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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 18.07.2007
Aktenzeichen: 3 K 82/03
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 6a Abs. 3
Nachholverbot bei versehentlich zu geringen Zuschreibungen bei Pensionsrückstellungen.
Finanzgericht Baden-Württemberg

3 K 82/03

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Passivierung einer Pensionsrückstellung in den dem Streitjahr vorangegangenen Jahren nur aufgrund eines entschuldbaren Versehens mit zu geringen Beträgen erfolgt ist und - gegebenenfalls - ob das aus § 6 a Abs. 4 Satz 1 EStG abgeleitete sog. Nachholverbot auch in einem solchen Fall anwendbar ist.

Die Klägerin ist eine durch notariellen Vertrag vom 03. Mai 1990 errichtete und mit einem Stammkapital in Höhe von 50.000 DM ausgestattete Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die eine Handelsvertretung betreibt und deren Sitz sich seit August 1998 in X befindet. Ihr Wirtschaftsjahr ist das Kalenderjahr. Alleiniger Gesellschafter und - alleinvertretungsberechtigter sowie von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter - Geschäftsführer der Klägerin war und ist der 1950 geborene A (nachfolgend: A). Die Klägerin wurde für Veranlagungszeiträume (Vz) bis einschließlich 1994 von der B Steuerberatungs-GmbH und für nachfolgende Vz von ihrem Prozessbevollmächtigten steuerlich beraten.

In Ergänzung des bei Gründung abgeschlossenen Geschäftsführeranstellungsvertrags erteilte die Klägerin ihrem Geschäftsführer A unter dem 16. Juli 1990 eine Versorgungszusage, die eine Alters-, eine Invaliden- sowie eine Witwenrente umfasst. Die Höhe der Altersrente war in der Pensionszusage auf monatlich 3.500 DM festgelegt. Wegen aller weiteren Einzelheiten der hierzu getroffenen Regelungen wird auf die in der vom beklagten Finanzamt (FA) für die Klägerin geführten Vertragsakte (dort Bl. 24 - 28) abgelegte Kopie dieser Zusage verwiesen. Zur Rückdeckung der ihr daraus erwachsenden Verpflichtungen hat die Klägerin bei der Versicherungs-AG (nachfolgend Versicherung) 1990 und nochmals 1994 je eine Versicherung auf das Leben des A abgeschlossen.

In den Jahresabschlüssen der Klägerin (beginnend mit demjenigen zum 31.12.1990) sind die Ansprüche aus der Rückdeckungsversicherung bei der Versicherung jeweils zutreffend aktiviert und ist für die Verpflichtungen aus der Versorgungszusage jeweils eine nach versicherungsmathematischen Grundsätzen unter Berücksichtigung der rechtlichen Vorgaben des § 6 a EStG berechnete Pensionsrückstellung passiviert worden. Die Höhe der Rückstellung wurde jeweils in einem Gutachten der Versicherung berechnet, der die Klägerin - durch ihre jeweiligen Steuerberater - zu diesem Zwecke Anfang der 90er Jahre die relevanten Daten und alsdann in den nachfolgenden Jahren auf einem hierzu übersandten Formblatt jeweils mitgeteilt hatte, dass sich gegenüber dem Vorjahr keine Veränderungen ergeben hätten. In die Bilanzen per 31.12. der Jahre 1992-1999 ist die Pensionsrückstellung mit folgenden Ansätzen eingegangen:

 31.12.DM
199234.754
199347.397
199460.572
199574.315
199688.680
1997103.627
1998119.289
1999135.991

In ihrem Jahresabschluss per 31.12.2000 hat die Klägerin eine Pensionsrückstellung in Höhe von 219.784 DM gebildet und hierzu in den Erläuterungen (Seite 9 des Jahresabschlusses) ausgeführt, im Rahmen der Abschlussarbeiten sei festgestellt worden, dass die ursprünglich zugesagte Pension in Höhe von 42.000 DM p.a. bereits durch Beschluss vom 17. Mai 1994 auf 60.000 DM p.a. erhöht worden sei, was bedeute, dass die Teilwerte erheblich höher seien, als sie in den Vorjahren ausgewiesen wurden. Da die Bilanzen der Vorjahre nicht mehr änderbar seien, sei die Anpassung im Jahr 2000 erfolgt. Unter Berücksichtigung des Aufwands aus der Zuschreibung bei der Pensionsrückstellung in Höhe von 83.793 DM wies die Klägerin für das Wirtschaftsjahr 2000 einen Jahresüberschuss in Höhe von 69.417 DM aus und legte diesen auch der Einkommensermittlung in ihrer Körperschaftsteuer(KSt)-Erklärung 2000 zugrunde.

Das FA vertrat hierzu die Auffassung, dass der Ansatz der Pensionsrückstellung wegen des in § 6 a Abs. 4 Satz 1 EStG geregelten Nachholverbots nur um den Unterschied der Teilwerte per 31.12.1999 und 31.12.2000 erhöht werden dürfe und bat um Mitteilung dieser auf der Grundlage einer jährlichen Pension in Höhe von 60.000 DM ermittelten Werte sowie um Vorlage des Erhöhungsbeschlusses vom 17. Mai 1994. Die Klägerin teilte auf Aufforderung des FA den Teilwert der Pensionsverpflichtung zum 31.12.1999 mit 195.410 DM mit (KSt-Akte Bl. 9) und legte auch eine Kopie der unter dem 17. Mai 1994 erfolgten Änderung der Versorgungszusage (Vertragsakte Bl. 47) vor, machte aber geltend, das in § 6 a Abs. 4 Satz 1 EStG geregelte Nachholverbot sei auf den Streitfall nicht anwendbar. Es gelte nämlich nicht, wenn - wie vorliegend - in einzelnen Jahren gebotene Zuführungen zur Rückstellung aufgrund eines Irrtums oder eines Versehens unterblieben seien. Ungeachtet dessen ermittelte das FA den zulässigen Zuführungsbetrag zur Pensionsrückstellung als Differenz der Teilwerte per 31.12.1999 (195.410 DM) und per 31.12.2000 (219.784 DM) mit insgesamt 24.374 DM und setzte hiervon ausgehend im Bescheid vom 21. November 2001 die KSt der Klägerin für 2000 auf 37.639 DM fest; dabei hat es unter weiterer Berücksichtigung einer Erhöhung der Gewerbesteuerrückstellung um 8.300 DM den erklärten Gewinn um insgesamt 59.419 DM nach oben korrigiert.

Im Verlauf des hiergegen geführten Einspruchsverfahrens hat das FA den Bescheid aus für die Entscheidung des Streitfalles nicht erheblichen Gründen (Anpassung der Tantiemerückstellung an die vom FA vorgenommene Gewinnkorrektur) unter dem 04. Februar 2002 nochmals geändert, den Einspruch jedoch durch Entscheidung vom 13. März 2003, auf die wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der die Klägerin weiterhin geltend macht, das Nachholverbot greife im Streitfall nicht ein. In den im Einspruchsverfahren vorgelegten Schriftsätzen, auf die sie zur Begründung ihrer Klage verweisen lässt, beruft sie sich auf die Ausführungen im Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10. Juli 2002 I R 88/01 (BStBl II 2003, 936 ), in dem zwar klargestellt worden sei, dass das Nachholverbot aufgrund der Gesetzeslage auch dann uneingeschränkt gelte, wenn die Zuführung aufgrund eines Rechtsirrtums unterblieben sei, etwa weil die Rückstellung aufgrund einer zulässigen Berechnungsmethode niedriger als möglich berechnet worden sei, und dass seine Anwendung auch nicht von der Absicht missbräuchlicher Gewinnverlagerung abhänge. In dem Urteil habe der BFH aber auch deutlich gemacht, dass die Dinge bei einem objektiven Berechnungsfehler, der für jedermann ersichtlich auf der Hand liege und als solcher nachvollziehbar sei, anders zu beurteilen seien. So jedoch verhalte es sich auch im vorliegenden Fall. Die Zuführung höherer Beträge in den Abschlüssen der Klägerin für 1994 bis 1999 sei nur deshalb unterblieben, weil die von A am 17. Mai 1994 beschlossene Erhöhung der Pensionszusage dem seit Anfang 1995 mit der Erledigung ihrer steuerlichen Angelegenheiten beauftragten Prozessbevollmächtigten zunächst (bis 2001) nicht bekannt geworden sei. Die unterbliebene Ausschöpfung des rückstellungsfähigen Potentials beruhe nicht auf einer Abwägung und Entscheidung für den einen oder anderen rechtlich zulässigen Ansatz, sondern auf einer jahrelangen irrtümlich falschen Übermittlung der Berechnungsgrundlagen an das mit der Rückstellungsberechnung betraute Versicherungsunternehmen. Auch wenn die vorgenommenen Rechenschritte nicht zu beanstanden seien und deshalb auch ein Rechenfehler im eigentlichen Sinne nicht vorliege, so sei doch die Übermittlung fehlerhafter Daten einem Rechenfehler jedenfalls gleichzusetzen.

Ergänzend stützt die Klägerin ihr Begehren auf eine im Schrifttum vertretene Auffassung, wonach das Nachholverbot ohnehin nur dann gelten könne, wenn die in den Vorjahren angesetzten Handelsbilanzwerte zulässigerweise unter dem Teilwert gelegen haben sollten. Das sei jedoch in Bezug auf die zu geringen Ansätze der Pensionsrückstellungen in den Bilanzen zum 31.12. der Jahre 1994 bis 1999 gerade nicht der Fall gewesen. Anders als für sog. Altzusagen bestehe für seit dem 01. Januar 1987 erteilte Pensionszusagen handelsrechtlich eine Passivierungspflicht und nicht lediglich ein Passivierungswahlrecht. Dann aber sei im Fall der Fehleraufdeckung die Herbeiführung eines zutreffenden Steuerbilanzwertes zwingend gewesen.

Die Klägerin beantragt,

die KSt 2000 unter Änderung des Bescheids vom 04. Februar 2002 und Aufhebung der diesen bestätigenden Einspruchsentscheidung vom 13. März 2003 auf 8.790,22 EUR (= 17.192,17 DM) herabzusetzen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hält an seiner in der Einspruchsentscheidung näher ausgeführten Auffassung fest, wonach das in § 6 a Abs. 4 Satz 1 EStG geregelte Nachholverbot unabhängig davon gelte, ob die in Vorjahren unterbliebene Zuführung der maximal zulässigen Beträge auf einem Rechenfehler beruht habe oder nicht; auch der BFH habe sich nie im Sinne der abweichenden Ansicht der Klägerin geäußert. Abgesehen davon liege den zu geringen Ansätzen in den Vorjahren auch kein bloßer Berechnungsfehler zugrunde; die Klägerin habe vielmehr aufgrund eines Rechtsirrtums das Passivierungswahlrecht nicht in vollem Umfang ausgeschöpft.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

Das FA hat es zu Recht abgelehnt, bei der KSt-Festsetzung der Klägerin für das Streitjahr auch diejenigen Beträge gewinnmindernd zu berücksichtigen, welche die Klägerin versäumt hatte, in den Jahren 1994 bis 1999 dem Passivposten "Pensionsrückstellung" zuzuführen. Einer solchen Nachholung eines in Vorjahren verursachten Aufwands steht die - über § 8 Abs. 1 KStG auch bei Körperschaften anwendbare - Regelung des § 6 a Abs. 4 Satz 1 EStG entgegen.

1. Gemäß § 6 a Abs. 3 EStG darf eine Pensionsrückstellung höchstens mit dem Teilwert der Pensionsverpflichtung unter Zugrundelegung eines Rechnungszinsfußes von 6 A. H. angesetzt werden. Als Teilwert einer Pensionsverpflichtung gilt gemäß § 6 a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EStG vor Beendigung des Dienstverhältnisses des Pensionsberechtigten der Barwert der künftigen Pensionsleistungen am Schluss des Wirtschaftsjahres abzüglich des sich auf den selben Zeitpunkt ergebenden Barwerts betragsmäßig gleichbleibender Jahresbeträge. Bei der Berechnung dieses Teilwerts sind die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik anzuwenden (§ 6 a Abs. 3 Satz 3 EStG). Die Richttafeln von Heubeck, die in der Praxis üblicherweise als Rechnungsgrundlage der Teilwertermittlung von Pensionsverpflichtungen zugrunde gelegt werden, entsprechen diesen anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik. Gemäß § 6 a Abs. 4 Satz 1 EStG darf eine Pensionsrückstellung in einem Wirtschaftsjahr höchstens um den Unterschied zwischen dem Teilwert der Pensionsverpflichtung am Schluss des Wirtschaftsjahres und am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres erhöht werden (sog. Nachholverbot).

2. Die von der Klägerin damit beauftragte Versicherung hat die von jener wegen der A gegenüber eingegangenen Verpflichtungen zu bildenden Pensionsrückstellungen stets nach den vorstehenden Maßgaben auf der Basis der Richttafeln von Heubeck errechnet. Ihr sind dabei - unstreitig - weder systematische noch rechnerische Fehler unterlaufen. Sie hat aber in den Jahren bis 1999 unberücksichtigt gelassen, dass die Klägerin und A durch Änderungsvereinbarung vom 17. Mai 1994 die zugesagte Altersrente von monatlich 3.500 DM auf 5.000 DM erhöht hatten, und ist deshalb bei ihren Berechnungen von unzutreffenden Werten ausgegangen. Da die Klägerin in ihren Jahresabschlüssen die jeweils von der Versicherung errechneten Werte übernommen hat, sind die Pensionsrückstellungen in den Bilanzen der Jahre 1994 bis 1999 zu niedrig ausgewiesen worden. Die dadurch bedingten Minderzuführungen zu der Pensionsrückstellung durfte die Klägerin im Streitjahr jedoch nicht nachholen. § 6 a Abs. 4 Satz 1 EStG steht dem entgegen. Der hiervon abweichenden Rechtsansicht der Klägerin vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

a) Dabei billigt er der Klägerin durchaus zu, dass dem zu niedrigen Ausweis der Pensionsrückstellung in den Bilanzen der Jahre 1994 bis 1999 keine bewusste bilanzpolitische Entscheidung, sondern lediglich das Versäumnis zugrunde lag, die Versicherung im Anschluss an die Änderung der Versorgungszusage hiervon auch in Kenntnis zu setzen. Die Behauptung der Klägerin, ihr Prozessbevollmächtigter habe bei Übernahme des Mandats im Jahr 1995 nichts von der Änderung der Pensionszusage erfahren und deshalb bei der jährlichen Einholung der gutachterlichen Berechnung der Rückstellungswerte nicht auf diesen Umstand hingewiesen, erscheint durchaus glaubhaft. Diesbezüglich ursprünglich vorhanden gewesene Zweifel sind ausgeräumt, nachdem durch eine Auskunft der Versicherung (vom 29. Juni 2007) geklärt ist, dass die Klägerin im Juni 1994 - und damit im zeitlichen Zusammenhang mit dem Zeitpunkt, auf den die Erhöhung der Pensionszusage datiert ist (17. Mai 1994) - eine weitere Versicherung auf das Leben des A zur Rückdeckung ihrer Verpflichtungen aus der Versorgungszusage abgeschlossen hat.

b) Darauf, ob die Minderzuführungen in den Vorjahren auf einem Irrtum oder einem Versehen beruhten und ob der Fehler entschuldbar ist oder nicht, kommt es jedoch nicht an.

aa) Dabei verkennt der Senat nicht, dass zahlreiche Stimmen im Schrifttum in Fällen versehentlicher oder irrtümlicher Minderzuführung eine einschränkende Anwendung des Nachholverbots für geboten erachten (vgl. z.B. Stuhrmann in Bordewin-Brandt, Kommentar zum EStG, Rdz. 192 ff. zu § 6 a; Förster in Blümich, Kommentar zum EStG, KStG, GewStG und Nebengesetze, Rdz. 444 zu § 6 a EStG; Höfer in seinem Kommentar zum Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, Bd. II Steuerrecht, Rdz. 635; Weiland in Lademann/Söffing, Kommentar zum EStG, Rdz. 324 zu § 6 a; Büchele in DB 1999, 67).

Diese Auffassung ist jedoch selbst in der Kommentarliteratur keineswegs einhellig. Sie wird insbesondere von Weber-Grellet (in L. Schmidt, Kommentar zum EStG, 26. Aufl. 2007, Rdz. 61 zu § 6 a EStG) sowie Dommermuth (in Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zur ESt und KSt, Rdz. 152 zu § 6 a EStG) abgelehnt und hat sich auch in der Rechtsprechung der Finanzgerichte (vgl. FG Berlin, Urteil vom 26. März 1997 VIII 236/93, EFG 1998, 28, FG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. Dezember 2000 9 K 301/96, EFG 2001, 349, FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8. September 2005 6 K 1613/04, EFG 2005, 1848 sowie zuletzt FG Köln, Urteil vom 21. März 2007, 13 K 2806/04, Steuereildienst 2007, 387) nicht durchzusetzen vermocht. Auch das Bundesministerium der Finanzen (BMF) vertritt in seinem Schreiben vom 11.12.2003 (IV A 6 - S 2176-70/39, BStBl I 2003, 746) die Auffassung, dass das Nachholungsverbot auch in Fällen eines irrtümlich rechtsfehlerhaften Ansatzes der Pensionsrückstellung gelte.

Der BFH hat es in seinen Urteilenvom 17. Mai 2000 I R 25/98 (BFH/NV 2001, 154) sowievom 10. Juli 2002 I R 88/01 (BStBl II 2003, 936 ) ausdrücklich offen gelassen, ob die Nachholung in Vorjahren unterbliebener Zuführungen zu einer Pensionsrückstellung trotz der gesetzlich bestimmten Beschränkungen in § 6 a Abs. 4 Satz 1 EStG möglich wäre, wenn die Zuführungsbeträge irrtümlich falsch berechnet worden wären. Für den Fall, dass das Zuführungsdefizit auf einem Beurteilungsfehler beruht, hat er in dem Urteil vom 10. Juli 2002 allerdings keine Ausnahme vom Nachholverbot zugelassen.

bb) Der erkennende Senat ist der Auffassung, dass die im Verantwortungsbereich der Klägerin aufgetretene Informationspanne für die dadurch bedingten Minderzuführungen zur Pensionsrückstellung keine Ausnahme von dem in § 6 a Abs. 4 Satz 1 EStG geregelten Nachholverbot rechtfertigt.

(1) Während § 6 a Abs. 3 Satz 1 EStG zunächst den Maßstab für die Bewertung von Pensionsverpflichtungen mit dem Teilwert vorgibt und zugleich durch das Wort "höchstens" deutlich macht, dass auch eine Unterschreitung dieses Wertes geboten sein kann, enthält der nachfolgende Absatz Regelungen, deren Anwendung eine solche Unterschreitung des Teilwerts nach sich ziehen kann. § 6 a Abs. 4 Satz 1 EStG begrenzt die Zuschreibung bei dem Bilanzansatz "Pensionsrückstellung" auf die Differenz zwischen dem Teilwert dieses Wirtschaftsguts am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Teilwert zum Schluss des vorangegangen Wirtschaftsjahres und zwingt damit zu einer Unterschreitung des Teilwertansatzes in dem Maße, in dem der Vorjahresansatz hinter dem damaligen Teilwert zurück blieb. Die Vorschrift trifft für die Bewertung einer Pensionsrückstellung eine eigenständige steuerrechtliche Regelung, die von dem in § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG Ausdruck findenden Grundsatz der Maßgeblichkeit der Ansätze in der Handelsbilanz für die Steuerbilanz eine Ausnahme macht und die diesem Grundsatz - ebenso wie § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG - als speziellere Regelung vorgeht. Mit der in § 6 a Abs. 4 Satz 1 EStG vorgeschriebenen Anknüpfung an die Teilwerte des Wirtschaftsguts (und nicht etwa an Bilanzansätze) hat der Gesetzgeber Zuschreibungen in einer Weise begrenzt, dass in Vorjahren unterbliebene Zuführungen zunächst nicht nachgeholt werden können. In der Steuerbilanz ist in diesen Fällen nicht der Teilwert der Pensionsverpflichtung anzusetzen, sondern der um die Teilwertdifferenz erhöhte Vorjahresansatz.

(2) Der Wortlaut des § 6 a Abs. 4 Satz 1 EStG ist insoweit eindeutig (so auch der BFH in seinem Urteil vom 10. Juli 2002, a.a.O.). Die Frage, ob das daraus resultierende Nachholverbot stets und uneingeschränkt gilt, hat der Gesetzgeber selbst beantwortet. Er hat nämlich in den Sätzen 2 bis 6 des § 6 a Abs. 4 die Wirkungen des Satzes 1 begrenzt (vgl. etwa Satz 5, mit dem die Beschränkungen des Satzes 1 beim Ende des Dienstverhältnisses des Berechtigten oder dem Eintritt des Versorgungsfalles aufgehoben werden) und auch Ausnahmen von dem Nachholverbot (in Satz 2 für den Fall neuer oder geänderter biometrischer Rechnungsgrundlagen und in Satz 4 für den Fall gravierender Barwerterhöhungen) geregelt. Angesichts dieser detaillierten - und für Sondertatbestände differenzierenden - Regelungen vermag der erkennende Senat keine Regelungslücke zu erkennen, die es im Wege der Gesetzesanalogie zu schließen gälte (ebenso Dommermuth, a.a.O. und für den Fall der von Rechtsirrtum beeinflussten Ausübung eines Passivierungswahlrechts auch der BFH im Urteil vom 10. Juli 2002). Er hält sich deshalb nicht für berechtigt, den gesetzlich geregelten Ausnahmetatbeständen weitere - etwa den Fall in den Vorjahren unverschuldet unterbliebener Zuführungen - hinzufügen, weil sie ebenso geeignet seien, eine Abweichung vom Nachholungsverbot zu rechtfertigen. Er würde damit eine richterliche Wertung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzen; das steht den Gerichten aber nicht zu.

(3) Die vorstehenden Ausführungen gelten unabhängig davon, ob die Wertansätze in den Vorjahresbilanzen seinerzeit zulässig waren oder ob sie gegen zwingende Bilanzierungsvorschriften verstoßen haben. Aufgrund der in § 6 a Abs. 4 Satz 1 EStG angeordneten Beschränkung von Zuschreibungen auf die Teilwertdifferenz stellt sich die Frage nicht, warum in der Vorjahresbilanz nicht der Teilwert, sondern ein geringerer Betrag angesetzt worden ist und ob dieser Ansatz zulässig war oder nicht. Insofern ist die Frage des Nachholverbots bezogen auf sog. Neuzusagen, für die handelrechtlich eine Passivierungspflicht besteht (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB), nicht anders zu beantworten, als bezogen auf bereits vor dem 01. Januar 1987 erteilte sog. Altzusagen, für die seinerzeit handelsrechtlich ein Passivierungswahlrecht bestand, das über Art. 28 EGHGB weiter gilt.

(4) Auch der Grundsatz des periodengerechten Gewinnausweises (zu diesem Gesichtspunkt vgl. ebenfalls Stuhrmann, a.a.O., Rdz 196 zu § 6 a EStG) erfordert es nicht, das Nachholverbot einschränkend auszulegen. Mit der Anknüpfung an die Teilwertdifferenz wird dieser Grundsatz vielmehr bezogen auf das Jahr, in dem eine Nachholung in Frage steht, sogar besser verwirklicht, als wenn man die Nachholung zuließe. Denn in dieser Periode ist der durch die Pensionsverpflichtung entstandene Aufwand bei der gebotenen zeitproportionalen Betrachtung wirtschaftlich (nur) in Höhe der Teilwertdifferenz verursacht worden. Es ist allerdings richtig, dass § 6 a Abs. 4 Satz 1 EStG dazu führt, dass der Steuerpflichtige bei aus den Vorjahren herrührenden Zuführungsdefiziten zunächst einen zu hohen Gesamtgewinn versteuert. Das beruht indessen auf der fehlerhaften Besteuerung in den Vorjahren und zwingt jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des periodengerechten Gewinnausweises nicht dazu, in dem Jahr, in dem der Fehler aufgedeckt wurde, einen um die Nachholung überhöhten Gewinn auszuweisen. Hinzuweisen ist schließlich darauf, dass der dem Steuerpflichtigen durch die Versorgungszusage entstehende Aufwand nicht etwa unberücksichtigt bleibt und ihm steuerlich betrachtet endgültig verloren geht. Er wird nach § 6 a Abs. 4 Satz 5 EStG grundsätzlich in dem Wirtschaftsjahr nachgeholt, "in dem das Dienstverhältnis des Pensionsberechtigten unter Aufrechterhaltung seiner Pensionsanwartschaft endet oder der Versorgungsfall eintritt".

(5) Abgesehen von den vorstehenden Erwägungen wendet sich der Senat auch deshalb gegen eine Abweichung von § 6 a Abs. 4 Satz 1 EStG in Fällen der vorliegend zu beurteilenden Art, weil dies zu einer unnötigen Komplizierung der Rechtsanwendung in einem Bereich führen würde, der durch den Gesetzgeber eindeutig geregelt ist. Wollte man in den Vorjahren bei der Bilanzierung der Pensionsrückstellung versehentlich unterlaufene Rechtsirrtümer, Berechnungsfehler und/oder das Übersehen tatsächlicher Umstände (hier: einer Erhöhung der Versorgungszusage) außerhalb der in § 6 a Abs. 4 Sätze 2 bis 5 EStG geregelten Tatbestände als - ungeschriebene - Sonderfälle der Einschränkung des Nachholverbots ansehen, müsste geklärt werden, ob das gleichermaßen für unverschuldete wie für verschuldete Versehen gelten soll. Dies würde in vielen Fällen zu - im Einzelfall schwierigen - Ermittlungen zwingen, ob tatsächlich nur ein versehentlich zu niedriger Bilanzansatz vorgelegen hat und ggf. aufgrund welcher Sorgfaltspflichtverletzungen es dazu gekommen ist.

3. War aber für die gebotenen Zuschreibungen bei dem Bilanzansatz "Pensionsrückstellung" die Teilwertdifferenz maßgebend, so erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtmäßig. Der nach versicherungsmathematischen Grundsätzen und unter Berücksichtigung der Erhöhung der Versorgungszusage auf 60.000 DM p.a. ermittelte Teilwert der Pensionsverpflichtung hat nach den - insoweit unstreitigen und durch Gutachten belegten - Angaben der Klägerin zum 31.12.1999 195.410 DM und zum 31.12.2000 219.784 DM, die Teilwertdifferenz also 24.374 DM betragen. Nur von diesem verminderten Zuführungsbetrag ausgehend hat das FA das Einkommen und die KSt des Jahres 2000 rechtsfehlerfrei ermittelt und festgestellt bzw. festgesetzt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der Frage, in welchen Fällen das in § 6 a Abs. 4 Satz 1 EStG geregelte Nachholverbot über die in den Sätzen 2 bis 6 der Vorschrift geregelten Tatbestände hinaus Einschränkungen erfährt, rechtsgrundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO beimisst. Der Streitfall bietet Gelegenheit, die Rechtsprechung zu dieser im Schrifttum unterschiedlich beurteilten Frage (vgl. die Zitate unter 2. b. aa. der Entscheidungsgründe) höchstrichterlich zu konkretisieren. In seinen bisherigen Entscheidungen (zuletzt in denjenigenvom 17. Mai 2000 I R 25/98, BFH/NV 2001, 154, sowievom 10. Juli 2002 I R 88/01, BStBl II 2003, 936) hat der BFH zur Frage der Geltung des Nachholverbots bei vorausgegangenen Berechnungsfehlern sowie bei versehentlichen Verstößen gegen zwingende Bewertungsvorschriften noch keine Aussagen getroffen, sich solcher vielmehr ausdrücklich enthalten.

Ende der Entscheidung

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