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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 13.09.2005
Aktenzeichen: T-72/04
Rechtsgebiete: EWG/EAGBeamtStat


Vorschriften:

EWG/EAGBeamtStat Art. 69
EWG/EAGBeamtStat Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Anhang VII
EWG/EAGBeamtStat Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 Anhang VII
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichts erster Instanz (Erste Kammer) vom 13. September 2005. - Sonja Hosman-Chevalier gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Beamte - Dienstbezüge - Auslandszulage - Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a des Anhangs VII des Statuts - Begriff "Dienst für einen anderen Staat". - Rechtssache T-72/04.

Parteien:

In der Rechtssache T72/04

Sonja Hosman-Chevalier, Beamtin der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, wohnhaft in Brüssel, Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte J.R. García-Gallardo Gil-Fournier, E. Wouters und A. Sayagués Torres,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. Currall und M. Velardo als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

wegen Aufhebung der Entscheidung der Kommission vom 29. Oktober 2003, mit der der Klägerin die in Artikel 4 des Anhangs VII des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften vorgesehene Auslandszulage und die damit verbundenen Vergütungen versagt werden,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. D. Cooke sowie des Richters R. García-Valdecasas und der Richterin V. Trstenjak,

Kanzler: I. Natsinas, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. April 2005

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

1. Nach Artikel 69 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften in der für den vorliegenden Fall geltenden Fassung (im Folgenden: Statut) beträgt die Auslandszulage 16 v. H. des Gesamtbetrags des Grundgehalts sowie der dem Beamten zustehenden Haushaltszulage und der ihm zustehenden Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder.

2. Artikel 4 Absatz 1 des Anhangs VII des Statuts sieht vor, dass eine Auslandszulage in Höhe von 16 v. H. des Gesamtbetrags des Grundgehalts sowie der Haushaltszulage und der Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder, die dem Beamten gezahlt werden, gewährt wird

a) Beamten, die

- die Staatsangehörigkeit des Staates, in dessen Hoheitsgebiet sie ihre Tätigkeit ausüben, nicht besitzen und nicht besessen haben und

- während eines sechs Monate vor ihrem Dienstantritt ablaufenden Zeitraums von fünf Jahren in dem europäischen Hoheitsgebiet des genannten Staates weder ihre ständige hauptberufliche Tätigkeit ausgeübt noch ihren ständigen Wohnsitz gehabt haben. Bei Anwendung dieser Vorschrift bleibt die Lage unberücksichtigt, die sich aus dem Dienst für einen anderen Staat oder eine internationale Organisation ergibt.

...

3. Nach Artikel 5 Absatz 1 Unterabsatz 1 des Anhangs VII des Statuts hat ein Beamter auf Lebenszeit, der die Voraussetzungen für die Zahlung der Auslandszulage erfüllt oder nachweist, dass er in Erfüllung der Verpflichtungen nach Artikel 20 des Statuts seinen Wohnsitz wechseln musste, Anspruch auf eine Einrichtungsbeihilfe; sie beträgt bei Beamten, die Anspruch auf die Haushaltszulage haben, zwei Monatsgehälter und bei Beamten, die keinen Anspruch auf die Haushaltszulage haben, ein Monatsgehalt. Schließlich hat nach Artikel 10 Absatz 1 Unterabsatz 1 des Anhangs VII des Statuts ein Beamter, sofern er nachweist, dass er seinen Wohnsitz ändern muss, um seinen Verpflichtungen aus Artikel 20 des Statuts nachzukommen, für bestimmte Dauer Anspruch auf ein Tagegeld.

Sachverhalt

4. Die Klägerin, eine österreichische Staatsangehörige, studierte und arbeitete bis zum 14. Mai 1995 in Österreich. Vom 15. Mai 1995 bis zum 17. März 1996 arbeitete sie in Belgien für das Verbindungsbüro des Landes Tirol in Brüssel.

5. Vom 18. März 1996 bis zum 15. November 2002 war die Klägerin Mitglied des Personals der Ständigen Vertretung der Republik Österreich bei der Europäischen Union in Brüssel. In dieser Eigenschaft war sie zunächst für die Verbindungsstelle der Bundesländer (im Folgenden: Verbindungsstelle) und dann für den Österreichischen Gewerkschaftsbund (im Folgenden: Gewerkschaftsbund) tätig.

6. Am 16. November 2002 trat die Klägerin als Beamtin in den Dienst der Kommission. Als Bezugszeitraum, der für die Gewährung der Auslandszulage maßgebliche Fünfjahreszeitraum im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a zweiter Gedankenstrich des Anhangs VII des Statuts, wurde die Zeit vom 16. Mai 1997 bis zum 15. Mai 2002 festgelegt.

7. Mit Vermerk vom 8. April 2003 teilte die Generaldirektion (GD) Verwaltung und Personal der Kommission der Klägerin mit, dass ihr die Auslandszulage nicht gewährt werden könne.

8. Am 7. Juli 2003 legte die Klägerin gegen diesen Vermerk vom 8. April 2003 Beschwerde im Sinne von Artikel 90 Absatz 2 des Statuts ein. Mit E-Mail vom 14. August 2003 und Telefax vom 11. September 2003 übermittelte sie zwei Zusätze zu dieser Beschwerde.

9. Mit Vermerk vom 29. Oktober 2003 , von dem die Klägerin am 3. November 2003 Kenntnis erlangte, wies die Anstellungsbehörde die Beschwerde der Klägerin zurück.

10. Aus dieser Entscheidung geht hervor, dass die Auslandszulage und die damit verbundenen Vergütungen der Klägerin hauptsächlich deshalb versagt werden, weil die beruflichen Tätigkeiten, denen sie während des Bezugszeitraums in Brüssel nachgegangen sei, nicht als Dienst für einen anderen Staat im Sinne der Ausnahme des Artikels 4 Absatz 1 Buchstabe a des Anhangs VII des Statuts angesehen werden könnten. Die Verbindungsstelle sei zwar in den Räumen der Ständigen Vertretung der Republik Österreich eingerichtet, stelle aber eine selbständige gesonderte Einheit dar, die von den Ländern getragen werde und damit betraut sei, deren Interessen, nicht die des Bundes wahrzunehmen. Hinsichtlich des Gewerkschaftsbunds ergebe sich aus den von der Klägerin übermittelten Unterlagen, insbesondere ihrem Arbeitsvertrag, kein Hinweis auf irgendeine Verbindung mit der Republik Österreich, weshalb auch die für den Gewerkschaftsbund erbrachte Arbeit nicht als Dienst für diesen Staat angesehen werden könne.

Verfahren und Anträge der Parteien

11. Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 20. Februar 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

12. Am 10. Juni 2004 hat das Gericht gemäß Artikel 47 § 1 der Verfahrensordnung entschieden, dass ein zweiter Schriftsatzwechsel nicht erforderlich ist, weil der Akteninhalt so vollständig ist, dass es den Parteien möglich ist, ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel und ihre Argumente in der mündlichen Verhandlung näher darzulegen; die Klägerin hat sich dazu nicht geäußert.

13. Das Gericht (Erste Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen hat das Gericht die Klägerin zur Einreichung von Unterlagen aufgefordert. Die Klägerin ist dieser Aufforderung fristgerecht nachgekommen.

14. Die Parteien haben in der Sitzung vom 5. April 2005 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet. In dieser Sitzung hat das Gericht als prozessleitende Maßnahme angeordnet, die Klagebeantwortung und die Gegenerwiderung der Kommission in der Rechtssache T83/03 (Salazar Brier/Kommission) zu den Akten zu nehmen. Die Parteien sind zu diesen Unterlagen gehört worden.

15. Die Klägerin beantragt,

- die Entscheidung vom 29. Oktober 2003, mit der ihr die Auslandszulage und die damit verbundenen Vergütungen versagt werden, aufzuheben;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

16. Die Kommission beantragt,

- die Klage als unbegründet abzuweisen;

- der Klägerin ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

Zum Gegenstand des Rechtsstreits

17. Die Klägerin beantragt zwar die Aufhebung der Entscheidung der Kommission vom 29. Oktober 2003, mit der die Beschwerde, die sie am 7. Juli 2003 gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Statuts gegen die Entscheidung vom 8. April 2003 eingelegt hatte, zurückgewiesen wurde; nach einer ständigen Rechtsprechung wird das Gericht jedoch durch die vorliegende Klage mit der beschwerenden Handlung befasst, gegen die die Beschwerde gerichtet war (Urteile des Gerichts vom 9. Juli 1997 in der Rechtssache T156/95, Echauz Brigaldi u. a./Kommission, Slg. ÖD 1997, IA-171 und II509, Randnr. 23, und vom 15. Dezember 1999 in der Rechtssache T300/97, Latino/Kommission, Slg. ÖD 1999, IA-259 und II1263, Randnr. 30). Die vorliegende Klage ist daher auch auf die Aufhebung der Entscheidung der Kommission vom 8. April 2003 gerichtet, mit der der Klägerin die Auslandszulage und die damit verbundenen Vergütungen versagt werden.

Entscheidungsgründe

18. Die Klägerin macht drei Klagegründe geltend. Erstens rügt sie eine fehlerhafte Würdigung des Sachverhalts, zweitens eine Verletzung von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a des Anhangs VII des Statuts und drittens eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung.

19. Zunächst ist der Klagegrund der Verletzung von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a des Anhangs VII des Statuts zu prüfen.

Zum zweiten Klagegrund: Verletzung von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a des Anhangs VII des Statuts

Vorbringen der Parteien

20. Die Klägerin trägt vor, die Kommission vertrete rechtsfehlerhaft die Auffassung, dass die Arbeiten, die die Klägerin bei der Ständigen Vertretung der Republik Österreich bei der Europäischen Union für die Verbindungsstelle und den Gewerkschaftsbund verrichtet habe, nicht als Dienst für einen anderen Staat im Sinne der Ausnahme des Artikels 4 Absatz 1 Buchstabe a des Anhangs VII des Statuts eingestuft werden könnten.

21. Sie macht zum einen geltend, dass die Kommission den Begriff Staat in der Ausnahme des Artikels 4 des Anhangs VII des Statuts falsch verstanden habe. Sie habe für die Republik Österreich gearbeitet, und zwar unabhängig davon, zu welcher Einrichtung sie in vertraglicher Beziehung gestanden habe. Nach dem Statut bleibe die Lage, die sich aus dem Dienst für einen anderen Staat ergebe, als Ausnahme bei der Anwendung des Bezugszeitraums unberücksichtigt. Es sei daher unerheblich, ob dieser Dienst für ein Ministerium oder für eine andere Stelle der Verwaltung geleistet werde, denn ausschlaggebend sei, dass der Dienst für einen anderen Staat erbracht werde. Da sie nicht nur von der Republik Österreich, sondern auch vom Königreich Belgien als Mitglied der technischen und Verwaltungsdienststellen der Ständigen Vertretung der Republik Österreich bei der Europäischen Union anerkannt worden sei, könne die Kommission nicht anders entscheiden.

22. Zum anderen stehe die Auffassung der Kommission, die Ständige Vertretung der Republik Österreich beherberge lediglich Einrichtungen - die Verbindungsstelle und den Gewerkschaftsbund -, die gegenüber diesem Staat völlig selbständig seien, im Widerspruch zu dem Standpunkt, den sie bisher zu den Dienstleistungen einer ständigen Vertretung eingenommen habe. Das gesamte Personal der Verbindungsstelle und des Gewerkschaftsbunds sei von der Ständigen Vertretung der Republik Österreich bei den Dienststellen des belgischen Protokolls akkreditiert worden. Die Verbindungsstelle erfülle Aufgaben, die ihr von der Republik Österreich verfassungsgemäß übertragen worden seien. Der Gewerkschaftsbund sei einer der österreichischen Sozialpartner und sei an der Gesetzgebung beteiligt, indem er zu Gesetzesentwürfen und anderen politischen Vorhaben Stellung nehme; aus diesem Grund sei sein Personal in die Ständige Vertretung integriert und dem österreichischen Botschafter unterstellt. Daher hätte der in der Ständigen Vertretung der Republik Österreich für die Verbindungsstelle und den Gewerkschaftsbund geleistete Dienst als Dienst für einen anderen Staat im Sinne von Artikel 4 des Anhangs VII des Statuts angesehen werden müssen.

23. Nach Auffassung der Kommission ist der Klagegrund zurückzuweisen, weil die Zeiten, in denen die Klägerin im Dienst der Verbindungsstelle und des Gewerkschaftsbunds gearbeitet habe, nicht als Dienst für einen anderen Staat im Sinne der Ausnahme des Artikels 4 Absatz 1 Buchstabe a des Anhangs VII des Statuts angesehen werden könnten.

24. Der Begriff Dienst für einen anderen Staat sei aus Gründen der Einheitlichkeit im Verhältnis zu den verschiedenen nationalen Rechtsordnungen autonom auszulegen, wie der Gerichtshof im Urteil vom 31. Mai 2001 in den verbundenen Rechtssachen C122/99 P und C125/99 P (D und Schweden/Rat, Slg. 2001, I4319, Randnr. 11) entschieden habe. Ein solcher Ansatz sei insbesondere geboten, um eine unterschiedliche Behandlung von Personen, die im Dienst ein und derselben Einrichtung stünden, zu verhindern, zu der es kommen könnte, wenn dieser Begriff als Verweisung auf die verschiedenen nationalen Rechtsordnungen zu verstehen sei. Die von der Kommission vorgeschlagene enge Auslegung entspreche dem Zweck von Artikel 4 des Anhangs VII des Statuts. Dagegen wären nach der Auslegung der Klägerin sämtliche öffentlichen oder privaten Einrichtungen, denen die zentrale Regierung interne Befugnisse übertragen habe, als Staat anzusehen; dies habe der Gemeinschaftsgesetzgeber nicht gewollt. Der Gesetzgeber habe den Begriff Staat verwendet, obgleich es schon damals Staaten mit föderaler Struktur gegeben habe; folglich hätte er, wenn er diesen Begriff hätte weiter fassen und die fragliche Bestimmung auf politische Untereinheiten oder Gebietskörperschaften hätte erstrecken wollen, dies ausdrücklich getan.

25. Zur Arbeit für die Verbindungsstelle weist die Kommission darauf hin, dass die österreichischen Bundesländer zwar über weite eigene Kompetenzen verfügten, die ihnen unmittelbar durch die Verfassung eingeräumt seien; doch bedeute dies nicht, dass sie Staaten im Sinne der Ausnahme des Artikels 4 von Anhang VII des Statuts seien. Als Dienst für einen anderen Staat könne nur der Dienst angesehen werden, der von einer Einrichtung, deren Tätigkeit sich auf das gesamte Gebiet eines Staates auswirke, geleistet werde. Dies sei bei den Bundesländern, die ihre Befugnisse von vornherein in ihrem jeweiligen Gebiet und jedenfalls allein in dessen Interesse ausübten, nicht der Fall. Zudem könne die Klägerin aus dem Umstand, dass sie während ihrer Tätigkeit bei der Verbindungsstelle diplomatischen Status besessen habe, nicht deren staatlichen Charakter ableiten. Sie habe keinen echten diplomatischen Status besessen, sondern nur einen Status als Mitglied des Verwaltungs- und technischen Personals und behaupte im Übrigen nicht einmal, diplomatischen Status im Sinne des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 besessen zu haben, sondern lediglich bestimmte damit verbundene Vorteile.

26. Hinsichtlich der im Dienst des Gewerkschaftsbunds verrichteten Arbeit ist die Kommission der Auffassung, dass diese Einrichtung ausschließlich private Interessen vertrete.

Würdigung durch das Gericht

27. Nach ständiger Rechtsprechung ist Zweck der Auslandszulage der Ausgleich der besonderen Lasten und Nachteile, die sich aus der ständigen Dienstausübung in einem Land ergeben, zu dem der Beamte vor seinem Dienstantritt keine dauerhafte Beziehung hergestellt hat (Urteile des Gerichts vom 30. März 1993 in der Rechtssache T4/92, Vardakas/Kommission, Slg. 1993, II357, Randnr. 39, vom 14. Dezember 1995 in der Rechtssache T72/94, Diamantaras/Kommission, Slg. ÖD 1995, IA-285 und II865, Randnr. 48, sowie vom 28. September 1999 in der Rechtssache T28/98, J/Kommission, Slg. ÖD 1999, IA185 und II973, Randnr. 32). Nach der Vorstellung des Gesetzgebers ist es für die Herstellung solcher dauerhafter Beziehungen und damit für den Verlust des Anspruchs des Beamten auf die Auslandszulage erforderlich, dass der Beamte in dem Land, in dem der Ort seiner dienstlichen Verwendung liegt, während eines Zeitraums von fünf Jahren seinen ständigen Wohnsitz gehabt oder seine hauptberufliche Tätigkeit ausgeübt hat (Urteil Diamantaras/Kommission, Randnr. 48).

28. Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a zweiter Gedankenstrich des Anhangs VII des Statuts sieht eine Ausnahme zugunsten der Beamten vor, die während des sechs Monate vor ihrem Dienstantritt ablaufenden Bezugszeitraums von fünf Jahren Dienst für einen anderen Staat oder eine internationale Organisation geleistet haben. Diese Ausnahme ist dadurch gerechtfertigt, dass unter solchen Umständen aufgrund der zeitlichen Begrenztheit der Abordnung der betreffenden Beamten in dieses Land nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie ein dauerhaftes Band zum Dienstland geknüpft haben (Urteile des Gerichtshofes vom 15. Januar 1981 in der Rechtssache 1322/79, Vutera/Kommission, Slg. 1981, 127, Randnr. 8, und vom 2. Mai 1985 in der Rechtssache 246/83, De Angelis/Kommission, Slg. 1985, 1253, Randnr. 13).

29. Es ist zu untersuchen, ob, wie die Klägerin behauptet, der Dienst, den sie in der Ständigen Vertretung der Republik Österreich bei der Europäischen Union in Brüssel während des Bezugszeitraums geleistet hat, als Dienst für einen Staat im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a des Anhangs VII des Statuts anzusehen ist. Der in diesem Artikel verwendete Begriff Staat meint nur den Staat als juristische Person und einheitliches Völkerrechtssubjekt sowie seine Regierungsorgane.

30. Unstreitig gilt der für eine Einrichtung wie die Ständige Vertretung eines Mitgliedstaats bei der Europäischen Union oder die Botschaften eines Staates geleistete Dienst als Dienst für einen Staat im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a des Anhangs VII des Statuts.

31. In der vorliegenden Rechtssache geht aus den Akten hervor, dass die Klägerin während des gesamten Bezugszeitraums, d. h. vom 16. Mai 1997 bis zum 15. Mai 2002, bei der Ständigen Vertretung der Republik Österreich bei der Europäischen Union in Brüssel als Mitglied des Personals dieser Vertretung gearbeitet hat.

32. So ergibt sich aus der Bescheinigung der Ständigen Vertretung der Republik Österreich bei der Europäischen Union vom 7. August 2002, dass die Klägerin seit dem 18. März 1996 Mitglied des Verwaltungs- und technischen Personals der Ständigen Vertretung Österreichs bei der Europäischen Unions ist, d. h. während des gesamten Bezugszeitraums.

33. Aus dem Schreiben der Ständigen Vertretung der Republik Österreich vom 9. März 1996 an das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, für Handel und für Entwicklungszusammenarbeit des Königreichs Belgien ergibt sich, dass diese Vertretung bei den belgischen Behörden im Namen der Klägerin aus Anlass ihrer Arbeitsaufnahme bei der Ständigen Vertretung am 18. März 1996 einen Sonderausweis (carte d'identité spéciale) beantragte. Ferner ergibt sich aus dem Schreiben des belgischen Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten vom 26. April 1996, dass die belgischen Behörden den auf die Klägerin ausgestellten Sonderausweis der Ständigen Vertretung der Republik Österreich übermittelten. Dem Schreiben ist eine Kopie des fraglichen Ausweises beigefügt: Er wurde am 16. April 1996 ausgestellt, hat eine Gültigkeitsdauer bis zum 16. April 2000 und weist nach seinem Wortlaut die Klägerin als Mitglied des Verwaltungs- und technischen Personals der Ständigen Vertretung der Republik Österreich aus. Zudem belegen die der Klägerin von den belgischen Behörden später ausgestellten Sonderausweise, dass die Gültigkeitsdauer des Ausweises bis zum 16. April 2003 verlängert wurde.

34. Aus dem Schreiben der Ständigen Vertretung der Republik Österreich vom 21. Januar 2003 an die belgischen Behörden ergibt sich, dass diese Vertretung dem belgischen Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten anzeigte, dass [die Klägerin], Mitglied des Verwaltungs- und technischen Personals der Vertretung, aus der Vertretung endgültig ausgeschieden ist und dass der Sonderausweis demnach zurückgegeben wurde.

35. Schließlich hat die Klägerin einen Antrag an die belgischen Behörden vom 7. August 1997 vorgelegt, mit dem sie als Mitglied des Verwaltungs- und technischen Personals der Ständigen Vertretung der Republik Österreich um Befreiung von der Mehrwertsteuer beim Erwerb bestimmter Waren und Dienstleistungen für ihren persönlichen Gebrauch ersucht. Desgleichen ist in dem Schreiben der Finanzverwaltung des Ministeriums der Region Brüssel-Hauptstadt ausgeführt, dass die Klägerin von den regionalen Steuern auf Grundstücke für das Jahr 1997 befreit worden sei, da das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 auf sie Anwendung finde.

36. Aus alldem ergibt sich also eindeutig, dass die Klägerin Mitglied des Personals der Ständigen Vertretung der Republik Österreich war, dem Botschafter, dem Ständigen Vertreter der Republik Österreich bei der Europäischen Union, unterstand und den gleichen Status wie die anderen in dieser Vertretung diensttuenden Beamten hatte. Folglich ist der von der Klägerin während des gesamten Bezugszeitraums für die Ständige Vertretung der Republik Österreich geleistete Dienst als Dienst für diesen Staat anzusehen.

37. Dieses Ergebnis wird nicht durch das Vorbringen der Kommission entkräftet, wonach die Klägerin zwar in dieser Vertretung, aber nicht für die Republik Österreich gearbeitet habe, da sie ihren Dienst für die Verbindungsstelle und den Gewerkschaftsbund geleistet habe, deren Aufgabe es sei, die Interessen der Bundesländer bzw. der Gewerkschaften und nicht die des Staates zu vertreten.

38. Die Kommission führt für ihre Auffassung eine Reihe von Argumenten an, die auf die Wirkungen und die Tragweite der Kompetenzen der österreichischen Bundesländer, der Verbindungsstelle und des Gewerkschaftsbunds sowie deren Beziehungen zum Staat nach österreichischem innerstaatlichen Recht gestützt sind.

39. Der Auffassung der Kommission kann nicht gefolgt werden.

40. Diese Auffassung ist nämlich, wie soeben ausgeführt, auf Merkmale des österreichischen innerstaatlichen Rechts gestützt und läuft aus diesem Grund den Erfordernissen einer einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts und des Gleichheitssatzes zuwider, die verlangen, dass die Begriffe einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, die für die Bestimmung ihres Sinnes und ihrer Tragweite nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Gemeinschaft eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten, die unter Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs und der mit der betreffenden Regelung verfolgten Zielsetzung vorzunehmen ist. Bei Fehlen einer ausdrücklichen Verweisung kann die Anwendung des Gemeinschaftsrechts eine Verweisung auf das Recht der Mitgliedstaaten einschließen, wenn der Gemeinschaftsrichter dem Gemeinschaftsrecht oder den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts keine Anhaltspunkte entnehmen kann, die es ihm erlauben, Inhalt und Tragweite einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift durch eine autonome Auslegung zu ermitteln (Urteil des Gerichtshofes vom 18. Januar 1984 in der Rechtssache 327/82, Ekro, Slg. 1984, 107, Randnr. 11; Urteile des Gerichts vom 18. Dezember 1992 in der Rechtssache T43/90, Díaz García/Parlament, Slg. 1992, II2619, Randnr. 36, und vom 28. Januar 1999 in der Rechtssache T264/97, D/Rat, Slg. ÖD 1999, IA-1 und II1, Randnrn. 26 und 27, bestätigt durch das angeführte Urteil D und Schweden/Rat). In der vorliegenden Rechtssache ist eine Verweisung auf das österreichische Recht nicht geboten, weil unstreitig ist, dass die Ständige Vertretung eines Mitgliedstaats bei der Europäischen Union eines der Organe eines Staates im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a des Anhangs VII des Statuts ist.

41. Außerdem widerspricht die Kommission mit dieser Auffassung dem von ihr selbst in der vorliegenden Rechtssache vertretenen Standpunkt, dass der Begriff Dienst für einen anderen Staat aus Gründen der Einheitlichkeit im Verhältnis zu den verschiedenen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten autonom auszulegen sei, wie der Gerichtshof im Urteil D und Schweden/Rat (Randnr. 11) entschieden habe. Im Übrigen steht diese Auffassung in völligem Gegensatz zu dem Standpunkt, den die Kommission zur gleichen Zeit in anderen beim Gericht anhängigen Rechtssachen zu derselben Frage, wie sie sich hier stellt, eingenommen hat. So hat die Kommission in der Rechtssache T83/03 (Salazar Brier/Kommission) in ihrer am 30. September 2003 eingereichten Gegenerwiderung mit Nachdruck vorgetragen, dass Einrichtungen wie die Ständigen Vertretungen bei der Europäischen Union unter den Begriff Staat des Artikels 4 des Anhangs VII des Statuts fielen und dass dies unabhängig davon gelte, welche besonderen Funktionen jemand in diesen Einrichtungen ausübe. Es brauche nämlich nicht untersucht zu werden, welche besonderen, spezifischen Funktionen ein Beamter, der für eine ständige Vertretung arbeite, ausübe, da bereits der Umstand, dass er für diese Einrichtung tätig sei und dass diese unter den Begriff Staat im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Buchstabe a zweiter Gedankenstrich des Anhangs VII des Statuts falle, zur Anwendbarkeit dieser Bestimmung führe.

42. Eine Person wird somit bereits dann in vollem Umfang von der Ausnahmebestimmung des Artikels 4 Absatz 1 Buchstabe a des Anhangs VII des Statuts erfasst, wenn sie ihre berufliche Tätigkeit für eine Einrichtung ausübt, die Teil des Staates im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a des Anhangs VII des Statuts ist, gleich, welches die besonderen, spezifischen Funktionen sind, die sie in dieser Einrichtung ausübt. Andernfalls müssten die Aufgaben und Funktionen eingehend aus der Sicht des innerstaatlichen Rechts geprüft werden, was den erwähnten Erfordernissen zuwiderliefe. Zudem ist es ausschließlich Sache jedes Mitgliedstaats, seine Dienststellen so zu organisieren, wie er dies für angemessen hält, und damit festzulegen, welche Zielsetzungen und Funktionen er seinen Beamten und Beschäftigten zuweist.

43. Aus alldem ergibt sich, ohne dass das Vorbringen der Kommission zum österreichischen innerstaatlichen Recht zu prüfen wäre, dass der Dienst, den die Klägerin für die Ständige Vertretung der Republik Österreich während des Bezugszeitraums geleistet hat, als Dienst für den Staat im Sinne von Artikel 4 des Anhangs VII des Statuts anzusehen ist. Folglich sind diese Jahre entsprechend dieser Vorschrift nicht zu berücksichtigen. Da die Klägerin bei der Ständigen Vertretung der Republik Österreich ab dem 18. März 1996 während des gesamten Bezugszeitraums gearbeitet hat, ist der Bezugszeitraum von fünf Jahren die Zeit zwischen dem 18. März 1991 und dem 17. März 1996.

44. In dieser Hinsicht genügt die Feststellung, dass die Klägerin vor dem 15. Mai 1995, dem Tag, als sie nach Brüssel zog, um für das Büro des Landes Tirol zu arbeiten, in Belgien weder gewohnt noch irgendeine berufliche Tätigkeit ausgeübt hat. Da die Klägerin somit während des in Artikel 4 des Anhangs VII des Statuts vorgesehenen Zeitraums von fünf Jahren nicht ihren ständigen Wohnsitz in Brüssel hatte, erfüllt sie die in dieser Vorschrift für den Bezug der Auslandszulage aufgestellten Voraussetzungen.

45. Nach alledem hat es die Kommission somit zu Unrecht abgelehnt, die Zeit, während der die Klägerin bei der Ständigen Vertretung der Republik Österreich gearbeitet hatte, unberücksichtigt zu lassen, und folglich angenommen, dass sie die Voraussetzungen für die Gewährung der Auslandszulage nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a des Anhangs VII des Statuts nicht erfüllte.

46. Daher ist dem zweiten Klagegrund einer Verletzung von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a des Anhangs VII des Statuts stattzugeben.

47. Somit ist die Klage für begründet zu erklären, und die angefochtenen Entscheidungen sind, soweit der Klägerin durch sie die Auslandszulage versagt wird, aufzuheben, ohne dass es einer Entscheidung über die übrigen Klagegründe bedürfte.

Zu den mit der Auslandszulage verbundenen Vergütungen

Vorbringen der Parteien

48. Die Klägerin beantragt, sofern ihr der Anspruch auf die Auslandszulage zugebilligt werde, das Urteil des Gerichtshofes vom 28. Mai 1998 in der Rechtssache C62/97 P (Kommission/Lozano Palacios, Slg. 1998, I3273), wonach ihr die Einrichtungsbeihilfe und das Tagegeld automatisch zustünden, auf ihren Fall zu übertragen.

49. Die Kommission hält dieses Urteil nicht für übertragbar auf den vorliegenden Fall, da die Klägerin keinen Anspruch auf die Auslandszulage habe.

Würdigung durch das Gericht

50. Ein Beamter hat nach Artikel 5 Absatz 1 Unterabsatz 1 des Anhangs VII des Statuts Anspruch auf Einrichtungsbeihilfe - sie beträgt bei Beamten, die Anspruch auf die Haushaltszulage haben, zwei Monatsgehälter und bei Beamten, die keinen Anspruch auf die Haushaltszulage haben, ein Monatsgehalt -, wenn er eine der beiden folgenden Voraussetzungen erfüllt: Er muss entweder die Voraussetzungen für die Zahlung der Auslandszulage erfüllen, oder er muss nachweisen, dass er in Erfüllung der Verpflichtungen nach Artikel 20 des Statuts seinen Wohnsitz wechseln musste (Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 1996 in der Rechtssache T33/95, Lozano Palacios/Kommission, Slg. ÖD 1996, IA-575 und II1535, Randnrn. 57 und 58, bestätigt durch das angeführte Rechtsmittelurteil des Gerichtshofes Kommission/Lozano Palacios, Randnrn. 20 bis 22).

51. Somit ist, da die Einrichtungsbeihilfe gemäß Artikel 5 Absatz 1 des Anhangs VII des Statuts dem Beamten zusteht, der die Voraussetzungen für die Zahlung der Auslandszulage erfüllt, festzustellen, dass die Klägerin Anspruch auf die Auslandszulage hat.

52. Zum Tagegeld ist festzustellen, dass diese Vergütung nicht an die Auslandszulage gebunden ist, sondern gemäß Artikel 10 Absatz 1 des Anhangs VII des Statuts nur dem Beamten gewährt wird, der nachweist, dass er seinen Wohnsitz ändern muss, um seinen Verpflichtungen aus Artikel 20 des Statuts nachzukommen. Da die Klägerin bei Einlegung der Verwaltungsbeschwerde keinen Antrag auf diese Vergütung gestellt hat, ist der Antrag auf Gewährung dieser Vergütung für unzulässig zu erklären.

53. Nach alledem sind die angefochtenen Entscheidungen auch insoweit aufzuheben, als der Klägerin damit die Einrichtungsbeihilfe versagt wird.

Kosten

54. Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr gemäß dem entsprechenden Antrag der Klägerin sämtliche Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Entscheidungen vom 8. April und vom 29. Oktober 2003 werden aufgehoben, soweit der Klägerin damit die Auslandszulage nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a des Anhangs VII des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und die Einrichtungsbeihilfe nach Artikel 5 Absatz 1 dieses Anhangs versagt werden.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kommission trägt die Kosten des Verfahrens.

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 13. September 2005.

Ende der Entscheidung

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