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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 09.03.2009
Aktenzeichen: 6 K 304/05
Rechtsgebiete: EigZulG


Vorschriften:

EigZulG § 2
EigZulG § 11 Abs. 5
EigZulG § 15 Abs. 1
EigZulG § 17
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung der Eigenheimzulage für einen Geschäftsanteil an einer Wohnungsbaugenossenschaft.

Die X Wohnungsbaugenossenschaft eG - X - mit Sitz in A wurde mit notarieller Genossenschaftssatzung am... Januar 1998 errichtet. Gegenstand des Unternehmens ist laut Genossenschaftsregister des Amtsgerichts A die Errichtung und der Erwerb von Wohnungen für Mitglieder, die eine Förderung nach § 17 Eigenheimzulagengesetz (EigZulG) erhalten. Danach kann die Genossenschaft Bauten in allen Rechts- und Nutzungsformen bewirtschaften, durch Dritte (als Bauträger) errichten, erwerben, verkaufen, vermitteln und betreuen. Der Kläger ist seit dem 12. Februar 1998 mit Geschäftsanteilen von 10.000 DM in der Mitgliederliste der X verzeichnet (Bl. 9 der Eigenheimzulage-Akten). Die X wurde am 29. April 1999 in das Genossenschaftsregister des Amtsgerichts A eingetragen.

Der Antrag des Klägers auf Eigenheimzulage ab dem Jahr 1998 ging am 23. Juni 1999 beim Beklagten ein; die Einzahlung in Höhe von 10.000 DM war noch in 1998 vorgenommen worden.

Im Bescheid über Eigenheimzulage ab 1998 vom 17. August 1999 wurde Eigenheimzulage für 1998 sowie für die Folgejahre bis einschließlich 2005 in Höhe von jeweils 300 DM festgesetzt.

Am 24. September 2001 ging eine Kontrollmitteilung des Finanzamts B beim Beklagten ein. Die X habe bei ihrer Gründung 1998 noch keinen Wohnungsbestand gehabt, sondern erst im Laufe des Jahres 1998 ein Grundstück erworben. Die Genossenschaft habe seit 1999 keinerlei Aktivitäten betrieben und auch nicht unverzüglich mit einer Investitionstätigkeit begonnen. Daraufhin hob der Beklagte mit Bescheid vom 11. Oktober 2001 die Festsetzung der Eigenheimzulage ab 1998 nach § 11 Abs. 3 Satz 1 EigZulG auf.

Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 24. Oktober 2001, eingegangen beim Beklagten am 25. Oktober 2001, Einspruch ein. Nach § 17 EigZulG sei eine Inanspruchnahme der Eigenheimzulage bereits für die Anschaffung von Geschäftsanteilen möglich. Es komme lediglich darauf an, ob im Zeitpunkt des Erwerbs der Genossenschaftsanteile das Handeln der Genossenschaft auf die Herstellung oder Anschaffung von Wohnungen gerichtet sei. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes sei unerheblich, was zukünftig geschehe. Die weiteren Anforderungen der Finanzverwaltung, insbesondere dass die Genossenschaft unverzüglich mit der Investitionstätigkeit begonnen habe, die Genossenschaft ihr Handeln auf die Herstellung und Anschaffung von Wohnungen ausrichte und die errichteten Wohnungen überwiegend an Genossenschaftsmitglieder überlassen würden, fänden in § 17 EigZulG keine Stütze.

Im Übrigen sei die Genossenschaft nach wie vor erstrebt, Wohnungen herzustellen und anzuschaffen. Lediglich durch das Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) vom 22. Januar 1998 mit dem rechtswidrigen Hinweis, dass innerhalb des Förderungszeitraums eine Eigennutzung einer Genossenschaftswohnung Voraussetzung für die Gewährung der Eigenheimzulage sei, hätten Interessenten davon abgesehen, Genossenschaftsmitglied zu werden, weil ausgeschlossen sei, dass bereits nach 8 Jahren jedem neuen Genossen eine Wohnung zur Verfügung gestellt werden könne. Dadurch sei der Geschäftsbetrieb mangels neuer Mitglieder bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15. Januar 2002 IX R 55/00, Bundessteuerblatt (BStBl) II 2002, 274 behindert gewesen.

Vom 23. Juli 2003 bis zum 12. Januar 2005 wurde bei der X eine steuerliche Betriebsprüfung durchgeführt. Diese gelangte zu dem Ergebnis, dass im Jahr 1998, dem einzigen Jahr, in dem die X eine nennenswerte wirtschaftliche Tätigkeit gezeigt habe, 100% der Einlagen/Guthaben der Mitglieder dazu verwendet worden seien, die Verwaltungskosten zu decken. In den beiden folgenden Jahren seien die Einlagen/Guthaben auch nicht für Investitionen verwendet worden. Diese seien von 1998 bis 2000 nicht mit einer Quote von 2/3 zu wohnungswirtschaftlichen Zwecken verwendet worden.

Daraufhin wurde der Einspruch in der Einspruchsentscheidung vom 30. September 2005 als unbegründet zurückgewiesen. Die Festsetzung der Eigenheimzulage sei nach § 173 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 15 Abs. 1 EigZulG aufzuheben. Es sei nachträglich bekannt geworden, dass das Handeln der X nicht auf die Herstellung oder Anschaffung von Wohnungen ausgerichtet sei. Im Übrigen wird dem Bp- Bericht vom 18. Mai 2005 gefolgt.

Hiergegen richtet sich die Klage vom 20. Oktober 2005. Nach der Gründung im Jahr 1998 hätten mindestens 40 Genossen entweder 5.000 DM oder 10.000 DM einbezahlt. Die Genossenschaft habe 1998 eine Wohnung erworben, die an einen Nichtgenossen vermietet sei. Der eingesammelte Kapitalstock sei verwendet worden für die Anmietung von Büroräumlichkeiten, den Erwerb von Inventar, Bezahlung von Kautionen, Bezahlung des Vorstandes und einer Sekretärin, Vermittlungsprovisionen für Personen, die Genossen geworben hätten. Die X habe den Erwerb von Wohnungen und die Errichtung von Gebäuden zu Wohnzwecken beabsichtigt, um sie dann Genossen zu vermieten.

Im Aufhebungsbescheid sei Eigenheimzulage lediglich nach § 11 Abs. 3 Satz 1 EigZulG aufgehoben worden. Das beklagte Finanzamt sei nicht berechtigt, in der Einspruchsentscheidung andere Rechtsgrundlagen anzuführen. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen des § 173 AO nicht vor. Zum Zeitpunkt der Bewilligung am 17. August 1999 habe es nur eine fremdfinanzierte Wohnung gegeben, die an einen Nichtgenossen vermietet gewesen sei, keine hergestellten oder angeschafften Wohnungen. Schließlich sei auch nicht mehr als 2/3 des Geschäftsguthabens der Genossen und möglicher Aufnahme von Kreditmitteln zu wohnungswirtschaftlichen Zwecken verwendet und auch keine Wohnungen hergestellt oder angeschafft worden.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 11. Oktober 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. September 2005 aufzuheben, hilfsweise für den Fall des ganz oder teilweise Unterliegens Zulassung der Revision.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise für den Fall des ganz oder teilweise Unterliegens Zulassung der Revision.

Die X habe in den Jahren 1999 bis 2005 keine Wohnungen hergestellt oder angeschafft und in den Jahren 1998 bis 2005 gar keinen Teil des Geschäftsguthabens der Genossen und möglicher aufgenommener Kreditmittel zu wohnungswirtschaftlichen Zwecken verwendet. Die fehlerhafte Bezeichnung der Änderungsvorschrift sei gemäß § 126 Abs. 1 Nr. 2 AO durch die zutreffenden Angaben der Änderungsvorschrift in der Einspruchsentscheidung geheilt worden. Die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 AO seien erfüllt. Dem für die Steuerfestsetzung zuständigen Bediensteten sei erst nachträglich bekannt geworden, dass die X bei ihrer Gründung noch keinen Wohnungsbestand gehabt habe, erst im Laufe des Jahres 1998 ein Grundstück erworben habe, seit 1999 keinerlei Aktivitäten betrieben und nicht unverzüglich mit einer Investitionstätigkeit begonnen habe. Auch die Feststellungen im Bp-Bericht vom 18. Mai 2005 seien erst nachträglich bekannt geworden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die sich in der finanzgerichtlichen Akte befinden, die vom Finanzamt vorgelegten Steuerakten sowie die Niederschriften über den Erörterungstermin vom 17. September 2007 bzw. den Verhandlungstermin vom 9. März 2009 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet. Der Bescheid vom 11. Oktober 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. September 2005 ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger dadurch in seinen Rechten, dass die Eigenheimzulage nicht für die Jahre 1998 bis 2000 bewilligt wurde, §§ 17 EigZulG, 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

1. a) Nach § 17 EigZulG 1998 kann der Anspruchsberechtigte die Eigenheimzulage für die Anschaffung von Geschäftsanteilen von mindestens 10.000 DM an einer nach dem 1. Januar 1995 in das Genossenschaftsregister eingetragenen Genossenschaft (Genossenschaftsanteile) in Anspruch nehmen. Der Anspruch auf Eigenheimzulage setzt nach § 17 Satz 2 EigZulG voraus, dass die Satzung der Genossenschaft unwiderruflich den Genossenschaftsmitgliedern, die Förderung erhalten, das vererbliche Recht auf Erwerb des Eigentums an der von ihnen zu Wohnzwecken genutzten Wohnung für den Fall einräumt, dass die Mehrheit der in einem Objekt wohnenden Genossenschaftsmitglieder der Begründung von Wohnungseigentum und Veräußerung der Wohnungen schriftlich zugestimmt hat.

b) Die steuerliche Förderung des Erwerbs von Geschäftsanteilen an Wohnungsgenossenschaften geht unter anderem zurück auf die Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der steuerrechtlichen Wohneigentumsförderung (vgl. Bundestags-Drucksache (BT-Drs.) 13/2476; Gesetzesmaterialien zu § 17 EigZulG abgedruckt in Wacker, 3. Auflage 2001, EigZulG § 17 Rz. 0.1) und wurde vom Bundesrat damit begründet, dass gerade für "Schwellenhaushalte" mit niedrigem und mittlerem Einkommen genossenschaftliche Lösungen häufig die einzige Möglichkeit darstellten, Wohneigentum zu bilden. Die Einbeziehung von Geschäftsanteilen an Wohnungsgenossenschaften in die steuerliche Förderung würde ferner die Finanzierbarkeit der ggf. geforderten hohen Anteilsleistungen deutlich verbessern, der Wohnungsneubautätigkeit zusätzliche Impulse verleihen und Wohnungsgenossenschaften als demokratische und moderne Formen der Selbstorganisation unterstützen. Ausgehend von der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Finanzausschusses des Bundestags zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 13/2784; abgedruckt in Wacker, EigZulG § 17 Rz. 0.3) verfolgt die Einbeziehung des Erwerbs von Anteilen an neugegründeten, eigentumsorientierten Wohnungsbaugenossenschaften in die Förderung den Zweck, auch im Bereich des genossenschaftlichen Wohnens Anreize für die Bildung und den Erwerb von Wohneigentum zu schaffen. Die Maßnahme zielt darauf ab, insbesondere Familien mit geringem Einkommen eine Alternative zum Erwerb eigenen Wohnraums zu bieten. Darüber hinaus sollte durch die Einbeziehung des Erwerbs von Genossenschaftsanteilen auch der Zweck erreicht werden, die Eigenkapitalausstattung der Genossenschaften durch Mobilisierung zusätzlichen privaten Kapitals zu verbessern, um so die Voraussetzungen für ein verstärktes Engagement im Wohnungsneubau zu schaffen (so die Beschlussempfehlung und der Bericht des Finanzausschusses des Bundestages, BT-Drucks 13/2784, S. 40). Mit der Berücksichtigung des Erwerbs von Anteilen an neugegründeten, eigentumsorientiert ausgestalteten Genossenschaften bei der Eigentumsförderung sollten dem genossenschaftlichen Wohnen insgesamt neue Impulse gegeben werden; dies vor allem auch mit Blick auf die Verbesserung der Wohnverhältnisse in den neuen Ländern (BT-Drs. 13/2784 in Wacker, EigZulG § 17 Rz. 0.3).

c) Der Gesetzgeber hat mit § 17 EigZulG jenseits der Tradition der Wohneigentumsförderung in den §§ 7b und 10e des Einkommensteuergesetzes (EStG) einen eigenständigen Subventionstatbestand geschaffen. Dieser soll zunächst das genossenschaftliche Wohnen fördern, das insbesondere für Familien mit geringem Einkommen eine Alternative zum Erwerb eigenen Wohnraums darstellt (vgl. die Empfehlung des Finanzausschusses zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 13/2784, S. 35, 36). Zwar verfolgen reine Kapitalanleger, die nicht beabsichtigen, eine Genossenschaftswohnung je zu nutzen, nicht das Ziel, mit der Mitgliedschaft in der Wohnungsbaugenossenschaft eine Vorstufe zum späteren Erwerb der Wohnung zu erreichen. Aber auch derjenige wird dem Förderzweck des genossenschaftlichen Wohnens gerecht, der sich -ohne eine Selbstnutzung anzustreben- nur kapitalmäßig an der Wohnungsbaugenossenschaft beteiligt und mit dem Erwerb von Anteilen die Eigenkapitalausstattung der Genossenschaften verbessert: Er trägt dazu bei, Wohnraum für diejenigen Genossenschaftsmitglieder zu schaffen, die selbst dazu nicht in der Lage sind ( BFH-Urteil vom 15. Januar 2002 IX R 55/00, BStBl II 2002, 274).

2.) Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger materiell-rechtlich keinen Anspruch auf Eigenheimzulage bei Anschaffung von Genossenschaftsanteilen inne. Die X hat nämlich keine einzige Wohnung neu errichtet bzw. überhaupt eine Wohnung an einen Genossen überlassen.

a) Nach dem Wortlaut des § 17 Satz 1 EigZulG i.V.m. § 1 Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (GenG) ist unter anderem Voraussetzung für die Förderung, dass grundsätzlich Genossenschaftswohnungen vorhanden sind bzw. erworben werden sollen und auch grundsätzlich von Genossenschaftsmitgliedern zu Wohnzwecken genutzt werden oder jedenfalls genutzt werden können.

Bereits der Wortlaut dieser Vorschrift deutet auf die Art der Tätigkeit der Genossenschaft hin, deren Anteile das Gesetz wie ein Objekt i.S. des § 2 EigZulG begünstigt: Es muss sich um eine Genossenschaft handeln, die von ihr errichtete Wohnungen ihren Mitgliedern unbeschadet eines entsprechenden in der Satzung formulierten Gesellschaftszwecks tatsächlich zum Wohnen überlässt ( BFH-Urteil vom 29. März 2007 IX R 28/06, Sammlung nicht amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BFH (BFH/NV) 2007, 1635). Das ergibt sich auch aus dem Sinn des Gesetzes, das "auch im Bereich des genossenschaftlichen Wohnens Anreize für die Bildung und den Erwerb von Wohneigentum" schaffen möchte (so BT-Drucks 13/2784, S. 40, zu § 9 Abs. 2). Der Gesetzgeber wollte damit vermeiden, genossenschaftliches Anteilseigentum gegenüber (Allein-)Eigentum an einer Wohnung zu diskriminieren (Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der steuerrechtlichen Wohneigentumsförderung, BT-Drucks 13/2476, S. 5, Tz. 13, zu Art. 1), wozu es aber nur kommen kann, wenn die Genossenschaft ihren Mitgliedern Wohnungen überlässt. Nur unter dieser Voraussetzung ist das geförderte Anteilseigentum mit Wohnungseigentum überhaupt vergleichbar ( BFH-Urteil vom 29. März 2007 IX R 28/06, BFH/NV 2007, 1635).

b) Daran fehlt es im Streitfall. Der eingesammelte Kapitalstock ist verwendet worden für die Anmietung von Büroräumlichkeiten, den Erwerb von Inventar, Bezahlung von Kautionen, Bezahlung des Vorstandes und einer Sekretärin, Vermittlungsprovisionen für Personen, die Genossen geworben hätten und damit im Ergebnis für das Anwerben von Kapitalanlegern. Zu wohnungswirtschaftlichen Zwecken werden hingegen in erster Linie solche Mittel eingesetzt, die der Anschaffung, Herstellung, Instandsetzung und Verwaltung von Wohnraum dienen (ebenso FG Berlin, Beschluss vom 27. Januar 2006 2 B 2192/05, Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 558).

Zwar setzt das Gesetz setzt nicht voraus, dass mehr als 2/3 des Geschäftsguthabens der Genossen und der aufgenommenen Kreditmittel zu wohnungswirtschaftlichen Zwecken verwandt werden, und ebenso wenig, dass neu angeschaffte und errichtete Wohnungen überwiegend an Genossenschaftsmitglieder überlassen werden müssen ( BFH-Urteil vom 19. August 2008 IX R 3/08, BFH/NV 2009, 251). Im vorliegenden Fall wurde aber gar keine Wohnung an einen Genossen überlassen, so dass der Gesetzeszweck verfehlt wird.

3. Eine Änderungsmöglichkeit des Ausgangsbescheides bestand gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gleichwohl nicht. Diese Vorschrift ist zwar gemäß §§ 15 Abs. 1 Satz 1 EigZulG, 155 Abs. 4 AO auf die Festsetzung der Eigenheimzulage sinngemäß anzuwenden (Klein/Rüsken, AO, § 155 Rn. 50). Auch wurden Tatsachen nachträglich bekannt, die einen Anspruch auf Festsetzung der Eigenheimzulage im Ergebnis ausschließen. Die neuen Tatsachen wären aber bei Erlass des Bewilligungsbescheides am 17. August 1999 nicht rechtserheblich gewesen (vgl. hierzu Klein/Rüsken, AO, § 173 Rn. 71 mit Nachweisen aus der BFH-Rechtsprechung).

Die Bediensteten des Beklagten waren durch den Erlass des BMF vom 11. Mai 1999, veröffentlicht am 17. Juni 1999 (BStBl I 1999, 490) angewiesen, die Genossenschaftsanteile nur dann als begünstigt anzusehen, wenn die Genossenschaft unverzüglich mit der Investitionstätigkeit beginne, wobei die üblichen Vorbereitungen wie Bauland- oder Gebäudebeschaffung, Planungs- und Bauantragsverfahren mit einzubeziehen seien. Im Streitfall wurde die Genossenschaft erst am... Januar 1998 errichtet. Unter Berücksichtigung der üblichen Vorbereitungshandlungen hätte der zuständige Bedienstete nach der Überzeugung des Senats den Bewilligungsbescheid ebenso erlassen müssen, da der Genossenschaft eine Anlaufphase von zumindest ca. 1 1/2 Jahren hätte zugestanden werden müssen. Denn erst durch das Zeichnen neuer Anteile und dem damit verbundenen Kapitalzufluss wird die Gesellschaft in den Stand gesetzt, neue Wohnungen zu schaffen ( BFH-Urteil vom 15. Januar 2002 IX R 55/00, BStBl II 2002, 274).

Zwar hätte der Bewilligungsbescheid nach den damals vorliegenden Erlassen des BMF (vom 10. Februar 1998, BStBl I S. 190, Rz. 107) mit einem Vorläufigkeitsvermerk gemäß § 165 AO versehen werden müssen. Der Senat kann aber dahingestellt lassen, ob dieser Vorläufigkeitsvermerk gemäß § 173 AO am 11. Oktober 2001 noch angebracht hätte werden können. Der Beklagte hat sich jedenfalls für einen Aufhebungsbescheid entschieden, der mangels Rechtserheblichkeit der neuen Tatsachen zum Zeitpunkt des Erlasses des Erstbescheides nicht von § 173 AO gedeckt ist.

4. Allerdings ermöglicht § 11 Abs. 5 Satz 1 EigZulG, materielle Fehler der letzten Festsetzung durch Aufhebung der Festsetzung zu beseitigen. Neu festgesetzt wird mit Wirkung ab dem Kalenderjahr, in dem der Fehler dem Finanzamt bekannt wird, bei einer Aufhebung oder einer Neufestsetzung zuungunsten des Anspruchsberechtigten jedoch frühestens mit Wirkung ab dem Kalenderjahr, in dem das Finanzamt aufhebt oder neu festsetzt, § 11 Abs. 5 Satz 2 EigZulG.

Diese Änderungsnorm ist im Streitfall einschlägig. Zumindest drei Jahre nach der Gründung im Januar 1998 ist nach der Überzeugung des Senats die Phase der Vorbereitungshandlungen abgeschlossen und zu verlangen, dass die Genossenschaft gemäß dem Gesetzeszweck (s.o.) mit eigener Investitionstätigkeit zugunsten der Genossen beginnt. Da dies nicht geschehen ist, war der Bewilligungsbescheid ab dem Jahr 2001 aufzuheben. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob dies auch schon früher möglich gewesen wäre; im Streitfall eröffnet § 11 Abs. 5 EigZulG jedenfalls lediglich diese Änderungsmöglichkeit.

5. Zu Unrecht verweist der Kläger auf das BFH-Urteil vom 15. Januar 2002 IX R 55/00, BStBl II 2002, 274, dort : II. 3. b) der Entscheidungsgründe. Dort setzt sich der BFH mit der Frage auseinander, ob § 17 EigZulG eine Selbstnutzung voraussetzt und führt in diesem Zusammenhang aus, der Anspruch auf Eigenheimzulage entstehe unbeschadet einer Selbstnutzung bereits im Jahr der Anschaffung der Genossenschaftsanteile. Damit ist nach der Überzeugung des Senats aber nicht gemeint, dass generell mit der Anschaffung der Anteile ein unentziehbarer Anspruch für den gesamten Förderungszeitraum, unabhängig von der tatsächlichen Entwicklung der Verhältnisse, entstanden ist.

6. Der Klägervertreter hat einen Verstoß gegen die Öffentlichkeit des Verfahrens nicht substantiiert vorgetragen.

Der Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens soll gewährleisten, dass sich die Rechtsprechung der Gerichte grundsätzlich "in aller Öffentlichkeit", nicht hinter verschlossenen Türen, abspielt, er dient letztlich der Kontrolle der Gerichte (vgl. BFH-Urteil vom 15. März 1977 VII R 122/73, Sammlung der Entscheidungen des BFH (BFHE) 121, 392, BStBl II 1977, 431). Entsprechend diesem Sinn ist der Grundsatz der Öffentlichkeit gewahrt, wenn die Verhandlung in Räumen stattfindet, zu denen während der Dauer der Verhandlung grundsätzlich jedermann der Zutritt offen steht ( BFH-Entscheidungen vom 21. März 1985 IV S 21/84, BFHE 143, 487, BStBl II 1985, 551; vom 10. August 1988 IV R 31/88, BFH/NV 1990, 41; vom 27. November 1991 X R 98-100/90, BFHE 166, 524, BStBl II 1992, 411). Erforderlich ist weiter, dass für jeden Interessenten die Möglichkeit besteht, sich ohne Schwierigkeiten über die anstehende Gerichtsverhandlung rechtzeitig zu informieren. Dem genügt es, wenn ein Unbeteiligter ohne Schwierigkeiten erfragen kann, wann und wo eine Gerichtsverhandlung stattfindet ( BFH-Beschluss vom 30. September 1992 IV R 52/92, BFH/NV 1993, 543). Eine an jedermann gerichtete Kundmachung über Ort und Zeit einer Gerichtsverhandlung mag nach Art und Gegenstand der Verhandlung in dieser oder jener Form zweckmäßig sein, eine solche Kundmachung wird aber durch die Vorschriften über die Öffentlichkeit der Verhandlungen nicht gefordert (vgl. BFH in BFHE 121, 392, BStBl II 1977, 431; Entscheidung des Bundessozialgerichts -BSG- vom 24. April 1989 5 BJ 331/88, RegNr.18453, BSGIntern). Um eine Verletzung über die Öffentlichkeit schlüssig darzutun, muss der Kläger also vortragen, dass die Verhandlung im Streitfall in Räumen stattfand, zu denen während der Dauer der Verhandlung nicht grundsätzlich jedermann der Zutritt offen stand ( BFH-Beschluss vom 30. September 1992 IV R 52/92, BFH/NV 1993, 543). Die Gewährleistung der Öffentlichkeit erfordert regelmäßig nicht, dass die am Sitzungstag stattfindende Verhandlung, zu der jedermann Zutritt hat, durch einen schriftlichen Aushang am Sitzungssaal kenntlich gemacht wird (vgl. BFH in BFHE 121, 392, BStBl II 1977, 431; BFH-Beschluss vom 8. April 1988 III R 43/87, [...]).

Verstöße gegen diese Grundsätze hat der Klägervertreter schon gar nicht gerügt. Im Übrigen war die - nicht notwendige - Anzeige am Sitzungssaal eindeutig. Die drei am Verhandlungstag terminierten Sitzungen erschienen alternierend für jeweils 15 Sekunden auf der elektronischen Anzeige, und zwar jeweils mit dem Hinweis (rechts unten) versehen, dass weitere Sitzungen angezeigt werden. Abgesehen davon war die Tagesordnung im Schaukasten des Gerichts neben den amtlichen Bekanntmachungen in Papierform zwei Meter vom Sitzungssaal entfernt eingestellt. Schlussendlich hätte die Möglichkeit bestanden, sich an der durchgehend besetzten Pforte im Eingangsbereich des Gerichtsgebäudes zu informieren. Unabhängig davon wurde die Tagesordnung an der Stele im Vorraum zu den Sitzungssälen in elektronischer Form angezeigt. Ein Zweifel, dass die Sitzung stattfinden wird, war für einen verständigen Angehörigen der Rechtsanwaltschaft zu keinem Zeitpunkt gegeben.

7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit resultiert aus §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht erfüllt sind.

Ende der Entscheidung

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