Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 19.03.1997
Aktenzeichen: T-73/95
Rechtsgebiete: VO (EWG) Nr. 2950/83


Vorschriften:

VO (EWG) Nr. 2950/83 Art. 6
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

4 Aus Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2950/83 geht eindeutig hervor, daß die Gewährung des Zuschusses des Europäischen Sozialfonds davon abhängt, daß der Empfänger die Bedingungen der Maßnahme, so wie sie sich aus der Genehmigungsentscheidung ergeben, einhält. Hat der Empfänger diese Bedingungen nicht eingehalten, kann er nicht unter Berufung auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes die Zahlung des gesamten in der Genehmigungsentscheidung gewährten Betrages verlangen. Ein Unternehmen, das sich einer offensichtlichen Verletzung der geltenden Bestimmungen schuldig gemacht hat, kann sich nämlich nicht auf diesen Grundsatz berufen, der seinerseits zwingend aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit folgt, der gebietet, daß Rechtsvorschriften klar und bestimmt sein müssen, und der die Voraussehbarkeit der unter das Gemeinschaftsrecht fallenden Tatbestände und Rechtsbeziehungen gewährleisten soll.

Ein Unternehmen kann sich daher nicht auf diesen Grundsatz und das Verbot der Reformatio in peius berufen, um die Rechtmässigkeit einer Entscheidung der Kommission anzufechten, die nach Nichtigerklärung einer früheren Entscheidung - die denselben Gegenstand hatte, aber mit einem erheblichen Formmangel behaftet war, da dem betreffenden Mitgliedstaat keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden war - ergangen war und mit der nach erneuter Prüfung des Vorgangs der ursprünglich gewährte Zuschuß wegen Verstosses gegen die Genehmigungsbedingungen gekürzt wurde. Der Umstand, daß die zuletzt vorgenommene Kürzung höher als die nach der ersten Entscheidung ist, stellt keinen Rechtswidrigkeitsgrund dar. Die Kommission war nämlich nach den Grundsätzen der ordnungsgemässen Verwaltung, der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung verpflichtet, nach der durch die Nichtigerklärung gebotenen Überprüfung eine Entscheidung zu erlassen und dabei alle bei ihrem Erlaß vorliegenden tatsächlichen und rechtlichen Informationen zu berücksichtigen; diese konnten, insbesondere weil zu ihnen auch die Stellungnahmen der nationalen Behörden gehörten, die vorher gefehlt hatten, anders ausfallen als die, die zum Erlaß der für nichtig erklärten Entscheidung geführt hatten.

5 Die Durchführung eines Nichtigkeitsurteils des Gemeinschaftsrichters, zu der ein Gemeinschaftsorgan nach Artikel 176 des Vertrages verpflichtet ist, macht bestimmte Verwaltungsmaßnahmen erforderlich und kann normalerweise nicht sofort erfolgen, da das Organ über eine angemessene Frist verfügt, um dem Urteil nachzukommen. Ob die Frist angemessen war, hängt von der Natur der zu ergreifenden Maßnahmen sowie den Umständen des Falles, insbesondere den verschiedenen Phasen des Entscheidungsverfahrens, ab. Die bei der Beurteilung der Rechtmässigkeit einer Entscheidung, die eine für nichtig erklärte Entscheidung ersetzt, zu berücksichtigende Frist ist nicht wie im Fall einer Rücknahme, die eine Behörde von sich aus vornimmt, die Zeit, die zwischen dem Erlaß der ersten und dem Erlaß der zweiten Entscheidung verstrichen ist, sondern die Zeit zwischen der Verkündung des Nichtigkeitsurteils und dem Erlaß der neuen Entscheidung.

Ein Zeitraum von 38 Monaten zwischen der Verkündung des Urteils, mit dem eine Entscheidung der Kommission über die Kürzung eines Zuschusses des Europäischen Sozialfonds für eine Maßnahme der beruflichen Bildung für nichtig erklärt wird, und dem Erlaß der neuen Entscheidung erscheint zwar lang, kann aber insoweit nicht als unangemessen angesehen werden, weil angesichts von Zweifeln, ob die in der ersten Entscheidung verwendeten Informationen richtig und vollständig waren, der Sachverhalt neu ermittelt werden musste und diese Arbeit die Durchführung einer Prüfungsmission im Mitgliedstaat, die Auswertung der gesammelten Informationen und mehrere Rücksprachen mit den nationalen Behörden umfasste.

Jedenfalls kann eine während eines Verfahrens zur Durchführung eines Nichtigkeitsurteils eingetretene Verzögerung für sich allein die Gültigkeit des aus diesem Verfahren hervorgegangenen Rechtsakts nicht beeinträchtigen, denn wenn dieser Rechtsakt allein wegen seiner Verspätung für nichtig erklärt würde, wäre der Erlaß eines wirksamen Rechtsakts auf Dauer ausgeschlossen, da der Rechtsakt, der den für nichtig erklärten Rechtsakt ersetzen soll, keine geringere Verspätung aufweisen könnte als dieser.

6 Es ist angebracht, Artikel 87 § 3 Absatz 2 der Verfahrensordnung des Gerichts anzuwenden und der Kommission, obwohl sie obsiegt hat, die gesamten Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, wenn es sich um einen Fall handelt, in dem die Kommission, um über die Restzahlung im Rahmen eines Zuschusses des Europäischen Sozialfonds zu entscheiden, zunächst eine Entscheidung über dessen Kürzung erlassen hatte, ohne sich vergewissert zu haben, ob die verwendeten Informationen richtig und vollständig waren, und ohne in diesem Zusammenhang die nationalen Behörden angehört zu haben, wozu sie verpflichtet war, und dann nach Nichtigerklärung dieser Entscheidung durch den Richter und Verstreichen einer langen Zeit eine weitere Kürzung des Zuschusses beschloß, so daß ihr vorzuwerfen ist, die Entstehung des Rechtsstreits durch ihr Verhalten begünstigt zu haben.

.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Erste Kammer) vom 19. März 1997. - Estabelecimentos Isidoro M. Oliveira SA gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Sozialpolitik - Europäischer Sozialfonds - Zuschuß zur Finanzierung von Maßnahmen der beruflichen Bildung - Neue Entscheidung aufgrund eines Urteils des Gerichtshofes - Rechtssicherheit - Berechtigtes Vertrauen - Verbot der Reformatio in peius - Angemessene Frist. - Rechtssache T-73/95.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Am 31. März 1987 genehmigte die Kommission ein Vorhaben betreffend eine Bildungsmaßnahme für 199 Auszubildende, für das das Departamento para os Assuntos do Fundo Social Europeu (Abteilung für Angelegenheiten des Europäischen Sozialfonds; nachstehend: DAFSE) in Lissabon im Oktober 1986 für das Haushaltsjahr 1987 zugunsten der Klägerin einen Antrag auf Zuschuß gestellt hatte, der die Nummer 870708/P1 erhalten hatte. Gemäß der von der Kommission am 30. April 1987 erlassenen und von der DAFSE am 27. Mai 1987 bekanntgegebenen berichtigten Genehmigungsentscheidung wurde der Klägerin für die Ausbildung von 199 Personen ein Zuschuß von 80 857 968 ESC gewährt. Im Übermittlungsschreiben der DAFSE wurde darauf hingewiesen, daß die Zuschüsse des Europäischen Sozialfonds (nachstehend: ESF) Mittel seien, die unter der Bedingung vergeben würden, daß die Maßnahme unter Einhaltung der Gemeinschaftsvorschriften durchgeführt werde, und daß die Nichteinhaltung dieser Bedingung die Rückzahlung der Vorschüsse und die Einbehaltung des Restbetrags nach sich ziehe. Ausserdem war darin hervorgehoben, daß jede Veränderung gegenüber den Angaben in den Antragsunterlagen der DAFSE mitzuteilen sei.

2 Nachdem die Klägerin Antrag auf Restzahlung gestellt hatte, beschloß die Kommission am 27. Juni 1989, daß der Zuschuß des ESF im Ergebnis 41 592 218 ESC nicht übersteigen dürfe, da bestimmte Ausgaben nicht zuschußfähig seien (nachstehend: erste Entscheidung).

3 Diese erste Entscheidung erklärte der Gerichtshof auf die Klage der Klägerin für nichtig, weil die Kommission der Portugiesischen Republik vor Erlaß der endgültigen Entscheidung über die Kürzung des Zuschusses keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte (Urteil vom 7. Mai 1991 in der Rechtssache C-304/89, Oliveira/Kommission, Slg. 1991, I-2283).

4 Im Hinblick auf den Erlaß einer neuen Entscheidung wandte sich die Kommission am 10. Februar 1992 mit der Bitte um zusätzliche Auskünfte an die portugiesischen Behörden. Danach wurde in Portugal vom 21. bis 24. April 1992 eine Prüfungsmission durchgeführt, deren Zweck in der "erneuten abschließenden Bearbeitung" des Vorgangs bestand. Die Klägerin wurde über die Prüfungsmission vorher unterrichtet. Die Kommission macht geltend, sie habe aufgrund dieser Mission Kenntnis von neuen Umständen erlangt. Laut dem Missionsbericht wurde insbesondere festgestellt, daß die meisten der von dem Bildungsvorhaben betroffenen 199 Auszubildenden in dem Unternehmen keinen Arbeitsplatz hätten und das Vorhaben in bezug auf sie daher nicht zu den Bedingungen der ursprünglichen Genehmigung zuschußfähig sei. Ausserdem waren dem Bericht zufolge verschiedene Ausgaben als nicht nachgewiesen anzusehen.

5 In der Folgezeit antwortete die Klägerin auf ein Auskunftsverlangen der DAFSE mit Schreiben vom 10. Juli 1992, dem die Verzeichnisse der Auszubildenden beigefügt waren, die an der Bildungsmaßnahme teilnahmen. Die Beklagte macht insoweit geltend, die Klägerin habe in ihrem ursprünglichen Antrag nicht erwähnt, daß Auszubildende teilnähmen, die nicht zu dem Unternehmen gehörten, und daß nur 29 der Teilnehmer tatsächlich mit dem Unternehmen verbunden seien. Nach den Angaben der Klägerin beträgt die Zahl der Teilnehmer, die zum Personal des Unternehmens gehörten, dagegen 81, von denen aber einige nach Abschluß der Ausbildung nicht mehr in dem Unternehmen hätten weiterarbeiten können oder wollen.

6 Der ESF legte der DAFSE am 23. Oktober 1992 einen ersten Entwurf für eine endgültige Entscheidung vor. Dieser Entwurf wurde durch einen Vermerk Nr. 6259 vom 30. März 1993 ersetzt, der neue Berechnungen mit Erläuterungen sowie "Korrekturen" zur Berücksichtigung der während der Prüfungsmission in Erfahrung gebrachten Umstände enthält. Nach Erhalt der in einem Schreiben vom 1. Juni 1993 enthaltenen Stellungnahme der Klägerin zu dem Entwurf der endgültigen Entscheidung übersandte die DAFSE der Kommission am 22. September 1993 einen Informationsvermerk (Anlage 4 der Klagebeantwortung). Darin erklärt die DAFSE, daß sie dem Entwurf der Kommission zustimme, und stellt folgendes fest: Erstens sei die Zahl der Stunden der praktischen Ausbildung gegenüber der Zahl der Stunden der theoretischen Ausbildung zu hoch, zweitens seien bestimmte Ausgaben betreffend die Ausbildung des Lehrpersonals und den Einsatz bestimmter Maschinen in dem ursprünglichen Zuschussantrag nicht vorgesehen gewesen und hätten mit der erteilten Ausbildung nichts zu tun, drittens beruhe die für normale Abschreibung vorgenommene Kürzung auf der Herabsetzung der Dauer der Kurse, und viertens beeinflusse der Umstand, daß die Teilnehmer entsprechend dem ursprünglichen Zuschussantrag dem Unternehmen hätten angehören und die Maßnahme im Rahmen eines Umstrukturierungsprozesses hätte stattfinden müssen, die Zuschußfähigkeit des Vorhabens in bezug auf die Teilnehmer an der Bildungsmaßnahme. Am 12. Oktober 1993 ergänzte die DAFSE ihre Stellungnahme in demselben Sinn.

7 Nach Anhörung der Portugiesischen Republik gemäß Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2950/83 des Rates vom 17. Oktober 1983 zur Anwendung des Beschlusses 83/516/EWG über die Aufgaben des Europäischen Sozialfonds, im Hinblick auf den Beitritt Spaniens und Portugals geändert durch die Verordnung (EWG) Nr. 3823/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 (ABl. 1983, L 289, S. 1, und ABl. 1985, L 370, S. 23; nachstehend: Verordnung Nr. 2950/83), erließ die Kommission am 12. Juli 1994 eine neue Entscheidung (C[94]1410/9), durch die der Zuschuß des ESF auf 7 843 401 ESC gekürzt wurde (nachstehend: streitige Entscheidung). Laut dieser Entscheidung hatte die Prüfung des Antrags auf Restzahlung ergeben, daß ein Teil des Zuschusses des ESF aus den in dem genannten Vermerk Nr. 6259 vom 30. März 1993 angeführten Gründen nicht entsprechend den in der Entscheidung über die Genehmigung festgelegten Bedingungen verwendet worden sei. Diese Entscheidung wurde der Klägerin am 28. Dezember 1994 mit einem Begleitschreiben bekanntgegeben.

Verfahren

8 Unter diesen Umständen hat die Klägerin mit Klageschrift, die am 24. Februar 1995 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

9 Die Parteien haben in der Sitzung vom 10. Dezember 1996 mündlich verhandelt und die schriftlichen und mündlichen Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge

10 Die Klägerin beantragt in der Klageschrift,

- die Entscheidung der Kommission in dem Vorgang Nr. 870708/P1, die ihr am 28. Dezember 1994 bekanntgegeben worden ist, teilweise für nichtig zu erklären.

11 In der Erwiderung beantragt sie,

- die ihr am 28. Dezember 1994 bekanntgegebene Entscheidung für nichtig zu erklären,

- der Beklagten die Kosten aufzuerlegen.

12 Die Beklagte beantragt,

- die Klage für unbegründet zu erklären,

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Zur Begründetheit

13 Die Klägerin stützt ihre Nichtigkeitsklage auf zwei Klagegründe: erstens Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit in Form der Nichtwahrung einer angemessenen Frist und zweitens Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes und das Verbot der Reformatio in peius.

14 Der zweite Klagegrund ist zweckmässigerweise zuerst zu prüfen.

Zum Klagegrund des Verstosses gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes und das Verbot der Reformatio in peius

Vorbringen der Parteien

15 Im Rahmen dieses Klagegrundes macht die Klägerin zunächst geltend, daß die streitige Entscheidung viel strenger als die erste Entscheidung sei, obwohl der Sachverhalt derselbe sei. Sie macht in ihren Schriftsätzen geltend, daß sie keine neuen Kürzungen hinnehmen könne, "nachdem seit der Entscheidung von 1989 mehr als fünf Jahre vergangen seien".

16 Die Klägerin vergleicht die in der streitigen Entscheidung vorgenommenen Kürzungen mit den Beträgen, die in der ersten Entscheidung als nicht zuschußfähig angesehen wurden. Im Rahmen von Punkt 14.5.1 des Antrags auf Restzahlung - Ausbildung des Lehrpersonals - habe sich dieser Betrag in der ersten Entscheidung auf 4 276 914 ESC belaufen, während die Kommission in der streitigen Entscheidung einen Betrag von 7 092 914 ESC als nicht zuschußfähig angesehen habe, und zwar deshalb, weil angeblich neue Gründe gegeben seien. Unter den Ansätzen 14.6 - normale Abschreibung - und 14.1 - Entlohnung der Auszubildenden - seien die Kürzungen ebenfalls gegenüber der ersten Entscheidung verschärft worden. Ausserdem habe die Beklagte in der streitigen Entscheidung das Vorhaben in bezug auf 170 der 199 Teilnehmer mit der Begründung, daß sie externe Teilnehmer seien, für nicht zuschußfähig erklärt, obwohl ihr seit der Einreichung des Antrags auf Restzahlung im Jahr 1988 bekannt gewesen sei, daß die Bildungsmaßnahme externe Auszubildende eingeschlossen habe, und diese Personen in der ersten Entscheidung nicht von der Maßnahme ausgeschlossen gewesen seien. Die Klägerin wehrt sich auch dagegen, daß die Kürzung eines Postens automatisch auf die anderen Posten durchschlagen soll. Dementsprechend wendet sie sich gegen die Berichtigung, die die Kommission in dieser Phase wegen der Änderung der Zahl der zu berücksichtigenden Teilnehmer vorgenommen habe.

17 In der Sitzung hat die Klägerin aufgrund einer Frage des Gerichts ihren ersten Antrag dahin umformuliert und verdeutlicht, daß sie die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung insoweit beantragt, als diese gegenüber der ersten Entscheidung neue Kürzungen enthält, die auf dem Ausschluß der externen Auszubildenden von der Bildungsmaßnahme beruhen. Sie hat ausgeführt, daß sie die insoweit in der streitigen Entscheidung vorgenommene proportionale Kürzung der zuschußfähigen Ausgaben anfechte, und daß die Ausgaben in dem Umfang zuschußfähig seien, in dem sie in der ersten Entscheidung genehmigt worden seien.

18 Die Klägerin widerspricht dem Standpunkt, daß alle Umstände neu beurteilt werden könnten, wenn eine Entscheidung vom Gerichtshof für nichtig erklärt worden sei. Es verstosse gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, daß die streitige Entscheidung strenger als die durch das Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-304/89 aufgehobene Entscheidung sei. Ausserdem stelle die streitige Entscheidung eine Reformatio in peius betreffend eine Materie dar, über die in der ersten Entscheidung längst entschieden worden sei.

19 In der Sitzung hat die Klägerin zudem darauf hingewiesen, daß der Beklagten die Teilnahme von externen Auszubildenden an der Bildungsmaßnahme schon vor Erlaß der ersten Entscheidung bekannt gewesen sei. Dies werde durch folgende Ausführungen der Beklagten in der Klagebeantwortung belegt: "Nach den aus der fraglichen Akte ersichtlichen Umständen war es... offenkundig, daß die Teilnehmer an den Maßnahmen der Berufsbildung - die Auszubildenden - weit überwiegend externe Personen waren. Dieses Ergebnis folgt aus dem Antrag auf Restzahlung, Ansatz 11.2, im Gegensatz zu den Angaben im ursprünglichen Zuschussantrag".

20 In ihrer Erwiderung fügt die Klägerin hinzu, daß die Beklagte auch gegen die Grundsätze von Treu und Glauben und der Ordnungsmässigkeit des Verfahrens verstossen habe, indem sie zu Fragen, die sie gut gekannt habe und zu denen sie in der Rechtssache C-304/89 vor dem Gerichtshof Ausführungen gemacht habe, einen neuen Standpunkt eingenommen habe.

21 Die Beklagte trägt vor, daß sie bei Erlaß der sich aus dem Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-304/89 ergebenden Maßnahmen nur verpflichtet gewesen sei, den portugiesischen Behörden vor Erlaß der endgültigen Entscheidung über die Kürzung des Zuschusses Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Sie verweist auf die Rechtsprechung des Gerichts, wonach bei Aufhebung einer Maßnahme wegen Formmangels aus dem Urteil nur die Verpflichtung folge, die Mängel zu beseitigen, mit denen das Verfahren, das zum Erlaß der aufgehobenen Entscheidung geführt habe, behaftet gewesen sei (Urteil vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache T-38/89, Hochbaum/Kommission, Slg. 1990, II-43).

22 Die portugiesischen Behörden hätten den Kürzungen, die sie nach erneuter Prüfung des Vorgangs vorgeschlagen habe, und den Begründungen dafür voll und ganz zugestimmt. Die Zustimmung der DAFSE sei die Ausübung des in der Regelung vorgesehenen und durch das Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-304/89 bekräftigten Anhörungsrechts des Mitgliedstaats. Hätte die Kommission hinsichtlich der ursprünglich vorgeschlagenen Kürzungen dieselbe Entscheidung treffen müssen, so wäre die Möglichkeit der Portugiesischen Republik, Stellung zu nehmen, durch die ursprüngliche, mit einem Formmangel behaftete Entscheidung beschränkt gewesen.

23 Im übrigen sei die ursprüngliche Entscheidung durch das Urteil in der Rechtssache C-304/89 ex tunc nichtig geworden. Die Parteien hätten sich in derselben Lage befunden wie beim Erlaß der für nichtig erklärten Entscheidung. Unter diesen Umständen sei es völlig rechtmässig gewesen, daß sie den Sachverhalt ausgehend von der vollständigen Akte erneut geprüft oder gewürdigt habe. Die Wirtschaftsteilnehmer dürften nicht auf die Beibehaltung einer bestehenden Situation vertrauen, die die Gemeinschaftsorgane im Rahmen ihres Ermessens ändern könnten (Urteil des Gerichtshofes vom 5. Oktober 1994 in den Rechtssachen C-133/93, C-300/93 und C-362/93, Crispoltoni u. a., Slg. 1994, I-4863, Randnr. 57).

24 Überdies könne sich ein einzelner nach der Gemeinschaftsrechtsprechung nur dann auf den Vertrauensschutz berufen, wenn die Verwaltung ihm gegenüber bestimmte und eindeutige Zusagen gemacht habe, die zu begründeten Erwartungen berechtigten (vgl. z. B. die Urteile des Gerichts vom 27. März 1990 in der Rechtssache T-123/89, Chomel/Kommission, Slg. 1990, II-131, und vom 17. Dezember 1992 in der Rechtssache T-20/91, Holtbecker/Kommission, Slg. 1992, II-2599). Die Klägerin sei seit 1992 darüber unterrichtet gewesen, daß die Kommission eine neue Entscheidung erlassen würde. Die Verwaltung habe der Klägerin keinen bestimmten Hinweis gegeben, der sie zu der Annahme berechtigt hätte, daß der Umfang der Kürzungen derselbe wie in der ursprünglichen Entscheidung sein würde.

Würdigung durch das Gericht

25 Vorab ist festzustellen, daß die Klägerin durch die vorliegende Klage eine Entscheidung anficht, die die Kommission als Ersatz für eine erste Entscheidung über den Antrag der Klägerin auf Restzahlung eines Zuschusses des ESF erlassen hat, da die erste Entscheidung vom Gerichtshof in der Rechtssache C-304/89 für nichtig erklärt worden war. Gemäß Artikel 174 des Vertrages war die erste Entscheidung durch dieses Urteil ex tunc nichtig geworden.

26 Die streitige Entscheidung ist gemäß Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2950/83 ergangen, wonach die Kommission einen Zuschuß des ESF, der nicht unter den Bedingungen der Genehmigungsentscheidung verwandt wird, aussetzen, kürzen oder streichen kann, nachdem sie dem betroffenen Mitgliedstaat Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat.

27 Aus dieser Bestimmung geht eindeutig hervor, daß die Gewährung des Zuschusses des ESF davon abhängt, daß der Empfänger die von der Kommission in der Genehmigungsentscheidung oder von ihm selbst in dem Zuschussantrag, der der Genehmigungsentscheidung zugrunde liegt, genannten Bedingungen einhält. Im Fall eines Verstosses gegen diese Bedingungen kann der Empfänger also nicht berechtigterweise die Zahlung des gesamten in der Genehmigungsentscheidung gewährten Betrages erwarten. Er kann sich daher in diesem Fall nicht auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen, um die Zahlung des Restbetrags des ursprünglich in der Genehmigungsentscheidung gewährten Gesamtzuschusses zu erlangen.

28 Der Grundsatz des Vertrauensschutzes kann nicht von einem Unternehmen geltend gemacht werden, das sich einer offensichtlichen Verletzung der geltenden Bestimmungen schuldig gemacht hat (Urteil des Gerichtshofes vom 12. Dezember 1985 in der Rechtssache 67/84, Sideradria/Kommission, Slg. 1985, 3983, Randnr. 21, und Urteil des Gerichts vom 24. April 1996 in den Rechtssachen T-551/93 und T-231/94 bis T-234/94, Industrias Pesqueras Campos u. a./Kommission, Slg. 1996, II-247, Randnr. 76).

29 Im übrigen hat der Gerichtshof festgestellt, daß der Grundsatz des Vertrauensschutzes zwingend aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit folgt, der gebietet, daß Rechtsvorschriften klar und bestimmt sein müssen, und der die Voraussehbarkeit der unter das Gemeinschaftsrecht fallenden Tatbestände und Rechtsbeziehungen gewährleisten soll (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Februar 1999 in der Rechtssache C-63/93, Duff u. a., Slg. 1996, I-569, Randnr. 20).

30 In der vorliegenden Rechtssache macht Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2950/83, wie aus den vorstehenden Randnummern hervorgeht, die Erlangung des vollen Betrages des fraglichen Zuschusses klar und eindeutig von der Einhaltung der Bedingungen abhängig, unter denen er bewilligt worden ist.

31 Aus alldem ergibt sich, daß die Kommission durch die Verordnung Nr. 2950/83 ermächtigt war, nachzuprüfen, ob die Verwendung des Zuschusses des ESF den Bedingungen entsprach, die sich aus dem ihr vorgelegten Antrag auf Gewährung eines Zuschusses an die Klägerin ergaben, der Gegenstand der Genehmigungsentscheidung vom 30. April 1987 war, durch die für die Ausbildung von 199 Personen ein Zuschuß von 80 857 968 ESC bewilligt wurde. Auf der Grundlage dieser Nachprüfung hatte die mit dem Antrag auf Restzahlung befasste Kommission nach Anhörung des betroffenen Mitgliedstaats zu beurteilen, ob etwaige Verstösse gegen die oben genannten Bedingungen eine Kürzung des Zuschusses gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 2950/83 rechtfertigten.

32 Unter diesem Gesichtspunkt ist zunächst festzustellen, daß die rechtliche Wirkung des Urteils des Gerichtshofes in der Rechtssache C-304/89 darin bestand, daß sowohl die im Juni 1989 von der Kommission erlassene endgültige Entscheidung über den Antrag der Klägerin auf Restzahlung als auch die Sachverhaltsermittlung zur Vorbereitung dieser Entscheidung ex tunc inexistent wurden. Die Kommission war also verpflichtet, die Umstände des Falles erneut zu prüfen und über den Antrag der Klägerin auf Restzahlung neu zu entscheiden. Dabei hatte sie alle bei Erlaß des Rechtsakts vorliegenden tatsächlichen und rechtlichen Informationen zu berücksichtigen. Die Verpflichtung der Kommission, bei der Vorbereitung einer Entscheidung mit aller erforderlichen Sorgfalt vorzugehen und die Entscheidung auf der Grundlage aller Informationen zu treffen, die sich auf das Ergebnis auswirken können, ergibt sich insbesondere aus den Grundsätzen der ordnungsgemässen Verwaltung, der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung. Unter diesen Umständen kann der Kommission kein Vorwurf daraus gemacht werden, daß sie ihre Ermittlungen wiederaufgenommen und alle relevanten Informationen zusammengetragen hat.

33 Ausserdem wäre, wie die Beklagte ausführt, die Stellungnahme der Portugiesischen Republik in ihren möglichen Wirkungen durch die mit einem erheblichen Formmangel behaftete ursprüngliche Entscheidung beschränkt gewesen, wenn die Aufnahme zusätzlicher Informationen in die Akte ausgeschlossen gewesen wäre. Der Gerichtshof hat die Erheblichkeit dieses Formmangels hervorgehoben, indem er folgendes festgestellt hat: "Angesichts der zentralen Stellung des Mitgliedstaats und der Bedeutung seiner Verantwortung bei der Vorlage und Prüfung der Finanzierung der Bildungsmaßnahmen stellt die ihm eröffnete Möglichkeit, vor Erlaß einer endgültigen Kürzungsentscheidung eine Stellungnahme abzugeben, ein wesentliches Formerfordernis dar..." (Urteil in der Rechtssache C-304/89, Randnr. 21). Auch wenn der Mitgliedstaat im vorliegenden Fall die von der Kommission vorgeschlagenen Kürzungen für gerechtfertigt gehalten hat, hätte die Stellungnahme der nationalen Behörden theoretisch einen anderen Inhalt haben können, so daß die Kommission als Folge daraus möglicherweise veranlasst worden wäre, ihren Entwurf zu ändern. Die portugiesischen Behörden hätten die Kommission z. B. darauf hinweisen können, daß sie bestimmte Ausgaben entgegen der Auffassung der Kommission für nicht zuschußfähig oder für zuschußfähig hielten, und die Kommission hätte diese Stellungnahme vor Erlaß der endgültigen Entscheidung berücksichtigen müssen.

34 Die Kommission hat bei der Prüfung aller vorliegenden Informationen einschließlich derjenigen, die sie bei der Prüfungsmission erlangt hatte, herausgefunden, daß die von der Klägerin durchgeführte Maßnahme Unregelmässigkeiten aufwies. Die durch die Dienststellen der Kommission festgestellten Unregelmässigkeiten wurden von der DAFSE bestätigt. Die DAFSE hat nämlich in ihrem der Kommission übermittelten Informationsvermerk (siehe oben, Randnr. 6) bestätigt, daß in dem von der Klägerin vorgelegten Antrag auf Restzahlung bestimmte Ausgaben aufgeführt waren, die von der Entscheidung über die Genehmigung des Zuschusses nicht gedeckt waren und mit der erteilten Ausbildung nicht zusammenhingen. Im übrigen war die Zahl der Stunden der praktischen Ausbildung gegenüber der Zahl der Stunden der theoretischen Ausbildung im Hinblick auf ein Rundschreiben der DAFSE, das der Klägerin mitgeteilt worden war, zu hoch. Schließlich gehörten die meisten Auszubildenden entgegen den Angaben im Zuschussantrag nicht zum Personal der Klägerin, und die Maßnahme fand also nicht im Rahmen eines Umstrukturierungsprozesses statt, wie dies aber im Zuschussantrag vorgesehen war und der Genehmigungsentscheidung zugrunde lag. Zur tatsächlichen Zahl der dem Unternehmen angehörenden Auszubildenden hat die Klägerin lediglich vorgetragen, ohne dafür auch nur den geringsten Nachweis zu liefern, daß 81 Auszubildende diese Bedingung erfuellt hätten und daß die von der Kommission insoweit genannte Zahl von 29 Auszubildenden unrichtig sei. Die Klägerin hat damit die Zuschußfähigkeit der Ausgaben für bestimmte Auszubildende nicht dargetan.

35 Folglich hat die Klägerin die Bedingungen, von denen die Gewährung des Zuschusses des ESF abhing, offensichtlich nicht eingehalten. Sie kann daher nicht unter Berufung auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung verlangen, weil durch diese der ursprünglich gewährte Zuschußbetrag wegen der von ihr begangenen Unregelmässigkeiten gekürzt wird.

36 Da nach Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2950/83 ein Zuschuß ausgesetzt, gekürzt oder gestrichen werden kann, wenn die Bedingungen nicht eingehalten werden, kann sich die Klägerin gegenüber der Entscheidung der Kommission, den Zuschuß wegen der Unregelmässigkeiten seitens der Klägerin zu kürzen, auch nicht auf das Verbot der Reformatio in peius berufen.

37 Aus all den dargelegten Gründen greift dieser Klagegrund nicht durch.

Zum Klagegrund eines Verstosses gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit in Form der Nichtwahrung einer angemessenen Frist

Vorbringen der Parteien

38 Im Rahmen dieses Klagegrundes macht die Klägerin geltend, daß die streitige Entscheidung acht Jahre nach Einreichung des Zuschussantrags, sieben Jahre nach Durchführung der Bildungsmaßnahme, mehr als fünf Jahre nach der ersten Entscheidung und fast vier Jahre nach dem Nichtigkeitsurteil ergangen sei. Die Entscheidung sei nicht innerhalb einer angemessenen Frist ergangen, was auch einen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht, insbesondere gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, darstelle (Urteil des Gerichtshofes vom 13. Juli 1965, in der Rechtssache 111/63, Lemmerz-Werke/Hohe Behörde, Slg. 1965, 894). Diese Verspätung könne nicht ihr zugerechnet werden.

39 Die Beklagte bestreitet den behaupteten Verstoß. Jeder Einzelfall sei gesondert zu beurteilen. Sie habe sich bemüht, das Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-304/89 schnell durchzuführen. Das Entscheidungsverfahren, das in mehreren Phasen ablaufe, dauere zwangsläufig eine gewisse Zeit. Bei der Prüfungsmission in Portugal habe sie zusätzliche Informationen erhalten, die ihr von den nationalen Behörden mitgeteilt worden seien. Sie habe diese im einzelnen prüfen müssen. So habe u. a. die Buchhaltung der Klägerin untersucht werden müssen. Auch die nationalen Behörden hätten Zeit benötigt, um vor ihrer Stellungnahme zu den Entwürfen der Kommission die Akten zu studieren und die Stellungnahme der Klägerin einzuholen.

Würdigung durch das Gericht

40 Die Klägerin meint, daß die Kommission ihre Beurteilung einer besonderen Situation nach einer so langen Frist wie im vorliegenden Fall nicht mehr ändern könne. Die Rechtsprechung unterscheidet jedoch zwischen der Frist für die Durchführung eines Urteils und der Frist, innerhalb deren eine rechtswidrige Handlung von dem Organ, dem es zur Last fällt, grundsätzlich zurückgenommen werden kann.

41 Die Verpflichtung eines Gemeinschaftsorgans zur Durchführung eines Nichtigkeitsurteils des Gemeinschaftsrichters ergibt sich aus Artikel 176 des Vertrages. Der Gerichtshof hat festgestellt, daß diese Durchführung bestimmte Verwaltungsmaßnahmen erforderlich macht und normalerweise nicht sofort erfolgen kann und daß das Organ über eine angemessene Frist verfügt, um dem Urteil, mit dem eine seiner Entscheidungen für nichtig erklärt worden ist, nachzukommen. Ob die Frist angemessen war, hängt von der Natur der zu ergreifenden Maßnahmen sowie den Umständen des Falles ab (Urteil des Gerichtshofes vom 12. Januar 1984 in der Rechtssache 266/82, Turner/Kommission, Slg. 1984, 1, Randnrn. 5 f.; vgl. auch, im Zusammenhang mit einer Rechtsetzung, Urteil des Gerichtshofes vom 5. Juli 1995 in der Rechtssache C-21/94, Parlament/Rat, Slg. 1995, I-1827, Randnr. 33).

42 Der Gerichtshof hat den Gemeinschaftsorganen das Recht zur Rücknahme eines von ihnen erlassenen rechtswidrigen Verwaltungsakts mit der Maßgabe zugesprochen, daß sie innerhalb einer angemessenen Frist erfolgen muß (Urteile des Gerichtshofes vom 3. März 1982 in der Rechtssache 14/81, Alpha Steel/Kommission, Slg. 1982, 749, Randnr. 10, vom 26. Februar 1987 in der Rechtssache 15/85, Consorzio Cooperative d'Abruzzo/Kommission, Slg. 1987, 1005, Randnr. 12, und vom 20. Juni 1991 in der Rechtssache C-248/89, Cargill/Kommission, Slg. 1991, 2987, Randnr. 20). Diese Rechtsprechung betrifft Sachverhalte, in denen die Behörde selbst die Rechtswidrigkeit eines Rechtsakts bemerkt, wobei die Frist vom Erlaß des rechtswidrigen Rechtsakts an läuft.

43 Im vorliegenden Fall kann dem Vorbringen der Klägerin, das den gesamten vor der Nichtigerklärung der ersten Entscheidung liegenden Zeitraum umfasst, nicht gefolgt werden. Wie das Gericht bereits festgestellt hat (vgl. oben, Randnr. 32), war die Kommission nach der Nichtigerklärung der ersten Entscheidung durch den Gerichtshof verpflichtet, alle bei Erlaß des Rechtsakts vorliegenden Informationen erneut zu prüfen und über den Antrag auf Restzahlung neu zu entscheiden. Es geht hier also nicht um eine Rücknahme eines Rechtsakts durch das Organ im Sinne der in der vorstehenden Randnummer angeführten Rechtsprechung. Unter diesen Umständen ist die Zeit, die vor der Nichtigerklärung der ersten Entscheidung verstrichen ist, im Rahmen der Beurteilung der Rechtmässigkeit der zweiten, im vorliegenden Verfahren angegriffenen Entscheidung völlig unerheblich.

44 Maßgeblich für die Prüfung des vorliegenden Klagegrundes ist hier die zwischen der Verkündung des Nichtigkeitsurteils am 7. Mai 1991 und dem Erlaß der neuen Entscheidung am 12. Juli 1994 verstrichene Zeit von 38 Monaten oder über drei Jahren. Genauer betrachtet, war es 9 Monate nach der Verkündung des Nichtigkeitsurteils, daß der ESF damit begann, erneut die relevanten Informationen zu sammeln und den Vorgang erneut zu prüfen, was nach der Prüfungsmission und der Anhörung der nationalen Behörden 29 Monate später zu einer endgültigen Entscheidung führte.

45 Ob das Nichtigkeitsurteil innerhalb einer angemessenen Frist durchgeführt wurde, ist von Fall zu Fall zu beurteilen. Die Angemessenheit der Frist hängt von der Art der zu ergreifenden Maßnahmen und den konkreten Umständen des jeweiligen Falles ab. Daher sind in der vorliegenden Rechtssache die verschiedenen Phasen des Entscheidungsverfahrens zu berücksichtigen.

46 Durch das Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-304/89 wurde, wie bereits festgestellt, die Sachverhaltsermittlung zur Vorbereitung der ersten Entscheidung inexistent. Überdies ergaben sich Zweifel, ob die in der ersten Entscheidung verwendeten Informationen richtig und vollständig waren. Unter diesen Umständen musste der Sachverhalt neu ermittelt werden. Diese Arbeit, die durch den Verdacht auf Unregelmässigkeiten geleitet und bestimmt war, umfasste die Durchführung einer Prüfungsmission in Portugal, die Auswertung der gesammelten Informationen und mehrere Rücksprachen mit den portugiesischen Behörden. Die nationalen Behörden hörten ferner die Klägerin zu den Entscheidungsentwürfen der Kommission an. Unter den oben dargelegten besonderen Umständen war das Verfahren zwar lang, doch ging seine Dauer nicht über eine angemessene Frist hinaus.

47 Jedenfalls kann im Rahmen eines Verfahrens wegen Nichtigerklärung selbst eine unangemessen lange Dauer für sich genommen die streitige Entscheidung nicht rechtswidrig machen und damit ihre Nichtigerklärung wegen Verstosses gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit rechtfertigen. Eine Verspätung während eines Verfahrens zur Durchführung eines Urteils kann für sich allein die Gültigkeit des aus diesem Verfahren hervorgegangenen Rechtsakts nicht beeinträchtigen, denn wenn dieser Rechtsakt allein wegen seiner Verspätung für nichtig erklärt würde, wäre der Erlaß eines wirksamen Rechtsakts auf Dauer ausgeschlossen, da der Rechtsakt, der den für nichtig erklärten Rechtsakt ersetzen soll, keine geringere Verspätung aufweisen könnte als dieser (Urteil des Gerichts vom 18. Juni 1996 in der Rechtssache T-150/94, Vela Palacios/WSA, Slg. ÖD 1996, II-877, Randnr. 44, analog).

48 Aus all diesen Gründen hat die hier verstrichene Frist keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit zur Folge gehabt.

49 Auch dieser Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

50 Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

51 Die Klägerin ist zwar mit ihrem Begehren unterlegen, doch ist für die Kostenentscheidung zu berücksichtigen, daß es die Beklagte an Sorgfalt hatte fehlen lassen, insbesondere, daß sie sich nicht vergewissert hatte, ob die in der ersten Entscheidung verwendeten Informationen richtig und vollständig waren, und daß sie in diesem Zusammenhang die nationalen Behörden nicht angehört hatte. Durch den Verlauf des Entscheidungsverfahrens, wie er oben beschrieben worden ist, wurde die Klägerin nämlich lange Zeit im Unklaren darüber gelassen, ob ihr ein Anspruch auf Zahlung des ihr bewilligten Zuschusses in voller Höhe zusteht. Unter diesen Umständen kann der Klägerin kein Vorwurf daraus gemacht werden, daß sie das Gericht angerufen hat, damit es dieses Verhalten prüft und daraus die Konsequenzen zieht. Folglich ist festzustellen, daß die Entstehung des Rechtsstreits durch das Verhalten der Beklagten begünstigt wurde.

52 Somit ist es angebracht, Artikel 87 § 3 Absatz 2 der Verfahrensordnung anzuwenden, wonach das Gericht auch der obsiegenden Partei die Kosten auferlegen kann, die sie der Gegenpartei durch ihr Verhalten verursacht hat (vgl., mutatis mutandis, Urteil des Gerichtshofes vom 27. Januar 1983 in der Rechtssache 263/81, List/Kommission, Slg. 1983, 103, Randnrn. 30 f., und Urteil des Gerichts vom 16. Oktober 1996 in der Rechtssache T-336/94, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 38 f.), und der Kommission die gesamten Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kommission trägt die gesamten Kosten.

Ende der Entscheidung

Zurück