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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 11.12.2006
Aktenzeichen: 6 K 214/05
Rechtsgebiete: StraBEG, AO 1977


Vorschriften:

StraBEG § 4 Abs. 2
StraBEG § 7 S. 1 Nr. 3
StraBEG § 10 Abs. 2 S. 1
StraBEG § 10 Abs. 3 S. 1
AO 1977 § 371
AO 1977 § 378
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

6 K 214/05

Tatbestand:

Streitig ist die Wirksamkeit einer Strafbefreiungserklärung.

Die Klägerin ist als einzige Tochter Rechtsnachfolgerin der Eheleute X, die 2004 bzw. 2005 verstorben sind. Frau X war Eigentümerin des bebauten und vermieteten Grundstücks ............. in K und erzielte daraus Mieteinnahmen. Im Übrigen bezogen die Eheleute Rente und eine Pension. Die Eheleute waren steuerlich nicht erfasst und gaben keine Steuererklärungen ab.

Am 1. März 2004 reichten die Eheleute X die Einkommensteuererklärungen für die Kalenderjahre 1997 bis 1999 beim Finanzamt K ein.

Am 8. März 2004 sprach der Klägervertreter beim zuständigen Sachgebietsleiter beim Beklagten vor und legte eine strafbefreiende Erklärung der Frau AX vor, in der sie nicht erklärte Mieteinnahmen aus dem Grundstück für die Jahre 1993 bis 1999 in Höhe von jährlich EUR 19.467,-- angab und daraus (EUR 136.269 x 60% x 25%) eine Steuerschuld in Höhe von EUR 20.441,-- errechnete.

Am 15. März 2004 wurde die Erklärung berichtigt und eine Steuerschuld für 1993 bis 1999 in Höhe von EUR 18.012,-- errechnet, die gleichzeitig mit Scheck bezahlt wurde. Der Beklagte hat mit Bescheid vom 24. Mai 2004 gegenüber den Eheleuten die Festsetzung nach den Regelungen des Strafbefreiungserklärungsgesetz (StraBEG) für die Jahre 1997 bis 1999 aufgehoben. Die StraBEG-Erklärung sei für die Jahre 1993 bis 1996 wirksam, nicht aber für die Jahre 1997 bis 1999, weil zuvor durch die Abgabe der Steuererklärungen Selbstanzeige erstattet worden sei, die die Abgabe einer Strafbefreiungserklärung ausschließe.

Mit Bescheiden vom 4. Juni 2004 wurde vom Beklagten die Einkommensteuer für die Jahre 1997 bis 1999 entsprechend der eingereichten Steuererklärung gegenüber den Eheleuten festgesetzt.

Am 5. Juni 2004 erhob der Klägervertreter für die Eheleute Einspruch gegen die Aufhebung der Steuerfestsetzung nach dem StraBEG und am 14. Juni 2004 Einspruch gegen die Einkommensteuerbescheide mit der Begründung durch die StraBEG-Erklärung sei die Besteuerung der Vermietungseinkünfte abgegolten. Diese dürften in den Steuerbescheiden nicht angesetzt werden.

Mit Bescheid vom 28. April 2005 wurde die Aufhebung der StraBEG-Festsetzung vom 24. Mai 2004 aus formalen Gründen aufgehoben, weil die StraBEG-Erklärung nur von Frau AX abgegeben worden war und die Aufhebung an die Eheleute X erging. Mit Bescheid vom 2. Mai 2005 wurde die Aufhebung der StraBEG-Festsetzung gegenüber den Rechtsnachfolgern der A X (V X und Frau Y, der Klägerin) wiederholt. Am 10. Mai 2005 wurde der Einspruch namens und im Auftrag der Rechtsnachfolger der Frau AX erneut eingelegt.

Der Einspruch gegen den Bescheid über die Aufhebung der StraBEG-Festsetzung wurde mit Einspruchsentscheidung vom 13. Juni 2005 zurückgewiesen. Auf diese Entscheidung wird verwiesen. Dagegen legte der Klägervertreter für die Klägerin (nachdem inzwischen VX am 10. Juni 2005 verstorben war) am 6. Juli 2005 Klage ein als Rechtsnachfolgerin der AX und des V X.

Zur Begründung trägt der Klägervertreter vor, die Aufhebung der StraBEG-Festsetzung sei schon deshalb rechtswidrig, weil diese bestandskräftig sei. Am 24. Mai 2004 habe die StraBEG-Festsetzung vom 15. März 2004, die gemäß § 10 Abs. 2 StraBEG einer Festsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehe, nicht mehr geändert oder aufgehoben werden können. Eine Änderungsvorschrift der Abgabenordnung greife nicht ein. Ein nachträgliches Bekanntwerden von Tatsachen oder Beweismitteln liege nicht vor, nachdem bereits am 8. März 2004 auf die abgegebenen Steuererklärungen hingewiesen worden sei.

Die StraBEG-Erklärung sei vor der Selbstanzeige eingegangen, weil beim zuständigen Sachbearbeiter oder Sachgebietsleiter die StraBEG-Erklärung am 8. März 2004 persönlich abgegeben worden sei und diesen zum damaligen Zeitpunkt die am 1. März 2004 beim Finanzamt abgegebenen Steuererklärungen für die Jahre 1997 bis 1999 nicht vorlagen. Die Selbstanzeige sei erst wirksam, wenn sie dem zuständigen Amtsträger vorliege. Davon gehe sowohl § 7 Satz 1 Nr. 3 StraBEG als auch § 371 AO aus, die im Wortlaut identisch seien. Daher sei die Abgabe einer StraBEG-Erklärung nicht durch vorangegangene Selbstanzeige gem. § 7 Satz 1 Nr. 3 StraBEG unzulässig geworden.

Abgesehen davon, sei die Selbstanzeige vom 1. März 2004 am 8. März 2004 durch die Abgabe der StraBEG-Erklärung zurückgenommen worden. Eine Änderung oder Rücknahme einer Steuererklärung sei bis zur bestandskräftigen Steuerfestsetzung nach der Abgabenordnung jederzeit möglich. Jedenfalls könne die Willenserklärung noch zurückgenommen werden, solange sie noch nicht beim Zuständigen als Erklärungsempfänger eingegangen sei. Damit seien die Wirkungen der Selbstanzeige durch die StraBEG-Erklärung entfallen, auch die Sperrwirkung gegenüber der StraBEG-Erklärung.

Im Übrigen verstoße der Beklagte in besonders grobem Maße gegen das Gebot von Treu und Glauben, wenn und soweit er die Erklärung nach dem StraBEG entgegennehme und bearbeite in voller Kenntnis, dass zuvor bereits eine Selbstanzeige gefertigt worden war.

Gem. § 10 Abs. 3 Satz 2 StraBEG dürfe die Steuerfestsetzung auf Grund einer StraBEG-Erklärung nicht mehr geändert werden, wenn die Steuerstraftaten oder Ordnungswidrigkeiten aus anderen Gründen nicht mehr geahndet werden könnten. Auch ohne StraBEG-Erklärung wären die Verkürzungen der Steuern 1997 bis 1999 im Jahr 2004 nicht mehr zu ahnden gewesen. Vorsätzliche Steuerhinterziehung könne man den sehr alten und kranken Eheleuten X nicht vorwerfen und als Ordnungswidrigkeit sei Strafverfolgungsverjährung eingetreten. Eine Änderung oder Aufhebung der StraBEG-Festsetzung sei nur vorgesehen, wenn wegen verspäteter bzw. Nichtzahlung keine Straffreiheit eingetreten sei (TZ 12.4 des Merkblatts zur Anwendung des StraBEG, laut BMF Schreiben vom 3. Februar 2004, Bundesteuerblatt -BStBl- I 2004, 225, 235). Im vorliegenden Fall sei die Straffreiheit weder durch die StraBEG-Erklärung eingetreten noch durch verspätete Zahlung entfallen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 2. Mai 2005 über die Aufhebung der Steuerfestsetzung nach dem StraBEG in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Juni 2005 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf die Einspruchsentscheidung vom 13. Juni 2005 und trägt ergänzend vor, die Selbstanzeige sei vor der strafbefreienden Erklärung eingereicht worden. Es komme nicht auf die Kenntnisnahme durch den zuständigen Amtsträger an, sondern auf den Zeitpunkt des Eingangs bei der Finanzbehörde (§ 371 Abs. 1 AO). Damit sei eine strafbefreiende Erklärung gem. § 7 Satz 1 Nr. 3 StraBEG ausgeschlossen gewesen. Das gelte auch dann, wenn die Selbstanzeige unwirksam geblieben wäre. Nach § 10 Abs. 3 StraBEG sei die Festsetzung nach dem StraBEG zurecht aufgehoben worden. Auf Grund der Selbstanzeige musste die Steuerfestsetzung vorrangig erfolgen. Die Festsetzungsfrist betrage gem. § 370 in Verbindung mit § 169 und 170 Abs. 2 Nr. 1 AO 10 Jahre.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Es besteht ein Rechtschutzbedürfnis für die Entscheidung über die Wirksamkeit einer StraBEG-Erklärung, weil die Wirkung der Erklärung für die Verwertbarkeit der Taten in allen Veranlagungsjahren und allen Tatbeteiligten gegenüber (§ 4 Abs. 2 StraBEG) einheitlich zu klären ist.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Der Beklagte hat zurecht die StraBEG-Festsetzung mit Bescheid vom 2. Mai 2005 aufgehoben. Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG ist die mit Abgabe der StraBEG-Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung aufzuheben oder zu ändern, soweit nach diesem Gesetz keine Straf- oder Bußgeldfreiheit eintritt.

Die von der Mutter der Klägerin am 8. März 2004 abgegebene StraBEG-Erklärung hat für die Jahre 1997 bis 1999 zu keiner Straf- oder Bußgeldfreiheit nach dem StraBEG geführt. Diese Straf- oder Bußgeldfreiheit ist gem. § 7 Satz 1 Nr. 3 StraBEG ausgeschlossen, soweit vor Eingang der StraBEG-Erklärung die unrichtigen oder unvollständigen Angaben bei der Finanzbehörde bereits berichtigt, ergänzt oder unterlassene Angaben bereits nachgeholt worden sind.

Die unterlassenen Angaben für die Jahre 1997 bis 1999 waren von den Eheleuten bereits durch die Abgabe der Steuererklärung für diese Jahre am 1. März 2004 nachgeholt worden. Damit konnte am 8. März 2004 keine wirksame StraBEG-Erklärung für diese Jahre eingereicht werden. Sie hatten die Wahl zwischen Selbstanzeige oder StraBEG-Erklärung. Sie haben sich für die Selbstanzeige entschieden. Damit ist die StraBEG-Erklärung ausgeschlossen.

Soweit der Klägervertreter geltend macht, die StraBEG-Erklärung sei bestandskräftig geworden und daher nicht mehr zu ändern oder aufzuheben gewesen, kann dem der Senat nicht folgen. Zwar führt die Abgabe einer StraBEG-Erklärung gem. § 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG zu einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung. Dies schließt gerade keine Aufhebung oder Änderung nach § 10 Abs. 3 StraBEG aus, wie sie im vorliegenden Fall erfolgt ist. Die strafbefreiende Wirkung ist im vorliegenden Fall nicht eingetreten, weil dem Beklagten der Tatbestand "Erzielung von Vermietungseinkünften in den Jahren 1997 bis 1999" bereits durch die Steuererklärung vom 1. März 2004 (Selbstanzeige) bekannt war (§ 7 Satz 1 Nr. 3 StraBEG). Der Eingang der Erklärung bei der zuständigen Finanzbehörde entfaltet diese Rechtswirkung. Für die Abgabe der Selbstanzeige ist ebenso wie für jede Steuererklärung und für die StraBEG-Erklärung auf den Zeitpunkt des Zugangs beim zuständigen Finanzamt abzustellen (vgl. Jesse/Greunich Finanzrundschau -FR- 2004, 497; Schwedhelm/Spatschek Deutsches Steuerrecht 2004, 109, 112). "Tatendeckung" setzt eine Kenntnislage der Finanzverwaltung voraus, in der mit einiger Wahrscheinlichkeit mit einer Verwertung zu rechnen ist (vgl. Kamps/Wulf FR 2004, 121, 127; Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 371 AO, Rdn 211, 212). Das setzt nicht voraus, dass der zuständige Sachbearbeiter selbst bereits Kenntnis genommen hat. Im vorliegenden Fall war durch die Abgabe der Steuererklärungen am 1. März 2004 damit zu rechnen, dass die zuständige Stelle die Angaben verwerten und entsprechende Steuerbescheide erlassen wird. Damit war Strafbefreiung durch Selbstanzeige eingetreten, aber nicht nach dem StraBEG.

Die Selbstanzeige konnte nicht zurückgenommen werden. Eine Selbstanzeige kann nicht durch nachträgliche ergänzende Angaben nach amtlichem Vordruck zur strafbefreienden Erklärung erweitert werden. Die Selbstanzeige kann auch nicht durch die Anfechtung der Erklärung nach § 119 BGB rückgängig gemacht werden, denn es handelt sich bei der Selbstanzeige nicht nur um eine Willenserklärung sondern um eine Wissenserklärung über Tatsachen, die nicht angefochten oder widerrufen werden können (Niedersächsisches Finanzgericht, Beschluss vom 19. September 2005 3 V 281/05, EFG 2006, 936). Die Eltern der Klägerin haben die tatsächlichen Angaben in der Selbstanzeige nicht widerrufen (vgl. Jöcks in Franzen/Gast/Jöcks, Steuerstrafrecht, § 371 Rz 94). Selbstanzeige nach den §§ 371, 378 AO und StraBEG-Erklärung schließen einander aus. Ist dem Finanzamt der Sachverhalt einmal durch Selbstanzeige bekannt geworden, ist danach eine StraBEG-Erklärung nicht mehr wirksam möglich.

Der Beklagte hat nicht erkennbar gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen. Der Beklagte konnte die StraBEG-Erklärung nicht einfach zurückweisen, nur weil angeblich eine Steuererklärung für Teile der in der StraBEG-Erklärung enthaltenen Lebenssachverhalte bereits abgegeben worden sein soll. Der Beklagte musste die StraBEG-Erklärung wegen der übrigen Teile (für 1993 bis 1996) annehmen und zum Soll stellen und musste die Aufteilung des in der StraBEG-Erklärung berechneten Steuerbetrags einer Prüfung unterziehen. Er musste prüfen, ob und welche Tatsachen bereits durch eine Selbstanzeige bekannt geworden waren. Zweck des § 7 Satz 1 Nr. 3 StraBEG ist es zu verhindern, dass in der Vergangenheit bereits nacherklärte Steueransprüche durch nachgeschobene Amnestieerklärungen noch überholt werden und der Erklärende so die Privilegien des StraBEG in Anspruch nehmen kann (Bergmann/Eickmann, wistra 2004, 372, 375).

Die Klägerin kann sich nicht auf § 10 Abs. 3 Satz 2 StraBEG berufen. Die StraBEG-Festsetzung kann nach dieser Vorschrift aufgehoben werden, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Straf- und Bußgeldfreiheit nach dem StraBEG nicht eintritt, nicht aber wenn sie durch Strafverfolgungsverjährung (nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 Strafgesetzbuch) eingetreten ist. Die Strafverfolgungsverjährung ändert nichts daran, dass eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit vorliegt. Auch wenn strafrechtlich Verjährung eingetreten ist, hindert § 10 Abs. 3 StraBEG nicht die Wirksamkeit einer StraBEG-Erklärung für die Jahre ab 1993 (vgl. Kamp/Wulf FR 2004, 121, 128; Schwedhelm/Spatschek DStR 2004, 109, 115; Krause, wistra 2006, 133, 136). Umgekehrt ist die Sperrwirkung nicht auf Zeiträume beschränkt, die noch nicht verjährt sind (FG München, Urteil vom 31. Mai 2006, 1 K 3948/05, EFG 2006, 1401). Die Eltern der Klägerin haben die Einkommensteuer für die Jahre 1997 bis 1999, ebenso wie für die Vorjahre, für die die StraBEG-Erklärung unstreitig wirksam vorliegt, zumindest leichtfertig hinterzogen, indem sie die erheblichen Einnahmen aus Vermietung, Renten und Pension nicht gegenüber dem Finanzamt erklärt haben. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass zumindest eine leichtfertige Steuerverkürzung vorgelegen hat. Das zeigt sich, weil die Eheleute X 2004 aus eigenem Antrieb über den Klägervertreter eine Selbstanzeige abgegeben haben. Die Voraussetzung des § 10 Abs. 3 Satz 2 StraBEG sind daher nicht gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Bedingungen des StraBEG nicht erfüllt und deshalb tritt keine Straf- oder Bußgeldfreiheit ein. Es geht nicht darum, dass keine Straftat vorgelegen hätte oder dass Strafverfolgungsverjährung eingetreten wäre.

Die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Finanzgerichtsordnung (FGO).



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