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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 22.03.2006
Aktenzeichen: 12 K 351/04
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 17
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

12 K 351/04

Veräußerungspreis im Sinne von § 17 EStG bei Verletzung einer Veräußerungssperrfrist

Tatbestand:

Mit Kaufvertrag vom 25. September 1997 und Verpfändungs- und Treuhandvertrag vom gleichen Tag hat die Klägerin 100% ihrer Anteile mit einem Nennwert von DM 50.000,-- an der ... GmbH (künftig: GmbH) an die -X- GmbH veräußert. Dies geschah im Tausch gegen 180.000 "Purchase Price Shares" (Stammaktien) im Nennwert von US $ 0,01 der amerikanischen Muttergesellschaft -Y- mit Sitz in Florida (künftig: -Y-). Die Anteile der -Y- waren an der US-Börse NASDAQ gelistet und notierten dort zum 25. September 1997 mit einem Kurswert von US $ 27,38; der Umrechnungskurs des Dollar betrug zu diesem Zeitpunkt DM 1,80. 10% der -Y--Anteile musste die Klägerin zur Absicherung von Ansprüchen oder Forderungen auf einen Treuhänder übertragen. Die Anteile an der -Y-, die die Klägerin erhielt, waren nicht registriert und damit auch nicht zum Handel an der Börse zugelassen. Mangels Registrierung unterlagen die Anteile einer Veräußerungssperre von einem Jahr gemäß Rule 144 des Securities Act 1933. Die Käuferin war nicht bereit, börsengängige Anteile als Gegenleistung zu erbringen. Denn sie bezweckte, eine Steuerbegünstigung für die Übernahme der Anteile an der GmbH zu erhalten nach dem sogenannten "Pooling of Interest" Verfahren. Dies erforderte jedoch, dass die an die Klägerin im Gegenzug übertragenen Anteile nicht vor Ablauf eines Jahres veräußert werden konnten.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 1997 hat die Klägerin einen Veräußerungsgewinn nach § 17 Einkommensteuergesetz (EStG) in Höhe von DM 5.742.671 erklärt, dessen Ermittlung sie in einer Anlage zu ihrer Einkommensteuererklärung wie folgt darstellte:

Mit Vertrag vom 25.09. 1997 hat Frau -Z- ihre gesamten Anteile an der .............. GmbH an die -Y-./USA veräußert. Als Kaufpreis wurden 180.000 Shares an der -Y-. vereinbart. Der Veräußerungsgewinn ist wie folgt zu ermitteln (vgl. auch Schreiben vom 01.10.1998 und 23.11.1998):

 180.000 Shares * U$ 27,38 * DM 1,80 * 65%DM 5.766.228,00
abzüglich Veräußerungskosten: 
Gebührenrechnung der RAe/StB ........ 
für die rechtliche und steuerliche Beratung in Sachen der Veräußerung der .............. GmbHDM 23.556,55
VeräußerungsgewinnDM 5.742.671,45

Im Rahmen einer Außenprüfung (vgl. Bericht vom 22. Dezember 2000) wurde der Veräußerungsgewinn wie folgt berechnet:

 180.000 Shares x US $ 27.38 x DM 1,80 =8.871.120,-- DM
abzüglich Anschaffungskosten der GmbH-Anteile50.000,-- DM
abzüglich Veräußerungskosten wie erklärt23.557,-- DM
steuerpflichtiger, begünstigter Veräußerungsgewinn8.797.563,-- DM

Im nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1997 vom 16. Januar 2001 legte der Beklagte den von der Betriebsprüfung ermittelten Veräußerungsgewinn zugrunde. Den dagegen eingelegten Einspruch hat er durch Einspruchsentscheidung vom 20. September 2004, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigten, mit der vorliegenden Klage.

Zur Begründung lässt sie im Wesentlichen sinngemäß vortragen, dass aufgrund der fehlenden Registrierung und der damit verbundenen Unveräußerbarkeit der -Y--Anteile innerhalb eines Jahres zumindest ein Abschlag vom Börsenkurs zu machen sei. Die hohe Anzahl der erhaltenen Anteile stelle insoweit eine Kompensation für die Veräußerungsbeschränkung dar. Dies ergebe sich auch aus der Tatsache, dass sie für die GmbH-Anteile einen Barpreis in Höhe von lediglich DM 5 - 5,5 Mio. hätte erzielen können.

Soweit sich der Beklagte auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) beziehe(Urteil vom 17. Oktober 1974 IV R 223/72, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1975, 58), verkenne er, dass die -Y--Anteile mangels Registrierung nicht zum Handel zugelassen gewesen seien, so dass § 11 Abs. 1 Bewertungsgesetz (BewG) nicht einschlägig sei. Es sei deshalb auf § 11 Abs. 2 BewG zurückzugreifen und der gemeine Wert im Ergebnis nach dem sog. Stuttgarter Verfahren zu bestimmen. Eine Ableitung aus dem Kurswert der -Y--Anteile sei nicht möglich, da diese zum Einen nicht an einer deutschen Börse zum Handel zugelassen gewesen seien. Zum Anderen sei maßgeblich zu berücksichtigen, dass ihren Aktien die Börsenfähigkeit gefehlt habe und diese auch nicht zeitnah habe hergestellt werden können. Hierin unterscheide sich der Streitfall von den vom BFH entschiedenen und vom Beklagten zitierten Fällen.

Doch selbst bei Berücksichtigung des Börsenkurses der -Y--Anteile könne dies nur einen Ausgangswert darstellen, von dem ein Bewertungsabschlag vorzunehmen sei. Von den vom BFH entschiedenen Fällen, bei denen eine Veräußerungssperre zu keinem Abschlag geführt habe, unterscheide sich der vorliegende Fall grundsätzlich darin, dass ihr die (vorzeitige) Veräußerung nicht nur vertraglich untersagt, sondern mangels Registrierung auch nicht möglich gewesen sei. Entgegen der Ansicht des Beklagten handele es sich insoweit um keine Verfügungsbeschränkung im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 1 BewG, da die Verfügungsbeschränkung unabhängig von den Parteivereinbarungen kraft Gesetzes gegolten habe. Diese Verfügungsbeschränkung sei für sie auch bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nachteilig gewesen, da die Anteile nicht über die Börse hätten veräußert werden können.

Des Weiteren sei bei den Vertragsverhandlungen zwischen ihr und Vertretern der -Y- berücksichtigt worden, dass den Anteilen ein Kursrisiko von mehr als 50% angehaftet habe und der Wert zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses einen Spitzenwert dargestellt habe.

Schließlich sei auch im Bereich von § 17 Einkommensteuergesetz (EStG) beim Tausch von Anteilen an Kapitalgesellschaften die Regelung in § 6 Abs. 6 EStG als Spezialvorschrift anwendbar. Das gelte auch für das Streitjahr, da der Gedanke des § 6 Abs. 6 EStG bereits im Streitjahr gegolten habe.

Dies habe zur Folge, dass sich der gemeine Wert des erhaltenen Wirtschaftsgutes nach dem Wert des Hingegebenen bestimme, da fremde Dritte sich nichts schenkten. Vom Beklagten hätte also der gemeine Wert der hingegebenen GmbH-Anteile nach den Grundsätzen des Stuttgarter Verfahrens bestimmt und als Veräußerungspreis zugrunde gelegt werden müssen.

Die Klägerin beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 1997 vom 16. Januar 2001 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 20. September 2004 abzuändern und die festgesetzte Einkommensteuer um DM 805.746,09, die Zinsen um DM 84.603,33 und den Solidaritätszuschlag um DM 60.430,95 zu ermäßigen, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, für den Fall der Klageabweisung die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nichtnotierte Anteile einer Gesellschaft seien nach allgemeiner Ansicht mit dem Börsenkurs zu bewerten, der für vergleichbare an der Börse gehandelten Anteile derselben Gesellschaft festgestellt worden sei. Allein die fehlende Registrierung im vorliegenden Fall stehe dem nicht entgegen. Aus der Systematik des Bewertungsgesetzes ergebe sich, dass der Ermittlung des gemeinen Werts nach Kurswerten Vorrang vor der Ermittlung aus Verkäufen oder nach dem Stuttgarter Verfahren zukomme. Persönliche Verhältnisse, zu denen auch Verfügungsbeschränkungen gehörten - egal ob absolute oder relative - seien nach § 9 Abs. 2 und Abs. 3 BewG nicht zu berücksichtigen. Die sich im vorliegenden Fall aus der Rule 144 des US-amerikanischen Wertpapiergesetzes von 1933 ergebende Verfügungsbeschränkung resultiere aus der Tatsache, dass der Erwerberin die Möglichkeit einer steuerbefreiten Anteilsvereinigung ermöglicht werden sollte. Dies könne aber im Ergebnis nicht zu einer Minderung des objektiven Werts der Anteile führen, da es auf dem Willen der Vertragsparteien beruht habe, entsprechend zu verfahren.

Des Weiteren sei die Verfügungsbeschränkung für die Klägerin nicht ausschließlich nachteilig gewesen, da das Kursrisiko in beide Richtungen bestanden habe. Konkrete Anhaltspunkte für eine ausschließlich negative Kursentwicklung seien zum Veräußerungszeitpunkt nicht erkennbar gewesen.

Schließlich könne der gemeine Wert nicht nach § 6 Abs. 6 EStG bestimmt werden, da diese Vorschrift gemäß § 52 Abs. 16 Satz 16 EStG erst nach dem 31. Dezember 1998 anwendbar sei.

Der vorstehende Sach- und Streitstand ist der Gerichtsakte sowie den vom Beklagten nach § 71 Abs. 2 FGO vorgelegten Akten (jeweils 1 Band Einkommensteuer-, Betriebsprüfungs- und Aussetzungsakten) entnommen. Die Akten aus den Verfahren 12 V 6/05 sowie aus dem Verfahren 12 V 29/01 wurden beigezogen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 17 Abs. 2 EStG zu Recht den Kurswert der börsennotierten -Y--Anteile zum 25. September 1997 zugrunde gelegt.

Nach § 17 Abs. 1 EStG (in der für das Streitjahr geltenden Fassung) gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer am Kapital der Gesellschaft wesentlich, d.h. zu mehr als 25% beteiligt war. Veräußerung in diesem Sinne ist auch die Anteilsübertragung aufgrund eines Tauschvertrages (statt aller: Schmidt/Weber-Grellet EStG § 17 Rz 98 m.w.N. zur Rechtsprechung). Da die Klägerin zu 100% an der GmbH beteiligt war, erzielte sie aus der Veräußerung der Anteile in Form des Tauschvertrages vom 25. September 1997 insoweit unstreitig Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Der Veräußerungsgewinn im Sinne von § 17 Abs. 2 EStG ist im Falle des Tausches der Betrag, um den der Wert der erlangten Anteile nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten der hingetauschten Anteile übersteigt (u.a. BFH-Urteil vom 07. Juli 1992 VIII R 54/88, BStBl II 1993, 331). Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns ist somit im Streitfall der Wert der -Y--Anteile zugrunde zu legen und nicht der Wert der von der Klägerin hingegebenen GmbH-Anteile.

Der Wert der erlangten Anteile ist dabei mangels anderer einschlägiger gesetzlicher Regelungen nach den §§ 2 - 16 des BewG zu bestimmen. Insbesondere ist § 6 Abs. 6 EStG im Streitfall nicht anwendbar, da dieser erstmals auf den Erwerb von Wirtschaftsgütern anzuwenden ist, bei denen der Erwerb aufgrund eines nach dem 31. Dezember 1998 abgeschlossenen rechtswirksamen obligatorischen Vertrages erfolgt. Bei Aktien erfolgt die Bewertung der Gegenleistung nach § 11 BewG. Anteile an einer Aktiengesellschaft, die am Stichtag an einer deutschen Börse zum amtlichen Handel zugelassen sind, werden nach § 11 Abs. 1 Satz 1 BewG mit dem niedrigsten am Stichtag für sie im amtlichen Handel notierten Kurs angesetzt. Nachdem dies bei den von der Klägerin erworbenen -Y--Anteilen nicht der Fall war, ist der gemeine Wert nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BewG zu bestimmen. Bei Anteilen, die wie vorliegend die registrierten -Y--Anteile an einer ausländischen Börse gehandelt werden, ist der Wert aus den dortigen Kursnotierungen abzuleiten (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 09. März 1994 II R 39/90, BStBl II 1994, 394). Dies gilt auch für die von der Klägerin erworbenen, (zunächst) nicht registrierten -Y--Anteile, da es sich insoweit um Anteile derselben Gesellschaft handelt, die als solche in großer Stückzahl an der Börse gehandelt wurden. Zwar handelt es sich bei dem so ermittelten Wert nur um einen Ausgangswert, der beim Vorliegen entsprechender Umstände durch Zu- oder Abschläge zu korrigieren ist. Hierbei sind alle Umstände, die den Kurs beeinflussen, zu berücksichtigen. Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind jedoch nicht zu berücksichtigen. Da die Klägerin 180.000 -Y--Stammaktien im Nennwert von $ 0,01 erhalten hat, ist als einzig möglicher Wert beeinflussender Faktor die fehlende Registrierung erkennbar. Hierbei handelt es sich im Ergebnis jedoch um nichts anderes als die Sicherstellung der vertraglich vereinbarten Nichtveräußerung innerhalb eines Jahres. Es ist hierdurch also keine andere Aktiengattung entstanden (die Stammaktien verkörperten die vermögensmäßige Beteiligung der Klägerin an der -Y- mit allen Rechten und Pflichten eines Aktionärs), sondern eine vertraglich vereinbarte und im Ergebnis von beiden Vertragsparteien gewollte Verfügungsbeschränkung der Klägerin umgesetzt worden, die aber bei jedenfalls entsprechender Anwendung des § 9 Abs. 3 BewG zu keiner Wertminderung führt (s.a. BFH-Beschluss vom 22. Januar 2003 VIII B 61/02, BFH/NV 2003, 755 m.w.N. bei einer vertraglich vereinbarten Sperrfrist). Im Übrigen ist davon auszugehen, dass die Klägerin sich diese fehlende einjährige Veräußerbarkeit gerade durch ein Mehr an Anteilen im Rahmen der Kaufpreisverhandlungen hat vergüten lassen, da - wie von Klägerseite zutreffend vorgetragen wurde - sich fremde Dritte im Geschäftsverkehr für gewöhnlich nichts schenken.

Ein Abschlag vom Kurswert der -Y--Anteile zum 25. September 1997 war daher nicht vorzunehmen.

Auf die Erhebung der von der Klägerseite unterbreiteten Beweisangebote konnte ausgehend vom ausgeführten Rechtsstandpunkt des Senats verzichtet werden, da selbst bei unterstellter Richtigkeit der aufgestellten und mit Beweisangebot versehenen Behauptungen die Anteile nicht anders zu bewerten wären.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war mangels Gründen im Sinne von § 115 Abs. 2 FGO nicht zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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