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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 06.03.1996
Aktenzeichen: T-93/94
Rechtsgebiete: Beamtenstatut


Vorschriften:

Beamtenstatut Art. 32
Beamtenstatut Art. 90 Abs. 2
Beamtenstatut Art. 91 Abs. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Der Umstand, daß die Verordnung Nr. 3947/92, mit der Artikel 32 Absatz 3 in das Statut eingefügt wurde, keine Rückwirkung hat, kann nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung nicht der sofortigen Anwendung dieser Bestimmung auf alle Personen entgegenstehen, die in ihren Anwendungsbereich fallen, einschließlich der Bediensteten auf Zeit, die vor Inkrafttreten dieser Verordnung zu Beamten ernannt wurden. Die Bestimmung sieht nämlich nur vor, daß ein Bediensteter auf Zeit, der unmittelbar nach Beendigung seines Dienstverhältnisses in derselben Besoldungsgruppe zum Beamten ernannt wurde, sein Dienstalter in der Dienstaltersstufe behält; sie enthält keine Beschränkung hinsichtlich des Zeitpunkts dieser Ernennung.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Erste Kammer) vom 6. März 1996. - Michael Becker gegen Rechnungshof der Europäischen Gemeinschaften. - Beamte - Einstufung in die Dienstaltersstufe - Dienstalter - Gleichbehandlung - Fürsorgepflicht. - Rechtssache T-93/94.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt und rechtlicher Rahmen

1 Der Kläger trat am 1. September 1981 in den Dienst des Rechnungshofs. Er war dort zunächst als Attaché im Kabinett des deutschen Mitglieds tätig, bis dessen Mandat am 17. Oktober 1983 endete. Am Ende dieser ersten Verwendung war er in Besoldungsgruppe A 4, Dienstaltersstufe 1, eingestuft.

2 Am 17. Oktober 1983 wurde der Kläger aufgrund eines neuen Vertrages als Bediensteter auf Zeit eingestellt und in die Besoldungsgruppe A 7, Dienstaltersstufe 3, eingestuft, wobei das Besoldungsdienstalter mit Wirkung vom 18. Oktober 1983 festgesetzt wurde.

3 Am 18. Oktober 1984 wurde der Kläger nach erfolgreicher Teilnahme an einem Auswahlverfahren für Verwaltungsräte zum Beamten ernannt und in die Besoldungsgruppe A 7, Dienstaltersstufe 3, eingestuft, wobei das Besoldungsdienstalter mit Wirkung vom 18. Oktober 1984 festgesetzt wurde.

4 Zum Zeitpunkt der Ernennung des Klägers zum Beamten bestimmte Artikel 32 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (im folgenden: Statut) in Absatz 1: "Der eingestellte Beamte wird in die erste Dienstaltersstufe seiner Besoldungsgruppe eingestuft." In Absatz 2 hieß es jedoch: "Die Anstellungsbehörde kann dem Beamten... mit Rücksicht auf seine Ausbildung und seine besondere Berufserfahrung eine Verbesserung hinsichtlich der Dienstaltersstufe dieser Besoldungsgruppe gewähren; die Verbesserung darf in den Besoldungsgruppen A 1 bis A 4, LA 3 und LA 4 72 Monate, in den anderen Besoldungsgruppen 48 Monate nicht überschreiten." In Anwendung dieses Absatzes 2 wurde der Kläger bei seiner Ernennung in die Dienstaltersstufe 3 statt in die Dienstaltersstufe 1 eingestuft.

5 Durch Artikel 8 der Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 3947/92 des Rates vom 21. Dezember 1992 zur Änderung des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten dieser Gemeinschaften wurde Artikel 32 des Statuts ein Absatz 3 angefügt. Dieser Absatz lautet: "Der Bedienstete auf Zeit, dessen Einstufung nach den von dem Gemeinschaftsorgan beschlossenen Einstufungskriterien festgelegt worden ist, behält das Dienstalter in der Dienstaltersstufe, das er als Bediensteter auf Zeit erworben hat, wenn er unmittelbar nach Beendigung seines Dienstverhältnisses in derselben Besoldungsgruppe zum Beamten ernannt wird." Die Verordnung Nr. 3947/92 wurde im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 31. Dezember 1992 (ABl. L 404, S. 1) veröffentlicht und trat gemäß ihrem Artikel 14 am 1. Januar 1993 in Kraft.

6 Mit Schreiben vom 5. Februar 1993 beantragte der Kläger bei der Anstellungsbehörde des Beklagten, die Festsetzung seines Besoldungsdienstalters unter Berücksichtigung dieser Neuregelung im Statut zu überprüfen. Er räumte in diesem Schreiben zwar ein, daß der Wortlaut von Artikel 32 des Statuts im Jahr 1984 keine Einstufung in eine höhere Dienstaltersstufe zugelassen habe, begründete seinen Antrag aber mit einem Hinweis auf die Fürsorgepflicht der Organe sowie darauf, daß die Anstellungsbehörde des Beklagten in ähnlich gelagerten Fällen das Besoldungsdienstalter neu festgesetzt habe, und mit der Bedeutung des Besoldungsdienstalters im Rahmen von Beförderungsverfahren.

7 Speziell zur Fürsorgepflicht wies der Kläger in diesem Schreiben darauf hin, daß die Anstellungsbehörde, wenn sie über die Situation eines Beamten entscheide, nicht nur dem dienstlichen Interesse, sondern auch dem Interesse des betroffenen Beamten Rechnung tragen müsse.

8 Da eine Antwort des Beklagten ausblieb, wiederholte der Kläger seinen Antrag mit Schreiben vom 6. Mai 1993. In diesem Schreiben wies er erneut auf die Bedeutung des Besoldungsdienstalters im Rahmen von Beförderungsverfahren hin.

9 Mit Schreiben vom 2. Juni 1993 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers ab. Er begründete diese Ablehnung damit, daß die Festsetzung des Besoldungsdienstalters nur einmal, nämlich zum Zeitpunkt der Einstellung, erfolge, daß die Verordnung Nr. 3947/92 keine Rückwirkung habe und daß die Anstellungsbehörde des Rechnungshofs noch nie die Festsetzung eines Besoldungsdienstalters aufgrund einer Änderung des Statuts revidiert habe.

10 Am 4. August 1993 legte der Kläger gegen die Ablehnung seines Antrags Beschwerde gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Statuts ein. In dieser Beschwerde führte er aus, er beantrage keine rückwirkende Neufestsetzung, sondern nur eine Nachbesserung seiner Dienstaltersstufe mit Wirkung vom 1. Januar 1993, dem Tag des Inkrafttretens der Verordnung Nr. 3947/92. Er verwies in diesem Zusammenhang auf eine Entscheidung des Präsidenten des Gerichtshofes, durch die 102 Beamten dieses Organs genau diese Nachbesserung gewährt worden sei, und auf die ständige Übung der Kommission, die das Statut seit vielen Jahren im Sinne der heutigen Fassung anwende.

11 In seiner Beschwerde erläuterte der Kläger ausserdem an einem Beispiel die aus seiner Sicht überaus nachteiligen Wirkungen des Ausschlusses früher eingestellter Beamter von der Neuregelung in Artikel 32 Absatz 3 des Statuts. So könne ein Bediensteter auf Zeit, der mit Erfolg an dem damals am Rechnungshof durchgeführten internen Auswahlverfahren zur Besetzung einer Planstelle der Besoldungsgruppe A 5 teilgenommen habe, unmittelbar in Besoldungsgruppe A 5, Dienstaltersstufe 6, eingestuft werden, während der Kläger selbst trotz einer Berufserfahrung von mehr als achtzehn Jahren in Stellen der Laufbahngruppe A nur in die Dienstaltersstufe 3 habe eingestuft werden können. Eine derartige Unausgewogenheit sei für ihn bei künftigen Beförderungsverfahren eindeutig von Nachteil.

12 Der Beklagte wies die Beschwerde mit Schreiben vom 2. Dezember 1993 zurück. Zur Begründung dieser Zurückweisung führte er zunächst aus, der neue Artikel 32 Absatz 3 des Statuts könne nicht auf den Kläger angewandt werden, da die Festsetzung seines Besoldungsdienstalters vor dem 1. Januar 1993 erfolgt sei und auch nur ein einziges Mal, und zwar bei seiner Einstellung, habe erfolgen können. Auch könne der Umstand, daß andere Organe die neue Bestimmung auf vor dem 1. Januar 1993 eingestellte Beamte angewandt hätten, nicht dazu führen, daß die Behandlung des Klägers durch den Beklagten nunmehr diskriminierend sei. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung könne nämlich nie aufgrund eines Vergleichs der Behandlung eines bestimmten Falles mit einer günstigeren, jedoch rechtswidrigen Behandlung bejaht werden.

Verfahren und Anträge der Parteien

13 Unter diesen Umständen hat der Kläger mit Klageschrift, die am 1. März 1994 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage nach Artikel 91 Absatz 2 des Statuts erhoben.

14 Das Gericht hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Die Parteien haben in der öffentlichen Sitzung vom 8. November 1995 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

15 Der Kläger beantragt,

° den Bescheid des Rechnungshofs vom 2. Dezember 1993 aufzuheben;

° den Rechnungshof zu verurteilen, die gesamten Kosten des Verfahrens zu tragen.

16 Der Beklagte beantragt,

° die Klage abzuweisen;

° über die Kosten gemäß den geltenden Satzungsbestimmungen zu entscheiden.

Zur Begründetheit

17 Der Kläger stützt seine Klage im wesentlichen auf zwei Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund macht er einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung geltend, mit dem zweiten eine Verletzung der Fürsorgepflicht der Verwaltung gegenüber ihren Bediensteten.

Erster Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung

Zusammenfassung des Vorbringens der Parteien

18 Zur Stützung seines ersten Klagegrundes beruft sich der Kläger auf Artikel 5 Absatz 3 des Statuts, wonach für "Einstellung und dienstliche Laufbahn der Beamten der gleichen Laufbahngruppe... die gleichen Voraussetzungen [gelten]". Gegen diese Bestimmung sei in zweifacher Weise verstossen worden. Erstens würden innerhalb des Rechnungshofs die Beamten, die weiterhin nach der alten Fassung von Artikel 32 des Statuts eingestuft würden, und diejenigen, die nach der neuen Fassung dieses Artikels eingestuft worden seien oder künftig eingestuft würden, ungleich behandelt. Zweitens finde eine Ungleichbehandlung zwischen den Beamten des Rechnungshofs, deren Besoldungsdienstalter nach der alten Fassung des Artikels 32 des Statuts festgesetzt worden sei, und den Beamten der anderen Organe statt.

19 Zur ersten Form der Ungleichbehandlung führt der Kläger aus, der Beklagte habe Beamte, die jünger und weniger erfahren seien als er, in höhere Dienstaltersstufen eingestuft. Damit habe er den Zweck der Verordnung Nr. 3947/92 verkannt, die durch die alte Fassung des Artikels 32 des Statuts entstandenen dauerhaften Nachteile gerade zu beseitigen. In diesem Zusammenhang hat der Kläger auf eine in der mündlichen Verhandlung gestellte Frage hin seine Auffassung bekräftigt, daß der Beklagte gegen die Verordnung Nr. 3947/92 verstossen habe, indem er diese nicht unter Berücksichtigung ihres Zwecks und des Gleichheitssatzes zutreffend ausgelegt habe.

20 Ausserdem habe der Beklagte in Fällen, die mit dem des Klägers vergleichbar seien, regelmässig die Festsetzung des Besoldungsdienstalters berichtigt. Einige dieser Berichtigungen seien sogar nach Ablauf sämtlicher Verwaltungsfristen erfolgt. Es sei daher zu vermuten, daß der Beklagte dies aus Opportunitätsgründen getan habe.

21 Als mit seinem Fall vergleichbare Fälle nennt der Kläger insbesondere die Berichtigungen des Besoldungsdienstalters des Herrn R., die trotz der Zurückweisung von dessen Beschwerde und des Ablaufs der Klagefrist erfolgt sei, und des Leiters der Dienststelle Personal des Beklagten sowie den Fall eines Beamten, der mit Erfolg an einem internen Auswahlverfahren teilgenommen habe und dessen Besoldungsdienstalter unter Berücksichtigung seiner bereits in der Laufbahngruppe A erworbenen beruflichen Erfahrung festgesetzt worden sei.

22 Nach Ansicht des Beklagten sind die vom Kläger angeführten Fälle nicht mit dessen eigenem Fall vergleichbar. Die Berichtigungen des Besoldungsdienstalters des Herrn R. und des fraglichen Beamten der Dienststelle Personal seien im Anschluß an die Auslegung des Artikels 32 des Statuts durch den Gerichtshof in den Urteilen vom 12. Juli 1984 in der Rechtssache 17/83 (Angelidis/Kommission, Slg. 1984, 2907) und vom 29. Januar 1985 in der Rechtssache 273/83 (Michel/Kommission, Slg. 1985, 347) erfolgt und könnten daher nicht vom Kläger angeführt werden, da dieser eine Neueinstufung aufgrund einer Änderung von Rechtsvorschriften begehre. Beim dritten vom Kläger angeführten Fall handele es sich um einen der über den Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits hinausreichenden äusserst raren Ausnahmefälle..., in denen Artikel 32 des Statuts ein zweites Mal zur Anwendung kommt.

23 Mit dem Fall des Klägers seien nur die Fälle derjenigen Beamten vergleichbar, die vor dem 1. Januar 1993 ernannt worden und unmittelbar vor ihrer Ernennung als Bedienstete auf Zeit in derselben Besoldungsgruppe eingestuft gewesen seien. Sowohl in seinen Schriftsätzen als auch in der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte ausgeführt, keiner dieser Beamten habe beim Rechnungshof eine Berichtigung seines Besoldungsdienstalters erwirkt, da Artikel 32 Absatz 3 des Statuts dahin auszulegen sei, daß er nur auf nach dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 3947/92 erfolgte Ernennungen anwendbar sei.

24 Zur zweiten Form der Ungleichbehandlung weist der Kläger, der das Verhalten des Beklagten mit dem der übrigen Organe vergleicht, darauf hin, daß der Gerichtshof und die Kommission bei allen Beamten, deren Situation mit seiner vergleichbar sei, das Besoldungsdienstalter von Amts wegen überprüft hätten. Da das Statut für alle Beamten der Gemeinschaften denselben Inhalt habe, müsse der Beklagte entgegenstehende Übungen der übrigen Organe berücksichtigen. Ausserdem entstuenden ihm durch diese unterschiedliche Behandlung schwerwiegende Nachteile bei einem Wechsel zu einem dieser Organe.

25 Der Beklagte hält einen Vergleich mit der Praxis der übrigen Organe für bedeutungslos. Wenn nämlich das Gericht der Ansicht sein sollte, daß er die Verordnung Nr. 3947/92 falsch angewandt habe, bedürfe es keines Vergleichs mit der Anwendung dieser Verordnung durch die übrigen Organe mehr. Wenn das Gericht dagegen meinen sollte, daß er die Verordnung Nr. 3947/92 korrekt angewandt habe, so würde dies bedeuten, daß der Gerichtshof und die Kommission sie falsch angewandt hätten. In diesem Fall könne von einer Ungleichbehandlung keine Rede sein, da, wie das Gericht selbst entschieden habe, der Grundsatz der Gleichbehandlung mit dem Grundsatz rechtmässigen Handelns in Einklang gebracht werden müsse (vgl. Urteil des Gerichts vom 23. März 1994 in der Rechtssache T-8/93, Hüt/Rechnungshof, Slg. ÖD 1994, II-365).

Würdigung durch das Gericht

26 Das Statut ist so auszulegen, daß es nicht zur Verletzung eines höherrangigen Rechtsgrundsatzes kommt (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 31. Mai 1979 in der Rechtssache 156/78, Newth/Kommission, Slg. 1979, 1941, Randnr. 13 a. E.). Nach ständiger Rechtsprechung stellt der Grundsatz der Gleichbehandlung einen höherrangigen Rechtsgrundsatz dar (vgl. etwa Urteil des Gerichtshofes vom 25. Mai 1978 in den verbundenen Rechtssachen 83/76, 94/76, 4/77, 15/77 und 40/77, HNL/Rat und Kommission, Slg. 1978, 1209, Randnr. 5, und Urteil des Gerichts vom 15. Dezember 1994 in der Rechtssache T-489/93, Unifruit Hellas/Kommission, Slg. 1994, II-1201, Randnr. 42).

27 Mit Rücksicht auf diese Rechtsprechung ist zu prüfen, ob Artikel 32 Absatz 3 des Statuts dahin ausgelegt werden kann, daß er auf vor seinem Inkrafttreten erfolgte Ernennungen nicht anwendbar ist, ohne daß eine derartige Auslegung gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstösst.

28 Insoweit macht der Beklagte geltend, da es keine Hinweise darauf gebe, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber der Verordnung Nr. 3947/92 eine Rückwirkung habe beimessen wollen, müsse Artikel 32 Absatz 3 des Statuts, um die allgemeinen Grundsätze des Rückwirkungsverbots und der Rechtssicherheit zu wahren, so ausgelegt werden, daß er auf vor seinem Inkrafttreten erfolgte Ernennungen nicht anwendbar sei.

29 Das Gericht teilt diese Auffassung nicht. Der Umstand, daß die Verordnung Nr. 3947/92 keine Rückwirkung hat, kann nämlich nicht der sofortigen Anwendung der von ihr in das Statut eingefügten Bestimmungen auf alle Personen entgegenstehen, die in deren Anwendungsbereich fallen, einschließlich der Bediensteten auf Zeit, die vor Inkrafttreten dieser Verordnung zu Beamten ernannt wurden. Diese Auslegung wird auch nicht durch den Wortlaut von Artikel 32 Absatz 3 des Statuts ausgeschlossen. Diese Bestimmung sieht nämlich nur vor, daß ein Bediensteter auf Zeit, der unmittelbar nach Beendigung seines Dienstverhältnisses in derselben Besoldungsgruppe zum Beamten ernannt wurde, sein Dienstalter in der Dienstaltersstufe behält; sie enthält keine Beschränkung hinsichtlich des Zeitpunkts dieser Ernennung.

30 Ausserdem könnte die vom Beklagten vertretene Auslegung des Artikels 32 Absatz 3 des Statuts dazu führen, daß die nach Inkrafttreten der Verordnung Nr. 3947/92 ernannten Beamten besser eingestuft werden als die vorher ernannten.

31 Daher kann die Tatsache, daß der Kläger vor Inkrafttreten des Artikels 32 Absatz 3 des Statuts ernannt worden ist, nicht die Anwendung dieser Bestimmung zu seinen Gunsten vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an verhindern. Nur diese Auslegung von Artikel 32 Absatz 3 des Statuts ist mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbar.

32 Daraus folgt, daß der Beklagte durch seine Weigerung, Artikel 32 Absatz 3 des Statuts auf den Kläger anzuwenden, gegen diese Bestimmung und gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstossen hat.

33 Nach alledem greift der erste Klagegrund durch.

Zweiter Klagegrund: Verletzung der Fürsorgepflicht

Zusammenfassung des Vorbringens der Parteien

34 Nach Ansicht des Klägers hat der Beklagte seine Fürsorgepflicht ihm gegenüber verletzt. Wenn die Organe eine die Situation ihrer Beamten berührende Maßnahme träfen, seien sie verpflichtet, die dienstlichen Interessen und die Interessen der betroffenen Beamten gegeneinander abwägen. Der dem vorliegenden Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt und insbesondere die Weigerung des Beklagten, Artikel 32 n. F. des Statuts nach seinem Sinn und Zweck auszulegen, zeigten, daß eine solche Interessenabwägung nie stattgefunden habe.

35 Der Beklagte hält dieser Argumentation unter Berufung auf die Urteile des Gerichts vom 27. März 1990 in der Rechtssache T-123/89 (Chomel/Kommission, Slg. 1990, II-131) und vom 17. Juni 1993 in der Rechtssache T-65/92 (Arauxo-Dumay/Kommission, Slg. 1993, II-597) entgegen, daß die Fürsorgepflicht ihre Grenzen in der Beachtung der geltenden Vorschriften finde. Angesichts dieser Begrenzung könne keine Verletzung der Fürsorgepflicht vorliegen, da Artikel 32 des Statuts korrekt angewandt worden sei.

Würdigung durch das Gericht

36 Nach ständiger Rechtsprechung gebietet es die Fürsorgepflicht, daß die Verwaltung, wenn sie über die Situation eines Beamten entscheidet, nicht nur das dienstliche Interesse, sondern auch das Interesse des Beamten berücksichtigt; diese Pflicht darf jedoch nicht dazu führen, daß die Verwaltung eine Gemeinschaftsbestimmung entgegen ihrem eindeutigen Wortlaut auslegt (Urteile des Gerichts Chomel/Kommission, a. a. O., Randnr. 32; vom 16. März 1993 in den verbundenen Rechtssachen T-33/89 und T-74/89, Blackman/Parlament, Slg. 1993, II-249, Randnr. 96; Arauxo-Dumay/Kommission, a. a. O., Randnrn. 37 f.).

37 Im vorliegenden Urteil ist Artikel 32 Absatz 3 des Statuts dahin ausgelegt worden, daß er auf alle Beamten, einschließlich der vor Inkrafttreten der Verordnung Nr. 3947/92 ernannten, anwendbar ist (siehe oben, Randnrn. 26 bis 33). Damit verfügte die Verwaltung bei der Prüfung des Antrags des Klägers auf Neueinstufung über keinerlei Ermessensspielraum hinsichtlich der Festsetzung seines Besoldungsdienstalters und war mithin nicht verpflichtet, das dienstliche Interesse und das Interesse des Beamten zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Entscheidung gegeneinander abzuwägen.

38 Folglich fehlt dem Klagegrund der Verletzung der Fürsorgepflicht im vorliegenden Fall die Erheblichkeit.

39 Nach alledem ist der Klage stattzugeben.

Kostenentscheidung:

Kosten

40 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Rechnungshof mit seinem Vorbringen unterlegen ist und der Kläger beantragt hat, ihm die Kosten aufzuerlegen, ist der Rechnungshof zur Tragung sämtlicher Kosten zu verurteilen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Weigerung des Rechnungshofs, gemäß der Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 3947/92 des Rates vom 21. Dezember 1992 zur Änderung des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten dieser Gemeinschaften die Festlegung der Dienstaltersstufe des Klägers auf dessen Antrag im Schreiben vom 5. Februar 1993 hin mit Wirkung vom 1. Januar 1993 neu vorzunehmen, sowie die Entscheidung des Rechnungshofs vom 2. Dezember 1993, mit der die Beschwerde des Klägers gegen diese Weigerung zurückgewiesen wurde, werden aufgehoben.

2. Der Rechnungshof trägt seine eigenen Kosten sowie die Kosten des Klägers.

Ende der Entscheidung

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