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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 19.06.2003
Aktenzeichen: T-78/02
Rechtsgebiete: ESZB-Satzung, Beschäftigungsbedingungen EZB, Beamtenstatut, EG


Vorschriften:

ESZB-Satzung Art. 39
Beschäftigungsbedingungen EZB Art. 4 Buchst. a
Beamtenstatut Art. 11 Abs. 1
EG Art. 286 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichts erster Instanz (Dritte Kammer) vom 19. Juni 2003. - Stephan-Harald Voigt gegen Europäische Zentralbank. - Beamte - Mitarbeiter der Europäischen Zentralbank - Schriftlicher Verweis. - Rechtssache T-78/02.

Parteien:

In der Rechtssache T-78/02

Stephan-Harald Voigt, Bediensteter der Europäischen Zentralbank, wohnhaft in Frankfurt am Main (Deutschland), Prozessbevollmächtiger: Rechtsanwalt N. Pflueger,

Kläger,

gegen

Europäische Zentralbank, vertreten durch V. Saintot und M. T. Gilliams als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt B. Wägenbaur, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

wegen Aufhebung der von Herrn Noyer, Vizepräsident der Europäischen Zentralbank, erlassenen Entscheidung vom 1. März 2002, dem Kläger einen schriftlichen Verweis zu erteilen,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

(Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts sowie der Richter J. Azizi und M. Jaeger,

Kanzler: B. Pastor, Hilfskanzlerin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 30. April 2003

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

1 Artikel 112 Absatz 2 Buchstabe a EG sowie Artikel 11.1 des Protokolls über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank (EZB), das dem EG-Vertrag als Anhang beigefügt ist (im Folgenden: ESZB-Satzung) sehen vor, dass das Direktorium der EZB aus dem Präsidenten der EZB, dem Vizepräsidenten der EZB und vier weiteren Mitgliedern besteht.

2 Artikel 39 der ESZB-Satzung bestimmt, dass die EZB Dritten gegenüber durch den Präsidenten oder zwei Direktoriumsmitglieder oder durch die Unterschriften zweier zur Zeichnung im Namen der EZB gehörig ermächtigter Bediensteter der EZB rechtswirksam verpflichtet wird.

3 Der EZB-Rat verabschiedete aufgrund von Artikel 36.1 der ESZB-Satzung die Conditions of Employment for Staff of the European Central Bank (Beschäftigungsbedingungen für das Personal der Europäischen Zentralbank, im Folgenden: Beschäftigungsbedingungen), in denen in der zur Zeit der streitigen Ereignisse geltenden Fassung u. a. Folgendes geregelt ist:

"4. a) Die Mitarbeiter erfuellen ihre Aufgaben gewissenhaft und ungeachtet ihrer persönlichen Interessen. Sie haben sich ihrem Amt und dem Charakter der EZB als Einrichtung der Gemeinschaft entsprechend zu verhalten.

43. Gegen Mitarbeiter, die gegen ihre Pflichten gegenüber der EZB verstoßen, können folgende Disziplinarmaßnahmen verhängt werden:

i) ein von einem Mitglied des Direktoriums erteilter schriftlicher Verweis..."

Sachverhalt, Verfahren und Anträge

4 Der Kläger ist Mitarbeiter der Europäischen Zentralbank, wo er während des streiterheblichen Zeitraums in der Abteilung "Sicherheit und Fahrbereitschaft" der Generaldirektion "Verwaltung" tätig war und die Position eines Gruppenleiters für den Objektschutz bekleidete.

5 Mit Schreiben vom 29. November 2001 leitete die EZB gegen den Kläger ein Disziplinarverfahren nach Artikel 43 der Beschäftigungsbedingungen ein, das sie auf folgende vier gegen ihn erhobene Vorwürfe und entsprechendes Beweismaterial stützte:

- Der Kläger habe ohne vorherige Zustimmung seiner Vorgesetzten ein auf den 29. Juni 1999 datiertes Empfehlungsschreiben verfasst und somit seine Kompetenzen überschritten sowie gegen die in Artikel 39 der ESZB-Satzung vorgesehenen und in einem Verwaltungsrundschreiben 1/98 vom 16. Juli 1998 (im Folgenden: Verwaltungsrundschreiben 1/98) näher ausgeführten Signaturvorschriften der EZB verstoßen;

- der Kläger habe sich in einem Bericht, den er über eine am 6. März 2001 erfolgte Beschädigung eines der EZB und einer Geschäftsbank gehörenden Objektes erstellt hat, über seine Kompetenzen hinaus im Namen der Beklagten mit Vertretern der Geschäftsbank über die Tragung der daraus entstandenen Kosten geeinigt, ohne vorher die Zustimmung seiner Vorgesetzen einzuholen;

- der Kläger habe während des so genannten "Wolkenkratzerfestivals" am 12. und 13. Mai 2001 verschiedenen unbefugten Personen Zutritt zu den Gebäuden der Beklagten gewährt, ohne vorher, wie es ihm bei einer Vorbereitungssitzung des Wachdienstes am 7. Mai 2001 aufgetragen worden war, bestimmte dafür ermächtigte Mitarbeiter der Beklagten zu konsultieren;

- der Kläger habe am 29. Oktober 2001 - trotz bereits mehrmaliger Verwarnungen aufgrund ähnlicher Vorfälle - an alle Mitarbeiter des Wachdienstes der EZB per E-Mail bestimmte Sicherheitshinweise geschickt, ohne diese vorher mit den dafür zuständigen Personen abgeklärt zu haben.

6 In dem genannten Schreiben vom 29. November 2001 forderte die Beklagte den Kläger auf, bis zum 15. Dezember 2001 zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen.

7 Am 13. Dezember 2001 unterbreitete der Rechtsanwalt des Klägers in dessen Namen eine schriftliche Stellungnahme zu der Einleitung des Disziplinarverfahrens. Zu den gegen den Kläger gerichteten Vorwürfen führte er aus, dass sie "unbegründet [seien] und auf falschen Fakten beruhten". Darüber hinaus brachte er zu den ersten beiden Vorwürfen vor, dass sie dem Kläger jedenfalls deshalb nicht vorgehalten werden könnten, weil sie nicht innerhalb einer angemessenen Frist erhoben worden seien und weil dem Kläger ein im Schreiben vom 29. November 2001 erwähntes Verwaltungsrundschreiben 1/98 nicht zur Kenntnis gebracht worden sei. Er forderte die Beklagte außerdem auf, ihm eine Kopie dieses Verwaltungsrundschreibens zu übermitteln und ihm mitzuteilen, ob die Beklagte vor seinem Erlass die Personalvertretung angehört habe.

8 Mit Schreiben vom 21. Januar 2002, das an den Rechtsanwalt des Klägers sowie in Kopie an den Kläger selbst gerichtet war, stellte die Beklagte fest, dass der Kläger zu den Vorwürfen inhaltlich nicht Stellung bezogen habe, und räumte dem Kläger dafür bis zum 31. Januar 2002 eine letzte Möglichkeit ein. Außerdem führte sie aus, dass die Vorwürfe gegen den Kläger innerhalb einer angemessenen Frist erhoben worden seien, dass das Verwaltungsrundschreiben 1/98 allen Mitarbeitern der EZB zugänglich gewesen sei und dass eine Anhörung der Personalvertretung dazu nicht notwendig gewesen sei.

9 Am 23. Januar 2002 antwortete der Rechtsanwalt des Klägers in dessen Namen, dass dieser nicht willens sei, der EZB bei der Sachverhaltsermittlung behilflich zu sein ("My client is not prepared to support the ECB in putting in concrete terms the accusation against his person"), und dass er nicht verpflichtet sei, vor einer Entscheidung rechtlich Stellung zu beziehen.

10 Mit einem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 1. März 2002 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) erteilte Herr Noyer, Vizepräsident der EZB, dem Kläger unter Bezugnahme auf die im Schreiben vom 29. November 2001 angeführten Vorwürfe einen schriftlichen Verweis nach Artikel 43 Ziffer i der Beschäftigungsbedingungen. Er führte dazu aus, dass der Kläger es unterlassen habe, inhaltlich zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen, dass diese vom Kläger nicht widerlegt worden seien und dass daher die in den Vorwürfen enthaltenen Pflichtverletzungen als erwiesen angesehen werden könnten.

11 In Beantwortung des Schreibens vom 23. Januar 2002 richtete die Personalabteilung der EZB am 4. März 2002 an den Rechtsanwalt des Klägers ein Schreiben, mit dem sie diesen im Wesentlichen über den Inhalt des an den Kläger gerichteten Schreibens vom 1. März 2002 unterrichtete.

12 Mit Klageschrift, die am 19. März 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.

13 Das Gericht (Dritte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Es hat der Beklagten im Wege prozessleitender Maßnahmen eine schriftliche Frage gestellt, die diese fristgerecht beantwortet hat.

14 Die Parteien haben in der öffentlichen Sitzung vom 30. April 2003 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

15 Der Kläger beantragt,

- die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

- der EZB die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

16 Die Beklagte beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- über die Kosten nach Rechtslage zu entscheiden.

Zur Begründetheit der Klage

17 Die vorliegende Klage ist auf sechs Klagegründe gestützt, nämlich erstens auf die behauptete Unzuständigkeit von Herrn Noyer zum Erlass der angefochtenen Entscheidung, zweitens auf die behauptete Verletzung der Fürsorgepflicht wegen Nichtzustellung der angefochtenen Entscheidung an den Rechtsanwalt des Klägers, drittens auf das Nichtzutreffen einer angeblichen Unstreitigstellung der an ihn gerichteten Vorwürfe, viertens auf die behauptete Unbegründetheit der in der angefochtenen Entscheidung gegen ihn erhobenen Vorwürfe, fünftens auf den hinsichtlich des Zeitpunktes der Einleitung eines Disziplinarverfahrens behaupteten Verstoß gegen die Fürsorgepflicht sowie gegen die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung und der angemessenen Frist und sechstens auf den behaupteten Verstoß gegen die europäischen Datenschutzbestimmungen.

A - Zur fehlenden Zuständigkeit des Vizepräsidenten der EZB zum Erlass der angefochtenen Entscheidung

18 Nach Ansicht des Klägers war Herr Noyer als Vizepräsident der EZB nicht zum Erlass der angefochtenen Entscheidung zuständig. Herr Noyer hätte diese Entscheidung lediglich im Namen des Direktoriums der EZB treffen können. Der Kläger ist daher der Auffassung, die EZB sollte aufgefordert werden, alle Dokumente vorzulegen, aus denen eine Entscheidung des Direktoriums hervorgeht, den Vizepräsidenten zur Verhängung der Disziplinarmaßnahme zu ermächtigen. Die Beklagte bestreitet dieses Vorbringen.

19 Das Gericht stellt dazu entgegen der Behauptung des Klägers fest, dass sich schon aus dem bloßen Text des Artikels 43 Ziffer i der Beschäftigungsbedingungen ausdrücklich ergibt, dass ein schriftlicher Verweis von "einem Mitglied des Direktoriums" erteilt werden kann. Herr Noyer war zum Zeitpunkt der Abfassung der angefochtenen Entscheidung als Vizepräsident der EZB unstreitig nach Artikel 112 Absatz 2 Buchstabe a EG sowie Artikel 11.1 der ESZB-Satzung Mitglied des Direktoriums. Daher war Herr Noyer offenkundig und völlig zweifelsfrei zum Erlass der angefochtenen Entscheidung zuständig. Angesichts dieser klaren Rechts- und Sachlage besteht für das Gericht keine Veranlassung, dem insofern unerheblichen Antrag des Klägers auf Vorlage von Dokumenten stattzugeben.

20 Der Klagegrund der fehlenden Zuständigkeit von Herrn Noyer ist folglich zurückzuweisen.

B - Zur Verletzung der Fürsorgepflicht wegen Nichtzustellung der angefochtenen Entscheidung an den Rechtsanwalt des Klägers

21 Der Kläger ist der Ansicht, dass die angefochtene Entscheidung unter Verletzung "allgemeiner Verfahrensgrundsätze" ergangen sei, da sie lediglich dem Kläger, nicht aber auch seinem Rechtsanwalt zugestellt worden sei, obwohl dieser mit Schreiben vom 13. Dezember 2001 der EZB gegenüber als Rechtsvertreter des Klägers aufgetreten sei. Daraus ergebe sich eine Fürsorgepflichtverletzung, da die Zustellung der angefochtenen Entscheidung an den Rechtsanwalt notwendig gewesen wäre, damit dieser gegebenenfalls die Einhaltung von Klagefristen hätte überwachen können.

22 Nach Ansicht der Beklagten ist dieser Klagegrund unzulässig, da der Kläger nicht klargestellt habe, welchen allgemeinen Verfahrensgrundsatz er als verletzt erachte. Jedenfalls sei er jedoch überdies auch unbegründet, weil die EZB im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht nicht dazu verpflichtet gewesen sei, die angefochtene Entscheidung auch dem Rechtsvertreter des Klägers zuzustellen.

23 Das Gericht stellt fest, dass - entgegen dem Vorbringen der Beklagten - aus der Klage, insbesondere aus deren Randnummer 45, eindeutig hervorgeht, dass der Kläger, auch wenn er allgemein eine Verletzung "allgemeiner Verfahrensgrundsätze" vorbringt, doch insbesondere die Verletzung der Fürsorgepflicht wegen der Nichtzustellung der angefochtenen Entscheidung an seinen Rechtsvertreter rügt. Daher ist der vorliegende Klagegrund zulässig.

24 Zur Begründetheit dieses Klagegrundes ist daran zu erinnern, dass die Fürsorgepflicht der Verwaltung gegenüber ihren Bediensteten das Gleichgewicht zwischen den wechselseitigen Rechten und Pflichten widerspiegelt, das die jeweils anwendbaren Beschäftigungsbedingungen geschaffen haben (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 16. März 1993 in den Rechtssachen T-33/89 und T-74/98, Blackman/Parlament, Slg. 1993, II-249, Randnr. 96).

25 Wie jedoch die Beklagte in zutreffender Weise einwendet, enthalten die Beschäftigungsbedingungen der EZB keinerlei Verpflichtung, Disziplinarentscheidungen neben der betroffenen Person auch Dritten, wie etwa deren Rechtsvertretern, zuzustellen. Auch hat der Kläger seinerseits keine derartigen Regelungen ins Treffen geführt. Außerdem hat sich der Rechtsanwalt des Klägers im Schreiben vom 13. Dezember 2001 lediglich als dessen Rechtsvertreter ausgewiesen, und weder der Kläger noch sein Rechtsanwalt hat die Beklagte aufgefordert, den Schriftverkehr zum streitigen Disziplinarverfahren über den Rechtsanwalt abzuwickeln. Auch der Argumentation, wonach eine Zustellung der angefochtenen Entscheidung an den Rechtsanwalt notwendig gewesen wäre, damit dieser gegebenenfalls die Einhaltung von Klagefristen überwachen könne, kann nicht gefolgt werden. In Übereinstimmung mit einer ständigen Rechtsprechung zum Statut der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (im Folgenden: Statut), die auf den vorliegenden Fall übertragen werden kann, ist nämlich bei Mitarbeitern der Gemeinschaftsorgane die Kenntnis der auf sie anwendbaren Vorschriften vorauszusetzen (Urteil des Gerichts vom 18. Dezember 1997 in der Rechtssache T-12/94, Daffix/Commission, Slg. ÖD 1997, I-A-453 und II-1197, Randnr. 116). Eine Zustellung der angefochtenen Entscheidung an den Rechtsanwalt des Klägers war daher zur Wahrung der Klagefristen nicht erforderlich.

26 Folglich ist der Klagegrund der Verletzung der Fürsorgepflicht zurückzuweisen.

C - Zum Nichtzutreffen einer angeblichen Unstreitigstellung der an den Kläger gerichteten Vorwürfe

27 Der Kläger ist der Auffassung, dass die angefochtene Entscheidung auf der unzutreffenden Unterstellung beruhe, dass er die im Schreiben vom 29. November 2001 gegen ihn erhobenen Vorwürfe unstreitig gestellt habe. Mit seinen Schreiben vom 13. Dezember 2001 und 23. Januar 2002 habe er lediglich zum Ausdruck bringen wollen, dass er nicht willens sei, der EZB im Verfahren der Anhörung bei der Sachverhaltsermittlung behilflich zu sein, da er im Anhörungsverfahren nicht gehalten gewesen sei, inhaltlich zu den erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen. Die Beklagte hätte vielmehr vor Verhängung des Verweises die Gründe dafür von Amts wegen abschließend prüfen müssen. Die Beklagte bestreitet dieses Vorbringen.

28 Das Gericht stellt entgegen der Behauptung des Klägers fest, dass den Unterlagen nicht zu entnehmen ist, dass die angefochtene Entscheidung aufgrund einer bloßen Unterstellung ergangen wäre. Vielmehr hat sich Herr Noyer darin auf die im Schreiben vom 29. November 2001 angeführten Vorwürfe bezogen, zu denen der Kläger trotz zweimaliger Aufforderung nicht Stellung bezogen hat. In seinen Schreiben vom 13. Dezember 2001 und 23. Januar 2002 hat der Kläger nämlich trotz wiederholter Aufforderung seitens der Beklagten und unter Missachtung einer eigens zur vollen Wahrung seiner Verteidigungsrechte zwecks inhaltlicher Stellungnahme gewährten Nachfristsetzung lediglich verschiedene Verfahrensaspekte gerügt, ohne jedoch überhaupt in irgendeiner Weise inhaltlich zu den einzelnen gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung zu beziehen. Er ist damit nicht seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen, die in Artikel 4 Buchstabe a der Beschäftigungsbedingungen in weitgehender Anlehnung an Artikel 11 Absatz 1 des Statuts vorgesehen ist (vgl. insbesondere Urteil des Gerichts vom 15. Mai 1997 in der Rechtssache T-273/94, N/Kommission, Slg. ÖD 1997, I-A-97 und II-289, Randnr. 132) und die sich im Übrigen insbesondere auch aus der allgemeinen Treuepflicht der Gemeinschaftsbediensteten gegenüber ihrem Dienstgeber ergibt. Herr Noyer hat daher zutreffend festgestellt, dass die an den Kläger gerichteten Vorwürfe von diesem nicht widerlegt worden sind.

29 Zwar ist der Dienstgeber jedenfalls verpflichtet, die ihm vorliegenden Informationen über den maßgeblichen Sachverhalt nach Eröffnung des Disziplinarverfahrens einer eigenständigen abschließenden Beweiswürdigung sowie rechtlichen Würdigung zu unterziehen, unabhängig davon, ob der betroffene Bedienstete an der Klärung des Sachverhalts im Rahmen des Disziplinarverfahrens aktiv teilnimmt oder - wie im vorliegenden Fall - jede inhaltliche Stellungnahme zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen verweigert. Überdies kann auch aus dem Schweigen des Betroffenen während des Disziplinarverfahrens nicht auf ein Eingeständnis seinerseits geschlossen werden.

30 Jedoch kann der Dienstgeber in einer Situation wie der des vorliegenden Falles, in der sich der Bedienstete der Mitwirkung an der Sachverhaltsermittlung enthalten hat, seine abschließende Würdigung der in Rede stehenden Vorwürfe lediglich anhand aller ihm aufgrund des bisherigen Verfahrens vorliegenden sonstigen Sachverhaltselemente vornehmen und gegebenenfalls zu dem Schluss gelangen, dass die an den Kläger gerichteten Vorwürfe als erwiesen anzusehen seien.

31 Im vorliegenden Fall hat Herr Noyer den Sachverhalt in ausreichender Weise abschließend gewürdigt, indem er, auch ohne inhaltliche Stellungnahme des Klägers, aufgrund der Beweismittel, die dem Schreiben vom 29. November 2001 zugrunde lagen und die aus diesem Schreiben sowie aus dessen Anlagen ersichtlich sind, den Schluss gezogen hat, dass aus der Sicht der EZB die dem Kläger vorgeworfenen Pflichtverletzungen als erwiesen angesehen werden konnten. Im Hinblick auf die Unterlassung des Klägers, an der Sachverhaltsermittlung mitzuwirken, ist dieser im Rahmen seiner nachfolgenden gerichtlichen Klage insoweit auf die Rüge eines offensichtlichen Beurteilungsmangels beschränkt. Insofern wird sein Klagerecht durch die Annahme eines "Unstreitigstellens" jedenfalls nicht beeinträchtigt.

32 Folglich ist auch der Klagegrund des Nichtzutreffens einer angeblichen Unstreitigstellung der an den Kläger gerichteten Vorwürfe zurückzuweisen.

D - Zur Unbegründetheit der im Schreiben vom 29. November 2001 angeführten Vorwürfe

33 Dieser Klagegrund besteht aus vier Teilen, die den vier an den Kläger gerichteten Vorwürfen entsprechen (siehe oben, Randnr. 5).

1. Zum Empfehlungsschreiben vom 29. Juni 1999

34 Der Kläger bestreitet, mit dem Verfassen des Empfehlungsschreibens vom 29. Juni 1999 seine Befugnisse überschritten oder gegen die Signaturvorschriften der EZB verstoßen zu haben, da seiner Ansicht nach das Empfehlungsschreiben für die EZB keine rechtliche Bindungswirkung hat, sondern lediglich seine subjektive Einschätzung über die Leistung und das Sozialverhalten des betroffenen Dritten dokumentiert. Außerdem wendet er ein, dass sich die Beklagte nicht auf das Verwaltungsrundschreiben 1/98 habe stützen können, da es ihm erstens nicht zur Kenntnis gebracht und zweitens ohne Anhörung der Personalvertretung erlassen worden sei. Die Beklagte bestreitet dieses Vorbringen.

35 Das Gericht stellt zunächst fest, dass der Kläger nicht bestreitet, das Empfehlungsschreiben ohne vorherige Zustimmung seiner Vorgesetzten verfasst zu haben. Außerdem enthält dieses vom Kläger verfasste und unterschriebene Empfehlungsschreiben dem äußeren Anschein nach alle Anzeichen eines offiziellen Schriftstückes der EZB: Erstens trägt es den Briefkopf der EZB und die Bezeichnung der Abteilung, der der Kläger angehörte; zweitens steht unmittelbar über der Unterschrift des Klägers die Bezeichnung "Europäische Zentralbank". Schließlich hat es der Kläger auch dem Inhalt nach in diesem Schreiben unterlassen, ausdrücklich klarzustellen, dass er die Empfehlung ausschließlich im eigenen Namen abgegeben hat. Überdies sind sogar, entgegen seinem Vorbringen, Teile dieses Schreibens in der Wir-Form abgefasst, was auf die EZB als Entscheidungsträger hindeutet.

36 Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass er zur Abfassung eines solchen Schreibens im Namen der EZB nicht berechtigt war.

37 Angesichts dieser Umstände konnte die Beklagte, unabhängig davon, ob sie durch das Empfehlungsschreiben rechtlich gebunden wurde, dem Kläger zu Recht vorwerfen, seine Kompetenzen überschritten und damit eine Verletzung seiner Dienstpflichten begangen zu haben. Daher ist der das Empfehlungsschreiben betreffende Vorwurf jedenfalls als begründet zu erachten, und es braucht nicht weiter geprüft zu werden, ob der Kläger durch das Verfassen und Unterschreiben des Empfehlungsschreibens tatsächlich auch die Signaturvorschriften der EZB nach Artikel 39 der ESZB-Satzung, näher ausgeführt im Verwaltungsrundschreiben 1/98, verletzt hat und ob ihm dieses Verwaltungsrundschreiben überhaupt entgegengehalten werden konnte.

38 Daher ist der auf das Empfehlungsschreiben bezogene erste Teil des vierten Klagegrunds zurückzuweisen.

2. Zum Bericht über den Schadensfall vom 6. März 2001

39 Der Kläger bringt vor, dass er die Beklagte mit dem über den Schadensfall vom 6. März 2001 verfassten Bericht rechtlich nicht gebunden habe. Zu den darin enthaltenen Aussagen zur Tragung der aus dem Schadensfall entstandenen Kosten wendet er ein, dass aus dem Text des Berichts hervorgehe, dass es sich dabei lediglich um einen Vorschlag gehandelt habe. Der Kläger weist auch darauf hin, dass die jeweilige Höhe des Schadens zum damaligen Zeitpunkt noch gar nicht ermittelbar gewesen sei. Die Beklagte bestreitet dieses Vorbringen.

40 Das Gericht stellt fest, dass das Vorbringen des Klägers weder in der Form noch im Inhalt des genannten Berichts eine Bestätigung findet. Vielmehr deutet die Wortwahl dieses Berichts darauf hin, dass der Kläger die Beklagte im Zuge dieses Vorfalls finanziell zu binden beabsichtigte ("Wir haben vereinbart, dass beide betroffenen Gruppen ihre eigenen Kosten tragen"). Hingegen behauptet der Kläger nicht einmal, zum Abschluss einer solchen Vereinbarung, selbst wenn sie, wie der Kläger vorbringt, keine rechtliche Bindungswirkung entfaltet hätte, ermächtigt gewesen zu sein. Unabhängig davon, ob der Kläger dadurch die EZB rechtlich gebunden hat, konnte diese ihm deshalb zu Recht vorwerfen, im Zusammenhang mit dem Schadensfall vom 6. März 2001 seine Kompetenzen überschritten zu haben.

41 Daher ist auch der zweite Teil des vierten Klagegrundes bezüglich des Berichts über den Schadensfall vom 6. März 2001 zurückzuweisen.

3. Zur Versendung einer E-Mail mit Sicherheitshinweisen an alle Mitarbeiter des Wachdienstes der Beklagten

42 Der Kläger wendet ein, dass der Gegenstand der von ihm verfassten E-Mail vom 29. Oktober 2001 lediglich eine Ankündigung von Sicherheitsmaßnahmen der deutschen Polizei und nicht der EZB gewesen sei. Die Übermittlung solcher Hinweise sei aber sinnvoll gewesen. Die Beklagte bestreitet dieses Vorbringen.

43 Das Gericht stellt dazu fest, dass aus dem Gesamtzusammenhang der E-Mail des Klägers vom 29. Oktober 2001, die dem Schreiben vom 29. November 2001 beigefügt war, eindeutig hervorgeht, dass er damit nicht nur die übrigen Mitarbeiter des Wachdienstes der Beklagten über bestimmte Sicherheitsmaßnahmen der deutschen Polizei informierte, sondern auch den Erlass von Sicherheitsmaßnahmen in der EZB anordnete oder zumindest anordnen wollte. So führte er beispielsweise unter der Überschrift "Maßnahmen der ECB-Security" aus, dass "während der normalen Arbeitszeit" der Security-Guard Supervisor über den Polizeikontaktbesuch zu informieren [ist]". Hingegen behauptet der Kläger nicht, dazu befugt gewesen zu sein. Außerdem bestreitet der Kläger nicht, bereits mehrmals Verwarnungen erhalten zu haben, wonach entsprechende Sicherheitshinweise oder -maßnahmen ohne vorherige Absprache mit den Vorgesetzten nicht an Dritte weitergegeben werden dürfen.

44 Daher ist auch der dritte Teil des vierten Klagegrundes bezüglich der Versendung einer E-Mail mit Sicherheitshinweisen an alle Mitarbeiter des Wachdienstes der EZB zurückzuweisen.

4. Zur Gestattung des Zutritts unbefugter Personen während des "Wolkenkratzerfestivals"

45 Der Kläger bestreitet, während des "Wolkenkratzerfestivals" unbefugten Personen Zutritt zu den Gebäuden der Beklagten gewährt zu haben. Außerdem bringt er vor, dass er bei der Vorbereitungssitzung am 7. Mai 2001 lediglich angewiesen worden sei, in Zweifelsfällen - und nicht in allen Fällen - die genannten Mitarbeiter zu konsultieren, bevor er über den Zutritt unbefugter Personen entscheiden sollte. Die Beklagte weist dieses Vorbringen zurück.

46 Das Gericht stellt zunächst Folgendes fest: Der Kläger bestreitet zwar, während des "Wolkenkratzerfestivals" unbefugten Personen Zutritt zu den Gebäuden der Beklagten gewährt zu haben; er hat jedoch während des Disziplinarverfahrens in keiner Weise auf die Sachverhaltsdarstellung der EZB im Schreiben vom 29. November 2001 reagiert, worin diese festgestellt hat, dass der Kläger während einer am 14. Mai 2001 abgehaltenen Nachbesprechung zum "Wolkenkratzerfestival" von sich aus erklärt habe, selbst verschiedenen unbefugten Personen Zutritt zu den Gebäuden der EZB gewährt zu haben.

47 Wie bereits oben (Randnr. 29) ausgeführt, ist der Dienstgeber verpflichtet, die ihm vorliegenden Informationen über den maßgeblichen Sachverhalt nach Eröffnung des Disziplinarverfahrens einer eigenständigen abschließenden Beweiswürdigung und rechtlichen Würdigung zu unterziehen, unabhängig davon, ob der betroffene Bedienstete an der Klärung des Sachverhalts im Rahmen des Disziplinarverfahrens aktiv teilnimmt oder - wie im vorliegenden Fall - jede inhaltliche Stellungnahme zu den einzelnen gegen ihn erhobenen Vorwürfen verweigert. Hinsichtlich des der Entscheidung der Disziplinarbehörde zugrunde gelegten Sachverhalts muss die Entscheidungsbegründung Aussagen über das dem Bediensteten zur Last gelegte Verhalten sowie über jene Beweismittel enthalten, die die Disziplinarbehörde zu der Annahme, dass dieses Verhalten erwiesen ist.

48 Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe sowie die entsprechenden Beweismittel, die die Disziplinarbehörde zur Annahme des Vorliegens des vorgeworfenen Sachverhalts veranlassen, müssen dem Betroffenen im Verlauf des Disziplinarverfahrens so zur Kenntnis gebracht werden, dass er hierzu rechtzeitig und vollständig Stellung nehmen kann.

49 Im vorliegenden Fall wurde der Kläger in Punkt 3 zweiter Unterabsatz des Schreibens vom 29. November 2001 mit dem Vorwurf konfrontiert, er habe während des "Wolkenkratzerfestivals" in Abweichung von den hierfür geltenden besonderen Sicherheitsvorschriften eigenmächtig entschieden, Personen ohne gültige Eintrittskarte Einlass zu gewähren. Insbesondere sei dies ohne Rückfrage bei den für Zweifelsfälle entscheidungsbefugten Personen erfolgt.

50 Als Beweismittel für diesen Sachverhalt wurde die eigene Aussage des Klägers angeführt, die dieser im Verlauf der unmittelbar nach dem "Wolkenkratzerfestival" abgehaltenen Nachbesprechung am 14. Mai 2001 gemacht habe.

51 Der Kläger hat zu dieser Sachverhaltsdarstellung während der gesamten Dauer des Disziplinarverfahrens, und zwar sowohl nach dem Schreiben vom 29. November 2001 als auch nach der neuerlichen Aufforderung durch Schreiben vom 21. Januar 2002, jegliche Stellungnahme verweigert.

52 Der Kläger kann der Beklagten daher nicht vorhalten, dass sie in der angefochtenen Entscheidung den maßgeblichen Sachverhalt anhand des von ihr angeführten Beweismittels festgestellt hat. Da der Kläger während des gesamten Disziplinarverfahrens nicht im Einzelnen zu der im Schreiben vom 29. November 2001 angeführten Sachverhaltsdarstellung Stellung bezogen und auch das von der Beklagten angeführte Beweismittel nicht in Zweifel gezogen, sondern sich darauf beschränkt hatte, die Vorwürfe als unbegründet und auf falschen Tatsachen beruhend zurückzuweisen, konnte sich die Beklagte bei ihrer Entscheidung vielmehr auf die Würdigung des Sachverhalts anhand des von ihr genannten und dem Kläger bekannten Beweismittels beschränken, ohne zusätzliche Beweismittel heranzuziehen. Dabei ist davon auszugehen, dass das Schreiben vom 29. November 2001, auf das die angefochtene Entscheidung ausdrücklich Bezug nimmt, einen integrierenden Bestandteil dieser Entscheidung und insbesondere ihrer Begründung bildet.

53 Als die Beklagte zum ersten Mal im Rahmen des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens mit dem Vorwurf konfrontiert wurde, das dem Kläger im Einzelnen hinsichtlich des "Wolkenkratzerfestivals" angelastete Verhalten entspreche nicht den Tatsachen, hat sie folgerichtig in Form einer der Gegenerwiderung beigefügten schriftlichen Aussage des Vorgesetzten des Klägers vom 1. Oktober 2002 glaubhaft dargelegt, wie sich der streitige Sachverhalt für sie zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung darstellte.

54 Insofern konnte für die Beklagte zum Entscheidungszeitpunkt jedenfalls als erwiesen gelten, dass der Kläger anlässlich des "Wolkenkratzerfestivals" eigenmächtig entschieden hatte, Personen ohne gültige Eintrittskarte Einlass zu gewähren. Bereits dieser Umstand stellte eine rechtswidrige Überschreitung der dem Kläger übertragenen Befugnisse dar. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob und in welchem Umfang eine (unterbliebene) Rücksprache des Klägers mit den für Zweifelsfälle entscheidungsbefugten Personen eine Zulassung hätte ermöglichen können oder nicht.

55 Wenn auch, wie bereits oben (Randnr. 29) festgestellt, aus dem Schweigen des Klägers während des Disziplinarverfahrens nicht auf ein Eingeständnis seinerseits geschlossen werden kann, so hat der Kläger doch durch dieses Verhalten seine allgemeine Mitwirkungspflicht im Verfahren verletzt (siehe oben, Randnr. 28). Jedenfalls hat er sich dadurch auf der Ebene des Disziplinarverfahrens der Möglichkeit begeben, seinen Standpunkt durch eine glaubhafte Gegendarstellung darzulegen und somit die EZB davon zu überzeugen, von diesem Vorwurf abzusehen. Das Verhalten des Klägers während des Disziplinarverfahrens ist umso bedeutsamer, als die EZB ihm im Schreiben vom 29. November 2001 eine sehr präzise Sachverhaltsdarstellung vorgehalten hatte, die, wenn sie nicht der Wahrheit entsprochen hätte, bei ihm vernünftigerweise eine Reaktion hätte auslösen müssen.

56 Außerdem ist festzustellen, dass sich der Kläger selbst vor Gericht sowohl in seinen schriftlichen als auch in seinen mündlichen Ausführungen jeder Gegendarstellung enthalten hat, mit der er seinen Standpunkt durch eine glaubhafte Sachverhaltsdarstellung im Gerichtsverfahren hätte untermauern können, nachdem er dies im Disziplinarverfahren verweigert hatte.

57 Unter diesen Umständen kann der bloßen Behauptung des Klägers, die er nicht auf eine eigenständige Sachverhaltsdarstellung stützt und für die er auch keinerlei sonstige Indizien vorbringt, die auf die Unrichtigkeit der Sachverhaltsdarstellung durch die EZB hindeuten, nicht gefolgt werden. Daher hat der Kläger nicht dargetan, dass der Vorwurf, er habe während des "Wolkenkratzerfestivals" unbefugten Personen Zutritt zu den Gebäuden der Beklagten gewährt, unrichtig wäre.

58 Soweit der Kläger im Wesentlichen vorbringt, dass daraus keine Pflichtverletzung abgeleitet werden könne, ist zu bemerken, dass sich aus den Unterlagen ergibt, dass im Zuge der Vorbereitung des "Wolkenkratzerfestivals" insbesondere entschieden wurde und dem Kläger auch bewusst war, dass lediglich Personen mit gültigen Einlasskarten Zutritt zu den Gebäuden der EZB erhalten sollten sowie dass in Zweifelsfällen ausschließlich bestimmte andere Mitarbeiter der EZB über die Zutrittsbefugnis entscheiden sollten. Nichts in diesen Unterlagen deutet darauf hin, dass entschieden worden wäre, dass der Kläger selbst Personen ohne gültige Einlasskarten Zutritt zu den Gebäuden der EZB gewähren konnte und er sich nur in bestimmten Fällen an die oben genannten anderen Mitarbeiter wenden sollte.

59 Daher ist auch der vierte Teil des vierten Klagegrundes bezüglich der Gestattung des Zutritts unbefugter Personen während des "Wolkenkratzerfestivals" zurückzuweisen.

60 Nach alledem ist der auf die Unbegründetheit der einzelnen Vorwürfe abzielende Klagegrund in seiner Gesamtheit zurückzuweisen.

E - Verstoß gegen die Fürsorgepflicht sowie gegen die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung und der angemessenen Frist zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens

61 Der Kläger bringt vor, dass die den ersten beiden Vorwürfen bezüglich des Empfehlungsschreibens vom 29. Juni 1999 (das der Adressat des Schreibens der Beklagten am 6. Mai 2001 im Zuge einer Bewerbung vorgelegt hatte) sowie des Berichts über den Schadensfall vom 6. März 2001 zugrunde liegenden Sachverhalte der Beklagten bereits sechs beziehungsweise acht Monate vor der Eröffnung des Disziplinarverfahrens durch das Schreiben vom 29. November 2001 bekannt gewesen seien. Die Beklagte sei jedoch aufgrund der Fürsorgepflicht daran gehindert, dem Kläger nach Ablauf einer solchen Zeitspanne diese Sachverhalte vorzuwerfen. Dieser hätte vielmehr zeitnah von den Vorwürfen unterrichtet werden müssen. Der Kläger bringt außerdem vor, dass die Beklagte damit auch gegen die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung und der angemessenen Frist zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens verstoßen habe.

62 Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Kläger in seiner Erwiderung den Klagegrund in rechtswidriger Weise auf den Vorwurf zum Bericht über den Schadensfall vom 6. März 2001 erweitert habe. Jedenfalls sei der Klagegrund auch unbegründet.

63 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger entgegen dem Vorbringen der Beklagten bereits in der Klageschrift den vorliegenden Klagegrund auch bezüglich des Vorwurfs zum Bericht über den Schadensfall vom 6. März 2001 geltend gemacht hat (Klageschrift, Randnrn. 45 und 37, 38). Der Klagegrund ist daher in seiner Gesamtheit zulässig.

64 Sodann ist darauf hinzuweisen, dass die anwendbaren Beschäftigungsbedingungen der EZB keine Verjährungsfrist bezüglich der Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen Mitarbeiter der EZB, denen ein Verstoß gegen Dienstpflichten angelastet wird, vorsehen. Wie jedoch das Gericht bereits mehrmals beispielsweise zum Statut entschieden hat und wie es auch auf den vorliegenden Fall zutrifft, muss eine Verjährungsfrist, um ihre Aufgabe, die Rechtssicherheit zu gewährleisten, erfuellen zu können, vom Gemeinschaftsgesetzgeber im Voraus festgelegt werden (Urteile des Gerichts vom 17. Oktober 1991 in der Rechtssache T-26/89, De Compte/Parlament, Slg. 1991, II-781, Randnr. 68, und vom 30. Mai 2002 in der Rechtssache T-197/00, Onidi/Kommission, Slg. ÖD 2002, IA-69, II-325, Randnr. 88). Das Nichtbestehen einer ausdrücklich vom Gesetzgeber vorgesehenen Verjährungsfrist entbindet das Gemeinschaftsorgan jedoch nicht von seiner Verpflichtung, für die Einleitung des Disziplinarverfahrens eine angemessene Frist einzuhalten. In Ermangelung einer festgelegten Verjährungsfrist hat das Gericht die Angemessenheit der Frist für die Einleitung des Disziplinarverfahrens jeweils nach den Umständen des Einzelfalls zu prüfen.

65 Insoweit ist festzustellen, dass die EZB im vorliegenden Fall dem Kläger eine Reihe von Verstößen gegen seine Dienstpflichten vorgehalten hat und daraus, wie sich aus dem Ende des Schreibens zur Einleitung des Disziplinarverfahrens vom 29. November 2001 ausdrücklich ergibt, auf ein anhaltendes Fehlverhalten des Klägers in der Zeit zwischen Juni 1999 und Oktober 2001 schließt. Zwischen den einzelnen Verstößen insgesamt und der Eröffnung des Disziplinarverfahrens ist jedoch keineswegs eine unangemessene Frist verstrichen. Tatsächlich betreffen die letzten drei gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe Ereignisse, die sich zwischen dem 6. März 2001 und dem 29. Oktober 2001 zugetragen haben. Was den ersten Vorwurf bezüglich des Empfehlungsschreibens anbelangt, so ist daran zu erinnern, dass, auch wenn dieses Schreiben bereits am 29. Juni 1999 vom Kläger abgefasst worden war, die EZB erst am 6. Mai 2001 im Zuge einer Bewerbung des Adressaten Kenntnis davon erlangte und somit frühestens ab diesem Zeitpunkt in der Lage war, insoweit dienstrechtliche Maßnahmen zu überlegen.

66 In dieser Situation können auch die vom Kläger vorgebrachten Vorwürfe der Verletzung der Fürsorgepflicht sowie des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung nicht durchdringen.

67 Daher ist auch dieser Klagegrund zurückzuweisen.

F - Verstoß gegen die europäischen Datenschutzbestimmungen

68 Zu den Vorwürfen bezüglich des Empfehlungsschreibens vom 29. Juni 1999 sowie des Berichts über den Schadensfall vom 6. März 2001 bringt der Kläger vor, dass die angefochtene Entscheidung gegen Artikel 10 der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281, S. 31) verstoße, der die Informationsrechte betroffener Personen bei der Erhebung personenbezogener Daten betrifft. Nach Ansicht des Klägers hätte die Beklagte aufgrund dieser Bestimmung ihn zuvor über die Zweckbestimmung dieser Dokumente unterrichten müssen.

69 Die Beklagte wendet ein, dass der Kläger in seiner Erwiderung den Klagegrund in rechtswidriger Weise erweitert habe, indem er geltend gemacht habe, dass ein Verstoß gegen die genannte Richtlinie auch im Hinblick auf den Bericht vom 7. März 2001 vorliege. Außerdem hält sie das Vorbringen für unbegründet.

70 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger, entgegen dem Vorbringen der Beklagten bereits in Randnummer 45 der Klageschrift den vorliegenden Klagegrund auch bezüglich des Vorwurfs zum Bericht über den Schadensfall vom 6. März 2001 geltend gemacht hat. Der Klagegrund ist daher in seiner Gesamtheit zulässig.

71 Zur Begründetheit erinnert das Gericht zunächst daran, dass nach Artikel 286 Absatz 1 EG ab 1. Januar 1999 die Rechtsakte der Gemeinschaft über den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und dem freien Verkehr solcher Daten auf die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft Anwendung finden. Ferner weist das Gericht darauf hin, dass, wie die Beklagte zutreffend vorgebracht hat, auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft, auf die in Artikel 286 Absatz 1 EG Bezug genommen wird, nicht die Richtlinie 95/46, sondern seit ihrem Inkrafttreten am 2. Februar 2001 die Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlamentes und des Rats vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr (ABl. 2001, L 8, S. 1) anwendbar ist.

72 Sodann ist festzustellen, dass nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 45/2001, der im Wesentlichen dem vom Kläger angeführten Artikel 10 der Richtlinie 95/46 entspricht, der für die Verarbeitung personenbezogener Daten Verantwortliche eines Organs oder einer Einrichtung der Gemeinschaft dafür sorgen muss, dass eine Person, bei der sie betreffende Daten erhoben werden, zumindest bestimmte näher genannte Informationen erhält, sofern diese bei ihr noch nicht vorliegen. Insbesondere müssen dieser Person nach Buchstabe b dieser Bestimmung die "Zwecke der Verarbeitung, für die die Daten bestimmt sind", bekannt gegeben werden.

73 Ohne dass geprüft werden muss, ob die Heranziehung von Schriftstücken wie des Empfehlungsschreibens vom 29. Juni 1999 sowie des Berichts über den Schadensfall vom 6. März 2001 in einem Disziplinarverfahren überhaupt in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 45/2001 fällt, genügt im vorliegenden Fall die Feststellung, dass die EZB in ihrem Schreiben vom 29. November 2001, mit dem sie das Disziplinarverfahren gegen den Kläger eingeleitet hat, auf beide Schriftstücke ausdrücklich Bezug genommen hat. Somit hat sie den Kläger über den Zweck der Heranziehung dieser Schriftstücke unmissverständlich informiert. Dem Kläger standen damit überdies alle Verteidigungsrechte auch bezüglich der Heranziehung dieser Schriftstücke zur Verfügung.

74 Daraus folgt, dass das Vorbringen des Klägers jeder rechtlichen Grundlage entbehrt.

75 Da keiner der vom Kläger geltend gemachten Klagegründe Erfolg hat, ist die Klage als unbegründet abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

76 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Gemäß Artikel 88 der Verfahrensordnung tragen jedoch in den Streitsachen zwischen den Gemeinschaften und deren Bediensteten die Organe ihre Kosten selbst.

77 Folglich trägt jede Partei ihre eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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