Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 14.05.2003
Aktenzeichen: 13 K 222/01
Rechtsgebiete: AO 1977, EStG 1997


Vorschriften:

EStG 1997 § 10 Abs. 1 Nr. 7
EStG 1997 § 12 Nr. 1
AO 1977 § 367 Abs. 2
AO 1977 § 351 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Finanzrechtsstreit

wegen Einkommensteuer 1998 und 1999

hat der 13. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg in der Sitzung vom 14. Mai 2003 durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ... Richter am Finanzgericht ... ehrenamtliche Richter ...

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2.Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Streitig ist die Berücksichtigung von für ein philosophisches Studium aufgewendeten Kosten als Berufsausbildungskosten.

Der Kläger (geb. 27.07.1921) bezieht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Versorgungsbezüge), Kapitalvermögen und Vermietung und Verpachtung; seit 1986 bezieht er Altersrente.

Im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1999 vom 23.05.2000 wurden seitens des Beklagten (Bekl.) Berufsausbildungskosten für ein Philosophiestudium in Höhe von DM 746,06 nicht anerkannt. Dieser Betrag setzte sich aus Fachliteratur (DM 366,40), Beitrag Philosophische Gesellschaft (DM 60,-), Fahrtkosten zur Universität ... (DM 93,60) und sonstigen Kosten (DM 226,06) zusammen.

Hiergegen wandte sich der Kl. mit Einspruchsschreiben vom 19.06.2000.

Mit Datum vom 07. September 2000 ergingen gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1998 und 1999, wonach die Einkommensteuer für 1998 mit DM 22.042,- (bislang DM 20.625,-) und für 1999 mit DM 25.317,- (bislang DM 24.782,-) festgesetzt wurde. Die Änderungen erfolgten aufgrund einer Mitteilung, wonach dem Kl. aus einer Beteiligung an einer Grundstücksgemeinschaft Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von DM 0,- zuzurechnen waren (bisher: - DM 3.494,- bzw. - DM 1.296,-). Im Gegensatz zum Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1999, waren im Einkommensteuerbescheid für 1998 Berufsausbildungskosten i. H. v. DM 1.116,- für ein Philosophiestudium anerkannt worden. Mit Schreiben vom 20.09.2000 legte der Kl. auch gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1999 Einspruch ein.

Am 02. Januar 2001 ergingen nochmals gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1998 (festgesetzte Einkommensteuer wieder DM 20.625,-) und 1999 (festgesetzte Einkommensteuer wieder DM 24.782,-). Die Verluste aus Vermietung und Verpachtung aus der Grundstücksgemeinschaft wurden entsprechend den geänderten Feststellungsbescheiden mit - 3.494,- DM bzw. -1.296,- DM angesetzt. Mit Schreiben vom 08.01.2001 legte der Kl. gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide 1998 und 1999 vom 02. Januar 2001 Einspruch ein.

Mit Schreiben vom 21. September 2001 nahm der Bekl. zu den Einsprüchen Stellung und drohte für das Jahr 1998 "Verböserung" wegen bislang zu Unrecht als Sonderausgaben anerkannter Aufwendungen für ein sozialphilosophisches Studium in Höhe von DM 1.116,- gem. § 367 Abs. 2 AO an; eine Stellungnahme seitens des Kl. erfolgte hierauf nicht.

Durch Einspruchsentscheidung vom 26. Oktober 2001 wies der Bekl. die Einsprüche als unbegründet zurück und setzte für das Jahr 1998 im Rahmen einer "Verböserung" (Nichtanerkennung der Aufwendungen für das sozialphilosophische Studium) die Einkommensteuer mit DM 21.079,- fest.

Hiergegen wendet sich der Kl. mit der vorliegenden Klage.

Zur Begründung trägt er vor, dass die geltend gemachten Kosten für das sozialphilosophische Studium als Sonderausgaben abziehbare Aufwendungen für eine Berufsausbildung darstellen würden. Der Sonderausgabenabzug habe nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht zur Voraussetzung, dass der angestrebte Beruf innerhalb bestimmter bildungspolitischer Zielvorstellungen des Gesetzgebers liege. Auch sei hierfür unbeachtlich, dass der Kl. finanziell abgesichert sei. Schließlich sei die Verböserung nach § 367 Abs. 2 AO für das Streitjahr 1998 zu Unrecht erfolgt. § 367 Abs. 2 AO ermögliche der Finanzbehörde nicht, den ursprünglichen, bestandskräftigen Bescheid in vollem Umfang in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erneut zu prüfen. Die Prüfung sei auf den Verfahrensgegenstand des Einspruchsverfahrens beschränkt. Wende sich demnach ein Steuerpflichtiger mit seinem Einspruch gegen einen Änderungsbescheid, ermögliche § 367 Abs. 2 AO der Finanzbehörde lediglich die Überprüfung des Änderungsbescheids. Sie könne dementsprechend eigene Fehler in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nur im Hinblick auf den Änderungsbescheid, nicht aber im Hinblick auf den Erstbescheid überprüfen. Die Verböserung müsse damit ihre Grundlage im Änderungsbescheid haben, was vorliegend bei einer Änderung aufgrund eines Grundlagenbescheids nicht der Fall sei. Doch auch selbst bei einer zulässigen Verböserung dürfe die Verböserung betragsmäßig nicht über das Änderungsbegehren hinausgehen, so dass auch deshalb die Verböserung unzulässig gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

die Einspruchsentscheidung des Beklagten aufzuheben und die Einkommensteuer für das Jahr 1998 auf DM 20.625,- sowie die Einkommensteuer für das Jahr 1999 auf DM 24.458,- herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ergänzend zur Einspruchsentscheidung trägt er vor, dass Berufsausbildungskosten nur solche Aufwendungen seien, die in der erkennbaren Absicht gemacht worden seien, aufgrund der erlangten Ausbildung eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Dementsprechend könnten Aufwendungen, die im Interesse der Allgemeinbildung bzw. zur Befriedigung persönlicher Neigungen erfolgten, nicht berücksichtigt werden. Da der Kl. sich bereits seit vielen Jahren sozialphilosophisch fortbilde, ohne dass objektive Anhaltspunkte erkennbar seien, dass eine Erwerbstätigkeit angestrebt werde, könnten die Aufwendungen nicht als Berufsausbildungskosten berücksichtigt werden.

Auch sei die Verböserung für das Jahr 1998 zu Recht erfolgt. Bei der Änderung vom 02. Januar 2001 zugunsten des Kl. sei nämlich grundsätzlich eine Rechtsfehlerkorrektur nach § 177 Abs. 2 AO in Form der Nichtberücksichtigung der Berufsausbildungskosten möglich gewesen. Die Anfechtung des zugunsten geänderten Einkommensteuerbescheids ermögliche damit eine Verböserung, zumal der Korrekturrahmen des § 351 Abs. 1 AO nicht überschritten und der Einspruch trotz des Verböserungshinweises nicht zurückgenommen worden sei.

Der vorstehende Sach- und Streitstand ist der Gerichtsakte sowie den vom Bekl. nach § 71 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) übersandten Akten (jeweils 1 Band Einkommensteuer- und Rechtsbehelfsakten) entnommen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die ausgetauschten Schriftsätze Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

I.

Die "Verböserung" nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO im Einspruchsverfahren hinsichtlich des geänderten Einkommensteuerbescheids für das Jahr 1998 war entgegen den Ausführungen des Kl. zulässig.

Gem. § 367 Abs. 2 Satz 1 AO hat die Finanzbehörde, die über einen Einspruch entscheidet, die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen. Nach Abs. 2 Satz 2 dieser Regelung kann der Verwaltungsakt auch zum Nachteil des Steuerpflichtigen geändert werden, wenn dieser - wie vorliegend geschehen - auf die Möglichkeit einer "verbösernden" Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern.

Die "Verböserung" ist in einem Einspruchsverfahren gegen einen Änderungsbescheid zwar nur eingeschränkt zulässig. § 367 Abs. 2 AO ermöglicht der Finanzbehörde nicht, den ursprünglichen, bestandskräftigen Erstbescheid in vollem Umfang in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erneut zu überprüfen. Die Prüfung ist auf den Verfahrensgegenstand des Einspruchsverfahrens beschränkt. Wendet sich der Steuerpflichtige mit seinem Einspruch gegen einen Änderungsbescheid, ermöglicht § 367 Abs. 2 AO der Finanzbehörde lediglich die Überprüfung dieses Änderungsbescheides. Sie kann eigene Fehler in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nur im Hinblick auf den Änderungsbescheid, nicht im Hinblick auf den Erstbescheid überprüfen (vgl. BFH-Urteil vom 24. Oktober 2000 IX R 62/97, BFE 193, 57, BStBl II 2001, 124). Eine "Verböserung" ist daher zulässig, soweit diese bereits anlässlich des Ergehens des angefochtenen Bescheids möglich gewesen wäre und lediglich von der Finanzbehörde übersehen worden ist (vgl. Kühn-Kutter-Hofmann, Kommentar zur Abgaben- und Finanzgerichtsordnung, § 367 Nr. 4 b) AO). Wie der Bekl. insoweit zutreffend ausgeführt hat, wäre bei Erlass des geänderten Einkommensteuerbescheids für 1998 vom 02. Januar 2001 eine Berichtigung gem. § 177 Abs. 2 AO in Form der Versagung des Sonderausgabenabzugs für die Berufsausbildungskosten grundsätzlich möglich gewesen.

Eine Beschränkung der "Verböserungsmöglichkeit" ergibt sich auch nicht aus § 351 Abs. 1 AO. Diese Vorschrift begrenzt lediglich die Möglichkeiten des Steuerpflichtigen, einen Änderungsbescheid anzugreifen, schließt jedoch eine volle Überprüfung des Änderungsbescheids durch die Finanzbehörde gemäß § 367 Abs. 2 AO nicht aus. § 351 AO schützt die formelle Bestandskraft des ursprünglichen Bescheides, soweit er nicht geändert worden ist. Diese Regelung führt dazu, dass in der Regel keine niedrigere Steuer als im ursprünglichen Verwaltungsakt festgesetzt werden kann, begrenzt jedoch nicht die Befugnis der Finanzbehörde, eine höhere Steuer aufgrund von Änderungsvorschriften festzusetzen.

Würde § 351 Abs. 1 AO die Befugnis der Finanzbehörden, einen Änderungsbescheid im Einspruchsverfahren zu überprüfen, einschränken, hätte § 367 Abs. 2 Satz 2 AO bei der Anfechtung von Änderungsbescheiden keine Bedeutung mehr. Der Änderungsbescheid könnte im Einspruchsverfahren nicht zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, denn dies bedeutet, dass die Steuer nochmals im Wege der "Verböserung" heraufgesetzt wird. Eine Beschränkung der Verböserung eines Änderungsbescheids ergibt sich nicht aus der in dem Änderungsbescheid festgesetzten Höhe der Steuer, sondern lediglich aus den materiell-rechtlichen Grundlagen des mit dem Einspruch angefochtenen Änderungsbescheides. Insoweit war der Bekl. aber berechtigt, die nach § 177 Abs. 2 AO unterbliebene Berichtigung des materiellen Fehlers - Berücksichtigung der strittigen Berufsausbildungskosten - im Rahmen der "Verböserung" im Einspruchsverfahren nachzuholen.

II.

Nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG (in der für die Streitjahre geltenden Fassung) sind Aufwendungen bis zu einer Höhe von DM 1.800,- bzw. bei auswärtiger Unterbringung bis zu DM 2.400,- als Sonderausgaben abziehbar, wenn sie der Steuerpflichtige für seine Berufsausbildung oder seine Weiterbildung in einem nicht ausgeübten Beruf getätigt hat.

Eine Berufsausbildung im Sinne dieser Vorschrift hat der BFH angenommen, wenn der Steuerpflichtige mit der Ausbildung eine nicht nur vorübergehende Betätigungsmöglichkeit schaffen wollte, die dem Aufbau oder der Erhaltung und Sicherung seiner beruflichen Existenz und damit der Erhaltung und Sicherung seiner Lebensgrundlagen dienen konnte und sollte (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1987 VI R 149/81, BFHE 152, 337, BStBl II 1988, 494). Unter Berufung auf die Begründung der Bundesregierung zum Gesetzentwurf (BTDrucks V/3430, S. 8, 9) hat der BFH gefordert, dass es sich um Maßnahmen handeln muss, die eine Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen vorbereiten (BFH-Urteil vom 17. November 1978 VI R 139/76, BFHE 126, 437, BStBl II 1979, 180) und nicht nur sein Interesse an Allgemeinbildung im weitesten Sinne bzw. seine persönlichen Neigungen befriedigen sollen. Wie im Rahmen des Begriffs "Berufsausbildung" dem Wortbestandteil "Beruf zu entnehmen ist, sollen nicht sämtliche Aufwendungen, die dem Erlernen von Fähigkeiten und Kenntnissen dienen, den Sonderausgabenabzug begründen, sondern nur solche, die auf eine berufsmäßige Anwendung des Erlernten abzielen. Ungeachtet des zu fordernden Umfangs einer künftigen Berufstätigkeit scheiden damit solche Aufwendungen aus, mit denen lediglich private Interessen verfolgt werden sollen und die nicht zum Zweck der nachhaltigen Erzielung von Einnahmen aufgewendet werden. Im vorliegenden Fall sind keinerlei objektiven Anhaltspunkte dafür gegeben, dass mit dem bereits vor Jahren aufgenommenen Studium seitens des Kl. eine wie auch immer geartete Erwerbstätigkeit aufgenommen werden soll. Vielmehr sprechen das fortgeschrittene Alter und die gesicherte Existenz des Kl. gegen eine solche Veranlassung. Der geltend gemachte Sonderausgabenabzug wurde daher im Ergebnis zu Recht vom Bekl. abgelehnt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

Zurück