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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 12.10.2005
Aktenzeichen: 5 K 456/03
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1
EStG § 62
EStG § 63 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Finanzrechtsstreit

hat der 5. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg in der Sitzung vom 12. Oktober 2005 durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ... Richter am Finanzgericht ... Richterin am Finanzgericht ... Ehrenamtliche Richterin ... Ehrenamtlicher Richter ...

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der am 29. August 1979 geborene Sohn - X - des Klägers besuchte die Schule für ..., die er mit Ablegen der Fachhochschulreife zum 26. Juli 2000 verließ. Nach Anerkennung als Wehrdienstverweigerer trat er aufgrund des Einberufungsbescheides vom 14. November 2000 den Zivildienst an seiner Dienststelle ... am 01. März 2001 an. In der Zwischenzeit hatte sich - X - mit ca. 150 Bewerbungsschreiben erfolglos um einen Arbeitsplatz bemüht, sich aber nicht beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet.

Den Antrag auf Zahlung von Kindergeld für den Zeitraum August 2000 bis Februar 2001 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 31. Juli 2003 ab.

Mit seiner nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend, sein Sohn sei im streitigen Zeitraum arbeitslos gewesen und habe der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden. Er habe in der maßgeblichen Zeit bei seinen Eltern gewohnt, sei dort für die Arbeitsvermittlung zu erreichen und auch bereit gewesen, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen. Ca 150 Bewerbungsschreiben dokumentierten dies. Der Beginn des Zivildienstes sei nicht planbar gewesen. Ein Kind, dessen Einberufung zum Zivildienst kurz bevorstehe, sei - wie der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Gerichtsbescheid vom 15. Juli 2003 VIII R 56/00 anerkannt habe - trotz Arbeitslosigkeit schwer vermittelbar. Dieses Risiko der Vermittelbarkeit trage jedoch die Agentur für Arbeit, also die hiesige Beklagte.

Außerdem werde gemäß § 2 Abs. 2 und 3 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) Kindergeld auch nach Vollendung des 21. Lebensjahrs gezahlt, wenn das Kind vor Vollendung des 21. Lebensjahrs arbeitslos im Sinne des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) gewesen sei oder sich vor Vollendung des 27. Lebensjahrs in Berufsausbildung oder in einer Übergangszeit befunden habe. Somit seien die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) erfüllt.

Im Übrigen habe sein Sohn keinen Einfluss auf den Zeitpunkt der Anerkennung als Wehrdienstverweigerer gehabt. Er habe jederzeit mit einer Einberufung rechnen müssen. Angesichts des Ungewissen Zeitpunkts des Beginns des Zivildienstes habe sich - X - nach dem Ende der Schulausbildung weder arbeitslos noch bei der Berufsberatung melden können. Aus diesem Grund führe die Berufung auf die Begrenzung des Vier-Monatszeitraums in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b EStG zu einer einseitigen Benachteiligung eines Kindes, dessen Übergangszeit sich durch die verzögerte Einberufung durch das Bundesamt für den Zivildienst ohne sein Verschulden verlängert habe. Eine Begrenzung der Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten auf vier Monate stelle damit eine unzulässige Rechtsausübung dar.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 31. Juli 2003 und die Einspruchsentscheidung vom 17. September 2003 dahingehend zu ändern, dass Kindergeld für den Sohn - X - von August 2000 bis Februar 2001 gewährt wird.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, der Sohn des Klägers könne nicht als arbeitslos im Sinne des SGB III berücksichtigt werden, da er weder bei der Arbeitsvermittlung noch bei der Berufsberatung gemeldet gewesen sei. Ein Anspruch auf Kindergeld bestehe nur ab dem Zeitpunkt, an dem das Kind persönlich bei der zuständigen Arbeitsvermittlung ein Bewerberangebot abgegeben habe und der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehe. Eine Arbeitslosmeldung sei jedoch nicht erfolgt. Es liege auch keine Bestätigung der Arbeitsvermittlung des Arbeitsamts vor. Das selbständige Bewerben um einen Arbeitsplatz ohne Einschaltung des Arbeitsamts sei nicht ausreichend. Im Übrigen habe - X - das 21. Lebensjahr im August 2000 vollendet, so dass für die Monate ab September 2000 ein Anspruch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG bereits aus diesem Grunde ausscheide. Nachweise für eine Ausbildungsplatzsuche seien ebenfalls nicht vorgelegt worden. Eine unvermeidliche Wartezeit, die länger als vier Monate dauere, könne auch nicht als Übergangszeit zwischen einem Ausbildungsabschnitt und dem Zivildienst anerkannt werden, da diese Wartezeit gesetzlich auf vier Monate begrenzt sei.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Dem Kläger steht für seinen Sohn - X - für die Monate August 2000 bis Februar 2001 kein Kindergeld gem. §§ 62, 63 Abs. 1 i.V.m. 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 Buchst. b und c EStG zu.

1) Ein Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG, nämlich dass das Kind das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und arbeitslos im Sinne des SGB III ist, scheitert für die Monate September 2000 bis Februar 2001 bereits daran, dass der Sohn des Klägers am 29. August 2000 das 21. Lebensjahr vollendet hat.

Weiter fehlt es für den Monat August 2000 an der zweiten Voraussetzung der Vorschrift, da - X - nicht arbeitslos im Sinne des SGB III war. Zwar hat sich - X - in den Monaten nach Abschluss des Zivildienstes eigenständig um verschiedene Arbeitsstellen erfolglos bemüht. Diese Bemühung genügt jedoch nicht den Anforderungen, die das SGB III in der für den streitigen Zeitraum gültigen Fassung an das Merkmal Arbeitslosigkeit stellt. Erforderlich ist hierfür nach § 119 Abs. 1 Nr. 3 SGB III, dass er den "Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamts zur Verfügung" stand. Um in diesem Sinne zur Verfügung zu stehen, hätte er sich nach § 122 Abs. 1 SGB III persönlich beim zuständigen Arbeitsamt arbeitslos melden müssen. Eine solche Meldung ist unstreitig nicht erfolgt.

An diesem Ergebnis ändert sich dadurch nichts, dass Philipps Einberufung zum Zivildienst kurz bevorstand und damit eine Arbeitslosmeldung "sinnlos" gewesen wäre. Wie der BFH (Beschluss vom 15. Juli 2003 VIII R 56/00, BStBl II 2004, 104) ausführt, trägt die Agentur für Arbeit zwar das Risiko einer schweren Vermittelbarkeit im Falle einer kurz bevorstehenden Einberufung. Dies setzt allerdings voraus, dass die Agentur für Arbeit davon auch erfährt. Daran fehlt es hier. - X - hatte sich bei ihr eben nicht arbeitslos im Sinne des SGB III gemeldet.

Der Kläger kann sich im Übrigen auch nicht auf § 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 3 BKGG bzw. auf den dieser Vorschrift entsprechenden § 32 Abs. 5 EStG berufen, der für die Dauer des Zivildienstes eine Berücksichtigung über das 21. Lebensjahr hinaus vorsieht, sofern das Kind den Zivildienst bis zur Vollendung des 21. Lebensjahrs geleistet hat. Phillip hatte seinen Zivildienst jedoch erst im Anschluss an seine Arbeitslosigkeit nach Vollendung des 21. Lebensjahrs und nicht davor geleistet.

2) Der Kläger kann Kindergeld auch nicht nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG erhalten. - X - befand sich nicht in einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten von höchstens vier Monaten. Die Ableistung des Zivildienstes ist grundsätzlich kein solcher Ausbildungsabschnitt (Urteil des BFH vom 16. März 2004 VIII R 86/02, BFH/NV 2004, 1242 f.; Beschluss des BFH vom 25. März 2004 III B 105/03, BFH/NV 2004, 961). Mit dem Zivildienst wird in aller Regel kein konkreter Beruf angestrebt. Vielmehr dient er gemäß § 1 des Zivildienstgesetzes dem Allgemeinwohl. Dass sich - X - mit dem Zivildienst auf einen konkreten Beruf vorbereitet hat, ist weder vorgetragen noch sind Umstände hierfür ersichtlich.

Selbst wenn die Vorschrift auf eine solche Übergangszeit zwischen einem Ausbildungsabschnitt und dem Zivildienst in erweiternder Auslegung (so die Finanzverwaltung, vgl. R 180 a der Einkommensteuerrichtlinien 2001) anzuwenden wäre, käme sie im vorliegenden Fall nicht zum Tragen, weil sie nur eine Übergangszeit von vier Monaten begünstigt. Dieser Zeitraum ist vorliegend mit sieben Monaten zwischen dem Ende der Schulausbildung und dem Beginn des Zivildienstes überschritten.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Ursache für das Überschreiten nicht in der Sphäre des Klägers und seines Sohnes lag, sie also nicht damit rechnen mussten und das Überschreiten nicht zu vertreten hatten. Der eindeutige Wortlaut des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG stellt auf das Vorliegen einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten ab, ohne insoweit subjektive Tatbestandsmerkmale wie Verschulden heranzuziehen. Diese gesetzliche Grenze kann daher auch nicht dadurch außer Acht gelassen werden, dass sich die Wartezeit ohne Verschulden des Kindes verzögert (Urteile des BFH vom 24. August 2004 VIII R 101/03, BFH/NV 2005, 198 f.; vom 16. März 2004 VIII R 86/02, BFH/NV 2004, 1242 f.; vom 15. Juli 2003 VIII R 78/99, BFHE 203, 90).

3) Schließlich ist auch § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG, nämlich dass eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatz nicht begonnen oder fortgesetzt werden kann, nicht erfüllt. Diese Vorschrift setzt als subjektives Tatbestandsmerkmal voraus, dass es dem Kind trotz ernsthafter Bemühungen nicht gelungen sein darf, einen Ausbildungsplatz zu finden (Jachmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Kommentar zum EStG, § 32 EStG, Rdnr. C 26; Kanzler in Hermann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG und Körperschaftsteuergesetz, § 32 EStG, Anm. 104). - X - hat sich aber im streitigen Zeitraum nicht ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht, sondern sich nur erfolglos um einen Arbeitsplatz beworben. Nachweise über eine Ausbildungsplatzsuche konnte er nicht vorlegen.

Das Warten auf den Zivildienst selbst ist nicht als Warten auf einen Ausbildungsplatz zu qualifizieren. Die Ableistung des Zivildienstes ist - wie bereits erwähnt - keine Berufsausbildung im Sinne dieser Vorschrift (Urteile des BFH vom 24. August 2004 VIII R 101/03, a.a.O.; vom 16. März 2004 VIII R 86/02, a.a.O.). Sie ist mangels einer Regelungslücke auch nicht analog anzuwenden.

4) Da die Klage somit keinen Erfolg hat, hat der Kläger die Kosten des Verfahrens gem. § 135 Abs. 1 FGO zu tragen.

Ende der Entscheidung

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