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Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 10.05.1994
Aktenzeichen: T-88/94 R
Rechtsgebiete: VO (EWG) Nr. 4064/89, EG-Vertrag


Vorschriften:

VO (EWG) Nr. 4064/89 Art. 1
EG-Vertrag Art. 173
EG-Vertrag Art. 185
EG-Vertrag Art. 186
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Ein Antrag auf Aussetzung des Vollzugs ist unzulässig, wenn nicht die Aussetzung der Maßnahme beantragt wird, gegen die sich die Klage richtet. Gleiches gilt für einen Antrag auf sonstige einstweilige Anordnungen, wenn er sich nicht auf den Rechtsstreit bezieht, der Gegenstand der genannten Klage ist.

Aus diesem Grund ist ein Antrag auf Aussetzung eines auf der Grundlage der Verordnung Nr. 17 eingeleiteten Verfahrens zur Anwendung der Wettbewerbsregeln unzulässig, wenn sich die Klage gegen eine am Ende eines Verfahrens nach der Verordnung Nr. 4064/89 über die Kontrolle von Zusammenschlüssen ergangene Entscheidung richtet und der Antragsteller seinen Antrag nur auf angebliche Widersprüche im Verhalten der Kommission in diesen beiden Verfahren stützt.

2. In einem Fall, in dem die dem Richter der einstweiligen Anordnung zur Verfügung stehenden Tatsachen nicht ausreichen, um ihm die Beurteilung der Gefahr eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens zu ermöglichen, auf die sich der Antragsteller bei seinem Antrag auf Aussetzung des Vollzugs einer Entscheidung der Kommission beruft, in der als Bedingung für die Genehmigung eines Zusammenschlusses zwischen dritten Unternehmen das Ausscheiden dieser Unternehmen aus einer Gesellschaft verlangt wird, der der Antragsteller angehört, hat dieser Richter den Parteien aufzugeben, ihm die maßgeblichen Informationen zu übermitteln.

Bis zum Erhalt dieser Informationen ist, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Gesellschaft, der der Antragsteller angehört, ohne die Aussetzung in ihrer Existenz bedroht sein könnte, und wenn nicht ersichtlich ist, daß sich diese Aussetzung einschneidend auf die Rechte am Verfahren unbeteiligter Dritter auswirken oder dem öffentlichen Interesse oder dem Interesse am sofortigen Vollzug der Entscheidungen der Kommission schaden könnte, die vorläufige Aussetzung der Entscheidung anzuordnen, soweit ihr Vollzug zur Auflösung der Gesellschaft führen könnte, der der Antragsteller angehört.


BESCHLUSS DES PRAESIDENTEN DES GERICHTS ERSTER INSTANZ VOM 10. MAI 1994. - SOCIETE COMMERCIALE DES POTASSES ET DE L'AZOTE UND ENTREPRISE MINIERE ET CHIMIQUE GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - WETTBEWERB - KONTROLLE VON ZUSAMMENSCHLUESSEN - VERFAHREN DER EINSTWEILIGEN ANORDNUNG - AUSSETZUNG DES VOLLZUGS - EINSTWEILIGE MASSNAHMEN. - RECHTSSACHE T-88/94 R.

Entscheidungsgründe:

Tatbestand

1 Die Société commerciale des potasses et de l' azote (SCPA) und die Entreprise minière et chimique (EMC) haben mit Klageschrift, die am 28. Februar 1994 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist, gemäß Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (im folgenden: EG-Vertrag) Klage auf teilweise Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 14. Dezember 1993 in einem Verfahren nach der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (IV/M.308 ° Kali+Salz/MdK/Treuhand) erhoben.

2 Die Antragstellerinnen begehren gemäß ihrer Klageschrift

° die teilweise Nichtigerklärung von Artikel 1 der Entscheidung, soweit darin der Zusammenschluß nur unter der Voraussetzung für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wird, daß den in Randnummer 63 der Entscheidung genannten Bedingungen nachgekommen wird;

° die teilweise Nichtigerklärung der Entscheidung, soweit darin die in ihrer Randnummer 65 erwähnte Zusage der Kali und Salz AG (im folgenden: K+S), die Struktur der Firma Potacan bis zum 30. Juni 1994 umzuwandeln, akzeptiert wurde.

3 Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist, haben sie ausserdem gemäß den Artikeln 185 und 186 EG-Vertrag folgende Anträge gestellt:

° einen Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung, soweit sie die K+S verpflichtet, zum einen ihre Anteile an der Kali-Export GmbH zu verkaufen und/oder aus ihr auszuscheiden und zum anderen ihre vertraglichen Vertriebsbindungen zur SCPA aufzulösen;

° einen Antrag auf Anordnung der Aussetzung des von der Kommission eingeleiteten Verfahrens im Fall IV/34.774 ° Potacan.

4 Die Kommission hat am 23. März 1994 zu dem vorliegenden Antrag auf einstweilige Anordnung schriftlich Stellung genommen. Die Parteien haben am 18. April 1994 mündlich verhandelt.

5 Vor der Prüfung der Begründetheit des Antrags auf einstweilige Anordnung sind der Hintergrund der vorliegenden Rechtssache und insbesondere der dem beim Gericht anhängigen Rechtsstreit zugrunde liegende wesentliche Sachverhalt darzustellen, wie er sich aus den von den Parteien eingereichten Schriftsätzen und Unterlagen sowie aus den Erklärungen in der mündlichen Verhandlung vom 18. April 1994 ergibt.

6 Die SCPA hält 25 % der Anteile der Kali-Export GmbH, einer Gesellschaft österreichischen Rechts, über die sie einen Teil ihrer Verkäufe ausserhalb der Europäischen Gemeinschaft abwickelt. Die EMC hält sämtliche Anteile der SCPA und 50 % der Anteile der Firma Potacan, einer Gesellschaft kanadischen Rechts, die sie zusammen mit der K+S beherrscht.

7 Am 14. Juli 1993 wurde bei der Kommission gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (berichtigte Fassung veröffentlicht im ABl. 1990, L 257, S. 13) das Vorhaben angemeldet, die Kali- und Steinsalzaktivitäten der K+S und der Mitteldeutschen Kali AG (MdK) in einem Gemeinschaftsunternehmen der K+S und der Treuhandanstalt zusammenzufassen.

8 Nach Prüfung der Anmeldung traf die Kommission am 16. August 1993 gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 4064/89 die Entscheidung, das Verfahren einzuleiten, weil der angemeldete Zusammenschluß ihrer Ansicht nach Anlaß zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt gab.

Am 14. Dezember 1993 erließ die Kommission eine Entscheidung, in deren Artikel 1 sie den Zusammenschluß unter der Voraussetzung für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt, daß den in den Verpflichtungserklärungen der Parteien gegenüber der Kommission enthaltenen und in Randnummer 63 der Entscheidung genannten Bedingungen und Auflagen in vollem Umfang nachgekommen wird. Nach Artikel 2 erstreckt sich die Vereinbarkeitserklärung nicht auf das in Artikel 20 des Rahmenvertrags über den Zusammenschluß enthaltene Wettbewerbsverbot.

9 In Randnummer 63 der Entscheidung sind folgende Zusagen aufgeführt:

"° Kali-Export GmbH, Wien

K+S und das Gemeinschaftsunternehmen scheiden unverzueglich aus der Kali-Export GmbH, Wien, aus...

In gleicher Weise werden K+S und das Gemeinschaftsunternehmen den mit Kali-Export GmbH bestehenden Vertretervertrag nach den dort vorgesehenen Kündigungsregelungen... kündigen. Das Gemeinschaftsunternehmen wird ab diesem Zeitpunkt über eine eigene Vertriebsorganisation Kali-Export GmbH Wettbewerb machen...

° Vertrieb

K+S und das Gemeinschaftsunternehmen werden in der EG ° soweit nicht bereits vorhanden ° eine eigene Vertriebsorganisation einrichten und ihre Produkte über dieses Vertriebsnetz zu allgemein üblichen, kaufmännischen Gepflogenheiten vertreiben. In Frankreich wird eine Vertriebsorganisation für Kaliprodukte einschließlich -spezialitäten errichtet werden, die den gesamten französischen Markt umfassen und nach Art und Umfang der Bedeutung des französischen Marktes Rechnung tragen wird. Dies geschieht unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit.

Die bisherige Zusammenarbeit mit der SCPA als Vertriebspartner für den französischen Markt wird... beendet. Damit wird einerseits SCPA die Erfuellung bereits abgeschlossener Kontrakte mit eigenen Abnehmern, andererseits der Aufbau einer eigenen Vertriebsorganisation des Gemeinschaftsunternehmens ermöglicht. Ein Verkauf an SCPA zu marktüblichen Bedingungen ist möglich."

10 Randnummer 65 der angefochtenen Entscheidung hat folgenden Wortlaut:

"65. Weiterhin hat K+S die Bedenken der Kommission wegen der negativen Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die Wettbewerbsverhältnisse in der Gemeinschaft zur Kenntnis genommen und die Zusage gemacht, bis zum 30. Juni 1994 die Struktur von Potacan in einer solchen Weise umzuwandeln, daß jeder Partner in die Lage versetzt wird, aus Potacan erlangtes Kali jeweils unabhängig von dem anderen Partner auf dem Markt der Gemeinschaft zu vermarkten."

11 In Randnummer 67 der Entscheidung heisst es weiter:

"Die Kommission hat davon abgesehen, die Zusage hinsichtlich Potacan zum Gegenstand einer förmlichen Auflage zu machen. Sie hat diese Zusage zur Kenntnis genommen und geht davon aus, daß K+S nach besten Kräften darauf hinwirkt, mit EMC/SCPA ein Einvernehmen über eine Umwandlung von Potacan zu erreichen, die den oben beschriebenen Anforderungen gerecht wird.... Sollte es K+S trotz aller Bemühungen nicht gelingen, ein Einvernehmen mit EMC zu erreichen, dann müsste eine geeignete Lösung der wettbewerblichen Probleme, die von der derzeitigen Ausgestaltung des Gemeinschaftsunternehmens Potacan herrühren, im Rahmen des nach der Ratsverordnung Nr. 17/62 anhängigen Verfahrens gefunden werden."

12 Am 2. Juli 1993 meldeten die K+S und die EMC bei der Kommission gemäß Artikel 4 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), ihre Vereinbarungen in bezug auf die Firma Potacan an (Fall IV/34.774 ° Potacan). Im Anschluß an diese Anmeldung übersandte die Kommission der K+S und der EMC am 1. Dezember 1993 eine Mitteilung der Beschwerdepunkte, in der sie ihnen vorwarf, gegen Artikel 85 EG-Vertrag verstossen zu haben.

Entscheidungsgründe

13 Gemäß den Artikeln 185 und 186 des Vertrages in Verbindung mit Artikel 4 des Beschlusses 88/591/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 319, S. 1) in der Fassung des Beschlusses 93/350/Euratom, EGKS, EWG des Rates vom 8. Juni 1993 (ABl. L 144, S. 21) kann das Gericht, wenn es dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der angefochtenen Handlung aussetzen oder die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen.

14 Nach Artikel 104 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts müssen Anträge auf einstweilige Anordnungen im Sinne der Artikel 185 und 186 des Vertrages die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen. Die beantragten Maßnahmen müssen eine einstweilige Regelung in dem Sinne darstellen, daß sie der Entscheidung zur Hauptsache nicht vorgreifen (vgl. Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 6. Juli 1993 in der Rechtssache T-12/93 R, CCE Vittel und CE Pierval/Kommission, Slg. 1993, II-785).

Vorbringen der Parteien

15 Die Antragstellerinnen sind der Ansicht, daß die rechtlichen Voraussetzungen für den Erlaß der beantragten einstweiligen Anordnungen im vorliegenden Fall gegeben seien. Die streitige Entscheidung sei mit tatsächlichen und rechtlichen Fehlern behaftet, und ihr unmittelbarer Vollzug würde für sie zu einem schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden führen.

16 In bezug auf die Rechtswidrigkeit der Entscheidung machen die Antragstellerinnen im wesentlichen geltend, mit der angefochtenen Maßnahme würden zum einen der K+S Bedingungen auferlegt, die mit der Aufrechterhaltung des Wettbewerbs auf dem Gemeinschaftsmarkt nichts zu tun hätten, und werde zum anderen eine Zusage der K+S in bezug auf die Potacan akzeptiert, ohne daß ihre Stellungnahme eingeholt worden sei.

17 Es sei erstens unzutreffend, daß die Zusammenarbeit zwischen der K+S, der MdK und der SCPA in der Kali-Export GmbH Auswirkungen auf das Wettbewerbsverhalten der Anteilseigner dieser GmbH in der Gemeinschaft haben könne, da die Verkäufe der Kali-Export GmbH ausschließlich ausserhalb der Europäischen Gemeinschaft erfolgten und es keine Wiedereinfuhr gebe.

18 Zweitens sei die Verpflichtung der K+S, ihre Vertriebsbindungen zur SCPA aufzulösen, nicht mit der Verordnung Nr. 4064/89 vereinbar, denn eine solche Bedingung könne nur den französischen Binnenmarkt betreffen ° der, wie in der Entscheidung selbst festgestellt werde, nicht zu den relevanten Märkten gehöre ° und ausserdem werde dabei offenbar ausser acht gelassen, daß sich die Vertriebsbindungen zwischen der K+S und der SCPA ausschließlich auf ein magnesiumhaltiges Erzeugnis namens Kieserit bezögen, das keinerlei Kali enthalte.

19 Schließlich habe die Kommission die von der K+S gegebene Zusage, die Struktur der Potacan bis zum 30. Juni 1994 umzuwandeln, nicht akzeptieren dürfen, da Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4064/89 sie nicht berechtigte, eine Zusage zu akzeptieren, die unmittelbar die Rechte eines Dritten betreffe und durch die die Rechte dieses Dritten ohne dessen Einverständnis eine schwere Einbusse erleiden könnten.

20 Hinsichtlich der Gefahr eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens machen die Antragstellerinnen erstens geltend, daß das Ausscheiden der K+S und der MdK aus der Kali-Export GmbH die Fortsetzung von deren Tätigkeit unmöglich machen und damit zu ihrer Auflösung führen würde. Dies hätte zur Folge, daß die SCPA, die kein internationales Vertriebsnetz für grosse Exportverkäufe besitze, über keine wirtschaftliche Möglichkeit für den Absatz ihrer Erzeugnisse auf den internationalen und insbesondere den afrikanischen und asiatischen Märkten verfügen würde. In der mündlichen Verhandlung im Verfahren der einstweiligen Anordnung haben die Antragstellerinnen darauf hingewiesen, daß die Heranziehung unabhängiger Zwischenhändler es der SCPA grundsätzlich nicht erlauben würde, die von ihr gegenwärtig eingenommene wirtschaftliche und finanzielle Stellung beizubehalten, da zum einen eine Reihe von Zwischenhändlern bereits mit der K+S zusammenarbeiteten und zum anderen der Verkauf geringerer Mengen der Erzeugnisse zwangsläufig zur Zahlung einer höheren Provision führe.

21 Zweitens bedeute die Verpflichtung zur Beendigung des Vertrages über den Verkauf magnesiumhaltiger Erzeugnisse (Kieserit) in Frankreich für die SCPA einen schweren Schaden in Form des Verlustes von Kunden und einer Verringerung der Gewinnspanne, denn das fragliche Erzeugnis repräsentiere für die SCPA einen Umsatz von ca. 65 Millionen FF und ausserdem werde es sehr schwierig oder gar unmöglich sein, eine andere Bezugsquelle zu finden, da die K+S der einzige Erzeuger von Kieserit in Europa sei.

22 Ferner bestehe die von der Kommission akzeptierte Zusage der K+S in bezug auf die Potacan in Wirklichkeit in einer Verpflichtung der K+S und der EMC, die Erzeugung der Potacan gleichmässig unter sich aufzuteilen. Da die EMC jedoch im Gegensatz zur K+S nicht über ein eigenes Vertriebsnetz für den Absatz ihres Teils der Erzeugung auf den internationalen Märkten verfüge, erleide die EMC dadurch einen beträchtlichen Gewinnausfall. Überdies könne die Zusage der K+S, die die EMC klar mißbilligt habe, die Existenzfähigkeit der Potacan bedrohen und die erheblichen Investitionen gefährden, die die EMC für den Ausbau der Mine bereitgestellt habe.

23 Schließlich würde das Gericht durch den Erlaß der beantragten einstweiligen Anordnungen in keiner Weise in die Interessen der übrigen Beteiligten eingreifen, da sowohl das Interesse der K+S an der Durchführung des Zusammenschlusses mit der MdK als auch das Interesse der Kommission an der Aufrechterhaltung eines gesunden Wettbewerbs auf dem Markt der Gemeinschaft gewahrt würden.

24 Die Kommission macht zunächst geltend, daß der Antrag auf Anordnung der Aussetzung des Verfahrens im Fall IV/34.774 ° Potacan unzulässig sei, da zum einen die Klage nichts mit dem Fall Potacan zu tun habe und zum anderen eine Nichtigkeitsklage gegen die Einleitung eines Verfahrens nach einer gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts ohnehin offensichtlich unzulässig sei.

25 Die Antragstellerinnen haben nach Ansicht der Kommission nichts vorgetragen, was die Klage als erfolgversprechend erscheinen ließe; vielmehr sei die angefochtene Entscheidung selbst offenkundig rechtmässig. Die streitigen Bedingungen seien erforderlich, um die strukturellen Bindungen zwischen der K+S und der SCPA aufzulösen und zu verhindern, daß durch die beherrschende Stellung, die das Gemeinschaftsunternehmen und die SCPA nach dem Zusammenschluß in der Europäischen Gemeinschaft ausserhalb Deutschlands gemeinsam einnehmen würden, ein wirksamer Wettbewerb erheblich beeinträchtigt würde.

26 Hinsichtlich der Gefahr eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens vertritt die Kommission die Auffassung, die Antragstellerinnen hätten nicht nachgewiesen, daß sie den Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht abwarten könnten, ohne einen Schaden zu erleiden, der schwere und nicht wiedergutzumachende Folgen hätte.

27 Was die Bedingung des Ausscheidens der K+S aus der Kali-Export GmbH betreffe, so stelle die Kali-Export GmbH ein Ausfuhrkartell dar, das im Anschluß an das Inkrafttreten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ohnehin vor dem 1. Juli 1994 abgeändert werden müsse. Davon abgesehen sei die SCPA für den Absatz ihrer Erzeugnisse nicht von der Kali-Export GmbH abhängig, da sie die Möglichkeit habe, auf unabhängige Zwischenhändler zurückzugreifen.

28 Was sodann den Vertrieb der Erzeugnisse der K+S in Frankreich betreffe, so gebe es bei den Antragstellerinnen ein zweifaches Mißverständnis. Aus der allein verbindlichen deutschen Fassung der Entscheidung ergebe sich nämlich eindeutig, daß sich die in Randnummer 63 der Entscheidung erwähnten Verpflichtungen weder auf Kieserit bezögen noch die Auflösung aller Vertriebsverträge zwischen der K+S und der SCPA vorschrieben. Die K+S und das Gemeinschaftsunternehmen seien gemäß dieser Randnummer nur verpflichtet, in Frankreich ihre eigene Vertriebsorganisation für Kaliprodukte und -spezialitäten einzurichten und die Zusammenarbeit zwischen der K+S und der SCPA als Vertriebspartner zu beenden.

29 Was schließlich die Zusage der K+S hinsichtlich der Potacan angehe, so ergebe sich aus Randnummer 67 der Entscheidung eindeutig, daß insoweit keine Bedingung im Sinne von Artikel 8 der Verordnung Nr. 4064/89 aufgestellt worden sei; die Umwandlung der Struktur der Potacan hänge zudem ohnedies von der Mitwirkung und dem Einverständnis der EMC ab. Ausserdem stehe der angebliche Schaden in keinem Zusammenhang mit der beantragten Maßnahme, der Aussetzung des gemäß der Verordnung Nr. 17 eingeleiteten Verfahrens.

30 Zur Berücksichtigung der jeweiligen Interessen führt die Kommission aus, die aufgestellten Bedingungen bildeten wesentliche Bestandteile ihrer Entscheidung, den Zusammenschluß für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu erklären. Unter diesen Umständen sei sie im Fall des Erlasses der beantragten einstweiligen Anordnungen gezwungen, den Vollzug der Entscheidung insgesamt auszusetzen, wodurch die Ausübung der Rechte der K+S gegenüber der MdK und dem Gemeinschaftsunternehmen verhindert und damit die Umstrukturierung der Kaliindustrie in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik erneut in Frage gestellt würden. Es sei nicht richtig, daß die aufgestellten Bedingungen für die Antragstellerinnen eine nicht mehr rückgängig zu machende Sachlage schaffen könnten, aber selbst wenn dies der Fall wäre, hätten sie nicht den Nachweis erbracht, daß sie durch die Zusagen der K+S in eine Lage gerieten, die ihre Existenz bedrohen könnte, so daß einstweilige Anordnungen gerechtfertigt wären, die sich einschneidend auf die Rechte und Interessen am Rechtsstreit unbeteiligter Dritter auswirkten.

Beurteilung durch den Richter der einstweiligen Anordnung

A ° Zulässigkeit des Antrags auf Anordnung der Aussetzung des Verfahrens im Fall IV/34.774 ° Potacan

31 Gemäß Artikel 104 § 1 Absatz 1 der Verfahrensordnung des Gerichts sind Anträge auf Aussetzung des Vollzugs von Maßnahmen eines Organs nur zulässig, wenn der Antragsteller die betreffende Maßnahme durch Klage beim Gericht angefochten hat. Nach Absatz 2 dieser Bestimmung sind Anträge auf sonstige einstweilige Anordnungen nur zulässig, wenn sie von einer Partei eines beim Gericht anhängigen Rechtsstreits gestellt werden und sich auf diesen beziehen.

32 Wie sich aus den Akten ergibt, fechten die Antragstellerinnen die Maßnahme, durch die die Kommission das Verfahren im Fall IV/34.774 ° Potacan eingeleitet hat, mit ihrer Klage nicht an. Sie erwähnen nämlich lediglich bestimmte Widersprüche zwischen den Ergebnissen, zu denen die Kommission in der streitigen Entscheidung gelangt ist, und dem Standpunkt, den sie im Stadium der Mitteilung der Beschwerdepunkte im Fall IV/34.774 ° Potacan eingenommen hat.

33 Daraus folgt, daß die beantragte einstweilige Anordnung der Aussetzung des Verfahrens im Fall IV/34.774 ° Potacan weder eine Maßnahme betrifft, deren Rechtmässigkeit beim Gericht angefochten wurde, noch sich auf einen beim Gericht anhängigen Rechtsstreit bezieht. Dieser Antrag ist deshalb für unzulässig zu erklären.

B ° Zum Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung, soweit sie die K+S verpflichtet, zum einen ihre vertraglichen Vertriebsbindungen zur SCPA aufzulösen und zum anderen ihre Anteile an der Kali-Export GmbH zu verkaufen und/oder aus ihr auszuscheiden

34 Nach Ansicht der SCPA bringen die in der streitigen Entscheidung aufgestellten Bedingungen für sie insofern die Gefahr eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens mit sich, als sie sich künftig kein Kieserit mehr beschaffen könne und ausserdem die Möglichkeit des Absatzes ihrer Erzeugnisse auf den grossen Exportmärkten durch die Auflösung der Kali-Export GmbH schwer und unwiderruflich beeinträchtigt werde.

35 Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß die Dringlichkeit eines Antrags auf einstweilige Anordnung nach ständiger Rechtsprechung danach zu beurteilen ist, ob die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erforderlich ist, um zu verhindern, daß dem Antragsteller ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden entsteht. Es obliegt der Partei, die die Aussetzung des Vollzugs begehrt, den Nachweis dafür zu erbringen, daß sie den Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht abwarten kann, ohne einen Schaden zu erleiden, der schwere und nicht wiedergutzumachende Folgen für sie hätte (vgl. zuletzt Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 14. Dezember 1993 in der Rechtssache T-543/93 R, Gestevisión Telecinco/Kommission, Slg. 1993, II-1409).

36 Was die angebliche Unmöglichkeit für die SCPA angeht, sich Kieserit zu beschaffen, so beruht dieses Vorbringen auf einer Fehlinterpretation der Entscheidung. Diese enthält nämlich auf den ersten Blick keine Verpflichtung der K+S, die Vertriebsbindungen zwischen ihr und der SCPA in bezug auf andere Erzeugnisse als Kali oder Kalispezialitäten zu beenden. In Randnummer 63 der Entscheidung sind nur "Kaliprodukte einschließlich -spezialitäten" erwähnt. Kieserit ist aber ein magnesiumhaltiges Erzeugnis, das kein Kali enthält. Unter diesen Umständen wird es dem ersten Anschein nach von der streitigen Entscheidung nicht erfasst, so daß die beantragte einstweilige Anordnung insoweit gegenstandslos ist.

37 Zu der Verpflichtung der K+S, ihre Anteile an der Kali-Export GmbH zu verkaufen und/oder aus ihr auszuscheiden, ist festzustellen, daß zu den Bedingungen und Verpflichtungen, von deren Einhaltung die Erklärung der Vereinbarkeit des Zusammenschlusses der K+S und der MdK mit dem Gemeinsamen Markt abhängig gemacht wurde, folgende Zusage gehört:

"K+S und das Gemeinschaftsunternehmen scheiden unverzueglich aus der Kali-Export GmbH, Wien, aus..."

38 Insoweit ist erstens darauf hinzuweisen, daß das Ausscheiden der K+S und des Gemeinschaftsunternehmens aus der Kali-Export GmbH erst... erfolgt... Zweitens sind sich die Parteien darüber einig, daß die Funktionsweise der Kali-Export GmbH infolge des Inkrafttretens des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ohnehin vor dem 1. Juli 1994 geändert werden muß, auch wenn sie über den tatsächlichen Umfang einer solchen Änderung unterschiedlicher Auffassung sind. Drittens lässt sich nicht ausschließen, daß ungeachtet der begrenzten Zahl von Kalierzeugern in Europa andere Partner die Stelle der K+S und des Gemeinschaftsunternehmens in der Kali-Export GmbH einnehmen könnten.

39 Aber auch wenn es denkbar erscheint, daß der SCPA durch das Ausscheiden der K+S und des Gemeinschaftsunternehmens aus der Kali-Export GmbH ein Schaden entstehen könnte, so lässt sich doch nicht sagen, daß dieses Ausscheiden es der SCPA zwangsläufig für sich allein unmöglich machen würde, ihre Kalierzeugnisse auf den grossen Exportmärkten abzusetzen, wie sie dem Gericht gegenüber geltend gemacht hat. Denn unvorhersehbare Umstände wie die Schwierigkeiten, die die SCPA bei der Suche nach Alternativen für den Absatz ihrer Erzeugnisse nach dem Ausscheiden der K+S und des Gemeinschaftsunternehmens aus der Kali-Export GmbH haben könnte, stellen auf den ersten Blick nicht die Gefahr eines gegenwärtigen oder unmittelbar bevorstehenden Schadens dar, sondern eine zukünftige, ungewisse und vom Zufall abhängige Gefahr, bei deren Konkretisierung die Antragstellerin ihre Rechte vor dem Gemeinschaftsrichter geltend machen könnte (vgl. Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 13. Mai 1993 in der Rechtssache T-24/93 R, CMBT/Kommission, Slg. 1993, II-543).

40 Es ist jedoch hinzuzufügen, daß einige der Fragen, die sich in der vorliegenden Rechtssache stellen, erhebliche Auslegungsprobleme aufwerfen können. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob und in welchem Umfang das Ausscheiden der K+S und des Gemeinschaftsunternehmens aus der Kali-Export GmbH zu deren Auflösung führen und dadurch in die Rechte der übrigen Anteilseigner der Gesellschaft und insbesondere der SCPA eingreifen würde.

41 Es ist zwar richtig, daß die Kommission in Randnummer 64 ihrer Entscheidung die Auflösung der Kali-Export GmbH offenbar nicht zu einer eigenständigen Bedingung macht. Dort heisst es nämlich:

"Durch die Zusage von K+S/MdK, aus der Kali-Export GmbH auszuscheiden, wird sichergestellt, daß die Zusammenarbeit von K+S und EMC/SCPA im Rahmen des Exportkartells beendet wird."

42 Die dem Richter der einstweiligen Anordnung von den Parteien mitgeteilten Tatsachen erlauben es ihm jedoch nicht, den tatsächlichen Umfang der Zusagen, die der Kommission von den am Zusammenschluß Beteiligten gegeben wurden ° und die sie zu einer Bedingung der Entscheidung gemacht hat °, und insbesondere ihre Auswirkungen auf die Rechte Dritter zu beurteilen, um das mögliche Vorliegen der Gefahr eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens für diese prüfen zu können. Den Parteien ist daher aufzugeben, dem Gericht die maßgeblichen Informationen zu übermitteln, die ihm die Prüfung ermöglichen, ob und in welchem Umfang die Zusage der K+S und des Gemeinschaftsunternehmens hinsichtlich ihres Ausscheidens aus der Kali-Export GmbH zu deren Auflösung führt.

43 Im übrigen ist bis zum Eingang dieser Informationen zu prüfen, ob die vorläufige Aussetzung des Vollzugs von Artikel 1 der streitigen Entscheidung anzuordnen ist, soweit er zur Auflösung der Kali-Export GmbH führen könnte.

44 In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, daß, wenn sich die beim Gericht beantragten einstweiligen Anordnungen einschneidend auf die Rechte und Interessen Dritter auswirken können, die, wie im vorliegenden Fall die K+S und das Gemeinschaftsunternehmen, nicht Parteien des Rechtsstreits sind und deshalb nicht gehört werden konnten, solche Anordnungen nur zu rechtfertigen wären, wenn erkennbar wäre, daß die Antragsteller andernfalls in eine Lage gerieten, die ihre Existenz bedrohen könnte (vgl. Beschluß CCE Vittel und CE Pierval/Kommission, a. a. O.).

45 Im vorliegenden Fall scheint die Existenz der SCPA nicht bedroht zu sein. Der Richter der einstweiligen Anordnung verfügt jedoch nicht über Informationen, aufgrund deren er ausschließen könnte, daß die Existenz der Kali-Export GmbH, zu deren vier Anteilseignern die SCPA gehört, durch die Erfuellung einer der in der streitigen Entscheidung aufgestellten Bedingungen bedroht ist. Es ist auch nicht ersichtlich, daß sich eine vorläufige Aussetzung der Erfuellung der das Ausscheiden aus der Kali-Export GmbH betreffenden Bedingung ° soweit sie zu deren Auflösung führen könnte ° einschneidend auf die Rechte und Interessen der K+S und des Gemeinschaftsunternehmens auswirken oder dem öffentlichen Interesse oder dem Interesse der Kommission am sofortigen Vollzug ihrer Entscheidung in irgendeiner Weise schaden könnte.

46 Unter diesen Umständen erscheint es angebracht, die vorläufige Aussetzung des Vollzugs von Artikel 1 der streitigen Entscheidung anzuordnen, soweit er zur Auflösung der Kali-Export GmbH führen könnte, bis der Richter der einstweiligen Anordnung in Kenntnis der ihm von den Parteien insoweit übermittelten Informationen entscheiden kann.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

beschlossen:

1) Die Parteien übermitteln dem Gericht innerhalb von zwei Wochen die maßgeblichen Informationen, die die Prüfung ermöglichen, ob und in welchem Umfang die Zusage der K+S und des Gemeinschaftsunternehmens hinsichtlich ihres Ausscheidens aus der Kali-Export GmbH zu deren Auflösung führt.

2) Der Vollzug von Artikel 1 der Entscheidung der Kommission vom 14. Dezember 1993 in einem Verfahren nach der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (IV/M.308 ° Kali+Salz/MdK/Treuhand) wird bis zum Erlaß des Beschlusses, der das Verfahren der einstweiligen Anordnung beendet, ausgesetzt, soweit er zur Auflösung der Kali-Export GmbH führen könnte.

3) Im übrigen wird der Antrag auf einstweilige Anordnung zurückgewiesen.

4) Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 10. Mai 1994.

Ende der Entscheidung

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