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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 18.06.2007
Aktenzeichen: 6 K 31/06
Rechtsgebiete: KStG, EStG


Vorschriften:

KStG § 8b
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1
EStG § 43 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

6 K 31/06

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung deutscher Kapitalertragsteuer inne hat.

Die Klägerin mit Sitz und Geschäftsleitung in -X-/Schweiz war in 2002 Eigentümerin von Namensaktien der A - AG mit Sitz in -Y-/Deutschland. Mit Beschluss der Hauptversammlung der A - AG vom 11. Juni 2002 über die Verwendung des Bilanzgewinns für das Geschäftsjahr 2001 hat die A - AG eine Gewinnausschüttung in Höhe von 1,25 EUR je dividendenberechtigter Namensaktie vorgenommen. Die Auszahlung der Dividenden - abzüglich der Kapitalertragsteuer - erfolgte am 12. Juni 2002, die Anmeldung und Entrichtung der Kapitalertragsteuer durch die A - AG am 15. Juli 2002. Auf die Dividenden der Klägerin entfiel Kapitalertragsteuer in Höhe von 126.878 EUR zzgl. Solidaritätszuschlag i.H.v. 6.978,29 EUR.

Mit Antrag vom 28. August 2002 beantragte die Klägerin beim damaligen Bundesamt für Finanzen (BfF) die Erstattung der deutschen Abzugssteuern vom Kapitalertrag nach dem deutsch-schweizerischen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA-Schweiz) vom 11. August 1971. Gemäß dem Bescheid des BfF vom 28. August 2003 über die Freistellung und Erstattung von deutschen Abzugssteuern vom Kapitalertrag nach § 50 d Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) i.V.m. dem DBA-Schweiz wurden der Klägerin Kapitalertragsteuer i.H.v. 31.719,50 EUR sowie Solidaritätszuschlag i.H.v. 6.978,29 EUR erstattet.

Auf den Einspruch der Klägerin hin teilte das BfF mit, für den Differenzbetrag i.H.v. 95.158,50 EUR Kapitalertragsteuer sei das Betriebsstättenfinanzamt der A - AG zuständig. Eine Einspruchsentscheidung erging bisher nicht.

Mittels Schriftsatzes vom 23. September 2004 beantragte die Klägerin beim beklagten Finanzamt (FA) die Erstattung der restlichen, seitens der A - AG einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer i.H.v. 95.158,50 EUR. Zwar erstrecke sich die beschränkte Körperschaftsteuerpflicht der Klägerin gemäß §§ 2 Nr. 1, 7 Abs. 2, 8 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG), 49 Abs. 1 Nr. 5 a, 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG abstrakt auch auf Dividenden, die nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dem Kapitalertragsteuerabzug unterliegen. Gleichwohl müssten diese Dividendenbezüge wegen § 8 b Abs. 1 KStG bei der Ermittlung des körperschaftsteuerpflichtigen Einkommens der Klägerin "außer Ansatz" bleiben. Daraus folge, dass die Klägerin die Dividenden für steuerliche Zwecke tatbestandlich nicht erziele. Da keine Einkünfte aus Dividenden erzielt würden, greife auch die Abgeltungswirkung des § 32 Abs. 1 KStG nicht ein. Ohne materiell-rechtlichen Steueranspruch der Bundesrepublik Deutschland (BRD) seien die Kapitalertragsteuern ohne rechtlichen Grund gezahlt worden, so dass ein Erstattungsanspruch gemäß § 37 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) bestehe.

Der Erstattungsantrag wurde vom FA im Bescheid vom 11. November 2004 abgelehnt. § 8 b Abs. 1 KStG sei bei der Anwendung des § 32 Abs. 1 KStG unbeachtlich. Die Körperschaftsteuer sei somit durch den Steuerabzug abgegolten; eine Erstattung der Kapitalertragsteuer komme daher nicht in Betracht.

Hiergegen richtete sich die Sprungklage vom 14. Dezember 2004. Das FA stimmte der Sprungklage nicht zu und wies den Einspruch in der Einspruchsentscheidung vom 21. Dezember 2005 als unbegründet zurück. Die Kapitalertragsteuer sei nicht ohne rechtlichen Grund gezahlt worden. § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG setze Einkünfte voraus. Wenn § 8 b Abs. 1 KStG Bezüge i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG bei der Ermittlung des Einkommens außer AnSatz 1asse, so setze dies voraus, dass solche Einkünfte tatsächlich vorhanden seien, die dann bei der Einkünfteermittlung außer Ansatz gelassen werden könnten. Im Übrigen bestimme § 43 Abs. 1 Satz 3 EStG ausdrücklich, dass der Kapitalertragsteuerabzug ungeachtet des § 8 b KStG vorzunehmen sei.

Dagegen richtet sich die Klage vom 16. Januar 2006, eingegangen bei Gericht am 17. Januar 2006. Die Klägerin verfolgt ihr außergerichtliches Begehren mit den im Einspruchsverfahren vorgetragenen Gründen weiter. Die Klagbegründung wurde im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 18. Juni 2007 um den Einwand erweitert, die Kapitalertragsteuer auf deutsche Dividenden an ausländische Kapitalgesellschaften sei europarechtswidrig.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 11. November 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Dezember 2005 einen Erstattungsbescheid nach § 37 Abs. 2 AO in Höhe von 95.158,50 EUR zu erlassen, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die sich in der finanzgerichtlichen Akte befinden, die vom Finanzamt vorgelegten Steuerakten sowie die Niederschrift über den Verhandlungstermin vom 18. Juni 2007 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

1. a) Gemäß § 37 Abs. 2 AO hat, falls eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden ist, derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags.

b) Im Streitfall wurde die Kapitalertragsteuer nicht ohne rechtlichen Grund bezahlt. Nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG wird Kapitalertragsteuer bei Kapitalerträgen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG (Dividenden) erhoben, und zwar gemäß § 43 Abs. 1 Satz 3 EStG ungeachtet des § 8 b KStG. Schon deswegen ist der Argumentation der Klägerin, sie erziele wegen § 8 b Abs. 1 KStG tatbestandlich keine Einkünfte, nicht zu folgen (ebenso Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Kommentar zum KStG und EStG, Stuttgart, 2007, § 8 b KStG Rn.12.) 15 c) Dessen ungeachtet steht die Interpretation der Klägerin bereits mit dem Wortlaut des § 8 b KStG nicht in Einklang. Demnach bleiben Bezüge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz. Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich somit nicht um eine Steuerbefreiungsnorm, da die entsprechenden Bezüge nicht als "steuerfrei" bezeichnet werden; vielmehr eliminiert § 8 b KStG lediglich Einnahmen aus dem steuerpflichtigen Einkommen. Die Kapitalertragsteuer knüpft aber nicht an das Einkommen an. § 8 b KStG kann auch deshalb keine Auswirkungen auf die Kapitalertragsteuer haben (ebenso Frotscher, in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, Freiburg 1978 ff., § 8 b Rz. 29).

2. Die Vorschriften über die Kapitalertragsteuer auf deutsche Dividenden an ausländische Kapitalgesellschaften sind nach Auffassung des Senats nicht europarechtswidrig.

a) Gemäß Artikel 56 Art. 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten. Art. 56 EGV berührt allerdings gemäß Art. 58 Abs. 1 a) EGV nicht das Recht der Mitgliedstaaten, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln. Diese Maßnahmen dürfen nach Art. 58 Abs. 3 EGV weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellen.

Das aber ist nach der ständigen Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) nur dann der Fall, wenn die steuerrechtlichen Unterscheidungen auf Situationen angewandt werden, die nicht objektiv vergleichbar sind oder durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses, insbesondere die Kohärenz der Steuerregelung, gerechtfertigt sind, wobei die Rechtfertigung von Behinderungen für den freien Kapitalverkehr letztlich denselben Regeln unterworfen werden wie die Beschränkung anderer gemeinschaftsvertraglich verbürgter Grundfreiheiten (Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. August 2006 I R 95/05, Bundessteuerblatt (BStBl) II 2007, 279, 283 mit Nachweisen aus der EuGHRechtsprechung).

b) Im Streitfall wird zwar die Freiheit der Klägerin, sich an der A - AG zu beteiligen, durch die Vorschriften der §§ 43 ff. EStG beschränkt. Diese Beschränkung ist aber von Art. 58 Abs. 1 a) EGV gedeckt.

Das Steuerabzugsverfahren (und die seiner Durchsetzung dienende Haftungsregelung) stellen nämlich ein legitimes und geeignetes Mittel dar, um die steuerliche Erfassung der Einkünfte einer außerhalb des Besteuerungsstaats ansässigen Person sicherzustellen und um zu verhindern, dass die betreffenden Einkünfte sowohl im Wohnsitzstaat als auch im Staat der Leistungserbringung unversteuert bleiben (Urteil des EuGH vom 3. Oktober 2006 Rs. C-290/04 "FKP Scorpio, Konzertproduktionen GmbH", BStBl II 2007, 352, Randnr. 36). Der Steuerabzug stellt ein verhältnismäßiges Mittel zur Beitreibung steuerlicher Forderungen des Besteuerungsstaats dar (Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH-Urteil) vom 3. Oktober 2006 Rs. C- 90/04, BStBl II 2007, 352, Randnr. 37; im Ergebnis ebenso Mueller, IStR 2002, 109, 113).

Eine willkürliche Diskriminierung gemäß Art. 58 Abs. 3 EGV vermag der Senat nicht zu erkennen. Willkürlich ist diejenige Diskriminierung, die sich nicht auf anerkennenswerte sachliche Erfordernisse stützen kann und daher nicht objektiv gerechtfertigt ist (Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf, Art. 58 EGV Rdnr. 49). Diese Voraussetzungen sind nach dem oben Gesagten nicht erfüllt.

c) Soweit die Abgeltungswirkung des § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG als gemeinschaftsrechtswidrig beurteilt und aus diesen oder anderen Gründen eine analoge Anwendung des § 43 b EStG (Frotscher, in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, Freiburg 1978 ff., § 8 b Rz. 29 c) bzw. des § 50 d Abs. 1 EStG (Eckert, IStR 2003, 406) befürwortet wird, führt dies zur Zuständigkeit des Bundeszentralamts für Steuern (BZSt).

3. Soweit die Klägerin im Einspruchsverfahren (nicht mehr im Klageverfahren) auf Art. 25 Abs. 1 des DBA Schweiz Bezug genommen hat, wird gemäß § 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 21. Dezember 2005 verwiesen.

4. Da dem Klagabweisungsantrag des Beklagten entsprochen wurde, war ihm auf entsprechenden Antrag in der mündlichen Verhandlung hin mangels Beschwer keine Frist zur Stellungnahme bzgl. der Ausführungen der Klägerin zur Europarechtswidrigkeit mehr zu gewähren.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

6. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

Ende der Entscheidung

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