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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 23.09.2008
Aktenzeichen: 4 K 138/07
Rechtsgebiete: DBA-CH


Vorschriften:

DBA-CH Art. 4 Abs. 2 Buchst. a
DBA-CH Art. 4 Abs. 3 S. 1
DBA-CH Art. 24 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

4 K 138/07

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Einkünfte des Klägers (Kl), die er von der X-AG mit Sitz in A/Schweiz für Tätigkeiten in solchen asiatischen Staaten erhalten hat, mit denen die Bundesrepublik Deutschland keine Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) geschlossen hat, im Inland zu versteuern sind.

Der Kl war im Streitjahr (2002) vom 1. Januar bis zum 30. April nichtselbständig als Unternehmensberater für die T-Consulting Group, vom 1. Juni bis 31. Oktober selbständig als Unternehmensberater und vom 1. Juli bis 31. Dezember nichtselbständig als Geschäftsführer der X-AG (Schweiz) tätig. Aus diesen Tätigkeiten erzielte der Kl im Streitjahr insgesamt Einkünfte in Höhe von 126.123 EUR. Die Tätigkeiten für die X-AG führte er in der Schweiz sowie in mehreren asiatischen Staaten aus, wobei der Anteil der Gehaltszahlungen der X-AG, der auf die Tätigkeiten des Kl in den einzelnen Staaten, in denen er für die X-AG tätig war, entfiel, nicht bekannt ist. In der Zeit vom 1. November bis zum 31. Dezember 2002 war der Kl außerdem für die X-GmbH mit Sitz in Z/Deutschland tätig und bezog hierfür Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 11.267,80 EUR.

Während des gesamten Streitjahres unterhielt der Kl eine angemietete Wohnung in der ..str. in A. Seit dem 10. Juni 2002 war er außerdem mit Zweitwohnsitz im ... in Z gemeldet, da ihm von der X-GmbH dort eine 1-Zimmer-Wohnung zur gelegentlichen Übernachtung während beruflich bedingter Aufenthalte in Z zur Verfügung gestellt worden war. Ab dem 1. November 2002 hatte er uneingeschränkte Verfügungsmacht über diese Wohnung. Aufgrund der vom Kl dargelegten erheblichen persönlichen Beziehungen zur Schweiz ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass er während des gesamten Streitjahrs seinen Mittelpunkt der Lebensinteressen im Sinne des Art. 4 Abs. 2 lit. a) Satz 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-CH) in der Schweiz hatte.

Am 25. Februar 2004 (Eingang beim Beklagten - Bekl -) reichte der Kl seine Einkommensteuer(ESt)- Erklärung beim Bekl ein. Darin gab er an, er sei vom 1. November 2002 bis zum 31. Dezember 2002 in Deutschland ansässig gewesen. Auf Nachfrage des Bekl führte er aus, die 1-Zimmer-Wohnung in Z sei ihm von der X-GmbH unentgeltlich und ohne eigene Verfügungsmacht überlassen worden, da seine Tätigkeit für die X-GmbH zunächst auf ein Projekt und somit auf kürzere Zeit befristet gewesen sei. Erst im Laufe der Projektarbeiten sei ihm von der X-GmbH die Position des Geschäftsführers angeboten worden. Im Zusammenhang mit seiner Bestellung zum Geschäftsführer zum 1. November 2002 sei ihm dann auch die Verfügungsmacht über die 1-Zimmer-Wohnung in Z verschafft worden.

Am 31. März 2006 erließ der Bekl unter dem Vorbehalt der Nachprüfung den ESt-Bescheid für 2002, mit dem die ESt auf 3.872 EUR festgesetzt wurde. Dabei wurden der Besteuerung Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 12.000 EUR zugrundegelegt. Bei diesen Einnahmen handelte es sich um den vom Bekl geschätzten Anteil der Lohneinnahmen des Kl von der X-AG, die auf Tätigkeiten des Kl entfielen, die er in solchen asiatischen Staaten verrichtet hat, mit denen die Bundesrepublik Deutschland keine DBA abgeschlossen hat. Der übrige Arbeitslohn des Kl, den er von der X-AG bezogen hat, wurde vom Bekl ebenso unter Progressionsvorbehalt von der inländischen Besteuerung freigestellt wie der Arbeitslohn aus der Tätigkeit für die T-Consulting Group und der Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit des Kl als Unternehmensberater. Insgesamt wurden vom Bekl ausländische Einkünfte in Höhe von 114.123 EUR im Rahmen des Progressionsvorbehalts in die Berechnung des Steuersatzes einbezogen. Der Ansatz des von der X-GmbH erhaltenen Lohnes des Kl unterblieb in diesem Steuerbescheid.

Mit Schriftsatz seiner damaligen Bevollmächtigten vom 26. April 2006 legte der Kl Einspruch ein. Zur Begründung ließ er zunächst vortragen, die schweizerische Steuer sei, soweit die Lohnzahlungen der XAG sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz der Besteuerung unterworfen worden seien, nämlich in Höhe von 20%, auf die deutsche ESt anzurechnen. Außerdem begehrte er, die Beiträge zur Altersvorsorge in Höhe von 35.000 SFr anteilig mit 20 v.H. (= 4.778 EUR) als Sonderausgaben zu berücksichtigen. Weiter teilte der Kl mit, dass sein Arbeitslohn aus der nichtselbständigen Tätigkeit für die X-GmbH im angefochtenen ESt-Bescheid nicht angesetzt worden sei. In diesem Zusammenhang begehrte der Kl die Anrechnung der Lohnsteuer, der Kirchensteuer und des Solidaritätszuschlags entsprechend dem Ausweis auf der Lohnsteuerkarte. Außerdem begehrte er die Berücksichtigung der bezahlten Kirchensteuer als Sonderausgabe. Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 13. März 2007 beantragte er dann unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 25. Oktober 2006 I R 81/04, alle Einkünfte aus seiner Tätigkeit für die X-AG unter Progressionsvorbehalt von der inländischen Besteuerung freizustellen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 26. April 2007 setzte der Bekl die ESt unter Abänderung des ESt-Bescheids vom 31. März 2006 auf 5.570 EUR fest. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde nach § 164 Abs. 3 Satz 1 Abgabenordnung (AO) aufgehoben. Bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit wurde der Arbeitslohn für die Tätigkeit bei der X-GmbH in Höhe von 11.267,80 EUR laut Lohnsteuerkarte angesetzt. Die insoweit erhobenen Steuerabzugsbeträge wurden angerechnet. Außerdem wurden die geschätzten Einnahmen des Kl, die er von der X-AG für Tätigkeiten in solchen asiatischen Staaten erhalten hat, mit denen die Bundesrepublik Deutschland keine DBA abgeschlossen hat, von 12.000 EUR auf 6.000 EUR ermäßigt. Von den Beiträgen zur Altersversorgung wurden 2.389 EUR dem Grunde nach als Sonderausgaben anerkannt. Unter Berücksichtigung der Höchstbeträge des § 10 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) wurden davon 2.015 EUR zum Abzug zugelassen. Die gezahlte Kirchensteuer in Höhe von 286 EUR wurde ebenfalls als Sonderausgabe angesetzt. Wie bereits im ursprünglichen ESt-Bescheid wurden ausländische Einkünfte des Kl in Höhe von 114.123 EUR im Rahmen des Progressionsvorbehalts berücksichtigt.

Zur Frage des Besteuerungsrechts führte der Bekl aus, der Kl sei nach § 1 Abs. 1 EStG ab Juni 2002 in der Bundesrepublik Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig. Zwar gelte der Kl gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. a) Satz 2 DBA-CH als in der Schweiz ansässig, da sich dort im Streitjahr der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen befunden habe. Doch ergebe sich das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland für die streitgegenständlichen Einkünfte aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 DBA-CH, da die Ausnahmevorschrift des Art. 4 Abs. 3 Satz 2 DBA-CH nicht einschlägig sei, weil die streitgegenständlichen Einkünfte nicht "aus der Schweiz stammten". Entscheidend für die inländische Besteuerung sei nach dem Wortlaut der Norm, ob der Kl für die X-AG in der Schweiz oder auch in anderen Staaten arbeite. Der Bundesrepublik Deutschland stehe daher - neben dem Besteuerungsrecht für die Lohnzahlungen der X-GmbH, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - das Besteuerungsrecht für die Lohnzahlungen der X-AG zu, soweit sie auf Tätigkeiten entfielen, die der Kl in solchen asiatischen Staaten verrichtet habe, mit denen die Bundesrepublik Deutschland keine DBA geschlossen habe. Diese steuerpflichtigen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit seien nach § 162 Abs. 1 und 2 AO zu schätzen gewesen, weil der Kl keine Angaben über die Dauer der Tätigkeiten in Asien gemacht habe. Im Schätzungswege sei ein Betrag von 6.000 EUR (ca. 10% der Einkünfte, die der Kl von der X-AG bezogen habe) angesetzt worden. Bei der Schätzung sei berücksichtigt worden, dass der Kl im selben Zeitraum auch Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Deutschland erzielt habe. Zu Gunsten des Kl sei davon ausgegangen worden, dass er sich zur Erfüllung dieser Aufgabe in Deutschland und der Schweiz aufgehalten habe. Infolge der zeitlichen Belastung durch zwei Arbeitsplätze in Europa sei angenommen worden, dass sich der Kl nur zeitweise in Asien aufgehalten habe. Berücksichtigt worden sei auch, dass mit einigen Staaten in Asien DBA bestünden, nach denen die Einkünfte in Deutschland steuerfrei sein könnten. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. Oktober 2006 I R 81/08, weil sich die Sachverhalte unterschieden. Der BFH habe in diesem Urteil über einen Fall entschieden, bei dem der Steuerpflichtige abkommensrechtlich in Deutschland ansässig gewesen sei. Im Streitfall habe der Kl jedoch sowohl einen Wohnsitz in Deutschland als auch in der Schweiz und sei in beiden Staaten unbeschränkt steuerpflichtig. Ansässig im Sinne des Art. 4 Abs. 2 DBA-CH sei er in der Schweiz, weil sich dort sein Lebensmittelpunkt befinde. Da der Kl somit als in der Schweiz ansässig gelte, greife Art. 15 Abs. 4 DBA-CH nicht ein, denn diese Norm regle die Besteuerung, wenn eine Person in einem anderen Staat ansässig sei als die Kapitalgesellschaft. Von den Vorsorgeaufwendungen des Kl hätten nur 10 v.H. als Sonderausgaben berücksichtigt werden können, da auch nur 10 v.H. des von der X-AG bezogenen Gehalts des Kl als im Inland steuerpflichtig angesetzt worden seien.

Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 25. Mai 2007 erhob der Kl Klage. Zur Begründung ließ er im Wesentlichen vortragen, die gesamten Einkünfte aus seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der XAG seien gemäß Art. 4 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit (i.V.m.) Art. 24 Abs. 1 Nr. 1d, Art. 15 Abs. 4 DBACH, § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG in Deutschland unter Progressionsvorbehalt von der Einkommensbesteuerung freizustellen. Zur Begründung bezog sich der Kl auf die Urteile des Finanzgerichts Köln vom 24. Mai 2004 10 K 494/2000, EFG 2005, 22 sowie des BFH vom 25. Oktober 2006 I R 81/04. Hiernach werde die Tätigkeit eines in Deutschland ansässigen leitenden Angestellten für eine schweizerische Kapitalgesellschaft, die unter Art. 15 Abs. 4 DBA-CH falle, auch dann im Sinne von Art. 15 Abs. 4, Art. 24 Abs. 1 Nr. 1d DBA-CH "in der Schweiz ausgeübt", wenn sie tatsächlich überwiegend außerhalb der Schweiz verrichtet werde. Die beiden genannten Urteile könnten sich dabei auf eine langjährige ständige Rechtsprechung des BFH stützen, wobei der Kl auf die Entscheidung des großen Senats des BFH vom 15. November 1971, GrS 1/71, BStBl II 1972, 68, das BFH-Urteil vom 5. Oktober 1994 I R 67/93, BStBl II 1995, 95 und den BFH-Beschluss vom 15. Dezember 1998 I B 45/98, BFH/NV 1999, 751 hinweise. Nach den zitierten Urteilen scheide ein Besteuerungsrecht Deutschlands hinsichtlich der Einkünfte eines leitenden Angestellten einer schweizerischen Gesellschaft aus, und zwar auch bzw. selbst dann, wenn und soweit die Tätigkeit überwiegend außerhalb der Schweiz ausgeübt werde. Das FG Köln und der BFH hätten maßgeblich darauf abgestellt, dass Art. 15 Abs. 4 DBA-CH eine Fiktion des Tätigkeitsortes enthalte. Wegen dieser Fiktion gelte die Tätigkeit eines leitenden Angestellten nach Ansicht des FG Köln und des BFH als im Staat der Ansässigkeit der Kapitalgesellschaft, im Streitfall also in der Schweiz, ausgeübt. Folge sei die Anwendung des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1d DBA-CH, wonach Deutschland die Einkünfte unter Progressionsvorbehalt freistelle, da die Arbeit aufgrund der Fiktion von Art. 15 Abs. 4 DBA-CH als in der Schweiz ausgeübt gelte und dort auch besteuert worden sei. Wegen des weiteren Vorbringens des Kl wird auf seinen schriftsätzlichen Vortrag Bezug genommen.

Der Kl beantragt sinngemäß,

den geänderten ESt-Bescheid für das Jahr 2002 vom 26. April 2007 dahingehend abzuändern, dass alle Einkünfte, die der Kl von der X-AG Schweiz AG bezogen hat, unter Berücksichtigung von dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünften in Höhe von 126.123 EUR von der inländischen Besteuerung freigestellt werden und die ESt somit auf 2.996 EUR festgesetzt wird, hilfsweise den geänderten ESt-Bescheid für das Jahr 2002 vom 26. April 2007 dahingehend abzuändern, dass die auf die streitgegenständlichen Einkünfte entfallenden schweizerischen Steuern in Höhe von 1.446,76 EUR angerechnet werden und die festzusetzende ESt um diesen Betrag vermindert wird, die Beiziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären, hilfsweise für den Fall des Unterliegens im Hauptantrag die Revision zuzulassen.

Der Bekl beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er erwidert, der Kl beziehe sich zu Unrecht auf das BFH-Urteil vom 25. Oktober 2006 I R 81/07, da sich der streitgegenständliche Sachverhalt von dem Sachverhalt, der dem genannten BFH-Urteil zugrundeliege, unterscheide. Der BFH habe über einen Fall entschieden, bei dem der Kl abkommensrechtlich in Deutschland ansässig gewesen sei. Der Kl habe jedoch sowohl einen Wohnsitz in Deutschland als auch in der Schweiz und sei in beiden Staaten unbeschränkt steuerpflichtig. Ansässig im Sinne des Art. 4 Abs. 2 DBA-CH sei er in der Schweiz, weil sich dort sein Lebensmittelpunkt befinde. Art. 15 Abs. 4 DBA-CH greife daher nicht ein. Denn diese Norm regle die Besteuerung, wenn eine Person in einem anderen Staat ansässig sei als die Kapitalgesellschaft. Der Kl sei der Auffassung, dass Art. 15 Abs. 4 DBA-CH, der das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Einkünfte leitender Angestellter regle, eine Fiktion des Arbeitsorts leitender Angestellter am Ort der Ansässigkeit der beschäftigenden Kapitalgesellschaft enthalte und auch für die Auslegung des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1d DBA-CH gelte. Die deutsche Steuerverwaltung sei hingegen der Meinung, dass Art. 24 Abs. 1 Nr. 1d DBA-CH nach dessen eindeutigem Wortlaut so zu verstehen sei, dass lediglich Einkünfte aus der physisch in der Schweiz ausgeübten Tätigkeit von der deutschen Steuer freizustellen seien. Die Regelung des Besteuerungsrechts des Ansässigkeitsstaats der Kapitalgesellschaft in Art. 15 Abs. 4 DBA-CH erfordere keine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung des Begriffs der "Ausübung der Tätigkeit" in Art. 24 Abs. 1 Nr. 1d DBA-CH. Denn Art. 15 Abs. 4 DBA-CH regle ein konkurrierendes und kein ausschließliches Besteuerungsrecht des Unternehmensstaats. Da Art. 24 Abs. 1 Nr. 1d DBA-CH voraussetze, dass die Arbeit in der Schweiz ausgeübt werde, und diese Voraussetzung nicht erfüllt sei, seien die streitgegenständlichen Einkünfte im Inland zu versteuern.

Die Beteiligten haben sich im Erörterungstermin vom 30. April 2008 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der geänderte ESt-Bescheid vom 26. April 2007 ist rechtswidrig und verletzt den Kl in seinen Rechten.

Die Einkünfte, die der Kl von der X-AG für seine Tätigkeit in solchen asiatischen Staaten bezogen hat, mit denen die Bundesrepublik Deutschland keine DBA abgeschlossen hat, sind im Inland steuerfrei und nur im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen.

Nach Art. 4 Abs. 3 Satz 1 DBA-CH kann die Bundesrepublik Deutschland eine natürliche Person ungeachtet anderer Bestimmungen dieses Abkommens nach den Vorschriften über die unbeschränkte Steuerpflicht besteuern, wenn diese Person, die in der Bundesrepublik Deutschland über eine ständige Wohnstätte verfügt oder dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt von mindestens sechs Monaten im Kalenderjahr hat, nach Absatz 2 als in der Schweiz ansässig gilt. Nach Art. 4 Abs. 3 Satz 2 DBA-CH wendet die Bundesrepublik Deutschland jedoch Art. 24 Absatz 1 Nr. 1 DBA-CH auf die dort genannten, aus der Schweiz stammenden Einkünfte und in der Schweiz belegenen Vermögenswerte an.

Nach Artikel 24 Abs. 1 Nr. 1 DBA-CH wird bei einer Person, die in der Bundesrepublik Deutschland ansässig ist, die Doppelbesteuerung wie folgt vermieden:

Von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer werden die folgenden aus der Schweiz stammenden Einkünfte, die nach den vorstehenden Artikeln in der Schweiz besteuert werden können, ausgenommen:

a) ...

b) ...

c) ...

d) Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen im Sinne des Artikels 15, soweit sie nicht unter Artikel 17 fallen, vorausgesetzt, die Arbeit wird in der Schweiz ausgeübt.

Zwar steht der Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 4 Abs. 3 Satz 1 DBA-CH das grundsätzliche Recht zu, den Kl nach den Vorschriften über die unbeschränkte Steuerpflicht zu besteuern. Denn er unterhielt im Streitjahr jedenfalls ab November 2002 sowohl in der Schweiz als auch in der Bundesrepublik Deutschland eine ständige Wohnstätte im Sinne des Art. 4 Abs. 2 lit. a) DBA-CH, hatte im Streitjahr aufgrund seiner von ihm geschilderten erheblichen persönlichen Beziehungen zur Schweiz dort seinen Mittelpunkt der Lebensinteressen und gilt deshalb für das Streitjahr gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. a) Satz 2 DBA-CH als in der Schweiz ansässig. Dies ist auch zwischen den Beteiligten unstreitig.

Die streitgegenständlichen Einkünfte des Kl sind jedoch gemäß Art. 4 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1d DBA-CH im Inland steuerfrei und nur im Wege des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen. Denn diese Einkünfte können gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1d DBA-CH grundsätzlich in der Schweiz versteuert werden und wurden - wie der Kl unter Vorlage der schweizerischen Steuerbescheide unter Beweis gestellt hat - auch tatsächlich in der Schweiz versteuert. Auch hat der Kl die Tätigkeit, die dem Erhalt dieser Einkünfte in Höhe von - unstreitig zutreffend geschätzten - 6.000 EUR zugrunde lag, im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1d DBA-CH "in der Schweiz ausgeübt".

Nach der Rechtsprechung des BFH wird die Tätigkeit eines in Deutschland ansässigen leitenden Angestellten für eine schweizerische Kapitalgesellschaft, die unter Art. 15 Abs. 4 DBA-CH fällt, auch dann im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1d DBA-CH "in der Schweiz ausgeübt", wenn sie tatsächlich überwiegend außerhalb der Schweiz verrichtet wird (BFH-Urteil vom 25. Oktober 2006 I R 81/04, BFHE 215, 237; BFH/NV 2007, 593). Bei der Anwendung des DBA-CH hatte sich in langjähriger Rechtsprechung und Praxis der Grundsatz herausgebildet, dass die Tätigkeit von Direktoren und Geschäftsführern einer Kapitalgesellschaft am Ort des Sitzes der Gesellschaft "ausgeübt" werde, sofern sie nicht lediglich im Ausland sich auswirkende Aufgaben umfasst (vgl. BFH-Urteil vom 12. August 1960 VI 300/58 S, BFHE 71, 514, BStBl III 1960, 441 m.w.N.; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 15. November 1971 GrS 1/71, BFHE 103, 433, BStBl II 1972, 68; BFH-Urteil vom 5. Oktober 1994 I R 67/93, BFHE 175, 424, BStBl II 1995, 95; BFH-Urteil vom 25. Oktober 2006 I R 81/04, BFHE 215, 237, BFH/NV 2007, 593 m.w.N.). Denn die Zuweisung des Besteuerungsrechts in Art. 15 Abs. 4 DBA-CH 1992 (vormals Art. 15 Abs. 5 DBA-CH) spiegelt erkennbar die Vorstellung des Gesetzgebers wider, dass ein leitender Angestellter seine Leitungstätigkeit regelmäßig am Ort der Ansässigkeit der Kapitalgesellschaft ausübt (BFH-Urteil vom 25. Oktober 2006 I R 81/04, BFHE 215, 237, BFH/NV 2007, 593 m.w.N.).Art. 15 Abs. 4 DBA-CH enthält daher für seinen Anwendungsbereich eine Fiktion des Tätigkeitsortes. Diese Bedeutung des Art. 15 Abs. 4 DBA-CH als Fiktion des Tätigkeitsortes muss auch bei der Auslegung des Art. 24 Abs. 1 DBACH berücksichtigt werden (BFH-Urteil vom 25. Oktober 2006 I R 81/04, BFHE 215, 237, BFH/NV 2007, 593 m.w.N.).

Ausgehend von diesen Erwägungen, denen der Senat folgt, wird die Tätigkeit eines leitenden Angestellten einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in der Schweiz, der nicht in Deutschland, sondern wegen des Mittelpunkts seiner Lebensinteressen gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. a) DBA-CH als in der Schweiz ansässig gilt, in der Schweiz ausgeübt. Dies ergibt sich aus dem dargestellten Grundsatz, der sich zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung entwickelt hat, wonach die Tätigkeit eines leitenden Angestellten einer Kapitalgesellschaft grundsätzlich als am Sitz der Kapitalgesellschaft als ausgeübt gilt. Die Erwägungen, die der Einführung des Art. 15 Abs. 4 DBA-CH 1992 (vormals Art. 15 Abs. 5 DBA-CH) sowie der dargestellten Rechtsprechung des BFH zugrunde liegen, sind auf den im Streitfall gegebenen Sachverhalt erst recht anzuwenden. Denn es wäre nicht einzusehen, weshalb die Einkünfte eines Steuerpflichtigen im Sinne des Art. 15 Abs. 4 DBA-CH, der als leitender Angestellter einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in der Schweiz tätig ist, dessen Mittelpunkt der Lebensinteressen im Sinne des Art. 4 Abs. 2 lit. a) Satz 2 DBACH sich aber in Deutschland befindet und der deshalb nach dieser Regelung als in Deutschland ansässig gilt, nach Art. 15 Abs. 4 DBA-CH i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1d DBA-CH in der Schweiz versteuert werden, während er dann, wenn er den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen - wie im Streitfall der Kl - in der Schweiz und somit einen noch stärkeren Bezug zur Schweiz hat, diese Einkünfte in Deutschland versteuern müsste.

Da die streitigen Einkünfte in Höhe von 6.000 EUR hiernach von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen sind, sind sie gemäß Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 i.V.m. § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen. Gleichermaßen im Rahmen des Progressionsvorbehalts anzusetzen war ein weiterer Betrag von 6.000 EUR, den der Bekl bislang zu Unrecht gänzlich unberücksichtigt gelassen hat. Hierbei handelt es sich um den Betrag, um den der ursprüngliche - mit 12.000 EUR geschätzte - Ansatz der Einkünfte des Kl, die er von der X-AG für Tätigkeiten in solchen asiatischen Staaten erhalten hat, mit denen die Bundesrepublik Deutschland keine DBA geschlossen hat, im Rahmen der Einspruchsentscheidung auf - ebenfalls geschätzte - 6.000 EUR reduziert wurde. Eine dieser Reduzierung der im Inland zu versteuernden Einkünfte korrespondierende Erhöhung des Betrags, der im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen ist, wurde vom Bekl indes nicht vorgenommen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3; 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11; 711 bzw. 709 Zivilprozessordnung (ZPO).

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

Die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig zu erklären, da dem Verfahren ein Sachverhalt zugrunde lag, der in rechtlicher Hinsicht nicht von vornherein als einfach zu beurteilen war und die fachkundige Geltendmachung des Begehrens des Kl die Vertretung durch einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe deshalb erfordert hat.



Ende der Entscheidung

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