Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 25.10.2002
Aktenzeichen: T-80/02
Rechtsgebiete: Verordnung Nr. 4064/89


Vorschriften:

Verordnung Nr. 4064/89 Art. 8 Abs. 4
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Wurde ein Zusammenschluss gemäß Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung Nr. 4064/89 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen verwirklicht, so ist die Trennung der daran beteiligten Unternehmen die logische Konsequenz der Entscheidung, mit der der Zusammenschluss für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt wird.

Der Erlass einer Trennungsentscheidung nach dem Erlass einer Entscheidung, mit der ein Zusammenschluss gemäß Artikel 8 Absatz 4 der Verordnung für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt wird, setzt die Gültigkeit der letztgenannten Entscheidung voraus.

( vgl. Randnrn. 36-37 )


Urteil des Gerichts erster Instanz (Erste Kammer) vom 25. Oktober 2002. - Tetra Laval BV gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Wettbewerb. - Rechtssache T-80/02.

Parteien:

In der Rechtssache T-80/02

Tetra Laval BV mit Sitz in Amsterdam (Niederlande), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. Vandencasteele, D. Waelbroeck, A. Weitbrecht und S. Völcker,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. Whelan und P. Hellström als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

eklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 30. Januar 2002, mit der gemäß Artikel 8 Absatz 4 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen eine Trennung von Unternehmen angeordnet wird (Sache COMP/M.2416 - Tetra Laval/Sidel),

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten B. Vesterdorf sowie der Richter J. Pirrung und N. J. Forwood,

Kanzler: D. Christensen, Verwaltungsrätin

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Juli 2002,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

1 Die Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 395, S. 1, in der im ABl. 1990, L 257, S. 13, berichtigten und durch die Verordnung [EG] Nr. 1310/97 des Rates vom 30. Juni 1997, ABl. L 180, S. 1, geänderten Fassung, im Folgenden: Verordnung) sieht ein System der Kontrolle von Zusammenschlüssen, die gemeinschaftsweite Bedeutung" im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung haben, durch die Kommission vor.

2 In Artikel 2 der Verordnung heißt es:

(1) Zusammenschlüsse im Sinne dieser Verordnung sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt zu prüfen.

...

(3) Zusammenschlüsse, die eine beherrschende Stellung begründen oder verstärken, durch die wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert würde, sind für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu erklären.

..."

3 Erwerben eine oder mehrere Personen die Kontrolle oder die gemeinsame Kontrolle über ein anderes Unternehmen, so müssen sie nach Artikel 4 der Verordnung den Zusammenschluss innerhalb einer Woche nach seinem Abschluss bei der Kommission anmelden.

4 Zwar darf nach Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung ein Zusammenschluss weder vor der Anmeldung noch so lange vollzogen werden, bis er für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt worden ist, doch kann ein öffentliches Angebot, das bei der Kommission angemeldet worden ist, nach Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung verwirklicht werden, sofern der Erwerber die mit den Anteilen verbundenen Stimmrechte nicht ausübt oder nur zur Erhaltung des vollen Wertes seiner Investition und aufgrund einer von der Kommission nach Absatz 4 erteilten Befreiung ausübt".

5 Wird nach einer solchen Anmeldung ein Verfahren eingeleitet, so richten sich die Entscheidungsbefugnisse der Kommission nach Artikel 8 der Verordnung. Darin ist u. a. Folgendes vorgesehen:

(3) Stellt die Kommission fest, dass ein Zusammenschluss dem in Artikel 2 Absatz 3 festgelegten Kriterium entspricht..., so trifft sie eine Entscheidung, mit der der Zusammenschluss für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt wird.

(4) Ist der Zusammenschluss bereits vollzogen, so kann die Kommission in einer Entscheidung nach Absatz 3 oder in einer gesonderten Entscheidung die Trennung der zusammengefassten Unternehmen oder Vermögenswerte, die Beendigung der gemeinsamen Kontrolle oder andere Maßnahmen anordnen, die geeignet sind, wirksamen Wettbewerb wiederherzustellen."

Vorgeschichte des Rechtsstreits

6 Am 27. März 2001 gab die Tetra Laval SA, eine zu 100 % im Eigentum der Tetra Laval BV, einer zum Tetra-Laval-Konzern gehörenden Holdinggesellschaft (im Folgenden: Tetra oder Klägerin), stehende private Gesellschaft französischen Rechts für Rechnung der Klägerin ein öffentliches Übernahmeangebot für sämtliche im Umlauf befindlichen Aktien der Sidel SA ab, einem in Frankreich börsennotierten Unternehmen. Am gleichen Tag erwarb die Tetra Laval SA etwa 9,75 % des Kapitals von Sidel, davon 5,56 % von Azeo und 4,19 % von der Geschäftsleitung von Sidel.

7 Im Anschluss an dieses Angebot erwarb die Klägerin etwa 81,3 % der im Umlauf befindlichen Aktien von Sidel. Nach Angebotsschluss erwarb sie einige zusätzliche Aktien, so dass sie derzeit etwa 95,20 % der Aktien und 95,93 % der Stimmrechte von Sidel hält.

8 Am 18. Mai 2001 wurden der Kommission die Transaktionen gemeldet, aufgrund deren die Klägerin ihre Beteiligung an Sidel erwarb. Die Klägerin verpflichtete sich gemäß Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung, die mit den fraglichen Aktien verbundenen Stimmrechte nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Kommission auszuüben.

9 Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Transaktionen einen Erwerb im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung darstellen, der gemeinschaftsweite Bedeutung im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung hat.

10 Am 30. Oktober 2001 erließ die Kommission auf der Grundlage von Artikel 8 Absatz 3 der Verordnung eine Entscheidung (K[2001] 3345 endg. [Sache COMP/M.2416 - Tetra Laval/Sidel], im Folgenden: Unvereinbarkeitsentscheidung).

11 In Artikel 1 dieser Entscheidung heißt es:

Der der Kommission von der Tetra Laval BV... am 18. Mai 2000 gemeldete Zusammenschluss, durch den Tetra die alleinige Kontrolle über das Unternehmen Sidel SA erlangen würde, wird für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt und dem Funktionieren des EWR-Abkommens erklärt."

12 Im Anschluss an die Unvereinbarkeitsentscheidung übermittelte die Kommission der Klägerin am 19. November 2001 eine Mitteilung der Beschwerdepunkte gemäß Artikel 13 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 447/98 der Kommission vom 1. März 1998 über die Anmeldungen, über die Fristen sowie über die Anhörung nach der Verordnung Nr. 4064/89 (ABl. L 61, S. 1), in der sie ihres Erachtens zur Wiederherstellung wirksamen Wettbewerbs geeignete Maßnahmen aufführte.

13 Die Klägerin antwortete am 3. Dezember 2001 auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte.

14 Am 14. Dezember 2001 fand vor dem Anhörungsbeauftragten eine Anhörung gemäß den Artikeln 14, 15 und 16 der Verordnung Nr. 447/98 statt.

15 Am 30. Januar 2002 erließ die Kommission eine Entscheidung über Maßnahmen zur Wiederherstellung wirksamen Wettbewerbs gemäß Artikel 8 Absatz 4 der Verordnung (Sache COMP/M.2416 - Tetra Laval/Sidel) (im Folgenden: Trennungsentscheidung). Die Trennungsentscheidung, die der Klägerin am 4. Februar 2002 mitgeteilt wurde, enthält die Anordnung, dass die Klägerin ihre Anteile an Sidel veräußern muss, und regelt die Grundsätze dafür.

16 In Artikel 1 der Trennungsentscheidung wird der Klägerin aufgegeben, sich im Einklang mit den Bestimmungen des Anhangs dieser Entscheidung von der Sidel SA zu trennen".

17 Nach Punkt 1 Nr. 5 des Anhangs der Trennungsentscheidung muss sich die Klägerin von ihrer gesamten Beteiligung an Sidel trennen, so dass... weder Tetra noch irgendein unmittelbares oder mittelbares Mitglied ihres Konzerns eine direkte oder indirekte Kapitalbeteiligung an Sidel hält". Nach Punkt 2 Nr. 1 des Anhangs darf die Klägerin in der Übergangszeit bis zur Trennung keine Maßnahme zur Umsetzung des Zusammenschlusses ohne vorherige schriftliche Zustimmung der Kommission [treffen]", und nach Punkt 2 Nr. 2 ist es ihr untersagt, ohne eine solche Zustimmung die mit den Anteilen verbundenen Stimmrechte auszuüben oder Anteile zu erwerben. Nach Punkt 2 Nr. 8 des Anhangs ist die Klägerin u. a. verpflichtet, die Kommission monatlich schriftlich über die Fortschritte bei den Verhandlungen mit potenziellen Erwerbern von Sidel zu unterrichten. Punkt 3 Nr. 1 des Anhangs betrifft die Ernennung eines unabhängigen Treuhänders", dessen Mandat und Ernennung der vorherigen Zustimmung der Kommission bedürfen und der hinreichende Sachkenntnis und Befugnisse zur Überwachung des Trennungsprozesses sowie der Lebensfähigkeit und des effektiven Funktionierens von Sidel" haben muss. Schließlich befasst sich Punkt 4 des Anhangs mit dem Zeitplan der Trennung", zu dem nach Nr. 1 eine konkrete Frist für den Abschluss dieses Vorgangs gehört.

Verfahren

18 Mit Klageschrift, die am 15. Januar 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin Klage auf Nichtigerklärung der Unvereinbarkeitsentscheidung erhoben, die unter dem Aktenzeichen T-5/02 in das Register eingetragen worden ist. Mit besonderem Schriftsatz, der am gleichen Tag eingegangen ist, hat sie ferner gemäß Artikel 76a der Verfahrensordnung des Gerichts eine Entscheidung im beschleunigten Verfahren beantragt.

19 Am 6. Februar 2002 hat die Erste Kammer des Gerichts, der die Rechtssache zugewiesen worden ist, beschlossen, in der Rechtssache T-5/02 im beschleunigten Verfahren zu entscheiden.

20 Mit Klageschrift, die am 19. März 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage gegen die Trennungsentscheidung erhoben und die Verbindung der vorliegenden Rechtssache mit der Rechtssache T-5/02 beantragt. Mit besonderem Schriftsatz, der am gleichen Tag eingegangen ist, hat sie ferner die Anwendung des beschleunigten Verfahrens beantragt; dem hat die Kommission in ihrer am 3. April 2002 eingegangenen Stellungnahme zu diesem Antrag zugestimmt. Auch diese Rechtssache ist der Ersten Kammer des Gerichts zugewiesen worden.

21 Mit besonderem Schriftsatz, der ebenfalls am 19. März 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin einen unter dem Aktenzeichen T-80/02 R in das Register eingetragenen Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt, mit dem sie die Aussetzung des Vollzugs der in Punkt 4 des Anhangs der Trennungsentscheidung festgelegten Frist für die Veräußerung ihrer Beteiligung an Sidel begehrt.

22 Als prozessleitende Maßnahme im Sinne von Artikel 64 § 3 Buchstabe e der Verfahrensordnung sind die Parteien am 19. März 2002 aufgefordert worden, am 4. April 2002 an einer informellen Sitzung mit dem Berichterstatter teilzunehmen.

23 Am 18. April 2002 hat die Erste Kammer des Gerichts dem Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren in der vorliegenden Rechtssache stattgegeben und die mündliche Verhandlung in den Rechtssachen T-5/02 und T-80/02 auf den 26. und 27. Juni 2002 angesetzt. Entsprechend den Erklärungen der Klägerin in der informellen Sitzung wurde der Antrag auf Verbindung der Rechtssache T-5/02 mit der vorliegenden Rechtssache als zurückgenommen angesehen.

24 Die Kommission hat ihre Klagebeantwortung am 30. April 2002 eingereicht.

25 Gemäß der Vereinbarung zwischen den Parteien über die Verlängerung der Frist für die Veräußerung der Anteile der Klägerin an Sidel, die bei der Anhörung vom 24. April 2002 in der Rechtssache T-80/02 R getroffen wurde, hat die Klägerin ihren Antrag auf einstweilige Anordnung mit Schreiben vom 3. Mai 2002 zurückgenommen. Die Rechtssache T-80/02 R wurde deshalb durch Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 15. Mai 2002 im Register gestrichen; die Kostenentscheidung blieb vorbehalten.

26 Auf Bericht des Berichterstatters hat die Erste Kammer des Gerichts in ihrer Beratung vom 10. Juni 2002 beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und hat die Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen aufgefordert, eine Reihe mit Schreiben vom 11. Juni 2002 mitgeteilter Fragen zu beantworten.

27 Am 19. Juni 2002 haben die Parteien bei der Kanzlei des Gerichts ihre Bemerkungen zu den Plädoyers eingereicht, zu deren Vorlage sie bei der informellen Sitzung aufgefordert worden waren, und haben die schriftlichen Fragen beantwortet.

28 Wegen Verhinderung eines der Richter der Ersten Kammer des Gerichts hat der Präsident des Gerichts am 24. Juni 2002 Herrn Pirrung gemäß Artikel 32 § 3 der Verfahrensordnung zu dem Richter bestimmt, durch den der Spruchkörper ergänzt wird, und hat die beiden vorgesehenen mündlichen Verhandlungen auf den 3. und 4. Juli 2002 vertagt.

29 Die Parteien haben in der Sitzung vom 4. Juli 2002 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Parteien

30 Da die in der informellen Sitzung aufgestellten Voraussetzungen für die Änderung ihrer Anträge erfuellt sind, beantragt die Klägerin,

- die Trennungsentscheidung für nichtig zu erklären;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

31 Die Kommission beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

32 Die Klägerin stützt ihre Klage auf vier Gründe, und zwar erstens auf eine Verletzung ihrer Verfahrensrechte, zweitens auf das Fehlen einer Rechtsgrundlage der Trennungsentscheidung infolge der Rechtswidrigkeit der Unvereinbarkeitsentscheidung, drittens auf die Unanwendbarkeit von Artikel 8 Absatz 4 der Verordnung und viertens auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. In ihren Bemerkungen zu den Plädoyers hat sie diesen vierten Klagegrund teilweise fallen gelassen.

33 Mit Urteil vom heutigen Tag in der Rechtssache T-5/02 hat das Gericht die Unvereinbarkeitsentscheidung für nichtig erklärt. Daher ist zunächst der zweite Klagegrund zu prüfen, der auf dem unvermeidlichen Zusammenhang zwischen der Rechtswidrigkeit der Unvereinbarkeitsentscheidung und der Rechtswidrigkeit der Trennungsentscheidung beruht.

34 Die Klägerin trägt vor, der Zusammenhang zwischen der Trennungsentscheidung und der Unvereinbarkeitsentscheidung ergebe sich sowohl aus dem Wortlaut der erstgenannten Entscheidung, hauptsächlich ihrer 10. Begründungserwägung, als auch daraus, dass sie lediglich eine Maßnahme zur Durchführung der letztgenannten Entscheidung mit dem Ziel der Wiederherstellung des Wettbewerbs sei. Da die Trennungsentscheidung von der Unvereinbarkeitsentscheidung abhänge, beraube deren Nichtigerklärung die Trennungsentscheidung ihrer Rechtsgrundlage.

35 Die Kommission ist der Auffassung, die Trennungsentscheidung beruhe auf der Unvereinbarkeitsentscheidung vor deren Nichtigerklärung. Daher habe die spätere Nichtigerklärung der Unvereinbarkeitsentscheidung keine Auswirkungen auf die Gültigkeit der Trennungsentscheidung. Sofern alle übrigen Klagegründe der vorliegenden Klage zurückgewiesen würden, rechtfertige die Rechtswidrigkeit der Unvereinbarkeitsentscheidung daher nicht die Nichtigerklärung der Trennungsentscheidung. Nach der Auslegung von Artikel 233 EG durch den Gerichtshof sei es Sache der Kommission, die Konsequenzen aus der Nichtigerklärung der Unvereinbarkeitsentscheidung zu ziehen (Urteil des Gerichtshofes vom 26. April 1988 in den Rechtssachen 97/86, 193/86, 99/86 und 215/86, Asteris u. a./Kommission, Slg. 1988, 2181, Randnrn. 30 und 32, im Folgenden: Urteil Asteris).

36 Hierzu ist zunächst festzustellen, dass Artikel 8 Absatz 4 der Verordnung nach ihrer Systematik und insbesondere ihrer 16. Begründungserwägung der Kommission den Erlass aller zur Wiederherstellung wirksamen Wettbewerbs erforderlichen Entscheidungen ermöglichen soll. Wurde der Zusammenschluss wie im vorliegenden Fall gemäß Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung verwirklicht, so ist die Trennung der daran beteiligten Unternehmen die logische Konsequenz der Entscheidung, mit der der Zusammenschluss für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt wird.

37 Der Erlass einer Trennungsentscheidung nach dem Erlass einer Entscheidung, mit der ein Zusammenschluss für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt wird, setzt jedoch die Gültigkeit der letztgenannten Entscheidung voraus. Da eine Trennungsentscheidung gemäß Artikel 8 Absatz 4 der Verordnung auf die Wiederherstellung eines wirksamen Wettbewerbs abzielt, der durch den für unzulässig erklärten Zusammenschluss behindert wurde, liegt auf der Hand, dass ihre Gültigkeit von der Gültigkeit der den Zusammenschluss untersagenden Entscheidung abhängt und dass deren Nichtigerklärung ihr somit jede Rechtsgrundlage nimmt.

38 Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, dass nach Artikel 8 Absatz 4 der Verordnung die Veräußerung einer im Rahmen eines Zusammenschlusses erworbenen Beteiligung bereits in der gemäß Artikel 8 Absatz 3 erlassenen Unvereinbarkeitsentscheidung angeordnet werden kann.

39 Das fragliche Ergebnis wird auch durch die Bezugnahme der Kommission auf das Urteil Asteris nicht in Frage gestellt. Erstens hat der Gerichtshof darin die Rückwirkung von Nichtigkeitsurteilen" bestätigt (Randnr. 30). Zweitens betraf das Urteil Asteris die Wirkungen der Nichtigerklärung einer Verordnung mit zeitlich genau begrenzter Geltung für alle inhaltsgleichen Bestimmungen späterer Verordnungen. Es betraf somit den Umfang der aus Artikel 233 EG resultierenden Pflicht des für den Erlass der fraglichen Verordnungen verantwortlichen Organs, die sich aus dem betreffenden Urteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen.

40 Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch im Unterschied zu dem Sachverhalt, der dem Urteil Asteris zugrunde lag, nicht um Verordnungen mit identischen Bestimmungen, sondern um eine Trennungsentscheidung, die nur zur Umsetzung einer Unvereinbarkeitsentscheidung dient. Die bloße Tatsache, dass zum Zeitpunkt des Erlasses der Trennungsentscheidung die Unvereinbarkeitsentscheidung noch nicht für nichtig erklärt worden war, kann deren späterer Nichtigerklärung nicht die Rückwirkung nehmen.

41 Wie in Randnummer 33 ausgeführt, hat das Gericht aber mit Urteil vom heutigen Tag in der Rechtssache T-5/02 die Unvereinbarkeitsentscheidung für nichtig erklärt.

42 Da die Rechtswidrigkeit der Unvereinbarkeitsentscheidung mithin zur Rechtswidrigkeit der Trennungsentscheidung führt, ist dem vorliegenden Antrag auf Nichtigerklärung der letztgenannten Entscheidung stattzugeben, ohne dass die übrigen gegen sie gerichteten Klagegründe geprüft zu werden brauchen.

43 Infolgedessen ist die Trennungsentscheidung für nichtig zu erklären.

Kostenentscheidung:

Kosten

44 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Beklagte mit ihrem Vorbringen unterlegen ist und die Klägerin beantragt hat, der Beklagten die Kosten aufzuerlegen, hat diese ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Klägerin einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung zu tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Entscheidung der Kommission vom 30. Januar 2002, mit der gemäß Artikel 8 Absatz 4 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen Maßnahmen zur Wiederherstellung wirksamen Wettbewerbs angeordnet werden (Sache COMP/M.2416 - Tetra Laval/Sidel), wird für nichtig erklärt.

2. Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Klägerin einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung.

Ende der Entscheidung

Zurück