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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 06.03.2002
Aktenzeichen: T-92/00
Rechtsgebiete: Entscheidung Nr. 2000/795/EWG


Vorschriften:

Entscheidung Nr. 2000/795/EWG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Gemäß Artikel 87 Absatz 1 EG gilt eine Maßnahme nur dann als staatliche Beihilfe, wenn sie bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige" begünstigt. Die Spezifität oder die Selektivität einer Maßnahme ist damit eines der Merkmale des Begriffs der staatlichen Beihilfe.

Maßnahmen mit nur allgemeinem Charakter fallen nicht unter Artikel 87 Absatz 1 EG. Allerdings können auch Maßnahmen, die auf den ersten Blick für alle Unternehmen gelten, eine bestimmte Selektivität aufweisen und deshalb als Maßnahmen zur Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige angesehen werden. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Behörden, die eine allgemeine Regelung anzuwenden haben, hinsichtlich dieser Anwendung über ein Ermessen verfügen.

In solchen Fällen braucht aber, um die Einstufung einer Maßnahme als eine Maßnahme allgemeiner Art auszuschließen, nicht geprüft zu werden, ob die Handlungsweise der Steuerbehörden willkürlich war. Es genügt der Nachweis, dass die zuständigen Behörden über ein Ermessen verfügten, das es ihnen ermöglichte, u. a. den Betrag oder die Anwendungsvoraussetzungen der fraglichen Steuervergünstigung entsprechend den Merkmalen des von ihnen zu beurteilenden Investitionsvorhabens zu ändern.

( vgl. Randnrn. 23, 31, 35 )

2. Könnten staatliche Maßnahmen mit selektivem Charakter aus Gründen, die mit der Verfolgung wirtschafts- oder industriepolitischer Ziele wie der Investitionsförderung zusammenhängen, der Anwendung von Artikel 87 Absatz 1 EG entzogen werden, so verlöre diese Bestimmung jede praktische Wirksamkeit. Eine Maßnahme kann deshalb der Einstufung als staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG nicht wegen des mit ihr verfolgten Zweckes entgehen.

( vgl. Randnr. 51 )

3. Eine angebliche Untätigkeit der Kommission kann bei Unternehmen, die eine staatliche Beihilfe erhalten, kein berechtigtes Vertrauen hervorrufen, wenn eine nationale Maßnahme wie die Ermäßigung der steuerlichen Bemessungsgrundlage ohne vorherige Anmeldung und damit unter Verstoß gegen Artikel 88 Absatz 3 EG eingeführt wurde. Die Annahme eines berechtigten Vertrauens setzt nämlich voraus, dass die Beihilfe unter Einhaltung des Verfahrens gemäß Artikel 88 EG gewährt wurde.

( vgl. Randnr. 54 )

4. Dass eine innerstaatliche Einrichtung über eine steuerliche Unabhängigkeit verfügt, die durch die Verfassung eines Mitgliedstaats anerkannt und geschützt wird, entbindet diese Einrichtung nicht von der Pflicht, die Vertragsbestimmungen über staatliche Beihilfen einzuhalten. Artikel 87 Absatz 1 EG bezieht sich nämlich auf staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art" und damit auf alle Beihilfen, die aus öffentlichen Mitteln finanziert werden. Folglich fallen Maßnahmen, die von innerstaatlichen (dezentralisierten, föderalen, regionalen oder sonstigen) Einrichtungen der Mitgliedstaaten erlassen werden, unabhängig vom Status und der Bezeichnung dieser Einrichtungen ebenso wie Maßnahmen des Bundes- oder Zentralstaates in den Geltungsbereich von Artikel 87 Absatz 1 EG, wenn dessen Voraussetzungen erfuellt sind.

( vgl. Randnr. 57 )

5. Auch wenn der Geltungsbereich einer staatlichen Maßnahme mit selektivem Charakter nach Maßgabe objektiver Kriterien abgegrenzt ist, ändert das nichts an ihrem selektiven Charakter, und sie kann daher als staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG eingestuft werden.

( vgl. Randnr. 58 )

6. Im Rahmen der Beurteilung, ob eine staatliche Maßnahme eine staatliche Beihilfe ist, kann ihr selektiver Charakter unter bestimmten Voraussetzungen durch das Wesen oder den Aufbau der Regelung" gerechtfertigt sein. Wenn dies der Fall ist, entgeht die Maßnahme der Anwendung des Artikels 87 Absatz 1 EG. So bleibt etwa eine spezifische steuerliche Maßnahme, die durch die innere Logik des Steuersystems gerechtfertigt wird - wie die Steuerprogression, die durch die Logik der steuerlichen Umverteilung gerechtfertigt wird -, der Anwendung von Artikel 87 Absatz 1 EG entzogen.

( vgl. Randnrn. 59-60 )

7. In den Geltungsbereich von Artikel 87 Absatz 1 EG fallen nur Beihilfen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen" und den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen". Zwar kann sich in bestimmten Fällen bereits aus den Umständen, unter denen die Beihilfe gewährt worden ist, ergeben, dass sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt und den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht, jedoch hat die Kommission diese Umstände in der Begründung ihrer Entscheidung zumindest anzugeben.

In einer Entscheidung über nicht angemeldete Beihilfen braucht die Kommission jedoch nicht nachzuweisen, dass sich die Beihilfen auf den Wettbewerb und den Handel zwischen Mitgliedstaaten tatsächlich ausgewirkt haben. Müsste nämlich die Kommission die tatsächlichen Auswirkungen bereits gewährter Beihilfen darlegen, so würden dadurch diejenigen Mitgliedstaaten, die Beihilfen unter Verstoß gegen die Meldepflicht gemäß Artikel 88 Absatz 3 EG zahlen, zu Lasten derjenigen begünstigt, die die Beihilfen in der Planungsphase anmelden.

( vgl. Randnrn. 69, 77 )

8. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liegt auch dann nicht vor, wenn nachgewiesen ist, dass der Kommission im Zeitpunkt des Erlasses einer Entscheidung, mit der die Unvereinbarkeit einer einem Unternehmen gewährten staatlichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt wird, andere Unternehmen, denen die gleichen Beihilfen zugute kamen, namentlich bekannt waren. Dies ändert nämlich nichts daran, dass die dem erstgenannten Unternehmen gewährten Beihilfen rechtswidrig und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar waren.

( vgl. Randnr. 95 )


Urteil des Gerichts erster Instanz (Dritte erweiterte Kammer) vom 6. März 2002. - Territorio Histórico de Álava - Diputación Foral de Álava (T-92/00), Ramondín, SA und Ramondín Cápsulas, SA (T-103/00) gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Staatliche Beihilfen - Begriff der staatlichen Beihilfe - Steuerliche Maßnahmen - Selektiver Charakter - Rechtfertigung durch das Wesen oder den Aufbau des Steuersystems - Ermessensmissbrauch. - Verbundene Rechtssachen T-92/00 und T-103/00.

Parteien:

In den verbundenen Rechtssachen T-92/00 und T-103/00

Territorio Histórico de Álava - Diputación Foral de Álava, Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. Creus Carreras und B. Uriarte Valiente,

Klägerin in der Rechtssache T-92/00,

Ramondín SA mit Sitz in Logroño (Spanien), Ramondín Cápsulas SA mit Sitz in Laguardia (Spanien), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt J. Lazcano-Iturburu,

Klägerinnen in der Rechtssache T-103/00,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch F. Santaolalla, G. Rozet und G. Valero Jordana als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2000/795/EG der Kommission vom 22. Dezember 1999 über die staatliche Beihilfe Spaniens zugunsten von Ramondín SA und Ramondín Cápsulas SA (ABl. 2000, L 318, S. 36)

erlässt DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER

EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

(Dritte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Azizi, des Richters K. Lenaerts, der Richterin V. Tiili und der Richter R. M. Moura Ramos und M. Jaeger,

Kanzler: J. Plingers, Verwaltungsrat

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. Juni 2001,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

Zulässige maximale Beihilfeintensität im Baskenland

1 Nach der von der Kommission vorgeschlagenen Karte Spaniens für Beihilfen mit regionaler Zweckbestimmung (ABl. 1996, C 25, S. 3) gilt für derartige Beihilfen im Baskenland eine Hoechstgrenze von 25 % des Nettosubventionsäquivalents (im Folgenden: NSÄ).

Geltende Steuervergünstigungen in der Provinz Álava

2 Der geltende steuerliche Rahmen im Baskenland beruht auf einem Finanzabkommen mit der Zentralregierung, das in dem spanischen Gesetz Nr. 12/1981 vom 13. Mai 1981 niedergelegt ist und zuletzt durch das Gesetz Nr. 38/1997 vom 4. August 1997 geändert wurde. Nach diesen Rechtsvorschriften kann die Diputación Foral de Álava, eine Selbstverwaltungskörperschaft, das Steuersystem in ihrem Gebiet unter bestimmten Voraussetzungen selbst regeln.

3 Die Diputación Foral de Álava hat auf dieser Grundlage verschiedene steuerliche Vergünstigungen eingeführt, darunter eine Steuergutschrift von 45 % und eine Ermäßigung der Bemessungsgrundlage der Körperschaftssteuer.

Steuergutschrift von 45 %

4 Die Sechste Zusatzbestimmung zur Norma Foral Nr. 22/1994 (Regionalgesetz) vom 20. Dezember 1994 über den Vollzug des Haushalts 1995 der Provinz Álava (Boletín Oficial del Territorio Histórico de Álava [im Folgenden: BOTHA] Nr. 5 vom 13. Januar 1995) bestimmt:

"Für die über 2,5 Mrd. ESP hinausgehenden Kosten für Investitionen in neue Sachanlagen, die zwischen dem 1. Januar und 31. Dezember 1995 angefallen sind, wird gemäß der Entscheidung der Diputación Foral de Álava eine Steuergutschrift in Höhe von 45 % des von der Diputación Foral de Álava bestätigten Investitionsbetrags gewährt, um die sich die geschuldete Körperschaftssteuer ermäßigt.

Die wegen unzureichender Investitionen nicht angewandten Abzüge von der Steuer können innerhalb von neun Jahren nach dem Jahr der Entscheidung der Diputación Foral de Álava vorgenommen werden.

In dieser Entscheidung werden auch die Fristen und Hoechstgrenzen für den jeweiligen Fall festgelegt.

Die im Rahmen der vorliegenden Bestimmungen gewährten Vorteile schließen weitere Steuervergünstigungen für dieselben Investitionen aus.

Die Diputación Foral de Álava kann ferner die Dauer des Investitionsprozesses bestimmen und in der Vorbereitungsphase getätigte Investitionen in die Beihilfe für das Investitionsvorhaben einbeziehen."

5 Diese Regelung blieb aufgrund der Fünften Zusatzbestimmung zur Norma Foral Nr. 33/1995 vom 20. Dezember 1995 (BOTHA Nr. 4 vom 10. Januar 1996), geändert durch Nummer 2.11 der Ausnahmebestimmung zur Norma Foral Nr. 24/1996 vom 5. Juli 1996 (BOTHA Nr. 90 vom 9. August 1996), zunächst bis zum 31. Dezember 1996 und aufgrund der Siebten Zusatzbestimmung zur Norma Foral Nr. 31/1996 vom 18. Dezember 1996 (BOTHA Nr. 148 vom 30. Dezember 1996) weiter bis zum 31. Dezember 1997 in Kraft. Die Steuergutschrift in Höhe von 45 % des Investitionsbetrags wurde aufgrund der Elften Zusatzbestimmung zur Norma Foral Nr. 33/1997 vom 19. Dezember 1997 (BOTHA Nr. 150 vom 31. Dezember 1997) und aufgrund der Siebten Zusatzbestimmung zur Norma Foral Nr. 36/1998 vom 17. Dezember 1998 (BOTHA Nr. 149 vom 30. Dezember 1998) für die Jahre 1998 und 1999 beibehalten, wenn auch in veränderter Form.

Ermäßigung der Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer

6 Artikel 26 der in der vorstehenden Randnummer genannten Norma Foral Nr. 24/1996 vom 5. Juli 1996 bestimmt:

"(1) Unternehmen, die ihre Geschäftstätigkeit aufnehmen, erhalten vor dem Ausgleich negativer Steuerbemessungsgrundlagen aus Vorperioden in vier aufeinander folgenden Steuerbemessungszeiträumen eine Ermäßigung von 99 %, 75 %, 50 % bzw. 25 % der positiven Bemessungsgrundlage ab dem ersten Geschäftsjahr, in dem innerhalb von vier Jahren nach Aufnahme der Geschäftstätigkeit positive Bemessungsgrundlagen erzielt werden.

...

(2) Um in den Genuss dieser Ermäßigung zu kommen, müssen die Steuerschuldner folgende Voraussetzungen erfuellen:

a) Sie müssen ihre Geschäftstätigkeit mit einem voll einbezahlten Kapital von mindestens 20 Mio. ESP aufnehmen.

b)...

c)....

d) Die neue Tätigkeit darf nicht zuvor schon einmal direkt oder indirekt unter einer anderen Rechtsträgerschaft ausgeführt worden sein.

e) Die neue Geschäftstätigkeit muss in einer Räumlichkeit oder Einrichtung ausgeübt werden, in der keine andere natürliche oder juristische Person eine andere Tätigkeit ausübt.

f) In den ersten zwei Jahren müssen Sachanlageinvestitionen in Höhe von mindestens 80 Mio. ESP durchgeführt werden, wobei alle Investitionen in für die Geschäftstätigkeit benötigte Anlagen erfolgen müssen. Diese dürfen jedoch nicht zur Nutzung an Dritte verpachtet oder abgetreten werden. Zu diesem Zweck gelten auch durch Finanzleasing erworbene Ausrüstungen als Sachanlageinvestitionen, sofern eine Verpflichtung zur Ausübung der Kaufoption eingegangen wird.

g) In den ersten sechs Monaten nach Aufnahme der Geschäftstätigkeit müssen mindestens zehn Arbeitsplätze geschaffen werden, und bis zu dem Geschäftsjahr, in dem der Anspruch auf Ermäßigung der Bemessungsgrundlage ausläuft, muss die durchschnittliche jährliche Beschäftigtenzahl auf diesem Stand bleiben.

h)...

i) Es muss ein Geschäftsplan für einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren vorliegen.

(3)...

(4) Der in Absatz 2 Buchstabe f genannte Mindestbetrag und die unter Buchstabe g festgelegte Mindestanzahl neu geschaffener Arbeitsplätze schließen jegliche andere Steuervergünstigung für solche Investitionen oder für die Schaffung von Arbeitsplätzen aus.

(5) Die in diesem Artikel geregelte Ermäßigung muss bei der Steuerverwaltung beantragt werden, die dem Antragsteller nach Prüfung der Einhaltung der eingangs genannten Bedingungen eine provisorische Genehmigung erteilt, die dann durch Beschluss der Diputación Foral de Álava bestätigt werden muss."

Sachverhalt

7 Die Ramondín SA ist eine Gesellschaft spanischen Rechts, die sich auf die Herstellung von Verschlusskapseln für Wein- und Schaumweinflaschen und andere hochwertige Getränke spezialisiert hat. Seit 1971 ist das Unternehmen in Logroño in der Autonomen Gemeinschaft La Rioja ansässig.

8 Im Jahr 1997 beschloss Ramondín, ihre Industrieanlagen von Logroño nach Laguardia in der Provinz Álava (Territorio Histórico de Álava) im Baskenland umzusiedeln. Hierfür gründete Ramondín am 15. Dezember 1997 die neue Gesellschaft Ramondín Cápsulas SA (im Folgenden: Ramondín Cápsulas), deren Kapital sie zu 99,8 % hält. Die Ramondín Capsulas soll sämtliche Tätigkeiten von Ramondín übernehmen.

9 Mit dem Beschluss Nr. 738/1997 der Diputación Foral de Álava wurde Ramondín die oben in den Randnummern 4 und 5 genannte Steuergutschrift von 45 % gewährt. Der Ramondín Capsulas kam als neu gegründetes Unternehmen zudem die oben in Randnummer 6 erwähnte Ermäßigung der steuerlichen Bemessungsgrundlage zugute.

Verwaltungsverfahren

10 Mit Schreiben vom 2. Oktober 1997 erhielt die Kommission eine Beschwerde des Präsidenten der Autonomen Gemeinschaft La Rioja wegen staatlicher Beihilfen, die Ramondín bei ihrer Umsiedlung in das Baskenland gewährt worden seien.

11 Mit Schreiben vom 30. April 1999 teilte die Kommission den spanischen Behörden ihre Entscheidung mit, das Verfahren gemäß Artikel 88 Absatz 2 EG wegen steuerlicher Beihilfen der baskischen Behörden zugunsten von Ramondín zu eröffnen (ABl. C 194, S. 18). Im selben Schreiben gab die Kommission Spanien auf, ihr bestimmte Informationen zu übermitteln und die weitere Durchführung der Ramondín bereits gewährten steuerlichen Beihilfen auszusetzen.

12 Am 22. Dezember 1999 erließ die Kommission die Entscheidung 2000/795/EG über die staatliche Beihilfe Spaniens zugunsten von Ramondín und Ramondín Capsulas (ABl. 2000, L 318, S. 36, im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

13 Der Tenor der angefochtenen Entscheidung lautet:

"Artikel 1

(1) Die staatliche Beihilfe, die Spanien in Form einer Steuergutschrift in Höhe von 45 % des von der Diputación Foral von Álava durch Beschluss Nr. 73/1997 vom 21. Oktober 1997 festgestellten Investitionsaufwands zugunsten von Ramondín SA gewährt hat, ist in Bezug auf den Teil der Beihilfe, der nach den Vorschriften über die Kumulierung von Beihilfen die für Regionalbeihilfen im Baskenland geltende Hoechstintensität von 25 % NSÄ nicht überschreitet, mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar.

(2) Spanien legt jedes Jahr, solange die Steuergutschrift angewandt wird, einen Bericht vor, damit die Kommission feststellen kann, ob die Beihilfe an Ramondín SA im Einklang mit den Kumulierungsvorschriften vergeben und die für Regionalbeihilfen im Baskenland geltende Hoechstintensität von 25 % NSÄ eingehalten wird.

Artikel 2

Folgende von Spanien gewährte staatliche Beihilfen sind mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar:

a) Beihilfe zugunsten von Ramondín Cápsulas S.A. in Form einer Reduzierung der Bemessungsgrundlage für neu gegründete Unternehmen gemäß Artikel 26 der Norma Foral Nr. 24/1996 vom 5. Juli 1996;

b) Beihilfe zugunsten von Ramondín SA in Form einer Steuergutschrift zugunsten von Ramondín SA in Höhe von 45 % des von der Diputación Foral von Álava mit Beschluss Nr. 738/1997 vom 21. Oktober 1997 festgestellten Investitionsaufwands, soweit sie nach Maßgabe der Vorschriften über die Kumulierung von Beihilfen die für Regionalbeihilfen im Baskenland geltende Hoechstintensität von 25 % NSÄ überschreitet.

Artikel 3

(1) Spanien ergreift alle notwendigen Maßnahmen, um die in Artikel 2 genannten, rechtswidrig zur Verfügung gestellten Beihilfen von dem Empfänger zurückzufordern.

(2) Die Rückforderung erfolgt unverzüglich nach den nationalen Verfahren, sofern diese die sofortige, tatsächliche Vollstreckung der Entscheidung ermöglichen. Die zurückzufordernde Beihilfe umfasst Zinsen von dem Zeitpunkt an, ab dem die rechtswidrige Beihilfe dem Empfänger zur Verfügung stand, bis zu ihrer tatsächlichen Rückzahlung. Die Zinsen werden auf der Grundlage des für die Berechnung des Subventionsäquivalents der Regionalbeihilfen verwendeten Bezugssatzes berechnet.

Artikel 4

Spanien teilt der Kommission innerhalb von zwei Monaten nach der Bekanntgabe dieser Entscheidung die Maßnahmen mit, die ergriffen wurden, um der Entscheidung nachzukommen.

Artikel 5

Diese Entscheidung ist an das Königreich Spanien gerichtet."

Verfahren und Anträge der Parteien

14 Mit Klageschriften, die am 19. und 26. April 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben die Klägerinnen in den Rechtssachen T-92/00 und T-103/00 die vorliegenden Klagen auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung erhoben.

15 Mit Beschluss vom 5. Juni 2001 sind diese beiden Rechtssachen zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

16 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

17 Die Parteien haben in der Sitzung vom 26. Juni 2001 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

18 Die Klägerin in der Rechtssache T-92/00 beantragt,

- die Klage für zulässig und begründet zu erklären;

- die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit darin die in den Normas Forales de Álava Nrn. 22/1994 und 24/1996 vorgesehenen steuerlichen Maßnahmen für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt werden und dem spanischen Staat die Rückforderung der in Frage stehenden Beträge aufgegeben wird;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

19 Die Klägerinnen in den Rechtssachen T-103/00 beantragen,

- die Klage für zulässig und begründet zu erklären;

- die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit darin die in den Normas Forales de Álava Nrn. 22/1994 und 24/1996 vorgesehenen steuerlichen Maßnahmen für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt werden und dem spanischen Staat die Rückforderung der in Frage stehenden Beträge aufgegeben wird;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

20 In den Rechtssachen T-92/00 und T-103/00 beantragt die Kommission,

- die Klagen abzuweisen;

- den Klägerinnen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Entscheidungsgründe

21 Die Klägerinnen stützen ihre Klage auf vier Gründe. Sie rügen erstens einen Verstoß gegen Artikel 87 Absatz 1 EG, zweitens einen Ermessensmissbrauch, drittens eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung und viertens einen Verstoß gegen Artikel 253 EG.

Erster Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 87 Absatz 1 EG

22 Dieser Klagegrund umfasst vier Teile. Die ersten beiden Teile betreffen den angeblich allgemeinen Charakter der fraglichen steuerlichen Maßnahmen, nämlich der Steuergutschrift und der Ermäßigung der Bemessungsgrundlage. Im Rahmen des dritten Teils des Klagegrundes wird gerügt, dass die Einwendung, die sich auf das Wesen und den Aufbau des Steuersystems bezogen habe, fehlerhaft gewürdigt worden sei. Mit dem vierten Teil des Klagegrundes wird geltend gemacht, dass eine Verfälschung des Wettbewerbs und eine Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels nicht vorgelegen hätten.

Zum ersten Teil des Klagegrundes, wonach die steuerliche Maßnahme, mit der die Steuergutschrift eingeführt worden sei, allgemeinen Charakter gehabt habe

23 Gemäß Artikel 87 Absatz 1 EG gilt eine Maßnahme nur als staatliche Beihilfe, wenn sie "bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige" begünstigt. Die Spezifität oder die Selektivität einer Maßnahme ist damit eines der Merkmale des Begriffs der staatlichen Beihilfe (Urteil des Gerichtshofes vom 1. Dezember 1998 in der Rechtssache C-200/97, Ecotrade, Slg. 1998, I-7907, Randnr. 40; Urteil des Gerichts vom 29. September 2000 in der Rechtssache T-55/99, CETM/Kommission, Slg. 2000, II-3207, Randnr. 39).

24 Die Kommission führt in der angefochtenen Entscheidung (Abschnitt VII.3.1) aus, dass sich der spezifische Charakter der Norma Foral Nr. 22/1994, der zufolge eine Steuergutschrift von 45 % des Investitionsbetrags gewährt wird, aus vier Gesichtspunkten ergebe, nämlich aus dem der Diputación Foral de Álava eingeräumten Ermessen, "insofern..., als sie bestimmen konnte, welche über 2,5 Mrd. ESP hinausgehenden Sachanlageinvestitionen für die Steuergutschrift in Betracht kommen, auf welchen Teil der Investitionen die 45%ige Ermäßigung angewandt wird und welche Fristen und Hoechstgrenzen für jeden Einzelfall gelten" (79. bis 87. Begründungserwägung), aus dem Mindestinvestitionsbetrag (2,5 Mrd. ESP), der die Anwendbarkeit der Steuergutschrift de facto auf die großen Investoren beschränke, ohne dass diese Beschränkung durch das Wesen oder den Aufbau des Steuersystems, von dem sie eine Ausnahme schaffe, gerechtfertigt sei (88. bis 97. Begründungserwägung), aus dem zeitlich begrenzten Charakter der Steuergutschrift, womit es "den Behörden überlassen [bleibe], die Vergünstigungen nur bestimmten Unternehmen zu gewähren" (98. bis 101. Begründungserwägung), und aus der "absolute[n] Parallelität zwischen [der steuerlichen] Maßnahme und der Ekimen-Regelung, und zwar sowohl hinsichtlich der Zweckbestimmung (Finanzierung neuer Investitionen) als auch hinsichtlich des Geltungsbereichs (Autonome Region bzw. Provinz). Die Ekimen-Regelung ist von den spanischen Behörden allerdings als Regionalbeihilfe eingestuft und als solche bei der Kommission angemeldet worden" (102. bis 104. Begründungserwägung).

25 Es ist daher im Licht der Argumente der Klägerinnen zu prüfen, ob die Gesichtspunkte, auf die sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung stützte, den Schluss rechtfertigen, dass es sich bei der Steuergutschrift gemäß der Norma Foral Nr. 22/1994 um eine spezifische Maßnahme handelt, die "bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige" im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG begünstigt.

26 Die Klägerinnen machen erstens geltend, dass die Norma Foral Nr. 22/1994 Ausdruck einer von den baskischen Behörden getroffenen steuerpolitischen Entscheidung sei. Nach der spanischen Verfassung und dem Finanzabkommen mit der Zentralregierung seien die baskischen Stellen für Steuerangelegenheiten unbeschränkt zuständig. Ihre Rechtsetzungskompetenz werde von der Kommission, die die Norma Foral Nr. 22/1994 deshalb für selektiv erachte, weil sie nur in einem Teil des spanischen Staatsgebiets, nämlich in der Provinz Álava, anwendbar sei, in Frage gestellt. Eine regionale steuerliche Maßnahme könne aber nur dann als selektiv und als staatliche Beihilfe eingestuft werden, wenn nachgewiesen werde, dass sie im betreffenden Regionalgebiet nicht allgemein gelte, klar willkürlich oder ermessensmissbräuchlich sei und zudem offenkundig den Wettbewerb unter den Steuerschuldnern im Steuergebiet beeinträchtige. Da diese Voraussetzungen hier nicht erfuellt seien, hätte die Kommission das Verfahren der steuerlichen Harmonisierung wählen müssen, wenn sie eine Änderung der in Frage stehenden steuerlichen Maßnahme habe bewirken wollen.

27 Dazu ist festzustellen, dass das Vorbringen der Klägerinnen auf einem fehlerhaften Verständnis der angefochtenen Entscheidung beruht. In dieser stützte sich die Kommission nämlich keineswegs auf einen Gesichtspunkt der regionalen Selektivität, um den Charakter der steuerlichen Maßnahme als staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG (vgl. oben, Randnr. 24) zu begründen. Die angefochtene Entscheidung berührt deshalb nicht die Rechtsetzungskompetenz des Territorio Histórico de Álava für den Erlass steuerlicher Maßnahmen allgemeiner Art für das gesamte fragliche Regionalgebiet.

28 Die erste Rüge ist deshalb zurückzuweisen.

29 Zweitens machen die Klägerinnen geltend, dass die Diputación Foral de Álava bei der Gewährung der Steuergutschrift über keinerlei Ermessen verfüge. Sie hätten nur nachzuprüfen, ob die gesetzlich vorgesehenen Voraussetzungen erfuellt seien, um betrügerisch erlangte Steuergutschriften zu vermeiden. Sie könnten aber nicht unter den begünstigten Unternehmen eine Auswahl treffen oder den Prozentsatz der Steuergutschrift modifizieren. Die in Frage stehende steuerliche Maßnahme sei deshalb zugunsten aller Unternehmen angewandt worden, die in den sachlichen Geltungsbereich der einschlägigen Rechtsvorschriften fielen.

30 Die Klägerinnen machen weiter geltend, dass es im nationalen Recht wie im Gemeinschaftsrecht zahlreiche Beispiele gebe, in denen die Anwendung einer Vorschrift eine vorherige Prüfung oder Kontrolle der Behörden erfordere, ohne dass diesen damit ein Ermessen eingeräunt würde.

31 Maßnahmen mit nur allgemeinem Charakter fallen nicht unter Artikel 87 Absatz 1 EG. Nach der Rechtsprechung können allerdings auch Maßnahmen, die auf den ersten Blick für alle Unternehmen gelten, eine bestimmte Selektivität aufweisen und deshalb als Maßnahmen zur Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige angesehen werden. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Behörden, die eine allgemeine Regelung anzuwenden haben, hinsichtlich dieser Anwendung über ein Ermessen verfügen (Urteile des Gerichtshofes vom 26. September 1996 in der Rechtssache C-241/94, Frankreich/Kommission, Slg. 1996, I-4551, Randnrn. 23 und 24, Ecotrade, zitiert oben in Randnr. 23, Randnr. 40, und vom 17. Juni 1999 in der Rechtssache C-295/97, Piaggio, Slg. 1999, I-3735, Randnr. 39; Schlussanträge von Generalanwalt La Pergola vom 9. Juli 1998 in der Rechtssache C-342/96, Spanien/Kommission, Slg. 1999, I-2459, Nr. 8). So hat der Gerichtshof in seinem Urteil Frankreich/Kommission (Randnrn. 23 und 24) entschieden, dass die Beteiligung des französischen Nationalen Beschäftigungsfonds an der Durchführung von Sozialplänen in Schwierigkeiten geratener Unternehmen "geeignet [war], bestimmte Unternehmen in eine günstigere Lage zu versetzen als andere, und so die Voraussetzungen für eine Beihilfe im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG erfuellen [konnte]", weil der Fonds nach den Rechtsvorschriften über die Beteiligung des Staates an der Durchführung von Sozialplänen "über ein Ermessen [verfügte], das es ihm ermöglicht[e], seinen finanziellen Beitrag nach Maßgabe verschiedener Kriterien, wie insbesondere der Wahl der Begünstigten, der Höhe des finanzierten Beitrags und der Bedingungen der Maßnahme, anzupassen".

32 Nach der Norma Foral Nr. 22/1994 verfügt die Diputación Foral de Álava jedoch bei der Anwendung der Steuergutschrift über ein gewisses Ermessen. So beträgt die Steuergutschrift nach der Norma Foral Nr. 22/1994 (vgl. oben, Randnr. 4) 45 % "des von der Diputación Foral de Álava bestätigten Investitionsbetrags". Mit der Festsetzung des zulässigen Investitionsbetrags ermöglicht die Norma Foral Nr. 22/1994 es der Diputación Foral de Álava jedoch gleichzeitig, den Betrag der finanziellen Maßnahme zu modifizieren. Außerdem ist die Diputación Foral de Álava nach der Norma Foral Nr. 22/1994 dazu ermächtigt, "die Fristen und Hoechstgrenzen für den jeweiligen Fall" festzusetzen.

33 Da die Vorschriften der Norma Foral Nr. 22/1994 über die Steuergutschrift der Diputación Foral de Álava ein Ermessen einräumen, sind sie geeignet, bestimmte Unternehmen in eine günstigere Lage zu versetzen als andere. Die steuerliche Maßnahme erfuellt deshalb das Kriterium der Spezifität.

34 Die Klägerinnen machen weiter geltend, dass das Ermessen der Diputación Foral de Álava jedenfalls nicht als eine Befugnis zum Erlass willkürlicher Entscheidungen angesehen werden könne. Artikel 9 der spanischen Verfassung enthalte nämlich ein Verbot staatlicher Willkür.

35 Um die Einstufung einer Maßnahme als eine Maßnahme allgemeiner Art auszuschließen, braucht aber, wie die Kommission ausführt, nicht geprüft zu werden, ob die Handlungsweise der Steuerbehörden willkürlich war. Es genügt der - im vorliegenden Fall erbrachte - Nachweis, dass die zuständigen Behörden über ein Ermessen verfügten, das es ihnen ermöglichte, u. a. den Betrag oder die Anwendungsvoraussetzungen der fraglichen Steuervergünstigung entsprechend den Merkmalen des von ihnen zu beurteilenden Investitionsvorhabens zu ändern.

36 Die zweite Rüge ist deshalb gleichfalls zurückzuweisen.

37 Die Klägerinnen machen drittens geltend, dass der Mindestinvestitionsbetrag von 2,5 Milliarden ESP, den die Gewährung der Steuergutschrift voraussetze, der steuerlichen Maßnahme keinen selektiven Charakter verleihe. Es handele sich dabei um ein objektives quantitatives Kriterium. Alle Steuersysteme enthielten Maßnahmen, deren Gewährung oder Einhaltung von quantitativen Voraussetzungen abhingen.

38 Dass die steuerliche Maßnahme nur für Großunternehmen gelte, sei lediglich die normale Folge der gewählten Abgrenzung ihres Geltungsbereichs. Andere Vorschriften gälten nur für kleine Unternehmen. Nach der Argumentation der Kommission wären alle Vorschriften, die Investitionsschwellen vorsähen, stets selektiv, und zwar auch dann, wenn es sich um eine geringe Investitionsschwelle von etwa nur 10 Millionen ESP handele, da es auch dann stets Steuerpflichtige gebe, die diese Schwelle nicht erreichten. Ohne die Festsetzung bestimmter Grenzen wäre jedoch die Wirksamkeit der Bestimmung beeinträchtigt. Solche Grenzen seien erforderlich, um wertschöpfende oder dem Allgemeinwohl dienende Investitionen zu stimulieren.

39 Dazu ist festzustellen, dass die baskischen Stellen mit der Beschränkung der Steuergutschrift auf Investitionen in neue Sachanlagen in Höhe von mindestens 2,5 Milliarden ESP die fragliche Steuervergünstigung de facto Unternehmen vorbehielten, die über erhebliche finanzielle Ressourcen verfügen. Die Kommission gelangte deshalb zu Recht zu dem Ergebnis, dass die Steuergutschrift gemäß der Norma Foral Nr. 22/1994 selektiv auf eine Anwendung zugunsten "bestimmter Unternehmen" im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG gerichtet ist.

40 Auch dass Steuerregelungen häufig Vergünstigungen für die kleinen und mittleren Unternehmen (im Folgenden: KMU) umfassen oder dass die Kommission in verschiedenen Richtlinien, Empfehlungen oder Mitteilungen quantitative Kriterien verwendete, kann nicht den Schluss rechtfertigen, dass die Norma Foral Nr. 22/1994, mit der eine steuerliche Vergünstigung eingeführt wurde, die nur Unternehmen mit bedeutenden finanziellen Ressourcen zugute kommt, der Anwendung von Artikel 87 Absatz 1 EG entzogen bliebe. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass auch selektive Maßnahmen zugunsten der KMU als staatliche Beihilfe eingestuft werden (vgl. den Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen, ABl. 1996, C 213, S. 4).

41 Demnach begründet die Norma Foral Nr. 22/1994, mit der eine Steuergutschrift eingeführt wurde, eine Begünstigung "bestimmter Unternehmen" im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG. Unter diesen Umständen braucht nicht geprüft zu werden, ob auch die zeitlich begrenzte Geltungsdauer der Norma Foral Nr. 22/1994 und die angebliche parallele Ausrichtung der Steuergutschrift und der Ekimen-Regelung der geprüften Maßnahme einen spezifischen Charakter verleihen.

42 Der erste Teil des Klagegrundes ist deshalb zurückzuweisen.

Zum zweiten Teil des Klagegrundes, wonach die steuerliche Maßnahme, mit der Ermäßigung der Bemessungsgrundlage eingeführt worden sei, allgemeinen Charakter habe

43 In der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission aus, dass die Ermäßigung der Bemessungsgrundlage gemäß Artikel 26 der Norma Foral Nr. 24/1996 eine spezifische Maßnahme im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG sei. Der spezifische oder selektive Charakter der Maßnahme ergebe sich insbesondere daraus, das nur neu gegründete Unternehmen die Steuervergünstigung in Anspruch nehmen könnten. Der spezifische Charakter werde noch durch den Umstand verstärkt, dass nur Unternehmen, die 80 Millionen ESP investierten und 10 Arbeitplätze schüfen, in den Genuss der ermäßigten Bemessungsgrundlage gelangen könnten (111. Begründungserwägung). In der angefochtenen Entscheidung heißt es dazu weiter: "Der spezifische Charakter dieser Maßnahme wird auch durch ihre Begründung in der Norma Foral... untermauert. Nach den allgemeinen Zielen des Steuersystems werden in der Begründung der Norma Foral weitere eher industriepolitische Ziele angeführt, unter denen besonders "die Förderung neuer Unternehmensinitiativen" erwähnt wird. Dieses Ziel [wird] nachfolgend unter den Maßnahmen für die spezifische Kategorie neu gegründeter Unternehmen konkretisiert" (angefochtene Entscheidung, 112. Begründungserwägung).

44 Die Klägerinnen wenden sich zunächst dagegen, dass die Kommission die steuerliche Maßnahme wegen ihrer angeblichen regionalen Selektivität als staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG eingestuft habe.

45 Der angefochtenen Entscheidung ist allerdings zu entnehmen, dass die Kommission für die Einstufung von Artikel 26 der Norma Foral Nr. 24/1996 als spezifische Maßnahme im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG ein solches Kriterium nicht heranzog. Das Vorbringen der Klägerinnen, das auf einem verfehlten Verständnis der angefochtenen Entscheidung aufbaut, ist deshalb zurückzuweisen.

46 Die Klägerinnen rügen weiter, dass die Ermäßigung der Bemessungsgrundlage gemäß Artikel 26 der Norma Foral Nr. 24/1996 nicht als steuerliche Maßnahme, die bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige begünstige, angesehen werden könne. Sie gelte nämlich für jedes Unternehmen, das mindestens 80 Millionen ESP investiere oder mindestens 10 Arbeitsplätze schaffe, unabhängig von dem Produktionszweig, dem das Unternehmen angehöre. Das Ziel der streitigen Maßnahme sei es, Investitionen im Baskenland zu fördern. Die Begrenzung des Geltungsbereichs der steuerlichen Maßnahme sei aber notwendig, um dieses verfolgte Ziel zu erreichen.

47 Unter Bezugnahme auf die Entscheidung 96/369/EG der Kommission vom 13. März 1996 über eine steuerliche Beihilfe in Form einer Abschreibungsregelung zugunsten der deutschen Luftverkehrsunternehmen (ABl. L 146, S. 42) weist die Klägerin in der Rechtssache T-92/00 ergänzend darauf hin, dass die Anwendungsvoraussetzungen von Artikel 26 der Norma Foral Nr. 24/1996 ihrer Art nach horizontal und objektiv seien.

48 Insoweit ist daran zu erinnern, dass der spezifische Charakter einer staatlichen Maßnahme, also ihre selektive Ausrichtung, eines der Merkmale des Begriffes der staatlichen Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG darstellt. Demgemäß ist zu prüfen, ob die fragliche Maßnahme Vorteile ausschließlich zugunsten bestimmter Unternehmen oder bestimmter Produktionszweige bewirkt (Urteile Frankreich/Kommission, zitiert oben in Randnr. 31, Randnr. 24, Ecotrade, zitiert oben in Randnr. 23, Randnrn. 40 und 41, und CETM/Kommission, zitiert oben in Randnr. 23, Randnr. 39).

49 Im vorliegenden Fall ergibt sich der selektive Charakter der Steuervergünstigung gemäß Artikel 26 der Norma Foral Nr. 24/1996 aus mehreren Gesichtspunkten. Erstens wird die ermäßigte Bemessungsgrundlage nur neu gegründeten Unternehmen zuerkannt, womit alle anderen Unternehmen von dieser Vergünstigung ausgeschlossen bleiben. Weiterhin müssen diese neu gegründeten Unternehmen eine gewisse Investition (von mindestens 80 Millionen ESP) leisten und die Schaffung von mindestens 10 Arbeitsplätzen gewährleisten.

50 Auch wenn der Geltungsbereich der fraglichen steuerlichen Maßnahme, wie die Klägerin in der Rechtssache T-92/00 geltend macht, nach objektiven und horizontalen Kriterien abgegrenzt ist, stellt die Ermäßigung der Bemessungsgrundlage gemäß Artikel 26 der Norma Foral Nr. 24/1996 gleichwohl eine Vergünstigung dar, die ausschließlich bestimmten Unternehmen gewährt wird. Damit handelt es sich um eine spezifische Maßnahme im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG.

51 Könnten aber spezifische Maßnahmen aus Gründen, die mit der Verfolgung wirtschafts- oder industriepolitischer Ziele wie der Investitionsförderung zusammenhängen, der Anwendung von Artikel 87 Absatz 1 EG entzogen werden, so verlöre diese Bestimmung jede praktische Wirksamkeit. Nach ständiger Rechtsprechung kann deshalb eine Maßnahme der Einstufung als staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG nicht wegen des mit ihr verfolgten Zweckes entgehen (Urteile des Gerichtshofes Frankreich/Kommission, zitiert oben in Randnr. 31, Randnrn. 20 und 21, und vom 17. Juni 1999 in der Rechtssache C-75/97, Belgien/Kommission, Slg. 1999, I-3671, Randnr. 25; Urteil CETM/Kommission, zitiert oben in Randnr. 23, Randnr. 53).

52 Die Klägerinnen weisen schließlich darauf hin, dass die Rechtsvorschriften des Baskenlands (Norma Foral Nr. 18/1993) und Spaniens (Gesetz Nr. 22/1993 vom 29. Dezember 1993 über steuerliche Maßnahmen, die Reform des öffentlichen Dienstes und den Schutz gegen Arbeitslosigkeit [BOE vom 31. Dezember 1993]) bereits vor Erlass der Norma Foral Nr. 24/1996 steuerliche Maßnahmen vorgesehen hätten, die der in der angefochtenen Entscheidung beanstandeten Ermäßigung der steuerlichen Bemessungsgrundlage ähnlich gewesen seien. Da die Kommission die spanischen Rechtsvorschriften und die Norma Foral Nr. 18/1993 niemals gerügt habe, hätten das Territorio Histórico de Álava und Ramondín Cápsulas darauf vertrauen dürfen, dass Artikel 26 der Norma Foral Nr. 24/1996 keinen selektiven Charakter aufweise, der unter Artikel 87 EG fallen könnte.

53 Dazu ist festzustellen, dass die Feststellung der Kommission, wonach die Ermäßigung der Bemessungsgrundlage gemäß Artikel 26 der Norma Foral Nr. 24/1996 eine selektive Maßnahme im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG sei, nicht dadurch berührt wird, dass sie sich zu gleichartigen steuerlichen Maßnahmen zuvor nicht geäußert hatte.

54 Die angebliche Untätigkeit der Kommission konnte auch deshalb kein berechtigtes Vertrauen der Klägerinnen hervorrufen, da die Ermäßigung der Bemessungsgrundlage gemäß der Norma Foral Nr. 24/1996 ohne vorherige Anmeldung und damit unter Verstoß gegen Artikel 88 Absatz 3 eingeführt wurde. Die Annahme eines berechtigten Vertrauens setzt nämlich voraus, dass die Beihilfe unter Einhaltung des Verfahrens gemäß Artikel 88 EG gewährt wurde (Urteile des Gerichtshofes vom 20. September 1990 in der Rechtssache C-5/89, Kommission/Deutschland, Slg. 1990, I-3437, Randnr. 17; Urteil des Gerichts vom 15. September 1998 in den verbundenen Rechtssachen T-126/96 und T-127/96, BFM und EFIM/Kommission, Slg. 1998, II-3437, Randnr. 69).

55 Auch der zweite Teil des Klagegrundes greift daher nicht durch.

Zum dritten Teil des Klagegrundes, wonach die Einwendung, die sich auf das Wesen und den Aufbau des Steuersystems bezogen habe, fehlerhaft gewürdigt worden sei

56 Die Klägerinnen tragen vor, dass die steuerlichen Maßnahmen, selbst wenn sie selektiven Charakters wären, der Anwendung von Artikel 87 Absatz 1 EG dennoch entzogen blieben, da sie durch das Wesen und den Aufbau des in Frage stehenden Steuersystems gerechtfertigt würden. Sie beziehen sich insoweit auf die Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direkten Unternehmensbesteuerung (ABl. 1998, C 384, S. 3) und auf die Entscheidung 96/369 (vgl. oben, Randnr. 47). Das baskische Steuersystem, das seine Grundlage in der spanischen Verfassung habe, werde durch das Wesen und den Aufbau des allgemeinen spanischen Steuersystems gerechtfertigt. Die streitigen steuerlichen Maßnahmen entsprächen objektiven Kriterien und Bedingungen, die in gleicher Weise für alle Wirtschaftsteilnehmer gälten, die diese Kriterien erfuellten, und zwar unabhängig von der Branche, in der sie tätig seien.

57 Dass das Territorio Histórico de Álava über eine steuerliche Unabhängigkeit verfügte, die durch die Verfassung des Königreichs Spanien anerkannt und geschützt wird, entbindet diese Provinz jedoch nicht von der Pflicht, die Vertragsbestimmungen über staatliche Beihilfen einzuhalten. Artikel 87 Absatz 1 EG bezieht sich nämlich auf "staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art" und damit auf alle Beihilfen, die aus öffentlichen Mitteln finanziert werden. Folglich fallen Maßnahmen, die von innerstaatlichen (dezentralisierten, föderalen, regionalen oder sonstigen) Einrichtungen der Mitgliedstaaten erlassen werden, unabhängig vom Status und der Bezeichnung dieser Einrichtungen ebenso wie Maßnahmen des Bundes- oder Zentralstaates in den Geltungsbereich von Artikel 87 Absatz 1 EG, wenn dessen Voraussetzungen erfuellt sind (Urteil des Gerichtshofes vom 14. Oktober 1987 in der Rechtssache 248/84, Deutschland/Kommission, Slg. 1987, 4013, Randnr. 17).

58 Auch wenn im Übrigen der Geltungsbereich der fraglichen steuerlichen Maßnahmen nach Maßgabe objektiver Kriterien abgegrenzt ist, weisen diese dennoch einen selektiven Charakter auf (vgl. oben, Randnrn. 41 und 50).

59 Zwar kann, wie auch die Kommission in ihrer Mitteilung und der Entscheidung, auf die sich die Klägerinnen berufen (vgl. oben, Randnrn. 56 und 47), anerkennt, der selektive Charakter einer Maßnahme unter bestimmten Voraussetzungen durch das Wesen oder den Aufbau des Steuersystems gerechtfertigt werden. Wenn dies der Fall ist, ist die Maßnahme dem Zugriff der Bestimmung des Artikels 87 Absatz 1 EG entzogen (Urteile des Gerichtshofes vom 2. Juli 1974 in der Rechtssache 173/73, Italien/Kommission, Slg. 1974, 709, Randnr. 27, und Belgien/Kommission, zitiert oben in Randnr. 51, Randnr. 34; Urteil BETM/Kommission, zitiert oben in Randnr. 23, Randnr. 52).

60 Jedoch setzt die Rechtfertigung einer spezifischen steuerlichen Maßnahme durch das Wesen oder den Aufbau des Steuersystems voraus, dass diese Maßnahme mit der inneren Logik des allgemeinen Steuersystems im Einklang steht (vgl. in diesem Sinne Urteil Belgien/Kommission, zitiert oben in Randnr. 51, Randnr. 39, und Schlussanträge von Generalanwalt La Pergola in dieser Rechtssache, Nr. 8; vgl. auch Schlussanträge von Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer vom 17. September 1998 in der Rechtssache C-6/97, Italien/Kommission, Slg. 1999, I-2981, Nr. 27). So bleibt etwa eine spezifische steuerliche Maßnahme, die durch die innere Logik des Steuersystems gerechtfertigt wird - wie die Steuerprogression, die durch die Logik der steuerlichen Umverteilung gerechtfertigt wird -, der Anwendung von Artikel 87 Absatz 1 EG entzogen.

61 Die Klägerinnen machen geltend, dass der mit den streitigen steuerlichen Maßnahmen verfolgte Zweck darin bestehe, Investitionen in der Provinz Álava zu fördern. Fördere aber ein Staat Investitionen und erreiche so die Ansiedlung von Unternehmen auf seinem Hoheitsgebiet, so sichere er damit die Steuereinkünfte für die Zukunft, da diese Unternehmen im fraglichen Staat steuerpflichtig seien. Der mit den fraglichen steuerlichen Maßnahmen verfolgte Zweck sei es deshalb, so hohe Steuereinnahmen wie möglich zu erzielen.

62 Die Klägerinnen haben jedoch keinerlei Nachweis beigebracht, der ihr Vorbringen, wonach die streitigen steuerlichen Maßnahmen in Wirklichkeit eine Erhöhung der Steuereinnahmen bezweckten, untermauern könnte. Dieses Vorbringen ist im Übrigen schwerlich vereinbar mit der Gewährung von Steuerabschlägen. Selbst wenn ein solcher Zweck verfolgt worden sein sollte - was nicht nachgewiesen ist -, so hätte er durch steuerliche Maßnahmen allgemeinen Charakters ebenso gut erreicht werden können. Unter diesen Umständen können die in Frage stehenden spezifischen steuerlichen Maßnahmen nicht als durch das Wesen oder den Aufbau des Steuersystems gerechtfertigt betrachtet werden.

63 Die Klägerinnen machen schließlich geltend, dass die Steuerbelastung im Baskenland insgesamt höher sei als im übrigen Spanien.

64 Mit diesem Argument lässt sich jedoch nicht belegen, dass die steuerlichen Maßnahmen, mit denen bestimmten Unternehmen spezifische Vorteile vorbehalten werden, durch die innere Logik des Steuersystems der Provinz Álava gerechtfertigt werden.

65 Der dritte Teil des Klagegrundes greift deshalb ebenfalls nicht durch.

Zum vierten Teil des Klagegrundes, wonach es an einer Verfälschung des Wettbewerbs und einer Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels fehle

66 Die Klägerinnen führen aus, dass es auf dem Markt, auf dem Ramondín und Ramondín Cápsulas (im Folgenden gemeinsam bezeichnet als: Ramondín) tätig seien, nur wenig Wettbewerb gebe. In der Branche der Herstellung von Flaschenverschlüssen aus Zinn sei Ramondín die Nummer 1 in Europa und halte einen großen Anteil am Weltmarkt. Ramondín habe keine Wettbewerber in Spanien und nur sehr wenige in Europa.

67 Die Entscheidung, die Geschäftsbereiche von Ramondín in das Baskenland zu verlegen, habe nicht auf etwaigen Steuervergünstigungen in der Provinz Álava beruht, sondern sei bedingt gewesen durch die Städtebaupolitik der Behörden von La Rioja, die jede mögliche Vergrößerung des Unternehmens verhindert habe.

68 Demnach hätten durch die Ansiedlung von Ramondín in Álava und die Gewährung von Steuervergünstigungen keine negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb oder den Handel zwischen Mitgliedstaaten herbeigeführt werden können. Da vielmehr der Marktanteil von Ramondin schon vor der Umsiedlung ihrer Geschäftsbereiche in die Provinz Álava sehr bedeutend gewesen sei, sei er nicht zum Nachteil anderer Unternehmen erhöht worden. Im vorliegenden Fall sei im Übrigen auch keine Beschwerde durch einen Wettbewerber von Ramondín eingelegt worden.

69 In den Geltungsbereich von Artikel 87 Absatz 1 EG fallen nur Beihilfen, die "den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen" und "den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen". Zwar kann sich in bestimmten Fällen bereits aus den Umständen, unter denen die Beihilfe gewährt worden ist, ergeben, dass sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt und den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht, jedoch hat die Kommission diese Umstände in der Begründung ihrer Entscheidung zumindest anzugeben (Urteil des Gerichtshofes vom 19. Oktober 2000 in den verbundenen Rechtssachen C-15/98 und C-105/99, Italien und Sardegna Lines/Kommission, Slg. 2000, I-8855, Randnr. 66, und die dort zitierte Rechtsprechung).

70 In der angefochtenen Entscheidung stellt die Kommission fest, dass sich "der Anteil von Ramondín am Weltmarkt für Zinnkapseln auf annähernd 40 %" belaufe (18. Begründungserwägung). Sie nennt weiterhin die sechs europäischen Wettbewerber von Ramondín und ihre jeweiligen Marktanteile. Sodann führt sie aus, dass Ramondín im Jahr 1997 "einen Umsatz von 24 Millionen Euro [ausgewiesen habe], von denen 70 % außerhalb Spaniens erzielt" worden seien (19. Begründungserwägung), und dass diese Angaben "im Zusammenhang mit der begrenzten Zahl von Anbietern auf dem Weltmarkt auf einen innergemeinschaftlichen Handel in diesem Bereich schließen" ließen (19. Begründungserwägung).

71 Diese kurze - und nicht bestrittene - Begründung belegt hinreichend, dass die fraglichen Beihilfen in den Geltungsbereich von Artikel 87 Absatz 1 EG fallen.

72 Es ist außerdem daran zu erinnern, dass nach der Rechtsprechung (Urteile des Gerichtshofes vom 17. September 1980 in der Rechtssache 730/79, Philip Morris/Kommission, Slg. 1980, 2671, Randnrn. 11 und 12, und Belgien/Kommission, zitiert oben in Randnr. 51, Randnrn. 47 und 48; Urteil des Gerichts vom 30. April 1998 in der Rechtssache T-214/95, Vlaams Gewest/Kommission, Slg. 1998, II-717, Randnrn. 48 bis 50) jede Gewährung von Beihilfen an ein Unternehmen, das auf dem Gemeinsamen Markt tätig ist, Verfälschungen des Wettbewerbs hervorrufen und den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen kann.

73 Im vorliegenden Fall verbesserten jedoch die Ramondín gewährten Beihilfen deren Tätigkeitspotenzial und damit die Wettbewerbsposition eines Unternehmens, das nach dem Vorbringen der Klägerinnen selbst bereits das führende europäische Unternehmen in der Branche war. Die Beihilfen drohten damit offenkundig, den Wettbewerb im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG zu verfälschen. Sie sind auch geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. So haben die Klägerinnen in der Rechtssache T-103/00 auf eine schriftliche Frage des Gerichts mitgeteilt, dass 24 % der Erzeugung von Ramondín in Staaten der Europäischen Union exportiert werde.

74 Die Klägerinnen können sich auch nicht darauf berufen, dass Ramondín ihre Marktanteile nicht erhöht habe. Hatte das Unternehmen nämlich die Kosten der Umsiedlung seiner Geschäftsbereiche in das Baskenland zu tragen, so lässt sich nicht ausschließen, dass es die Verkaufspreise für seine Erzeugnisse erhöhen musste und seine Wettbewerber dies für einen Ausbau ihrer eigenen Marktanteile nutzen konnten.

75 Dass kein Wettbewerber von Ramondín eine Beschwerde erhob, ist unbeachtlich, da nachgewiesen ist, dass die fraglichen Beihilfen im vorliegenden Fall geeignet waren, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und den Wettbewerb zu verfälschen oder eine Gefahr der Wettbewerbsverfälschung zu begründen.

76 Die Klägerinnen rügen schließlich, dass die Kommission, um die streitigen Maßnahmen als staatliche Beihilfen im Geltungsbereich von Artikel 87 Absatz 1 EG einzustufen, hätte nachweisen müssen, dass die Maßnahmen den Wettbewerb und den Handel zwischen Mitgliedstaaten tatsächlich und spürbar beeinträchtigt hätten. Die Klägerin in der Rechtssache T-92/00 bezieht sich insoweit auf die Mitteilung der Kommission über "De-minimis"-Beihilfen (ABl. 1996, C 68, S. 9) und auf die Veröffentlichung der Kommission "Erläuterungen zu den Wettbewerbsregeln für staatliche Beihilfen" (Stand: Dezember 1996), Wettbewerbsrecht in den Europäischen Gemeinschaften, Band II B.

77 Die Kommission braucht jedoch nicht nachzuweisen, dass sich die Beihilfen auf den Wettbewerb und den Handel zwischen Mitgliedstaaten tatsächlich ausgewirkt haben (Urteil CETM/Kommission, zitiert oben in Randnr. 23, Randnr. 103). Müsste nämlich die Kommission die tatsächlichen Auswirkungen bereits gewährter Beihilfen darlegen, so würden dadurch diejenigen Mitgliedstaaten, die Beihilfen unter Verstoß gegen die Meldepflicht gemäß Artikel 88 Absatz 3 EG zahlen, zu Lasten derjenigen begünstigt, die die Beihilfen in der Planungsphase anmelden (Urteil des Gerichtshofes vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache C-301/87, Frankreich/Kommission, Slg. 1990, I-307, Randnr. 33).

78 Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen ist es nach der Rechtsprechung auch nicht erforderlich, dass die Verfälschung des Wettbewerbs oder die Gefahr einer solchen Verfälschung und die Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels spürbar oder erheblich sind (Urteile des Gerichtshofes vom 21. März 1990 in der Rechtssache C-142/87, Belgien/Kommission, Slg. 1990, I-959, Randnrn. 42 und 43, Urteile des Gerichts Vlaams Gewest/Kommission, zitiert oben in Randnr. 72, Randnr. 46, und CETM/Kommission, zitiert oben in Randnr. 23, Randnr. 94).

79 Auch wenn die Kommission in ihrer Veröffentlichung "Erläuterungen zu den Wettbewerbsregeln für staatliche Beihilfen" (vgl. oben, Randnr. 76) anerkannt hat, dass eine Beihilfe nur dann unter Artikel 87 Absatz 1 EG fällt, wenn sie "spürbare Auswirkungen auf den Wettbewerb" hat, bezifferte sie doch diese Schwelle in ihrer Mitteilung über "De-minimis"-Beihilfen (vgl. oben, Randnr. 76) auf ein Beihilfevolumen von 100 000 Euro, das im vorliegenden Fall überschritten wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 19. September 2000 in der Rechtssache C-156/98, Deutschland/Kommission, Slg. 2000, I-6857, Randnrn. 39 bis 41).

80 Der dritte Teil des Klagegrundes ist deshalb gleichfalls zurückzuweisen.

81 Demgemäß ist der Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

Zum zweiten Klagegrund: Ermessensmissbrauch

82 Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe einen Ermessensmissbrauch begangen, da sie ihre Befugnisse aus den Artikeln 87 EG und 88 EG benutzt habe, um in Wahrheit Ziele der steuerrechtlichen Harmonisierung zu verfolgen.

83 Die angefochtene Entscheidung sei im Gesamtzusammenhang eines Vorgehens der Kommission zu sehen, mit dem sie das baskische Steuersystem insgesamt in Frage zu stellen beabsichtige. So seien verschiedene Verfahren gemäß Artikel 88 Absatz 2 EG wegen baskischer steuerlicher Maßnahmen eröffnet worden. Anstatt sich des Verfahrens gemäß den Artikeln 96 EG und 97 EG zu bedienen, versuche die Kommission auf diese Weise, eine bestimmte steuerliche Harmonisierung mittels ihrer Politik zu staatlichen Beihilfen durchzusetzen.

84 Eine Entscheidung ist nur dann ermessensmissbräuchlich, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, dass sie zu anderen als den angegebenen Zwecken getroffen wurde (Urteile des Gerichts vom 23. Oktober 1990 in der Rechtssache T-46/89, Pitrone/Kommission, Slg. 1990, II-577, Randnr. 71, und vom 15. März 2000 in den verbundenen Rechtssachen T-25/95, T-26/95, T-30/95 bis T-32/95, T-34/95 bis T-39/95, T-42/95 bis T-46/95, T-48/95, T-50/95 bis T-65/95, T-68/95 bis T-71/95, T-87/95, T-88/95, T-103/95 und T-104/95, Slg. 2000, II-491, Randnr. 779).

85 Die Klägerinnen haben jedoch keinen schlüssigen Anhaltspunkt dafür dargelegt, dass die Kommission mit dem Erlass der angefochtenen Entscheidung in Wirklichkeit bezweckt habe, eine steuerliche Harmonisierung herbeizuführen. Vielmehr beruht ihr Vorbringen auf Spekulationen über etwaige, unausgesprochene Motive für die angefochtene Entscheidung. Die Klägerinnen haben nicht einmal dargelegt, dass tatsächlich eine steuerliche Harmonisierung existiert, die durch die angefochtene Entscheidung auf Gemeinschaftsebene herbeigeführt worden wäre.

86 Die Klägerin in der Rechtssache T-92/00 bezieht sich weiterhin auf die Ausführungen der Kommission in den Verfahren, in denen der Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 16. Februar 2000 in den verbundenen Rechtssachen C-400/97, C-401/97 und C-402/97 (Juntas Generales de Guipúzcoa u. a., Slg. 2000, I-1073) ergangen ist, wonach die Normas Forales staatliche Beihilfen seien, weil sie nur in einem bestimmten Gebiet eines Mitgliedstaats anwendbar seien. Diese Auffassung laufe darauf hinaus, die Rechtsetzungsbefugnis der baskischen Stellen in Steuerangelegenheiten, die die spanische Verfassung verbürge, in Frage zu stellen.

87 Dieses Argument ist zurückzuweisen. Die Kommission stützte sich in der angefochtenen Entscheidung nämlich zur Begründung dafür, dass es sich bei den Ramondín gewährten Steuervergünstigungen um staatliche Beihilfen im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG handele, nicht auf ein Kriterium der regionalen Selektivität (vgl. oben, Randnrn. 27 und 45).

88 Auch der zweite Klagegrund ist deshalb zurückzuweisen.

Dritter Klagegrund: Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung

89 Die Klägerinnen tragen vor, dass Ramondín und die Daewoo Electronis Manufacturing España SA (im Folgenden: Demesa), die ebenfalls von einem Verfahren wegen staatlicher Beihilfen in der Provinz Álava betroffen sei, nicht die einzigen Unternehmen seien, denen die Steuergutschrift und die Ermäßigung der Bemessungsgrundlage gemäß den Normas Forales des Territorio Histórico de Álava zugute gekommen seien. Dennoch habe die Kommission ausschließlich hinsichtlich der steuerlichen Maßnahmen zugunsten von Ramondín und Demesa Entscheidungen erlassen. Damit habe die Kommission gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen.

90 Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen in der Rechtssache T-103/00 einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz erstmals in ihrer Erwiderung gerügt haben. Damit handelt es sich um ein neues, gemäß Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts unzulässiges Vorbringen.

91 Dieses Vorbringen greift jedenfalls auch in der Sache nicht durch.

92 Der Vertrag sieht nämlich ein System der vorherigen Kontrolle von Beihilfen vor. Deshalb haben die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 88 Absatz 3 EG jede neue Beihilfe bei der Kommission anzumelden. Die Klägerinnen haben jedoch nicht nachgewiesen und behaupten nicht einmal, dass der spanische Staat die Durchführung der streitigen steuerlichen Maßnahmen zugunsten anderer Unternehmen der Kommission notifiziert hätte, ohne dass die Kommission eine Entscheidung über die Unvereinbarkeit dieser Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt getroffen hätte.

93 Die Klägerin in der Rechtssache T-92/00, die auch in der Rechtssache T-127/99 betreffend Demesa klagt, meint zwar, es ergebe sich aus einem Abschnitt der Gegenerwiderung der Kommission in der Rechtssache T-127/99, dass dieser verschiedene Unternehmen namentlich bekannt gewesen seien, denen die streitigen steuerlichen Maßnahmen ebenso wie Ramondín und Demesa zugute gekommen seien.

94 Dazu ist festzustellen, dass sich die fragliche Passage in der Gegenerwiderung der Kommission nur auf die Gewährung einer Beihilfe durch die Behörden von Vizcaya, nicht aber durch die Behörden von Álava, zugunsten eines Unternehmens gemäß den Rechtsvorschriften von Vizcaya bezieht. Selbst wenn der Kommission im Zeitpunkt der Einreichung ihrer Gegenerwiderung in der Rechtssache T-127/99 am 21. Februar 2000 bekannt gewesen wäre, dass die streitigen steuerlichen Maßnahmen in Álava mehreren anderen Unternehmen zugute gekommen waren, so würde dies nicht belegen, dass die Kommission mit dem Erlass der angefochtenen Entscheidung am 22. Dezember 1999 gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstieß. Die Rechtmäßigkeit eines Gemeinschaftsaktes ist nämlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seines Erlasses zu beurteilen (Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 2000 in der Rechtssache T-296/97, Alitalia/Kommission, Slg. 2000, II-3871, Randnr. 86).

95 Sogar wenn nachgewiesen wäre, dass der Kommission im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung andere Unternehmen, denen die gleichen Beihilfen wie Ramondín zugute gekommen waren, namentlich bekannt waren, griffe der vorliegende Klagegrund deshalb nicht durch, weil dieser Umstand nichts an der Rechtswidrigkeit der Ramondín gewährten Beihilfen und an deren Unvereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt ändern würde (vgl. analog Urteil Cimenteries CBR u. a./Kommission, zitiert oben in Randnr. 84, Randnr. 4428).

96 Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission mit Schreiben vom 17. August und 29. September 1999 den spanischen Behörden ihre Entscheidungen über die Einleitung von Verfahren zustellte, die allgemein die fragliche Steuergutschrift und die Ermäßigung der Bemessungsgrundlage gemäß den Normas Forales von Álava betrafen (abgekürzt veröffentlicht im ABl. 2000, C 71, S. 8, und C 55, S. 2). Diese Verfahren betreffen indirekt alle Unternehmen, denen die fraglichen steuerlichen Maßnahmen zugute kamen.

97 Der dritte Klagegrund ist deshalb zurückzuweisen.

Vierter Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 253 EG

98 Die Klägerinnen bemängeln, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung nicht hinreichend begründet habe, warum die als staatliche Beihilfen eingestuften Maßnahmen den Wettbewerb und den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt hätten. Die einzige Angabe der Kommission in der angefochtenen Entscheidung zu diesem Gesichtspunkt sei eine Auflistung von Unternehmen, die in derselben Branche wie Ramondín tätig seien, und ihrer jeweiligen Marktanteile.

99 Wie oben in den Randnummern 66 bis 81 dargelegt, war jedoch die Begründung der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich der Beeinträchtigung des Wettbewerbs und des Handels zwischen Mitgliedstaaten ausreichend, um den Betroffenen die Verteidigung ihrer Rechte und den Gemeinschaftsgerichten die Wahrnehmung ihrer Kontrolle zu ermöglichen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 29. Februar 1996 in der Rechtssache C-56/93, Belgien/Kommission, Slg. 1996, I-723, Randnr. 86).

100 Auch der letzte Klaggrund greift deshalb nicht durch.

101 Nach alledem sind die Klagen abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

102 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Kommission ihre eigenen Kosten und die der Kommission aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Dritte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klagen werden abgewiesen.

2. Die Klägerinnen tragen ihre eigenen Kosten und die Kosten der Kommission.

Ende der Entscheidung

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