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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 26.09.2006
Aktenzeichen: 4 K 105/03
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

4 K 105/03

Tatbestand:

Streitig ist, ob Genossenschaftsanteile an einem Elektrizitätswerk zum gewillkürten Betriebsvermögen (BV) eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs gehören.

Der Kläger (Kl) übernahm mit notariellem Hofübergabevertrag vom 26. Juli 1983 den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern. Mit übergeben bzw. mit übernommen wurde ein Anteil an der ehemaligen Genossenschaft Elektrizitätswerk -X- (EW-X-). Bei dieser bestand keine Zugangsbeschränkung für bestimmte Berufsgruppen. Die Mitgliedschaft in der Genossenschaft konnte nur zum Schluss eines Geschäftsjahres unter Einhaltung einer Frist von einem Jahr gekündigt werden (§ 5 der Satzung, abgeheftet in den "Sonderakten EW-X-"). Eine Übertragung des Anteils war aber mit Zustimmung des Vorstands jederzeit - auch im Laufe des Geschäftsjahres - möglich (§ 6 der Satzung).

Vorstehenden Anteil aktivierte der Kl zum 01. Juli 1994 - zeitgleich mit Anteilen an der Viehzentrale, der ..... und der ....bank - mit einem Einlagewert von 500 DM. Die Dividenden 1997 und 1998 aus dem EW-X-Anteil in Höhe von umgerechnet jeweils 42.50 EUR behandelte der Kl als Betriebseinnahme; die Jahre 1995, 1996 und 1999 waren dividendenlos. Im Jahr 2000 nahmen die Genossen des EW-X- ein Übernahmeangebot der -Y- (-Y-) zu einem Wert von 52.000 DM je Genossenschaftsanteil an. Der Kl behandelte diesen Vorgang im Jahresabschluss 2000/2001 als Abgang mit dem Buchwert. Der Beklagte (Bekl) erhöhte dagegen den für das Wirtschaftsjahr 2000/2001 erklärten Gewinn des Kl aus Land- und Forstwirtschaft um 52.000 DM und setzte die Einkommensteuer (ESt) mit Bescheid vom 23. April 2002 auf 4.239,63 EUR (8.292 DM) fest.

Mit dem rechtzeitig eingelegten Einspruch trugen die Kl vor, die Einnahmen aus der Veräußerung des Genossenschaftsanteils seien dem Privatvermögen zuzurechnen. Im Bereich der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft seien bei der Bildung von gewillkürtem BV gewisse Einschränkungen zu beachten, die sich aus den Besonderheiten der Einkunftsart ergäben. Die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum gewillkürten BV eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs unterliege wesentlich strengeren Anforderungen als dies bei Kaufleuten der Fall sei. Voraussetzung sei in jedem Fall, dass das Wirtschaftsgut objektiv geeignet sei, dem Betrieb zu dienen und diesen zu fördern. Gewillkürtes BV in diesem Sinne könnten lediglich verpachtete landwirtschaftliche Grundstücke und alle Wirtschaftsgüter sein, deren Nutzung innerhalb der Landwirtschaft möglich sei. Dies sei z.B. bei einer Beteiligung an Warengenossenschaften oder der -Z- AG (Lieferrechte) der Fall. Im Streitfall habe der Kl aus seiner Beteiligung am EW-X- jedoch nachweislich keinerlei Vorteile irgendeiner Art gezogen. Nachdem die Anlage dazu in der Vergangenheit noch teilweise dividendenlos gewesen sei, fehle es an einer inneren Verknüpfung des Anteils mit dem landwirtschaftlichen Betrieb, die auch im Wege der Willkürung nicht herbeigeführt werden könne. So habe der Bundesfinanzhof (BFH) zur Behandlung von Wertpapieren eines Landwirts als gewillkürtem BV entschieden, dass nicht in jedem Fall die buchmäßige Behandlung durch den Steuerpflichtigen entscheidend sei. Selbst dann, wenn Wertpapiere aus betrieblichen Mitteln angeschafft worden seien, sei es nicht zulässig, Kursverluste durch eine Bilanzierung der Wertpapiere in den betrieblichen Bereich zu verlagern. Wenn also Wertpapiere im Falle von sich abzeichnenden Verlusten nicht bilanzierungsfähig seien, müssten die gleichen Grundsätze auch für den Fall angewendet werden, wenn diese Wertpapiere einen Gewinn erbrächten. Dies bedeute, dass eine Einlagefähigkeit von Wertpapieren zu verneinen sei, wenn sie keine objektive Beziehung zur Landwirtschaft hätten und die auf den einzelnen Betrieb bezogene angemessene Liquiditätsreserve überschritten sei.Nachdem sich am EW-X- auch ein nicht begrenzter Personenkreis habe beteiligen können, sei der Anteil unter den strengen Voraussetzungen, die der BFH an die Bildung von gewillkürtem BV in der Landwirtschaft stelle, nicht bilanzierungsfähig gewesen. Die Veräußerung des Anteils stelle deshalb einen wegen Ablaufs der Spekulationsfrist steuerfreien Vorgang im Privatvermögen des Kl dar.

Der Einspruch hatte insoweit Erfolg, als der Bekl den für das Wirtschaftsjahr 2000/2001 angesetzten Gewinn um den Buchwert des Anteils auf 100.907 DM ermäßigte und die ESt durch geänderten Bescheid vom 11. November 2002 auf 4.207,93 EUR (8.230 DM) herabsetzte.

Mit Einspruchsentscheidung vom 27. März 2003 wies der Bekl den Einspruch der Kl als unbegründet zurück.

Mit der Klage vom 11. April 2003 verfolgen die Kl ihr Begehren unter Aufrechterhaltung ihrer Argumente aus dem außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren weiter.

Die Kl beantragen,

den ESt - Bescheid 2000 vom 11. November 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. März 2003 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte des Kl aus Land- und Forstwirtschaft um 25.750 DM herabgesetzt werden, und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Bekl beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung seines Antrags trägt er vor, es werde durchaus nicht verkannt, dass bei bilanzierenden Land- und Forstwirten die Möglichkeit zur Bildung gewillkürten BV wegen der Eigenart der betrieblichen Tätigkeit insoweit gegenüber Gewerbetreibenden eingeschränkt sei, als nur solche Wirtschaftsgüter zum BV gezogen werden könnten, die vom Gegenstand her objektiv geeignet seien, dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu dienen und ihn zu fördern. Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb vollkommen wesensfremd seien und bei denen jede sachliche Beziehung zum Betrieb fehle, könnten damit auch nicht über die Bilanzierung als gewillkürtes BV behandelt werden. Hierdurch solle verhindert werden, dass die vom Gesetzgeber zwischen den einzelnen Einkunftsarten gezogenen Grenzen willkürlich, d.h. ohne vernünftigen Sinn, verschoben würden. Der streitige Genossenschaftsanteil sei einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb nicht wesensfremd. So habe der BFH entschieden, dass ein Landwirt beim Erwerb von landwirtschaftlichen Nutzflächen eines benachbarten Betriebs einschließlich der Hofstelle diese Hofstelle auch bei der nur theoretischen Möglichkeit einer Nutzung als Landarbeiterwohnung als gewillkürtes BV behandeln könne. Zudem sei für Geldvermögen die Schwelle zum Eintritt in das gewillkürte BV niedriger als für andere Wirtschaftsgüter. Risikofreie und leicht verwertbare Wertpapiere behandele der BFH wie Bankguthaben. Hier genüge es, wenn sie dem Betrieb als Liquiditätsreserve dienten. Der BFH habe dementsprechend sogar branchenuntypische Termin- und Optionsgeschäfte für das gewillkürte BV nicht in jedem Fall ausgeschlossen. Lediglich die Bilanzierungsmöglichkeit von risikobehafteten Geldanlagen und Geschäften sowie von Wirtschaftsgütern, bei denen von vornherein wahrscheinlich sei, dass sie dem Betrieb nur Verluste einbrächten, scheide aus. Daraus könne aber nicht geschlossen werden, dass Wertpapiere allgemein von der Behandlung als gewillkürtes BV ausgeschlossen seien. Auch wenn der hier streitige Genossenschaftsanteil sicher keine wesentliche Stärkung des Betriebskapitals gewesen sei, so stelle er zumindest eine risikofreie Geldanlage dar. Eine quantitative Begrenzung der Zuordnungsmöglichkeit von Geldanlagen zum gewillkürten BV im Sinne eines Mindestbetrags ergebe sich nicht aus der Rechtsprechung. Die Einlagefähigkeit von Wertpapieren sei nur dann zu verneinen, wenn die Papiere keine objektive Beziehung zur Land- u. Forstwirtschaft hätten und die auf den einzelnen Betrieb bezogene angemessene Liquiditätsreserve überschritten sei. Dies sei vorliegend nicht erkennbar und werde auch nicht geltend gemacht. Die Mitgliedschaft in der Genossenschaft sei nach der Satzung zwar nur zum Schluss eines Geschäftsjahres unter Einhaltung einer Frist von einem Jahr kündbar, eine Übertragung des Anteils sei mit Zustimmung des Vorstands jedoch jederzeit - auch im Laufe des Geschäftsjahres - möglich gewesen. Daher liege auch eine leichte Verwertbarkeit des Anteils vor, zumal für die Genossenschaft keine Zugangsbeschränkung auf bestimmte Berufsgruppen bestanden habe.

Die Beteiligten haben schriftsätzlich auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Bilanzposten "Genossenschaftsanteil an der EW-X-" war nicht im Wege einer Bilanzberichtigung (§ 4 Abs. 2 S. 1 Einkommensteuergesetz -EStG-) aus der Bilanz des Kl erfolgsneutral auszubuchen. Dieser Anteil ist mit der Einlage (01. Juli 1994) zu Recht als gewillkürtes BV behandelt worden und hat bis zur Veräußerung diese Eigenschaft nicht verloren. Der Anteil stellt, wovon auch die Beteiligten zu Recht ausgehen, zwar kein notwendiges BV dar, weil die EW-X- Nichtmitglieder gleichbehandelt und aus der Mitgliedschaft kein Vorteil für den landwirtschaftlichen Betrieb entsteht (BFH-Urteil vom 20. März 1980 IV R 22/77, BStBl II 1980, 439, BFHE 130, 312).

Er durfte aber - wie geschehen - als gewillkürtes BV aktiviert werden. Zum BV eines bilanzierenden Unternehmers im Sinne des § 4 Abs. 1 EStG gehören neben den unmittelbar für eigenbetriebliche Zwecke verwendeten Wirtschaftsgütern des notwendigen BV auch Wirtschaftsgüter des gewillkürten BV. Dabei handelt es sich um solche Wirtschaftsgüter, die weder zum notwendigen BV noch zum notwendigen Privatvermögen gehören und objektiv geeignet sowie vom Betriebsinhaber erkennbar dazu bestimmt sind, den Betrieb zu fördern (vgl. BFH-Urteile vom 11. Oktober 1979 IV R 125/76, BFHE 129, 40, BStBl II 1980, 40 undvom 7. April 1992 VIII R 86/87, BFHE 168, 572, BStBl II 1993, 21, m.w.N.). Dies gilt grundsätzlich auch für Land- und Forstwirte. Allerdings hat der BFH für diese - ähnlich wie für Freiberufler - die Möglichkeit zur Willkürung von BV wegen der Eigenart der betrieblichen Tätigkeit insoweit gegenüber Gewerbetreibenden eingeschränkt, als nur solche Wirtschaftsgüter zum BV gezogen werden dürfen, die vom Gegenstand her objektiv geeignet sind, dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu dienen und ihn zu fördern (BFH-Beschluss vom 19. Januar 1982 VIII B 57/80, BFHE 135, 440, BStBl II 1982, 526; BFH-Urteile vom 28. Oktober 1982 IV R 73/81, BFHE 137, 32, BStBl II 1983, 106;vom 23. Mai 1991 IV R 58/90, BFHE 164, 537, BStBl II 1991, 798 undvom 28. Juli 1994 IV R 80/92, BFH/NV 1995, 288).

Vorliegend war die Beteiligung an der EW-X- objektiv geeignet, dem Betrieb des Kl zu dienen und zwar als Kreditunterlage und durch die daraus resultierenden Erträge. Der Kl hat den Anteil auch subjektiv dazu bestimmt, dem Betrieb zu dienen. Dies ergibt sich aus der bilanziellen Behandlung als BV. Da die Willkürung eine innere Tatsache ist, kann sie nur anhand von Beweisanzeichen festgestellt werden. Sie ergibt sich insbesondere daraus, dass eine Erfassung des Wirtschaftsguts in der Bilanz und eine Zuordnung der Aufwendungen und Erträge zu den Betriebsausgaben und -einnahmen stattgefunden hat (vgl. BFH-Urteile vom 27. März 1968 I 154/65, BFHE 92, 217, BStBl II 1968, 522, vom 13. Oktober 1983 I R 76/79, BFHE 140, 182, BStBl II 1984, 294 undvom 18. Oktober 1989 X R 99/87, BFH/NV 1990, 424), so wie dies vorliegend über Jahre hinweg unstreitig geschehen ist.

Die hiergegen erhobenen Einwendungen greifen nicht durch. Im Streitfall geht es zunächst einmal ersichtlich nicht darum, Kursverluste durch eine Bilanzierung der Wertpapiere in den betrieblichen Bereich zu verlagern. Der von den Kl gezogene Schluss, wenn Wertpapiere mit sich abzeichnenden Verlusten nicht bilanzierungsfähig seien, müssten die gleichen Grundsätze auch für den umgekehrten Fall angewendet werden, verkennt, dass nur gewinnbringende Wertpapiere geeignet sind, das Betriebskapital zu erhöhen. Eine mangelnde Bilanzierungsfähigkeit des Anteils ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass sich am EW-X- jedermann hat beteiligen können. Denn die Frage der Bilanzierungsfähigkeit eines Wirtschaftsgutes kann grundsätzlich nicht von Umständen Dritter abhängen.

Die Klage ist daher mit der Kostenfolge nach § 135 Abs.1 Finanzgerichtsordnung -FGO- abzuweisen.

Die Revision wird zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Ende der Entscheidung

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