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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 11.12.2002
Aktenzeichen: 7 K 175/99
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 40b Abs. 1 S. 1
LStR 1990/1993 Abschn. 129 Abs. 3 S. 6
LStR 1996 Abschn. 129 Abs. 3a S. 4
LStR 2002 R 129 Abs. 2 S. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Finanzrechtsstreit

wegen Lohnsteuerhaftung 1991, 1992 und 1994

hat der 7. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. Dezember 2002 durch Präsident des Finanzgerichts ... Richter am Finanzgericht ... ehrenamtliche Richter ...

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Haftungsbescheide vom 18. November 1996 und die Einspruchsentscheidungen vom 13. September 1999 werden aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob Beiträge an eine Direktversicherung mit einer Laufzeit von unter 5 Jahren pauschal lohnversteuert werden können.

Die Klägerin firmierte in den Streitzeiträumen 1991 und 1992 noch unter T. Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH. Auf Grund Verschmelzungsvertrages vom 11. August 1999 nahm sie die H. T. GmbH auf, deren Firma im Streitzeitraum 1994 auf T. GmbH (im Folgenden: T. GmbH alt) gelautet hatte. Sowohl die Klägerin als auch die T. GmbH alt, als deren Rechtsnachfolgerin die Klägerin das von jener eingeleitete Klageverfahren weiter führt, gehörten bereits im Streitzeitraum zur H. Gruppe, in deren Alterssicherungssystem sie eingegliedert waren. Bestandteil dieses Altersversorgungssystems war ein Gruppenversicherungsvertrag für eine Direktversicherung, zu dem das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen am 28. Februar 1985 einen 7. Nachtrag genehmigt hatte. In Art. 2 Abs. 2 dieses Nachtrags war ein rechnungsmäßiges Höchsteintrittsalter von 65 Jahren und in Art. 3 Abs. 2 für die Fälligkeit der Versicherungssumme ein rechnungsmäßiges Endalter von 67 Jahren geregelt. Auf den Nachtrag vom 8./14. November 1984 wird Bezug genommen.

I. T. Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH

Bei der T. Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH wurden in den Jahren 1991 und 1992 mehrere Mitarbeiter vorzeitig pensioniert. Vier Arbeitnehmer nahmen das Angebot ihres Arbeitgebers an und verzichteten zugunsten von Einzahlungen in die oben erwähnte, als Kapitalversicherung ausgestaltete Direktversicherung auf die Auszahlung ihrer Abfindungen.

Mit dem Versicherungsunternehmen wurden folgende Vereinbarungen getroffen:

 VersicherterGeburtsdatumBeginn der VersicherungAblauf der VersicherungEinmalbeitrag DMErlebensfall Summe DMTodesfall Summe DM[XXXXX]
......01.01.199201.01.19948.604,909.000,009.000,009.834,30
......01.01.199201.01.199429.533,0030.889,0030.889,0033.856,20
......01.01.199201.01.199511.120,4012.000,0012.000,0013.832,00
......01.01.199201.01.199447.432,1049.610,0049.610,0054.373,60
......01.01.199201.01.199615.725,5017.500,0017.500,0021.218,40
......01.01.199201.01.199440.016,5041.858,0041.858,0045.876,30
......01.10.199201.10.19987.614,909.000,009.000,0012.022,30

Unter Bezugnahme auf § 40b Einkommensteuergesetz (EStG) wurden von der T. Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH die Abfindungen der genannten Arbeitnehmer mit 15 v. H. pauschal der Lohnsteuer unterworfen.

Bei einer im Frühjahr 1995 durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung beanstandete der Prüfer die von der Firma T. Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH praktizierte Verfahrensweise. Eine Pauschalversteuerung nach § 40b EStG könne nicht stattfinden, da Abschnitt 129 Abs. 3 Satz 6 Lohnsteuerrichtlinien (LStR) für Kapitalversicherungen eine Vertragsdauer von fünf Jahren erfordere und diese Laufzeit bei keinem der vier Arbeitnehmer eingehalten sei.

Der Beklagte folgte der Auffassung des Lohnsteuer-Außenprüfers und erließ - nachdem sich der Arbeitgeber mit der Inanspruchnahme an Stelle der Arbeitnehmer einverstanden erklärt hatte - am 18. November 1996 einen auf § 42d EStG gestützten Haftungs- und Nachforderungsbescheid. Er forderte darin folgende Lohnsteuerbeträge nach:

 Für 1991 für...22.498,00 DM
 ...40.314,00 DM
 ...63.391,00 DM,
für 1992 für...2.586,00 DM
Zwischensumme 128.789,00 DM
- bereits entrichtete Pauschalsteuer 24.006,70 DM
  104.782,30 DM

Gegen den Haftungsbescheid legte die T. Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH am 19. Dezember 1996 Einspruch ein. Sie war der Auffassung, dass eine pauschale Lohnversteuerung der Leistungen in die Direktversicherungen nach § 40b EStG stattfinden könne. Dem in Abschnitt 129 Abs. 3 Satz 6 LStR angeordneten Erfordernis einer fünfjährigen Laufzeit fehle die gesetzliche Grundlage. Die von der Finanzverwaltung in Abschnitt 129 Abs. 3 Satz 6 LStR erwähnte fünfjährige Mindestlaufzeit für Kapitalversicherungen beruhe auf dem BMF - Schreiben vom 16. März 1977 (Betriebs-Berater 1977, 477). Sie sei mit der Begründung eingeführt worden, dass der vom Bundesaufsichtsamt für Versicherungswesen aufgestellte Mustergeschäftsplan für Kapitalversicherungen eine versicherungstechnische Mindestlaufzeit von fünf Jahren vorsehe. Dieses Argument sei aber steuerrechtlich unbeachtlich.

Dessen ungeachtet seien aber auch die Voraussetzungen für die in Abschnitt 129 Abs. 3 Satz 6 LStR eingeräumte Ausnahme von der Fünfjahresfrist erfüllt. Hierzu machte die T. Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH nähere Ausführungen.

Mit Entscheidung vom 13. September 1999 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Abschnitt 129 Abs. 3 Satz 6 LStR sei für die Finanzverwaltung verbindlich, so dass der Beklagte auf die Einhaltung der Fünfjahresfrist bestehen müsse. Eine Ausnahme von diesem Erfordernis sei nicht gegeben.

Am 11. Oktober 1999 hat die T. Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH Klage erhoben.

II. T. GmbH alt

Bei der T. GmbH alt gingen 1994 ebenfalls mehrere Arbeitnehmer in den vorzeitigen Ruhestand. Drei Arbeitnehmer machten von der ihnen vom Arbeitgeber angebotenen Möglichkeit Gebrauch, die Abfindungen in die oben erwähnte, als Kapitalversicherung ausgestaltete Direktversicherung einzuzahlen. Mit dem Versicherungsunternehmen wurden folgende Vereinbarungen getroffen:

 VersicherterGeburtsdatumBeginn der VersicherungAblauf der VersicherungEinmalbeitrag DMErlebensfall Summe DMTodesfall Summe DM[XXXXX]
......01.07.199401.07.199732.439,8035.025,0035.025,0040.465,30
......01.01.199501.01.199851.000,0055.064,0055.064,0063.527,10
......01.01.199501.01.199814.448,7015.600,0015.600,0017.997,30

Die Abfindungen wurden von der T. GmbH alt unter Bezugnahme auf § 40b EStG mit 15 v. H. pauschal der Lohnsteuer unterworfen.

Auch bei der T. GmbH beanstandete der Lohnsteuer-Außenprüfer diese Verfahrensweise. Der Beklagte erließ - nachdem sich der Arbeitgeber mit der Inanspruchnahme an Stelle der Arbeitnehmer einverstanden erklärt hatte - am 18. November 1996 einen auf § 42d EStG gestützten Haftungs- und Nachforderungsbescheid und forderte folgende Lohnsteuerbeträge nach:

 für ...13.856,00 DM
...44.856,00 DM
...14.144,00 DM
Zwischensumme72.856,00 DM
- bereits entrichtete Pauschalsteuer14.683,00 DM
 58.173,00 DM

Gegen den Haftungsbescheid legte die T. GmbH alt am 19. Dezember 1996 Einspruch ein. Sie war der Auffassung, dass eine pauschale Lohnversteuerung der Leistungen in die Direktversicherungen nach § 40b EStG stattfinden könne und führte dafür die gleichen Argumente ins Feld wie die T. Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH.

Mit Entscheidung vom 13. September 1999 wies der Beklagte den Einspruch mit gleicher Begründung wie bei der T. Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH zurück.

Am 11. Oktober 1999 hat die T. GmbH alt Klage erhoben.

III. Klagebegründung und Antrag der Klägerin

Aus den bereits dargelegten Gründen ist die Klägerin nach wie vor der Auffassung, für die in Abschnitt 129 Abs. 3 Satz 6 LStR aufgestellte Voraussetzung einer fünfjährigen Laufzeit für Kapitalversicherungen fehle die gesetzliche Grundlage. Dessen ungeachtet liege die dort eingeräumte Ausnahme vor, dass nämlich die streitgegenständlichen Kapitalversicherungen im Rahmen einer Gruppenversicherung nach dem arbeitsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung abgeschlossen worden seien. Die Laufzeit der Versicherung habe sich danach gerichtet, wie alt der Mitarbeiter zum Zeitpunkt seiner Frühpensionierung gewesen sei. Eine Frist von 2 Jahren sei nicht unterschritten worden, da nur bei dieser Mindestfrist noch ein nennenswertes Versicherungsrisiko bestehe.

Die Klägerin beantragt,

die Haftungs- und Nachforderungsbescheide vom 18. November 1996 und die Einspruchsentscheidungen vom 13. September 1999 aufzuheben.

IV. Antrag und Stellungnahme des Beklagten

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen und für den Fall, dass der Klage stattgegeben wird, die Revision zuzulassen.

Auch wenn dies dem Wortlaut des § 40b EStG nicht zu entnehmen sei, sei der Gesetzgeber bei dessen Schaffung davon ausgegangen, dass Direktversicherungen eine Mindestlaufzeit von fünf Jahren haben müssten. Dieses Vorverständnis beruhe darauf, dass der vom Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen aufgestellte Mustergeschäftsplan für Kapitalversicherungen eine versicherungstechnische Mindestlaufzeit vorsehe.

Die Voraussetzungen für eine Ausnahme vom Erfordernis der Fünfjahresfrist seien nicht gegeben.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Entgegen der Ansicht des Beklagten konnte die Lohnsteuer von den Beiträgen für die Direktversicherungen der in den vorzeitigen Ruhestand ausgeschiedenen Arbeitnehmer gemäß § 40b EStG mit einem Pauschsteuersatz von 15 vom Hundert der Beiträge erhoben werden. Die gegen die T. Vermögensverwaltungs GmbH und die T. GmbH alt ergangenen Haftungs- und Nachforderungsbescheide vom 18. November 1996 sind rechtswidrig und deshalb aufzuheben.

Gemäß § 40b Abs. 1 Satz 1 EStG 1990 konnte in den Veranlagungszeiträumen 1991, 1992 und 1994 der Arbeitgeber die Lohnsteuer von den Beiträgen für eine Direktversicherung des Arbeitnehmers mit einem Pauschsteuersatz von 15 vom Hundert der Beiträge erheben. Voraussetzung war dafür nach § 40b Abs. 1 Satz 2 EStG 1990 nur, dass die Versicherung nicht auf den Erlebensfall eines früheren als des 60. Lebensjahres abgeschlossen und eine vorzeitige Kündigung des Versicherungsvertrages durch den Arbeitnehmer ausgeschlossen wurde.

1. Der Beklagte begründet seine Ablehnung mit dem Hinweis auf Abschnitt 129 Abs. 3 Satz 6 der in den streitbefangenen Veranlagungszeiträumen anzuwendenden Lohnsteuerrichtlinien 1990 (BStBl I 1989 Sondernummer 3) und Lohnsteuerrichtlinien 1993 (BStBl I 1992 Sondernummer 4). Danach sollten Kapitalversicherungen mit einer Vertragsdauer von weniger als 5 Jahren nicht als Direktversicherungen im Sinne des § 40b Abs. 1 Satz 1 EStG anerkannt werden können, es sei denn, dass sie im Rahmen einer Gruppenversicherung nach dem arbeitsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung abgeschlossen worden seien. Letzteres sei im Streitfall jedoch nicht geschehen. Dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 16. März 1977 - IV B 6 - S 2373 - 4/77 (Betriebs-Berater 1977, 477) zu Folge wurde die Mindestlaufzeit von fünf Jahren in Anlehnung an die versicherungstechnische Mindestlaufzeit bestimmt, die in einem vom Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen aufgestellten Mustergeschäftsplan für Kapitalversicherungen vorgesehen ist.

2. In der Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten, dass § 40b Abs. 1 EStG keine Rückschlüsse auf eine bestimmte Mindestlaufzeit des Versicherungsvertrages zulasse (Trzaskalik in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 40b Rdnr. B 7, Blomeyer/Otto, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, Kommentar, 2. Aufl. 1997, StR A Rdnr. 3, Höfer/Abt, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, Bd. II. 2. Aufl. 1984, § 40b EStG Rdnr. 27/67, K. Wagner in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz Kommentar, § 40b EStG Rdnr. 24, Reuter, DStR 1980, 429, 431. Frotscher in Frotscher, EStG Praxiskommentar, § 40b Rdnr. 13). Baumdicker in Bordewin/Brandt, Kommentar zum EinkommensteuergesetzEStG, § 40b EStG Rdnr. 33b, findet für die von der Finanzverwaltung geforderte Mindestlaufzeit von fünf Jahren für als Kapitalversicherungen ausgestaltete Direktversicherungen ebenfalls keine gesetzliche Grundlage, hält sie aber für notwendig, um zu verhindern, dass Arbeitnehmer von der geringen Pauschalbesteuerung profitieren, obwohl sie kurzfristig wieder über das eingezahlte Kapital verfügen könnten. Der Sinn des § 40b EStG ergebe, dass der Gesetzgeber eine langfristige, volkswirtschaftliche erwünschte Anlage der Beiträge beabsichtigt habe (Baumdicker, a. a. O.). Auch Trzaskalik und K. Wagner weisen darauf hin, dass der Begriff der durch § 40b Abs. 1 Satz 1 EStG begünstigten Direktversicherung beinhalte, dass ein Risiko versichert werde. Werde der Vertrag auf relativ kurze Zeit geschlossen, könne man im Einzelfall bezweifeln, ob dies der Fall sei (Trzaskalik in Kirchhof/Söhn, a. a. O., K. Wagner in Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O.).

3. Soweit ersichtlich hatte sich die Finanzrechtsprechung mit dem Problem, ob die von der Finanzverwaltung geforderte Mindestlaufzeit von fünf Jahren mit dem Gesetzeswortlaut des § 40b Abs. 1 EStG vereinbar ist, noch nicht zu befassen. In anderem Zusammenhang hatte der Bundesfinanzhof aber ausgeführt, dass eine Versicherung, bei der das typische Todesfallwagnis und - bereits bei Vertragsschluss - das Rentenwagnis ausgeschlossen worden seien, keine Direktversicherung im Sinne des § 40b EStG darstelle (Urteil vom 9. November 1990 VI R 164/86, BFHE 163, 53, BStBl II 1991, 189). Direktversicherung sei nach § 1 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers, für die die betriebliche Altersversorgung durch den Arbeitgeber abgeschlossen worden sei und aus der der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Leistungen des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt seien. Wesentliches Merkmal des gesetzlich nicht definierten Begriffs der Lebensversicherung sei es, ein wirtschaftliches Risiko abzudecken, das aus der Unsicherheit und Unberechenbarkeit des menschlichen Lebens für den Lebensplan des Menschen erwachse. Die durch die Lebensversicherung typischerweise abgedeckten Gefahren seien der Tod (Todesfallrisiko) oder die Ungewisse Lebensdauer als Rentner (Erlebensfallrisiko). Hinsichtlich der Versichertenleistungen könne sich die Lebensversicherung in Kapital- und Rentenversicherungen gliedern. Bei der Kapitalversicherung bestehe die Leistung in einer Kapitalsumme, die einmalig bei Tod des Versicherten oder im Erlebensfall bei Ablauf der Versicherung gezahlt werde. Bei der Rentenversicherung würden wiederkehrende Leistungen erbracht. Im damals zu entscheidenden Fall hatte der Bundesfinanzhof die Möglichkeit der Lohnsteuerpauschalierung nach § 40b EStG ausgeschlossen, weil er in der dort als Rentenversicherung konzipierten Versicherung kein typisches Rentenwagnis fand. Denn trotz der Bezeichnung als Rentenversicherung war in den Versicherungsverträgen von vornherein für den Erlebensfall die Zahlung einer Rente ausgeschlossen und das Kapitalwahlrecht ausgeübt worden. Außerdem sah das Gericht das typische Todesfallrisiko ausgeschlossen, weil für den Todesfall vor Eintritt des Kapitalauszahlungszeitpunktes der Versicherer lediglich die bis dahin eingezahlten Beiträge zuzüglich einer etwaigen Überschussbeteiligung auszuzahlen hatte. Solche Verträge seien als eine Art. atypische Sparverträge, nicht aber als Direktversicherungen im Sinne des § 40b EStG anzusehen.

4. Bei Lebensversicherungen, die von vornherein nicht als Rentenversicherung, sondern als Kapitalversicherungen gegen Einmalbetrag ausgestaltet sind, bedarf es noch sorgfältigerer Prüfung, ob es sich um bloße, nicht nach § 40b EStG begünstigte Kapitalansammlungsverträge oder um echte Lebensversicherungsverträge handelt, denen ein typisches Todesfallrisiko innewohnt.

Das Todesfallrisiko ist das Risiko des Versicherers, dass der Versicherte vor Ablauf der Versicherungsdauer stirbt, die ausgewiesene Versicherungssumme somit noch nicht vollständig ausfinanziert ist und der Versicherer mehr zahlen muss als an Deckungskapital zur Verfügung steht. Im vorliegenden Falle beträgt das riskierte Kapital zu Beginn des Versicherungsvertrages wie folgt:

 VersicherterLaufzeit der VersicherungEinmalbeitrag DMTodesfall Summe DM[XXXXX]DMVerhältnis [XXXXX]
...2 Jahre8.604,909.000,00395,104,59
...2 Jahre29.533,0030.889,001.356,004,59
...3 Jahre11.120,4012.000,00879,607,91
...2 Jahre47.432,1049.610,002.177,904,59
...4 Jahre15.725,5017.500,001774,5011,28
...2 Jahre40.016,5041.858,001841,504,60
...6 Jahre7.614,909.000,001385,1018,13
...3 Jahre32.439,8035.025,002.585,207,97
...3 Jahre51.000,0055.064,004064,007,97
...3 Jahre14.448,7015.600,001.151,307,97

Insbesondere bei den Arbeitnehmern, bei denen die Laufzeit der Versicherung nur 2 Jahre beträgt, ist das riskierte Kapital vor allem zum Ende der Laufzeit hin zwar relativ niedrig, reicht jedoch aus, um noch von einem Lebensversicherungsrisiko sprechen zu können. Denn es darf dabei auch nicht übersehen werden, dass die Arbeitnehmer beim Eintritt in die Versicherung schon alle mindestens das 57. Lebensjahr erreicht hatten. Anders als in dem durch BFH-Urteil vom 9. November 1990 VI R 164/86 (a.a.O.) entschiedenen Fall beschränkt sich die Todesfallsumme auch nicht auf den eingezahlten Betrag zuzüglich der bis dahin erreichten Überschüsse, sondern entspricht von Anfang an 100 % der vereinbarten Erlebensfallsumme. Nachdem der Beklagte seine Ablehnung mit dem Hinweis auf die in Abschnitt 129 Abs. 3 Satz 6 LStR 1990 und LStR 1993 enthaltene Fünfjahresfrist begründet und diese letztlich auf der versicherungstechnischen Mindestlaufzeit gründet, die in einem vom Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen aufgestellten Mustergeschäftsplan für Kapitalversicherungen vorgesehen ist, ist auch von Bedeutung, dass das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen mit Schreiben vom 28. Februar 1985 den im vorliegenden Falle zur Anwendung gekommenen Versicherungsvertrag genehmigt hat.

Nach alledem stellen die abgeschlossenen Versicherungsverträge Direktversicherungen dar, die die Gewährung des Pauschsteuersatzes nach § 40b Abs. 1 EStG rechtfertigen. Auf die Frage, ob die streitgegenständlichen Versicherungen nach der in Abschnitt 129 Abs. 3 Satz 6 LStR eingeräumten Ausnahme von der Fünfjahresfrist berücksichtigt werden können, braucht deshalb nicht mehr eingegangen zu werden. Es sei nur noch darauf hingewiesen, dass es für diese Ausnahme ebenso wenig eine gesetzliche Grundlage gibt wie für die Fünfjahresfrist selbst.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 137 Abs. 1 FGO.

6. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

Anschrift: Finanzgericht Baden-Württemberg * Postfach 10 01 08 * 76231 Karlsruhe

Dienstgebäude: Moltkestraße 80 * 76133 Karlsruhe

Fernsprecher: Vermittlung * (07 21) 9 26-0 Telefax (07 21) 9 26-35 59

E-Mail: Poststelle@FGKArlsruhe.justitz.bwl.de

Ende der Entscheidung

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