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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 04.11.2002
Aktenzeichen: T-90/99
Rechtsgebiete: Entscheidung SG (99) D/1542, Entscheidung Nr. 2496/96/EGKS, Verfahrensordnung


Vorschriften:

Entscheidung SG (99) D/1542
Entscheidung Nr. 2496/96/EGKS Art. 6 Abs. 5
Verfahrensordnung Art. 113
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Bei Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens nach Artikel 6 Absatz 5 des Sechsten Stahlbeihilfenkodex besteht das in Artikel 6 Absatz 4 Unterabsatz 1 des Kodex vorgesehene Verbot, von den Mitgliedstaaten geplante Beihilfemaßnahmen ohne Zustimmung der Kommission durchzuführen, bis zum Erlass der endgültigen Entscheidung der Kommission über die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt fort und hat unmittelbare Wirkung, so dass sich betroffene Dritte darauf vor den nationalen Gerichten berufen können, u. a. um die Beitreibung der ungeachtet des Fehlens einer Zustimmung gewährten finanziellen Unterstützungen zu erwirken.

( vgl. Randnr. 12 )

2. Die Entscheidung über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens nach Artikel 6 Absatz 5 des Sechsten Stahlbeihilfenkodex hat als solche keine unumkehrbare Wirkung hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der staatlichen Maßnahme, auf die sie sich bezieht. Nur durch die das Verfahren beendende Entscheidung der Kommission, mit der die betreffende Maßnahme definitiv als Beihilfe eingestuft wird, wird die Rechtswidrigkeit der Maßnahme festgestellt.

( vgl. Randnr. 14 )

3. Der Erlass der endgültigen Entscheidung der Kommission, mit der eine staatliche Maßnahme für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt und die Rückforderung der gezahlten Beträge angeordnet wird, entzieht der Möglichkeit für die betroffenen Dritten, sich vor den nationalen Gerichten auf die Entscheidung über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens zu berufen, um die Rückforderung der in Durchführung der betreffenden Maßnahme gewährten finanziellen Unterstützungen anordnen zu lassen, jede Grundlage und führt dazu, dass die Klage des begünstigten Unternehmens gegen die Entscheidung über die Einleitung gegenstandslos wird und die Hauptsache erledigt ist.

( vgl. Randnrn. 13,16-18 )


Beschluss des Gerichts Erster Instanz (Vierte erweiterte Kammer) vom 4. November 2002. - Salzgitter AG gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - EGKS - Staatliche Beihilfen - Erledigung der Hauptsache. - Rechtssache T-90/99.

Parteien:

In der Rechtssache T-90/99

Salzgitter AG mit Sitz in Salzgitter (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt J. Sedemund, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Triantafyllou und P. Nemitz als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung SG (99) D/1542 der Kommission vom 3. März 1999 über die Eröffnung des Verfahrens nach Artikel 6 Absatz 5 der Entscheidung Nr. 2496/96/EGKS der Kommission vom 18. Dezember 1996 zur Einführung gemeinschaftlicher Vorschriften über Beihilfen an die Eisen- und Stahlindustrie (ABl. L 338, S. 42) wegen der Beihilfen, die nach dem deutschen Zonenrandförderungsgesetz der Salzgitter AG, der Preussag Stahl AG und den Tochtergesellschaften der Eisen- und Stahlindustrie des Konzerns, mehreren heute unter der Bezeichnung SAG - Stahl und Technologie" zusammengefassten Unternehmen, gewährt wurden (ABl. C 113, S. 9),

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Vierte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin V. Tiili sowie der Richter J. Pirrung, P. Mengozzi, A. W. H. Meij und M. Vilaras

Kanzler: H. Jung

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

1 Am 18. Dezember 1996 erließ die Kommission die Entscheidung Nr. 2496/96/EGKS zur Einführung gemeinschaftlicher Vorschriften über Beihilfen an die Eisen- und Stahlindustrie (ABl. L 338, S. 42, im Folgenden: Sechster Stahlbeihilfenkodex).

2 Nach Artikel 6 Absatz 5 des Sechsten Stahlbeihilfenkodex unterrichtet die Kommission, wenn sie nach einer Vorprüfung der Auffassung ist, dass eine bestimmte Finanzmaßnahme eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 1 sein könnte, oder wenn sie bezweifelt, dass eine bestimmte Beihilfe mit dem Kodex vereinbar ist, den betreffenden Mitgliedstaat und gibt den betroffenen Dritten sowie den übrigen Mitgliedstaaten Gelegenheit, sich zu äußern. Stellt die Kommission nach Eingang der Stellungnahmen und nachdem sie dem betreffenden Mitgliedstaat Gelegenheit zur Äußerung hierzu gegeben hat, fest, dass es sich im gegebenen Fall um eine Beihilfe handelt, die mit den Bestimmungen des Kodex nicht vereinbar ist, so erlässt sie spätestens drei Monate nach Eingang der zur Beurteilung der betreffenden Beihilfe erforderlichen Auskünfte eine Entscheidung.

Sachverhalt

3 Im Jahr 1989 übernahm die Preussag Stahl AG (PSAG), ein Unternehmen der Eisen- und Stahlindustrie und frühere Tochtergesellschaft des Konzerns Preussag AG, die Salzgitter AG, als diese von den deutschen Behörden privatisiert wurde. Die PSAG wurde später vom Preussag-Konzern an das Land Niedersachsen und die Norddeutsche Landesbank (Nord/LB) verkauft und in Salzgitter AG - Stahl und Technologie" umbenannt (SAG) (im Folgenden auch: Klägerin).

4 Am 3. März 1999 beschloss die Kommission, wegen der Subventionen, die die Bundesrepublik Deutschland im Zeitraum von 1986 bis 1994/95 nach dem Zonenrandförderungsgesetz der Salzgitter AG, der PSAG und den Tochtergesellschaften der Eisen- und Stahlindustrie des Konzerns bewilligt und gezahlt hatte, das Verfahren nach Artikel 6 Absatz 5 des Sechsten Stahlbeihilfenkodex zu eröffnen (ABl. C 113, S. 9, im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

5 Am 28. Juni 2000 erließ die Kommission eine Entscheidung, mit der die der Klägerin gewährten Beihilfen für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt wurden und der Bundesrepublik Deutschland ihre Rückforderung aufgegeben wurde (Entscheidung 2000/797/EGKS der Kommission vom 28. Juni 2000 über die staatliche Beihilfe, die Deutschland zugunsten von Salzgitter AG, Preussag Stahl AG und den Tochtergesellschaften der Eisen- und Stahlindustrie des Konzerns, nunmehr Salzgitter AG - Stahl und Technologie [SAG], gewährt hat, ABl. L 323, S. 5, im Folgenden: endgültige Entscheidung).

6 Die Klägerin hat mit am 21. September 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift Klage auf Nichtigerklärung dieser Entscheidung erhoben. Diese Klage ist Gegenstand der anhängigen Rechtssache T-308/00.

Verfahren und Anträge der Parteien

7 Mit am 15. April 1999 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

8 Die Klägerin beantragt,

- die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

- der Kommission die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

9 Die Kommission beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Entscheidungsgründe

10 Das Gericht kann nach Artikel 113 seiner Verfahrensordnung im Rahmen einer Entscheidung gemäß Artikel 114 §§ 3 und 4 der Verfahrensordnung jederzeit von Amts wegen nach Anhörung der Parteien feststellen, dass die Klage gegenstandslos geworden und die Hauptsache erledigt ist. Im vorliegenden Fall hält das Gericht die sich aus den Akten ergebenden Angaben für ausreichend und entscheidet gemäß Artikel 114 § 3 der Verfahrensordnung ohne Fortsetzung des Verfahrens.

11 Zu prüfen ist, ob im vorliegenden Fall die angefochtene Entscheidung nach dem Erlass der endgültigen Entscheidung der Kommission, mit der das förmliche Prüfverfahren abgeschlossen wurde und gegen die die Klägerin Klage erhoben hat (anhängige Rechtssache T-308/00), weiterhin Rechtswirkungen gegenüber der Klägerin entfaltet.

12 Dazu ist einleitend festzustellen, dass nach Artikel 6 Absatz 4 Unterabsatz 1 des Sechsten Stahlbeihilfenkodex die von den Mitgliedstaaten geplanten Beihilfemaßnahmen nur mit Zustimmung der Kommission durchgeführt werden dürfen, wobei die von der Kommission festgelegten Bedingungen einzuhalten sind. Bei Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens nach Artikel 6 Absatz 5 des Stahlbeihilfenkodex besteht dieses Verbot ebenso wie das des Artikels 88 Absatz 3 Satz 3 EG bis zum Erlass der endgültigen Entscheidung der Kommission über die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt fort (vgl. analog Urteile des Gerichtshofes vom 30. Juni 1992 in der Rechtssache C-47/91, Italien/Kommission, Slg. 1992, I-4145, Randnr. 24, und vom 11. Juli 1996 in der Rechtssache C-39/94, SFEI u. a., Slg. 1996, I-3547, Randnr. 38). Zudem hat das Verbot des Artikels 6 Absatz 4 des Sechsten Stahlbeihilfenkodex gemäß Artikel 9 des Kodex unmittelbare Wirkung, so dass sich betroffene Dritte darauf vor den nationalen Gerichten berufen können, u. a. um die Beitreibung der unter Verletzung dieses Verbotes gewährten finanziellen Unterstützungen zu erwirken (vgl. analog Urteil SFEI u. a., Randnrn. 39 und 40, sowie Urteil des Gerichts vom 30. April 2002 in den Rechtssachen T-195/01 und T-207/01, Regierung von Gibraltar/Kommission, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 85).

13 Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die Tatsache, dass die Kommission die endgültige Entscheidung erlassen hat, mit der die betreffenden Maßnahmen als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfen eingestuft wurden und den deutschen Behörden die Rückforderung der Beihilfen aufgegeben wurde, der Möglichkeit für die betroffenen Dritten, sich vor den nationalen Gerichten auf die Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens zu berufen, um die Rückforderung der der Klägerin bereits gezahlten Beihilfen anordnen zu lassen, jede Grundlage entzogen hat.

14 Im Übrigen hat die angefochtene Entscheidung als solche keine unumkehrbare Wirkung hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Maßnahmen, auf die sie sich bezieht. Nur durch die endgültige Entscheidung, mit der diese Maßnahmen definitiv als Beihilfen eingestuft werden, wird die Rechtswidrigkeit der Maßnahmen festgestellt.

15 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin mit ihrer Klage in der Rechtssache T-308/00 auf der Grundlage der gleichen Argumentation, wie sie sie in der vorliegenden Rechtssache vorträgt, die endgültige Entscheidung der Kommission angefochten hat, mit der die nach dem Zonenrandförderungsgesetz getroffenen Maßnahmen als staatliche Beihilfen eingestuft werden.

16 Folglich ist davon auszugehen, dass die angefochtene Entscheidung keine eigenständigen Rechtswirkungen mehr gegenüber der Klägerin entfaltet, nachdem die Kommission die endgültige Entscheidung erlassen hat, mit der das durch die angefochtene Entscheidung eingeleitete förmliche Prüfverfahren abgeschlossen wurde.

17 Auf die Aufforderung, sich zum möglichen Erlass eines Erledigungsbeschlusses in der vorliegenden Rechtssache durch das Gericht zu äußern, haben die Klägerin mit Telefax vom 8. Juli 2002 und die Kommission mit Schreiben vom 2. Juli 2002 dem Gericht mitgeteilt, dass sie dagegen keine Einwände hätten.

18 Demnach ist die Klage gegenstandslos geworden und die Hauptsache erledigt.

Kostenentscheidung:

Kosten

19 Nach Artikel 87 § 6 der Verfahrensordnung entscheidet das Gericht, wenn es die Hauptsache für erledigt erklärt, über die Kosten nach freiem Ermessen. Im vorliegenden Fall hält es das Gericht bei angemessener Berücksichtigung der Umstände des Falles für geboten, jeder Partei ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Vierte erweiterte Kammer)

beschlossen:

1. Der Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt.

2. Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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