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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 16.07.1998
Aktenzeichen: T-72/97
Rechtsgebiete: EG, Verfahrensordnung, Verordnung Nr. 2950/83


Vorschriften:

EG Art. 173 Abs. 2
EG Art. 173 Abs. 5
EG Art. 190
Verfahrensordnung Art. 102 § 2
Verordnung Nr. 2950/83 Art. 5 Abs. 4
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Die Frist, über die ein Unternehmen für die Einreichung einer Nichtigkeitsklage gegen Entscheidungen der Kommission über die Kürzung ihm ursprünglich gewährter Zuschüsse des Europäischen Sozialfonds verfügt, beginnt erst zu dem Zeitpunkt, zu dem das Unternehmen von der erlassenden Stelle, dem Inhalt und der Begründung der Entscheidungen genaue Kenntnis erhielt, sofern diese den zuständigen nationalen Behörden zugestellt und nicht im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht wurden.

2 Die Bestätigung nach Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung Nr. 2950/83 zur Anwendung des Beschlusses 83/516 über die Aufgaben des Europäischen Sozialfonds erfordert seitens des Mitgliedstaats eine Prüfung der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit der vom Zuschussempfänger zur Begründung des Antrags auf Restzahlung gelieferten Angaben. Die Erteilung der Bestätigung durch den Mitgliedstaat entbindet diesen nicht von den sonstigen Pflichten nach der anwendbaren Gemeinschaftsregelung. So bleibt er, selbst wenn er die Bestätigung bereits erteilt hat, durch die sich jeweils aus Artikel 2 Absatz 2 des Beschlusses 83/516 und Artikel 7 der Entscheidung 83/673 über die Verwaltung des Fonds ergebenden Pflichten gebunden, die ordnungsgemässe Verwirklichung der finanzierten Maßnahmen zu gewährleisten und der Kommission jeden Verdacht einer Unregelmässigkeit zu melden. Diese Pflichten sind zeitlich unbeschränkt und dahin auszulegen, daß sie während der gesamten Verwaltung einer vom Europäischen Sozialfonds finanzierten Maßnahme gelten. Im übrigen kann die Ausübung der allein der Kommission zustehenden Befugnis, einen Gemeinschaftszuschuß zu kürzen, nicht von der Bestätigung nach Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung Nr. 2950/83 abhängen.

Folglich ist eine Bestätigung im Sinne des Artikels 5 Absatz 4 der Verordnung Nr. 2950/83 so zu verstehen, daß sie ihrer Natur nach vom Mitgliedstaat unter Vorbehalt erteilt wird. Eine andere Auslegung würde die praktische Wirksamkeit des Artikels 7 der Entscheidung 83/673 beeinträchtigen, der dem Mitgliedstaat auferlegt, die bei der Verwaltung der Maßnahmen, die mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds finanziert werden sollen, festgestellten Unregelmässigkeiten zu melden.

3 Die nach Artikel 190 des Vertrages vorgeschriebene Begründung muß die Überlegungen der Gemeinschaftsbehörde, die den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, daß die Betroffenen die Gründe für die erlassene Maßnahme erkennen können und der Gerichtshof seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Die Tragweite dieser Pflicht ist je nach der Natur des Rechtsakts und dem Zusammenhang, in dem er erlassen worden ist, unterschiedlich.

4 Eine Rechtshandlung ist nur dann ermessensmißbräuchlich, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, daß sie ausschließlich oder zumindest vorwiegend zu anderen als den angegebenen Zwecken oder mit dem Ziel erlassen worden ist, ein Verfahren zu umgehen, das der Vertrag speziell vorsieht, um die konkrete Sachlage zu bewältigen.

5 Da die Verteidigungsrechte des Empfängers eines Zuschusses des Europäischen Sozialfonds beachtet werden müssen, wenn die Kommission den Zuschuß kürzt, darf die Kommission eine Entscheidung über die Kürzung eines Zuschusses nicht erlassen, ohne dem Empfänger zuvor Gelegenheit gegeben zu haben, zur beabsichtigten Kürzung des Zuschusses Stellung zu nehmen, oder sich vergewissert zu haben, daß ihm diese Gelegenheit gegeben wurde.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Vierte Kammer) vom 16. Juli 1998. - Proderec - Formação e Desinvolvimento de Recursos Humanos, ACE gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Europäischer Sozialfonds - Entscheidung über die Kürzung von zwei Zuschüssen - Nichtigkeitsklage - Zulässigkeit - Sachliche und rechnerische Prüfung - Unzuständigkeit der nationalen Stelle - Begründung - Verteidigungsrechte. - Rechtssache T-72/97.

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

1 Nach Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe a des Beschlusses 83/516/EWG des Rates vom 17. Oktober 1983 über die Aufgaben des Europäischen Sozialfonds (ABl. L 289, S. 38) beteiligt sich dieser an der Finanzierung von Maßnahmen der beruflichen Bildung und Berufsberatung.

2 In Artikel 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2950/83 des Rates vom 17. Oktober 1983 zur Anwendung des Beschlusses 83/516 (ABl. L 289, S. 1) sind die Ausgaben aufgezählt, für die Zuschüsse des Europäischen Sozialfonds (nachstehend: ESF) gewährt werden können.

3 Die Genehmigung eines Finanzierungsantrags durch den ESF hat nach Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2950/83 zur Folge, daß ein Vorschuß in Höhe von 50 % des Zuschusses zu dem für den Beginn der beruflichen Bildungsmaßnahme vorgesehenen Zeitpunkt gezahlt wird. Nach Artikel 5 Absatz 4 enthalten Anträge auf Restzahlung einen ins einzelne gehenden Bericht über den Inhalt, die Ergebnisse und die finanziellen Einzelheiten der betreffenden Maßnahme. Der Mitgliedstaat bestätigt, daß die im Antrag enthaltenen Angaben sachlich und rechnerisch richtig sind.

4 Nach Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2950/83 kann die Kommission einen Zuschuß des ESF, der nicht entsprechend den Bedingungen der Entscheidung über die Genehmigung verwendet wird, aussetzen, kürzen oder streichen, nachdem sie dem betroffenen Mitgliedstaat Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Nach Artikel 6 Absatz 2 ist ein Betrag, der nicht unter den in der Entscheidung über die Genehmigung festgelegten Bedingungen verwendet wurde, zu erstatten.

5 Artikel 7 der Verordnung Nr. 2950/83 regelt die Modalitäten, unter denen die Kommission an Ort und Stelle Prüfungen vornehmen kann.

6 Nach Artikel 6 Absatz 1 der Entscheidung 83/673/EWG der Kommission vom 22. Dezember 1983 über die Verwaltung des ESF (ABl. L 377, S. 1) müssen die Zahlungsanträge der Mitgliedstaaten bei der Kommission innerhalb von zehn Monaten nach Abschluß der Maßnahmen eingehen. Nach Artikel 6 Absatz 2 sind Vorschüsse zu erstatten, wenn die Kosten für die betreffende Maßnahme nicht innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der in Absatz 1 vorgesehenen Frist von zehn Monaten nachgewiesen werden. Schließlich hat nach Artikel 7, falls die Verwaltung einer Maßnahme, für die ein Zuschuß gewährt worden ist, zum Gegenstand einer Untersuchung wegen vermuteter Unregelmässigkeiten wird, der betreffende Mitgliedstaat unverzueglich die Kommission zu unterrichten.

Sachverhalt und Verfahren

7 Im Jahre 1988 stellte das Departamento para os Assuntos do Fundo Social Europeu (Abteilung für Angelegenheiten des Europäischen Sozialfonds des portugiesischen Arbeits- und Sozialministeriums, im folgenden: DAFSE) bei den Dienststellen des ESF im Namen der Portugiesischen Republik zugunsten der Klägerin zwei Anträge auf Zuschüsse für das Haushaltsjahr 1988, zum einen für ein Bildungsvorhaben zur Vorbereitung junger Portugiesen auf ihre erste Anstellung (Az. Nr. 881311 P1) und zum anderen für ein Bildungsvorhaben zur weiteren Spezialisierung und zur Umschulung im Hinblick auf die wirtschaftliche Krise (Az. Nr. 880249 P3).

8 Die beiden Vorhaben wurden durch zwei Entscheidungen der Kommission genehmigt, die der Klägerin mit Schreiben des DAFSE vom 25. Mai 1988 bekanntgegeben wurden. In der Entscheidung für das Vorhaben 881311 P1 wurde der Betrag des Zuschusses des ESF auf 104 623 102 ESC festgesetzt, wobei sich die Portugiesische Republik verpflichtete, das Vorhaben mit 85 600 720 ESC aus dem Orçamento da Segurança Social/Instituto de Gestão Financeira da Segurança Social (Haushalt der Sozialversicherung/Institut für die Finanzverwaltung der Sozialversicherung, im folgenden: OSS/IGFSS) zu finanzieren. In der Entscheidung für das Vorhaben 880249 P3 wurde der Zuschuß des ESF auf 60 851 922 ESC festgesetzt, wobei sich die Portugiesische Republik verpflichtete, das Vorhaben mit 49 787 936 ESC ebenfalls aus dem OSS/IGFSS zu finanzieren.

9 Am 14. Juli 1988 erhielt die Klägerin gemäß Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2950/83 einen Vorschuß von 50 v. H. des Betrages des vom ESF gewährten Zuschusses sowie der vom OSS/IGFSS gewährten Zuschüsse, d. h. 52 311 551 ESC und 42 800 360 ESC für das Vorhaben Nr. 881311 P1 und 30 425 961 ESC und 24 893 968 ESC für das Vorhaben Nr. 880249 P3.

10 Nach Durchführung der beiden Vorhaben beantragte die Klägerin beim DAFSE die Zahlung des Restbetrags der gewährten Zuschüsse.

11 Am 2. Februar 1990 teilte das DAFSE der Klägerin mit, daß ihr Restzahlungsantrag für das Vorhaben Nr. 881311 P1 an die Kommission weitergeleitet worden sei, nachdem die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Ausgaben am 30. Oktober 1989 bestätigt worden sei; jedoch sei ein Betrag von 6 491 845 ESC als nicht zuschußfähig angesehen worden.

12 Am 16. Oktober 1991 fragte die Klägerin beim DAFSE an, wann die Restzahlung für die Zuschüsse zu den beiden durchgeführten Vorhaben erfolgen würde. Das DAFSE antwortete ihr am 24. Oktober 1991, daß es die Einreichung eines Berichts und das Ergebnis einer Prüfung abwarte.

13 Da die Klägerin diese beiden Schriftstücke vom DAFSE nicht erhielt, erhob sie am 17. September 1993 gemäß Artikel 69 der Lei do Processo dos Tribunais Administrativos Nr. 262/85 vom 16. Juli 1985 (Verwaltungsgerichtsordnung; nachstehend: LPTA) eine Klage gegen den portugiesischen Staat auf Anerkennung ihres Anspruchs auf Restzahlung der Zuschüsse. Diese Klage wurde abgewiesen, weil sie nicht gegen den portugiesischen Staat, sondern gegen das Organ zu richten sei, von dem der Rechtsakt erlassen worden sei, hier den Generaldirektor des DAFSE. Die Klägerin erhob dann eine gleichartige Klage gegen den Generaldirektor des DAFSE. Auch diese zweite Klage hatte keinen Erfolg, weil gemäß Artikel 73 LPTA und Artikel 51 Absatz 1 Buchstabe h des Estatuto do Tribunal Administrativo (Verwaltungsgerichtssatzung) eine Privathaftungsklage gegen den portugiesischen Staat zu erheben sei.

14 Am 26. Januar 1994 gab das DAFSE der Klägerin die Ergebnisse einer in seinem Auftrag vom Inspecçáo-Geral de Finanças (nachstehend: IGF) durchgeführten Überprüfung bekannt. Die Klägerin nahm am 24. Februar 1994 hierzu Stellung. Am 16. Mai 1994 verlangte das DAFSE dazu einige Auskünfte, die ihm die Klägerin am 26. Mai 1994 gab.

15 Am 9. September 1994 gab das DAFSE der Klägerin seine Entscheidungen über die Anträge auf Restzahlung bekannt und forderte die Klägerin auf, binnen 30 Tagen insgesamt 62 856 998 ESC zurückzuzahlen, und zwar 29 052 034 ESC im Rahmen des Vorhabens Nr. 881311 P1 und 33 804 964 ESC im Rahmen des Vorhabens Nr. 880249 P3. Am 10. Oktober 1994 focht die Klägerin diesen Rückzahlungsbescheid beim Tribunal Administrativo de Círculo de Lisboa an und berief sich insbesondere darauf, daß ein etwaiger Anspruch des DAFSE gegen sie verjährt sei.

16 Am 11. Mai 1995 teilte das DAFSE der Klägerin mit, daß die Kommission den Restzahlungsantrag für das Dossier Nr. 880249 P3 genehmigt habe, verwies jedoch auf die Bestätigung des DAFSE vom 9. September 1994, die sich auch auf das Vorhaben Nr. 881311 P1 erstrecke (vgl. vorstehende Randnr.).

17 Am 25. Mai 1995 beantragte die Klägerin beim DAFSE, ihr eine Bescheinigung oder eine beglaubigte Kopie der Entscheidung über die Genehmigung des Restzahlungsantrags für das Vorhaben Nr. 880249 P3 zu übermitteln. Die Klägerin erhielt auf dieses Schreiben jedoch keine Antwort.

18 Mit am 10. Juli 1995 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift erhob die Klägerin Klage auf Nichtigerklärung der ihr mit Schreiben des DAFSE vom 11. Mai 1995 mitgeteilten Entscheidung der Kommission über die Kürzung der beiden Zuschüsse des ESF (Rechtssache T-145/95).

19 Am 9. Dezember 1996 erließ die Kommission die Entscheidungen C (96) 2554 und C (96) 2555 (nachstehend: streitige Entscheidungen) über die Kürzung des Betrages der durch die Entscheidung C (88) 831/29,04,88 gewährten Subvention im Rahmen der Vorhaben Nr. 881311 P1 und Nr. 880249 P3.

20 In ihrer Klagebeantwortung in der Rechtssache T-145/95, bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen am 16. Dezember 1996, führte die Kommission aus, daß die streitigen Entscheidungen, die dem Schriftsatz als Anhang beigefügt gewesen seien, die Genehmigung der Kommission in bezug auf den Restzahlungsantrag für die Vorhaben Nr. 881311 P1 und Nr. 880249 P3 ersetzt hätten, die in Form der Belastungsvermerke Nrn. 95001035 U und 95001037 W der Kommission über die jeweiligen Rückzahlungsbeträge von 15 978 619 ESC und 18 592 730 ESC erteilt worden sei.

21 Folglich sei die Klage in der Hauptsache erledigt.

22 Mit Schreiben vom 10. Januar 1997 forderte der Kanzler des Gerichts die Klägerin auf, sich zu diesem Vorbringen zu äussern. Die Klägerin reichte ihre Erklärungen am 4. Februar 1997 ein.

23 Mit Beschluß vom 28. Mai 1997 in der Rechtssache T-145/95 (Proderec/Kommission, Slg. 1997, II-823) befand das Gericht, daß die Kommission mit dem Erlaß der streitigen Entscheidungen den angefochtenen Rechtsakt stillschweigend zurückgenommen habe, weil er nicht den Anforderungen an die Begründung einer Entscheidung über die Kürzung des Betrages eines ursprünglich gewährten Gemeinschaftszuschusses entsprochen habe (Randnr. 23). Ausserdem habe die Rücknahme des angefochtenen Rechtsakts Wirkungen begründet, die denen eines Nichtigkeitsurteils entsprächen, ohne daß dadurch das Recht der Klägerin berührt werde, die Rechtmässigkeit der streitigen Entscheidungen im Rahmen einer anderen Klage zu bestreiten (Randnr. 26). Die Klägerin habe daher kein Interesse mehr an der Nichtigerklärung des angefochtenen Rechtsakts, so daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt sei (Randnrn. 27 bis 29).

24 Am 28. Januar 1997 übermittelte das DAFSE der Klägerin die streitigen Entscheidungen in zwei gleichlautenden Schreiben, in denen es hieß:

"Im Anschluß an unsere Mitteilung Nr. [5394 im Falle des Vorhabens Nr. 881311 P1 und 5445 im Falle des Vorhabens Nr. 880249 P3] vom 11. Mai 1995 erhalten Sie anbei eine Kopie der förmlichen Entscheidung der Europäischen Kommission über das Vorhaben [Nr. 881311 P1 bzw. Nr. 880249 P3]."

25 Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 27. März 1997 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidungen erhoben.

26 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Vierte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Es hat jedoch die Klägerin mit einer prozeßleitenden Verfügung aufgefordert, vor der Sitzung eine Frage schriftlich zu beantworten. Die Klägerin ist dem fristgerecht nachgekommen.

27 In der Sitzung vom 2. April 1998 haben die Parteien mündlich verhandelt und die Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Parteien

28 Die Klägerin beantragt in ihrer Klageschrift,

- die streitigen Entscheidungen für nichtig zu erklären;

- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

29 In ihrer Erwiderung fügt sie hinzu, daß die "Frage der Unzulässigkeit" zurückzuweisen sei.

30 Die Kommission beantragt,

- die Klage als unzulässig abzuweisen;

- hilfsweise, die Klage als unbegründet abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zur Zulässigkeit

Vorbringen der Parteien

31 Die Kommission weist, ohne eine förmliche Unzulässigkeitseinrede im Sinne des Artikels 114 § 1 der Verfahrensordnung zu erheben, in ihrer Klagebeantwortung darauf hin, daß die vorliegende Klage nach Ablauf der Frist des Artikels 173 Absatz 5 EG-Vertrag eingereicht worden sei. Die Klägerin habe von den streitigen Entscheidungen spätestens am 7. Januar 1997 Kenntnis erhalten, als ihr die Klagebeantwortung in der Rechtssache T-145/95 übermittelt worden sei, denn sie seien dieser beigefügt gewesen. Da die Kanzlei des Gerichts die Klägerin am 10. Januar 1997 aufgefordert habe, sich zur Erledigung der Hauptsache zu äussern, sei dies jedenfalls das letzte Datum, an dem die Klagefrist habe beginnen können. Die Entscheidungen seien nicht an die Klägerin gerichtet, so daß für den Fristbeginn nicht das Datum der Zustellung dieser Entscheidungen an die Klägerin durch das DAFSE maßgeblich sei, sondern das Datum, an dem die Klägerin von den Entscheidungen Kenntnis erhalten habe, d. h. im vorliegenden Fall spätestens der 10. Januar 1997. Da die vorliegende Klage am 27. März 1997 eingereicht worden sei, sei sie offensichtlich verspätet und damit unzulässig.

32 Die Klägerin hebt hervor, daß ihr die streitigen Entscheidungen am 28. Januar 1997 durch das DAFSE zugestellt worden seien, so daß die Frist für die Einreichung einer Nichtigkeitsklage gemäß Artikel 173 Absatz 5 des Vertrages erst zu diesem Zeitpunkt begonnen habe. Daher sei die Frist des Artikels 173 Absatz 5 des Vertrages durch eine am 27. März 1997 eingereichte Klage offensichtlich gewahrt.

Würdigung durch das Gericht

33 Nach Artikel 173 Absatz 5 des Vertrages beträgt die Frist für die Erhebung einer Nichtigkeitsklage zwei Monate; diese Frist läuft je nach Lage des Falles von der Bekanntgabe der betreffenden Handlung, ihrer Mitteilung an den Kläger oder in Ermangelung dessen von dem Zeitpunkt an, zu dem der Kläger von dieser Handlung Kenntnis erlangt hat. Gemäß Artikel 102 § 2 der Verfahrensordnung wird diese Frist mit Rücksicht auf die räumliche Entfernung um zehn Tage verlängert, wenn der Kläger wie im vorliegenden Fall seinen Sitz in Portugal hat.

34 Die streitigen Entscheidungen sind nicht an die Klägerin, sondern an die Behörden der Portugiesischen Republik gerichtet (vgl. Artikel 4 der beiden Entscheidungen), im vorliegenden Fall an das DAFSE. Trotzdem ist die Klägerin von diesen Entscheidungen unmittelbar und individuell im Sinne des Artikels 173 Absatz 2 EWG-Vertrag betroffen, da sie ihr einen Teil der ihr ursprünglich zugestandenen Zuschüsse entziehen, ohne daß der Mitgliedstaat insoweit über ein eigenes Ermessen verfügt (vgl. insbesondere Urteile des Gerichtshofes vom 7. Mai 1991 in der Rechtssache C-291/89, Interhotel/Kommission, Slg. 1991, I-2257, Randnr. 13, und vom 4. Juni 1992 in der Rechtssache C-157/90, Infortec/Kommission, Slg. 1992, I-3525, Randnr. 17).

35 Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob die Klägerin, wie die Kommission behauptet, die vorliegende Klage später als zwei Monate und 10 Tage, nachdem sie von den streitigen Entscheidungen Kenntnis erhalten hatte, eingereicht hat, wobei zu berücksichtigen ist, daß diese Entscheidungen ihrem Adressaten, dem DAFSE, zugestellt und nicht im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht wurden.

36 Es ist zwar unstreitig, daß die Kommission der von ihr am 18. Dezember 1996 in der Rechtssache T-145/95 eingereichten Klagebeantwortung Kopien der beiden streitigen Entscheidungen beigefügt hat (siehe oben, Randnr. 20), doch hat sie nicht nachgewiesen, daß der Klägerin das Bestehen und der Inhalt der streitigen Entscheidungen am 7. Januar 1997 oder am 10. Januar 1997 bekannt waren (siehe oben, Randnr. 31). Es reicht insoweit nicht, wenn sie auf das Datum verweist, an dem die Kanzlei des Gerichts die Klagebeantwortung und ihre Anlagen der Person übermittelt hat, die nur im Rahmen des Verfahrens T-145/95 ermächtigt war, gemäß Artikel 44 § 2 der Verfahrensordnung die an die Klägerin gerichteten Zustellungen entgegenzunehmen. Aus diesem Umstand allein lässt sich nämlich noch nicht folgern, daß die Klägerin vom Bestehen und vom Inhalt der streitigen Entscheidungen tatsächlich Kenntnis im Sinne des Artikels 173 Absatz 5 des Vertrages hatte, durch die die dort vorgesehene Frist für die Einleitung eines neuen Verfahrens in einer anderen als der Rechtssache T-145/95 in Gang gesetzt wird, auch wenn an diesem neuen Verfahren dieselben Parteien beteiligt sind.

37 Es ist daher davon auszugehen, daß die Zeitpunkte, zu denen die Klägerin von der erlassenden Stelle, dem Inhalt und der Begründung der streitigen Entscheidungen so genaue Kenntnis erhielt, daß sie von ihrem Klagerecht Gebrauch machen konnte (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 5. März 1980 in der Rechtssache 76/79, Könecke/Kommission, Slg. 1980, 665, Randnr. 7, und vom 6. Dezember 1990 in der Rechtssache C-180/88, Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie/Kommission, Slg. 1990, I-4413, Randnr. 22), der 28. Januar 1997 und der 4. Februar 1997 sind (siehe oben, Randnrn. 22 und 24). Am erstgenannten Tag erhielt die Klägerin nach eigener Angabe vom DAFSE Kopie der streitigen Entscheidungen. Am zweitgenannten Tag reichte sie ihre Stellungnahme zu dem von der Kommission in ihrer Klagebeantwortung in der Rechtssache T-145/95, der Kopien der streitigen Entscheidungen beilagen, gestellten Antrag ein, die Hauptsache für erledigt zu erklären.

38 Folglich ist die vorliegende Klage innerhalb der in Artikel 173 Absatz 5 des Vertrages vorgesehenen Zweimonatsfrist, verlängert um 10 Tage mit Rücksicht auf die Entfernung, ab dem Zeitpunkt, zu dem die Klägerin von den streitigen Entscheidungen Kenntnis erhielt, eingereicht worden.

39 Die Klage ist damit zulässig.

Zur Begründetheit

40 Die Klägerin macht im wesentlichen vier Klagegründe geltend: erstens einen Verstoß gegen die geltende Regelung durch die zweite Bestätigung durch das DAFSE, zweitens einen Verstoß gegen Artikel 190 des Vertrages, drittens einen Ermessensmißbrauch und viertens einen Verstoß gegen ihre Verteidigungsrechte.

Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen die geltende Regelung durch die zweite Bestätigung durch das DAFSE

Vorbringen der Parteien

41 Die Klägerin beruft sich auf Mängel der vom DAFSE am 9. September 1994 erteilten zweiten Bestätigung der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit der Ausgaben, auf die der Antrag auf Restzahlung der beiden Zuschüsse des ESF gestützt sei, weshalb die streitigen Entscheidungen, die auf der Grundlage dieser Bestätigung ergangen seien, rechtswidrig seien.

42 Dieser Klagegrund gliedert sich in drei Teile.

- Erster Teil des Klagegrundes

43 Nach Auffassung der Klägerin war das DAFSE nicht mehr zuständig. Es habe nicht die am 30. Oktober 1989 gemäß Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung Nr. 2950/83 erteilte sachliche und rechnerische Bestätigung durch eine zweite Bestätigung aufheben können. Nach dem Wortlaut der Artikel 1 Absatz 2, 4 und 6 Absätze 1 und 2 der Entscheidung 83/673 habe die sachliche und rechnerische Bestätigung der vom Zuschussempfänger mit dem Antrag auf einen Zuschuß des ESF geltend gemachten Ausgaben innerhalb von dreizehn Monaten nach Abschluß der so finanzierten Maßnahme ergehen müssen. Im vorliegenden Fall habe die Klägerin jedoch die durch die beiden Zuschüsse des ESF finanzierten Maßnahmen Ende 1989 abgeschlossen. Die 1994 vom DAFSE erteilte zweite sachliche und rechnerische Bestätigung sei daher offensichtlich nach Ablauf der in diesen Vorschriften vorgesehenen Frist ergangen.

44 In ihrer Erwiderung fügt die Klägerin hinzu, die Kommission könne die zweite Prüfung nicht damit rechtfertigen, daß das DAFSE seit dem 25. Januar 1990 hinsichtlich der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit der in der Anlage zu ihrem Zahlungsantrag dargelegten Ausgaben Zweifel gehabt habe. Wenn das DAFSE im Oktober 1989 bei der ersten Bestätigung solche Zweifel gehabt habe, so hätte es ihr dies am 2. Februar 1990 mitteilen können, was es aber nicht getan habe. Im übrigen enthalte das Schreiben des DAFSE vom 2. Februar 1990, durch das sie über die erste Bestätigung unterrichtet worden sei, keinerlei Vorbehalt.

45 Weiter führt die Klägerin in ihrer Erwiderung aus, daß die Ausgaben, deren Zuschußfähigkeit die Kommission in ihrer Klagebeantwortung bestreite, Leistungen beträfen, die mit von zwei anderen Unternehmen stammenden Unterlagen nachgewiesen worden seien. Da die Leistungen von diesen beiden Unternehmen erbracht worden seien und sie deren Rechnungen beglichen habe, könnten etwaige in diesen Unterlagen entdeckte Unregelmässigkeiten nicht ihr zur Last gelegt werden.

46 Die Kommission weist die von der Klägerin vertretene Auslegung der geltenden Rechtsvorschriften zurück.

47 Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2950/83 sehe keine Frist für die Kürzung eines Zuschusses des ESF vor, und Artikel 7 dieser Verordnung setze für die Durchführung der in ihm vorgesehenen Prüfungen ebenfalls keine Frist. Dies entspreche dem Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers, die Kürzung eines Zuschusses oder die Prüfung eines Verdachts von Unregelmässigkeiten nicht von der Einhaltung von Fristen abhängig zu machen.

48 Der portugiesische Staat habe zwar am 30. Oktober 1989 die sachliche und rechnerische Richtigkeit des von der Klägerin eingereichten Antrags auf Restzahlung des Zuschusses des ESF bestätigt, doch habe der mit dem Vorhaben befasste DAFSE-Sachbearbeiter bereits in seinem Vermerk vom 27. Oktober 1989 wegen der festgestellten Lücken eine Finanzprüfung der fraglichen Vorhaben vorgeschlagen. Folglich seien die im Antrag auf Restzahlung des Zuschusses enthaltenen sachlichen und rechnerischen Angaben vom DAFSE unter Vorbehalt bestätigt worden, um die Interessen der Klägerin zu wahren, die sonst den Anspruch auf Zahlung des Zuschusses durch die Kommission auch dann verloren hätte, wenn sich der Verdacht von Unregelmässigkeiten später nicht bestätigt hätte. Zudem habe das DAFSE die IGF am 25. Januar 1990 beauftragt, die fraglichen Vorhaben zu prüfen.

49 Schließlich habe die Klägerin die Gründe, die das DAFSE veranlasst hätten, an der Zuschußfähigkeit bestimmter Ausgaben zu zweifeln, genau gekannt, denn sie habe am 26. Januar 1994 von den Ergebnissen der auf Initiative des DAFSE durchgeführten Überprüfung Kenntnis erhalten und dazu Stellung nehmen können. Dabei sei die Klägerin allerdings nicht in der Lage gewesen, die Richtigkeit der in diesen Prüfungsergebnissen enthaltenen Beurteilung in Zweifel zu ziehen oder deren Ergebnisse durch irgendeinen Nachweis zu entkräften. Die Kommission verweist auf bestimmte Stellen des Prüfungsberichts, die sich auf die Leistungen und Unterlagen der beiden Unternehmen bezögen, die die Klägerin zur Durchführung der im Rahmen ihrer beiden Vorhaben finanzierten Maßnahmen herangezogen habe. In der vorliegenden Klage bestreite die Klägerin nicht die sachliche und rechnerische Richtigkeit der in diesen Prüfungsergebnissen enthaltenen Vorwürfe.

- Zweiter Teil des Klagegrundes

50 Die Klägerin behauptet, das DAFSE habe die ihm auf diesem Gebiet durch Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung Nr. 2950/83 und durch Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe d des portugiesischen Decreto-lei Nr. 37/91 verliehenen Befugnisse überschritten. Diese Bestimmungen begrenzten die Zuständigkeit des DAFSE auf die sachliche und rechnerische Bestätigung der dem Antrag auf Restzahlung des Zuschusses des ESF beigefügten Angaben. Das DAFSE könne seine Befugnis zur sachlichen und rechnerischen Bestätigung nur bei der Weitergabe des Restzahlungsantrags ausüben. Im vorliegenden Fall habe sich die zweite sachliche und rechnerische Bestätigung des DAFSE, von der die Klägerin durch das Schreiben vom 9. September 1994 erfahren habe, jedoch auf andere Angaben als die bei der ersten Bestätigung am 30. Oktober 1989 übermittelten bezogen. Die durch die zweite Bestätigung bewirkte Aufhebung der ersten sei deshalb rechtswidrig. Ausserdem wirke sich die sachliche und rechnerische Bestätigung des DAFSE nach den einschlägigen Bestimmungen der portugiesischen Regelung auf den nationalen Zuschuß aus; insbesondere führe sie zu einem Anspruch auf Zahlung des nationalen Zuschusses.

51 Die Kommission hält dem entgegen, die Bestätigung der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit nach Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung Nr. 2950/83 durch das DAFSE bedeute nicht, daß diese Stelle den Restzahlungsantrag nicht mehr nachträglich prüfen und der Kommission erforderlichenfalls einen berichtigten Zahlungsantrag vorlegen könne. Bei der Beurteilung der Prüfungspflicht des Mitgliedstaats seien zum einen das Anliegen, Unregelmässigkeiten bei der Verwendung des Zuschusses des ESF zu vermeiden, und zum anderen die subsidiäre Haftung des Mitgliedstaats für die Zahlung eines nicht ordnungsgemäß verwendeten Zuschusses nach Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2950/83 zu berücksichtigen. Daß das DAFSE 1994 den Restzahlungsantrag nach Berichtigung von bei der Verwirklichung der Maßnahmen entdeckten Unregelmässigkeiten endgültig bestätigt habe, stelle also keinen neuen Rechtsakt dar, durch den die erste Bestätigung vom 30. Oktober 1989 aufgehoben worden wäre.

52 Desgleichen seien die vom Mitgliedstaat nicht bestätigten Ausgaben nicht der Beurteilung der Kommission entzogen, da nach Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2950/83 "[d]ie Mitgliedstaaten... die Belege der Bestätigung nach Artikel 5 Absätze 2 und 4 für die Kommission bereit [halten]". Ausserdem habe das Gericht in seinem Urteil vom 13. Dezember 1995 in der Rechtssache T-85/94 (122) (Kommission/Branco, Slg. 1995, II-2993, Randnrn. 23 f.) daran erinnert, daß die Entscheidung über die Anträge auf Restzahlung die Kommission fälle und sie allein befugt sei, einen Zuschuß des ESF gemäß Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2950/83 zu kürzen, und daß die Kommission deshalb gegenüber dem Zuschussempfänger die rechtliche Verantwortung für die Entscheidung trage, durch die ein Zuschuß des ESF gekürzt werde, unabhängig davon, ob diese Kürzung von der betreffenden nationalen Behörde vorgeschlagen worden sei.

53 Zur Auswirkung der Bestätigung auf den nationalen Zuschuß weist die Kommission darauf hin, daß dieser Zuschuß im vorliegenden Fall nicht ausgezahlt worden sei, da die zuständige nationale Stelle bereits damals Zweifel an der Regelmässigkeit bestimmter Ausgaben gehabt habe. Ausserdem wäre der Klägerin daraus selbst bei einer Zahlung des nationalen Zuschusses nach den portugiesischen Rechtsvorschriften kein Anspruch erwachsen.

- Dritter Teil des Klagegrundes

54 Die Klägerin weist darauf hin, daß das DAFSE für die zweite sachliche und rechnerische Bestätigung, die ihr am 9. September 1994 zur Kenntnis gebracht worden sei, "Angemessenheit" und "gutes Finanzgebaren" als Kriterium herangezogen habe. Das DAFSE sei aber zur Anwendung eines solchen Kriteriums bei der von ihr durchzuführenden sachlichen und rechnerischen Prüfung nicht befugt gewesen, und bei der ersten Prüfung am 30. Oktober 1989 sei dieses Kriterium nicht verwendet worden.

55 Das DAFSE habe ihr niemals vorgeworfen, die in ihren Zahlungsanträgen von 1989 enthaltenen Ausgaben seien nicht tatsächlich getätigt oder nicht buchmässig erfasst worden. Zwischen der Kommission und dem DAFSE gebe es eine Aufgabenverteilung, wonach das DAFSE nur zu prüfen habe, ob die Angaben auf dem Zahlungsantrag und die entsprechende Buchung der Wirklichkeit entsprächen. Folglich sei das DAFSE nicht befugt, die Beachtung der Entscheidung über die Genehmigung eines Zuschusses des ESF nachträglich zu überprüfen, schon gar nicht anhand eines Kriteriums der "Angemessenheit" und des "guten Finanzgebarens". Im Hinblick auf die Eigenständigkeit der Verwaltung des ESF als Instrument einer gemeinschaftlichen Beschäftigungs- und Berufsbildungspolitik und die Notwendigkeit einer einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts, insbesondere der in der Entscheidung über die Genehmigung eines Antrags auf Gemeinschaftszuschuß festgelegten Bedingungen, sei die Beurteilung, ob diese Bedingungen eingehalten worden seien, nämlich ausschließlich Sache der Kommission.

56 Bei der sachlichen und rechnerischen Bestätigung müsse das DAFSE entweder feststellen, daß die ihm vom Zuschussempfänger gelieferten Angaben sachlich und rechnerisch richtig seien, und sie also bestätigen, oder es müsse ihre sachliche und rechnerische Unrichtigkeit feststellen und ihre Bestätigung also ablehnen. Das DAFSE könne keinesfalls ein Werturteil über die von ihm zu bestätigenden Tatsachen abgeben. In Wirklichkeit erklärten sich die festgestellten Unterschiede zwischen der Bestätigung vom 2. Februar 1990 und der vom 9. September 1994 durch die Anwendung des Kriteriums der "Angemessenheit" und des "guten Finanzgebarens".

57 Im übrigen habe das DAFSE das genannte Kriterium nicht vor seiner Anwendung bei der zweiten Bestätigung definiert und es bei der ersten Bestätigung nicht erwähnt.

58 Die Kommission hält dem entgegen, daß die Kürzung des Zuschusses des ESF nicht nur auf der Anwendung eines Kriteriums der "Angemessenheit" und des "guten Finanzgebarens" beruhe, sondern auch auf der Nichteinhaltung bestimmter anderer Bedingungen, die in den Entscheidungen über die Genehmigung von Zuschussanträgen aufgestellt seien. Im übrigen gehöre das fragliche Kriterium zu diesen Bedingungen. So habe sich die Klägerin durch Abgabe der Einverständniserklärung zur Genehmigungsentscheidung dazu verpflichtet, die gewährten Beihilfen im Einklang mit den geltenden nationalen und gemeinschaftlichen Vorschriften zu verwenden. Jedoch seien nach den fraglichen Vorschriften sowohl des nationalen als auch des Gemeinschaftsrechts gerade die Kriterien des guten Finanzgebarens anzuwenden.

59 Nach Artikel 7 der Verordnung Nr. 2950/83 könne ein Restzahlungsantrag inhaltlich geprüft werden, und der Mitgliedstaat habe danach die Kommission unbeschadet der von ihm selbst durchgeführten Prüfungen bei ihren Nachprüfungen zu unterstützen.

Würdigung durch das Gericht

60 Um die drei Teile des ersten Klagegrundes prüfen zu können, sind zunächst die Natur und die Tragweite der sachlichen und rechnerischen Bestätigung im Sinne der fraglichen Gemeinschaftsregelung zu bestimmen.

- Zur Natur und zur Tragweite der sachlichen und rechnerischen Bestätigung

61 Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung Nr. 2950/83 ist die einzige Bestimmung über die Bestätigung der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit von Anträgen auf Restzahlung. Er lautet:

"Anträge auf Restzahlung enthalten einen ins einzelne gehenden Bericht über den Inhalt, die Ergebnisse und die finanziellen Einzelheiten der Maßnahme. Der Mitgliedstaat bestätigt, daß die im Antrag enthaltenen Angaben sachlich und rechnerisch richtig sind."

62 Die in Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2950/83 erwähnte Bestätigung bezieht sich ausschließlich auf einen etwaigen zweiten Vorschuß bis zu höchstens 30 % und sagt aus, ob die Maßnahme unter den Bedingungen der Genehmigungsentscheidung zur Hälfte verwirklicht ist.

63 Nach Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2950/83 haben die Mitgliedstaaten ausserdem "die Belege der Bestätigung nach Artikel 5 Absätze 2 und 4 für die Kommission bereit[zuhalten]".

64 Dagegen ist diese Bestätigung weder im Beschluß 83/516 noch in der Entscheidung 83/673 erwähnt, obwohl auf sie in Anhang 2 der Entscheidung 83/673 verwiesen wird, der ein Exemplar des Formblatts enthält, das der Antragsteller ausfuellen muß, um die Zahlung des Zuschusses zu erhalten.

65 Artikel 6 Absätze 1 und 2 der Entscheidung 83/673 bestimmt jedoch:

"(1) Die Zahlungsanträge der Mitgliedstaaten müssen bei der Kommission innerhalb von zehn Monaten seit dem Zeitpunkt des Abschlusses der Maßnahmen eingehen. Die Zahlung des Zuschusses ist ausgeschlossen, wenn der Antrag nach Ablauf dieser Frist gestellt wird.

(2) Vorschüsse sind zu erstatten, wenn die Kosten für die betreffende Maßnahme nicht innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der in Absatz 1 vorgesehenen Frist von zehn Monaten mit dem Formblatt des Anhangs 2 nachgewiesen werden."

66 Das Formblatt des Anhangs 2 hat der Zuschussempfänger beim Mitgliedstaat einzureichen, damit dieser die in Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung Nr. 2950/83 vorgesehene Bestätigung abgeben kann (siehe oben, Randnr. 64).

67 Die Bestätigung nach Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung Nr. 2950/83 erfordert also eine Prüfung der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit der vom Zuschussempfänger zur Begründung des Antrags auf Restzahlung gelieferten Angaben. Das in Anhang 2 der Entscheidung 83/673 enthaltene Formblatt sieht dafür ein besonderes Feld vor.

68 Stellt ein Zuschussempfänger bei den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats einen Antrag auf Restzahlung eines Zuschusses des ESF, so können diese dreierlei tun. Sie können den Antrag insgesamt unter Bestätigung der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit aller eingereichten Ausgaben weiterleiten. Sie können diesen Antrag auch unter Bestätigung der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit nur eines Teils der gelieferten Angaben der Kommission vorlegen, wie es im vorliegenden Fall das DAFSE am 30. Oktober 1989 getan hat. Schließlich können sie untätig bleiben und es so dazu kommen lassen, daß der Anspruch des Zuschussempfängers auf den noch nicht gezahlten Betrag des ihm gewährten Gemeinschaftzuschusses verfällt, wenn die Untätigkeit der Behörden des Mitgliedstaats über die dafür in Artikel 6 Absatz 1 der Entscheidung 83/673 vorgesehene Frist hinaus andauert. Wie die Klägerin behauptet, stellt die Nichtbestätigung der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit einer Ausgabe also eine endgültige Entscheidung über die Finanzierung dar, da die in Artikel 5 Absatz 4 vorgesehene Befugnis zur Bestätigung binnen einer bestimmten Frist ausgeuebt werden muß.

69 Zur Tragweite dieser sachlichen und rechnerischen Bestätigung ist zum einen festzustellen, daß die Erteilung der Bestätigung durch den Mitgliedstaat diesen nicht von den sonstigen Pflichten nach der anwendbaren Gemeinschaftsregelung entbindet.

70 So bleibt er, selbst wenn er die Bestätigung nach Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung Nr. 2950/83 bereits erteilt hat, durch Artikel 2 Absatz 2 des Beschlusses 83/516 gebunden, der bestimmt:

"Die betroffenen Mitgliedstaaten gewährleisten die ordnungsgemässe Verwirklichung der Maßnahmen."

71 Ausserdem bleibt er durch Artikel 7 der Entscheidung 83/673 gebunden, der bestimmt:

"Wird die Verwaltung einer Maßnahme, für die ein Zuschuß gewährt worden ist, zum Gegenstand einer Untersuchung wegen vermuteter Unregelmässigkeiten, so unterrichtet der Mitgliedstaat unverzueglich die Kommission."

72 Die sich aus diesen Bestimmungen ergebenden Pflichten sind zeitlich unbeschränkt und dahin auszulegen, daß sie während der gesamten Verwaltung einer vom ESF finanzierten Maßnahme gelten. Der Zeitraum zwischen der Einreichung des Restzahlungsantrags des Zuschussempfängers durch den Mitgliedstaat und dem Erlaß einer Entscheidung durch die Kommission kann nicht als nicht zur Verwaltung einer Maßnahme im Sinne des Artikels 7 der Entscheidung 83/673 gehörend angesehen werden. Im übrigen wird der Mitgliedstaat als bevorzugter Ansprechpartner der Kommission angesehen, und zwar sowohl in Artikel 5 Absatz 5 der Verordnung Nr. 2950/83, wonach "[d]ie Kommission... alle Beteiligten von der Zahlung [unterrichtet]", als auch in den Artikeln 6 und 7 der Verordnung Nr. 2950/83, in denen das Verfahren geregelt ist, wenn die Kommission feststellt, daß die Gewährungsbedingungen nicht beachtet wurden, oder wenn sie im Anschluß an einen Zahlungsantrag Nachprüfungen vornehmen will. Diese Gesichtspunkte bestätigen also, daß der Mitgliedstaat nach der in Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung Nr. 2950/83 vorgesehenen sachlichen und rechnerischen Bestätigung an bestimmte Pflichten gebunden bleibt. Da schließlich in Artikel 7 der Entscheidung 83/673 nirgends davon die Rede ist, daß die von den Mitgliedstaaten der Kommission bei Verdacht zu meldenden Unregelmässigkeiten betrügerischen Charakter haben müssen, kann die Klägerin nicht behaupten, wie dies ihre Antwort auf eine vom Gericht in der Sitzung gestellte Frage nahezulegen scheint, daß die den Mitgliedstaaten dadurch auferlegte Pflicht gegenstandslos sei, wenn die Unregelmässigkeiten keinen betrügerischen Charakter hätten.

73 Im übrigen ist nach der Rechtsprechung allein die Kommission befugt, einen Zuschuß des ESF zu kürzen (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 24. Oktober 1996 in der Rechtssache C-32/95 P, Kommission/Lisrestal u. a., Slg. 1996, I-5373, Randnr. 29, und Urteil Kommission/Branco, Randnr. 23). Die Ausübung dieser Befugnis kann nicht von der Bestätigung nach Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung Nr. 2950/83 abhängen. Es bleibt der Kommission nämlich unbenommen, einen Gemeinschaftszuschuß zu kürzen, auch wenn der Mitgliedstaat die sachliche und rechnerische Richtigkeit aller zur Begründung des Restzahlungsantrags gelieferten Angaben bestätigt hat. Die Regelung bindet die Ausübung dieser Befugnis an keinerlei besondere Frist.

74 Folglich ist im Hinblick darauf, daß der Mitgliedstaat nach Artikel 2 Absatz 2 des Beschlusses 83/516 die ordnungsgemässe Verwirklichung der finanzierten Maßnahmen zu gewährleisten und der Kommission nach Artikel 7 der Entscheidung 83/673 jeden Verdacht einer Unregelmässigkeit zu melden hat, eine Bestätigung im Sinne des Artikels 5 Absatz 4 der Verordnung Nr. 2950/83 so zu verstehen, daß sie ihrer Natur nach vom Mitgliedstaat unter Vorbehalt erteilt wird. Eine andere Auslegung würde die praktische Wirksamkeit des Artikels 7 der Entscheidung 83/673 beeinträchtigen, der dem Mitgliedstaat auferlegt, die bei der Verwaltung der Maßnahmen, die mit ESF-Mitteln finanziert werden sollen, festgestellten Unregelmässigkeiten zu melden.

- Zum ersten Teil des Klagegrundes

75 Aus den vorstehenden Erörterungen ergibt sich, daß die Klägerin sich nicht auf eine zeitliche Unzuständigkeit des DAFSE für die in ihrem Schreiben vom 9. September 1994 erwähnten Überprüfungshandlungen berufen kann. Diese Handlungen können nicht als eine zweite sachliche und rechnerische Bestätigung im Sinne des Artikels 5 Absatz 4 der Verordnung Nr. 2950/83 angesehen werden. Vielmehr wurden durch sie Aufgaben durchgeführt, die den zuständigen Behörden der Portugiesischen Republik gemäß Artikel 2 Absatz 2 des Beschlusses 83/516 und Artikel 7 der Entscheidung 83/673 im Rahmen von Zuschüssen des ESF obliegen. Nach den von der Klägerin unwidersprochenen Angaben der Kommission geht aus den am 25. Januar 1990 erstellten Arbeitsunterlagen des mit der Prüfung des Restzahlungsantrags für die Zuschüsse betrauten DAFSE-Sachbearbeiters hervor, daß bereits zu diesem Zeitpunkt ein Verdacht auf Unregelmässigkeiten bestand. Die einzige im Rahmen der vorliegenden Rechtssache erteilte und den Erfordernissen des Artikels 5 Absatz 4 der Verordnung Nr. 2950/83 entsprechende sachliche und rechnerische Bestätigung ist die, auf die sich das DAFSE in seinem Schreiben vom 2. Februar 1990 bezieht. Diese Bestätigung entspricht im übrigen den in Artikel 6 Absatz 1 der Entscheidung 83/673 festgelegten Fristerfordernissen, wie die Klägerin einräumt.

76 Die Tatsache, daß das DAFSE die Klägerin nicht über seinen Verdacht hinsichtlich ihres Antrags auf Restzahlung des Zuschusses informierte, als es sie am 2. Februar 1990 über die sachliche und rechnerische Bestätigung unterrichtete, kann die Rechtmässigkeit der streitigen Entscheidungen nicht beeinträchtigen, da Artikel 7 der Entscheidung 83/673 den Mitgliedstaat oder die Kommission keineswegs dazu verpflichtet, den Zuschussempfänger sofort über das Bestehen eines Verdachts hinsichtlich der Regelmässigkeit der zur Begründung des Restzahlungsantrags gelieferten Angaben zu informieren. Desgleichen ist es unerheblich, daß in dem Schreiben des DAFSE vom 2. Februar 1990 nicht förmlich erwähnt ist, daß die sachliche und rechnerische Bestätigung am 30. Oktober 1989 unter Vorbehalt erteilt wurde. Aus den geltenden Rechtsvorschriften ergibt sich nämlich, daß eine mit Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung Nr. 2950/83 im Einklang stehende Bestätigung den betreffenden Mitgliedstaat nicht von seinen sonstigen Pflichten nach diesen Rechtsvorschriften entbindet.

77 Sodann ist in den streitigen Entscheidungen keine Rede von zwei Bestätigungen im Sinne des Artikels 5 Absatz 4 der Verordnung Nr. 2950/83. In ihnen wird nur eine solche Bestätigung erwähnt (dritte Begründungserwägung), nämlich die vom 30. Oktober 1989. Ausserdem bezieht sich das DAFSE in seinem Schreiben vom 9. September 1994 zwar mehrmals auf eine Bestätigung (certificação), erwähnt aber nicht Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung Nr. 2950/83.

78 Schließlich ist in der Gemeinschaftsregelung weder in bezug auf die Pflicht des Mitgliedstaats, die Kommission zu unterrichten, wenn er einen Verdacht von bestimmten Unregelmässigkeiten hat, noch hinsichtlich der Befugnis der Kommission zur Kürzung eines Zuschusses des ESF eine Frist vorgesehen (siehe oben, Randnr. 71 f.). Selbst wenn anzunehmen sein sollte, daß diese Pflicht und diese Befugnis innerhalb einer angemessenen Frist auszuüben sind, genügt der Hinweis, daß die Klägerin im vorliegenden Fall zwar die Dauer des zwischen den verschiedenen Handlungen des DAFSE und der Kommission liegenden Zeitraums erwähnt, aber nicht behauptet hat, daß diese Zeit unangemessen lang gewesen und daher bereits dadurch die Rechtmässigkeit der streitigen Entscheidungen beeinträchtigt sei.

79 Folglich ist der erste Teil des Klagegrundes nicht begründet.

- Zum zweiten Teil des Klagegrundes

80 Aus den Erörterungen zur Natur und zur Tragweite der sachlichen und rechnerischen Bestätigung ergibt sich ausserdem, daß das DAFSE dadurch, daß es bestimmte ergänzende Untersuchungen und bestimmte Prüfungen vorgenommen hat, nicht die Befugnisse überschritten hat, die den Mitgliedstaaten bei der Gestaltung des Verfahrens zur Prüfung eines Antrags auf Restzahlung eines Zuschusses des ESF durch die Gemeinschaftsregelung zugewiesen sind. Sein Verhalten zeigt im Gegenteil, daß es den ihm durch diese Regelung, insbesondere Artikel 7 der Entscheidung 83/673 (siehe oben, Randnr. 71), auferlegten Pflichten nachgekommen ist.

81 Da die nach der sachlichen und rechnerischen Bestätigung vom 30. Oktober 1989 ergangenen Handlungen des DAFSE einer Bestätigung im Sinne des Artikels 5 Absatz 4 der Verordnung Nr. 2950/83 nicht gleichgestellt werden können, kann überdies keine Rede davon sein, daß das DAFSE insoweit seine Befugnisse im Bereich der Bestätigung überschritten hat.

82 Schließlich braucht nicht auf das Vorbringen der Klägerin eingegangen zu werden, es sei gegen portugiesisches Recht verstossen worden, denn es ist nicht Sache des Gerichts, zu prüfen, welche Auswirkungen eine Bestätigung auf die Zahlung eines nationalen Zuschusses nach nationalem Recht hat.

83 Folglich ist der zweite Teil des Klagegrundes nicht begründet. - Zum dritten Teil des Klagegrundes

84 Es ist zu prüfen, ob wie von der Klägerin behauptet bei der Prüfung ihrer Restzahlungsanträge ein zusätzliches Kriterium der "Angemessenheit" und des "guten Finanzgebarens" angewendet wurde; eine solche Bedingung sei in den fraglichen Entscheidungen über die Gewährung der Zuschüsse nicht enthalten.

85 Angesichts der Natur und der Tragweite der sachlichen und rechnerischen Bestätigung im Sinne des Artikels 5 Absatz 4 der Verordnung Nr. 2950/83 kommt es für die Beurteilung der Rechtmässigkeit der Anwendung dieses Kriteriums im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob dieses bei der sachlichen und rechnerischen Bestätigung des DAFSE am 30. Oktober 1989 besonders geprüft wurde. In Anbetracht der Prüfungs- und Kontrollbefugnisse, die dem Mitgliedstaat und der Kommission zustehen, müssen nämlich beide berechtigt sein, jede Missachtung der bei der Gewährung des Gemeinschaftszuschusses aufgestellten Bedingungen seitens des Zuschussempfängers aufzugreifen, gleich, ob sie betrügerisch ist oder nicht.

86 Nach den von der Klägerin unterzeichneten Einverständniserklärungen zu den Entscheidungen über die Zuschußgewährung verpflichtete sie sich wie folgt zur Einhaltung der nationalen und gemeinschaftlichen Vorschriften:

"1. Vorsorglich wird folgendes erklärt: die gewährten Mittel werden im Einklang mit den geltenden Vorschriften des nationalen und des Gemeinschaftsrechts, im Einklang mit der Genehmigungsentscheidung und im Rahmen der Durchführung der im Rahmen des genannten Vorhabens vorgesehenen Maßnahme(n), insbesondere in bezug auf die Ausbildungsart, die Berufe, die Dauer der Ausbildungskurse und die tatsächlichen Beschäftigungsaussichten, verwendet..."

87 Unstreitig machen aber sowohl das portugiesische als auch das Gemeinschaftsrecht die Verwendung öffentlicher Mittel von einem guten Finanzgebaren abhängig. Insoweit hat die Kommission, ohne daß die Klägerin dem trotz der vom Gericht in der Sitzung gestellten Fragen widersprochen hätte, auf die Entscheidung 6/88 des Secretaria de Estado do Emprego e Formação Profissional und auf Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (Euratom, EGKS, EWG) Nr. 610/90 des Rates vom 13. März 1990 zur Änderung der Haushaltsordnung vom 21. Dezember 1977 für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 70, S. 1) verwiesen.

88 Entgegen dem Vorbringen der Klägerin wurden also die in den streitigen Entscheidungen gerügten Unregelmässigkeiten nicht anhand eines Kriteriums festgestellt, das nicht zu den Bedingungen gehörte, unter denen die Zuschüsse gewährt wurden. Vielmehr liegt die Anwendung eines Kriteriums der "Angemessenheit" und des "guten Finanzgebarens", bei dem nur zu prüfen ist, ob die von einem Zuschussempfänger geltend gemachten und von ihm beglichenen Ausgaben den Leistungen angemessen sind, für die sie aufgewendet wurden, völlig im Rahmen der Kontrolle, die der Mitgliedstaat nach Artikel 7 der Entscheidung 83/673 bei Verdacht von Unregelmässigkeiten, seien diese betrügerisch oder nicht, über die blosse sachliche und rechnerische Prüfung hinaus durchzuführen hat (siehe oben, Randnr. 71).

89 Zum tatsächlichen Vorliegen der der Klägerin zur Last gelegten Unregelmässigkeiten verweisen die streitigen Entscheidungen auf die der Klägerin am 26. Januar 1994 zugestellten Ergebnisse der von der IGF durchgeführten Überprüfung und auf die von der Klägerin am 24. Februar 1994 abgegebenen Erklärungen.

90 Wie die Kommission in ihrer Klagebeantwortung ausgeführt hat, heisst es in Ziffer 3.3 dieser Prüfungsergebnisse:

"Die Prüfung der Bücher der RSP und der DEPROM durch die IGF haben zu schweren Vorbehalten hinsichtlich der Zuverlässigkeit von DEPROM und der erstellten Unterlagen geführt, da folgender Sachverhalt festgestellt wurde:

a) fehlende Übereinstimmung zwischen den von Auftragnehmern in Rechnung gestellten und den erbrachten Dienstleistungen;

b) erheblicher Unterschied zwischen den in Rechnung gestellten Beträgen und den diesen Rechnungen zugrunde liegenden Kosten;

c) Auslassung der Namen der dienstleistenden Unternehmen und Fehlen von objektiven Anhaltspunkten, die eine Beurteilung der tatsächlich erbrachten Dienstleistung oder der Angemessenheit der fraglichen Beträge ermöglichen würden."

91 Ziffer 4 dieses Dokuments verweist sodann auf die vom DAFSE am 5. September 1991 bestellte Überprüfung der Bücher von DEPROM durch die IGF, bei der die Zuschußfähigkeit der durch die Rechnungen und die Einnahmen von DEPROM ausgewiesenen Ausgaben in Frage gestellt wurde, wie die Kommission ebenfalls in ihrer Klagebeantwortung hervorgehoben hat.

92 Die Klägerin hat aber weder in ihrer Stellungnahme vom 24. Februar 1994 noch im schriftlichen Verfahren bestritten, daß die in den Prüfungsergebnissen der IGF enthaltenen Feststellungen und Folgerungen zutreffend seien, sondern nur die Entwicklung ihrer Beziehungen zur RSP erläutert und jegliche rechtliche Verbindung zur DEPROM, abgesehen von Geschäftsbeziehungen, die sie mit diesem Unternehmen unterhalten habe, verneint sowie darauf hingewiesen, daß sie deren Rechnungen beglichen habe.

93 Insoweit kann sie sich weder durch Berufung darauf, daß Unregelmässigkeiten bei den Leistungen eines Unternehmens festgestellt wurden, dessen Rechnungen sie im übrigen beglich, noch darauf, daß die in der Entscheidung über die Gewährung der Zuschüsse zugestandenen Ausgabenobergrenzen eingehalten wurden, von der Haftung für diese Unregelmässigkeiten entlasten. Da die Klägerin Ausgaben abrechnete, die für die Durchführung der fraglichen Vorhaben getätigt worden waren, wirken sich etwaige Unregelmässigkeiten bei dieser Abrechnung zwangsläufig auf die Ordnungsmässigkeit dieser Ausgaben aus, denn die Klägerin hat die Ordnungsmässigkeit aller Ausgaben, die sie bei der Berechnung der Höhe des Zuschussanspruchs berücksichtigt sehen will, zu gewährleisten. Solche Unregelmässigkeiten sind folglich der Klägerin zuzurechnen.

94 Die Klägerin hat zwar in der Sitzung behauptet, sie habe das Bestehen der Unregelmässigkeiten, die aufgrund der am 26. Januar 1994 bekanntgebenen Prüfungsergebnisse beanstandet worden seien, bestritten, und dazu wahllos die Nummern 13, 14, 16, 19, 22, 24, 29, 32 und 36 ihrer Klageschrift angeführt, doch entbehrt diese Behauptung jeglicher Grundlage. Anhand der genannten Nummern der Klageschrift lassen sich die Natur und die Tragweite der angeblich erhobenen Einwände gegen das Bestehen der beanstandeten Unregelmässigkeiten in keiner Weise bestimmen. Insoweit ist die Behauptung der Klägerin, die den streitigen Rechnungen zugrunde liegenden Verträge seien dem DAFSE und der Kommission bei der Einreichung ihres ursprünglichen Zuschussantrags zur Zustimmung vorgelegt worden, durch nichts bewiesen. Überdies widersprechen ihr die schriftlichen Äusserungen der Klägerin selbst. Aus den beiden ihrer Stellungnahme vom 24. Februar 1994 zu den Prüfungsergebnissen der IGF beigefügten Verträgen (Anlage 3 dieser Stellungnahme) ergibt sich nämlich, daß diese Verträge am 19. Juli 1988, also nach dem Erlaß der Entscheidungen der Kommission über die Gewährung der Zuschüsse, die ihr vom DAFSE am 25. Mai 1988 bekanntgegeben wurden (siehe oben, Randnr. 8), geschlossen wurden.

95 Schließlich hat die Kommission zu Recht und seitens der Klägerin unwidersprochen darauf hingewiesen (siehe oben, Randnrn. 90 bis 92), daß die in den Überprüfungen der IGF und des DAFSE festgestellten Unregelmässigkeiten, die zur Kürzung der fraglichen Zuschüsse führten, nicht allein anhand des Kriteriums der "Angemessenheit" und des "guten Finanzgebarens" festgestellt wurden.

96 Folglich ist der dritte Teil des ersten Klagegrundes unbegründet.

97 Dieser Klagegrund ist daher insgesamt zurückzuweisen.

Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 190 des Vertrages

Vorbringen der Parteien

98 Die Klägerin behauptet, das DAFSE habe durch die Anwendung eines Kriteriums der "Angemessenheit" und des "guten Finanzgebarens" gegen die Begründungspflicht nach Artikel 190 des Vertrages verstossen, da dieses Kriterium nicht im vorhinein definiert und bei der ersten Bestätigung nicht verwendet worden sei. Das DAFSE habe die für die Bestätigung geltenden Regeln geändert, die Verständlichkeit der streitigen Entscheidungen beeinträchtigt und dadurch die Klägerin daran gehindert, die wirkliche Tragweite dieses Kriteriums zu erkennen.

99 Die Entscheidungen, die das DAFSE und die Kommission in der vorliegenden Rechtssache nacheinander erlassen hätten, seien verwirrend, ja sogar widersprüchlich. Die Höhe der Kürzung sei von einer Entscheidung zur anderen verschieden, ohne daß dies erläutert werde. So habe die Klägerin nach der ersten Bestätigung Anspruch auf 128 896 811 ESC gehabt, das DAFSE habe am 9. September 1994 die Rückzahlung von 62 856 998 ESC verlangt, während die Kommission in den streitigen Entscheidungen von ihr die Rückzahlung von 34 571 349 ESC verlange.

100 Nach Auffassung der Kommission hat die Klägerin nicht dargelegt, aus welchen Gründen sie die Begründung der streitigen Entscheidungen für mangelhaft hält. Sie erläutert jedoch vorsorglich, daß die Begründungserwägungen der streitigen Entscheidungen auf den Ergebnissen der vom DAFSE bestellten Überprüfung beruhten, daß diese Ergebnisse und ihre Gründe der Klägerin bekanntgegeben worden seien und daß sie insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt habe.

101 Die vom DAFSE bekanntgegebenen Entscheidungen und die streitigen Entscheidungen seien in bezug auf die Höhe der von der Klägerin zurückgeforderten Beträge nicht verwirrend oder gar widersprüchlich. Der festgestellte Unterschied beruhe darauf, daß anders als in den streitigen Entscheidungen in den Entscheidungen des DAFSE die Höhe des rückzahlbaren nationalen Zuschusses berücksichtigt sei. Dieser Unterschied ergebe sich im einzelnen aus den Informationsmitteilungen, die das DAFSE am 9. September 1994 übermittelt habe. Die Klägerin habe daher keinerlei Begründungsmangel nachgewiesen.

Würdigung durch das Gericht

102 Nach ständiger Rechtsprechung muß die nach Artikel 190 EG-Vertrag vorgeschriebene Begründung die Überlegungen der Gemeinschaftsbehörde, die den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, daß die Betroffenen die Gründe für die erlassene Maßnahme erkennen können und der Gerichtshof seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (Urteile des Gerichtshofes vom 15. April 1997 in der Rechtssache C-22/94, Irish Farmers Association u. a., Slg. 1997, I-1809, Randnr. 39, und des Gerichts vom 14. Juli 1997 in der Rechtssache T-81/95, Interhotel/Kommission, Slg. 1997, II-1265, Randnr. 72, sowie die angeführte Rechtsprechung). Die Tragweite dieser Pflicht ist je nach der Natur des Rechtsakts und dem Zusammenhang, in dem er erlassen worden ist, unterschiedlich.

103 Im vorliegenden Fall ist zunächst daran zu erinnern, daß die 1994 ergangenen Handlungen des DAFSE keine sachliche und rechnerische Bestätigung im Sinne des Artikels 5 Absatz 4 der Verordnung Nr. 2950/83 darstellen (siehe oben, Randnr. 75), so daß die Anwendung eines Kriteriums der "Angemessenheit" und des "guten Finanzgebarens" durch das DAFSE keine Änderung der für die Bestätigung geltenden Regeln bedeuten kann. Im übrigen beruhen nicht alle bei der Durchführung der vom ESG finanzierten Vorhaben entdeckten Unregelmässigkeiten auf der Anwendung dieses Kriteriums (siehe oben, Randnr. 95).

104 Überdies verweisen die streitigen Entscheidungen ausdrücklich auf die verschiedenen Etappen des Verfahrens, in dem die Kommission dazu gelangte, die ursprünglich gewährten Zuschüsse zu kürzen und einen Teil der zugestandenen Vorschüsse zurückzufordern. Insbesondere sind in ihnen die Handlungen der zuständigen portugiesischen Behörden erwähnt.

105 Da in ihnen nicht angegeben ist, daß sie in irgendeinem Punkt von diesen Handlungen abweichen, darf davon ausgegangen werden, daß deren Inhalt zur Begründung der streitigen Entscheidungen gehört, zumindest soweit die Klägerin von ihnen Kenntnis nehmen konnte.

106 In den streitigen Entscheidungen sind insbesondere die Ergebnisse der von der IGF durchgeführten Überprüfung (vierte Begründungserwägung), die Bekanntgabe dieser Ergebnisse an die Klägerin am 26. Januar 1994 und die von dieser am 24. Februar 1994 abgegebenen Erklärungen (fünfte Begründungserwägung) erwähnt. Bei Abgabe dieser Erklärungen hat die Klägerin tatsächlich unmißverständlich angegeben, daß sie damit zu den am 26. Januar 1994 übermittelten Prüfungsergebnissen des IGF inhaltlich Stellung nehmen wolle.

107 Ausserdem heisst es in den streitigen Entscheidungen, die durchgeführten Nachprüfungen hätten die Feststellung gestattet, daß die Bedingungen für die Gewährung der Gemeinschaftszuschüsse nicht eingehalten worden seien.

108 Schließlich hat die Kommission insoweit unwidersprochen darauf hingewiesen, daß das DAFSE am 16. Mai 1994 von der Klägerin zusätzliche Auskünfte verlangt und diese am 26. Mai 1994 geantwortet habe (siehe oben, Randnr. 14).

109 Folglich hat die Anwendung des von der Klägerin beanstandeten Kriteriums nicht zu einem Verstoß gegen Artikel 190 des Vertrages geführt.

110 Der angebliche Unterschied zwischen den zu zahlenden bzw. zurückzuzahlenden Beträgen der Zuschüsse des ESF, die der Klägerin etwa in dem Verfahren, das zum Erlaß der streitigen Entscheidungen führte, mitgeteilt wurden, erklärt sich entweder durch das Datum, an dem diese Beträge festgesetzt wurden, oder durch die Einbeziehung oder Nichteinbeziehung der zurückzuzahlenden Beträge der nationalen Zuschüsse.

111 Ausserdem wird dieser Unterschied in den Unterlagen, die der Klägerin jeweils übermittelt wurden, gerechtfertigt.

112 So gibt das Schreiben des DAFSE vom 2. Februar 1990 das Ergebnis der sachlichen und rechnerischen Prüfung vom 30. Oktober 1989 wieder, das das DAFSE veranlasste, die Zuschußfähigkeit sämtlicher eingereichter Ausgaben mit Ausnahme eines Betrages von 6 491 845 ESC für nationale und Gemeinschaftszuschüsse zu bejahen.

113 Im übrigen wird die Klägerin in dem Schreiben des DAFSE vom 9. September 1994 über die Folgen der in der Zwischenzeit durchgeführten zusätzlichen Prüfungen unterrichtet und darauf hingewiesen, daß sie 29 052 034 ESC für das Vorhaben Nr. 881311 P1 und 33 804 964 ESC für das Vorhaben Nr. 880249 P3 zurückzuzahlen habe. In den diesem Schreiben beigefügten Unterlagen "Informação n_ 1165/DSJ/DSAFEP/94" und "Informação n_ 1166/DSJ/DSAFEP/94" wird ausgeführt, daß diese Beträge die Rückzahlung sowohl der im Rahmen der Gemeinschaftszuschüsse gewährten Vorschüsse (15 978 619 ESC für das Vorhaben Nr. 881311 P1, gemäß Nr. 18 der Anlage 7 der Klagebeantwortung, und 18 592 730 ESC für das Vorhaben Nr. 880249 P3, gemäß Nr. 19 der Anlage 8 der Klagebeantwortung) als auch der nationalen Vorschüsse (13 073 415 ESC für das Vorhaben Nr. 881311 P1, gemäß Nr. 18 der Anlage 7 der Klagebeantwortung, und 15 212 234 ESC für das Vorhaben Nr. 880249 P3, gemäß Nr. 19 der Anlage 8 der Klagebeantwortung) betreffen. Nach diesen Unterlagen sind die Gemeinschaftszuschüsse aber in derselben Höhe zurückzuzahlen, wie dies die Kommission in den streitigen Entscheidungen (jeweils Artikel 2) verlangt. Nach diesen Entscheidungen, die nur die Gemeinschaftszuschüsse betreffen, hat die Klägerin nämlich 15 978 619 ESC für das Vorhaben Nr. 881311 P1 und 18 592 730 ESC für das Vorhaben Nr. 880249 P3 zurückzuzahlen.

114 Da allein die Kommission zur Kürzung eines Zuschusses des ESF befugt ist (siehe oben, Randnr. 73), kann es zwischen dem Wortlaut des Schreiben des DAFSE vom 2. Februar 1990, in dem die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Zahlungsanträge bestätigt wird, und den streitigen Entscheidungen, mit denen nach der Kürzung der Zuschüsse ein Teil der Vorschüsse zurückgefordert wird, keinen Widerspruch geben. Jedenfalls hatte die Klägerin vor Erlaß der streitigen Entscheidungen Gelegenheit, die Gründe für die seit der sachlichen und rechnerischen Bestätigung durch das DAFSE am 30. Oktober 1989 erfolgten Änderungen zur Kenntnis zu nehmen; diese Gründe wurden in den streitigen Entscheidungen erneut wiedergegeben.

115 Nach alledem ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen.

Zum dritten Klagegrund: Ermessensmißbrauch

Vorbringen der Parteien

116 Nach Auffassung der Klägerin sind die beiden streitigen Entscheidungen angesichts der Umstände ihres Erlasses mit einem Ermessensmißbrauch behaftet.

117 Die Kommission bestreitet, daß aufgrund der Verwendung des Kriteriums der "Angemessenheit" und des "guten Finanzgebarens" ein Ermessensmißbrauch vorliege. Sie verweist insoweit auf ihre Erklärungen zum dritten Teil des ersten Klagegrundes.

Würdigung durch das Gericht

118 Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Rechtshandlung nur dann ermessensmißbräuchlich, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, daß sie ausschließlich oder zumindest vorwiegend zu anderen als den angegebenen Zwecken oder mit dem Ziel erlassen worden ist, ein Verfahren zu umgehen, das der Vertrag speziell vorsieht, um die konkrete Sachlage zu bewältigen (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 13. November 1990 in der Rechtssache C-331/88, Fedesa u. a., Slg. 1990, I-4023, Randnr. 24, und des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-143/89, Ferriere Nord/Kommission, Slg. 1995, II-917, Randnr. 68).

119 In der vorliegenden Rechtssache verweist die Klägerin nur auf die Umstände, unter denen die streitigen Entscheidungen erlassen wurden, ohne konkrete Anhaltspunkte für einen Ermessensmißbrauch zu nennen.

120 Bei diesem Stand ihrer Darlegungen ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen.

Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen die Verteidigungsrechte der Klägerin

Vorbringen der Parteien

121 Die Klägerin beklagt einen Verstoß gegen ihre Verteidigungsrechte, der zum einen in der unangekündigten Anwendung des Kriteriums der "Angemessenheit" und des "guten Finanzgebarens" und zum anderen darin liege, daß die Kommission sie vor Erlaß der streitigen Entscheidungen nicht angehört habe.

122 Die Kommission weist darauf hin, daß die beiden streitigen Entscheidungen, wie im übrigen in deren Begründungserwägungen ausgeführt sei, auf die Bestätigung des DAFSE gestützt seien. Die Klägerin sei über diese Bestätigung und ihre Gründe unterrichtet gewesen und habe Gelegenheit gehabt, dazu Stellung zu nehmen. Damit seien die Verteidigungsrechte voll und ganz beachtet worden. Insbesondere sei die Klägerin über die Prüfung vom Oktober 1991 unterrichtet worden, sie habe im Januar 1994 eine Kopie der Ergebnisse dieser Prüfung erhalten, sie habe die Akte beim DAFSE einsehen und zweimal, im Februar und im Mai 1994, Stellung nehmen können.

Würdigung durch das Gericht

123 Nach der Rechtsprechung müssen die Verteidigungsrechte des Empfängers eines Zuschusses des ESF beachtet werden, wenn die Kommission den Zuschuß kürzt (vgl. Urteil Kommission/Lisrestal u. a., Randnrn. 21 bis 38).

124 Insoweit ist erstens festzustellen, daß das von der Klägerin beanstandete Kriterium der "Angemessenheit" und des "guten Finanzgebarens" zur Wahrung der Bedingungen gehört, die das nationale und das Gemeinschaftsrecht aufstellen und denen sich die Klägerin, indem sie sich mit den Gewährungsbedingungen der beiden fraglichen Zuschüsse des ESF förmlich einverstanden erklärte, vor Erlaß der streitigen Entscheidungen unterwarf (siehe oben, Randnrn. 86 bis 88).

125 Überdies wurde es vom DAFSE und der Kommission nach Abschluß der Prüfungen im Rahmen einer Überprüfung angewendet, deren Ergebnisse der Klägerin mitgeteilt wurden und zu denen sie sich äussern konnte.

126 Daher konnte mit seiner Anwendung nicht gegen die Verteidigungsrechte der Klägerin verstossen werden.

127 Was zweitens den Anspruch der Klägerin anbelangt, von der Kommission vor Erlaß einer Entscheidung über die Kürzung von Zuschüssen des ESF angehört zu werden, so hat das Gericht in seinem Urteil vom 6. Dezember 1994 in der Rechtssache T-450/93 (Lisrestal u. a./Kommission, Slg. 1994, II-1177, Randnr. 49), ohne daß dies vom Gerichtshof in seinem Rechtsmittelurteil Kommission/Lisrestal u. a. beanstandet wurde, festgestellt, daß die Kommission eine Entscheidung über die Kürzung eines Zuschusses des ESF nicht erlassen durfte, ohne den Klägerinnen zuvor Gelegenheit gegeben zu haben, zur beabsichtigten Kürzung des Zuschusses Stellung zu nehmen, oder sich vergewissert zu haben, daß ihnen diese Gelegenheit gegeben wurde.

128 In der vorliegenden Rechtssache ergibt sich jedoch aus der Akte, daß das DAFSE die Klägerin über die verschiedenen Maßnahmen der Nachprüfung und ihre Ergebnisse auf dem laufenden gehalten und ihr dabei Gelegenheit zur Äusserung gegeben hat. So war die Klägerin über das endgültige Ergebnis der vom DAFSE durchgeführten Nachprüfung durch dessen Schreiben vom 9. September 1994 und seine Anlagen unterrichtet. Ausserdem nahm die Klägerin, wie in den streitigen Entscheidungen angegeben (jeweils fünfte Begründungserwägung), zu den Ergebnissen der im Auftrag des DAFSE durch die IGF erfolgten Überprüfung Stellung (siehe oben, Randnr. 14).

129 Unter diesen Umständen ist die Kommission ihrer Pflicht, sich zu vergewissern, daß die Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten hatte, nachgekommen und hat damit deren Anspruch beachtet, vor Erlaß einer Entscheidung über die Kürzung von Zuschüssen des ESF im vorliegenden Fall angehört zu werden.

130 Nach alledem ist der vierte Klagegrund zurückzuweisen. 131 Die Klage ist daher insgesamt abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

132 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist und die Kommission beantragt hat, ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, ist die Klägerin zur Tragung der Kosten des Verfahrens zu verurteilen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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