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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 10.04.2003
Aktenzeichen: 14 K 14/02
Rechtsgebiete: EStG, GG


Vorschriften:

EStG § 9a S. 1 Nr. 1
EStG § 3c
EStG § 22 Nr. 4
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 100
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Finanzrechtsstreit

wegen Einkommensteuer 1999

hat der 14. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg - aufgrund der mündlichen Verhandlung - in der Sitzung vom 10. April 2003 durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ... Richter am Finanzgericht ... ehrenamtliche Richter ...

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob den Klägern Teile ihrer Einkünfte steuerfrei zu belassen sind.

Die Kläger sind Eheleute, sie werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist von Beruf Steuerberater und Rechtsanwalt und bezieht als solcher Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Mit Bescheid vom 06. März 2000 führte das beklagte Finanzamt die Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr entsprechend der eingereichten Steuererklärung durch. Gegen diesen Bescheid legten die Kläger mit Schreiben vom 09. März 2000 Einspruch ein, den sie damit begründeten, dass die Landtags- und Bundestagsabgeordneten 31,86 v.H. ihrer Gesamtbezüge als steuerfreie Aufwandsentschädigungen erhielten. Dies führe zu einer Ungleichbehandlung gegenüber dem "normalen Steuerbürger", der seinen gesamten Aufwand belegen müsse. Lediglich 2.000 DM im Jahr würden ihm als steuerfrei zuerkannt. Sie beantragten diesbezüglich einen geänderten Bescheid.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom 10. Dezember 2001 führte das beklagte Finanzamt aus, dass es an die geltenden Gesetze gebunden sei, weshalb der Einspruch keinen Erfolg haben könne.

Hiergegen richtet sich die am 11. Januar 2002 bei Gericht eingegangene Klage. Zu deren Begründung tragen die Kläger vor, dass die Abgeordneten des Landes Baden-Württemberg derzeit 8.475 DM an Bezügen und 3.963 DM als nicht steuerpflichtige Entschädigung erhielten. Insgesamt sei dies bei einem Gesamtbetrag von 12.438 DM ein Prozentsatz von 31,86 % der steuerfrei belassen würde. In etwa gleicher Relation würden die Bezüge der Abgeordneten des Deutschen Bundestages steuerfrei belassen. Ein Nachweis von Werbungskosten müsse nicht erfolgen. Diese Form der Besteuerung der Abgeordneten widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz (GG), da, soweit ein Steuerpflichtiger, der nicht Abgeordneter sei, bei entsprechenden Zahlungen von Aufwandsentschädigungen den tatsächlichen steuerlich abziehbaren Aufwand nachweisen müsse.

Die Kläger beantragen,

den angefochtenen Einkommensteuerbescheid für 1999 vom 06. März 2000 sowie die Einspruchsentscheidung vom 10. Januar 2001 dahingehend abzuändern, dass ihre Einkünfte in entsprechender Höhe der den Bundes- und Landtagsabgeordneten bezahlten Aufwandsentschädigungen = 10.668 EUR steuerfrei belassen werden.

Das beklagte Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

In der Streitsache ist am 03. Januar 2003 ein Gerichtsbescheid ergangen, gegen den die Kläger rechtzeitig Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt haben. Damit ist der Gerichtsbescheid gegenstandslos (§ 90a Abs. 3 FGO). In der Folge hat sodann am 10. April 2003 eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist nicht begründet.

1. Mit der Klage machen die Kläger geltend, dass sie verfassungswidrig gegenüber den Landtags- und Bundestagsabgeordneten benachteiligt würden und ihre Einkünfte demgemäß in gleichem Umfang steuerfrei belassen werden müssten. Dem erkennenden Gericht ist es verwehrt, die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen festzustellen. Allenfalls könnte eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht in Frage kommen, das über die Verfassungsmäßigkeit der für verfassungswidrig erachteten Normen zu befinden hätte. Eine solche Vorlage ist im Streitfall als aussichtslos anzusehen.

2. Die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht könnte nur Erfolg haben, wenn erstens die Rechtsvorschriften über die steuerfreien Aufwandsentschädigungen von Abgeordneten wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, Art. 3 Abs. 1 GG, verfassungswidrig sein würden, wenn zweitens die Verfassungswidrigkeit nur in der Weise behoben werden könnte, dass die Kläger mit ihren Einkünften hinsichtlich der steuerfrei belassenen Aufwandsentschädigungen den Landtags- und Bundestagsabgeordneten gleichgestellt werden müssten und wenn drittens die Verfassungswidrigkeit der infragekommenden Normen zur Folge haben würde, dass eine rückwirkende Neuregelung über die Zuerkennung steuerfreier Aufwandsentschädigungen an die Kläger stattzufinden hätte. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall insgesamt zu verneinen.

a) So ist es bereits zweifelhaft, ob die Rechtsvorschriften über die steuerfreien Aufwandsentschädigungen von Abgeordneten des Bundes und der Länder verfassungswidrig sind. Es gehört zum Wesen der freiheitlichen Demokratie, dass die Abgeordneten bei der Ausübung ihres politischen Mandats unabhängig sind (vgl. Verfassungsgerichtshof München, Urteil vom 15. Dezember 1982 - Vf.22-VII-80, Verfassungsgerichtshofentscheidung Bayern 35, 148-169). Sie bestimmen im Wesentlichen selbst, wie sie ihr Amt ausüben, wo sie den Schwerpunkt ihrer Arbeit sehen und welche Unkosten sie dabei auf sich nehmen. Der Gesetzgeber kann insoweit keine näheren Regelungen treffen. Ihm ist allerdings nicht verwehrt, bei der pauschalen Bewertung dessen, was er für erstattungsfähigen Aufwand hält, einen bestimmten Betrag festzusetzen.

Die Kläger haben nicht dargetan, ob und in welchem Umfang die den Abgeordneten des Bundes und der Länder steuerfrei belassenen Aufwandsentschädigungen unangemessen sind. Sie haben hierzu überhaupt nichts vorgetragen.

b) Ungeachtet einer etwaigen Verfassungswidrigkeit der Regelung der steuerfreien Aufwandsentschädigungen von Abgeordneten kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Bundesverfassungsgericht die Ungleichbehandlung zwischen den Abgeordneten und den Klägern in der Weise behebt, dass es den Gesetzgeber verpflichtet, die übrigen Steuerpflichtigen durch entsprechende Ausgestaltung der Werbungskostenpauschbeträge oder der Betriebsausgabenpauschbeträge mit den Abgeordneten gleichzustellen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass etwa die für Arbeitnehmer geltenden Vorschriften zur Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte verfassungswidrig sind. Solches wird auch von den Klägern nicht geltend gemacht Eine Gleichbehandlung kann demnach allenfalls dadurch bewirkt werden, dass der Gesetzgeber verpflichtet wird, die Abgeordneten den "normalen Steuerbürgern", d.h. den Arbeitnehmern gleichzustellen, ihnen also aufgibt, ihren Aufwand zu belegen.

c) Sofern der Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten hat, die Gleichstellung der betroffenen Personenkreise herbeizuführen, beschränkt sich der Ausspruch des Bundesverfassungsgerichts darüber hinaus regelmäßig darauf, die Unvereinbarkeit der angegriffenen gesetzlichen Regelungen mit dem GG festzustellen und den Gesetzgeber zu einer Änderung für die Zukunft zu verpflichten. Für ausgeschlossen angesehen werden muss der Ausspruch der rückwirkenden Gleichstellung der "normalen Steuerbürger" mit den Abgeordneten auf der Grundlage der Letzteren zuerkannten Aufwandsentschädigungen. Das würde im Streitjahr sowie in den künftigen Jahren, für die die Veranlagungen im Wesentlichen noch nicht abgeschlossen sind, dazu führen, dass die Grundlage der Finanz- und Haushaltsplanung des Bundes, der Länder und der Gemeinden erheblich beeinträchtigt würde. Der dadurch entstehende Eingriff in das Wirtschaftsgefüge würde zur Folge haben, dass der danach sich ergebende Zustand der verfassungsmäßigen Ordnung ferner stünde als der bestehende Zustand. Es könnte somit, sofern die beanstandeten Regelungen gegen den Gleichheitssatz verstoßen sollte, nicht mit einer Feststellung der Nichtigkeit sondern lediglich mit einer Unvereinbarkeitserklärung und einer Änderungsverpflichtung des Gesetzgebers für die Zukunft gerechnet werden.

d) Nach alledem ist eine Vorlage an das Bundesverfassungsgerichts für aussichtslos anzusehen. Sie könnte sich nicht auf das Besteuerungsverhältnis der Kläger auswirken. Dem erkennenden Gericht ist es, wie ausgeführt, verwehrt, selbst die Verfassungswidrigkeit der Normen über die Aufwandsentschädigungen der Abgeordneten festzustellen und den Gleichheitsgrundsatz in der Weise zu verwirklichen, dass er die Aufwandsentschädigungen der Bundes- und Landtagsabgeordneten den übrigen Steuerpflichtigen zuerkennt.

3. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO), die Nichtzulassung der Revision aus § 115 Abs. 2 FGO.

Ende der Entscheidung

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