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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 26.08.1996
Aktenzeichen: T-75/96 R
Rechtsgebiete: VO (EG) Nr. 3283/94, EG-Vertrag


Vorschriften:

VO (EG) Nr. 3283/94 Art. 5
EG-Vertrag Art. 173
EG-Vertrag Art. 178
EG-Vertrag Art. 185
EG-Vertrag Art. 186
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die Zulässigkeit der Klage ist grundsätzlich nicht im Rahmen eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes zu untersuchen, da sonst der Entscheidung zur Hauptsache vorgegriffen würde. Sie ist der Prüfung der Klage vorzubehalten, sofern die Klage nicht schon dem ersten Anschein nach offensichtlich unzulässig ist.

Dies ist der Fall bei einer Klage auf Nichtigerklärung einer Entscheidung über die Einleitung eines Antidumpingverfahrens. Eine solche Entscheidung stellt nämlich dem ersten Anschein nach eine vorbereitende Maßnahme ohne Rechtswirkungen dar, da sie nicht geeignet ist, die Rechtsstellung der betroffenen Unternehmen sofort und irreversibel zu beeinträchtigen; diese sind nicht verpflichtet, ihre Geschäftspraktiken zu ändern und bei der Untersuchung mitzuarbeiten, die im übrigen ohne Erlaß von Schutzmaßnahmen eingestellt werden kann. Im Hinblick auf eine solche Entscheidung werden die Verteidigungsrechte hinreichend durch die Möglichkeit geschützt, die Rechtswidrigkeit im Rahmen einer Klage gegen die das Verfahren abschließende Entscheidung geltend zu machen. Da der Antrag auf Aussetzung des Vollzugs einer Entscheidung der Kommission über die Einleitung eines Antidumpingverfahrens mit einer dem ersten Anschein nach unzulässigen Klage verknüpft ist, ist er zurückzuweisen.


Beschluss des Präsidenten des Gerichts Erster Instanz vom 26. August 1996. - Söktas Pamuk Ve Tarim Ürünlerini Degerlendirme Ticaret Ve Sanayii AS (Söktas) gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Bekanntmachung über die Einleitung eines Antidumpingverfahrens - Vorläufiger Rechtsschutz - Antrag auf Aussetzung des Vollzugs - Unzulässigkeit. - Rechtssache T-75/96 R.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt und Verfahren

1 Die Kommission leitete auf einen Antrag des Committee of the Cotton and allied Textile Industries of the European Union (Eurocoton), wonach die Einfuhren von rohen Flachgeweben aus Baumwolle mit Ursprung in der Volksrepublik China, Ägypten, Indien, Indonesien, Pakistan und der Türkei gedumpt sein und dem entsprechenden Wirtschaftszweig der Gemeinschaft dadurch eine bedeutende Schädigung verursachen sollen, gemäß Artikel 5 der Verordnung (EG) Nr. 3283/94 des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. L 349, S. 1) eine Untersuchung ein.

2 Die Bekanntmachung über die Einleitung eines Antidumpingverfahrens betreffend die Einfuhren von rohen Baumwollgeweben mit Ursprung in der Volksrepublik China, Ägypten, Indien, Indonesien, Pakistan und der Türkei wurde im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 21. Februar 1996 (ABl. C 50, S. 3) veröffentlicht.

3 Die Antragstellerin, die u. a. Baumwollgewebe der angeblich gedumpten Arten herstellt und in die Gemeinschaft ausführt, hat mit Klageschrift, die am 20. Mai 1996 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, gemäß den Artikeln 173 Absatz 4 und 178 EG-Vertrag Klage erhoben auf Nichtigerklärung der "Entscheidung" über die Einleitung eines Antidumpingverfahrens betreffend die Einfuhren von rohen Baumwollgeweben mit Ursprung in der Volksrepublik China, Ägypten, Indien, Indonesien, Pakistan und der Türkei, die mit der Bekanntmachung vom 21. Februar 1996 mitgeteilt wurde, und auf Verurteilung der Kommission zum Ersatz des der Antragstellerin angeblich durch die angefochtene Maßnahme entstandenen Schadens.

4 Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist, hat die Antragstellerin ausserdem gemäß Artikel 185 EG-Vertrag die Aussetzung des Vollzugs der "angefochtenen Entscheidung, soweit sie die Antragstellerin und die Türkei im allgemeinen betrifft", beantragt. Die Kommission hat mit am 11. Juni 1996 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schriftsatz Erklärungen eingereicht. Am 30. Juli 1996 hat sie auf eine Bitte des Richters der einstweiligen Anordnung hin mehrere Dokumente vorgelegt. Die Akten enthalten damit alle für die Entscheidung über den vorliegenden Antrag auf einstweilige Anordnung erforderlichen Informationen, so daß eine vorherige Anhörung der mündlichen Ausführungen der Parteien nicht zweckmässig ist.

Entscheidungsgründe

5 Nach den Artikeln 185 und 186 des Vertrages in Verbindung mit Artikel 4 des Beschlusses 88/591/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 319, S. 1) in der durch die Beschlüsse 93/350/Euratom, EGKS, EWG des Rates vom 8. Juni 1993 (ABl. L 144, S. 21) und 94/149/EGKS, EG des Rates vom 7. März 1994 (ABl. L 66, S. 29) geänderten Fassung kann das Gericht, wenn es dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der angefochtenen Handlung aussetzen oder die sonstigen erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen.

6 Gemäß Artikel 104 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist ein Antrag auf Aussetzung des Vollzugs nur zulässig, wenn der Antragsteller die betreffende Maßnahme durch Klage beim Gericht angefochten hat. Gemäß Artikel 104 § 2 müssen Anträge auf einstweilige Anordnungen die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen. Die beantragten Maßnahmen müssen in dem Sinne vorläufig sein, daß sie die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen dürfen (vgl. Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 3. Juni 1996 in der Rechtssache T-41/96 R, Bayer AG/Kommission, Slg. 1996, II-0000, Randnr. 13).

Zu der Frage, ob die Klage offensichtlich unzulässig ist

° Vorbringen der Parteien

7 Die Kommission macht die offensichtliche Unzulässigkeit der gegen die Einleitung eines Antidumpingverfahrens gerichteten Klage geltend. Erstens stelle eine solche Maßnahme eine vorbereitende Handlung dar, die die Rechtsstellung der Antragstellerin nicht erheblich, sofort und irreversibel verändern könne. Es bestehe daher kein Anlaß zu einer Prüfung des vorliegenden Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz.

8 Die Kommission weist insbesondere das Vorbringen der Antragstellerin zurück, daß im vorliegenden Fall die in Artikel 47 des Zusatzprotokolls zu dem Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (ABl. 1972, L 293, S. 3; im folgenden: Artikel 47) geregelten Voraussetzungen für den Erlaß von Antidumpingmaßnahmen nicht erfuellt seien. Selbst wenn dies, entgegen der Auffassung der Kommission, so wäre, wäre es für die Rechtsnatur der angefochtenen Handlung bedeutungslos. Ferner hätten die türkischen Behörden in ihren das fragliche Antidumpingverfahren betreffenden Schreiben an die Kommission nicht gerügt, daß dessen Einleitung die Rechte der Türkei aus Artikel 47 verletzte.

9 Zweitens betreffe die angefochtene Handlung die Antragstellerin jedenfalls nicht unmittelbar und individuell. In der Bekanntmachung der Einleitung des Antidumpingverfahrens seien lediglich das Erzeugnis und die betreffenden Länder angegeben. Sie beziehe sich nicht speziell auf bestimmte Ausführer oder Einführer. Entgegen dem vom Gerichtshof in seinem Urteil vom 1. Juli 1965 in den Rechtssachen 106/63 und 107/63 (Töpfer und Getreide-Import/Kommission, Slg. 1965, 548) definierten Kriterium seien diese zur Zeit der Einleitung des Verfahrens weder der Zahl noch der Person nach feststellbar gewesen. Zudem begehre die Antragstellerin die Aussetzung des Antidumpingverfahrens im Hinblick auf "die Türkei im allgemeinen", obwohl sie niemals behauptet habe, daß alle Ausfuhren der von diesem Verfahren erfassten Waren aus der Türkei von ihr getätigt würden.

10 Die Antragstellerin macht in ihrem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz geltend, die Klage sei zulässig. Sie verweist auf die Ausführungen in der Klageschrift. Im vorliegenden Fall habe die "Entscheidung", ein Antidumpingverfahren gemäß Artikel 5 der Verordnung Nr. 3283/94 einzuleiten, Rechtswirkungen für sie, da mit ihr das Verfahren nach Artikel 47 nicht eingehalten und eine Rechtsgrundlage für die Einführung vorläufiger Antidumpingzölle begründet werde. Ein solches finanzielles Risiko hätte für die Antragstellerin nicht bestanden, wenn das in Artikel 47 für die einvernehmliche Regelung derartiger Streitigkeiten geregelte Verfahren eingehalten worden wäre. Nach dieser Bestimmung hätte die Kommission nämlich vor dem Erlaß einseitiger Schutzmaßnahmen einen Antrag beim Assoziationsrat stellen und abwarten müssen, ob dieser binnen drei Monaten einen Beschluß treffen oder völlig untätig bleiben würde. Die angefochtene Entscheidung sei damit der Ausgangspunkt eines Verfahrens, ohne den eine für die Interessen der Betroffenen nachteilige Entscheidung nicht getroffen werden könne. Sie habe insoweit ähnliche Wirkungen wie eine Entscheidung über die Einleitung des in Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag für staatliche Beihilfen geregelten Verfahrens.

11 Artikel 47 Absatz 1 sehe nämlich vor, daß die Türkei und die Gemeinschaft Fragen im Bereich des Dumping in einem gemeinsamen institutionellen Rahmen klärten. Die Entscheidung darüber, ob Dumpingpraktiken vorlägen, sei Sache des Assoziationsrats. Der Assoziationsrat trete somit an die Stelle der Kommission und richte Empfehlungen unmittelbar an den oder die Urheber, damit diese Praktiken abgestellt würden.

12 Gemäß Artikel 47 Absatz 2 Unterabsatz 1 könne die "geschädigte Vertragspartei" nur dann einseitig handeln, wenn sie zuvor den Assoziationsrat ordnungsgemäß angerufen habe und dieser binnen drei Monaten keinen Beschluß treffe oder wenn die von ihm gemäß Artikel 47 Absatz 1 ausgesprochenen Empfehlungen wirkungslos blieben.

13 Schließlich dürften gemäß Artikel 47 Absatz 2 Unterabsatz 2 nach Unterrichtung des Assoziationsrats nur einstweilige Schutzmaßnahmen erlassen werden, die von der Antragstellung oder dem Zeitpunkt an, zu dem die geschädigte Vertragspartei wegen der Wirkungslosigkeit der Empfehlungen des Assoziationsrats einseitige Schutzmaßnahmen getroffen habe, höchstens drei Monate lang Anwendung fänden.

14 Im vorliegenden Fall habe die Kommission gegen Artikel 47 Absatz 1 verstossen, indem sie nicht zunächst einen Antrag beim Assoziationsrat gestellt habe. Daß dieser nach Einleitung des Verfahrens unterrichtet worden sei, genüge den genannten Bestimmungen von Artikel 47 nicht. Im vorliegenden Fall ergebe sich aus dem Protokoll der Sitzung des Ausschusses für Zusammenarbeit im Zollwesen EG°Türkei vom 19. Februar 1996 (Anlage 8 der Klageschrift), daß die Türkei die von der Kommission vertretene Auslegung des Artikels 47 nicht für richtig halte.

15 In diesem Zusammenhang sei dem Assoziationsrat die Möglichkeit genommen worden, einen Rechtsstreit abzuwenden. Er könne lediglich gemäß Artikel 47 Absatz 3 die Maßnahme zur Einführung eines vorläufigen Zolles bis zur Abgabe der Empfehlungen nach Artikel 47 Absatz 1 aussetzen. Eine solche Entscheidung sei jedoch höchst unwahrscheinlich, da ihr die Gemeinschaft, vertreten durch die Kommission, im Assoziationsrat zustimmen müsste.

° Würdigung durch den Richter der einstweiligen Anordnung

16 Nach ständiger Rechtsprechung ist die Frage der Zulässigkeit der Klage grundsätzlich nicht im Rahmen eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes zu untersuchen, da sonst der Entscheidung zur Hauptsache vorgegriffen würde. Sie ist der Prüfung der Klage vorzubehalten, sofern die Klage nicht schon dem ersten Anschein nach offensichtlich unzulässig ist (vgl. Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 22. Dezember 1995 in der Rechtssache T-219/95 R, Danielsson u. a./Kommission, Slg. 1995, II-3051, Randnr. 58).

17 Im vorliegenden Fall hat der Richter der einstweiligen Anordnung daher zunächst zu prüfen, ob, wie die Kommission geltend macht, der Antrag Nichtigerklärung der "Entscheidung" der Kommission, ein Antidumpingverfahren betreffend die Einfuhren von rohen Baumwollgeweben mit Ursprung in der Volksrepublik China, Ägypten, Indien, Indonesien, Pakistan und der Türkei einzuleiten, schon dem ersten Anschein nach als offensichtlich unzulässig anzusehen ist.

18 Es ist insbesondere zu untersuchen, ob, was die Art der angefochtenen Handlung angeht, die Voraussetzungen für die Zulässigkeit dieses Antrags auf Nichtigerklärung dem ersten Anschein nach erfuellt sind.

19 Nach ständiger Rechtsprechung sind Maßnahmen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, welche die Interessen des Klägers beeinträchtigen, indem sie seine Rechtslage erheblich verändern, Entscheidungen, gegen die die Nichtigkeitsklage nach Artikel 173 gegeben ist. Im Fall von Handlungen oder Entscheidungen, die in einem mehrphasigen Verfahren ergehen, sind anfechtbare Handlungen grundsätzlich nur solche Maßnahmen, die den Standpunkt des Organs zum Abschluß dieses Verfahrens endgültig festlegen, nicht aber Zwischenmaßnahmen, die die abschließende Entscheidung vorbereiten sollen (vgl. insb. Urteil des Gerichtshofes vom 11. November 1981 in der Rechtssache 60/81, IBM/Kommission, Slg. 1981, 2639, Randnrn. 8 bis 12, und Beschluß des Gerichts vom 14. März 1996 in der Rechtssache T-134/95, Dysan Magnetics Ltd und Review Magnetics (Macao) Ltd/Kommission, Slg. 1996, II-181, Randnr. 20).

20 Der Richter der einstweiligen Anordnung hat im vorliegenden Fall zu prüfen, ob die angefochtene Handlung für sich genommen dem ersten Anschein nach geeignet ist, Rechtswirkungen zu erzeugen, die die Interessen der Antragstellerin beeinträchtigen könnten, oder ob sie umgekehrt lediglich eine vorbereitende Maßnahme ist, deren Rechtswidrigkeit im Rahmen einer Klage gegen die das Verfahren abschließende Entscheidung geltend gemacht werden kann.

21 Die Auffassung der Antragstellerin, daß die Einleitung eines Antidumpingverfahrens gemäß Artikel 5 der Verordnung Nr. 3283/94 irreversible Folgen habe, da sie dazu führe, daß das Verfahren der einvernehmlichen Regelung von Streitigkeiten nach Artikel 47 nicht angewendet und sie der Gefahr einer Einführung vorläufiger Antidumpingzölle ausgesetzt werde, erscheint nicht überzeugend.

22 Im derzeitigen Verfahrensstadium ist nämlich nicht offensichtlich, daß die Einleitung eines Antidumpingverfahrens nach Artikel 5 der Verordnung Nr. 3283/94 der Antragstellerin die Möglichkeit nehmen würde, eine Klärung des Streits gemäß dem Verfahren des Artikels 47 herbeizuführen.

23 Eine summarische Prüfung von Artikel 47 zeigt, daß dieser nicht darauf gerichtet ist, die Anwendung der handelspolitischen Schutzinstrumente der Gemeinschaft auszuschließen, sondern die Modalitäten für deren Anwendung zu ergänzen. Dem ersten Anschein nach ergibt sich aus Artikel 47, daß er die Einleitung eines Antidumpingverfahrens durch die Gemeinschaft nicht von besonderen Voraussetzungen über die Unterrichtung des Assoziationsrats hinaus abhängig macht. Nur im Hinblick auf ein späteres Verfahrensstadium legt Artikel 47 bestimmte zusätzliche Voraussetzungen für das Verhalten der Gemeinschaft fest. Während also Artikel 47 Absatz 1 den Assoziationsrat ermächtigt, Empfehlungen an den Urheber von Dumpingpraktiken zu richten, wenn er auf Antrag der angeblich geschädigten Partei des Assoziationsabkommens solche Praktiken in den Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und der Türkei feststellt, verpflichtet Artikel 47 Absatz 2 Unterabsatz 1 diese angeblich geschädigte Vertragspartei ° im vorliegenden Fall die Gemeinschaft ° lediglich, den Assoziationsrat anzurufen, wenn sie beabsichtigt, eine dem Schutz des Handels dienende Maßnahme einzuführen, wobei eine solche nur erlassen werden darf, wenn dieser Rat binnen drei Monaten nach Antragstellung keine Empfehlung im Hinblick auf die Abstellung der fraglichen Dumpingpraktiken an die betroffenen Unternehmen gerichtet hat oder wenn diese Praktiken trotz solcher Empfehlungen fortgesetzt werden. Im übrigen erlaubt Artikel 47 Absatz 2 Unterabsatz 2 ausdrücklich die vorsorgliche Einführung befristeter einstweiliger Schutzmaßnahmen durch eine Partei des Assoziationsabkommens nach Unterrichtung des Assoziationsrats.

24 Diese Auslegung von Artikel 47 wird durch Kapitel IV Abschnitt III, Handelspolitische Schutzinstrumente, des Beschlusses Nr. 1/95 des Assoziationsrates EG°Türkei vom 22. Dezember 1995 über die Durchführung der Endphase der Zollunion (ABl. 1996, L 35, S. 1) bestätigt. Aus den Artikeln 44 bis 46 dieses Abschnitts ergibt sich auf den ersten Blick eindeutig, daß die Parteien des Assoziationsabkommens weiterhin befugt sind, unter Beachtung der genannten Bestimmungen des Artikels 47 ihre handelspolitischen Schutzinstrumente anzuwenden.

25 Im vorliegenden Fall unterrichtete die Kommission den Assoziationsrat durch ein auf Bitten des Richters der einstweiligen Anordnung zu den Akten gegebenes Schreiben vom 18. Januar 1996 über den am 8. Januar 1996 bei ihr eingegangenen Antrag von Eurocoton. Gemäß Artikel 47 wurde der Assoziationsrat ferner durch das eine nicht vertrauliche Abschrift des Antrags enthaltende Schreiben der Kommission vom 23. Februar 1996, das diese ebenfalls auf Bitten des Richters der einstweiligen Anordnung vorgelegt hat, von der Einleitung des Antidumpingverfahrens in Kenntnis gesetzt, deren Bekanntmachung am 21. Februar 1996 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht worden war. Das Verfahren entsprach damit offensichtlich völlig Artikel 47. Im vorliegenden Fall sollte die Einleitung eines Antidumpingsverfahrens gemäß der Verordnung Nr. 3283/94 der Kommission dem ersten Anschein nach ermöglichen, die erforderlichen Untersuchungen durchzuführen, um danach auf deren Grundlage darüber zu entscheiden, ob das Verfahren einzustellen oder aber fortzuführen sei, indem unter Einhaltung des Artikels 47 vorläufige Maßnahmen erlassen würden und dem Rat der Erlaß endgültiger Maßnahmen vorgeschlagen würde.

26 Unter diesen Umständen erscheint die angefochtene Handlung, die Teil eines früheren Verfahrensabschnitts ist, nicht geeignet, zu verhindern, daß der Assoziationsausschuß, insbesondere für den Fall, daß die Kommission den Erlaß vorläufiger Maßnahmen erwägen oder dem Rat den Erlaß endgültiger Maßnahmen vorschlagen sollte, gemäß Artikel 47 eingreifen würde.

27 Das Vorbringen der Antragstellerin, daß die fragliche Bekanntmachung der Einleitung des Antidumpingverfahrens dazu führe, daß ein Eingreifen des Assoziationsrats gemäß Artikel 47 ausgeschlossen sei, ist folglich dem ersten Anschein nach unbegründet.

28 Jedenfalls ist die Einleitung eines Antidumpingverfahrens im Unterschied zu der von der Antragstellerin als Vergleich herangezogenen Entscheidung über die Einleitung des in Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages geregelten Verfahrens betreffend staatliche Beihilfen nicht geeignet, die Rechtsstellung der betroffenen Unternehmen sofort und irreversibel zu beeinträchtigen. Das Antidumpingverfahren führt nämlich nicht ohne weiteres zur Auferlegung von Antidumpingzöllen und kann gemäß Artikel 9 der Verordnung Nr. 3283/94 ohne den Erlaß von Maßnahmen eingestellt werden. Im übrigen werden die von einer Antidumpingnachprüfung betroffenen Unternehmen durch die Einleitung des Verfahrens nicht verpflichtet, ihre Geschäftspraktiken zu ändern, und können nicht zur Mitarbeit bei der Untersuchung gezwungen werden (vgl. Beschluß, Dysan Magnetics Ltd. und Review Magnetics (Macao) Ltd/Kommission, a. a. O., Randnrn. 22 bis 28).

29 Unter diesen Umständen stellt die Einleitung des fraglichen Antidumpingverfahrens im vorliegenden Fall jedenfalls dem ersten Anschein nach eine vorbereitende Maßnahme dar, gegen deren Rechtswidrigkeit eine Klage gegen die das Verfahren abschließende Entscheidung der Antragstellerin hinreichenden Schutz bieten würde.

30 Die angefochtene Handlung stellt also dem ersten Anschein nach keine Entscheidung im Sinne des Artikels 173 EG-Vertrag dar, gegen die eine Nichtigkeitsklage gegeben wäre. Der auf Nichtigerklärung dieser Handlung gerichtete Klageantrag erscheint daher in diesem Verfahrensstadium als offensichtlich unzulässig, ohne daß geprüft zu werden braucht, ob die Antragstellerin von der angefochtenen Handlung unmittelbar und individuell betroffen ist.

31 Was zweitens den Antrag auf Ersatz des der Antragstellerin angeblich durch die Einleitung eines Antidumpingverfahrens entstandenen Schadens angeht, genügt die Feststellung, daß dieser Antrag nach ständiger Rechtsprechung dem ersten Anschein nach offensichtlich unzulässig ist, weil die dem geltend gemachten Schaden zugrunde liegende angeblich rechtswidrige Handlung keine Rechtswirkungen erzeugt, wie sich aus den gesamten vorstehenden Ausführungen ergibt (vgl. u. a. Beschluß des Gerichtshofes vom 4. Oktober 1991 in der Rechtssache C-117/91, Bosman/Kommission, Slg. 1991, I-4837, Randnr. 20). Zudem ist dieser Antrag dem ersten Anschein nach jedenfalls offensichtlich unzulässig, da die Antragstellerin keine Angaben zur Art und zum Umfang des ihr angeblich durch die Einleitung des fraglichen Antidumpingsverfahrens entstandenen Schadens macht.

32 Der vorliegende Antrag auf einstweilige Anordnung ist demnach zurückzuweisen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

beschlossen:

1. Der Antrag auf einstweilige Anordnung wird zurückgewiesen.

2. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 26. August 1996

Ende der Entscheidung

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