicht zugänglich ist, ist das Gericht bereit, für die Zwecke des vorliegenden Urteils die Hypothese zu akzeptieren, daß es bei Fehlen der Benutzungsgebühr für bestimmte gegenwärtige Mitglieder der VBA interessant wäre, diese zu verlassen, um ihre Erzeugnisse unmittelbar an die auf ihrem Gelände niedergelassenen Abnehmer zu verkaufen, ohne sie im Wege der Versteigerung abzusetzen. Das Gericht ist auch bereit, für die Zwecke des vorliegenden Urteils die Annahme zu akzeptieren, daß eine solche Entwicklung die Gefahr mit sich bringt, daß die Durchführbarkeit des Systems der VBA in seiner gegenwärtigen Form in Frage gestellt wird.

160 Doch auch wenn man davon ausgeht, daß das System der VBA in seiner gegenwärtigen Form nur durch die Benutzungsgebühr aufrechterhalten werden kann, folgt nach Auffassung des Gerichts daraus nicht automatisch, daß die Benutzungsgebühr oder ein Versteigerungssystem, das eine solche Gebühr erforderlich macht, gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofes alle Voraussetzungen des Artikels 39 des Vertrages erfuellt.

161 Zwar trägt die von der VBA bewirkte Konzentration des Angebots insbesondere zur Verbesserung der Vertriebsstrukturen bei, indem sie es einer grossen Zahl von kleinen Erzeugern ermöglicht, über die regionale Ebene hinaus am Wirtschaftsprozeß teilzunehmen, wodurch, wie in der streitigen Entscheidung festgestellt wurde (siehe oben, Randnr. 40), bestimmte Ziele des Artikels 39 erreicht werden; doch kann die Benutzungsgebühr nachteilige Auswirkungen auf andere landwirtschaftliche Erzeuger der Gemeinschaft haben, die nicht Mitglieder der VBA sind, deren Interessen aber durch Artikel 39 des Vertrages ebenfalls erfasst werden.

162 Insbesondere hat eine Gebühr, die von einer landwirtschaftlichen Genossenschaft auf Lieferungen erhoben wird, die nicht zu ihren Mitgliedern gehörende Erzeuger an unabhängige Käufer ausführen, normalerweise eine Erhöhung der bei solchen Geschäftsabschlüssen vereinbarten Preise zur Folge; zumindest stellt sie ein bedeutendes Hindernis für die Freiheit der anderen landwirtschaftlichen Erzeuger dar, Waren über die fraglichen Vertriebskanäle abzusetzen. Dieses Hindernis ist im vorliegenden Fall um so erheblicher, als zu den auf dem Gelände der VBA niedergelassenen Großhändlern ein grosser Teil der umsatzstärksten niederländischen Exporteure zählt, die im Gemeinschaftshandel mit Waren der Blumenzucht eine herausragende Stellung einnehmen (Randnrn. 131 und 132 der Entscheidung von 1988). Diese Großhändler sind ein wichtiges Glied im innergemeinschaftlichen Vertrieb von Waren des Blumenhandels, und die anderen landwirtschaftlichen Erzeuger der Gemeinschaft einschließlich der Erzeuger aus den anderen Mitgliedstaaten haben ein Interesse daran, Zugang zu ihnen zu erhalten.

163 Folglich kann die Benutzungsgebühr, auch wenn das System der VBA bestimmten Zielen des Artikels 39 des Vertrages entspricht, diesen Zielen in mancher Hinsicht zuwiderlaufen, insbesondere dadurch, daß sie die Erhöhung des Pro-Kopf-Einkommens der Erzeuger, die nicht Mitglieder der VBA sind, erschwert (Artikel 39 Absatz 1 Buchstabe b), daß sie die Sicherheit der Versorgung durch diese anderen Erzeuger beeinträchtigt (Artikel 39 Absatz 1 Buchstabe d) und daß sie eine aus der Sicht der Verbraucher günstige Preisentwicklung verhindert (Artikel 39 Absatz 1 Buchstabe e). Dies könnte insbesondere insoweit der Fall sein, als die Benutzungsgebühr auf Erzeugnisse erhoben wird, die von den Mitgliedern der VBA nicht angebaut oder praktisch nicht im Wege der Versteigerung abgesetzt oder während der Jahreszeiten verkauft werden, zu denen das niederländische Angebot noch nicht verfügbar ist.

164 Zudem ergibt sich implizit aus dem Vorbringen der Kommission, daß die Benutzungsgebühr für die VBA ein wesentliches Mittel darstellt, mit dem ihre Mitglieder, insbesondere die bedeutendsten, davon abgehalten werden sollen, die VBA zu verlassen, um die Waren unmittelbar an die auf ihrem Gelände niedergelassenen Abnehmer zu verkaufen, ohne ihre Versteigerungen und die damit verbundenen Dienstleistungen, die sie in grosser Zahl anbietet, in Anspruch zu nehmen. Falls solche unmittelbaren Verkäufe an die betreffenden Abnehmer für bestimmte Erzeuger weniger kostspielig oder effizienter wären als das gegenwärtige System der VBA, könnte die Benutzungsgebühr auch unter diesem Gesichtspunkt negative Auswirkungen auf die Rationalisierung der Landwirtschaft (Artikel 39 Absatz 1 Buchstabe a), die Erhöhung des Pro-Kopf-Einkommens der landwirtschaftlichen Erzeuger (Artikel 39 Absatz 1 Buchstabe b) und die Verbraucherpreise (Artikel 39 Absatz 1 Buchstabe e) haben. Eine Bestimmung, die die Freiheit eines Mitglieds einer landwirtschaftlichen Genossenschaft, diese zu verlassen, im Ergebnis übermässig einschränken würde, wäre deshalb mit den Zielen des Artikels 39 des Vertrages kaum zu vereinbaren (vgl. in Analogie hierzu erwähntes Urteil Oude Luttikhuis u. a., Randnrn. 15 und 16).

165 Folglich war die Kommission im vorliegenden Fall mit einer komplexen Situation konfrontiert, in der sich die divergierenden Interessen der kleinen und grossen Mitglieder der VBA, der anderen landwirtschaftlichen Erzeuger der Gemeinschaft und der betroffenen Zwischenhändler gegenüberstanden. Nach Auffassung des Gerichts durfte sich die Begründung der Kommission unter solchen Umständen nicht allein auf die Überlegung - deren sachliche Richtigkeit unterstellt - beschränken, daß der Fortbestand der VBA in ihrer gegenwärtigen Form ohne die Benutzungsgebühr bedroht wäre. Diese Begründung musste auch die Auswirkungen der Benutzungsgebühr auf die anderen Erzeuger der Gemeinschaft und das Gemeinschaftsinteresse an der Aufrechterhaltung eines unverfälschten Wettbewerbs berücksichtigen.

166 Es ist festzustellen, daß die streitige Entscheidung keine Abwägung der günstigen Auswirkungen der Benutzungsgebühr, soweit sie zum Fortbestand der VBA in ihrer gegenwärtigen Form beiträgt, und ihrer negativen Auswirkungen auf die anderen betroffenen Erzeuger und den freien Wettbewerb, insbesondere im Bereich des Blumengroßhandels, enthält.

167 Das Gericht weist insbesondere darauf hin, daß die streitige Entscheidung keine Begründung hinsichtlich der Auswirkungen der Benutzungsgebühr auf den Wettbewerb zwischen den Mitgliedern der VBA und den anderen Erzeugern auf der Ebene der Verkäufe an den Großhandel enthält.

168 Auch wird in der streitigen Entscheidung weder ausdrücklich dargelegt, aus welchen Gründen die Benutzungsgebühr oder ein Versteigerungssystem, das ohne eine solche Gebühr nicht fortbestehen kann, im Lichte der oben angestellten Überlegungen jedem der verschiedenen Ziele des Artikels 39 Absatz 1 Buchstaben a bis e des Vertrages entspricht, noch enthält diese Entscheidung eine ausdrückliche Begründung hinsichtlich der Frage, wie die Kommission diese verschiedenen Ziele miteinander in Einklang gebracht und damit die Schlußfolgerung ermöglicht hat, daß die Benutzungsgebühr zur Verwirklichung dieser Ziele im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 26 "notwendig" ist.

169 Folglich stellt die Begründung der streitigen Entscheidung, wie sie im Laufe des Verfahrens präzisiert wurde, hinsichtlich des Fortbestands der VBA in ihrer gegenwärtigen Form für sich allein keine Begründung dar, mit der dargetan werden könnte, daß die Benutzungsgebühr im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 26 zur Verwirklichung der Ziele des Artikels 39 des Vertrages notwendig ist.

c) Zu der Frage, ob die Benutzungsgebühr durch eine wirkliche und angemessene Gegenleistung gerechtfertigt wird

170 Zudem ist das Gericht der Auffassung, daß das Gemeinschaftsinteresse an der Sicherung des Fortbestands der VBA, so wichtig es auch sein mag, im Rahmen von Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 26 nur dann mit dem ebenfalls berechtigten Gemeinschaftsinteresse an der Sicherung des Zugangs der anderen landwirtschaftlichen Erzeuger zu den Vertriebskanälen in Einklang gebracht werden kann, wenn die Benutzungsgebühr in angemessener Weise als Gegenleistung für einen Dienst oder einen sonstigen Vorteil erhoben wird, dessen Wert die Höhe dieser Gebühr rechtfertigen kann.

171 Würde die Benutzungsgebühr nämlich nicht durch eine solche wirkliche Gegenleistung gerechtfertigt oder überstiege ihre Höhe den Wert der auf diese Weise erbrachten Gegenleistung, so würde sie bestimmte landwirtschaftliche Erzeuger zugunsten der bestehenden Mitglieder der VBA benachteiligen und eine verschleierte Wettbewerbsbeschränkung ohne ausreichende objektive Rechtfertigung darstellen. Da Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 eng auszulegen ist (siehe oben, Randnr. 152), kann eine Gebühr, die solche Wirkungen hat, nicht als im Sinne dieser Vorschrift zur Verwirklichung der Ziele des Artikels 39 des Vertrages "notwendig" angesehen werden.

172 Nach der streitigen Entscheidung ist die Benutzungsgebühr als Gegenleistung für die geographische Bündelung von Angebot und Nachfrage auf dem Gelände der VBA gerechtfertigt, die nach Darstellung der Kommission zu einem "wirtschaftlichen Vorteil [führt], der das Ergebnis bedeutender materieller und immaterieller Anstrengungen der VBA ist". Nach Auffassung der Kommission wäre es diskriminierend gegenüber den Mitgliedern der VBA, wenn es Dritten gestattet würde, daraus umsonst Nutzen zu ziehen (siehe oben, Randnr. 41).

173 Daher ist zu prüfen, ob schon mit der Begründung der streitigen Entscheidung dargetan werden kann, daß die Benutzungsgebühr durch eine wirkliche und angemessene Gegenleistung gerechtfertigt wird, die den Dritten zugute kommt, die die auf dem Gelände der VBA niedergelassenen Abnehmer beliefern.

174 Das Gericht weist zunächst darauf hin, daß die Drittlieferanten, von denen die Benutzungsgebühr erhoben wird, die von der VBA in grosser Zahl angebotenen Dienstleistungen, wie Versteigerung, Kontrolle der Erzeugnisse, Verpacken, Auspacken, Sortieren, Inkasso und Einziehung von Forderungen, nicht in Anspruch nehmen. Auch liegt eine materielle Nutzung der Einrichtungen der VBA durch die Dritten nur insoweit vor, als diese für Lieferungen an die Geschäftsräume der betreffenden Großhändler die Wege auf dem Gelände benutzen. Die Kommission hat sich jedoch nicht auf diese Nutzung des Wegenetzes berufen, um die streitige Gebühr zu rechtfertigen.

175 Die Bündelung von Angebot und Nachfrage auf dem Gelände der VBA ist somit der einzige Vorteil, der als Gegenleistung für die Erhebung der Benutzungsgebühr geltend gemacht wird.

176 Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen kann das Gericht nach der Aktenlage nicht die Möglichkeit ausschließen, daß die Schaffung wichtiger Einrichtungen auf dem Gelände der VBA, die dem effizienten Vertrieb der oft leichtverderblichen Waren des Blumenhandels dienen sollen, und die auf diesem Gelände erfolgte Ansiedlung einer grossen Zahl von Abnehmern, zu denen die bedeutendsten niederländischen Exporteure gehören, für die Drittlieferanten, die ihre Erzeugnisse an die fraglichen Abnehmer liefern wollen, einen wirtschaftlichen Vorteil darstellen. Denn die Klägerinnen haben das Vorbringen der VBA nicht widerlegt, daß die Möglichkeit, Waren des Blumenhandels an spezialisierte Abnehmer zu liefern, die alle auf ein und demselben Gelände niedergelassen seien, insbesondere hinsichtlich der Transportkosten zu Skalenerträgen führe.

177 Wie das Gericht festgestellt hat (siehe oben, Randnrn. 171 und 172), kann eine Gebühr, die verhindern soll, daß Dritte gratis von dem wirtschaftlichen Vorteil profitieren, der mit der Möglichkeit der Lieferung auf dem Gelände der VBA verbunden ist, aber nur dann als zur Verwirklichung der Ziele des Artikels 39 "notwendig" angesehen werden, wenn diese Gebühr den Grundsatz der Verhältnismässigkeit wahrt und daher nicht über eine adäquate Vergütung für den auf diese Weise von der VBA erbrachten "Mehrwert" hinausgeht.

178 Folglich muß die Begründung der streitigen Entscheidung den Beteiligten und gegebenenfalls dem Gericht die Feststellung ermöglichen, daß die fragliche Gebühr nicht über eine adäquate Vergütung für den geltend gemachten wirtschaftlichen Vorteil hinausgeht. Die Möglichkeit einer solchen objektiven Feststellung ist im vorliegenden Fall um so bedeutsamer, als eine Gebühr, die eine landwirtschaftliche Genossenschaft auf Lieferungen anderer landwirtschaftlicher Erzeuger an unabhängige Abnehmer erhebt, nur unter aussergewöhnlichen Umständen als "notwendig" im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 26 angesehen werden kann (siehe auch oben, Randnrn. 146 bis 153).

179 Der "wirtschaftliche Vorteil", den die Bündelung der Nachfrage darstellt, wird in der streitigen Entscheidung nur sehr allgemein beschrieben, ohne daß näher erläutert wird, wie der Wert dieses Vorteils und die sich daraus ergebende Höhe der Benutzungsgebühr in konkreter Weise berechnet und beziffert werden könnten, gegebenenfalls unter Berücksichtigung der spezifischen finanziellen Daten, die z. B. die Einkünfte, die Margen und die Kosten der VBA, die von ihr vorgenommenen Investitionen und den Wert der sich daraus für die Dritten ergebenden Skalenerträge betreffen, sowie unter Berücksichtigung des Ausmasses, in dem die von den Abnehmern auf dem Gelände der VBA gezahlten Mieten bereits den geltend gemachten wirtschaftlichen Vorteil widerspiegeln.

180 Die einzige Rechtfertigung, die in der streitigen Entscheidung hinsichtlich der Höhe der Benutzungsgebühr vorgetragen wird, hängt mit dem Umstand zusammen, daß die Lieferanten, die ihre Waren im Wege der Versteigerung absetzen, und die Drittlieferanten, die die Versteigerungen nicht in Anspruch nehmen, annähernd den gleichen Gebührensatz zahlen. Nach Auffassung der Kommission führt dieser Mechanismus zur Gleichbehandlung der betroffenen Lieferanten, da diejenigen, die ihre Waren im Wege der Versteigerung absetzen, zwar als Gegenleistung für ihre Gebühr von sämtlichen Dienstleistungen der VBA profitierten, aber auch gegenüber der VBA eine Lieferverpflichtung eingingen, die die anderen Lieferanten nicht übernähmen (siehe oben, Randnr. 42).

181 Diese Begründung reicht zur Rechtfertigung der Höhe der streitigen Gebühr nicht aus. Selbst wenn ein Vergleich zwischen dem Satz der Versteigerungsgebühr und dem Satz der Benutzungsgebühr möglich sein sollte, obwohl der erste nach Maßgabe der Verkäufe und der zweite nach der Zahl der Stengel oder Töpfe berechnet wird, könnte die Höhe der Versteigerungsgebühr nach Auffassung des Gerichts nicht als Bezugsgrösse für die Berechnung des "Mehrwerts" dienen, der den Drittlieferanten durch die Möglichkeit der Lieferung auf dem Gelände der VBA geboten wird. Denn der Versteigerungsgebühr (in Höhe von etwa 5,7 %) stehen als Gegenleistung die von der VBA angebotenen Dienstleistungen gegenüber, insbesondere der Zugang zur "Versteigerungsuhr" und die ergänzenden Dienstleistungen wie Kontrolle der Qualität, Vorbereitung, Verpacken, Auspacken, Sortieren und Lieferung der Erzeugnisse sowie Inkasso und Einziehung der Forderungen. Den Lieferanten, die die auf dem Gelände der VBA niedergelassenen Händler unmittelbar beliefern, kommen diese Dienstleistungen aber in keiner Weise zugute. Vielmehr müssen sie die entsprechenden Verkaufskosten selbst tragen und zudem die Benutzungsgebühr entrichten, deren Pauschalsatz 5 % beträgt.

182 Ausserdem reicht die von den Mitgliedern der VBA übernommene Lieferverpflichtung ebenfalls nicht aus, um die Schlußfolgerung zu rechtfertigen, daß die Benutzungsgebühr ebenso hoch sein müsse wie die Versteigerungsgebühr. Denn die Lieferverpflichtungen werden von den Mitgliedern der VBA in Anbetracht der zahlreichen Dienstleistungen, die sie dafür erhalten, in ihrem eigenen wirtschaftlichen Interesse freiwillig übernommen, während die Benutzungsgebühr den betroffenen Dritten einseitig auferlegt wird, ohne daß für sie die gleichen Dienstleistungen erbracht würden.

183 Das Gericht zieht daraus den Schluß, daß es aufgrund des Umstands, daß die streitige Entscheidung keine ausreichende Begründung hinsichtlich der Berechnung der Höhe der Benutzungsgebühr und insbesondere keine bezifferten Berechnungen der unterschiedlichen Kosten enthält, die mit der Inanspruchnahme der verschiedenen Dienstleistungen und Einrichtungen der VBA durch verschiedene Lieferanten verbunden sind, nicht überprüfen kann, ob die Benutzungsgebühr über eine adäquate Vergütung für diesen Vorteil hinausgeht. In Ermangelung solcher Berechnungen kann das Gericht nicht überprüfen, ob die vorgesehene Höhe in Anbetracht der divergierenden Interessen der Mitglieder der VBA und der anderen Blumenzuechter, die Zugang zu den Vertriebskanälen haben wollen, zur Verwirklichung der Ziele des Artikels 39 des Vertrages "notwendig" ist.

d) Zur Begründung der Entscheidung, soweit es um die der Wirkung eines Mindestversteigerungspreises entsprechende Wirkung der Benutzungsgebühr geht

184 In der streitigen Entscheidung führt die Kommission ausserdem aus, daß die Benutzungsgebühr zur Verwirklichung der Ziele des Artikels 39 notwendig sei, weil sie eine Wirkung habe, die der Wirkung eines Mindestversteigerungspreises entspreche (siehe oben, Randnr. 43).

185 Das Gericht ist der Auffassung, daß diese Überlegung keine Begründung darstellt, mit der dargetan werden könnte, daß die Benutzungsgebühr im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 26 zur Verwirklichung der Ziele des Artikels 39 "notwendig" ist.

186 Denn obwohl diese Erwägung voraussetzt, daß der Schutz der Mindestpreise einer auf der Grundlage von Versteigerungen organisierten landwirtschaftlichen Genossenschaft Vorrang hat vor dem Interesse anderer, nicht zu den Mitgliedern der Genossenschaft gehörender landwirtschaftlicher Erzeuger, daran, ihre Erzeugnisse ungehindert an unabhängige Händler zu verkaufen, enthält die streitige Entscheidung keine Begründung, mit der die Stichhaltigkeit dieser Betrachtungsweise erläutert oder mit der dargetan würde, daß auf diese Weise sämtliche Ziele des Artikels 39 des Vertrages erfuellt werden. Ausserdem wird der Prozeß der Preisbildung im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik normalerweise durch die betreffende gemeinsame Marktorganisation, d. h. im vorliegenden Fall durch die erwähnte Verordnung Nr. 234/68 vom 27. Februar 1968, geregelt. Enthält die gemeinsame Marktorganisation, wie es hier der Fall ist, keine spezifische Bestimmung, so ist anzunehmen, daß der in diesem Bereich angestrebte Mechanismus der Preisbildung der freie Wettbewerb ist, ohne daß dieser Mechanismus durch private Vereinbarungen berührt würde, durch die irgendwelche Vereinigungen eine Gebühr auf Transaktionen zwischen anderen landwirtschaftlichen Erzeugern und unabhängigen Händlern erheben.

187 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß der Klagegrund durchgreift, mit dem die Klägerinnen hinsichtlich der Anwendung von Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 26 eine unzureichende Begründung geltend machen.

4. Zu dem Klagegrund, mit dem hinsichtlich der Sätze der Benutzungsgebühr und der in den Handelsverträgen vorgesehenen Gebühr eine Ungleichbehandlung der Drittlieferanten und der an den Handelsverträgen beteiligten Lieferanten geltend gemacht wird

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

188 Nach Auffassung der Klägerinnen ist der in den Handelsverträgen, die im übrigen mit willkürlich und einseitig ausgewählten Lieferanten geschlossen würden, vorgesehene Gebührensatz von 3 % diskriminierend. Denn die Differenz zwischen diesem Satz und dem Satz der Benutzungsgebühr versetze die unabhängigen Importeure in eine Lage, die sich sehr deutlich von der der anderen Lieferanten unterscheide.

189 Die Kommission trägt vor, daß der niedrigere Gebührensatz, der für die an den Handelsverträgen beteiligten Lieferanten gelte, aufgrund der Lieferverpflichtungen gerechtfertigt sei, die sie gegenüber der VBA übernähmen.

190 Nach Auffassung der VBA befinden sich die Lieferanten, die ihre Lieferungen gemäß der Regelung über die Benutzungsgebühr durchführen, nicht in einer Situation, die mit der der Lieferanten vergleichbar sei, die durch die Handelsverträge gebunden seien, denn diese Verträge verpflichteten zur Lieferung eines spezifischen Angebots von Erzeugnissen, was den damit verbundenen leichten Vorteil hinsichtlich der Gebührensätze (3 % anstelle von 5 %) rechtfertige. Die Kommission habe sich zu keiner Zeit grundsätzlich gegen diese Handelsverträge ausgesprochen, die eine spezifische Ergänzung des Angebots sichern sollten. Soweit die Kommission gegen bestimmte Aspekte dieser Handelsverträge Einwendungen erhoben habe, seien die entsprechenden Bestimmungen mit Wirkung vom 1. Mai 1988 aufgehoben worden.

Würdigung durch das Gericht

191 Die Kommission rechtfertigt den Unterschied zwischen der 3 %-Regelung und dem höheren Satz der Benutzungsgebühr damit, daß die "Händler, die mit der VBA Handelsverträge geschlossen haben,... auch diese Lieferverpflichtungen [übernehmen]" (siehe oben, Randnr. 42).

192 Die Handelsverträge, die dem Gericht in Kopie vorgelegt wurden, sehen jedoch keine spezifischen Lieferverpflichtungen vor. Die verschiedenen Handelsverträge geben dem Händler nämlich das Recht, in den Räumlichkeiten der VBA Verkäufe und Lieferungen vorzunehmen, erlegen ihnen aber insoweit keine konkreten Verpflichtungen auf. Nach den Erläuterungen, die der Vertreter der VBA in der mündlichen Verhandlung gegeben hat, besteht die "Verpflichtung" darin, daß der Handelsvertrag, dessen Laufzeit ein Jahr beträgt, einfach nicht verlängert wird, wenn der an diesem Vertrag beteiligte Lieferant die Vertragserzeugnisse nicht zur Zufriedenheit der VBA verkauft.

193 Unter diesen Umständen ist nach Auffassung des Gerichts der Beweis rechtlich nicht gelungen, daß bestimmte spezifische und genau festgelegte Verpflichtungen bestehen, die den Unterschied in der Gebührenhöhe zwischen der 3 %-Regelung, die bestimmten Drittlieferanten zugute kommt, und der von anderen Drittlieferanten gezahlten Benutzungsgebühr rechtfertigen könnten.

194 Folglich enthält die streitige Entscheidung keine ausreichende Begründung, die es dem Gericht gestatten würde, die Stichhaltigkeit der Feststellung der Kommission zu überprüfen, wonach die unterschiedliche Behandlung der beiden in Rede stehenden Gruppen von Lieferanten objektiv gerechtfertigt ist. Die streitige Entscheidung enthält auch keine Begründung, die sich mit dem Vorbringen der Klägerinnen befasst, daß die Lieferanten, mit denen Handelsverträge geschlossen werden, willkürlich ausgewählt würden.

195 Der Klagegrund, mit dem die Klägerinnen hinsichtlich der Sätze der Benutzungsgebühr und der in den Handelsverträgen vorgesehenen Gebühr eine Ungleichbehandlung der Drittlieferanten und der an den Handelsverträgen beteiligten Lieferanten geltend machen, greift somit durch.

196 Nach alledem ist die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären, ohne daß es erforderlich wäre, die anderen von den Klägerinnen vorgetragenen Argumente zu prüfen.

Kostenentscheidung:

Kosten

197 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Im vorliegenden Fall haben die Klägerinnen in ihren Erklärungen zur Einrede der Unzulässigkeit, in der Erwiderung und in der mündlichen Verhandlung die Verurteilung der Kommission zur Tragung der Kosten beantragt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts kann einem solchen Antrag auch dann stattgegeben werden, wenn die obsiegende Partei ihn erst in der mündlichen Verhandlung gestellt hat (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 29. März 1979 in der Rechtssache 113/77, NTN Toyo Bearing Company/Rat, Slg. 1979, 1185, und die Schlussanträge von Generalanwalt Warner in dieser Rechtssache, insbesondere 1274, sowie Urteile des Gerichts vom 10. Juli 1990 in der Rechtssache T-64/89, Automec/Kommission, Slg. 1990, II-367, Randnr. 79, und vom 17. März 1993 in der Rechtssache T-13/92, Moat/Kommission, Slg. 1993, II-287, Randnr. 50). Dies gilt erst recht, wenn die Kostenanträge in den Schriftsätzen enthalten sind, die im schriftlichen Verfahren eingereicht wurden.

198 Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen. Die VBA hat neben ihren eigenen Kosten die durch ihre Streithilfe verursachten Kosten der Klägerinnen zu tragen, da diese in ihren Erklärungen zum Streithilfeschriftsatz und in der mündlichen Verhandlung die Verurteilung der VBA zur Tragung der durch ihre Streithilfe verursachten Kosten beantragt haben.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Zweite erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die den Klägerinnen mit Schreiben SG (92) D/8782 vom 2. Juli 1992 mitgeteilte Entscheidung der Kommission wird für nichtig erklärt.

2. Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Klägerinnen.

3. Die Streithelferin trägt ihre eigenen Kosten sowie die durch die Streithilfe verursachten Kosten der Klägerinnen.

Ende der Entscheidung

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